Wimbachklamm. Ramsau, Berchtesgadener Land. Am Ausgang des
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Wimbachklamm. Ramsau, Berchtesgadener Land. Am Ausgang des
LaSt_Kap01.qxd:Musterlayout 14.11.2010 13:54 Uhr Seite 2 Wimbachklamm. Ramsau, Berchtesgadener Land. Am Ausgang des Wimbachtales im Nationalpark Berchtesgaden hat der Wildbach eine etwa 200 Meter lange Klamm in den Fels geschnitten (Foto: E. Langenscheidt). LaSt_Kap01.qxd:Musterlayout 1 14.11.2010 13:54 Uhr Seite 3 Prolog Die Berge sind wohl jetzt, da diese Wissenschaft noch jung ist und wo man ihre ersten und greifbarsten Züge sammelt, von der größten Bedeutung; aber es wird auch die Ebene an die Reihe kommen, und ihre einfacher und schwerer zu entziffernde Frage wird gewiß nicht von geringerer Wichtigkeit sein. Adalbert Stifter (1805–1868), Der Nachsommer – Eine Erzählung, 1857 Im Sinne dieser überaus vorrausschauenden Worte des österreichischen Schriftstellers, Malers und Pädagogen beginnen wir unsere Geschichte von Bergen, Tälern und Seen. Es ist eine Geschichte von sich öffnenden und schließenden Ozeanen über Jahrmillionen, von der gewaltigen Kollision von Kontinenten, wodurch die Überreste von Meerestieren, die einst große Korallenriffe in tropischen Gewässern aufbauten, heute als markante, von Eiszeiten geformte Hochgebirgsgipfel des Berchtesgadener Landes und Chiemgaus in den weiß-blauen Himmel empor ragen. 1.1 Grenzen: Berchtesgadener Land und Chiemgau ebenso wie im Theaterstück und im Spielfilm. So auch diese vom Berchtesgadener Land und Chiemgau. Damit wären die Orte der Handlung im Grunde genommen bereits festgelegt, wäre da nicht ein unscheinbares Problem der Abgrenzung. Denn während das Berchtesgadener Land und seine Grenzen durch den gleichnamigen Landkreis verwaltungspolitisch klar definiert sind, ist die räumliche Abgrenzung des Chiemgaus nicht klar zu bestimmen. So umfasst der Chiemgau Teile der Landkreise Rosenheim und Traunstein, wobei sich die nördliche Begrenzung je nach Standpunkt einzelner Städte und Gemeinden als recht unscharf darstellt. Das gesamte Gebiet unserer Betrachtungen begrenzen wir daher wie folgt: im Westen mit dem Inntal, im Osten mit der Salzach, im Norden mit der gedachten Linie Wasserburg-Tittmoning und im Süden, Südwesten sowie Südosten mit dem jeweiligen Verlauf der Staatsgrenze zu Österreich. Eine Geschichte benötigt in der Regel einen oder mehrere klar beschriebene Orte der Handlung, im Roman Die Watzmann-Sage Einst regierte König Watzmann im Berchtesgadener Land. Er war ein grausamer Herrscher, und gefürchtet waren seine wilden Ritte über das Land, die er zusammen mit seiner Frau und den sieben Kindern unternahm. Dabei begegneten sie einmal einer alten Frau vor ihrer Hütte, die ein kleines Kind auf dem Schoß hielt. König Watzmann und sein Gefolge ritten die beiden nieder, als der Bauer und seine Frau aus der Hütte traten, um ihre Mutter und ihr Kind zu schützen. Da schickte König Watzmann seine Hunde los, um die armen Leute niederzureißen. Im Sterben liegend hob die alte Frau ihre Hand und verfluchte König Watzmann und sein Gefolge: sie sollen sich in Stein verwandeln. Ein Sturm kam auf und ein Zittern durchlief die Erde. Als der Sturm vorüber war, waren König Watzmann, seine Gemahlin und die sieben Kinder zu Stein geworden. Noch heute blicken sie herab auf das Berchtesgadener Land, das unter ihnen soviel Leid ertragen musste. LaSt_Kap01.qxd:Musterlayout 1 4 14.11.2010 13:54 Uhr Seite 4 1 Prolog 1.1 Der Watzmann. Neben dem Königssee ist der Watzmann sicherlich „die“ Attraktion im Berchtesgadener Land. Zahlreiche Routen führen auf seine drei höchsten Erhebungen [Mittelspitze (2 713 Meter), Südspitze (2 712 Meter) und Hocheck (2 651 Meter)], darunter die zwar nicht allzu schwierige, doch ein sehr gutes Orientierungsvermögen erfordernde Kletterei durch die Ostwand, die bislang mehr Todesopfer forderte als die Eigernordwand, sei es durch Selbstüberschätzung, Erschöpfung oder Orientierungslosigkeit. „Groß und mächtig, schicksalsträchtig, um seinen Gipfel jagen, Nebelschwaden. A Donnern schickt er oft ins Tal und dann schauderts alle auf amal. Wann er donnert, Gott behüt, der Berg der kennt ka Einsegn nit“, heißt es im Konzeptalbum oder so genannten Rustikal Der Watzmann ruft von Wolfgang Ambros (*1952), Manfred Tauchen (*1947) und Joesi (Josef) Prokopetz (*1952), das den Berg durch subtile Texte und ohrwurmverdächtige Tonfolgen weit über Alpinistenkreise hinaus noch berühmter machte als seine legendäre Ostwand (Foto: A. Stahr). Männer und ihre Namen: Berchtesgaden und Chiemgau Ein Siedler namens Perchta oder Perther errichtete einst einen „Gaden“, einen einfachen, umzäunten Wohnsitz. Urkundlich erwähnt wird in der Folge dann „Perthersgaden“ und „Bertholdsgaden“. Der heutige Namen „Berchtesgaden“ leitet sich davon ab. Ebenfalls auf einen Namen gehen alle Begriffe hervor, die mit der Silbe „Chiem“ beginnen. Es handelt sich um den alt- hochdeutschen männlichen Vornamen „Chiemo“, den der wahrscheinlich erste Chiemgaugraf des frühen Mittelalters trug. Gegen Ende des 8. Jahrhunderts findet sich in Urkunden der Name „Chimigaoe“. Er bezeichnet ein kleines Gebiet um den Ort Chieming. Chiemgau und auch Chiemsee sind daher mit großer Wahrscheinlichkeit von Chieming als Ortsname abzuleiten. LaSt_Kap01.qxd:Musterlayout 14.11.2010 13:54 Uhr Seite 5 1.2 Eine Theorie erklärt 5 1.2 Abend am Chiemsee. Was der Watzmann und der Königssee für das Berchtesgadener Land, ist zweifelsohne das Bayerische Meer für den Chiemgau. Die Freunde des Hochfelln, Hochgern, der Kampenwand, des Rauschbergs und vieler anderer prächtiger Chiemgau-Gipfel mögen dies mit Nachsicht sehen, die des Schneibsteins und Jenners natürlich ebenso (Foto: E. Langenscheidt). 1.2 Eine Theorie erklärt Weite Bereiche des Chiemgaus, aber auch des Berchtesgadener Landes (Rupertigau), gehören nach unserer Abgrenzung zum vergleichsweise flachen Alpenvorland. Doch dessen Untergrund besteht bis in mehrere Tausend Meter Tiefe aus abgetragenem Hochgebirge, aus dem Schutt der Alpen. Somit ist das nördliche Alpenvorland unmittelbar mit der Entstehung und Abtragung der Alpen verbunden. Grundlegende Erkenntnisse zum Verständnis der Gebirgsentstehung erbrachte die von US-amerikanischen Geowissenschaftlern entwickelte „Theorie der Plattentektonik“ Anfang der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Wesentliche Aspekte dieser Theorie sind die in Platten zerbrochene, äußere und erkaltete Schale der Erde, die so genannte Lithosphäre (= Erdkruste plus oberster Erdmantel) sowie die relative Bewegung der Platten zueinander. Kollidieren Platten, entwickelt sich je nach Eigenschaften der Platten ein typisches Gebirge. Das kann ein so genannter Inselbogen mit vulkanischem Gebirge sein, wie dies bei Japan oder den Philippinen der Fall ist, oder es entsteht ein bis zu mehrere 1 000 Kilometer langes Faltengebirge wie die Alpen. Zahlen Laut Bundesamt für Naturschutz umfasst der Chiemgau eine Fläche von 784 Quadratkilometer, das Berchtesgadener Land 839,97 Quadratkilometer. 1 LaSt_Kap01.qxd:Musterlayout 1 6 14.11.2010 13:54 Uhr Seite 6 1 Prolog 1.3 Berchtesgadener Land und Chiemgau. Die stark vereinfachte Übersichtskarte zeigt unsere Abgrenzung (hellgrün und hellgrau) des Chiemgaus und des Berchtesgadener Landes (Grafik: E. Langenscheidt). Dass sich Kontinente im Laufe der Zeit bewegen oder verschieben, fiel in früheren Jahrhunderten sicherlich schon dem einen oder anderen gebildeten Zeitgenossen beim Betrachten von Weltkarten auf, da manch eine Küstenlinie wie bei einem Puzzle in die andere passt (Abb. 1.5). So etwa die Küstenlinie von Südamerikas Osten und derjenigen von Westafrika. Bereits der flämische Geograph, Kartograph und Archäologe Abraham Ortelius (1527–1598) vermutete in der Ausgabe seines Atlas Theatrum Orbis Terrarum aus dem Jahr 1596, der wahrscheinlich ersten Sammlung von Landkarten in Buchform, eine Horizontalverschiebung als Ursache der Ähnlichkeit von Küstenlinien. Erdbeben und Fluten hielt er für die Gründe der Verschiebung von Kontinenten. Im Jahr 1756 nahm der Königsberger Theologieprofessor Theodor Christoph Lilienthal (1717–1782) an, dass die Küsten von Südamerika und Afrika ursprünglich nahe beieinander lagen. Er sah die Trennung der Kontinente in einer biblischen Katastrophe. Auch der berühmte Naturforscher und Mitbegründer der Geographie als empirische Wissenschaft Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt (1769–1859; Abb. 1.6) vermutete aufgrund ihres Ver- LaSt_Kap01.qxd:Musterlayout 14.11.2010 13:54 Uhr Seite 7 1.2 Eine Theorie erklärt 7 1.4 Alpen. Die Alpen, hier auf einem Satellitenfoto, sind ein Falten- oder Kettengebirge und das Ergebnis der Kollision von Lithosphärenplatten (Foto: NASA). 1.5 Küstenverlauf der heutigen Landmassen (nach Mercator, verändert). Gelehrte erkannten schon früh die Ähnlichkeit des Verlaufs einiger Küsten (Grafik: E. Langenscheidt). 1 LaSt_Kap01.qxd:Musterlayout 1 8 14.11.2010 13:54 Uhr Seite 8 1 Prolog 1.7 Alfred Wegener. Der Geophysiker und Meteorologe schuf die Grundlagen für die moderne Theorie der Plattentektonik (Foto: Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung). 1.6 Alexander von Humboldt. Auch Humboldt hatte sich bereits Gedanken über die Übereinstimmung der Küstenlinien von Afrika und Südamerika gemacht. Humboldt-Denkmal vor der Humboldt-Universität in Berlin (Foto: Manfred Brueckels, gf). laufes einen ehemaligen Zusammenhang der Küsten Afrikas und Südamerikas, die er zwischen 1801 und 1845 geometrisch und geologisch beschrieb. Einen katastrophalen Strom, durch den der Atlantik ausgewaschen worden sei, sah er als Ursache der Trennung beider Küsten. Viele weitere mehr oder weniger kluge Köpfe befassten sich mit dem Verlauf einiger Küsten unseres Planeten, die wie Puzzleteile ineinander passen. Von biblischer Sintflut im Sinne einer kreationistischen Weltanschauung (Antonio Snider-Pellegrini, 1802–1885) bis hin zu einer Landbrücken-Theorie (Eduard Suess, 1831–1914) lauteten die Vermutungen über die Ursache dieses geo- graphischen Phänomens. Den wissenschaftlichen Durchbruch diesbezüglich brachte das Buch Die Entstehung der Kontinente und Ozeane des deutschen Geophysikers und Meteorologen Alfred Wegener (1880–1930; Abb. 1.7) aus dem Jahr 1915. Darin publizierte er seine revolutionäre Kontinentalverschiebungstheorie, die das „Schwimmen“ der nicht fixierten Kontinente und die ehemalige Existenz eines einzigen Urkontinents „Pangäa“ (griechisch = ganze Erde) postulierte. Bis zur dritten Auflage seines Buches im Jahr 1922 fand er neue Hinweise für seine Theorie. So entdeckte man auf der arktischen Inselgruppe Svalbard fossile Pflanzenüberreste von Buchen, Eichen und tropischen Gewächsen, was nur bedeuten konnte, dass die Inselgruppe von den Tropen über die gemäßigten Breiten nach Norden gewandert war. Nach langer Skepsis und scharfer Kritik von führenden Wissenschaftlern seiner Zeit wurden Wegeners Hypothesen schließlich Jahrzehnte später durch die Erforschung der mittelozeanischen Rücken bestätigt und bilden heute die Grundlage für die moderne Theorie der Plattentektonik, die ihrerseits die Entstehung von Gebirgen erklärt.