Die ärztliche Leichenschau - Universitätsklinikum Düsseldorf
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Die ärztliche Leichenschau - Universitätsklinikum Düsseldorf
Univ ersitätsklinikum Düsseldorf Scriptenreihe Arzt und.... (1) Arzt und Tod Ärztliche Tätigkeit und Leichenwesen in NRW Scriptum zum Praktikum Ärztliche Leichenschau im Rahmen des Ökologischen Kurses von Wolfgang Huckenbeck Friedhelm Gabriel Jürgen Barz Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf 2081-03-300-RE-I Die Autoren: Privatdozent Dr. med. Wolfgang Huckenbeck Facharzt für Rechtsmedizin Friedhelm Gabriel Lt. Oberstaatsanwalt a.D. Lehrbeauftragter für Arztrecht Prof. Dr. med. Jürgen Barz Facharzt für Rechtsmedizin Kommissarischer Institutsdirektor Institut für Rechtsmedizin Universitätsklinikum Heinrich-Heine-Universität Moorenstr. 5 40225 Düsseldorf Vorwort zur III. Auflage Nordrhein-Westfalen hat eine neue Todesbescheinigung eingeführt, die mit dem 01.04.2004 alleinige Gültigkeit hat. Im Laufe des Jahres 2003 ist die Verabschiedung des ersten (!) Bestattungsgesetzes NRW erfolgt. Die Ordnungsbehördliche Verordnung über das Leichenwesen wurde damit abgeschafft. Somit wurde es Zeit, das Scriptum zum Leichenschaupraktikum in III. Auflage zu aktualisieren. Wir haben die Gelegenheit wahrgenommen und nicht nur die notwendigen Änderungen vorgenommen, sondern das Heft auch um einige spezielle Themenbereiche erweitert. Dabei handelt es sich um Publikationen aus dem Institut, die sich mit Spezialthemen befassen. Unvermeidbar treten dadurch Wiederholungen und Überschneidungen auf, die jedoch unschädlich sind, weil sie den Leser auf den Gesamtzusammenhang zurückführen. Wichtige Gesetzesteile wurden ebenfalls eingebaut, - in der Hoffnung - dem fertigen Medizinstudenten Hilfe bei den ersten traurigen Einsätzen dieser Art zu geben; die entscheidenden Paragraphen des Infektionsschutzgesetzes sind ein Beispiel. Trotz dieser Erweiterungen ist uns klar (und auch von uns beabsichtigt), dass es sich nur um ein Scriptum handelt, das in die Thematik einführen soll. Für den tieferen Einstieg in die Materie wird auf die vorhandene Fachliteratur verwiesen, Anregungen hierzu finden sich im Literaturverzeichnis. Insbesondere die auch für den leichenschauenden Arzt wichtige Beurteilung von Verletzungsmustern, Merkmalen des gewaltsamen Todes, Spuren körperlicher Misshandlung musste ausgeklammert werden. Hier wird auf die Hauptvorlesung Rechtsmedizin und die rechtsmedizinische Fachliteratur verwiesen. Die Autoren im Januar 2002 2 Inhaltsverzeichnis I. Die ärztliche Leichenschau A. Allgemeine Aspekte 1. Rechtliche und geschichtliche Grundlagen 2. Sichere Zeichen des Todes 3. Unsichere Todeszeichen 4. Die Ärztliche Todesbescheinigung im Allgemeinen 5. Mögliche rechtliche Folgen für den Arzt 6. Leichenschau aus der Sicht der Bundesländer B. Spezielle Themen 7. 8. 9. 10. 11. Die Leichenschau beim iatrogenen Tod Die Krematoriumsleichenschau Die Blutentnahme an der Leiche aus rechtlicher Sicht Pathologie und Leichenrecht Die Unterschrift unter dem Totenschein II. Die Todesbescheinigung NRW A. B. C. D. E. Allgemeines Nichtvertraulicher Teil Vertraulicher Teil Aktueller Stand in NRW Grundkenntnisse zur Leichenschau III. Anhang A. B. Das Bestattungsgesetz NRW Das Reichs-Feuerbestattungsgesetz IV. Literatur zum Thema 3 I. Die ärztliche Leichenschau 1. Rechtliche und geschichtliche Grundlagen Jeder Arzt hat sich nach entsprechenden Vorschriften der Verpflichtung zu unterziehen, den Tod eines Menschen festzustellen. Dies dient zugleich der Feststellung der nicht mehr möglichen Behandlung des Patienten und der Wahrnehmung öffentlicher Verpflichtungen im Gesundheitswesen (Todesfeststellung). Das Leichenwesen wird länderrechtlich geregelt. Für Nordrhein-Westfalen bestimmte jahrelang die Ordnungsbehördliche Verordnung über das Leichenwesen (zuletzt in der Fassung vom 02.12.2000) den Umgang mit der Leiche. Mit dem Jahr 2003 erhielt nun auch NRW. Dass dies nach ca. 50 Jahren an der Zeit war, belegt allein die Tatsache, dass über diesen gesamten Zeitraum eine Feuerbestattung in der Ordnungsbehördlichen Verordnung nicht geregelt war. Wenn etwas im Länderrecht nicht geregelt ist, gilt Bundesrecht. Folglich galt in NRW für die immer zahlreicher werdenden Fälle von Feuerbestattung das ReichsFeuerbestattungsgesetz von 1934 sowie die dazu ergangene Verordnung von 1938. Das Gesetz trägt peinlicherweise auch heute noch die Unterschrift des damaligen Reichskanzlers. Eine Abschrift dieses Gesetzestextes findet sich im Anhang dieses Scriptums. Eine weitere Änderung, die bereits im Jahr 2000 gültig wurde, betraf die Todesbescheinigung NRW. Diese war seit 01.01.2002 zwingend zu verwenden. Die aus dem Jahr 1997 stammenden Todesbescheinigung hatte somit keine sehr lange Gültigkeitsdauer. Im Jahr 2004 erschien bereits wiederum eine neue Version, die einzige Änderung betraf allerdings nur die nochmalige Versicherung des leichenschauenden Arztes, eine komplette Leichenschau durchgeführt zu haben. Bereits im Jahr seines Erscheinens wurde der 1997 geschaffene Vorläufige Leichenschauschein (gedacht für Ärzte im öffentlichen Rettungsdienst) wieder abgeschafft. Dieser Schein war erheblich kürzer ausgeführt und sollte nur die Identität und die klinische Todesfeststellung regeln. Die ausführliche Leichenschau sollte ein anderer Arzt vornehmen. De facto war dieser Schein aber bereits im August 1997, also ein paar Monate nach seiner Einführung wieder aus dem Verkehr gezogen worden, da die Verwendung behördlicherseits auf den Fall eingeschränkt wurde, dass der Notarzt während einer Leichenschau einen neuen Einsatzbefehl erhielt. Dieser Fall war aber schon immer und ist immer noch durch den Begriff des "übergesetzlichen Notstandes" bzw. über eine Güterabwägung zwischen der Bedeutung der vollständigen Leichenschau und dem möglicherweise lebensrettenden neuen Einsatz geregelt. Natürlich steht die Verpflichtung des Notarztes, Leben zu retten, über der Verpflichtung zur vollständigen Leichenschau. Soweit er nicht sogleich sichere Todeszeichen festellen konnte, musste er ohnehin später zurückkehren. Dies ist durch den Grundsatz, dass die Leichenschau "unverzüglich" (ohne schuldhaftes Zögern) wahrzunehmen ist, abgedeckt. Im neuen Bestattungsgesetz (Siehe Anhang) wird der Notarzt von der Durchführung einer vollständigen Leichenschau befreit. Ein auszufüllendes Dokument zur reinen Todesfeststellung wurde offenbar von der Politik vergessen. In anderen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, Hamburg, Mecklenburg und Brandenburg wird die Verwendung des vorläufigen Leichenschauscheins seit Jahren, angeblich zu voller Zufriedenheit aller Seiten, praktiziert. Für Hamburg erscheint dies schon auf den ersten Blick plausibel, da der vorläufige Leichenschauschein hier sozusagen als Transportschein 4 ins Leichenschauhaus (Rechtsmedizin) verwendet wird. Die offizielle Leichenschau kann also sehr schnell nachgeholt werden. Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, unverzüglich nach Erhalt der Todesanzeige die unbekleideten Toten persönlich zu besichtigen und zu untersuchen (Leichenschau) sowie die Todesbescheinigung auszustellen und auszuhändigen. Angezeigt im Sinne des §12 Abs. 3 ist der Tod einem Arzt auch, wenn ein Mensch unter seiner betreuenden Anwesenheit verstirbt oder der herbeigerufene Arzt Anzeichen eines bereits vorher eingetretenen Todes ärztlich feststellt. Die ärztliche Leichenschau endet also nicht mit der Feststellung, dass keine klinischen Maßnahmen mehr erforderlich sind, sondern umfasst grob geordnet die folgenden Tätigkeiten: ☻ ☻ ☻ ☻ ☻ ☻ Feststellung des Todes Feststellung der Personalien Feststellung der Todeszeit Feststellung der Todesart Feststellung der Todesursachen Feststellung des Grundleidens Zur Erfüllung seiner Pflicht zur Leichenschau hat der Arzt die Leiche persönlich zu besichtigen und zu untersuchen. Diese Verpflichtung setzt die ☻ ☻ ☻ vollständige Entkleidung die allseitige Besichtigung und die Inaugenscheinnahme aller Körperöffnungen voraus. Nur durch ein solches Vorgehen können sichere Zeichen für den Tod erkannt und Fehlentscheidungen bei der Frage, ob Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod vorliegen, vermieden werden. Einen maßgeblichen Anteil der ärztlichen Leichenschau machen die sicheren Zeichen des Todes aus. Aus diesem Grund wird im folgenden kurz auf die Definitionen eingegangen, für ausführlichere Betrachtungen wird auf die Lehrbücher der Rechtsmedizin verwiesen. 2. Sichere Zeichen des Todes Livores (Totenflecke) Thanatophysiologie der Leichenflecken Das Verständnis der Entstehung der Leichenflecken erfordert keinerlei medizinische Vorbildung: Mit dem Sistieren sämtlicher Kreislauffunktionen versackt das Blut entsprechend den Gesetzen der Schwerkraft in den abhängigen Körperpartien. Dabei muss es sich zunächst an den Blutgefäßen orientieren. Bei Rückenlage sammelt sich das Blut in den hinteren Körperpartien (Abb.1), bei senkrechter Körperhaltung (beispielsweise beim Erhängen) in den unteren Körperpartien (Abb.2). Dieser Vorgang wird vom Fachmann Hypostase genannt. Neben dem Blut in den Gefäßen - auch denen innerhalb der Organe - sind natürlich auch sämtliche anderen Körperflüssigkeiten betroffen. Die Lymphflüssigkeit hat ihre eigenen Gefäße, auch die Flüssigkeiten in Harnblase, Darm und Magen senken sich soweit ab wie möglich, natürlich begrenzt durch die umliegenden Hüllen, wie beispielsweise die Harnblasenwand. Aus zunächst kleinfleckigen Verfärbungen (Roseolen) entstehen durch die weitere Absenkung des Blutes flächenhafte Leichenflecken (Konfluieren). An Stellen, wo die Kapillaren abgedrückt werden, beispielsweise durch eine 5 Abb. 1: Ausprägung der Totenflecken bei Rückenlage Abb. 2: Ausprägung der Totenflecken nach Erhängen Abb. 3: Ablassungen durch die Unterlage Abb. 4: Ablassung durch Fingerdruck 6 unebene Unterlage, bleiben blasse Bezirke bestehen (Abb.3). Die Abb.3 zeigt übrigens hellrote Totenflecke im Fall einer CO-Intoxikation durch einen defekten Gas-Geysir. So lange sich das Blut flüssig in den Gefäßen befindet, kann eine solche Abblassung auch vom Leichenschauer provoziert werden. Mühelos per Fingerdruck ist dies innerhalb der ersten 6 Stunden postmortem möglich (Abb.4). Danach gelingt es nur mit immer stärkerem Druck, dieses Phänomen zu erzeugen. Durch postmortale Wasserverschiebungen, die zu einer Eindickung des Blutes führen, aber auch durch zunehmende Durchlässigkeit der Gefäßwände werden die Leichenflecken fixiert. Die nächste Abbildung zeigt eine Leiche, deren Rumpf mehrere Tage in Bauchlage auf dem eigenen Unterarm und der Hand gelegen hat (Abb.5). Abb.5: Abdruck der eigenen Hand bei Bauchlage Diese zeitabhängige Entwicklung kann forensische Bedeutung erlangen. Zunächst bilden sich die Leichenflecken in den abhängigen Körperpartien aus (Abb. 6a). Wendet man nun die Leiche um, so verschwinden die Leichenflecken an der Körperrückseite und erscheinen an der nun unten gelegenen Bauchseite (Abb.6b). Wartet man ca. 6 bis 12 Stunden mit dem Umlagern, so passen sich die Leichenflecken nur noch unvollständig an die neue Lage an, da ein Teil bereits fixiert ist (Abb.6c). Aus solchen Befunden muss folglich geschlossen werden, dass die Leichenlage in dem besagten Zeitraum geändert wurde. Beispielsweise kann ein Täter an den Ort des Geschehens zurückgekehrt sein, um die Leiche zu durchsuchen. Wird die Leiche nach mehr als ca. 12 Stunden umgedreht (Abb.6d), finden sich die Totenflecken mehr oder weniger vollständig an der "falschen" Seite. Dieses Phänomen in Rückenlage kann zum Beispiel seine Erklärung darin finden, dass der Finder die in Bauchlage vorgefundene Leiche umgedreht hat, um zu sehen, was überhaupt los ist. Eine in Rückenlage befindliche Leiche später in Bauchlage zu drehen, erfordert hingegen Erklärungen. Die Befunde könnten auf einen zweiten Aufenthalt des Täters hinweisen, der der Leiche nicht ins Anlitz schauen wollte. Falls es durch die Kapillarfülle zu Rupturen der Gefäßwände kommt, finden sich an diesen Stellen kleine Hauteinblutungen (Vibices). Die Abbildung 13 zeigt solche Befunde bei einem Erhängten. Hier ist es vermutlich durch das einengende Gummiband (zirkuläre Abblassung) im Strumpf infolge der Blutfülle und des daraus resultierenden Drucks zu Kapillarschäden mit Blutungen ins Gewebe unterhalb der Einschnürung gekommen. Die zeitlichen Daten der Veränderungen sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Die Daten sind als Anhaltswerte zu verstehen, da beispielsweise Blutmenge, Gewebeturgor, Hämatokrit, Hämolyse, Todesursache, aber auch die Temperatur einen nicht zu unterschätzenden Einfluss nehmen. 7 a c b d Abb. 6a-d: Möglichkeiten der Totenfleckausbildung Erwähnungswert erscheint noch, dass leichenfleckähnliche Veränderungen bereits zu Lebzeiten auftreten können. In der Agonie, also in der Übergangsphase vom Leben zum Tod kann es durch die Kreislaufreduktion zu lokalen Stase-Phänomenen kommen. Unsere Altvorderen fanden dafür den Begriff "Kirchhofrosen". Farbe der Leichenflecken Ganz frische Leichenflecken weisen eine hellrote Farbe auf, die sich dann ins Grau-BlauViolette (Livide) verändert. Verantwortlich für die Farbe ist der Sauerstoffgehalt. Die Gewebe fordern auch nach dem Tod noch Sauerstoff, deoxygenieren also das in Stase befindliche Blut, die rote Färbung wandelt sich ins Grau-Violette um. Bleiben die anfangs roten Leichenflecken erhalten, so sollte dies für den Leichenbeschauer ein Alarmsignal sein. Die Ursache für dieses Phänomen muss abgeklärt werden. Leider wie so oft - gibt es mehrere Möglichkeiten. Kohlenmonoxid-Vergiftung Kohlenmonoxid hat eine viel höhere Affinität zum Hämoglobin als der Sauerstoff. Das macht auch die Gefährlichkeit der Vergiftung aus, es kommt zu einer inneren Erstickung. Aufgrund der hohen Affinität und der fehlenden Verwertbarkeit des CO bleiben die Leichenflecken hellrot, meist als kirschrot bezeichnet. Im Gegensatz zu den Kälteleichenflecken (Siehe unten) nehmen auch die Nagelbetten die rote Färbung an, da sie ja eine innere Ursache hat (Abb. 7). Bei der Obduktion zeigt sich die Kohlenmonoxid-Vergiftung noch wesentlich imposanter. Die Muskulatur enthält Myoglobin, welches ebenfalls wie der Blutfarbstoff eine sehr hohe Affinität zum Kohlenmonoxid hat. Die Färbung der Muskulatur ist daher hellrot. Wegen der Gefahr weiterer Todesfälle sollte allein der Verdacht einer Kohlenmononoxid-Vergiftung eine sofortige Untersuchung des Leichenblutes mit Obduktion und Überprüfung des in Frage kommenden Geräts mit sich ziehen. Besondere Aufmerksamkeit ist für den Leichenbeschauer bei jedem Todesfall in der Nähe offener Feuerstellen (auch Gasbrenner) und im Motorkraftwagen bzw. in Garagen geboten. Die Zeiten von Kohlenmonoxid8 Vergiftungen durch undichte Gasleitungen sind zwar vorbei, da beim Erdgas kein signifikanter CO-Anteil mehr vorliegt, dennoch verzeichnet jedes rechtsmedizinische Institut jährlich eine ganze Reihe solcher Vergiftungen als Todesursache im Gefolge unvollständiger Verbrennung mit CO-Freisetzung. Abb. 7: CO-Totenflecken (links) und „normale“ Totenflecken (rechts) Kälteleichenflecken In der Kälte (ca. +10 Grad C. und weniger) kommt es zu einer Sauerstoffaufsättigung des Blutes aus der Luft durch die Haut. Der Fachmann spricht von O2-Diffusion, Reoxygenierung des Hämoglobins und einer Verschiebung der O2Hämoglobindissoziationskurve. Sind beispielsweise nur bestimmte Hautareale der Kälte ausgesetzt, etwa durch einen kalten Untergrund, so finden sich neben den hellroten Kältetotenflecken oft livide, also normal gefärbte Randbereiche (Abb. 16). Ein weiteres Indiz für Kälteleichenflecken sind livide verfärbte Nagelbetten. Die Erklärung ist einfach: Der Sauerstoff kann nicht durch den Nagel diffundieren. Ebenso können an anderen "geschützten" Stellen, etwa den Achselhöhlen, normalfarbige Leichenflecken vorliegen. Es empfiehlt sich eine gewissenhafte Nachschau. Cyanid-Intoxikation Auch bei der Zyanid-Vergiftung werden in der Literatur hellrote Totenflecken beschrieben. Bei dieser Vergiftung handelt es sich wiederum um eine "innere" Erstickung, wobei allerdings das Cyanid nicht das Hämoglobin besetzt, sondern die "Atmungskette" blockiert. Auf die Pathophysiologie wollen wir an dieser Stelle nicht näher eingehen, vielleicht wird sie Thema einer späteren SeroNews-Ausgabe. Eine klassische Frage bei der rechtsmedizinischen Facharztprüfung lautete: Sie werden in das Hinterzimmer eines Juwelierladens gerufen. Dort wurde die Leiche des Juweliers gefunden. Neben der Leiche steht ein leeres Wasserglas, daneben liegt eine ausgepresste Zitrone. Welche Todesursache vermuten sie? Die Antwort musste lauten: Zyankali! Juweliere benutzten früher Zyankali zur Bearbeitung von Edelmetall. Im sauren Milieu (Zitrone) entsteht der tödliche Zyanwasserstoff. Heutzutage ist dieser Gebrauch von Zyankali verboten, dass das Thema dennoch aktuell ist, beweist die eingangs geschilderte Kasuistik 2. Cyanwasserstoff (HCN) und Cyanide sind ausgesprochen giftig. HCN ist leichter als Luft. Bei oraler Aufnahme wirken 1 mg HCN pro kg Körpergewicht rasch tödlich. Der Hauptangriffspunkt liegt wohl im Bereich der Cytochromoxidase, wobei das dreiwertige Eisen gebunden und die Atmungskette blockiert wird. Weiterhin werden eine Reihe von 9 Metallenzymen durch Cyanide gehemmt. Die Folge ist eine innere Erstickung auf zellulärer Basis. Infolge des durch die Abnahmeblockierung im venösen Blut in recht hoher Konzentration vorhandenen Sauerstoffs erscheinen die Leichenflecken hellrot. Met-Hämoglobinbildner Bei einer Intoxikation bzw. bei Überdosierung von Met-hämoglobinbildnern kommt es zu einer Braunfärbung der Totenflecken. Hierzu kann es beispielsweise bei Kleinkindern durch Aufnahme von nitrathaltigem Brunnenwasser kommen. Zeitliche Parameter zum Erscheinungsbild Die in der Tabelle 1 angegebenen Zeitdaten zum zeitlichen Verlauf der Totenflecken sind mit Vorsicht zu betrachten. Es handelt sich erstens um Anhaltswerte, zweitens können eine ganze Reihe von Faktoren signifikanten Einfluss auf die Entwicklung nehmen. Tabelle 1: Groborientierende Daten zum Enstehen und Verschwinden der Totenflecke nach 1 h nach 2 h bis max. 12 h bis max. 36 h bis 6 h bis 12h kräftiges Inerscheinungtreten Beginn des Konfluierens vollständige Wegdrückbarkeit teilweise wegdrückbar mit großem Druck vollständige Umlagerbarkeit unvollständige Umlagerbarkeit Rigor mortis (Totenstarre) Das Auftreten der Totenstarre beginnt wenige Stunden nach dem Tod , in aller Regel ist sie zwischen 6 und 12 Stunden nach dem Tod vollständig ausgeprägt. Innerhalb der ersten Stunden kann sie gebrochen werden und bildet sich dann erneut aus. Als Maximum werden hier 6 bis 10 Stunden genannt. Nach ca. 48 bis 60 Stunden beginnt die Starre sich zu lösen. Tabelle 3: Groborientierende Daten zur Totenstarre Beginn: nach ca. 2 Stunden Brechbar mit Neuausprägung 6-10 h Vollständig ausgeprägt nach 6-12 h Lösung beginnt nach 48 -60 h Autolyse, Fäulnis, Verwesung Unter Autolyse versteht man eine Selbstzerstörung der Zellen und Gewebe. Bei der Fäulnis handelt es sich um eine bakteriell bedingte Reduktion: Verflüssigung der Gewebe und Gasbildung. Im Anschluß daran erfolgt die Verwesung, bei der überwiegend oxydative Prozesse ablaufen. 10 Nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen Als ausschließliches Todeszeichen, Verletzungen festzustellen, die mit dem Leben nicht vereinbar sind, kommt lediglich in Ausnahmefällen in Betracht, z.B. Abtrennung des Kopfes und Zerstückelung des Körpers. Hirntod Die Hirntodfestellung bedarf besonderer Vorkehrung. Sie ist nur in Kliniken nach entsprechenden Beurteilungen unter Hinzuziehung von Diagnosehilfen möglich. Abzugrenzen sind von den sicheren Zeichen des Todes die sogen, unsicheren Todeszeichen. 3. Unsichere Zeichen des Todes Leichenkälte Die Auskühlung der Leiche erfolgt über Abstrahlung, durch Konvektion und die Abstrahlung der Wärme an den Aufliegestellen. Die tiefe Rektaltemperatur fällt etwa 1° Celsius pro Stunde ab. Natürlich nehmen Bekleidung und Umgebungstemperatur Einfluß. Für den Untersucher geht das Gefühl „warm" an den Extremitäten bereits nach 5 Stunden verloren. Die Leichenkälte kann nur bedingt als Todeszeichen gewertet werden, da eine Reihe von Ausnahmen zu beachten sind: Koma, Barbiturat- oder Alkoholvergiftungen, Unterkühlung etc. Eine wichtige Rolle kann der Leichentemperatur allerdings bei der Schätzung der Leichenliegezeit (Todeszeitbestimmung) zukommen. Die Messung hat mit einem Digitalthermometer zu erfolgen, Fieberthermometer sind auch kurze Zeit nach dem Tode ungeeignet. Vertrocknung Die Vertrocknung ist eine weitere frühe Leichenveränderung, die aber ebenfalls nicht als sicheres Todeszeichen betrachtet werden darf. Die spontane Vertrocknung entsteht durch abdunstendes Wasser, welches bei Stillstand der Zirkulation nicht mehr ersetzt wird. Betroffen sind in erster Linie Ohrmuscheln, Nasenspitze, Hodensack, Schamlippen und Fingerspitzen. Eine weitere Bedingung ist ausreichende Luftzufuhr. Endstadium ist die Mumifikation. Vertrocknungen an der Leiche entstehen aber auch an geschädigten Hautbezirken (bei vitaler und postmortaler Entstehung!). 4. Die ärztliche Todesbescheinigung im Allgemeinen Die Todesbescheinigung dient auch dazu, Anhaltspunkte über die Todesart zu gewinnen. Nur mit der Festlegung, dass es sich um einen natürlichen Tod handelt, wird die folgenlose Beurkundung des Todes durch den Standesbeamten möglich. Weitergehende Untersuchungen finden dann nicht statt. Dem Arzt obliegt daher eine besondere Verantwortung, wenn er aufgrund von Vorkenntnissen und Auffindesituation sowie eigenen ärztlichen Untersuchungen den natürlichen Tod bescheinigt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass lediglich in 50 % der Fälle die im Totenschein dargelegten Erkrankungen einer nachfolgenden Beurteilung nach Leichenöffnung standgehalten haben (Görlitzer Studie). Jede andere Festlegung, sei es, dass Anhaltspunkte für äußere Einwirkungen festgestellt wurden, oder dass es ungeklärt bleibt, ob es sich um einen nicht natürlichen Tod handeln könnte, hat die Einleitung eines Todesermittlungsverfahrens zur Folge. Im Rahmen eines 11 solchen Verfahrens kommt es in der Regel zur Leichenöffnung, wenn Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden nicht auszuschließen sind. In vielen Fällen werden aber schon im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen diese Zweifel ausgeräumt, so dass eine Obduktion unterbleibt und die Leiche vom Staatsanwalt (zur Bestattung) freigegeben wird. Anhaltspunkte für äußere Einwirkungen sind nicht auf Hieb-Stich-Schußverletzungen zu beschränken. Sie beschränken sich erst recht nicht auf solche Verletzungen, die ad hoc den Tod herbeigeführt haben. Von sehr vielen Ärztinnen/Ärzten wird verkannt, dass sie bei falscher Interpretation der Todesart (hier: nicht natürlich) den Angehörigen die Auszahlung einer eventuell vorhandenen Unfallversicherung zumindest erschweren. Hierher gehören auch medizinische Eingriffe, in deren Verlauf der sofortige oder spätere Tod eingetreten ist. Der Arzt kommt durch diese Regelung in eine schwierige Konfliktlage, wenn er aufgefordert ist, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, die ein Todesermittlungsverfahren nach sich ziehen können. Dabei kann auch eigenes Fehlverhalten aufgedeckt werden. Aus diesem Grund haben sich andere Länder für eine Verfahrensweise entschieden, bei der der Tod durch einen besonderen Arzt des öffentlichen Gesundheitswesen festgestellt wird. Mit dem sogenannten iatrogen Tod wird sich der nächste Abschnitt befassen. Von der Todesart ist die im Vertraulichen Teil der Todesbescheinigung anzugebene Todesursache streng zu trennen. Auch wenn die Meinung vertreten wird, dass dies vielfach schwierig sei, sollte der Arzt eine wertungsfreie Todesart bezeichnen und sich dann erst mit der bewertungsbehafteten medizinischen Todesursache befassen. Dabei sollte er bedenken, dass die Ursächlichkeit auch in einem zeitlich weit zurückliegenden Ereignis gefunden werden kann. So ist z.B. der Spättodesfall (Thrombose, Lungenembolie nach Unfall) in der Regel eine ursächliche Folge des Verletzungsereignisses. In Sonderfällen können noch nach Jahrzehnten kausale Zusammenhänge zwischen Unfallereignis und Ableben bestehen. Man denke einmal an eine erworbene Epilepsie nach Verkehrsunfall und Tod im epileptischen Anfall Jahre später. 5. Mögliche rechtliche Folgen für den Arzt Über die rechtlichen Folgen, die fehlerhafte Eintragungen oder Falscheintragungen in der Todesbescheinigung haben können, bestehen häufig Unklarheiten. Deshalb sollen die rechtlichen Fragen der Ausstellung eines unrichtigen Totenscheins vorab kurz erörtert werden. Bei der Todesbescheinigung handelt es sich um eine Urkunde im Rechtssinne, weil sie einen rechtlich erheblichen Erklärungsinhalt hat. Eine Urkundenfälschung (§ 267 l. Alt. StGB) kommt nur in seltenen Fällen in Betracht, wenn ein Arzt eine Todesbescheinigung ausstellt und ohne entsprechende Ermächtigung mit dem Namen eines anderen Arztes unterzeichnet. Eine Urkundenverfälschung (§ 267 2. Alt. StGB) ist dann in Betracht zu ziehen, wenn der von einem Arzt ausgestellte und unterschriebene Totenschein von einem anderen Arzt verändert wird, ohne dass er dazu vom Aussteller ermächtigt ist. Inhaltlich falsche Todesbescheinigungen sind schriftliche Lügen, die grundsätzlich nicht strafbar sind. Beachte: Nach Landesrecht kann das Ausstellen einer inhaltlich unrichtigen Todesbescheinigung jedoch eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit sein (z.B. BadenWürtemberg § 49 Abs. 3 Bestattungsgesetz). 12 Eine Falschbeurkundung (§ 348 StGB) kann auch für einen Amtsarzt nicht vorliegen, weil die Todesbescheinigung keine öffentliche Urkunde darstellt. Der Arzt kann sich jedoch einer mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 StGB) schuldig machen, wenn er dem Standesbeamten falsche Daten mitteilt, die ins Sterberegister eingetragen werden. Das bezieht sich auf Personaldaten einschließlich Todeszeit und Sterbeort. Die Angabe falscher Todesursachen fällt dagegen nicht unter diese Bestimmung, weil die Todesursache nicht ins Sterberegister eingetragen wird. Die Eintragung einer falschen Todesursache (z.B. natürlicher Tod statt Unfall oder Freitod) kann als Beihilfe zum Betrug (§ 263 StGB) gewertet werden, wenn durch die bewusste Falschangabe Versicherungsleistungen seitens der Hinterbliebenen erschlichen werden. Unterschlägt der leichenschauende Arzt Hinweise auf ein Fehlverhalten eines anderen Arztes oder anderer Personen, das todesursächlich gewesen sein könnte, kommt fremdbegünstigende Strafvereitelung (§ 258 StGB) in Betracht. Unterschlägt der Arzt Hinweise auf eigenes Fehlverhalten, bleibt er straffrei (§ 258 Abs. 5 StGB). Der Arzt kann nicht gezwungen werden, sich selbst zu belasten (Straflose Selbstbegünstigung) Wenn ein Arzt nicht unverzüglich die Leichenschau vornimmt oder wenn er die vorgeschriebenen Untersuchungen an der Leiche unterlässt, handelt der Arzt nach landesrechtlichen Bestimmungen ordnungswidrig. Sollten sich durch eine fehlerhafte oder nur oberflächlich durchgeführte Leichenschau Folgen für andere Menschen ergeben (z.B. Folgetodesfälle bei CO-Vergiftung) kann der Arzt auch wegen eines Tötungsdelikts verfolgt werden. Folgt der Arzt nicht der Meldepflicht einer ansteckenden Krankheit und kommt es demzufolge zu weiteren Infektionen, könnte er wegen Körperverletzung belangt werden. Bei Nichtinformation der Polizeibehörde über einen fremdverschuldeten Todesfall könnte wiederum Strafvereitelung gemäß § 258 StGB in Betracht kommen. Nach dem vorgesehenen Bestattungsgesetz NRW soll dies außerdem mit einem Bußgeld belegt werden. Ordnungswidrig handelt auch ein Arzt, der nicht unverzüglich die Leichenschau vornimmt und die Todesbescheinigung aushändigt (§ 17 Nr.6 E, NRW). Fasst man das im vorliegenden Abschnitt Erwähnte zusammen, sollte dies jeden Arzt dazu bewegen, bei der Leichenschau größte Sorgfalt walten zu lassen und den Leichenschauschein so korrekt und ausführlich wie möglich auszufüllen. Den gebotenen Meldepflichten sollte er unverzüglich nachkommen: Polizeibehörden bei nichtnatürlichem oder nicht aufgeklärtem Tod Polizeibehörden bei unbekannten Toten Gesundheitsbehörden bei bestimmten ansteckenden Krankheiten 13 6. Ärztliche Leichenschau aus Sicht der Bundesländer Wie schon eingangs erwähnt, wird das Leichenwesen auf Länderebene geregelt. Aus diesem Grunde verwundert es nicht, dass von Land zu Land Unterschiede bestehen. Auf Einzelheiten einzugehen, würde den Rahmen dieses Scriptums sprengen. Allein schon die Definition des Leichenbeschauers ist unterschiedlich geregelt. In NRW darf der AIP die Leichenschau nicht selbstständig durchführen, in anderen Bundesländern ist dies zulässig. Auch die Einteilung der anzukreuzenden Todesart wird unterschiedlich gehandhabt: Nordrhein-Westfalen 14 3. Todesart Gibt es Anhaltspunkte für äußere Einwirkungen, die den Tod zur Folge hatten? (z.B. Selbsttötung, Unfall. Tötungsdelikt, auch durch äußere Einwirkungen evtl. mitverursachte Todesfälle, Spättodesfälle nach Verletzung) nein wenn nein, Todesart natürlich oder ungeklärt, ob natürlich/nichtnatürlicher Tod ja (Wenn ja oder ungeklärt, im Vertraulichen Teil, Blätter 2 ff. Ziff. 20 (Epikrise) nähere Hinweise (falls möglich)) Mecklenburg-Vorpommern: Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen Tod ja, und zwar ____________________ Todesart ungeklärt Baden-Würtemberg Anhaltspunkte für nicht natürlichen Tod ja nein Brandenburg natürlicher Tod nicht aufgeklärt nicht-natürlicher Tod Tod bei medizin. Behandlung Rheinland-Pfalz Anhaltspunke für einen nicht natürlichen Tod ja, und zwar ____________________ Todesart ungeklärt Saarland natürlicher Tod Freitod Unglücksfall nicht aufgeklärt natürlicher Tod nach Unglücksfall Schleswig-Holstein natürlicher Tod nichtnatürlicher Tod (Unfall, Selbsttötung, Tod durch strafbare Handlung oder sonstige Gewalteinwirkung) oder Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen Todl nicht aufgeklärt, ob natürlicher Tod oder nichtnatürlicher Tod und keine Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod Sachsen Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen Tod ja, und zwar ____________________ Todesart ungeklärt 14 Hamburg Gibt es Anhaltspunkte für nichtnatürliches Geschehen im Zusammenhang mit dem Todeseintritt? (Selbsttötung, Unglücksfall oder Tod durch äußere Einwirkung, bei der das Verhalten eines Dritten eine Ursache gesetzt haben könnte, Spättod nach Verkehrsunfall, Lungenembolie durch unfallbedingtes Krankenlager etc.)ll nein ja Todesart ungeklärt nicht natürlicher Tod ungewiss Berlin natürlicher Tod Bei nicht natürlichem Tod Beschreibung des Ereignisses, das zum Tode geführt hat Welche Verletzungen oder Einwirkungen (z.B. äußere Anzeichen einer gewaltsamen Einwirkung wurden festgestellt Niedersachsen natürlicher Tod nicht natürlicher Tod (z.B. Unfall, Selbstmord, Vergiftung, Folge des -ggfls. auch zurückliegenden - Verhaltens eines Anderen, sonstige Gewalteinwirkung) Anzeichen eines nicht natürlichen Todes an der Leiche____________________________________________ Sonstige Umstände (bei nicht natürlichem Tod)__________________________________________________ Sachsen-Anhalt natürlicher Tod nicht aufgeklärt nicht-natürlicher Tod (inkl. Verdacht) Sind Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod (Tod durch fremde Hand, Selbsttötung oder Unfall) vorhanden, ist die Todesart nicht aufgeklärt oder handelt es sich um einen unbekannten Toten, ist unverzüglich die Polizei (Tel. 110) zu benachrichtigen. Thüringen natürlicher Tod nicht aufgeklärt nicht-natürlicher Tod (inkl. Verdacht) Sind Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod (Tod durch fremde Hand, Selbsttötung oder Unfall) vorhanden, ist die Todesart nicht aufgeklärt oder handelt es sich um einen unbekannten Toten, ist unverzüglich die Polizei (Tel. 110) zu benachrichtigen. Hessen Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen Tod ja, Erläuterung, wenn möglich_________________________________________________ Todesart ungeklärt Bremen Gibt es Anhaltspunkte für nichtnatürliches Geschehen im Zusammenhang mit dem Todeseintritt? (Selbsttötung, Unglücksfall oder Tod durch äußere Einwirkung, bei der das Verhalten eines Dritten eine Ursache gesetzt haben könnte, Spättod nach Verkehrsunfall, Lungenembolie durch unfallbedingtes Krankenlager etc.)ll ja nein IRM-/GA-Fall gem. § 8 Abs. 3 BremGLW Fötaltod in med. Einrichtung Bayern natürlicher Tod nicht natürlicher Tod* (Unfall, Selbstmord, Tod durch strafbare Handlungen oder sonstige Gewalteinwirkung) nicht aufgeklärt, ob natürlicher oder nicht natürlicher Tod *Es genügen bereits Anhaltspunkte , die für einen nicht natürlichen Tod sprechen. 15 B. Spezielle Themen 7. Leichenschau beim iatrogenen Tod Über die Qualität der ärztlichen Leichenschau und mögliche Verbesserungen wird seit Jahrzehnten teilweise kontrovers diskutiert. Einigkeit dürfte darüber herrschen, dass es sich beim sogenannten iatrogenen Tod, also um den Tod unter medizinischer Behandlung, um das komplizierteste Kapitel der ärztlichen Leichenschau handelt. Der Tod des Patienten bei diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen oder als Narkosezwischenfall stellt den Arzt vor die Frage, ob es sich um ein nichtnatürliches Ableben handelt. Regelmäßig wird im nicht vertraulichen Teil der Todesbescheinigungen die Todesart als natürlich bezeichnet.Ein Blick in den vertraulichen Teil zeigt allerdings, dass "der Schein trügt", wie Bonte treffend formuliert hat. Der Arzt bringt sich dadurch in den Verdacht der Vertuschung und verhindert oft ungewollt die sichere Klärung, dass ein ärztliches Verschulden am Tod des Patienten nicht festgestellt werden kann. Die Problematik drängt nach einer einheitlichen Regelung. Sie ist bereits 1983 von den Generalstaatsanwälten angemahnt worden, aber zwischen den Ressorts Justiz, Innen und Gesundheit nahezu versandet. Man geht davon aus, dass etwa 2 - 2,5 % der stationär aufgenommenen Patienten im Krankenhaus sterben. Der hierin enthaltene Prozentsatz iatrogen d. h. infolge diagnostischer oder therapeutischer Einwirkung eines Arztes versterbender Patienten liegt naturgemäß darunter. Valide Daten fehlen jedoch ebenso wie über iatrogene Todesfälle in Arztpraxen, bei Notfallbehandlungen oder als Folge ambulanter ärztlicher Therapie. Eine wesentliche Ursache dafür dürfte die Todesbescheinigung sein, die den Leichenschauarzt bei der Einordnung solcher Todesfälle vor Schwierigkeiten stellt. Da die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Bestattungs- und Leichenwesens in die Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer fällt, ergeben sich bereits bei der Ausgestaltung der Todesbescheinigung beträchtliche Unterschiede. Der Leichenschauarzt, der durchaus auch der behandelnde Arzt des Patienten sein kann, ist jedoch in allen Bundesländern gehalten, schon bei der Angabe der Todesart eine Festlegung vorzunehmen, die selten überprüft wird und näherer Betrachtung selten standhalten würde. Diese Festlegung entscheidet aber darüber, ob ein Todesfall weiter aufgeklärt wird, oder der Leichnam ohne weitere Erhebungen zur Bestattung freigegeben ist. In dem weitaus überwiegenden Teil der Bundesländer ist die Todesart als "natürlich", "nichtnatürlich" oder "ungeklärt" in der Todesbescheinigung festzulegen. Nur in den Ländern Brandenburg, und Bremen wird auch die Angabe "Tod nach medizinischer Behandlung" erfragt. In Baden-Württemberg und Niedersachsen kann sich der Arzt lediglich zwischen "natürlich" und "nichtnatürlich" entscheiden. Unabhängig von diesen Unterschieden gilt in allen Bundesländern die gleiche Grundproblematik: Eine Definition dessen, was als "natürlich" oder "nichtnatürlich" zu bezeichnen ist, fehlt in allen einschlägigen Gesetzen und Verordnungen, wenn man von einigen unvollständigen Aufzählungen absieht. Letztere stellen aber gerade in den kritischen Fällen kein Hilfe für den Arzt dar. Zu weiteren Fehlleistungen kommt es, weil bereits der Begriff "Todesart" unterschiedlich und fehlerhaft interpretiert wird. Bisweilen werden die Begriffe "Todesart" im nichtvertraulichen Teil der Todesbescheinigung und "Todesursache" im vertraulichen Teil verwechselt. Madea äußert sich dahingehend, dass Todesart und Todesursache schwer voneinander zu trennen seien. 16 Unschwer wird Einigkeit zu erzielen sein über den Begriff des natürlichen Todes (Todesart), wenn der Verstorbene an einer bestimmt zu bezeichnenden Krankheit gelitten hat, deretwegen er von einem Arzt behandelt wurde und sein Ableben aufgrund dieses Leidens (Todesursache) voraussehbar war. Für den nichtnatürlichen Tod ergeben sich dagegen unterschiedliche Definitionen je nachdem, ob eine naturwissenschaftliche, eine kriminologische oder eine juristische Betrachtungsweise zugrunde gelegt wird. Naturwissenschaftlich ist jeder Tod unnatürlich, der durch ein äusseres Ereignis zustande kommt oder mitbestimmt wird. Kriminologisch hingegen ist der Tod nur interessant unter dem Gesichtspunkt eines Fremdverschuldens. Das ist aber keineswegs die juristische Sicht, die sich am §159 StPO ausrichtet. Zwar ist diese Vorschrift in der Strafprozessordnung beheimatet, in der man gemeinhin Verfahrensregeln sucht, die Ermittlungs- und Strafverfahren gegen lebende Personen betreffen, mithin auch gegen Schuldige am Tod eines Menschen. Die Einfügung dieser Bestimmung ist jedoch historisch aus der Stellung des Staatsanwalts in seiner Wächterfunktion zu sehen. Unzweifelhaft ist das Gefühl für diese Wächterfunktion unter dem herrschenden Arbeitsdruck heute eher gering ausgeprägt, wie eine Fülle von Fehlleistungen gerade im Bereich des Leichenwesens zeigen. Gelegentlich drängt sich der Eindruck auf, die Staatsanwaltschaft möchte nur behelligt werden, wenn "die Leiche ein Messer im Rücken" hat. Hierauf wiederholt mit Nachdruck hingewiesen zu haben, ist ein Verdienst von Brinkmann. Dabei hat er es ersichtlich schwer, juristischen Kommentatoren und gelegentlichen Gerichtsentscheidungen entgegen zu treten, in denen bei der Frage, ob Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod vorliegen, wahre Balancekunststücke vollführt werden, die in Wahrheit einen arbeitsökonomischen Hintergrund haben und den Sinn der Bestimmung verkennen. § 159 StPO manifestiert nämlich nichts anderes, als den selbstverständlichen Anspruch eines jeden Menschen auf einen natürlichen Tod. Deshalb haben Polizei und - was häufig völlig vergessen wird - Gemeindebehörden (sprich: Gesundheitsbehörden) der Staatsanwaltschaft Mitteilung zu machen, wenn Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod bestehen und ihre (Wächter-) Entscheidung einzuholen. Den Begriff "Anhaltspunkte" mit Hinweisen auf ein Fremdverschulden zu überlagern, ist rechtsdogmatisch nicht haltbar. Von dem "Verdacht einer Straftat" wird erst im Zusammenhang mit der Sachverhaltserforschung zur Erhebung einer öffentlichen Klage in § 160 StPO gesprochen; ein solcher Verdacht ist also gerade nicht Gegenstand des § 159 StPO. Unter der kriminologischen Definition ließe sich auch keine Rechtfertigung finden, die Entscheidung des Staatsanwalts herbeizuführen, wenn ein Freitod vorliegt. Daran sind bislang jedoch niemals Zweifel geäussert worden. Der Hinweis, anlasslose polizeiliche Ermittlungen seien in Deutschland nicht erlaubt, geht mit Blick auf § 159 StPO fehl. Er beruht offensichtlich auf einer Verwechslung der in § 152 Abs. 2 StPO geforderten "zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte" als "Strafverfolgungsvoraussetzung" und den weit unterhalb dieser Grenze angesiedelten Anhaltspunkten in § 159 StPO, die sich schon aus Rückschlüssen, Zweifeln und Vermutungen ergeben können. Im übrigen zeigt auch die der Strafprozessordnung sonst fremde Gleichstellung der Anzeigepflicht von Polizei und Gemeindebehörde, dass es sich um eine ganz andere Verfahrensqualität handelt: Die Leichensache ist kein Ermittlungsverfahren, sondern eine Aufgabe sui generis. Allein aus diesem 17 Missverständnis erklären sich viele der allseits bekannten grotesken Fälle der Einwirkung auf den Leichenschauarzt und / oder die Änderung der Todesart in "natürlich". Beides ist in höchstem Maße bedenklich. Der Leichenschauarzt handelt eigenverantwortlich; er hat weder der Beeinflussung von Angehörigen noch von Dienstvorgesetzten oder Ermittlungsbehörden nachzugeben und stellt sich durch vorgenommene Änderungen gegebenenfalls außerhalb der Rechtsordnung. So "griffig" die kriminologische Definition der Todesart für den Polizeibeamten sein mag, sie ist für den Staatsanwalt rechtlich nicht akzeptabel und für den Leichenschauarzt schlechthin unbrauchbar. Er würde dadurch in eine schwer erträgliche Ermittlerfunktion gedrängt und Beweiswürdigungserwartungen ausgesetzt, die zu erfüllen er nicht in der Lage ist. Der Arzt wird sich deshalb bei der Festlegung der Todesart ausschließlich an der naturwissenschaftlichen Definition orientieren müssen, die ihm vorgibt, ohne jedes Werturteil alles als nichtnatürlich anzusehen, was durch ein äußeres Ereignis zustande gekommen ist. Gefährlich, weil würdigend und wertend, sind alle Versuche, dieses äußere Ereignis auf "rechtlich bedeutsame Faktoren" einzugrenzen. Damit ist der Leichenschauarzt in jeder Hinsicht überfordert. Der Versuch, Todesfälle als natürlich zu bezeichnen, wenn sich bei einem ärztlichen Eingriff das Risiko der Grunderkrankung verwirklicht oder wenn das wegen ordnungsgemäßer Aufklärung und Einwilligung erlaubte Risiko bei kunstgerechter Einwirkung nicht überschritten wird, kann deshalb ernsthaft nicht erwogen werden. Eine Festlegung unter solchen Kriterien nimmt praktisch die Prüfung vorweg, die nach §159 StPO erfolgen soll. Sie weist sie darüber hinaus einem Personenkreis zu ("privilegierte Tätergruppe"), der an einem bestimmten Ausgang ein evidentes Interesse hat. Wenn bei fast 1.000 Anträgen im Bereich der Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein genau ein Drittel mit der Feststellung eines Behandlungsfehlers enden und die Zahl der Arzthaftungsprozesse wegen fehlerhafter Einwilligung die Zahl der Kunstfehlerprozesse inzwischen übersteigt, ist ein solcher Versuch der Risikominimierung zwar verständlich aber forensisch nicht zu rechtfertigen. Das Risiko der Grunderkrankung als Todesursache anzunehmen, könnte allenfalls gerechtfertigt sein, wenn festgestellt werden kann, dass der medizinische Eingriff ohne jegliche Bedeutung für den Tod gewesen ist. Es ist auch wenig folgerichtig, Todesfälle im Zusammenhang mit diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen als "ungeklärt" zu qualifizieren, um damit wenigstens der Form nach noch eine Todesursachendiagnostik zu ermöglichen. Auf diese Weise einem durchaus vorhandenen Interessenkonflikt ausweichen zu wollen, wirkt manipulativ und erscheint unärztlich. Unter nichtnatürlichen Todesfällen sind danach Suizide, Gewalteinwirkungen, Unfälle, aber auch Tod nach diagnostischen und therapeutischen Eingriffen zu verstehen. Interessanterweise war dies in der früheren DDR völlig unbestritten. In § 5 Abs. 2 der Anordnung über die Ärztliche Leichenschau vom 4. 12. 78) heißt es: "Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der nichtnatürliche Tod in ursächlichem Zusammenhang mit einer Narkose, mit operativen, anderen therapeutischen oder sonstigen medizinischen Eingriffen oder Maßnahmen........eingetreten ist, so hat der Leichenschauarzt unverzüglich den zuständigen Kreisarzt zu benachrichtigen. Die Pflichten aus Abs. 1 (Benachrichtigung der Polizei) bleiben hiervon unberührt". Eine entsprechende modifizierte Regelung enthält in den alten Bundesländern § 8 Abs.3 des Gesetzes über das Leichenwesen vom 27. 10. 92 des Landes Bremen , welches noch 18 1997 geändert worden ist . Auch hier wird der iatrogene Tod ohne Rücksicht darauf, an welchem Ort er eingetreten ist - somit auch der iatrogene Krankenhaustod - als nichtnatürlicher Tod gewertet. Das ist aus medizinisch - wissenschaftlicher Sicht logisch und konsequent. Zwiespältig sind die Vorgaben in NRW. Neben dem Fehlen einer Definition des iatrogenen Todes verweist die Todesbescheinigung lediglich bei der Spalte "nicht natürlicher Tod" im Nicht vertraulichen Teil auf Ziffer 20 des Vertraulichen Teils und ersucht den Arzt um weitere Hinweise. Dort wird dann aufgeführt, dass auch Hinweise zu Komplikationen bei medizinischer Behandlung erwartet werden. Das zwingt zu der Fragestellung, ob NRW den iatrogenen Tod damit generell als nicht natürlichen Tod begriffen wissen will. Nach den Erfahrungen in Bremen ist die Einordnung des zum Tode führenden medizinischen Eingriffs als "nichtnatürlich" in keiner Weise anstößig oder bekämpfungswürdig. Es ist nicht zu bestreiten, dass sich die Vorwürfe fehlerhafter Behandlung vervielfacht haben. In einer solchen Lage müsste die Intention des Arztes im eigenen Interesse auf Klärung ausgerichtet sein. Auf der Basis eines behördlich überprüften Todesfalles kann später viel fundierter Angriffen, etwa im Rahmen einer zivilrechtlichen Klage, erfolgreich entgegengetreten werden. Die Erfahrung lehrt, dass dabei in Ausmaß und Intensität nicht vermutete Grundleiden offenbar werden, bei denen ein kausaler Zusammenhang zwischen Tod und Eingriff nicht postuliert werden kann. Davon zeugen die hohen Zahlen "folgenloser" Leichensachen bei jeder Staatsanwaltschaft. Solche Erwägungen liegen im Übrigen auch den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren zu Grunde, die eine grundsätzliche Leichenöffnung vorschreiben, wenn Personen betroffen sind, die sich in Haft oder sonst in amtlicher Verwahrung befunden haben. Die Klassifizierung des iatrogenen Todes als "nichtnatürlich" hat allerdings eine Nebenfolge, die nicht nur von der Ärzteschaft, sondern aus ganz anderen Erwägungen auch von der Polizei und der Staatsanwaltschaft als unangenehm empfunden wird. Nahezu allen Ländergesetzen und Verordnungen ist im Falle eines nichtnatürlichen Todes eine Meldepflicht zu entnehmen. Diese ist zwingend. Gewisse Unklarheiten ergeben sich in Nordrhein-Westfalen, weil noch eine Normregelung fehlt. In dem ganz überwiegenden Teil der Vorschriften knüpft diese Meldepflicht bereits an die Tatsache an, dass ein nichtnatürlicher Tod vom Arzt nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Das ist eine Minimalforderung, die aus der Sicht der Rechtsmedizin immer wieder erhoben worden ist. Die Praxis gibt sich sehr viel nachsichtiger. Die schwammige Regelung in NordrheinWestfalen, die sich bis 2004 eigentümlicherweise in der "Anleitung zur Ausfüllung der Todesbescheinigung" fand, lautete: "Ist ein Fremdverschulden als Todesursache nicht gänzlich auszuschließen, sollte der Arzt die Polizei unverzüglich unterrichten." Ihr mangelte es schon deshalb an Klarheit, weil dem Arzt nicht geläufig sein dürfte, dass die juristische Verwendung des Verbums "soll" ein "müssen" beinhaltet. Der Arzt wird auch nicht darüber aufgeklärt, dass diese Meldepflicht derzeit auch die Todesart "ungeklärt" erfasst, weil sie mit dem Zusatz versehen ist, "ob natürlich/nichtnatürlich". Deshalb beklagt der Polizeibereich, es irritiere, dass eine unverzügliche Benachrichtigung der Polizei unterbliebe, so dass erst vom Bestatter Todesfälle mit "ungeklärter Todesursache" mitgeteilt würden. Letztlich wird deutlich, wie durchgängig eine verwirrende Vermischung von Todesart und Todesursache stattfindet. Die Meldepflicht kann nur aus der Todesart hergeleitet werden. Im neuen Bestattungsgesetz NRW heißt es, bei Verdacht auf einen 19 nicht natürlichen Tod brechen die Ärztinnen oder Ärzte die Leichenschau ab, unterrichten unverzüglich die Polizeibehörde und sorgen dafür........". Der ungeklärte Tod bleibt offensichtlich ohne gesetzliche Regelung. Man versucht, diese Lücke auf der Ausfüllanleitung zu beseitigen und schreibt hier das Verhalten des Leichenschauers auch bei ungeklärter Todesart vor. Ganz anders verhält sich das Land Schleswig-Holstein, in dessen Todesbescheinigung "ungeklärt" mit dem Zusatz versehen ist "und keine Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod vorliegen". In diesem Fall wird eine Meldepflicht - zu Recht - verneint, weil die Voraussetzungen des § 159 StPO nicht vorliegen. Der Arzt hätte sich bei Zweifeln an der Todesart für den nichtnatürlichen Tod entscheiden müssen. Auch aus der Sicht der geplanten Neuregelung bleibt die Meldung eines nichtnatürlichen Todes jedoch obligatorisch. Überwiegend sind damit die Polizeidienststellen angesprochen. Es kann nicht übersehen werden, dass eine solche Meldepflicht gegenüber der Polizei sowohl für den Arzt als auch für die Polizei selbst problematisch ist. Ärzte und Krankenhäuser befinden sich nicht im rechtsfreien Raum. Der iatrogene Tod an sich stellt auch keine ungebührliche Verdächtigung gegenüber dem Arzt dar. Ständig in Krankenhäusern und Arztpraxen ermittelnde Polizeibeamte können allerdings nicht die Lösung des Problems sein. Sie verfügen trotz der zu beobachtenden beachtlichen Detailkenntnis nicht über die medizinischen Grundlagen, um ohne externe Hilfe die Todesursache zu hinterfragen. Nachdem der Arzt sich bei der Todesart für einen meldepflichtigen Zustand entschieden hat, kommt es nämlich zur Vorbereitung der Entscheidung der Staatsanwaltschaft nunmehr auf eine wertende Aussage zur Todesursache an. In dieser Situation kann die Polizei nicht alleine gelassen werden. Es führt eigentlich kein Weg an den Gemeindebehörden (Gesundheitsämter) vorbei, die in § 159 StPO ausdrücklich aufgefordert sind, eigenständig Tätigkeiten zu entfalten. Dieser Aufgabenbereich wird jedoch derzeit erkennbar nicht wahrgenommen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass insoweit eine gesetzliche Verpflichtung besteht, die in NRW sogar in Ziffer 3 des Runderlasses vom 20.06.2001 Niederschlag gefunden hat und den Amtsärzten ausdrücklich eine entsprechende Überprüfung der Todesbescheinigungen auferlegt. Das Bundesrecht des § 159 StPO gilt uneingeschränkt und lässt die Tätigkeit der Gemeindebehörden erzwingen. Daraus hat bislang - abgesehen von den neuen Bundesländern, in denen die DDRGesetzgebung fortgilt - nur das Land Bremen Konsequenzen gezogen. Die Meldung des iatrogenen Todes an das Gesundheitsamt setzt eine entsprechende Vorprüfung in Gang, ob die zusätzliche Einschaltung der Polizei geboten ist. Wird der Tod medizinisch für unbedenklich gehalten, erfolgt der Vorschlag an die Staatsanwaltschaft, die Beerdigungserlaubnis zu erteilen. In der ganz überwiegenden Zahl der in Betracht kommenden Todesfälle wird die Gesundheitsbehörde ihre Anregung nach Kenntnisnahme des vertraulichen Teils, evtl. nach fernmündlicher Erörterung oder Beiziehung von Krankenvorgängen binnen kürzester Frist begründen können. Diese Handhabung stellt nichts anderes dar, als die Anzeige einer Gemeindebehörde im Sinne das § 159 StPO, die gleichzeitig mit einer Entscheidungsanregung verbunden sein kann. Lautet sie auf Freigabe des Leichnams 20 kann die Staatsanwaltschaft dieser Anregung folgen oder - wie bei polizeilichen Vorgängen - verbleibende Zweifel durch weitere prozessuale Maßnahmen beheben. Gemeindebehördliche Tätigkeiten sind derzeit in anderen Ländern kaum erkennbar. Es dürfte schwerfallen, dies angesichts einer gesetzlich normierten Pflicht mit anderweitiger Auslastung zu erklären. Auch im Bereich des Feuerbestattungswesens stehen die Gemeindebehörden in einer gesetzlichen Pflicht. In seiner Durchführungsverordnung vom 10. 08. 38 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, diese Tätigkeiten an fachkundige Ärzte zu delegieren. Diese Art der Bestattung mit einer obligatorischen amtlichen (zweiten) Leichenschau wird immer häufiger gewählt. Es dürfte kaum Schwierigkeiten bereiten, diese Regelung auf den iatrogenen Tod zu übertragen. Dadurch wird die Zahl der meldepflichtigen Vorgänge zwar erhöht, sie erscheint jedoch nicht unbeherrschbar. Die Verfahrensweise hat den unschätzbaren Vorteil, eine Kontrolle zu schaffen, die den Arzt vom Odium der Vertuschung befreit. Ein Wort der Landesgesetzgeber wäre angemessener, als die ständige Veränderung von Todesbescheinigungen, die letztlich das brisante Thema unangetastet lassen . Bis sich die angestrebten Verhältnisse ergeben haben, werden nach aller Erfahrung noch eine ganze Reihe von Meinungsverschiedenheiten und Anlaufschwierigkeiten ausgeräumt werden müssen. Wenn es sich einbürgern würde, dass alle behandelnden Ärzte bei unter ihrer Behandlung iatrogen verstorbenen Patienten im Totenschein "nicht natürlich" ankreuzen, ergäbe sich zunächst eine gehörige Portion Mehrarbeit für die zuständige Polizei. Wäre es aber nicht möglich, mit diesen besonderen Verfahren Beamte zu betrauen, die sich dann innerhalb kurzer Zeit zu einer Art Vertrauenspersonen für die Ärztschaft entwickeln könnten, die ihrerseits dann auch die Ärzte im Umkreis kennen? Hier wäre sicherlich bei Meldung eines iatrogenen Todesfalls nach einer Eingewöhnungsphase eine zügige Abwicklung des Vorgangs (bei expliciter Darstellung der Kausalkette) denkbar. Auch die Rechtsmedizin ist bereit, ihren Beitrag zu leisten (vergleichbar dem Bremer Modell). Hier käme auch auf sie Mehrarbeit zu, die zudem nicht liquidierbar ist. Im Sinne der Rechtssicherheit wäre eine ganze Menge gewonnen, mehr Transparenz wäre gegeben, die Kriminalpolizei letztendlich doch nicht so überbelastet und der behandelnde Arzt weitgehend vom Ruch des priviligierten Täters befreit. Vielleicht ließe sich so auch der Druck auf die Gesundheitsbehörden (Ministerium) verstärken, endlich die notwendigen Regeln zu schaffen. Wir wären der Verwirklichung des Anspruchs eines jeden Menschen auf einen natürlichen Tod ein ganzes Stück näher gekommen. 8. Die Krematoriumsleichenschau Bei der Feuerbestattung handelt es sich um eine sehr alte Bestattungsform, die aber bis heute in der christlichen Kulturwelt nicht unumstritten geblieben ist. So wurde beispielsweise ein Antrag auf Zulassung der Feuerbestattung, der dem sächsischen Landtag 1906 vorgelegt wurde, wie folgt begründet: berechtigte Interessen der Kirchen würden durch den Antrag nicht beeinträchtigt, das religiöse Volksempfinden nicht verletzt. Zwar halte es die Regierung für erwünscht, dass die christliche Sitte des Begräbnisses im weitesten Umfang aufrecht erhalten werde, vom staatlichen Standpunkt sei aber kein Grund, alle, auch die nicht christlichen Staatsangehörigen zur Befolgung der christlichen Sitte zu zwingen. Die strafrechtlichen Bedenken seien durch die medizinischen und chemischen Fortschritte beseitigt. Ein im gleichen Jahr im Herzogtum Anhalt verabschiedeter Gesetzesentwurf enthält den Passus, dass die Feuerbestattung bei Personen, die unter 16 Jahre alt sind auch nicht mit Zustimmung der Eltern zulässig ist. 21 Bevor wir uns der Kremation und der Kremationsleichenschau im speziellen Sinne zuwenden, sei zum besseren Überblick einmal auf die Gesamtzahlen hingewiesen. Die Sterbezahlen sind in der Bundesrepublik Deutschland -sehr zum Leidwesen der Bestattungsunternehmen (Zitat im FOCUS 10/98)- seit Jahren rückläufig. Man erklärt dies mit den Kriegsjahrgängen, die jetzt das Sterbealter erreichen, allerdings durch Kriegseinfluß bereits in jungen Jahren stark ausgedünnt wurden . Von 1990 verringerten sich die Sterbefälle von 921.000 auf 858.000 im Jahr 1997. Gleichzeitig wurde die Feuerbestattung immer beliebter. Die Entwicklung im Düsseldorfer Krematorium kann allenfalls für eine überwiegend katholische Bevölkerung als repräsentativ gelten. Wegen der auswärtigen Leichenschauen ist die Zahl der tatsächlichen Einäscherungen etwa doppelt so hoch . Für die Kremierung ist eine zweite, amtsärztliche Leichenschau gesetzlich vorgeschrieben (auf die eine mögliche Ausnahme wird im weiteren Text eingegangen). Der Zweck dieser Leichenschau liegt auf der Hand. Durch die Verbrennung der Leiche werden sämtliche Beweismittel vernichtet. Während nach Erdbestattung noch Jahre bis Jahrzehnte lang je nach Fragestellung wichtige Befunde erhoben werden können, ist diese Möglichkeit nach der Kremierung unwiederbringlich verloren. Die Bedeutung dieser zweiten ärztlichen Leichenschau ist daher ausgesprochen hoch anzusetzen. Auf die allgemeine Problematik der ärztlichen Leichenschau soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, es liegt bereits reichlich Literatur vor (Püschel et al., 1987; Brinkmann und Püschel, 1991; Brinkmann und DuChesne, 1993; Brinkmann et al., 1997; Brinkmann et al., 1998; Huckenbeck und Gabriel, 1998). Geht man von den in der Studie von Brinkmann et al. publizierten Daten aus, so ergeben sich für das Jahr 1995 in der BRD 885.000 Todesfälle. Hiervon wurden in 197.000 Fällen die Leichen feuerbestattet (22%). Von 77.985 dieser 197.000 Kremierungen wurde seitens der Rechtsmediziner eine amtsärztliche Leichenschau durchgeführt. Die restlichen 60 % der Leichenschauen wurden durch Amtsärzte durchgeführt und waren nicht näher auszuwerten. Bei den 77.985 rechtsmedizinischen Krematoriumsleichenschauen wurden in 2.200 Fällen, bei denen zunächst ein natürlicher Tod bescheinigt worden war, die Leichen bei der zweiten Leichenschau angehalten (2,8%). In den meisten Fällen wurde hier eine Obduktion durchgeführt. Hierbei ergab sich in 784 Fällen ein nicht natürlicher Tod. Brinkmann et al. erhalten durch Hochrechnung auf die Gesamtzahl der Kremationsleichenschauen für das Jahr 1995 2010 Todesfälle, in denen ein nicht natürlicher Tod aufgedeckt wird, der vom erster leichenschauenden Arzt als natürlicher Tod deklariert wurde Die Autoren kommen zu der Feststellung, dass pro Jahr mindestens 18.000 nicht natürliche Todesfälle (Feuer- und Erdbestattung) bei der ersten Leichenschau übersehen werden: eine wahrhaft erschreckende Zahl. Weitere Hochrechnungen der Autoren gehen von insgesamt über 13.000 Todesfällen in Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen, 359 Fällen von unentdecktem Suizid und 68 Fällen von nicht erkannten Fremdtötungen pro Jahr aus. Auch wenn es sich um Hochrechnungen handelt, die Zahlen zeigen die teilweise verheerende Qualität der ärztlichen Leichenschau in der Bundesrepublik Deutschland. Aus diesem Grund muß die Kremationleichenschau als effektiver Filter zumindest in diesem immer größer werdenden Teilbereich der Bestattung angesehen werden. Eine immer 22 wieder diskutierte Abschaffung käme einer amtlichen legitimierten Tatverschleierung gleich. Der § 159 der Strafprozessordnung ist in der z. Zt. geltenden Fassung nachfolgend angeführt: § 159 StPO (1) Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass jemand eines nicht natürlichen Todes verstorben ist, oder wird der Leichnam eines Unbekannten gefunden, so sind die Polizeiund Gemeindebehörden zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft oder an das Amtsgericht verpflichtet. (2) Zur Bestattung ist die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft erforderlich. Was gerade vielen Rechtsmedizinern aus ihrer täglichen Arbeit nicht bewusst genug sein wird, ist die Tatsache, dass ihnen aus dem § 3 Abs. 2 ein Hauch von Coroner-System entgegenweht. Der leichenschauende Arzt im Krematorium muss im Zweifelsfall selbst ermitteln. Er erfüllt seine gesetzliche Pflicht nicht, wenn er lediglich Bedenken gegen einen natürlichen Tod bescheinigt und die Aufklärungsarbeit allein der Polizei überlässt. Gleichzeitig bedeutet die Einfügung des § 159 StPO, dass hier eine Reihe von Leichen ohne zweite, also Kremationsleichenschau feuerbestattet wird. Leichen, die beispielsweise aufgrund eines vom ersten Leichenbeschauer beurkundeten nicht aufgeklärten oder nicht natürlichen Todes beschlagnahmt wurden, dann aber ohne Obduktion von der Staatsanwaltschaft freigegeben werden, unterliegen keiner Kremationsleichenschau. Hier soll die polizeilicherseits durchgeführte Leichenschau und die polizeiliche Ermittlungsarbeit ausreichen. Die staatsanwaltliche Beerdigungserlaubnis ersetzt alle sonstigen Erfordernisse. Es ist deshalb falsch, die Gründe für bestehende Missstände ausschließlich bei den Ärzten suchen zu wollen. Dadurch wird zwangsläufig die Diskussion in den Bereich einer medizinisch-wissenschaftlichen Betrachtung gedrängt, durch die sich andere Personenkreise kaum angesprochen fühlen. Gemäß § 159 StPO hat der genannte Personenkreis außerhalb der ärztlichen Verrichtung kraft gesetzlichen Auftrages Aufklärungsarbeit zu leisten, welche Ursache den Tod eines Menschen herbeigeführt hat. Freilich gilt das nicht schlechthin, sondern immer dann, wenn Anhaltspunkte bekannt werden, dass jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist. Dabei wird häufig verkannt, dass es sich bei dieser Aufgabe nicht um die Führung eines Ermittlungsverfahrens handelt, sondern um ein Verfahren eigener Art, das dem Staatsanwalt die Freigabeentscheidung über eine Leiche zuweist, weil allein er im Zweifelsfall weitere Aufklärung veranlassen kann. Insoweit handelt es sich also eher um eine Art Beweissicherungsverfahren. Ein solches Verfahren hat bei widersprüchlichen Aussagen in der Todesbescheinigung genauso anzusetzen, wie bei Unfallopfern oder den aufgrund äußerer (Gewalt-) Einwirkung Verstorbener. Dazu gehören durch freie Willensentscheidung aus dem Leben Geschiedene ebenso wie Tote nach einem ärztlichen Eingriff. Bei letzteren zusätzlich "wenigstens entfernte konkrete Anhaltspunkte für einen Kunstfehler oder für sonstiges Verschulden des behandelnden Personals zu fordern", setzt eine Bewertung voraus, die nur am Ende eines Verfahrens nach § 159 StPO stehen kann. Sie bringt darüber hinaus den Aussteller der Todesbescheinigung in eine schwer erträgliche Konfliktsituation. 23 Die in § 159 StPO angesprochenen "Hinweise der Gemeindebehörden" sind kaum nennenswert. Aber auch polizeiliche Einschaltung läßt sehr unterschiedliche Handhabungen erkennen. Es erscheint ausgeschlossen, dass die Gründe dafür in den Fertigkeiten einzelner Ärzte oder Polizeibehörden zu suchen sind, die Todesursache richtiger zu beurteilen. Vielmehr werden verbleibende Zweifel bei einigen Polizeibehörden eher durch die Anregung einer weiteren Untersuchung aufgegriffen; bei anderen werden die Ermittlungen in den Fällen einer fraglichen Todesursache tendenziell auf die Festlegung "natürlich verstorben" geführt. Die Akteninhalte bestehen dabei aus einer Fülle von Gesprächsvermerken, vor allem mit behandelnden oder ehemals behandelnden Ärzten. Es sind auch durchaus Einwirkungen in die für wahrscheinlich gehaltene Richtung erkennbar. Nach unseren Erfahrungen nehmen diese Ermittlungen mindestens ebensoviel Arbeitskapazität in Anspruch, wie die Leichenöffnung oder wenigstens ihre fachkundige Besichtigung, ohne indessen den gleichen Sicherheitsstandard zu erreichen. Bedauerlicherweise sind solche Ermittlungen geeignet, den Staatsanwalt zur Erteilung der Beerdigungserlaubnis zu veranlassen, weil die in sich schlüssigen Aktenvorgänge selten Anlaß geben, der polizeilichen Anregung nicht zu folgen. Wir können unsere Feststellungen anhand konkreter Beispiele, denen wir symptomatischen Charakter zumessen, belegen: Fall 1 Die Nachforschungen nach der Todesursache (Verfahren aus der Stadt B) begannen mit dem fernschriftlich übermittelten Geständnis der Ehefrau, ihren schwer krebskranken Ehemann getötet zu haben. Zu Protokoll einer süddeutschen Polizeidirektion hatte sie erklärt: "Der anwesende Notarzt sowie die Polizeibeamten sagten mir, nachdem sie den Leichnam meines Mannes gesehen hatten, dass dieser eines natürlichen Todes verstorben sei." Aus den Ermittlungsakten ergibt sich, dass der Notarzt wegen festgestellter Blutanhaftungen im Gesicht und an den Händen Zweifel hatte, einen natürlichen Tod zu bescheinigen. Mit polizeilicher Hilfe wurde deshalb der Hausarzt herbeigerufen. Dieser hat den natürlichen Tod bescheinigt und später angegeben, er habe die Blutanhaftungen für krankheitsbedingt gehalten. Im Obduktionsprotokoll heißt es: "Die ausgedehnten Hautvertrocknungen im Bereich von Mund, Nase, am Kinn, die Mundschleimhautverletzungen und die Verlagerung der Oberkieferprothese rachenwärts sind mit einem gewaltsamen Verschluß von Mund und Nase vereinbar. Die Hautblutungen an den Armen und die Hautabschürfungen hier lassen sich mit einem Festhalten erklären." Die beschuldigte Ehefrau hatte gestanden, den sich wehrenden Ehemann mit einem Waschlappen erstickt zu haben. Bei einer den Bestimmungen entsprechenden Leichenschau hätten die Defekte nicht verborgen bleiben können. Als typische Zeichen einer Knebelung hätten Blutunterlaufungen und Schleimhautrisse im Mundbereich auch nicht fehlgedeutet werden dürfen. Die Einleitung eines Todesermittlungsverfahrens war geboten. Statt dessen haben die Polizeibeamten durch Herbeirufen des Hausarztes und dessen "Leichenschau" fast die Aufklärung eines Tötungsdeliktes verhindert. In gleicher Weise können nicht vorurteilsfreie Ermittlungen Anlaß zu Fehlinterpretationen sein. 24 Fall 2 Die Leiche einer 23 Jahre alt gewordenen Frau (Stadt B) wurde in einem Parkgelände aufgefunden und als der Drogenszene zugehörig identifiziert. Ausgehend von einem Drogentod wurde kleineren Kopfschwarten-verletzungen keine Bedeutung beigemessen. Die Obduktion ergab, dass die Frau mit ihrem Schmuckhalsband aus Leder gewürgt worden war und außerdem Erbrochenes aspiriert hatte. Die Kopfverletzungen sind eindeutig keine Sturzfolgen, sondern mittels eines scharfkantigen Werkzeugs verursacht. Seither wird nach dem Täter gesucht. Ein aus der Leichenschau im Krematorium (2. Leichenschau) bekannt gewordener Vorfall (Stadt B) ist ebenso bemerkenswert und zeigt die Wichtigkeit dieser weiteren Kontrolle: Fall 3 Eine Leiche wurde besichtigt, der die Todesbescheinigung eines Krankenhausarztes beilag, nach der die Identität nicht zweifelsfrei feststand; der Leichnam wies eine große frische Operationsnarbe auf. Auf Veranlassung des leichenschauenden Rechtsmediziners wurde die Leiche angehalten und ersucht, die Polizei einzuschalten. Statt einer ermittlungsmäßigen Nachprüfung im Sinne von § 159 StPO wurde fernmündlich durch die Polizei mitgeteilt, nach Auffinden eines Personalausweises durch das Krankenhaus stehe die Identität des Toten fest. Auf fernmündliche Bitte der Polizei übermittelte das Krankenhaus die Operationsunterlagen, um den Nachweis einer unbedenklichen Kremierung zu führen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß auch hier die Einleitung und Durchführung eines ordnungsgemäßen Todesermittlungsverfahrens nach § 159 StPO unabdingbar geboten war. Fall 4 Vor ca. 22 Jahren wurde in einer linksrheinischen Stadt C von einem Jogger eine weibliche Wasserleiche aus einem relativ schmalen Fluß geborgen. Die herbeigerufene Polizei stellte einige schnittähnliche Verletzungen fest, deutete diese Befunde in Zusammenarbeit mit dem Notarzt als Schiffschraubenverletzungen. Nur zwecks Identifizierung wurde die Leiche in das zuständige rechtsmedizinische Institut (Stadt A) eingeliefert. Erst über einen Angehörigen der Wasserschutzpolizei, die von der Polizei der Stadt C als zuständig eingeschaltet war, wurden die Verletzungen in Zusammenarbeit mit den Rechtsmedizinern als Stichverletzungen erkannt und die zuständige Mordkommission (Stadt A) eingeschaltet. Im Laufe der Ermittlungen konnten drei Täter verhaftet und des Mordes überführt werden. 9. Die Blutentnahme an der Leiche aus rechtlicher Sicht Eine Leiche stellt aus juristischer Sicht zwar keine Sache, aber auch keine Person dar. Dennoch läßt sich allgemein feststellen, dass der für die Leiche Verantwortliche (Gewahrsamshalter) sich darüber bewußt sein muß, dass die vom Grundgesetz gebotene Verpflichtung, die Würde des Menschen zu wahren und zu schützen, nicht mit dem Tod endet, sondern darüber hinaus fortdauert und dass sich an der Leiche erfolgende Maßnahmen im Rahmen der Gesetze und der sittlichen Verpflichtungen zu halten und nicht gegen das Pietätsgefühl verstoßen dürfen. 25 Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Rechtslehre wird der Leichnam vom postmortal fortwirkenden Persönlichkeitsrecht erfasst (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Keine Fortgeltung hat dagegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat. Diese Bestimmung kann sich ihrer Natur nach nur auf den lebenden Menschen beziehen. Aus diesem Grunde können auch die Bestimmungen der §§ 81 a und 81 c StPO keine Rechtsgrundlage für die Entnahme von Blut oder Körperflüssigkeiten aus Leichen zur Alkoholbestimmung etc. bilden. Die Entnahme von Leichenblut ist daher nur mit Zustimmung zu Lebzeiten oder aber mit Genehmigung der Totensorgeberechtigten zulässig. Eine solche Zustimmung kann z. B. beim Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages mit Unfallzusatz erklärt werden. Dabei wird dem Versicherer das Recht eingeräumt, zur Abklärung der Todesursache ggfls. eine Leichenöffnung vornehmen zu lassen. A majore ad minus liegt darin auch die Gestattung der Blutentnahme. Ist der Tod in einem Krankenhaus eingetreten, zu dessen Aufnahmebedingungen eine Sektionsklausel gehört, gilt Entsprechendes. Gemäß §1559 Abs. 4 RVO (übergegangen in das Siebte Buch Sozialversicherungsbuch) kann Versicherten in einer gesetzlichen Unfallversicherung auf Anordnung der Polizeibehörde oder des Versicherungsträgers auch zur Feststellung von Tatsachen, die für die Entschädigungspflicht von Bedeutung sind, eine Blutprobe entnommen werden. Darüber hinaus mag dahin stehen, ob die Leichenblutentnahme die Wegnahme von Leichenteilen darstellt und somit den Straftatbestand des § 168 StGB erfüllt, wenn sie unbefugt erfolgt (zum Streitstand vgl. Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch Anm. 2 zu § 168 StGB). Bei Leichen, deren Tod eine weitere amtliche Aufklärung erfordert, ist die Entnahme nicht unbefugt. Bereits bei der durchzuführenden Leichenschau nimmt der Arzt gesundheitsbehördliche Aufgaben wahr, die ihm hoheitlich durch entsprechende Gesetze und Verordnungen zugewiesen sind. Hält er den Tod für nichtnatürlich oder kann er einen solchen Tod nicht ausschließen, hat der Leichenschauarzt sicherzustellen, daß weitere Aufklärungsmaßnahmen ergriffen werden können. Dazu bedarf es nach allen einschlägigen Vorschriften in den Bundesländern der Unterrichtung der Polizei oder der Gesundheitsbehörde. Diese stellt den Leichnam sicher oder beschlagnahmt ihn (§ 94 StPO), falls Totensorgeberechtigte widersprechen. Die Sicherstellung muß nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann konkludent erfolgen. Sie findet äußeren Ausdruck z. B. durch die Anordnung des Abtransports an einen sicheren Verwahrort, beispielsweise Institut für Rechtsmedizin. An der sichergestellten Leiche sind alle Maßnahmen rechtmäßig, die im Einklang mit der Sicherstellung zur Sachaufklärung gehören. Ausgenommen sind nur bestimmte Maßnahmen, die weiterer Anordnungen eines Staatsanwaltes oder Richters bedürfen (§ 87 StPO). Zu diesen Maßnahmen gehört die Blutentnahme nicht. Dies gestattet aus juristischer Sicht auch den notwendigen Eingriff durch Friedhofswärter oder Sektionsgehilfen, die die Entnahmetechnik beherrschen. Aus rechtsmedizinischer Sicht sind hier natürlich Einschränkungen gegeben, so dass sich die Delegierung allenfalls auf erfahrene Sektiongehilfen erstrecken dürfte. Aus ermittlungstechnischer Sicht ist die Blutentnahme baldmöglichst durchzuführen, weil die Eignung zur toxikologischen Begutachtung durch Diffusion und Autolyse stark beeinträchtigt und letztlich unmöglich wird. 10. Pathologie und Leichenrecht Mit dem Leichenwesen befassen sich im medizinischen Bereich Anatomen, Pathologen und Rechtsmediziner. Die ersteren versuchen, den gesunden menschlichen Körper zu erforschen und vor allem dem studentischen Nachwuchs zu erschließen. Pathologen sind die Stütze der Kliniker zur Ergründung bestehender Leiden und zur Sicherung der Befunde 26 auch bei Verstorbenen. Der Rechtsmediziner befasst sich im Bereich des Leichenwesens mit der Frage, ob ein natürlicher oder ein nichtnatürlicher Tod vorliegt. Der Umgang mit dem Leichenwesen ist weit schwieriger als dies auf den ersten Blick erscheinen mag. Das Leichengut der Anatomen steht dabei außerhalb der Diskussion, weil es ein Vermächtnis zu Lebzeiten des Verstorbenen voraussetzt. Auch der Rechtsmediziner arbeitet im geschützten Raum: Sein Leichengut ist beschlagnahmt und die Öffnung der Leiche richterlich oder staatsanwaltlich abgesichert (§ 87 Abs. IVStPO). Der Pathologe kann sich dagegen nur auf der sicheren Seite sehen, wenn ihm die zu Lebzeiten erteilte Einwilligung des Verstorbenen oder die Zustimmung des Totensorgeberechtigten vorliegt. Bei Fehlen einer wirksamen Willenserklärung der Berechtigten macht sich der sezierende Pathologe strafbar nach § 168 StGB. Allgemeine Sektionsklauseln in den Aufnahmebedingungen der Krankenhäuser waren immer schon ein Stein des Anstoßes. Wenngleich der Bundesgerichtshof solche Klauseln auch grundsätzlich für zulässig erklärt hat, entbindet das den Pathologen nicht von einer Einzelfallprüfung. Schon die Frage, ob der Patient sie bei der Krankenhausaufnahme bei den ihm vorgelegten Formularen wahrgenommen hat, oder ob er in seinem Zustand überhaupt einwilligungsfähig war, stellt den Pathologen vor kaum überwindbare Schwierigkeiten. Er muss diese Fragen schließlich eigenverantwortlich ex post beantworten. Dem Kammergericht Berlin dürfte daher zuzustimmen sein, dass der Überraschungscharakter solcher Allgemeiner Geschäftsbedingungen die Klausel in aller Regel unwirksam macht. Selbst die vom Bundesland Bremen gewählte Lösung (§ 11 Abs. 1 des Gesetzes über das Leichenwesen vom 27.10.92 - GBl Seite 627) schafft für den Pathologen nur eine scheinbare Sicherheit. Dieses wohl fortschrittlichste Leichengesetz eines Bundeslandes bestimmt, dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer klinischen Sektion ,,als Einverständniserklärung der verstorbenen Person eine bei der Krankenhausaufnahme abgegebene Erklärung herangezogen werden" kann. Eine solche Erklärung ist also lediglich ein Indiz, das jedoch für sich genommen weder dem Überraschungsmoment noch der Frage bestehender Einwilligungsfähigkeit Rechnung trägt. Aus diesem Grunde wird den Angehörigen in aller Regel die geplante Sektion mitgeteilt und eine Frist zum Widerspruch gesetzt (Bremer Modell seit 1992). Hat der Pathologe sich von der Existenz einer wirksamen Einwilligungserklärung überzeugt, kann er eine klinische Sektion durchführen. Bedenklich wird es für den Pathologen trotz der bestehenden Einwilligung, wenn der Leichnam äußere Merkmale aufweist, die den im Totenschein ausgewiesenen natürlichen Tod in Frage stellen. Dabei kommen Sturzverletzungen, Platzwunden, sichtbare Brüche und Prellmarken ebenso in Betracht, wie frische Wunden eines vorausgegangenen medizinischen Eingriffs. Bei Vorliegen solcher Anhaltspunkte ist ein nichtnatürlicher Tod nicht auszuschließen und eine klinische Sektion kann nur nach Freigabe der Leiche durch den Staatsanwalt erfolgen. Dieser Grundsatz gilt durchgängig in allen Bundesländern. Um diesem Grundsatz Rechnung zu tragen, der sich aus der Bestimmung des § 159 StPO herleitet, haben die Bundesländer in unterschiedlicher Form Meldepflichten festgelegt. Diese Meldepflichten gelten auch für den Pathologen. 27 So bestimmt Art. 18 Abs. 1 des bayerischen Bestattungsgesetzes: ,,Mit Geldbußen kann belegt werden, wer bei der Öffnung einer Leiche Anzeichen für einen nichtnatürlichen Tod feststellt und nicht unverzüglich die Polizei oder Staatsanwaltschaft verständigt." Ähnliche Bestimmungen gelten in einigen neuen Bundesländern in der Form des alten DDR-Rechts fort. Die Länder Bremen und Sachsen verfügen ebenfalls über entsprechende Gesetzesnormen. Was in diesen Ländern Recht ist, kann in Nordrhein-Westfalen nicht bedeutungslos sein. Im neuen Bestattungsgesetz für NRW wird ausgeführt, dass es bei Hinweisen auf einen nichtnatürlichen Tot auch dann der Anordnung eines Richters oder Staatsanwaltes bedarf, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten sein Einverständnis zur Leichenöffnung erklärt hat. Damit ist der Pathologe also gehindert, eine klinische Sektion ohne Erklärung des Staatsanwaltes durchzuführen. Eine solche Erklärung kann er zwangsläufig nur erhalten, wenn er seiner Meldepflicht nachgekommen ist. Nicht selten werden dem Pathologen auch erst während seiner Sektion Hinweise auf ein nichtnatürliches Ableben bekannt. So findet er unversorgte Organrupturen subdurale oder epidurale Hämatome, operative Gefäßverletzungen oder andere Einwirkungen, die todesursächlich oder mitursächlich gewesen sein könnten. Auch für diesen Fall ist Vorsorge getroffen: Der Pathologe darf die Sektion nicht fortsetzen, bis die von ihm einzuschaltende Polizeidienststelle entschieden hat, ob er die innere Leichenschau - ggf gemeinsam mit der Polizei - fortführen kann, oder ob die Staatsanwaltschaft eine rechtsmedizinische Untersuchung durchführen lässt. Auch das ist verbindliches Berufsrecht. Dabei gerät der sezierende Pathologe durchaus in die missliche Situation, Anhaltspunkte vorzufinden, die nicht nur für eine unnatürliche Todesart sprechen, sondern darüber hinaus sogar auf einen ursächlich verschuldeten Behandlungsfehler hindeuten können. Bei Beachtung seiner Meldepflicht setzt er damit einen klinisch tätigen Kollegen oder einen niedergelassenen Arzt unmittelbar staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung aus. Es ist bekannt, dass kollegiale Rücksichtnahme gelegentlich Veranlassung ist, die Meldepflicht zu vernachlässigen. Gerade diese Verfahrensweise hat jedoch den Ruf begründet, die Ärzteschaft stelle sich über das Gesetz. Sie wird dadurch als ,,privilegierter Täterkreis" mit dem Odium der Vertuschungskomplizenschaft behaftet. Gelegentlich sind es auch handfeste wirtschaftliche Abhängigkeiten, die nicht schutzwürdige Interessen höher einschätzen, als die ärztliche Berufspflicht. Es kann deshalb nur eindringlich davor gewarnt werden, meldepflichtige Erkenntnisse zu verschweigen und sich damit möglicherweise zugleich selbst strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen. Gemäß § 258 StGB wird nämlich mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe belegt, ,,wer absichtlich oder wissentlich, ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird". Auch der Versuch einer Strafvereitelung ist strafbar (§ 258 Abs. IV StGB). Ahnt der Pathologe im Vorfeld, dass eine solche Situation auf ihn zukommen könnte, sollte er tunlichst von einer Sektion abraten und den veranlassenden Arzt auf dessen Meldepflicht hinweisen. Hat der Pathologe jedoch die Leiche übernommen, kann er sich seiner Verpflichtung nicht mehr entziehen. Von diesem Zeitpunkt an handelt er eigenverantwortlich; er hat weder Beeinflussungen von anderen Ärzten nachzugeben, noch 28 Anweisungen von Vorgesetzten zu befolgen. Anderenfalls stellt er sich außerhalb der Rechtsnormen schutzlos und muss als approbierter Arzt die Konsequenzen tragen. Die Tatsache, dass immer noch ein System des Verschweigens angetroffen wird, macht es um so notwendiger, auf die Risiken der Entdeckung hinzuweisen, die vom sezierenden Arzt zu tragen sind. Die erste Gefahr der Entdeckung ergibt sich aus der gesetzlich vorgeschriebenen zweiten Leichenschau, wenn der Verstorbene kremiert werden soll. Rund 20 % des Leichengutes wird inzwischen bereits feuerbestattet, und die Tendenz ist steigend. In diesen Fällen ist gemäß § 3 Abs. 2 Ziff. 2 des Gesetzes über die Feuerbestattung vom 15.05.1934 (RGBl I Seite 380) eine zweite amtliche Leichenschau vorgeschrieben, um einem unwiderbringlichen Verlust von Beweismitteln entgegenzuwirken. Bei dieser Leichenschau Todesfälle festgestellt. Dem amtlichen werden regelmäßig ,,zweifelhafte" Leichenbeschauer sind die beteiligten Ärzte auskunftspflichtig (§ 3 Abs. 2 Ziff 2 Satz 2 aaO). Diese Auskunftspflicht sollte unbedingt ernst genommen werden, weil fehlende oder unzureichende Auskünfte die Leichenöffnung nach sich ziehen (§3 Abs. 2 Ziff 2 Satz 3 aaO). Nicht zu vernachlässigen ist auch die Tendenz, dass die Angehörigen die Todesumstände überprüft wissen wollen. Für den Fall, dass sie nicht sogleich den Weg einer Strafanzeige wählen und damit die Angelegenheit dem Rechtsmediziner überlassen, kommt auch zur Vorabklärung eine klinische Sektion in Betracht. Dabei wird häufig übersehen, dass ein Auskunftsanspruch hinsichtlich des Sektionsergebnisses besteht und die darüber erstellten Unterlagen herausverlangt werden können). Auch die neuerlichen Bestrebungen des Gesundheitsministeriums, im Krankenhaus Verstorbene sämtlich einer amtlichen Leichenschau zu unterziehen, lassen für die Zukunft möglicherweise weitere Einbrüche in die ,,Mauer des Schweigens" erwarten. Dabei erscheint dies nur als erster Schritt, denn Fehler bei der Behandlung und fehlerhafte Leichenschauen finden sich zahlreich auch im Bereich der niedergelassenen Ärzte. Insgesamt sind die Pathologen gut beraten, im Umgang mit dem Leichengut größte Vorsicht walten zu lassen. Dies liegt in ihrem eigenem wohlverstandenem Interesse. 11. Die Unterschrift unter der Todesbescheinigung Es wird behauptet. Arzte und Juristen hätten wenig Gemeinsamkeiten. Eine Gemeinsamkeit ist jedoch nicht übersehbar: die schlechte Handschrift. Vielfach lässt sie sich im Zeitalter der elektronischen Medien kompensieren, nicht jedoch im Bereich der Unterschrift. Sie muss nach Altvätersitte von Hand erstellt werden und aus einem Schriftzug bestehen. Im Rechtsleben gibt es eine Fülle von Schriftstücken, die rechtswirksam sind, ohne dass sie eine Unterschrift tragen. Nicht einmal der Urkundscharakter einer Schrift hängt von der Unterschrift ab. Gemeinhin genügt es, dass der Aussteller erkennbar ist, und sei es auch nur durch seine Erwähnung im Inhalt. Etwas anderes gilt, wenn Gesetze und Verordnungen ausdrücklich eine Unterschrift verlangen. Die Bundesärzteordnung verpflichtet den Arzt, Rezepte mit seiner Unterschrift zu versehen. § 3 Abs. 5 der Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Leichenwesen sieht eine unterschriebene und gestempelte Todesbescheinigung vor. In einem solchen Fall hat die Rechtsprechung nicht mit sich spaßen lassen. Die Anforderungen sind äußerst streng und lassen für Beliebigkeiten und Eigenwilligkeiten keinen Raum. 29 Ist die Unterzeichnung des Schriftstücks vorgeschrieben, so muss die Unterschrift eigenhändig geleistet werden. Der Gebrauch eines Faksimiles ist ebenso unzulässig wie eine Vertretung bei der Unterzeichnung. Die Unterschrift muss aus der Wiedergabe des vollen bürgerlichen Namens, bei einem Doppelnamen aus beiden Teilen des Namens bestehen. Die Verwendung von Anfangsbuchstaben oder Paraphen reicht nicht aus. Lesbar braucht die Unterschrift dagegen nicht zu sein; Undeutlichkeiten oder Verstümmelungen schaden nicht. Allerdings muss ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug vorliegen, der einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, und sich als Unterschrift eines Namens darstellt (BGH in NJW 82, 1467). Diese zugegebenermaßen kompakten und für den juristischen Laien schwierigen Ausführungen lassen sich verständlich machen: Es muss ein Mindestmaß an Ähnlichkeit mit Schriftzeichen bestehen, so dass ein Dritter, der den Namen kennt, ihn aus dem Schriftbild noch herauslesen kann. Daher müssen mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sein. Wo auch diese Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, fehlt es an den Merkmalen einer Schrift. Das Schriftstück gilt als nicht unterschrieben. Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang bereits sehr früh und nachdrücklich geschlängelten Linien die Anerkennung als Unterschrift ebenso versagt, wie geometrischen Figuren oder Zeichen. "Hundertwasser im Krematorium?", fragte SeroNews unter Wiedergabe einer Art Kreisellinie als "Unterschrift" unter einer Todesbescheinigung (SeroNews III/2000, Seite 90). Siehe auch Abbildung unten! Die Antwort ist einfach: Unter Beachtung der Grundsätze, die die Rechtsprechung für eine Unterschrift entwickelt hat, ist diese Todesbescheinigung nicht unterschrieben. Daran ändert auch der Stempelbeidruck nicht. Solange die Todesbescheinigung nicht unterschrieben ist, ist sie auch rechtlich nicht existent. Der zur Ausstellung einer ordnungsgemäßen Todesbescheinigung verpflichtete Arzt handelt ordnungswidrig (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 der VO über das Leichenwesen NRW); er kann mit einer Geldbuße belegt werden. Als Beispiel diene die nachfolgend dargestellte "Nicht-Unterschrift": II. Die Todesbescheinigung NRW A. Allgemeines Die seit dem 01.01.02 in NRW gültige Todesbescheinigung (Änderung 2004 in nur einem Punkt) weist gegenüber dem Vorgängermodell nur noch insgesamt 5 Blätter auf: Einmal den nichtvertraulichen und zum anderen den vertraulichen Teil in vierfacher Ausfertigung. Hier finden sich jeweils unterschiedliche Felder geschwärzt. Die Bestimmung der einzelnen Bögen lautet wie folgt: • Nichtvertraulicher Teil: Untere Gesundheitsbehörde über das Standesamt • Vertraulicher Teil (rot). Untere Gesundheitsbehörde zum Verbleib 30 • Vertraulicher Teil (blau): Untere Gesundheitsbehörde zur Einsichtsgewährung an Krebsregister und zur Weiterleitung an die untere Gesundheitsbehörde der Wohnsitzgemeinde • Vertraulicher Teil (gelb) Untere Gesundheitsbehörde zur Weiterleitung an Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung • Vertraulicher Teil (weiss) Für den leichenschauenden Arzt zur Dokumentation Im DIN-A4-Umschlag findet der leichenschauende Arzt des weiteren einen roten Umschlag im DIN-A5-Format. Der rote Umschlag ist für die 3 Exemplare des Vertraulichen Teiles gedacht und an den Standesbeamten zu adressieren, der die Aufgabe hat, den ungeöffneten Inhalt an die zuständige untere Gesundheitsbehörde zu senden. Der große DIN-A4-Umschlag beinhaltet den Nichtvertraulichen Teil und ist an den Standesbeamten zu adressieren. Dieser Umschlag wird nicht verschlossen. Auf den folgenden beiden Seiten finden sich "Vertraulicher Teil" und "Nichtvertraulicher Teil" in-toto abgebildet. Es handelt sich hier um die Versionen, die von der Druck-undMedien-GmbH hergestellt werden. Insgesamt wurden wiederum drei Druckereien mit der Herstellung betraut. Wie beim Vorgänger des jetzt gültigen Totenscheins resultieren daraus farblich und in der graphischen Aufteilung unterschiedliche Versionen; nicht gerade zur Erleichterung für den leichenschauenden Arzt. Im folgenden Text soll auf die einzelnen Punkte, zu denen der leichenschauende Arzt Stellung beziehen muss, eingegangen werden. B. Nichtvertraulicher Teil Personalangaben 1. Personalangaben 1 Name (ggf. Geburtsname), Vorname(n) 2 Straße 4 PLZ, Wohnort, Kreis 5 Geburtsdatum 7 Geschlecht männlich weiblich 8 Identifikation nach eigener Kenntnis Personalausweis/ Reisepass 3 6 Hausnummer Geburtsort, Kreis Angaben Angehöriger/Dritter nicht möglich (kein Eintrag unter 1-6) Hier werden die Personalangaben (Familienname, Geburtsname, Vorname und Wohnadresse) abgefragt. Der leichenschauende Arzt sollte nur die ihm bekannten Angaben machen. Ist ihm irgendetwas unklar, sollte er entweder die Eintragung unterlassen oder aber vermerken, dass er sich beispielsweise auf Angaben von Angehörigen (Siehe Punkt 8) beziehen musste. Der Arzt sollte sich auch nicht scheuen, eigene handschriftliche Vermerke hinzuzufügen; er soll sich nicht in das starre, vorgegebene Schema pressen lassen. 31 Blatt 1 der Todesbescheinigung NRW: Nichtvertraulicher Teil 32 Blatt 5 der Todesbescheinigung NRW als Beispiel für den Vertraulichen Teil (Achtung: Punkt 30 seit 1.4.04 geändert) 33 Ein Beispiel wäre hier der Zusatz Angaben Polizei. Keinesfalls sollte man wie im unten dargestellten Beispiel reagieren: Wenn die Identität nicht geklärt ist, muss die Polizei verständigt werden! Der einzige Eintrag, der dem leichenschauenden Arzt dann bleibt, ist: "nicht möglich" Feststellung des Todes/Sterbezeitpunkt 2. Feststellung des Todes/Sterbezeitpunkt 9 10 Nach eigenen Feststellungen Nach Angaben Angehöriger/Dritter am Falls Sterbezeitpunkt nicht bestimmbar: Leichenauffindung am Tag Monat Jahr Tag Monat Jahr StundenMinuten um StundenMinuten um Unter Punkt 9 und 10 kann alternativ der Sterbezeitpunkt oder der Zeitpunkt der Leichenauffindung angegeben werden. Im Zweifelsfall sollte der Zeitpunkt der Leichenauffindung angegeben werden. Keinesfalls sollte sich der Arzt diesbezüglich auf Diskussionen einlassen. Immer wieder sind uns Fälle zu Ohren gekommen, in denen seitens anwesender Polizeibeamter auf eine Festlegung zum Sterbezeitpunkt gedrängt wurde. Hier wäre als Beispiel ein Stapel nicht in die Wohnung hereingeholter Tageszeitungen oder ähnliches zu nennen. Mag dies aus kriminalistischer Sicht auch ein allerdings sehr vager - Hinweis auf die Sterbezeit sein, der Arzt unterschreibt den Leichenschauschein und muss die dort gemachten Aussagen fachlich vertreten können! Im Zweifelsfall sollte der Eintrag also immer unter Punkt 10 erfolgen: Leichenauffindung und gegebenenfalls der Zusatz unter Punkt 9: Nach Angaben Angehöriger/ Dritter. Eine handschriftliche Präzisierung - beispielsweise: durch Polizei - kann auch hier nicht schaden. An dieser Stelle endet das Durchschreibeverfahren, der leichenschauende Arzt muss die folgenden Blätter nach hinten hochklappen, um nicht später die Angaben im Vertraulichen Teil bereits überschrieben vorzufinden! Zusatzangabe für totgeborene oder in der Geburt gestorbene Leibesfrüchte von mindestens 500 g (als Sterbezeitpunkt gilt der Geburtszeitpunkt) 11 Sterbeort 12 Auffindeort, falls nicht Sterbeort 13 als tote Leibesfrucht geboren in der Geburt verstorben Name der Einrichtung (Krankenhaus/Heimes o.ä.) Straße, Hausnummer PLZ, Ort oder Stempel der Einrichtung (falls vorhanden) 34 Sollten dem Arzt irgendwelche Zweifel kommen, ob es sich um den tatsächlichen Sterbeort handelt oder nicht, sollte er dies durch Wahl des Feldes 11 deutlich machen. Immer wieder kommt es vor, dass Leichen aus einem Grund, den der leichenschauende Arzt nicht ahnen kann, an einem anderen Ort abgelegt werden. Dahinter muss nicht unbedingt ein Kapitaldelikt stehen; hat der Arzt jedoch ausreichende Zweifel haben, sollte er zusätzlich zu seiner Eintragung die Polizei informieren. Eine Abklärung der Fundsituation ist deren Aufgabe. Natürlich können sich hier auch für den Arzt bei einer gründlichen Leichenbesichtigung deutliche Indizien ergeben. Man sollte beispielsweise die oft innerhalb der Totenflecken zu findenden Abblassungen mit der Unterlage der Leiche vergleichen. Ergeben sich hier Widersprüche? Finden sich an Ober- und Unterseite der Leichen fixierte Totenflecken? Dann muss die Leiche innerhalb der letzten etwa 10 Stunden umgelagert worden sein. Dies sind Rückschlüsse, die vom leichenschauenden Arzt erwartet werden. Er hat dann die Aufgabe, die weitere Aufklärung des Todesfalles in die Wege zu leiten. Zu den Angaben für Totgeborene muss das Personenstandsgesetz herangezogen werden. Dort lautet der § 29: (1) Eine Lebendgeburt, für die die allgemeinen Bestimmungen über die Anzeige und die Eintragung von Geburten gelten, liegt vor, wenn bei einem Kind nach der Scheidung vom Mutterleib entweder das Herz geschlagen hat oder die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt hat. (2) Hat sich keines der in Abs. 1 genannten Merkmale des Lebens gezeigt, beträgt das Gewicht der Leibesfrucht jedoch mindestens 500 Gramm, so gilt sie im Sinne des Paragraphen 24 des Gesetzes als ein totgeborenes oder in der Geburt verstorbenes Kind. (3) Hat sich keines der in Abs. 1 genannten Merkmale des Lebens gezeigt und beträgt das Gewicht der Leibesfrucht weniger als 500 Gramm, so ist die Frucht eine Fehlgeburt. Sie wird in den Personalstandsbüchern nicht beurkundet. Die Differenzierung in "als tote Leibesfrucht geboren" oder "in der Geburt verstorben" wird sicherlich nur bei eingeleiteter geburtshelferlicher Diagnostik sicher möglich sein, es sei denn, es finden sich bereits so deutliche Mazerationserscheinungen, dass vom makroskopischen Aspekt her von einem länger zurückliegenden Tod ausgegangen werden kann. Todesart Der leichenschauende Arzt gelangt hier an die entscheidende Fragestellung. Die von ihm getroffene Feststellung entscheidet über den weiteren "Weg" der Leiche. Entscheidet er sich für die Feststellung einer natürlichen Todesart, kann die Leiche bestattet werden, ohne das irgendeine Ermittlungsbehörde davon Kenntnis erhält. Die Sterbeurkunde wird ausgestellt, irgendwann wird der Vertrauliche Teil des Leichenschauscheins vom Gesundheitsamt ausgewertet; dann ist die verstorbene Person aber in aller Regel längst beerdigt, eventuelle Spuren am Sterbeort (Tatort ?) sind längst beseitigt. 35 14 3. Todesart Gibt es Anhaltspunkte für äußere Einwirkungen, die den Tod zur Folge hatten? (z.B. Selbsttötung, Unfall. Tötungsdelikt, auch durch äußere Einwirkungen evtl. mitverursachte Todesfälle, Spättodesfälle nach Verletzung) nein wenn nein, Todesart natürlich oder ungeklärt, ob natürlich/nichtnatürlicher Tod ja (Wenn ja oder ungeklärt, im Vertraulichen Teil, Blätter 2 ff. Ziff. 20 (Epikrise) nähere Hinweise (falls möglich)) Der Arzt kann sich gar nicht bewusst genug sein, was an dieser Stelle von seiner Entscheidung abhängt. Kreuzt er den unnatürlichen oder nicht aufgeklärten Tod an, muss die Polizei verständigt werden. Die Leiche darf nicht abtransportiert werden. Der Arzt ist verpflichtet, vom Moment des Erkennens dieser Todesart an, keine möglichen Tatspuren zu verwischen. Im Zweifelsfall sollte er seine Leichenschau beenden und erst nach Eintreffen der Polizei fortsetzen. Der Hinweis, im Falle eines nichtnatürlichen oder nicht aufgeklärten Todes nähere Erläuterungen abzugeben, könnte im Zweifelsfall zu einer leichtfertigen Entscheidung in Richtung "natürliche Todesart" führen. Eigentlich sollte - umgekehrt - beim Festellen einer natürlichen Todesart wenige Sätze der Erklärung verlangt werden. Warum dies nicht so ist, sondern eben umgekehrt, konnte man vor wenigen Jahren in einem Schreiben aus dem Gesundheitsministerium lesen, wo es hieß: Hiermit soll erreicht werden, dass die Kripo nicht in völlig unbegründeten Fällen am Ort des Geschehens auftritt und die verstörten Trauernden Protestbriefe an die Ministerien und den Landtag verfassen. Ärzte sind keine Kriminalisten. Man kann von ihnen erwarten, dass sie die Umgebung der Leiche in Augenschein nehmen, man kann hingegen nicht erwarten, dass sie kriminalistisch Hinweise auf einen nichtnatürlichen Tod suchen. Sollte sich neben der Leiche beispielsweise ein Glas mit eingetrockneten weißlichen Anhaftungen finden, so kann dies als Verdacht auf einen Suizid gelten. Findet der Arzt keine einleuchtende Erklärung für diese Anhaftungen, so hat er mit dem Eintrag eines ungeklärten Todes seine medizinische und staatsbürgerliche Pflicht erledigt. Die Aufklärung des Sachverhaltes ist Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Ein anderer, häufig vorzufindender, Fehler beim Ausfüllen von Punkt 14 besteht in der Verkennung bzw. Nichterkennung von zeitlich früherem Geschehen. Viele Todesfälle infolge von Pneumonie oder Lungenembolie sind als Spättodesfälle nach einem Unfallgeschehen zu klassifizieren. Damit fallen sie - wie auch unter Punkt 14 im Leichenschauschein deutlich erwähnt - unter die Rubrik nichtnatürliche Todesart. Eine genaue Definition der möglichen Zeitspanne zwischen dem Ereignis und dem Ableben zu geben, erscheint unmöglich. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass im Einzelfall Jahrzehnte dazwischen liegen können. Man denke einmal an bei einem Unfall im kindlichen Alter zugezogene Kopfverletzungen mit der Folge einer bleibenden Epilepsie. Ein Tod im epileptischen Anfall Jahrzehnte später ist eindeutig als Unfalltod zu werten. Dieses Beispiel macht besonders deutlich, dass Ärzte, die meinen, sie würden bei der falschpositiven Feststellung eines natürlichen Todes menschlich besonders rücksichtsvoll agieren (den Angehörigen die Polizei "vom Halse halten"), schwer irren: man denke einmal an eine bestehende Unfallversicherung, die das falsch gesetzte Kreuzchen zumindest vorläufig zur Zahlungsverweigerung verwendet. 36 Nachfolgend finden sich einige warnende Beispiele, die uns bei der amtsärztlichen Leichenschau (2. Leichenschau) im Krematorium aufgefallen sind. In allen Fällen wurde im nichtvertraulichen Teil ein natürlicher Tod bescheinigt. Ein Beispiel für einen leichtfertig als natürlichen Tod eingestuften iatrogenen Tod zeigt die nächste Todesbescheinigung. Ohne Rücksicht auf vielleicht tatsächlich vorliegendes, ärztliches Fehlverhalten handelt es sich in jedem Fall um einen nichtnatürlichen Tod. Viele Ärzte meinen, mit der Meldung eines nichtnatürlichen oder nicht aufgeklärten Todes würden sie die Gründung einer "Mordkommission" veranlassen und die Angehörigen oder sich selbst zu "Angeklagten" machen. Dies ist schlichtweg falsch. Das Todesermittlungsverfahren, welches nun eröffnet wird, hat zunächst lediglich das Ziel, die Frage zu klären, ob es sich tatsächlich um einen nichtnatürlichen Tod handelt und ob ein 37 Verschulden Dritter ausgeschlossen werden kann. Es handelt sich damit um ein Verfahren sui-generis. Sobald die Umstände geklärt sind, wird das Verfahren abgeschlossen, oftmals schon nach wenigen Stunden. Erst bei zureichenden (ausreichenden) Anhaltspunkten für ein Verschulden Dritter wird das vom Täter zu Recht gefürchtete Ermittlungsverfahren eröffnet. Hier ist sicherlich auch in der Bevölkerung noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten. Ein Arzt, der seine Leichenschau sorgfältig durchführt, erfüllt nur gewissenhaft seine Aufgaben - auch im Sinne des Rechtsstaates - , er verdächtigt nicht die trauernden Angehörigen eines Tötungsdeliktes. Polemischer ausgedrückt: Man muss jedem Staatsbürger zubilligen, dass er von seinem Recht auf einen natürlichen Tod Gebrauch machen konnte. Gelang dies nicht oder bleiben Zweifel, ist in seinem Sinne zu überprüfen, ob ein Verschulden Dritter vorlag oder nicht. Warnhinweise 15 4. Warnhinweise Liegen Hinweise dafür vor, daß die/der Verstorbene an einer übertragbaren Krankheit nach § 6 oder § 7 Infektionsschutzgesetz (einschl. HIV) erkrankt war? 16 nein 17 nein ja Sind besondere Verhaltensmaßnahmen bei der Aufbewahrung, Einsargung, Beförderung und Bestattung zu beachten? ja, welche? Sonstiges (z.B. Gefährdung durch Giftstoffe/Chemikalien: Die Einführung des Infektionsschutzgesetzes ist allein schon zu begrüßen, weil die leidige Diskussion um Hinweise auf eine AIDS-Erkrankung bzw. HIV-Infektion gestoppt wird. Eine ganze Reihe von Menschen hat nach dem Ableben noch Kontakt zur Leiche: Bestatter, Leichenwäscher, Thanatopraktiker, Friedhofspersonal, Krematoriumspersonal etc.. Deren gesundheitliche Gefährdung sollte als höheres Rechtsgut eingestuft werden, als das u.U. vorliegende Interesse der Angehörigen auf Geheimhaltung. Dies erfolgte mit Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht nicht immer. Sind tatsächlich Hinweise auf eine infektiöse Erkrankung im Sinne des Infektionsschutzgesetzes gegeben, ist zusätzlich das Gesundheitsamt zu informieren, um gegebenenfalls Schutzmaßnahmen für die Kontaktpersonen zu ergreifen. Dies sollte unverzüglich erfolgen. Nach § 6 des IfSG sind folgende meldepflichtigen Krankheiten namentlich zu melden (§6): 1. der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an a) Botulismus b) Cholera c) Diphtherie d) humaner spongiformer Enzephalopathie, außer familiär-hereditärer Formen e) akuter Virushepatitis f) enteropathischem hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) g) virusbedingtem hämorrhagischen Fieber h) Masern i) Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis j) Milzbrand k) Poliomyelitis (als Verdacht gilt jede akute schlaffe Lähmung, außer wenn traumatisch bedingt) l) Pest m) Tollwut n) Typhus abdominalis/Paratyphus sowie die Erkrankung und der Tod an einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose, auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt, 2. der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn 38 a) eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 ausübt, b) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, 3. der Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, 4. die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers, 5. soweit nicht nach den Nummern 1 bis 4 meldepflichtig, das Auftreten a) einer bedrohlichen Krankheit oder b) von zwei oder mehr gleichartigen Erkrankungen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, wenn dies auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist und Krankheitserreger als Ursache in Betracht kommen, die nicht in § 7 genannt sind. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, 3 bis 8, § 9 Abs. 1, 2, 3 Satz 1 oder 3 oder Abs. 4 zu erfolgen. (2) Dem Gesundheitsamt ist über die Meldung nach Absatz 1 Nr. 1 hinaus mitzuteilen, wenn Personen, die an einer behandlungsbedürftigen Lungentuberkulose leiden, eine Behandlung verweigern oder abbrechen. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 und 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen. (3) Dem Gesundheitsamt ist unverzüglich das gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als Ausbruch nichtnamentlich zu melden. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 5, § 10 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 und 4 Satz 3 zu erfolgen. Desweiteren sind die folgenden Nachweise von Krankheitserregern meldepflichtig (§7): (1) Namentlich ist bei folgenden Krankheitserregern, soweit nicht anders bestimmt, der direkte oder indirekte Nachweis zu melden, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen: 1. Adenoviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis im Konjunktivalabstrich 2. Bacillus anthracis 3. Borrelia recurrentis 4. Brucella sp. 5. Campylobacter sp., darmpathogen 6. Chlamydia psittaci 7. Clostridium botulinum oder Toxinnachweis 8. Corynebacterium diphtheriae, Toxin bildend 9. Coxiella burnetii 10. Cryptosporidium parvum 11. Ebolavirus 12 a) Escherichia coli, enterohämorrhagische Stämme (EHEC) b) Escherichia coli, sonstige darmpathogene Stämme 13. Francisella tularensis 14. FSME-Virus 15. Gelbfiebervirus 16. Giardia lamblia 17. Haemophilus influenzae; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor oder Blut 18. Hantaviren 19. Hepatitis-A-Virus 20. Hepatitis-B-Virus 21. Hepatitis-C-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise, soweit nicht bekannt ist, dass eine chronische Infektion vorliegt 22. Hepatitis-D-Virus 23. Hepatitis-E-Virus 24. Influenzaviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis 25. Lassavirus 26. Legionella sp. 27. Leptospira interrogans 28. Listeria monocytogenes; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen 29. Marburgvirus 30. Masernvirus 31. Mycobacterium leprae 32. Mycobacterium tuberculosis/africanum, Mycobacterium bovis; Meldepflicht für den direkten Erregernachweis sowie nachfolgend für das Ergebnis der Resistenzbestimmung; vorab auch für den Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum 33. Neisseria meningitidis; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, hämorrhagischen Hautinfiltraten oder anderen normalerweise sterilen Substraten 34. Norwalk-ähnliches Virus; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Stuhl 35. Poliovirus 36. Rabiesvirus 39 37. Rickettsia prowazekii 38. Rotavirus 39. Salmonella Paratyphi; Meldepflicht für alle direkten Nachweise 40. Salmonella Typhi; Meldepflicht für alle direkten Nachweise 41. Salmonella, sonstige 42. Shigella sp. 43. Trichinella spiralis 44. Vibrio cholerae O 1 und O 139 45. Yersinia enterocolitica, darmpathogen 46. Yersinia pestis 47. andere Erreger hämorrhagischer Fieber. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 und Abs. 4, § 9 Abs. 1, 2, 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen. (2) Namentlich sind in dieser Vorschrift nicht genannte Krankheitserreger zu melden, soweit deren örtliche und zeitliche Häufung auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2, 3 und Abs. 4, § 9 Abs. 2, 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen. (3) Nichtnamentlich ist bei folgenden Krankheitserregern der direkte oder indirekte Nachweis zu melden: 1. Treponema pallidum 2. HIV 3. Echinococcus sp. 4. Plasmodium sp. 5. Rubellavirus; Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen 6. Toxoplasma gondii; Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2, 3 und Abs. 4, § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4 Satz 1 zu erfolgen. Zur Meldepflicht ergeben sich die folgenden Punkte (§8): (1) Zur Meldung oder Mitteilung sind verpflichtet: 1. im Falle des § 6 der feststellende Arzt; in Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen der stationären Pflege ist für die Einhaltung der Meldepflicht neben dem feststellenden Arzt auch der leitende Arzt, in Krankenhäusern mit mehreren selbständigen Abteilungen der leitende Abteilungsarzt, in Einrichtungen ohne leitenden Arzt der behandelnde Arzt verantwortlich, 2. im Falle des § 7 die Leiter von Medizinaluntersuchungsämtern und sonstigen privaten oder öffentlichen Untersuchungsstellen einschließlich der Krankenhauslaboratorien, 3. im Falle der §§ 6 und 7 die Leiter von Einrichtungen der pathologisch-anatomischen Diagnostik, wenn ein Befund erhoben wird, der sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer meldepflichtigen Erkrankung oder Infektion durch einen meldepflichtigen Krankheitserreger schließen lässt, 4. im Falle des § 6 Abs. 1 Nr. 4 und im Falle des § 7 Abs. 1 Nr. 36 bei Tieren, mit denen Menschen Kontakt gehabt haben, auch der Tierarzt, 5. im Falle des § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 und Absatz 3 Angehörige eines anderen Heil- oder Pflegeberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung oder Anerkennung erfordert, 6 im Falle des § 6 Abs.1 Nr. 1, 2 und 5 der verantwortliche Luftfahrzeugführer oder der Kapitän eines Seeschiffes, 7. im Falle des § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 die Leiter von Pflegeeinrichtungen, Justizvollzugsanstalten, Heimen, Lagern oder ähnlichen Einrichtungen, 8. im Falle des § 6 Abs. 1 der Heilpraktiker. (2) Die Meldepflicht besteht nicht für Personen des Not- und Rettungsdienstes, wenn der Patient unverzüglich in eine ärztlich geleitete Einrichtung gebracht wurde. Die Meldepflicht besteht für die in Absatz 1 Nr. 5 bis 7 bezeichneten Personen nur, wenn ein Arzt nicht hinzugezogen wurde. (3) Die Meldepflicht besteht nicht, wenn dem Meldepflichtigen ein Nachweis vorliegt, dass die Meldung bereits erfolgte und andere als die bereits gemeldeten Angaben nicht erhoben wurden. Satz 1 gilt auch für Erkrankungen, bei denen der Verdacht bereits gemeldet wurde. (4) Absatz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Personen, die die Untersuchung zum Nachweis von Krankheitserregern außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes durchführen lassen. (5) Der Meldepflichtige hat dem Gesundheitsamt unverzüglich mitzuteilen, wenn sich eine Verdachtsmeldung nicht bestätigt hat. Bei der nichtnamentlichen Meldung ist folgendes zu beachten: (1) Die nichtnamentliche Meldung nach § 7 Abs. 3 muss folgende Angaben enthalten: 1. im Falle des § 7 Abs. 3 Nr. 2 eine fallbezogene Verschlüsselung gemäß Absatz 2 2. Geschlecht 3. Monat und Jahr der Geburt 4. erste drei Ziffern der Postleitzahl der Hauptwohnung 5. Untersuchungsbefund 6. Monat und Jahr der Diagnose 7. Art des Untersuchungsmaterials 8. Nachweismethode 9. wahrscheinlicher Infektionsweg, wahrscheinliches Infektionsrisiko 40 10. Land, in dem die Infektion wahrscheinlich erworben wurde 11. Name, Anschrift und Telefonnummer des Meldenden 12. bei Malaria Angaben zur Expositions- und Chemoprophylaxe. Der einsendende Arzt hat den Meldepflichtigen insbesondere bei den Angaben zu den Nummern 9, 10 und 12 zu unterstützen. Die nichtnamentliche Meldung nach § 6 Abs. 3 muss die Angaben nach den Nummern 5, 9 und 11 sowie Name und Anschrift der betroffenen Einrichtung enthalten. (2) Die fallbezogene Verschlüsselung besteht aus dem dritten Buchstaben des ersten Vornamens in Verbindung mit der Anzahl der Buchstaben des ersten Vornamens sowie dem dritten Buchstaben des ersten Nachnamens in Verbindung mit der Anzahl der Buchstaben des ersten Nachnamens. Bei Doppelnamen wird jeweils nur der erste Teil des Namens berücksichtigt; Umlaute werden in zwei Buchstaben dargestellt. Namenszusätze bleiben unberücksichtigt. (3) Bei den in § 8 Abs. 1 Nrn. 3 und 5 genannten Personen beschränkt sich der Umfang der Meldung auf die ihnen vorliegenden Angaben. (4) Die nichtnamentliche Meldung nach § 7 Abs. 3 muss innerhalb von 2 Wochen gegenüber dem Robert KochInstitut erfolgen. Es ist ein vom Robert Koch-Institut erstelltes Formblatt oder ein geeigneter Datenträger zu verwenden. Für die nichtnamentliche Meldung nach § 6 Abs. 3 gilt § 9 Abs. 3 Satz 1 bis 3 entsprechend. (5) Die Angaben nach Absatz 2 und die Angaben zum Monat der Geburt dürfen vom Robert Koch-Institut lediglich zu der Prüfung verarbeitet und genutzt werden, ob verschiedene Meldungen sich auf dieselbe Person beziehen. Sie sind zu löschen, sobald nicht mehr zu erwarten ist, dass die damit bewirkte Einschränkung der Prüfungen nach Satz 1 eine nicht unerhebliche Verfälschung der aus den Meldungen zu gewinnenden epidemiologischen Beurteilung bewirkt, jedoch spätestens nach zehn Jahren. B. Vertraulicher Teil Sichere Zeichen des Todes 11 Totenflecke Totenstarre Hirntod Fäulnis nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen Die unter Punkt 11 abzuhandelnden Unterpunkte wurden bereits eingangs ausführlich diskutiert; zumindest die sicheren Todeszeichen, die da wären: Totenflecken, Totenstarre, Fäulnis und Hirntod. Hinzugefügt wird noch der Punkt "nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen", der auch Sinn macht. Bei einer völlig zerstörten Leiche (Eisenbahnüberfahrung, Verkehrsunfall etc.) dürfte es kaum möglich sein, die klassischen Todeszeichen wie Totenflecken (Ausbluten des Körpers!) oder Totenstarre (Zerstückelung!) nachzuweisen. Der Arzt sollte sich aber davor hüten, etwa bei Amputationen von Gliedmaßen, diesen Punkt leichtfertig als alleiniges Todeszeichen anzukreuzen. Auf den Punkt "Hirntod" wurde bereits eingegangen, hier sind besondere Vorschriften zu befolgen und dieser Eintrag ist daher im Regelfall nur den Klinikärzten vorbehalten. 12 Reanimationsbehandlung durchgeführt nein ja Im Gegensatz zu einer früheren Version der Todesbescheinigung NRW wird lediglich die Angabe verlangt, ob versucht wurde, zu reanimieren; früher wurde hier die Angabe der Reanimationsdauer verlangt. Wer hat die Todesursache festgestellt? 13 behandelnder Arzt nicht behandelnder Arzt nach Angaben des behandelnden Arztes nicht behandelnder Arzt ohne Angaben des behandelnden Arztes Die Fragen erscheinen auf den ersten Blick etwas verwirrend, sind aber eigentlich eindeutig zu beantworten. Der behandelnde Arzt (Klinik- oder Hausarzt beispielsweise) kreuzt hier die erste Möglichkeit an; der herbeigerufene Arzt, der sich beim Hausarzt über die Anamnese erkundigt hat, kreuzt die zweite Möglichkeit an. Dem Arzt, der ohne sichere Kenntnis der Anamnese handelt, verbleibt die dritte Möglichkeit. 41 14 Zuletzt behandelt durch Hausarzt/ Krankenhaus(-abteilung) Name des Krankenhauses/ Arztes o.ä. Straße, Hausnummer oder Stempel (falls vorhanden) PLZ, Ort Diese Eintragungen sollen die u.U. notwendigen behördlichen Nachforschungen erleichtern. Wenn bekannt, sollte der leichenschauende Arzt diese Eintragungen nicht vergessen. Er erspart damit vielleicht auch den Angehörigen weitere Nachforschungen der Polizei. Todesursache (nicht Endzustände wie Atemstillstand, Herz-Kreislaufversagen) 15 I a) Unmittelbare Todesursache 16 b) Dies ist eine Folge von: b1)* ungefähre Zeitspanne vom Krankheitsbeginn bis Tod* b2* 17 18 c) Hierfür ursächliche Grundleiden:* 19 II Mit zum Tode führende Krankheiten ohne Zusammenhang mit dem Grundleiden:* * auszufüllen, soweit dem Arzt möglich Die Punkte 15 bis 19 betreffen die genauen medizinischen Diagnosen zur Todesursache. Man versucht hier, die Beschlüsse der Weltgesundheitsorganisation in die Praxis umzusetzen. Dort wurde bereits 1967 definiert, dass „alle diejenigen Krankheiten, Leiden und Verletzungen, die entweder den Tod zur Folge hatten oder zum Tode beitrugen und die Umstände des Unfalls oder der Gewalteinwirkung, die diese Verletzungen hervorriefen“ zu erfassen sind. Damit soll sichergestellt werden, dass alle für Epidemiologie, Praevention etc. bedeutenden Angaben festgehalten werden, was zwangsläufig zur Folge hat, dass man hier die bedeutenden Zustände auswählen muss und andere, unbedeutendere Zustände nicht angibt. Endzustände wie Atemstillstand oder Herzkreislaufversagen dürfen ausdrücklich nicht eingetragen werden. Die Praxis hat gelehrt, dass aber gerade diese Einträge sich in den meisten Todesbescheinigungen finden. Im Einzelfall dürfte es dem leichenschauenden Arzt in der Tat schwer fallen, hier spezifische Angaben zu machen, ohne sich beim behandelnden Arzt über die Anamnese zu erkundigen. Todesursache (nicht Endzustände wie Atemstillstand, Herz-Kreislaufversagen) 15 I 16 17 18 19 II ungefähre Zeitspanne vom Krankheitsbeginn bis Tod* Lungenembolie Tiefe Beinvenenthrombose 2 Tage b) Dies ist eine Folge von: b1)* b2* Immobilisierung c) Hierfür ursächliche Beckenfraktur nach Fahradsturz 1 Woche Grundleiden:* a) Unmittelbare Todesursache Mit zum Tode führende Krankheiten ohne Zusammenhang mit dem Grundleiden:* Hypertonie 3 Jahre * auszufüllen, soweit dem Arzt möglich Ein Beispiel für korrekt ausgefüllte Felder zeigt die obige Abbildung. Es sollte natürlich kein Zweifel darüber bestehen, dass es sich in diesem Beispiel um einen nichtnatürlichen Tod handelt, der im nichtvertraulichen Teil des Leichenschauscheines auch so zu deklarieren ist. Des Weiteren sollte in diesem Fall – wenn möglich – auch die Epikrise ausgefüllt werden. 20 Epikrise Weitere Angaben zur Todesart (Blatt 1, Ziffer 14), falls erforderlich (z.B. Unfall, Vergiftung, Gewalteinwirkung, Selbsttötung sowie Komplikationen medizinischer Behandlung): Äußere Ursache der Schädigung (Angaben über den Hergang); bei Vergiftung zusätzlich Angabe des Mittels 42 Hier könnten beispielsweise kurze Angaben zur Unfallursache gemacht werden, wenn sie bekannt ist. Hilfreich für spätere Nachprüfungen wäre auch die Angabe der Herkunft der Erkenntnisse (z.B. durch den Patienten selbst). Die in der Todesbescheinigung vorgegebenen Beispiele umfassen auch den Punkt „Komplikationen medizinischer Behandlung“. Das beweist, dass der Gesetzgeber in NRW den iatrogenen Tod als nichtnatürliche Todesart einstuft (Siehe entsprechendes Kapitel). Der nächste Punkt verlangt vom Arzt eine versicherungsrechtliche Wertung im Falle eines Unfalltodes. Aus diesem Grunde sollte man ausgesprochen vorsichtig mit den Eintragungen sein. Erscheint es dem Leichenbeschauer unmöglich, eine sichere Einstufung zu treffen, soll er es lieber lassen. Wer kann schon durchschauen, ob es sich bei einem Unfalltod durch Fenstersturz aus der ehelichen Wohnung um einen reinen häuslichen Unfall oder aber um einen Arbeitsunfall der Ehefrau handelt, die mit ihrem Gatten einen Ehegatten-Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte. 21 Unfallkategorie (bitte nur Untergruppe ankreuzen) Sport- oder Spielunfall (nicht in Haus oder Schule) Schulunfall (ohne Wegeunfall) Arbeits- oder Dienstunfall (ohne Wegeunfall) Wegeunfall häuslicher Unfall sonstiger Unfall Verkehrsunfall unbekannt Der nächste Abschnitt dürfte beim Ausfüllen keine größeren Schwierigkeiten bereiten. Wenn keine Erkenntnisse vorliegen, wird dies so angegeben. Liegen Erkenntnisse vor, sollte vielleicht die Herkunft (z.B. Angehörige) der Information kurz vermerkt werden. Bei Frauen, deren Alter eine Schwangerschaft nicht ausschließt 22 Liegt eine Schwangerschaft vor? 23 Bestehen Anzeichen für eine Schwangerschaft in den letzten 12 Monaten? nein ja Monat unbekannt nein ja Es erscheint sicherlich sinnvoll, bei stattgehabter Obduktion dies auch zu dokumentieren. In der Praxis dürfte dies allerdings kaum regelbar sein, da der Totenschein nur in seltenen Fällen dem Obduzenten vorliegt. Er ist meist schon auf seinen behördlichen Weg gegeben worden. Dies ist umso bedauerlicher, als dass nun die tatsächlich bei der Obduktion gefundene Todesursache nicht mehr eingetragen werden kann. Um die Todesursachenstatistik korrekter und damit glaubhafter gestalten zu können, wäre hier dringend eine Abhilfe zu schaffen. 24 Diagnose durch Obduktion gesichert? 25 Liegt der Obduktionsbefund bei? nein ja nein ja Der Punkt 26 soll noch einmal auf die Pflicht des Leichenschauers hinweisen, bei nichtgeklärter Identität der Leiche sowie bei nichtnatürlicher oder unaufgeklärter Todesart die Polizei zu informieren. Gelesen wird die Eintragung allerdings erst im Gesundheitsamt oder im Falle einer Feuerbestattung vom Amtsarzt bei der Feuerbestattungsleichenschau. Der Vertrauliche Teil darf ja vom Bestatter nicht gelesen werden. Warum Punkt 26 im Vertraulichen Teil aufgeschlüsselt wurde, erscheint schleierhaft. Bei Todesfällen im Krankenhaus wird der nicht vertrauliche Teil der Todesbescheinigung häufig vom Krankenhausträger selbst dem Standesamt übermittelt. Der Bestatter erfährt somit in 43 solchen Fällen selbst beim Eintrag einer unaufgeklärten Todesart nichts davon, dass er die Leiche nicht abtransportieren darf. 26 bei ungeklärter Identität der Leiche: bei nichtnatürlicher oder ungeklärter Todesart: Polizei unterrichtet? ja nein Die nächsten Punkte (27, 28) betreffen Kinder , die unter einem Jahr verstorben sind bzw. Totgeborene. Die Fragen betreffen den Sterbeort (Krankenhaus, zuhause oder sonst wo), Mehrlingsgeburten, Geburtsgröße und Geburtsgewicht. Auf die Definition der Totgeburt wurde bereits bei der Beschreibung des Nichtvertraulichen Teils eingegangen. Bei Kindern unter 1 Jahr und Totgeborenen 27 Wo wurde das Kind geboren? 28 Mehrlingsgeburt nein im Krankenhaus ja Geburtsgröße zuhause cm sonstiger Ort Geburtsgewicht g Der Punkt 29 muss nur bei Neugeborenen ausgefüllt werden, die innerhalb der ersten 24 Stunden post partum verstorben sind. 29 Bei in den ersten 24 Stunden gestorbenen Neugeborenen: Frühgeburt in der _____ Schwangerschaftswoche Lebensdauer: _____volle Stunden unbekannt Abschließend bestätigt der leichenschauende Arzt mit seiner Unterschrift und seinem Stempel die Richtigkeit seiner Angaben. Es ist ausgesprochen wünschenswert, dass sich an dieser Stelle auch eine Telefonnummer findet, die bei eventuellen Nachfragen (Amtsarzt, Polizei, Gesundheitsamt) Arbeit erspart. Desgleichen sollte der Name (wenn kein Stempel vorhanden ist) zusätzlich auch in Druckbuchstaben ausgeschrieben werden. Dem leichenschauenden Arzt muss klar sein, dass er hier bestätigt, dass sich seine Untersuchung auf die gesamte Körperoberfläche einschließlich des Rückens, die behaarte Kopfhaut und alle Körperöffnungen erstreckt hat. D. Schlussbemerkungen zur aktuellen Regelung NRW: Auf ein Neues (aus SeroNews 1/2004) Nicht das neue Jahr 2004 ist gemeint, sondern der Runderlass des Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie vom 25. 07. 2003 (AZ. III-7-0261.1-). Diese Verwaltungsanordnung schreibt vor, dass ab dem 01. 04. 2004 obligatorisch eine neu gefasste Todesbescheinigung zu verwenden ist. Damit wird seit dem Jahre 1997 die vierte Version einer Todesbescheinigung in Verkehr gebracht. Bekanntlich reagieren Ärzte auf Bürokratismen und Formulare wie ihre Patienten auf den Pollenflug. Nicht nur die Neubeschaffung der Formularsätze ist ihnen ein Ärgernis. Es sollte auch nicht vorrangige Aufgabe sein, Tätigkeiten für zweifelhafte Statistiken oder für Register zu entfalten, wie dies nach dem Inhalt des Runderlasses den Anschein hat. Ihre Hauptaufgabe ist medizinischer Natur und besteht in einer exakten Todesfeststellung. 44 Es gibt jedoch auch Lichtblicke. Die neue Todesbescheinigung unterscheidet sich von der bisherigen in einem einzigen allerdings nicht unwesentlichen Punkt. Ziffer 18 im nichtvertraulichen Teil, die im Durchschreibeverfahren der Ziffer 30 des vertraulichen Teils entspricht, enthält eine von den Ärzten abzugebende zusätzliche Versicherung. Die hat es allerdings in sich. Bislang versicherte der Arzt, die Leichenschau sorgfältig vorgenommen zu haben. Das muss er auch jetzt noch. Allein diese Versicherung reicht jedoch nicht mehr. Negative Erfahrungen haben das Ministerium veranlasst, den Inhalt einer sorgfältigen Leichenschau zu erläutern. Dies führt zu der zusätzlichen Versicherung, dass bestimmte Untersuchungshandlungen tatsächlich vorgenommen worden sind. Der Arzt muss daher nunmehr mit seiner Unterschrift bekräftigen, dass er „die gesamte Köperoberfläche mit Rücken, Kopfhaut und allen Körperöffnungen“ untersucht hat. Für Rechtsmediziner ist das kein Neuland. Nordrhein-Westfalen übernimmt damit praktisch die klassische Definition der Leichenschau, wie sie als medizinischer Fachbegriff verstanden wird. Mit der ausdrücklichen Einbeziehung der „Körperöffnungen“ verhält sich das Land vorbildlich auch mit Blick auf andere sonst immer als beispielhaft gepriesene Bundesländer. Der Inhalt einer Leichenschau kann nämlich nicht Ausfluss föderalistischer Eigenvorstellungen der unterschiedlichen Landesgesetze sein. Er gehört wie jede andere lege artis auszuführende ärztliche Handlung zum medizinischen Allgemeinverständnis. Bedauerlich ist allerdings, dass dieser Vorbildcharakter erst im Nachgang zum neuen Bestattungsgesetz durch Ausführungsbestimmungen zum Ausdruck kommt. Die Anregungen, den Begriff der Leichenschau als Legaldefinition in § 9 Abs. 3 Best.Ges. NRW aufzunehmen, wie dies in anderen Ländern geschehen ist, sind vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen worden. Welchen Sinn es allerdings machen soll, dem Arzt ausschließlich im vertraulichen Teil sichtbar die Möglichkeit einzuräumen, durch Ankreuzen eines „Nein-Kästchens“ den Wert seiner eigenen Leichenschau in Frage zu stellen, bleibt unerfindlich. Dazu schweigt auch der Runderlass und die rechtsverbindliche Ausfüllanleitung. Diese lehrt den Arzt, wie eine sorgfältige Leichenschau auszusehen hat. Teilbesichtigungen genügen nicht. Die Untersuchung hat sich vielmehr auf die gesamte Körperoberfläche einschließlich des Rückens, die behaarte Kopfhaut und aller Körperöffnungen zu erstrecken. Sollte der Leichenschauarzt also bekennen, diese Untersuchungen nicht durchgeführt zu haben, indem er das „Nein-Kästchen“ ankreuzt, mangelt es an einer vollständigen Leichenschau. Eine nicht vollständige Leichenschau wird nicht als „sorgfältig“ im Sinne von § 9 Abs. 3 Best.Ges. NRW bezeichnet werden können. Dem insoweit geständigen Arzt könnte also gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1 Best.Ges. NRW ein Bußgeld von 3000 Euro drohen. Da scheint die nächste Version einer Todesbescheinigung bereits vorprogrammiert: Die Kästchen müssen ersatzlos gestrichen werden auch im Interesse des Leichenschauarztes. Im übrigen hat die Ausfüllanleitung noch weitere Überraschungen bereit: Nachdem der Gesetzgeber entgegen allem fachkundigen Rat keine Regelung der Verfahrensweise bei „ungeklärtem Tod“ in das Gesetz aufgenommen hat, soll diese Lücke nun durch die Ausfüllanleitung geschlossen werden. Sie verpflichtet den Arzt zu der gleichen Verfahrensweise, wie sie § 9 Abs. 5 Best.Ges. NRW für den nichtnatürlichen Tod vorschreibt, nämlich Unterrichtung der Polizei und Sicherung vor Veränderungen. Diese Regelung entspricht den in der öffentlichen Anhörung zum Bestattungsgesetz geäußerten Vorstellungen der Fachwelt, im Gesetz sucht man sie jedoch vergeblich. Deshalb ist die Diskussion absehbar, ob das Ministerium nicht die in § 18 Best.Ges. NRW enthaltene Ermächtigung, die Anforderungen an die Todes-bescheinigung zu regeln, überschreitet. 45 Also muss weiter argumentiert werden, wer „ungeklärt“ ankreuzt, schließt einen nichtnatürlichen Tod nicht aus und muss sich entsprechend verhalten. Diesen Spagat hätte man sich im allseitigen Interesse ersparen können. Ungeklärt bleibt, wie sich Notärzte an der Leiche verhalten sollen. Sie sind zwar nicht verpflichtet, eine Leichenschau vorzunehmen, ihnen sind jedoch die Unterrichtungspflichten auferlegt worden. Wenn sie keine vitalen Zeichen mehr feststellen oder herbeiführen können, endet ihre Tätigkeit, ohne dass bereits sichere Zeichen des Todes vorhanden sind. Auf diese können sie aber nicht warten. Ihre Unterrichtungspflicht muss daher bereits zu einem früheren Zeitpunkt einsetzen. Zu dieser Zeitlücke hätte eine Klarstellung erfolgen müssen, die man jedoch im Runderlass und in der Ausfüllanleitung vergeblich sucht. Merke: Ausführungsbestimmungen sind Erklärungen zu den Erklärungen, mit denen man eine Erklärung erklärt (A. Lincoln). E. Grundkenntnisse zur Leichenschau Immer wieder werden schwerwiegende ärztliche Fehler bei der Leichenschau beklagt. Selbst die sichere Feststellung des Todes scheint in einer nicht zu unterschätzenden Anzahl von Fällen nicht zu funktionieren. Immer wieder wird über Scheintodesfälle berichtet. Allein hier in der Region fanden sich im Jahr 2001 drei Fälle. Anfang 2004 ereignete sich ein (bekannt gewordener) Fall in Bonn. Umso schwerer fällt vielen Ärzten das Erkennen und die Einschätzung von Leichenveränderungen, die auf einen nicht-natürlichen Tod hinweisen. Auf den folgenden Seiten sind ein paar typische Beispiele angeführt. Einschuss mit kleinem Kaliber im Bereich der behaarten Kopfhaut. Man bedenke einmal das folgende Szenario: Die Person wurde erschossen. Es existiert nur der Einschuss. Der Kopfbereich wird sorgfältig Blut gereinigt, alle Blutspuren beseitigt. Die behaarte Kopfhaut verbirgt die Einschussöffnung. Ebenso könnte die Verletzung im sichtbaren Bereich liegen. Ein darüber liegendes Pflaster verbirgt sie. Der leichenschauende Arzt muss in jedem Fall mit dem Schlimmsten rechnen, daher sind behaarte Kopfhaut sorgfältig zu untersuchen und alles Verbandmaterial zu entfernen. III. Anhang Die Abbildungen auf der nächsten Seite zeigen einige weitere Veränderungen, die nur bei sorgfältiger Leichenschau erkannt werden. 46 Aufgesetzter Schuss mit Abbildung des Laufs und Schmauchspuren Punktförmige Blutungen in den Augenbindehäuten (Stauungsblutungen) Würgemale am Hals 47 Drosseln, Erhängen Wunde 1: Riss-Quetsch-Ver letz ung Riss-Quetsch-Verletzung: Stumpfe Gewalt Stichverletzung: einschneidiges Messer 48 III. Anhang A. Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen (Bestattungsgesetz - BestG NRW) Inhaltsübersicht Erster Abschnitt Friedhofswesen §1 §2 §3 §4 §5 §6 Friedhöfe Errichtung und Erweiterung eines Friedhofs Schließung und Entwidmung der Friedhöfe Satzungen Bestattungsbuch Zugang der Behörden Zweiter Abschnitt Bestattung §7 §8 §9 § 10 § 11 § 12 § 13 § 14 § 15 Totenwürde, Gesundheitsschutz Bestattungspflicht Leichenschau, Todesbescheinigung und Unterrichtung der Behörden Obduktion Totenkonservierung, Aufbewahrung Toter Bestattungsentscheidung Bestattungsunterlagen, Bestattungsfristen Erdbestattung, Ausgrabung Feuerbestattung Dritter Abschnitt Beförderung der Toten § 16 § 17 Beförderung Leichenpass Vierter Abschnitt Sonstige Vorschriften § 18 § 19 § 20 § 21 § 22 Verordnungsermächtigung Ordnungswidrigkeiten Aufhebungsvorschriften Überprüfung In-Kraft-Treten Anlage 1 Anlage 2 §1 Friedhöfe (1) Die Gemeinden gewährleisten, dass Tote (Leichen, Tot- und Fehlgeburten) auf einem Friedhof bestattet und ihre Aschenreste beigesetzt werden können. (2) Gemeinden und Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, dürfen Friedhöfe und Feuerbestattungsanlagen anlegen und unterhalten (Friedhofsträger). (3) Friedhöfe sollen mit Räumen ausgestattet sein, die für die Aufbewahrung Toter geeignet sind und ausschließlich hierfür genutzt werden (Leichenhallen). (4) Friedhofsträger dürfen sich bei Errichtung und Betrieb ihrer Friedhöfe Dritter bedienen. Sie dürfen Errichtung und Betrieb der Friedhöfe, auf denen ausschließlich Totenasche im Wurzelbereich des Bewuchses beigesetzt wird, auch privaten Rechtsträgern (Übernehmern) übertragen; diese Beisetzungsstätten sind nur insoweit zulässig, als öffentlich-rechtliche Vorschriften oder öffentliche oder private Interessen nicht entgegenstehen, sie öffentlich 49 zugänglich sind und die Nutzungsdauer grundbuchrechtlich gesichert ist; im Übrigen berechtigen und verpflichten die Vorschriften der §§ 2 und 3 auch den Übernehmer. (5) Errichtung und Betrieb seiner Feuerbestattungsanlage kann der Friedhofsträger mit Zustimmung der Genehmigungsbehörde nach § 2 Abs. 1 Satz 2 widerruflich einem Übernehmer übertragen. §2 Errichtung und Erweiterung eines Friedhofs (1) Die Errichtung und die Erweiterung der Friedhöfe der kreisangehörigen Gemeinden und der Religionsgemeinschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 bedürfen der Genehmigung. Genehmigungsbehörde ist für Friedhöfe der Gemeinden der Kreis (Kreisordnungsbehörde) und für Friedhöfe der Religionsgemeinschaften die Bezirksregierung. Am Genehmigungsverfahren ist die untere Gesundheitsbehörde zu beteiligen. (2) Bei Friedhöfen der Religionsgemeinschaften hat die Genehmigungsbehörde das Benehmen mit der Gemeinde herzustellen. (3) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Friedhof den Erfordernissen des Wasserhaushaltsrechts und des Gesundheitsschutzes entspricht und ihr sonstige Vorschriften des öffentlichen Rechts nicht entgegenstehen. §3 Schließung und Entwidmung der Friedhöfe (1) Friedhöfe können ganz oder teilweise geschlossen werden. Die Träger haben die Schließungsabsicht unverzüglich der Genehmigungsbehörde und Religionsgemeinschaften auch der Gemeinde anzuzeigen. (2) Die völlige oder teilweise Entwidmung ist nur zulässig, wenn der Friedhofsträger für Grabstätten, deren Grabnutzungszeit noch nicht abgelaufen ist, gleichwertige Grabstätten angelegt und Umbettungen ohne Kosten für die Nutzungsberechtigten durchgeführt hat. §4 Satzungen (1) Die Friedhofsträger regeln durch Satzung Art, Umfang und Zeitraum der Nutzung und Gestaltung ihres Friedhofs und dessen Einrichtungen, insbesondere die Aufbewahrung der Toten und der Totenasche bis zur Bestattung, die Durchführung der Bestattung sowie die Höhe der Gebühren oder Entgelte für die Nutzung des Friedhofs und dessen Einrichtungen. Die Friedhofsträger können die Öffnungszeiten auch in anderer Weise bestimmen; in diesem Fall müssen diese am Friedhof ausgehängt werden. (2) Die Friedhofsträger legen für Erdbestattungen und für Aschenbeisetzungen gleich lange Grabnutzungszeiten fest, die zumindest die sich aus den Bodenverhältnissen ergebende Verwesungsdauer umfassen müssen. (3) Gebühren, die eine Religionsgemeinschaft für die Benutzung ihres Friedhofs und seiner Einrichtungen erhebt, können im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden, wenn die Satzung von der nach § 2 Abs. 1 Satz 2 zuständigen Behörde genehmigt worden ist. (4) Die Satzungen sind nach den für den Satzungsgeber geltenden Vorschriften öffentlich bekannt zu machen. §5 Bestattungsbuch (1) Die Gemeinden, die Bestattungen außerhalb eines Friedhofs nach § 14 Abs. 1 Satz 2 zugelassen haben, und die Träger von Friedhöfen und Feuerbestattungsanlagen sowie Übernehmer sind verpflichtet, ein Bestattungsbuch zu führen. Es muss den Familien- und Vornamen, das Geburtsdatum und den Todestag der zu Bestattenden enthalten. Die vorgenannten Gemeinden und die Träger von Friedhöfen müssen auch den Tag der Bestattung einschließlich der genauen Bezeichnung der Grabstelle eintragen. Die Träger oder Übernehmer der Feuerbestattungsanlagen vermerken den Tag der Einäscherung, das Datum der Urnenaushändigung mit Namen und Adresse der Person, die die Urne übernommen hat, sowie die Angaben zum Verbleib der Totenasche. (2) Das Bestattungsbuch ist dreißig Kalenderjahre nach der letzten Eintragung und die zugehörigen Unterlagen sind zehn Kalenderjahre nach ihrem Ausstellungsdatum aufzubewahren. 50 §6 Zugang der Behörden Friedhofsträger und Übernehmer haben den Beauftragten der zur Überwachung der Einhaltung der für Friedhöfe und Feuerbestattungsanlagen geltenden Rechtsvorschriften zuständigen Behörden Grundstücke, Räume und Sachen zugänglich zu machen sowie auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen unverzüglich vorzulegen. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Artikel 13 des Grundgesetzes wird insoweit eingeschränkt. Zweiter Abschnitt Bestattung §7 Totenwürde, Gesundheitsschutz (1) Jede Frau und jeder Mann haben die Ehrfurcht vor den Toten zu wahren und die Totenwürde zu achten. (2) Soweit möglich, sind Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Bestattungen unter Berücksichtigung des Empfindens der Bevölkerung und der Glaubensgemeinschaft, der die zu Bestattenden angehörten, vorgenommen werden können. (3) Es ist dafür zu sorgen, dass von Toten keine Gesundheitsgefahren ausgehen. Bestand zum Zeitpunkt des Todes eine meldepflichtige oder gefährliche übertragbare Krankheit oder besteht der Verdacht auf eine solche Erkrankung, so sind die Schutzvorkehrungen zu treffen, die bei der Leichenschau oder von der unteren Gesundheitsbehörde bestimmt werden. Bestattungspflicht (1) Zur Bestattung verpflichtet sind in der nachstehenden Rangfolge Ehegatten, Lebenspartner, volljährige Kinder, Eltern, volljährige Geschwister, Großeltern und volljährige Enkelkinder (Hinterbliebene). Soweit diese ihrer Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen, hat die örtliche Ordnungsbehörde der Gemeinde, auf deren Gebiet der Tod eingetreten oder die oder der Tote gefunden worden ist, die Bestattung zu veranlassen. (2) Die Inhaber des Gewahrsams haben zu veranlassen, dass Leichenteile, Tot- oder Fehlgeburten sowie die aus Schwangerschaftsabbrüchen stammenden Leibesfrüchte, die nicht nach § 14 Abs. 2 bestattet werden, ohne Gesundheitsgefährdung und ohne Verletzung des sittlichen Empfindens der Bevölkerung verbrannt werden. §9 Leichenschau, Todesbescheinigung und Unterrichtung der Behörden (1) Die Hinterbliebenen sind verpflichtet, unverzüglich die Leichenschau zu veranlassen. Dies gilt auch bei Totgeburten. Hilfsweise haben diejenigen, in deren Räumen oder auf deren Grundstücken der Tod eingetreten oder die Leiche oder Totgeburt aufgefunden worden ist, unverzüglich sowohl die Leichenschau zu veranlassen als auch die Hinterbliebenen, ersatzweise die örtliche Ordnungsbehörde zu unterrichten. (2) Bei Sterbefällen in einer Anstalt, einem Krankenhaus, Pflegeheim oder einer vergleichbaren Einrichtung hat die Leitung die Durchführung der Leichenschau zu veranlassen. (3) Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, unverzüglich nach Erhalt der Todesanzeige die unbekleidete Leiche oder die Totgeburt persönlich zu besichtigen und sorgfältig zu untersuchen (Leichenschau) sowie die Todesbescheinigung auszustellen und auszuhändigen. Falls andere Ärztinnen und Ärzte für die Leichenschau nicht zur Verfügung stehen, ist sie von einer Ärztin oder einem Arzt der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen unteren Gesundheitsbehörde durchzuführen. Notärztinnen und Notärzte im öffentlichen Rettungsdienst sind während der Einsatzbereitschaft und während des Einsatzes, sobald sie den Tod festgestellt haben, weder zur Leichenschau noch zur Ausstellung der Todesbescheinigung verpflichtet; gesetzliche Unterrichtungspflichten bleiben unberührt, die Pflichten nach den Absätzen 5 und 6 gelten für sie entsprechend. Auf Verlangen der Ärztinnen und Ärzte, die die Leichenschau vorgenommen haben, sind die Angehörigen der Heilberufe, die die Verstorbenen oder die Mütter der Totgeburten behandelt haben, zur Auskunft über ihre Befunde verpflichtet. (4) Die Todesbescheinigung enthält im nichtvertraulichen Teil die Angaben zur Identifikation der Leiche oder Totgeburt einschließlich der bisherigen Anschrift, Zeitpunkt, Art, Ort des Todes, bei möglicher Gesundheitsgefährdung einen Warnhinweis und im vertraulichen Teil insbesondere Angaben zur Todesfeststellung, zur Todesursache sowie zu den weiteren Umständen des Todes. 51 (5) Finden die Ärztinnen und Ärzte an den Verstorbenen Anhaltspunkte für einen Tod durch Selbsttötung, Unfall oder Einwirkung Dritter (nicht natürlichen Tod) oder deuten sonstige Umstände darauf hin, so brechen sie die Leichenschau ab, unterrichten unverzüglich die Polizeibehörde und sorgen dafür, dass bis zum Eintreffen der Polizei Veränderungen weder an Toten noch an deren Umgebung vorgenommen werden. (6) Kann die Identität Toter nicht festgestellt werden, ist nach Beendigung der Leichenschau durch diejenigen, die diese veranlasst haben, oder hilfsweise durch die Ärztin oder den Arzt unverzüglich die Polizeibehörde zu unterrichten. § 10 Obduktion (1) Tote dürfen, wenn sie zu Lebzeiten selbst, ihre gesetzliche Vertretung oder eine bevollmächtigte Person schriftlich eingewilligt haben, nach Ausstellung der Todesbescheinigung zur Klärung der Todesursache, zur Überprüfung der Diagnose oder Therapie oder zu einem sonstigen wissenschaftlichen Zweck obduziert werden. Die Obduktion umfasst auch die Entnahme von Organen und Gewebeteilen sowie deren Aufbewahrung. Die Einwilligung kann nach Aufklärung auch mit einer vorformulierten Erklärung erteilt werden. Die Krankenhausträger sind verpflichtet, anlässlich des Abschlusses eines Aufnahmevertrages nach der Einstellung zu einer Obduktion zu fragen. (2) Liegt weder eine schriftliche Einwilligung noch ein schriftlicher Widerspruch der Verstorbenen vor, finden § 3 Abs. 3 und § 4 des Transplantationsgesetzes vom 5. November 1997 (BGBl. I S. 2631) sinngemäß Anwendung. (3) Stellt die obduzierende Ärztin oder der obduzierende Arzt abweichend von der Todesbescheinigung Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod fest, ist nach § 9 Abs. 5 zu verfahren. (4) Ist die Untersuchung beendet, hat der Träger der untersuchenden Einrichtung unverzüglich die Bestattung zu veranlassen. Für Art und Ort der Bestattung gilt § 12. § 11 Totenkonservierung, Aufbewahrung Toter (1) Maßnahmen, bei denen den Toten Stoffe zugeführt werden, die die Verwesung verhindern oder verzögern, bedürfen der Genehmigung der örtlichen Ordnungsbehörde. (2) Tote sind spätestens 36 Stunden nach dem Tode, jedoch nicht vor Ausstellung der Todesbescheinigung, in eine Leichenhalle zu überführen. Auf Antrag von Hinterbliebenen kann die örtliche Ordnungsbehörde die Aufbewahrung Toter an einem anderen geeigneten Ort genehmigen, wenn ein ärztliches Zeugnis bescheinigt, dass hiergegen keine Bedenken bestehen. Dies gilt nicht für die Aufbewahrung Toter im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen. (3) Die Öffnung des Sarges bei der Trauerfeier oder beim Begräbnis bedarf der Genehmigung der örtlichen Ordnungsbehörde. Öffentliches Ausstellen Toter oder von Teilen bedarf der zu Lebzeiten schriftlich erklärten Einwilligung der Verstorbenen sowie der Genehmigung der Ordnungsbehörde des Ausstellungsortes. § 12 Bestattungsentscheidung (1) Die Bestattung kann als Erdbestattung oder als Feuerbestattung vorgenommen werden. Art und Ort der Bestattung richten sich, soweit möglich, nach dem Willen der Verstorbenen, wenn sie das 14. Lebensjahr vollendet hatten und nicht geschäftsunfähig waren. (2) Ist keine derartige Willensbekundung bekannt, entscheiden die Hinterbliebenen in der Rangfolge des § 8 Abs. 1. Wenn die Gemeinde die Bestattung veranlasst, entscheidet sie; sie soll eine Willensbekundung nach Absatz 1 Satz 2 berücksichtigen. § 13 Bestattungsunterlagen, Bestattungsfristen (1) Die Bestattung der Leichen und Totgeburten ist erst zulässig, wenn die Todesbescheinigung ausgestellt ist und das Standesamt die Eintragung des Sterbefalles bescheinigt hat oder eine Genehmigung nach § 39 des Personenstandsgesetzes vorliegt oder wenn sie auf Anordnung der örtlichen Ordnungsbehörde des Sterbe- oder Auffindungsortes erfolgt. (2) Erdbestattungen dürfen frühestens achtundvierzig Stunden nach Eintritt des Todes vorgenommen werden. Die örtliche Ordnungsbehörde kann eine frühere Bestattung aus gesundheitlichen Gründen anordnen oder auf Antrag von Hinterbliebenen genehmigen, wenn durch ein besonderes, aufgrund eigener Wahrnehmung ausgestelltes Zeugnis einer Ärztin oder eines Arztes, die nicht die Leichenschau nach § 9 durchgeführt haben, bescheinigt ist, dass 52 die Leiche die sicheren Merkmale des Todes aufweist oder die Verwesung ungewöhnlich fortgeschritten und jede Möglichkeit des Scheintodes ausgeschlossen ist. (3) Erdbestattungen müssen innerhalb von acht Tagen durchgeführt werden. Liegen innerhalb dieser Frist die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vor, so hat die Bestattung unverzüglich nach deren Eintritt zu erfolgen. § 14 Erdbestattung, Ausgrabung (1) Leichen müssen auf einem Friedhof bestattet werden. Die örtliche Ordnungsbehörde kann eine Erdbestattung außerhalb eines Friedhofs mit Zustimmung der unteren Gesundheitsbehörde in besonderen Fällen genehmigen. (2) Tot- und Fehlgeburten sowie die aus einem Schwangerschaftsabbruch stammende Leibesfrucht sind auf einem Friedhof zu bestatten, wenn ein Elternteil dies wünscht. Ist die Geburt oder der Schwangerschaftsabbruch in einer Einrichtung erfolgt, hat deren Träger sicherzustellen, dass jedenfalls ein Elternteil auf diese Bestattungsmöglichkeit hingewiesen wird. Liegt keine Erklärung der Eltern zur Bestattung vor, sind Tot- und Fehlgeburten von den Einrichtungen unter würdigen Bedingungen zu sammeln und zu bestatten. Die Kosten hierfür trägt der Träger der Einrichtung. (3) Tote und Aschenreste dürfen nur mit Genehmigung der örtlichen Ordnungsbehörde, in deren Bezirk sie bestattet worden sind, ausgegraben werden. Die Vorschriften der Strafprozessordnung bleiben unberührt. § 15 Feuerbestattung (1) Die Feuerbestattung einer Leiche oder einer Totgeburt darf erst vorgenommen werden, wenn eine von der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen unteren Gesundheitsbehörde veranlasste weitere ärztliche Leichenschau vorgenommen und mit einer Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 1 bestätigt worden ist, dass kein Verdacht auf nicht natürlichen Tod besteht. Anstelle der Gesundheitsbehörde nach Satz 1 darf auch die untere Gesundheitsbehörde des Einäscherungsortes die weitere ärztliche Leichenschau veranlassen und die Bescheinigung ausstellen. Lässt sich die Todesursache nach den Ergebnissen der Leichenschau und der Auskünfte nach § 9 Abs. 3 Satz 4 nicht mit ausreichender Sicherheit ermitteln, ist die untere Gesundheitsbehörde befugt, zur Feststellung der Todesursache die Leiche zu obduzieren. (2) Die Leichenschau und die Bescheinigung nach Absatz 1 werden in den Fällen des § 159 Abs. 1 StPO durch die nach § 159 Abs. 2 StPO erteilte Genehmigung ersetzt. Diese muss die Erklärung enthalten, dass die Feuerbestattung als unbedenklich erachtet wird. (3) Werden Leichen oder Totgeburten zur Feuerbestattung aus dem Ausland in das Inland befördert, ist durch die untere Gesundheitsbehörde des Einäscherungsortes die Leichenschau nach Absatz 1 zu veranlassen. Die Behörde kann darauf verzichten, wenn ihr über den natürlichen Tod die zweifelsfreie Bescheinigung der am Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen Polizei- oder Gesundheitsbehörde vorgelegt wird. (4) Die Einäscherung darf nur in der Feuerbestattungsanlage eines Friedhofsträgers oder eines Übernehmers vorgenommen werden und hat in würdiger Weise zu erfolgen. (5) Der Träger oder Übernehmer der Feuerbestattungsanlage hat die Zuordnung der Totenasche sicherzustellen. Das dauerhaft versiegelte Behältnis mit der Totenasche ist auf einem Friedhof beizusetzen; für die Beförderung zu diesem Zweck darf es den Hinterbliebenen oder ihren Beauftragten ausgehändigt werden. (6) Die Asche darf auf einem vom Friedhofsträger festgelegten Bereich des Friedhofs durch Verstreuung beigesetzt werden, wenn dies durch Verfügung von Todes wegen bestimmt ist. Soll die Totenasche auf einem Grundstück außerhalb eines Friedhofs verstreut oder beigesetzt werden, darf die Behörde dies genehmigen, wenn diese Beisetzung von Todes wegen verfügt und der Behörde nachgewiesen ist, dass die Beisetzung bodennutzungsrechtlich zulässig ist, der Beisetzungsort nicht in einer der Totenwürde widersprechenden Weise genutzt wird und dauerhaft öffentlich zugänglich ist. (7) Soll die Totenasche auf See beigesetzt werden, wird die Genehmigung erteilt, wenn diese Beisetzung von Todes wegen verfügt ist. (8) Nach Vorlage einer Genehmigung nach den Absätzen 6 oder 7 ist das Behältnis mit der Totenasche den Hinterbliebenen oder ihren Beauftragten auszuhändigen. (9) Ausnahmen von der Bestimmung des Absatzes 5 können in besonderen Fällen durch die Ordnungsbehörde des Ortes, an dem die Verwahrung der Totenasche stattfinden soll, soweit nötig, im Benehmen mit der Ordnungsbehörde des Einäscherungsortes zugelassen werden. 53 Dritter Abschnitt Beförderung der Toten § 16 Beförderung (1) Auf öffentlichen Straßen und Wegen dürfen Tote nur in einem für diesen Transport geeigneten dicht verschlossenen Behältnis befördert werden. (2) Die Beförderung Toter oder deren Asche aus der Gemeinde des Sterbe- oder Auffindeortes ist der örtlichen Ordnungsbehörde innerhalb einer Frist von einer Woche anzuzeigen. Bei der Beförderung sind die gemäß § 13 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 oder 2 erforderlichen Bescheinigungen mitzuführen. (3) Wird Asche zur Urnenbeisetzung befördert, genügt anstelle der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 2 ein Auszug aus dem Bestattungsbuch mit den Angaben nach § 5 Abs. 1 Satz 2 und 4. (4) Auf die Bergung und Beförderung Toter im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen finden die Absätze 1 und 2 keine Anwendung. (5) Vor der Beförderung einer Leiche und einer Totgeburt in das Ausland hat die untere Gesundheitsbehörde die Leichenschau nach § 15 Abs. 1 zu veranlassen, falls nicht eine Genehmigung nach § 15 Abs. 2 vorgelegt wird. § 17 Leichenpass (1) Beförderungen von Leichen und Totgeburten über die Grenze der Bundesrepublik Deutschland sind nur mit einem Leichenpass zulässig. Für die Beförderung in das Ausland ist das Muster der Anlage 2 zu verwenden. (2) Für die Beförderung in das Ausland wird der Leichenpass von der örtlichen Ordnungsbehörde ausgestellt, wenn ihr die in § 13 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 oder 2 genannten Unterlagen vorliegen. Die Ordnungsbehörde kann Nachweise über den Verbleib der Leiche, der Totgeburt oder der Asche verlangen. Vierter Abschnitt Ergänzende Vorschriften § 18 Verordnungsermächtigung Das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Anforderungen an die zu beachtenden gesundheitlichen Schutzmaßnahmen, an die Todesbescheinigung und an die übrigen Bestattungsunterlagen sowie deren Aufbewahrung festzulegen. § 19 Ordnungswidrigkeiten (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 9 Abs. 1 bis 3 nicht unverzüglich die Leichenschau veranlasst, sie nicht unverzüglich oder nicht sorgfältig vornimmt oder die Todesbescheinigung nicht unverzüglich aushändigt oder die Auskünfte über Befunde verweigert, 2. entgegen § 9 Abs. 5 nicht unverzüglich die Polizeibehörde, die Staatsanwaltschaft oder das Amtsgericht unterrichtet, 3. ohne die in § 10 Abs. 1 genannten Unterlagen, ohne Einwilligung oder Zustimmung nach § 10 Abs. 2 oder ohne einen in § 10 Abs. 1 genannten Zweck Tote obduziert oder nach Abschluss der Untersuchung nicht unverzüglich die Bestattung veranlasst, 4. entgegen § 11 Abs. 1 Toten ohne Genehmigung verwesungshemmende Stoffe zuführt oder sie nicht gemäß § 11 Abs. 2 rechtzeitig in eine Leichenhalle überführt, 5. entgegen den §§ 13 und 15 Tote vor der Vorlage der in § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 oder 2 genannten Unterlagen bestattet oder die Bestattung auf seinem Friedhof zulässt, 6. entgegen § 14 außerhalb eines Friedhofs Tot- oder Fehlgeburten oder ohne Genehmigung nach § 14 Abs. 1 eine Leiche bestattet, 54 7. entgegen § 15 Abs. 5 bis 9 als Träger oder Übernehmer einer Einäscherungsanlage die Zuordnung der Totenasche nicht sicherstellt oder Totenasche ohne Genehmigung aushändigt oder als Hinterbliebene oder Hinterbliebener hinsichtlich ihr oder ihm ausgehändigter Totenasche die Totenruhe stört oder eine mit der Genehmigung verbundene Verpflichtung nicht erfüllt oder vom Inhalt der Genehmigung oder Zulassung abweicht, 8. gegen die in § 16 Abs. 1 bis 3 und § 17 Abs. 1 genannten Vorschriften verstößt, 9. einer Rechtsverordnung nach § 18 zuwider handelt, soweit sie zu einem bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 3000 Euro geahndet werden. (3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die örtliche Ordnungsbehörde. § 20 Aufhebungsvorschriften (1) Nachstehende Gesetze und Verordnungen werden aufgehoben: 1. das Kaiserliche Decret über die Begräbniße vom 23. Prairial Jahr XII – Décret Impérial sur les sépultures, le 23 Prairial an XII (Bulletin des lois de l’Empire Français, 4e Série, Tome premier no. 1 à 16, Paris, Brumaire an XIII [1804], S. 75), 2. das Gesetz über die Feuerbestattung vom 15. Mai 1934 (RGS. NRW. S. 80), geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 1974 (GV. NRW. S. 1504), 3. die Verordnung zur Durchführung des Feuerbestattungsgesetzes vom 10. August 1938 (RGS. NRW. S. 81), geändert durch Verordnung vom 18. Mai 1982 (GV. NRW. S. 250) und 4. die Ordnungsbehördliche Verordnung über das Leichenwesen vom 3. Dezember 2000 (GV. NRW. S. 757). (2) Nachstehende Vorschriften werden aufgehoben: 1. Zweyter Theil, Eilfter Titel, §§ 183 bis 190 sowie §§ 761 bis 765, des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 (Erstveröffentlichung Nauck u.a., Berlin 1794), 2. § 8 Nr. 6 des Gesetzes, die Bildung und Verwaltung eines allgemeinen Kirchenvermögens für die evangelische Kirche des Landes, die Veranlagung von Kirchensteuern und die Stellung der Kirche dem Staate gegenüber betreffend, vom 12. September 1877 (GS. für das Fürstenthum Lippe, Neunter Band, S. 80). 3. Artikel 6 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 des Staatsgesetzes, betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen. Vom 8. April 1924 (PrGS. S. 221), 4. § 15 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens vom 24. Juli 1924 (PrGS. S. 585), 5. § 48 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 1980 (GV. NRW. S. 528), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2001 (GV. NRW. S. 870). (3) In § 1 Abs. 1 Buchstabe d sowie in § 2 Abs. 1 Buchstabe b der Zuständigkeitsverordnung zur Ausführung des Staatsgesetzes, betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen, vom 8. April 1924. Vom 4. August 1924. (PrGS. S. 594) werden jeweils die Wörter „3 und“ gestrichen. § 21 Überprüfung Die Landesregierung überprüft nach Ablauf von fünf Jahren nach dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes die Auswirkungen von § 1 Abs. 4 und 5, § 2, § 9 Abs. 3, § 10 Abs. 1 bis 3, § 12 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 5 und 6 und unterrichtet den Landtag. § 22 In-Kraft-Treten Dieses Gesetz tritt mit Ausnahme des § 18, der am Tage nach der Verkündung in Kraft tritt, am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden dritten Kalendermonats in Kraft. 55 Anlage 1 (zu § 15) Anlage 2 (zu § 17) Düsseldorf, den 4. Juni 2003 Ulrich Schmidt, Präsident B. Gesetz über die Feuerbestattung vom 15. Mai 1934 Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird: §1 Die Feuerbestattung ist der Erdbestattung grundsätzlich gleichgestellt; sie unterliegt den durch die Sicherheit der Rechtspflege gebotenen Einschränkungen. (1) Die Bestattungsart richtet sich nach dem Willen des Verstorbenen. (2) Liegt eine Willensbekundung des Verstorbenen über die Bestattungsart nicht vor, so haben die Angehörigen, soweit sie geschäftsfähig sind, diese zu bestimmen. Als Angehörige im Sinne dieser Bestimmung gelten der Ehegatte, Verwandte und Verschwägerte ab und auf-steigender Linie, Geschwister und deren Kinder sowie der Verlobte. (3) Bestehen unter den Angehörigen Meinungsverschiedenheiten über die Art der Bestattung, so geht der Wille des Ehegatten demjenigen der Verwandten, der Wille der Kinder oder ihrer Ehegatten dem der übrigen Verwandten, der Wille näherer Verwandten dem der entfernteren Verwandten oder des Verlobten vor. (4) Bei Meinungsverschiedenheiten unter Angehörigen gleichen Grades hat die Polizeibehörde, bei der die Genehmigung der Feuerbestattung beantragt ist (§·3 Abs. 1), ihre Entscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des Falles zu treffen. (5) Wer nicht zu den Angehörigen des Verstorbenen (Abs. 2) gehört, kann die Feuerbestattung nur beantragen, wenn der Verstorbene sie gewollt hat. §3 (1) Die Feuerbestattung bedarf der schriftlichen Genehmigung der Polizeibehörde des Einäscherungsortes. Der Antrag ist spätestens 24 Stunden vor dem Zeitpunkt der Einäscherung zu stellen. (2) Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn beigebracht sind: 1. die amtliche Sterbeurkunde; 2. eine nach der Leichenschau ausgestellte, mit Angabe der Todesursache versehene amtsärztliche Bescheinigung, daß sich der Verdacht, der Verstorbene sei eines nicht natürlichen Todes gestorben, nicht ergeben hat. Kann der Amtsarzt die Todesursache bei der Leichenschau nicht einwandfrei feststellen, so hat er den Arzt, der den Verstorbenen während einer dem Tode unmittelbar vorausgegangenen Erkrankung behandelt hat, zuzuziehen oder die Vorlage einer Bescheinigung dieses Arztes über die Art der Krankheit, Dauer der Behandlung und Todesursache zu verlangen. Lassen sich die bestehenden Zweifel auch hierdurch nicht beseitigen, so ist eine Leichenöffnung vorzunehmen. War der zuständige beamtete Arzt zugleich der behandelnde Arzt, so ist die amtsärztliche Bescheinigung durch einen anderen beamteten Arzt vorzunehmen. 3. eine Bescheinigung der Polizeibehörde des Sterbeorts, daß ihr keine Umstände bekannt sind, die auf Herbeiführung des Todes durch strafbare Handlung schließen lassen. 4. in den Fällen des §2 Abs.5 der Nachweis, daß die Feuerbestattung dem Willen des Verstorbenen entspricht. §4 Der Nachweis, daß die Feuerbestattung dem Willen des Verstorbenen entspricht (§2 Abs. I), kann erbracht werden: 1. durch eine von dem Verstorbenen getroffene Verfügung , von Todes wegen; 2. durch eine von dem Verstorbenen abgegebene mündliche Erklärung, die von einer zur Führung eines öffentlichen Siegels berechtigten Person als in ihrer Gegenwart abgegeben ist, 3. durch eine unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig geschriebene und unter-schriebene Erklärung des Verstorbenen. §5 War der Verstorbene zur Zeit seines Todes noch nicht 16 Jahre alt oder war er geschäftsunfähig, so bestimmt derjenige, dem die Sorge für die Person des Verstorbenen oblag, die Bestattungsart. §6 Fallen die Bestattungskosten der öffentlichen Fürsorge zur Last, so ist diese nicht verpflichtet, etwaige höhere Kosten der Feuerbestattung zu tragen. §7 Die Einäscherung von Leichen darf nur in behördlich genehmigten Anlagen (Feuerbestattungsanlagen) erfolgen. Die Bedingungen, die an die Errichtung solcher Anlagen zu stellen sind, werden durch die obersten Landesbehörden festgesetzt. §8 (1) Die Genehmigung zur Errichtung einer Feuerbestattungsanlage darf nur Gemeinden, Gemeindeverbänden und solchen Körperschaften des öffentlichen Rechts, denen die Sorge für die Beschaffung öffentlicher Begräbnisplätze obliegt, erteilt werden. Bei Erteilung der Genehmigung ist auf eine würdige Ausgestaltung der Anlage hinzuwirken. (2) Die Genehmigung einer Anlage schließt die Genehmigung des Betriebs der Feuerbestattung unter den in der Genehmigungsurkunde festgesetzten Bedingungen ein. 56 (3) Die Körperschaft, der die Genehmigung erteilt worden ist, kann mit Zustimmung der Aussichtsbehörde die Errichtung und den Betrieb der Feuerbestattungsanlage widerruflich einem rechtsfähigen Bestattungsverein übertragen §9 (1) Die Aschenreste jeder Leiche sind in ein amtlich zu verschließendes Behältnis aufzunehmen und in einer Urnenhalle, einem Urnenhain, einer Urnengrabstelle oder in einem Grabe beizusetzen. (2) Es ist Vorsorge zu treffen, daß jederzeit festgestellt werden kann: 1. von wem die Aschenreste herrühren, 2. wo die Aschenreste des Verstorbenen aufbewahrt werden. (3) Ausnahmen von dieser Bestimmung des Abs.l können in besonderen Fällen durch die Polizeibehörde des Einäscherungsortes, an dem die Verwahrung der Aschenreste stattfinden soll, zugelassen werden. § 10 Der Reichsminister des Innern erläßt die zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsund Verwaltungsvorschriften. Soweit er von dieser Befugnis keinen Gebrauch macht, können die obersten Landesbehörden Durchführungsvorschriften erlassen. §11 Das Gesetz tritt am 1. Juli 1934 in Kraft. Berlin, den 15. Mai 1934 Der Reichskanzler Adolf Hitler Der Reichsminister des Innern Frick IV. Literatur zum Thema • • • • • • • • • • • • • • • • • Madea B: Die Ärztliche Leichenschau, Springer Berlin 1999 Brinkmann B, Karger B., Barz J., Kleiber M., Schröpfer D., Staak M.: Die Kremationsleichenschau formaler Akt ohne Effizienz. Persönliche Mitteilung (1987) Brinkmann B., DuChesne A: Die Misere der ärztlichen Leichenschau in der Bundesrepublik Deutschland. 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