Ausstellung über Charles Manson Der letzte Hippie

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Ausstellung über Charles Manson Der letzte Hippie
Ausstellung über Charles Manson
Der letzte Hippie
03.02.2009,
Von T. Briegleb
Marilyn Manson, der Halloween-Heilige und ein mörderischer Horror-Chic: Wie wurde aus dem
brutalen Mörder Charles Manson eine Kultfigur? Eine Hamburger Schau betreibt Spurensuche
jenseits des Pop-Events.
Es mag wie eine Entschuldigung klingen, als sei dem Künstler seine Arbeit etwas peinlich: "Keine
Relativierung, keine Verharmlosung, keine Vertuschung" steht erklärend auf dem rosa Titelschild von
Thomas Kunzmanns Videoarbeit "killer powered by pop", in der er eine Verbindung zwischen Charles
Manson, Andreas Baader und dem militanten Islamismus herstellt.
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Verklärt zum Halloween-Heiligen: Mörder Charles Manson. (© Foto: dpa)
Doch der moralische Ernst dieser Botschaft scheint im Rahmen des Themas, das in der großen
Ausstellung "Man Son 1969" in der Hamburger Kunsthalle behandelt wird, durchaus angebracht zu
sein. Die Verklärung von Charles Manson zur Kultfigur, zum Märtyrer, Rebell und exzentrischen
Kritiker der amerikanischen Konsum- und Gewaltkultur hat die Figur in den vier Jahrzehnten seit
seinen Verbrechen so weit von den Fakten entfernt, dass eine Manson-Ausstellung leicht als PopEvent missverstanden werden kann.
Ein kleiner Streifzug durch das Internet und die Musikgeschichte reicht völlig aus, um eine Ahnung
davon zu bekommen, wie die Mischung aus psychischer Deformierung, Drogen, Charisma,
Gruppenzwang, Größenwahn, Privatideologie und Aggressionen, aus der heraus die mörderischen
Exzesse der Manson-Family 1969 erwuchsen, zum Horror-Chic verhübscht wurde. Ob als T-ShirtMotiv, als Voodoopuppe und Sammelfigur in der Reihe "Celebrity Serial Killers" oder als netter Irrer in
der TV-Serie "South Park", ob als Pseudonym für Porno- (Milka Manson) oder Rockstars (Marilyn
Manson), selbst auf dem Boden von Müsli-Schalen erscheint Charles Manson als Halloween-Heiliger
einer eigensinnigen Jugend.
n den Reichen und Schönen von Bel Air aber weder rein moralisch noch leichtfertig als Body-ArtPerformance der extremeren Art, ausgeführt von Medien des gesellschaftlichen Verfalls, dann lassen
sich in der Biographie von Charles Manson zahlreiche Verknüpfungen geschichtlicher Ereignisse
finden, die zum Verständnis seines Extremismus beitragen können - und damit liefert dieser Fall ein
interessantes Feld für die Kunst, deren Methoden ja ähnliche Verbindungen zwischen
gesellschaftlichen und subjektiven Ereignissen suchen.
Aus diesem Gedanken entwickelten die Kuratoren Frank Barth und Dirck Möllmann im
Sockelgeschoss der Galerie der Gegenwart ein ausuferndes künstlerisches Beziehungsgeflecht, das
Charles Mansons verirrten Messianismus auf die entscheidenden Ereignisse seiner Zeit,
insbesondere des Jahres 1969, bezieht. Die erste Mondlandung und der Vietnamkrieg, Woodstock
und Altamont, Hippietum und linker Terrorismus, Drogen und Aufklärung, Esoterik und
Technikgläubigkeit sind die historischen Gegensätze, aus denen Mansons absurde
Gedankenarchitektur gedeutet wird.
Das Hakenkreuz auf der Stirn
Missbraucht von seiner Mutter, einer Prostituierten, sozialisiert in Heimen und Gefängnissen,
schließlich auftauchend in den Hippiekreisen von San Francisco und auf den Partys Hollywoods,
entwickelte Manson eine ungezügelte Sehnsucht nach Selbstwert - sie führte dazu, dass er sich ein
Hakenkreuz auf die Stirn tätowierte, wie Jesus sprach und mit denselben Leuten Feten feierte, die er
dann abschlachten ließ. Seine krude Philosophie von gesetzloser Libertinage wird in der Ausstellung
als monströse Logik ihrer Zeit beschrieben.
Diese Umsetzung als These führt allerdings dazu, dass die Ausstellung als Ganzes gelungener ist als
die Exponate, aus denen sie besteht. Viele der rund 100 ausgestellten und vielfach extra für die
Ausstellung entwickelten Arbeiten behandeln die historische Komplexität mit naiven Gesten. Die
billigen Gegenüberstellungen von Luxus- und Politsymbolen, die Josephine Meckseper unermüdlich
und auch hier betreibt, oder das Nachbasteln von Raketenwerfern mit Lippenstiften und Zigarren als
Neudeutung des Kalten Kriegs von Elmar Hess sind Beispiele für solche künstlerischen
Grundrechenarten. Diesen stehen diverse Arbeiten gegenüber, die so verrätselt sind, dass sie ohne
Kataloglektüre völlig unverständlich bleiben, etwa Peter Friedls Leuchtschrift "Neue
Straßenverkehrsordnung" als Unendlichkeitszeichen, das ohne Detailinformationen aus der RAFGeschichte reine Dekoration bleiben muss.
Den Horror nachvollziehen
In der großen Menge der Positionen gibt es natürlich auch Gewichtigeres - etwa den Nachbau eines
MIT-Experimentes mit Metallwürfeln, einem Roboterarm und Mäusen von 1970 durch Lutz
Dammbeck, der militärisch-technokratische Verhaltensforschung aus dieser Zeit in Erinnerung ruft.
Und es gibt unterhaltsam gelöste Analogien, etwa unter dem Stichwort "Charlie's Angels", womit die
von Manson beherrschten Mörderinnen Susan Atkins, Patricia Krenwinkel und Leslie van Houten
ebenso bezeichnet wurden wie die Agentinnen der TV-Serie aus den Siebzigern.
Das Nachvollziehen des Horrors, das, neben vielen anderen, auch Gregor Schneider mit seinem
Elektroschock-Schachspiel inszeniert, setzt allerdings nur Ausrufezeichen in einer Schau, die sich
primär mit dem Symbolischen beschäftigt, an dem der Manson-Fall so reich ist. Die starke
Empfänglichkeit für Zeichen, die typisch für psychotisches Verhalten ist, wird in den
unterschiedlichsten Bildsprachen gespiegelt - als Kasperletheater von Stephan Huber, in
albtraumhaften Zeichnungen von Dennis Scholl, in den comic-artigen Mansonporträts von Joe
Coleman oder den ausgekratzten Gesichtern in den Gemälden von Till Gerhard oder auf den
Rockstarfotos von Douglas Gordon.
Intellektuelle wie sinnliche, humorvolle wie historische, rein assoziative wie unmittelbare Zugänge
führen den Besucher auf eine Schnitzeljagd nach Aspekten und Motiven, die ihn fordern wie
überfordern kann. Und damit ist "Man Son 1969" endlich mal wieder eine Themenausstellung, die
anstrengend und nicht nur