Kirche St. Hedwig Gottes

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Kirche St. Hedwig Gottes
Kirche St. Hedwig
Gottes- und Menschenhaus
von Josef Spiegel
1. Der christliche Kirchbau in seinem Ursprung
Als Messdiener fühlte ich mich wohl im Bereich der Kirche. Kirche, Pfarrhaus und Jugendheim
gaben ein Gefühl von Geborgenheit in schwerer Zeit. Unser alter Pastor ließ alles zu, was uns
Freude machte. Nur eines verbot er uns: Das Radfahren (besonders die Radrennen) auf dem
Kirchplatz. Ich höre noch seine Stimme: 'Der Kirchplatz ist der Vorhof zum Tempel.' Mit "Tempel" war natürlich unsere Kirche gemeint.
In diesem Falle irrte mein alter hochverehrter Pastor. Wenn auch die Texte der Weiheliturgie
manchmal den Eindruck erwecken, es handle sich bei der Weihe einer Kirche um ein Tempelweihfest, so müssen wir uns doch an das Wort Jesu erinnern, das er zu der Samariterin am Jakobsbrunnen sagt: 'Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf dem Berg noch in
Jerusalem anbeten werdet..... Aber die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren
Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit' (Job 4,21,23). Wir erinnern uns
auch an eine andere typische Stelle im Johannesevangelium: Als Jesus die Händler aus dem
Tempel treibt, wird er nach seiner Legitimation gefragt. 'Reißt diesen Tempel nieder. In drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Er meinte aber den Tempel seines Leibes' (Joh 2,19,21).
Johannes will sagen: Er, Jesus hat den Tempel abgelöst. Der alte Tempel mehrfach zerstört - hat
seine Funktion verloren. Das einzige Gott wohlgefällige Opfer ist das Kreuzesopfer seines Sohnes. Sein Leib ist Altar und Tempel zugleich (Die Theologie des Hebräerbriefes ist von diesen
Gedanken durchdrungen).
Wo immer Eucharistie gefeiert wird, ist der Leib Christi anwesend als Tempel des Neuen Bundes. Der Leib Christi aber ist der 'Christus totus', der ganze Christus in Haupt und Gliedern,
Christus mit Seiner Gemeinde. Das bedeutet folgerichtig: Auch die Gemeinde ist Tempel Gottes,
Zeichen der Nähe Gottes, Ort der Gottesbegegnung.
Wenn auch das Gesagte gilt, bevor noch ein Gedanke an ein Gebäude aufgekommen ist, so haben doch die Christen von Anfang an dafür Sorge getragen, nach dem Beispiel Jesu, der sich um
einen würdigen Raum für die Feier des letzten Abendmahles bemüht hatte (vgl. MK 24,15), ihren Versammlungen einen geziemenden Rahmen zu geben. In den Zeiten der Verfolgung konnte
man natürlich keine öffentlichen Gebäude für die Gemeindeversammlungen errichten. Immer
aber fand man eine würdige Stätte, wie die Ausgrabung einer 'Hauskirche' aus der frühen Zeit in
Syrien zeigt.
Als die Kirche durch das Edikt Kaiser Konstantins im Jahre 313 die Freiheit erhielt, öffentliche
Gebäude zu errichten, griff sie weder auf die Architektur des Jerusalemer Tempels noch auf die
heidnischen Gottheiten zurück. Beide widersprachen dem Selbstverständnis christlichen Kultes
fundamental. In beiden Fällen wohnte Gott, bzw. die Gottheit im Allerheiligsten, das für die
Menschen tabu war, im 'fanum'. Die Menschen standen draußen im 'profanum', im unheiligen
Bezirk. Das ist durch Jesus Christus grundlegend anders geworden. Wir sind bei der Eucharistie
durch Christus, mit Ihm und in Ihm im Allerheiligsten. Das muss auch im Kirchbau zum Aus-
druck kommen. Deshalb feierten die Christen in den öffentlichen Markthallen, die man 'Basilika'
= 'Die Königliche' nannte, ihre Gottesdienste. Daraus entstanden die ersten Kirchbauten über das
Mittelalter hinaus bis in unsere Zeit hinein. Das Konzil mit seiner Volk-Gottes-Theologie sollte
eine neue Sichtweise bringen.
2. Der Kirchbau nach dem Konzil
Die Volk-Gottes-Theologie des 2. Vatikanischen Konzils, wie sie in 'Gaudium et spes' so kraftvoll vorgetragen wurde, leitete einen Paradigmenwechsel in der Ekklesiologie, in der Lehre von
der Kirche ein. Die Gläubigen begriffen sich immer weniger als 'Objekte' denn als 'Subjekte'
kirchlichen Handelns. Davon blieb natürlich das Herz der Kirche, die Eucharistiefeier nicht unberührt. Die 'participatio actuosa', die 'aktive Teilnahme' wurde zum Stichwort für die Liturgiereform. Die Einführung der Muttersprache und die Hinwendung des zelebrierenden Priesters zum
Volk waren der sichtbarste Ausdruck dieser Bewegung.
Es lag in der Natur der Sache, dass auch für den Kirchenbau neue Richtlinien erlassen wurden,
die dem neuen Denken Rechnung trugen. 'Das Volk Gottes soll den Altar umstehen', das war der
Kernsatz dieser Verlautbarungen. Er folgte logisch aus dem Satz im Vorwort des römischen
Messbuches: 'Die ganze Gemeinde ist Trägerin des Gottesdienstes' (selbstverständlich unbeschadet der besonderen, nicht auswechselbaren Rolle des Priesters). Denselben Gedanken äußert unser Erzbischof in seinen 12 Orientierungspunkten, wenn er unter Punkt 4 sagt: 'Vorrangig soll in
den nächsten Jahren die Entwicklung der Pfarrgemeinden zu Subjekten der Seelsorge ungezielt
und das Bewusstsein der je eigenen Berufung aller Getauften ungezielt werden.'
3. Die Kirche St. Hedwig, Auf der Lieth
Die nachkonziliaren Bestimmungen über den Kirchbau wollten dem Architekten keine einengenden Vorschriften über die Gestalt der Kirche machen. Der Architekt unserer Kirche, Dr. Ludes aus Recklinghausen, hat eine Kirche entworfen, die in idealer Weise dem Geist des 2.
Vatikanischen Konzils entspricht. Sie stellt eine Volk-Gottes-Theologie im Medium der Architektur dar.
Der Altar steht im wesentlichen in der Mitte des Zentralbaues. Er verkörpert den in seiner Gemeinde gegenwärtigen Herrn, der zusammen mit der um den Altar versammelten Gemeinde dem
Vater die Danksagung darbringt. Die Stellung des Altars, der wie alle liturgischen 'Orte' aus
fränkischem Muschelkalk vom Künstler Ernst Rasche aus Mühlheim/Ruhr gefertigt wurde, ist
noch durch eine besondere Gestaltung der Bodenplatten, in die 4 kreisrunde Bronzen als Symbole der vier Himmelsrichtungen eingelassen sind, betont. Auf den Altar bezogen - im Blickfeld
der Gemeinde - der Ambo mit seinem 'Doppelgesicht': Eine Buchauflage dient dem Vorlesen,
die andere dein Volke zugewandte, dient der feierlichen Präsentation des Wortes Gottes. Das ist
auch eine Frucht des Konzils: Neben dem 'Tisch des Brotes' sollte auch der 'Tisch des Wortes'
reichlich gedeckt sein. Symmetrisch dazu - auf der rechten Seite - befindet sich der Priestersitz,
der die Gegenwart des Hauptes der Kirche durch den zelebrierenden Priester symbolisieren soll.
In Verlängerung dazu nach Süden hat der Taufstein Aufstellung gefunden. Er steht im Angesicht
der Gemeinde und will die Taufe als grundlegendes Eingliederungssakrament betonen; er will
uns ferner allsonntäglich an unseren Taufbund erinnern. Nicht von ungefähr wird der eigentliche
zentrale Raum durch ein Oktogon = Achteck gebildet. Das Oktogon ist religionsgeschichtlich ein
kosmisches Symbol (Windrose). Im Christentum gilt es als Symbol der Auferstehung. Die frühen
Christen sprechen vom 8. Schöpfungstag (Am 7. Tag - Sabbat ruhte Gott, am 1. Wochentag
stand er von den Toten auf.). Es ist deshalb kein Wunder, wenn die ersten Baptisterien (Taufkirchen) achteckig gebaut wurden. Das erste ist auf Betreiben des Hl. Bischofs Ambrosius von
Mailand im 4. Jahrhundert errichtet worden.
Das für mich vollkommenste Bauwerk, der Felsendom in Jerusalem, der an der Stelle des Allerheiligsten errichtet ist, trägt den Grundriss des Oktogons. Auch im Buddhismus ist das Achteck
eine Symbolgestalt. Es verkörpert die mystische Lotusblüte als Sinnbild göttlicher Erfahrungen.
So dürfen auch wir überzeugt sein, dass die oktogonale Gestalt des Kirchenraumes der optimale
Ort christlicher Gottesbegegnung sein kann.
Im Osten öffnet sich das Oktogon zu einer kleinen Apsis, die ihre Entsprechung schon im Pfarrheim hat. Wir stellen uns damit bewusst in die Tradition der lateinischen Anbetungsfrömmigkeit,
wie sie seit dem hohen Mittelalter in unserer Kirche gewachsen ist. Durch die eucharistische Gegenwart des Herrn erhält die Kirche eine besondere Qualität als Ort der Anbetung. Das Rundfenster im oberen Teil des Apsis wartet noch - wie die anderen Fenster - auf eine
Kunstverglasung.
Die äußerliche Architektur macht deutlich, dass das Oktogon in ein Quadrat eingebunden ist, das
an seiner Südostecke abgeschnitten ist. Das Quadrat vermittelt den Eindruck der Ruhe und Vollkommenheit. Die abgeschnittene Ecke macht deutlich, dass es nichts vollkommenes auf dieser
Welt gibt, auch nicht in der Kirche Gottes. Im Zusammenklang mit dem Oktogon bewirkt der
ganze Baukörper den Eindruck hoher architektonischer Plausibilität. Der abseitsgestellte Kirchturm konkurriert im guten Sinn mit dem Zentralbau. Er sorgt für die nötige Spannung zwischen
horizontalen und vertikalen Kräften. Er prägt den ganzen Stadtteil, indem der dem Vielerlei der
Bebauung auf der Lieth ein Gesicht gibt.
Das Quadrat hat nicht nur ästhetische Funktion, es schenkt uns notwendige Räume. Da ist zunächst der Umgang. Er dient der Bewegung im Raum. Außerdem ist er die stille Platzreserve für
überfüllte Gottesdienste. An der Nordwestseite befindet sich das Sprech- und Beichtzimmer, an
der gegenüberliegenden Südwestseite die Marienkapelle. Sie eröffnet an Werktagen den Zugang
zu den Gottesdiensten und während des Tages den Zutritt zur Kirche, die durch ein Gitter abgesperrt sein muss. An der Nordostecke befindet sich eine Doppelsakristei (Priester und Messdiener). Davor befindet sich eine große Nische, in die einmal die Orgel eingebaut werden wird.
Ich glaube, wir haben allen Grund, uns über diese Kirche zu freuen. Wir bedanken uns beim Architekten, Herrn Dr. Ludes, bei dem betreuenden Architekten Herrn Waltert, bei den ausführenden Baufirmen-, wir danken Herrn Diözesanbaumeister Dr. Ruhnau vom Erzbischöflichen
Generalvikariat für seine Begleitung und Herrn Rasche für seine künstlerische Arbeit; nicht zuletzt gilt unser Dank den vielen Spendern, die das Werk erst ermöglichten.
Den Dank an den Geber aller Gaben können wir am besten in der Eucharistiefeier zum Ausdruck
bringen, wenn heute unser Erzbischof, Dr. Johannes Joachim Degenhardt dieses Gottes- und
Menschenhaus seiner Bestimmung übergeben wird.