VersWissStud Bd. 4 - Versicherungsreform

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VersWissStud Bd. 4 - Versicherungsreform
Verbraucherpolitische Informationen und Forderungen
von H a n s D i e t e r M e y e r , Hamburg*
A. Einleitung
Ein Jahr EURO-Versicherungswesen - Bilanz aus Verbrauchersicht . . . . . 159
B. Die Problematik der Verbraucher-Information im Versicherungswesen . . . 162
I. Die einzelnen Verbraucher-Informationsbereiche
im Versicherungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
1. Ein Bündel Informationsprobleme in unterschiedlichen
Bedarfsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
2. Probleme der Information über das Leistungsbündel Versicherung . . 166
II. Möglichkeiten und Vorhandensein von Informationen / Informanten . . 167
1. Provisionsgesteuerte Vermittler sind keine Informanten . . . . . . . . . . 167
a) Gewinnorientierte Provisionssteuerung der Vermittler . . . . . . . . . . 168
b) Aufklärungspflichten der Vermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
c) Versicherungsspezifische Vertrauenshaftung, Haftung für c.i.c.
und Beweisprobleme der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
2. Medienprobleme und Medienversagen
bei der Versicherungsinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
3. Gerichtlich zugelassene Versicherungsberater als Informanten . . . . . 176
4. Verbraucherorganisationen als Informanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
III. Fehlende Informations-/Wettbewerbsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 177
IV. Wettbewerbsversagen und Verbraucher-Informationsprobleme
als Ursache für staatliche Versicherungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
C. Die (Nicht)Verbraucherinformation nach § 10 a VAG und § 5a VVG . . . . 182
I. § 10a VAG begründet keine privatrechtliche Informationspflicht . . . . . 183
*
Ich danke den Mitarbeiterinnen des Bundes der Versicherten, Frau Gunda Drewke und Frau
Annette Göhren, für ihre Mitarbeit und Unterstützung, insbesondere für die Erstellung der Druckvorlagen zu diesem 4. Band der Versicherungswissenschaftlichen Studien.
1
II. Unklare Gesetzesformulierungen als Ursache für Mißverständnisse
um Zweck und Rechtsnatur der Verbraucherinformation . . . . . . . . . . . 186
III. Entstehungsgeschichte des § 5a VVG (Widerspruchsrecht) und
Einflußnahme der Branchenlobby auf die Gesetzgebung . . . . . . . . . . . 193
IV. Probleme aus § 5a VVG i.V.m. § 10a VAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
1. Eingeschränkte Eingriffsbefugnisse des Bundesaufsichtsamtes . . . . . 198
2. Keine Rechtzeitigkeit der Verbraucherinformation . . . . . . . . . . . . . . . 200
3. Widerspruch zwischen § 5a VVG und § 2 AGBG . . . . . . . . . . . . . . . 203
4. Verhältnis von § 5a VVG zu § 5 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
5. Weitere Probleme aus § 5a VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
V. § 5a VVG ist verfassungs- und EG-rechtswidrig . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
D. Verbraucherpolitische Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
I. Notwendige Rahmenbedingungen für Verbraucherinformationen . . . . 211
1. Informationen über den Vorsorgebedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
2. Informationen über Bedarfsdeckungsmöglichkeiten durch
„prospektartige“ Verbraucherinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
3. VVG-Reform - Informationen zur Versicherungsbedarfsdeckung . . . . 216
a) VVG-Regeln zum Kern-/Baustein-Versicherungsschutz ersetzen
weitgehend Informationen zur Bedarfsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . 216
b) Informationen zur Bewertbarkeit von Versicherung, Geldanlage
und Versicherungsdienstleistungen erst nach ihrer Trennung . . . . . . 218
aa) Informationen zur Beitragsgerechtigkeit von Versicherungen
erst nach Abtrennung der verbundenen Dienstleistungen und
Sparvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
bb) Wettbewerbsgerechte Informationen zu mit Versicherung
verbundenen Dienstleistungen erst nach deren
Abtrennung von Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
4. Reform der RechVersV - Informationen über die finanzielle Lage von
Versicherungs-Dienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
5. Informationen durch die staatliche Versicherungsaufsichtsbehörde . . . 226
6. Verbesserung der Vermittler-Informationen durch Haftungsdruck
und durch ein Verbot nicht bedarfsgerechter Vermittlung . . . . . . . . . . 227
II. Verstärkte Inhaltskontrolle von Versicherungsbedingungen . . . . . . . . . 229
E. Laufende und geplante BdV-Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
2
F. Anhang (Verbraucherinformationen, Bedingungen, neue bzw. wichtige
Gesetzesbestimmungen zu VAG, VVG, HGB, RechVersV) . . . . . . . . . . . . 236
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A. Einleitung
Ein Jahr EURO-Versicherungswesen - eine Bilanz aus Verbrauchersicht.
Das Fehlen grundsätzlicher Untersuchungen über „Wettbewerb im Versicherungswesen“, über das „Wesen des Versicherungsvertrages“ und über die „Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen“ hat auch beim Übergang vom nationalen in das EURO-Versicherungswesen dazu geführt, daß sich - für den Verbraucher nachteilige, für die Unternehmen vorteilhafte - Entwicklungen fortsetzen und
sogar noch verstärken.1 Es gibt weiterhin - wegen der ungeregelten Vertrags- und
Vermögensverhältnisse2 - keine Markttransparenz3, aber auch keine Vertragstransparenz4 und keine Bilanztransparenz5. Diese strukturellen Mängel waren Ursache und
Grundlage für eine staatliche Versicherungsaufsicht. Diese ist jetzt im Zuge der „Deregulierung“ eingeschränkt worden,6 weil die EG-Kommission die Vorabkontrolle
und -genehmigung von Tarifen und Bedingungen durch die Aufsichtsbehörde als
Behinderung des Wettbewerbs angesehen und dementsprechend durch Richtlinien
beseitigt hat. Als „Kompensation“7 dafür wurde eine verstärkte Information der
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Wenning, Aufsicht, Wettbewerb und Verbraucherschutz in der deutschen Lebensversicherung nach
der EU-Liberalisierung 1994, VVW Karlsruhe 1995 S. 1, stellt für den Bereich der Lebensversicherung fest, daß Verbraucherschutzdefizite unverändert weiterbestehen bzw. neue hinzukommen.
Siehe hierzu H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 203 m.w.N.; ders, ZRP 1990, 424 m.w.N.
Fahr, VersR 1992 S. 1046 f.; Schwark, VersWissStud (Bd. 1) S. 16; Möllhoff, VersWissStud (Bd. 1)
S. 64; Schmidt-Salzer, VersR 95, 1261 (1268); Hohlfeld (Präsident des BAV), VersR 1993, 146;
Taupitz in d. Bd. S. 109 und VersR 1995, 1127; Helten, VW 1995, 1460; Odersky (Präsident des
BGH), VW 96, 15. - Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.9.95: „Marktkampf der Autoversicherer In diesen Tagen überschlagen sich die Autoversicherer mit der Ankündigung neuer Tarife. Für den
Versicherungskunden wird es von Tag zu Tag schwerer, die für ihn günstigste Versicherungsgesellschaft ausfindig zu machen.“
Odersky a.a.O. S. 15, spricht von einem Verlust der Transparenz in zweifacher Hinsicht: „Es geht
hier nicht nur um die Überschaubarkeit der Märkte, sondern auch um die Transparenz des einzelnen
Versicherungsvertrages.“
Siehe hierzu auch unten D I 4.
Es ist falsch, wenn behauptet wird, Verbraucherorganisationen hätten die Deregulierung gefordert im Gegenteil: Diese haben sehr wohl das Chaos z. B. in der Kfz-Versicherung vorhergesehen (vgl. H.
D. Meyer in VersWissStud Bd.1 S. 149) und eine wettbewerbsfördernde „Deregulierung durch Prämientrennung“ gefordert (siehe H. D. Meyer schon in ZRP 1990, 424). Die EG-Deregulierung im
Versicherungswesen ist dagegen das Werk von EG-Offiziellen, die weder das Wesen von Wettbewerb noch von Versicherung untersucht und nicht erkannt haben, daß es Wettbewerb um Versicherung nicht geben kann. Ohne Beschreibung und Preisangabe für die mit Versicherung verbundenen
Dienstleistungen der Unternehmen kann es auch hierzu keine wettbewerbsgerechten Informationen
und damit auch keinen Wettbewerb geben. Die EG/EU hat also den zweiten Schritt „Deregulierung“
vor dem notwendig ersten „Reform und Harmonisierung des Versicherungsvertragsrechts“ gemacht.
Renger, Stand, Inhalt und Probleme des neuen Versicherungsrechts, VersR 94, 753; Basedow, Vorwort zu VersWissStud (Bd. 2) S. 5; Fenyves, VW 1995, 1303. Schünemann, in ds. Bd. S. 60, spricht
von einem „Wechsel vom (Präventiv-)Aufsichts- zum (Verbraucher-)Informationsmodell“; Schimi-
Verbraucher angestrebt, die eine Vergleichbarkeit der künftig vielfältigeren Angebote herstellen soll.8 Dieses Ziel wurde in Deutschland verhindert durch eine nicht EGrichtlinienkonforme Regelung in § 5a VVG,9 nach der es hierzulande für das Zustandekommen eines Versicherungsvertrages genügen soll, wenn die Versicherungsunternehmen ihren „Versicherungsnehmern“ erst mit der Police die „Verbraucherinformation“ nach § 10a VAG und die Versicherungsbedingungen aushändigen. Ein
Vertrag soll nach dieser Bestimmung, die Mitte 1994 „in letzter Minute“10 in das
Versicherungsvertragsgesetz eingebracht wurde, sogar ohne die Überlassung der
Bedingungen an den Versicherten wirksam zustandekommen - wie in Zeiten der aufsichtsbehördlichen Tarif- und Bedingungskontrolle.11
Versicherungsunternehmen und Vermittlern bieten sich somit noch mehr Möglichkeiten als bisher, uninformierte Verbraucher mit falschen und zu teuren Versicherungen zu überrumpeln.12 Und es ist für die Gesellschaften weiterhin möglich,
anvertrautes Versichertengeld zu mißbrauchen, weil traditionelle Fehler in der Rechnungslegung der Unternehmen nicht erkannt, jedenfalls vom Gesetzgeber durch das
neue Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz nicht beseitigt worden sind.13 So werden
die Verbraucher auch in Zukunft viel Geld durch zu teure Versicherungen verlieren.
Und was das Schlimmste ist: Sie sind dabei nicht bedarfsgerecht versichert - mit er-
8
9
kowski, Verbraucherinformation, r+s 1/96 S. 1; Dörner/S. Hoffmann, Der Abschluß von Versicherungsverträgen nach § 5a VVG, NJW 1996, 153.
Erwägungsgrund 23 der EG-Richtlinie Leben 92/96/EWG, siehe unten C I und II; Reich, VersWissStud (Bd. 1) S. 39: „Der Grundsatz ,Information statt Regelung’ durchzieht die gesamte Struktur
der 3. Richtlinien.“
Siehe unten C III., IV und V.
10
Lorenz, Zum Abschluß eines Versicherungsvertrags nach § 5a VVG, VersR 95, 616, 617; Baumann, Versicherungsrecht nach der Deregulierung, VersR 96 S. 1, 3.
11
Lorenz a.a.O. S. 626, „§ 5a VVG rettet von der bisherigen Rechtslage, was richtlinienkonform zu
retten war.“ - Noch deutlicher das BAV, VerBAV 9/1995, S. 312: „Mit Einführung des § 5a VVG
wollte der Gesetzgeber den Versicherern die Möglichkeit einräumen, ihre bisherige Vertriebspraxis
beizubehalten.“ - Schimikowski a.a.O. S. 3, 5, und Fn. 27. - Tatsächlich hat die Branchenlobby die
bisherige Abschlußpraxis „gerettet“ und nach den Feststellungen aller Verbraucherorganisationen
auch „beibehalten“: Weitaus überwiegend werden weder beim Vertragsabschluß noch danach (vollständige) richtlinienkonforme Verbraucherinformationen gegeben. Und Versicherungsbedingungen,
die im Bereich von Kapital- und Krankenversicherungen weitgehend intransparent sind, werden allgemein erst mit der Police ausgehändigt. - Ähnliche Kritik auch von der Arbeitsgemeinschaft der
Verbraucherverbände durch Westphal in VW 1995, 542.
12
Viele sprechen in diesem Zusammenhang von der Gefahr von „Mogelpackungen“. Hohlfeld,
VersR 1993, 145; ders., Symposion AGBG und AVB, Die Entwicklung des Verbraucherschutzes bei
Versicherungsverträgen, Karlsruhe: VVW 1993, S. 59.
13
Schon die BT-Drucks. 9/1493 stellte im Jahre 1982 fest (S. 27): „Die Versicherer können Verluste aus anderen Bereichen, insbesondere aus dem Abschluß- und Verwaltungsbereich, mit den Überschüssen zu Lasten der Versicherten voll saldieren.“ - Das neue VersicherungsbilanzrichtlinieGesetz (abgedruckt in VerBAV 8/1994, S. 273 ff.) hat diesen Mißstand nicht beseitigt und gestattet
weiterhin überschußmindernde Abschreibungen von Kapitalanlagen aus Versichertengeld sowie das
„Saldieren“ von Verlusten im Dienstleistungsbereich mit überschüssigem Versichertengeld aus dem
Schaden- und Anlagebereich („Querverrechnung“).
5
heblicher Gefahr für Familienschicksale im Falle von Krankheit, Berufsunfähigkeit,
Unfall oder Tod!14
Allerdings kann der Wegfall der aufsichtsbehördlichen Bedingungsgenehmigung
aus Verbrauchersicht einen - von der EG offenbar unbeabsichtigten - Vorteil bringen: Die Gerichte müssen und können jetzt intensiver die Versicherungsbedingungen auf Transparenz und angemessenen Interessenausgleich untersuchen, weil Bedingungen und Geschäftspläne nicht mehr „staatlich genehmigt“ sind, sondern privatrechtlich vereinbart werden müssen. Und dabei wären die bisher üblichen Verweise auf geheime Geschäftspläne und gesetzliche Regelungen ein Verstoß gegen
das Transparenzgebot und als solche nicht mehr zulässig.15
Die Gerichte könnten theoretisch sogar viele Versicherungsverträge wegen gestörter Vertragsparität16 für unwirksam erklären. Denn nachdem der neue § 5a VVG
die Pflicht zur „Verbraucherinformation“ (§ 10a VAG) und zur „Vertrags- und Bedingungsinformation“ (§ 2 AGBG) quasi eliminiert hat,17 wird weiterhin ein erhebliches Informations-Ungleichgewicht zwischen Verbraucher und Vermittler bzw. Unternehmen bestehen - jetzt sogar noch ohne den Schutz der aufsichtsbehördlichen
Tarif- und Bedingungskontrolle.18 Und die Ausnutzung dieses ungleichen Wissensstandes durch Vermittler und Unternehmen könnte viele falsche Versicherungen
unwirksam machen.19
Die Entstehungsgeschichte des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes zur
„Verbraucherinformation“ und des § 5a des Versicherungsvertragsgesetzes zur
„Nicht-Verbraucher-Information“ sind ein weiteres Beispiel für einen übermächtigen
Branchen-Lobbyismus, dessen Einfluß dazu geführt hat, daß hier von einem eklatanten Gesetzgebungsversagen gesprochen werden kann. Mitursächlich für diese lobbygesteuerte Fehlentwicklung sind die - auch von der Wissenschaft - nie ernsthaft untersuchten Mißverständnisse um Wettbewerb und Versicherung. So herrscht Streit
darüber, ob es sich bei der „Verbraucherinformation“ um eine Vertragspflicht20 han14
15
18
6
H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 205.
Siehe unten D II.
16
BVerfG-Beschluß v. 19.10.1993, NJW 1994, 36; siehe H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S.
226, 234 f.; Bryde, in diesem Band, S. 66.
17
Nach dem neuen § 5a Abs. 2 VVG soll ein Versicherungsvertrag ohne Aushändigung der
Verbraucherinformation und der Versicherungsbedingungen ein Jahr nach Zahlung des ersten Beitrages wirksam zustandekommen.
§ 23 Abs. 3 AGBG gilt nicht mehr, s. u. C IV 3.
19
Die außergewöhnliche Belastung der „Abschlußopfer“, die durch die Ausnutzung ihrer Unwissenheit entsteht, liegt dabei nicht so sehr in den verlorenen oder überzahlten Beiträgen, sondern vielmehr darin, daß der nicht bedarfsgerecht vermittelte Versicherungsschutz für Witwen, Witwer, Waisen und Invaliden zu finanziellen Katastrophen führt.
20
Reichert-Facilides, VW 1994, 561; Präve, VW 1994, 556, 560, spricht von „vertragsrechtlicher
Natur“ und vom „Wesen einer vertraglichen Vereinbarung“; ders., VW 94, 556; Winkler von Mohrenfels, VersWissStud (Bd. 2) S. 45; Reich, VersWissStud (Bd. 1) S. 35, 41; Reifner, VersWissStud
(Bd. 2) S. 187.
delt oder um eine gewerberechtliche Informationspflicht21 (wie etwa die per Verordnung vorgeschriebene Preisangabepflicht), oder ob sie eine Doppelfunktion22 hat.
Diese Auseinandersetzung reduziert sich bei genauerer Untersuchung auf die Frage,
ob eine Verbraucherinformation mit dem Wettbewerb und der Auswahlentscheidung
des Verbrauchers zu tun haben soll oder - später - erst mit dem Vertrag und der Abschlußentscheidung.
B. Die Problematik der Verbraucher-Information im Versicherungswesen
Ein wesentlicher Baustein jedes dem Wettbewerb und dem Verbraucherschutz
verpflichteten Systems ist die sachgerechte und umfassende Information des Verbrauchers. Sie setzt ihn erst in die Lage, ökonomisch sinnvolle Entscheidungen zu
treffen und Marktchancen zu nutzen.23 Wegen vieler Besonderheiten im Versicherungsbereich ist eine wettbewerbsgerechte Information aber sowohl für Informanten
wie auch für informationssuchende Verbraucher so gut wie unmöglich.
In dem letzten Beitrag „Verbraucherpolitische Informationen“ im 2. Band dieser
Schriftenreihe24 wurden 10 Punkte als das „Besondere an Versicherung“ wie folgt
beschrieben: „Der Verbraucher ist (1) von unbekannten Gefahren bedroht und hat
(2) einen nicht spürbaren Bedarf an Information und Beratung (3) zur Erkennung (4)
eines künftigen, ungewissen und evtl. nie entstehenden Geldbedarfs, der (5) verschiedene Bereiche seines Vermögens betrifft und (6) nur durch den Beitritt und (7)
dauernde Beitragszahlungen in entsprechende Versichertengemeinschaften gedeckt
werden kann, die (8) einen - gemeinschaftlichen - Geldbedarf sowie (9) einen Bedarf
an marktwirtschaftlichen Organisationsdienstleistungen haben (Entwicklung von Bedingungen; Kalkulation, Einzug, Umverteilung und Verwaltung der Beiträge). Neben dem individuellen Informations-Bedarf und dem Geld-Bedarf (der individuell
ungewiß, gemeinschaftlich aber schätzbar ist) und dem OrganisationsdienstleistungsBedarf kommt bei kapitalbildenden Versicherungen noch (10) ein individueller Finanzdienstleistungs-Bedarf für die Geldanlage hinzu.
Im Zusammenhang mit Versicherung gibt es also gleich vier Bereiche,25 in denen
der einzelne Verbraucher seinen Bedarf erkennen und decken muß:
21
23
24
25
Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Empfehlung des Bundesrates, BT-Drucks. 12/6959
S. 134; BAV in VerBAV 8/1995 S. 283 ff.; Renger a.a.O. VersR 1994, 756; Schimikowski a.a.O. S.
2; so auch die hier vertretene Meinung.
22
Schwintowski, VersWissStud (Bd. 2) S. 17; ders. in VW 1995, 549 - Schwintowski (VersWiss
Stud a.a.O.) irrt aber, wenn er mit Renger (VersR 1994, 753, 754) annimmt, daß der Streit um die
Rechtsnatur der Verbraucherinformationen durch die Einfügung des neuen § 5a in das VVG gegenstandslos geworden sei. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Schwark, VersWissStud (Bd. 1) S. 16, 19, 21.
H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 208.
ähnlich Wenning a.a.O. S. 121, 166.
7
-
den Informationsbedarf zur Erkennung des Absicherungsbedarfs,
den Absicherungsbedarf selbst (Beitritt in verschiedene Versichertengemeinschaften),
- den individuellen Geldbedarf im Schadensfall und
- den Informationsbedarf über die Dienstleistungsangebote der Unternehmen.
Für alle Bereiche benötigt der Verbraucher Informationen für Fragen wie: „Was
wäre, wenn .... ich z. B. berufsunfähig werde ? - Wie würde sich das auf meine persönlichen Verhältnisse auswirken ? - Welche Versicherungsmöglichkeiten gibt es ? Wie hoch ist der Beitrag bei den einzelnen Versichertengemeinschaften ? - Wieviel
Geld brauche und erhalte ich im Versicherungsfall ? - Welche Unternehmen, Vermittler und Berater bieten welche Dienstleistungen zu welchen Preisen an?“ Der Anlaß, sich über den Versicherungsbedarf zu informieren, sind das Wissen
und die Angst, daß etwas Negatives passieren könnte (ein Brand, ein Unfall, Tod
oder Krankheit) - also etwas, was jeder gerne verdrängen möchte. Darüber, wie die
Absicherung gegen die finanziellen Folgen negativer Ereignisse, wie „Versicherung“
funktioniert, kann es keine Informationen geben, weil sich darüber noch nicht einmal
Gesetzgeber, Gerichte und Wissenschaft einig sind.26 So sind dem Verbraucher
„Versicherung“, die Notwendigkeit des Beitritts in eine Gemeinschaft, die verschiedenen Versichertengemeinschaften (z. B. für den Fall der Berufsunfähigkeit) und die
Deckung eines gemeinschaftlichen und individuellen Geldbedarfs nicht oder nur
sehr schwer zu erklären. Für den Verbraucher ist es außerdem schwierig, den Umfang des Absicherungsbedarfs (z. B. die Höhe einer erforderlichen privaten Berufsunfähigkeitsrente) zu ermitteln.27
Informationen über Dienstleistungsangebote im Versicherungsbereich gibt es nur
zur Tätigkeit von gerichtlich zugelassenen Versicherungsberatern, die ihre Honorarforderungen bekanntgeben. Versicherungsunternehmen, deren Vermittler und Versicherungsmakler geben dagegen für ihre eigentlichen Dienstleistungen keine Preise
an, sondern verstecken diese in einer ungeteilten Prämie.28
Das Informationsverlangen der Verbraucher ist sicherlich auch durch das
schlechte Image eingeschränkt, das die Versicherungsbranche und ihre Vertreter unstreitig besitzen.
Wieviel einfacher hat es da ein Verbraucher, wenn er einen Bedarf akut durch
Durst, Hunger, Schmerz empfindet und weiß, wie er ihn durch bekannte Produkte
bzw. Dienstleistungen decken kann ! - Deshalb für alle, die es bestreiten29 oder nicht
wahrhaben wollen: Versicherung und Sich-Versichern ist schon etwas Besonderes!
26
27
8
H. D. Meyer, ZRP 1990, 424; siehe auch unten D I 3.
vgl. Wenning a.a.O. S. 45, 48 f.
28
H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 203 m.w.N.; Schünemann, in diesem Bd. Seite 43, 61
m.w.N.; Taupitz in ds. Bd. S. 122 (zur Provision)
29
Baumann, Versicherungsrecht nach der Deregulierung, VersR 96, 1 S. 6 zitiert „Versicherungspraktiker“, die meinen, „wie im Sachgüterbereich könne und müsse der Versicherungsinteressent die
I. Die einzelnen Verbraucher-Informationsbereiche im Versicherungswesen
Wenn man sich vergegenwärtigt, daß Versicherungen - zwangsläufig - nur aus
Worten und Zahlen bestehen,30 dann ist leicht erkennbar, wie schwer die Information
in diesem Bereich ist - für die Anbieter, für die Medien, vor allem aber für die
Verbraucher. Dabei hat die Information im Versicherungswesen eine vielfach stärkere Bedeutung als in anderen Wirtschaftsbereichen, und zwar zeitlich verteilt über
mehrere Jahre in den unterschiedlichsten Informations-Phasen
- von der Bedarfsweckung (allgemeine Aufklärung)
- über die Bedarfserkennung (Information über Bedarfsdeckungsmöglichkeiten)
- über den Angebotsvergleich (Markt- und Rechnungslegungs-Transparenz)
- über den Vertrag (Bedingungs-Transparenz)
- bis hin zu Informationen während der Laufzeit des Vertrages.
1. Ein Bündel Informationsprobleme in unterschiedlichen Bedarfsbereichen
Das Besondere an Versicherungen sind vor allem die Ungewißheit des Schadeneintritts und Schadenumfangs sowie die Tatsache, daß der einzelne für größere
Schäden nicht alleine vorsorgen kann. Wenn sich ein Verbraucher - angeregt durch
Berichte in den Medien oder Ereignisse im Bekanntenkreis - Gedanken über seinen
Absicherungsbedarf macht, ist es sehr schwer für ihn, die ihn individuell bedrohenden Gefahren und seine Risiken zu bewerten, zumal in vielen Bereichen bereits gesetzlich vorgeschriebene Absicherungen31 bestehen. Wegen dieser überwiegend vorhandenen Grundabsicherung und der Ungewißheit der Zukunft werden die - meist
als unmöglich angesehene - Information und damit auch wichtige Versicherungsentscheidungen in der Regel aufgeschoben unter dem beruhigenden Vorwand, es werde
schon nichts passieren.
verschiedenen Versicherungsprodukte miteinander vergleichen und im Hinblick auf das jeweilige
Preis-/Leistungs-Verhältnis bewerten“. Auch Baumann sieht diese Meinung als falsch an (a.a.O.):
„Damit werden die vielfach erörterten Unterschiede zwischen den verschiedenen Produkten und
Märkten negiert.“ - Krauss in d. Bd. S. 127 erkennt dagegen das „Besondere“ an.
30
Schlossareck, Ansprüche des Versicherungsnehmers aus culpa in contrahendo, Karlsruhe VVW,
1995, S. 230: „Die Massenware ,Versicherung’ ist mit einem entscheidenden Problem behaftet: man
kann sie weder sehen noch greifen.“
31
Insbes. für Arbeitnehmer im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung (Hinterbliebenen-,
Berufsunfähigkeits- und Berufsunfall-Renten, Krankenversicherung).
9
Eine weitere Besonderheit ist, daß zwischen Versicherung und dem angestrebten
Erfolg (Versicherungsleistung) - zwangsläufig - eine zeitliche Spanne liegen muß.32
Es findet kein erkennbarer Leistungsaustausch bei Vertragsschluß statt. Der Absicherungsbedarf muß lange vor dem angestrebten Ziel „Geldzahlung im Versicherungsfall“ geweckt und befriedigt werden.33 Während ein Großteil der Verbraucher
in vielen Bereichen des täglichen Lebens relativ genaue Vorstellungen über die vorhandenen Angebote zur Deckung seines Bedarfs und deren Preis-/Leistungsverhältnis hat, muß der - allenfalls diffus empfundene - Versicherungs-Bedarf erst
einmal durch Informationen über die vorhandenen Versicherungsmöglichkeiten konkretisiert werden.34 Wer z. B. noch nie etwas über eine Risiko-Lebensversicherung
erfahren hat, sieht für die Absicherung seiner Familie als einzige BedarfsdeckungsMöglichkeit die von der Branche heftig umworbene und dadurch allgemein bekannte
Kapital-Lebensversicherung. Das gleiche gilt für Falschinformationen. Wird z. B.
die Öffentlichkeit nicht ausreichend oder falsch über die Vorteile der Risikoversicherung und Nachteile der Kapitalversicherung aufgeklärt, kann durch die Branchenwerbung ein falscher Bedarf an Kapital-Lebensversicherungen geweckt werden.35
Versicherung ist ein komplexes Problem.36 Der Bedarf wird von vielen Faktoren
bestimmt - von den persönlichen Verhältnissen, von der Lebensplanung, von der
Mentalität des einzelnen. Dabei müssen Prioritäten im Rahmen des Haushaltsbudgets gesetzt werden. Denn Geld, das für unwichtige Versicherungen ausgegeben
wird, aber das Budget ausschöpft, steht nicht mehr für bedarfsgerechte Versicherungen zur Verfügung. Eine Verteilung des Versicherungsbudgets ist aber erst nach entsprechender Information über die Beiträge der infragekommenden Versicherungen
32
Vgl. Wenning a.a.O. S. 46
Nur ein gesunder Mensch kann seine Familie für den Fall seines Todes absichern. Ein Kranker
wird nicht mehr in die Versichertengemeinschaft aufgenommen. Der Absicherungsbedarf wird also
nicht - wie Hunger, Durst, Schmerz, Reiselust - akut empfunden. Wenn er - z. B. durch eine schwere
Krankheit - erkannt wird, ist er durch Versicherungen nicht mehr zu decken. Daraus wird auch deutlich, daß „Versicherungen“ sich in der Regel über lange Zeiträume erstrecken (was kein Argument
dafür ist, sich über lange Zeiträume an eine Gesellschaft zu binden).
34
Ähnlich Fricke, VersR 1995, 1136: „Dem Durchschnittskunden fehlen die notwendigen Kenntnisse zur Beurteilung von Bedarf und Produkt.“ - Ludwig (Vorstand R + V Versicherungen), Vergütungssysteme in der Versicherungswirtschaft im Spannungsfeld zwischen Anbieter, Vermittler und
Verbraucher, Karlsruhe: VVW 1994 (Münsteraner Reihe, H. 22) S. 8: „Dem Kunden ist in aller Regel seine individuelle Risikolage und Bedarfssituation nicht hinreichend transparent und bewußt.“ vgl. auch Taupitz in diesem Bd. S. 116.
35
Durch diese Versicherungsart können aber Familien nicht bedarfsgerecht abgesichert werden,
weil eine ausreichende Familienversorgung mit den dafür erforderlichen Todesfallsummen wegen des
angehängten Sparvorganges nicht bezahlbar ist. Eine junge Familie mit kleinen Kindern muß i.d.R. einschließlich Ausbildung der Kinder - mit mindestens 300.000 DM Versicherungssumme abgesichert werden, was über eine Risikoversicherung einen Jahresbeitrag von 600 bis 1.000 DM erfordert,
über eine Kapitalversicherung annähernd 10.000 DM (die eine normale Familie nicht bezahlen kann).
vgl. Wenning a.a.O. S. 167.
33
36
10
möglich. Und diese komplexe Informationsgewinnung ist wiederum erschwert dadurch, daß viele Versicherungsbeiträge risiko- und personenbezogen sind und erst
durch eine individuelle Angebotseinholung und nach einer entsprechend „vorgelagerten Risikoprüfung“ 37 in Erfahrung gebracht werden können.
Die „Informationslust“ der Verbraucher wird in Deutschland außerdem erheblich
eingeschränkt durch die langfristige Knebelung der Versicherten an Kapitalversicherungen (wegen des niedrigen Rückkaufswertes bei vorzeitiger Kündigung), an private Krankenversicherungen (wegen der Nichtübertragung der angesparten Alterungsrückstellungen bei einem Versichererwechsel) und an nicht kündbare Zehnjahresverträge.38 Auch die staatliche Versicherungsaufsicht über das Versicherungswesen hat
dazu beigetragen, daß die Verbraucher meinen, in diesem Bereich müsse alles in
Ordnung sein, Versicherungen würden bei allen Unternehmen in etwa gleich sein
und deshalb auch das gleiche kosten. Man brauche sich deshalb nicht besonders zu
informieren.
2. Probleme der Information über das „Leistungsbündel Versicherung“
Zu dem „Bündel an Informationsproblemen“ im diffusen Versicherungs-BedarfsBereich kommt noch hinzu, daß der Verbraucher einem intransparenten „Leistungsbündel Versicherung“ gegenübersteht, das wegen fehlender Beschreibung der einzelnen Leistungen und wegen der Nichtangabe von Preisen für die allein austauschbaren Dienstleistungen der Unternehmen wettbewerbsgerechte Auswahlentscheidungen unmöglich macht.39
Auch hierzu wurde im letzten Beitrag „Verbraucherinformationen“ im Band 2
dieser Schriftenreihe dargestellt, daß Versicherung weder ein Produkt noch eine
Dienstleistung ist, und daß Versicherungsprämien keine Preise sind.40 Versicherungsunternehmen bieten im Grunde „Versicherung“ als Leistung einer Versichertengemeinschaft an - als „Einkommensumverteilung“,41 die mit eigenen Organisations-Dienstleistungen des Unternehmens verbunden ist (Kalkulation, Verwaltung,
Geldanlage, Absatz usw.). Dieses Leistungsbündel ist aber für den Verbraucher weder erkennbar noch bewertbar, weil die Leistung der Versicherten „Beiträge für
37
38
40
Schlossareck a.a.O. S. 1.
H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 203, 204, 218 ff.
39
Siehe unten D I 3; Reifner, VersWissStud (Bd. 2) S. 187: „Die wichtigsten Prinzipien des allgemeinen marktmäßigen Verbraucherschutzes sind die Transparenz insbesondere von Finanzdienstleistungen sowie die Rationalität der Entscheidungsfindung.“
H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 203, 207 ff. m. w. N.
41
Statistisches Bundesamt, Die Versicherungsunternehmen in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, Wirtschaft und Statistik, 1970, Heft 7, 331 ff. (zitiert bei H. D. Meyer in VersWissStud,
Bd. 2 S. 209, Fn. 17).
11
Schadenzahlungen“ und die „Dienstleistungen“ der Unternehmen miteinander vermengt sind. Dementsprechend sind auch die einzelnen Prämienbestandteile nicht
identifizierbar. Tatsächlich erhält der Versicherte keine Informationen darüber, wie
hoch sein eigentlicher Versicherungsbeitrag für den von der Versichertengemeinschaft erbrachten Schadenausgleich ist, und was die Dienstleistungen des Unternehmens und ihrer Vertreter kosten. Bei der Kapital-Lebensversicherung kann er außerdem trotz größtmöglicher Informationsanstrengungen nicht erkennen, welcher Anteil
seiner Prämie für ihn mit welcher Rendite angelegt wird.42 Im Bereich der privaten
Krankenversicherungen wird dem Interessenten nicht angegeben, welcher Teil der
Prämie für ihn als Alterungsrückstellung angespart wird. Wegen der Nichtangabe
dieser wesentlichen Daten ist - eigentlich unbestreitbar - Information, Vergleichen,
Auswählen, Entscheiden und damit auch Wettbewerb im Versicherungswesen von
vornherein unmöglich.
II. Möglichkeiten und Vorhandensein von Informationen / Informanten
Wenn viele Verantwortliche meinen, „am wichtigsten ist es, daß sich ein Versicherungsinteressent vor Abschluß eines Versicherungsvertrags möglichst umfassend
über den gewünschten Versicherungsschutz informiert“,43 dann übersehen sie, daß
sich keiner informieren kann, wenn es keine Informationsmöglichkeiten gibt. Am
wichtigsten ist also zunächst, daß sich ein Verbraucher bedarfs- und wettbewerbsgerecht informieren kann, daß es also entsprechende Informationsmöglichkeiten gibt.
Erst dann kann man sagen, es sei jedermanns Sache, sich zu informieren. Oder: Wer
sich nicht informiert, habe selbst schuld, wenn er am Ende falsch versichert ist oder
viel Geld verloren hat.
1. Provisionsgesteuerte Versicherungsvermittler sind keine Informanten
42
Claus, Aktuelle Probleme der Lebensversicherung, VerBAV 1980, 22 ff.: „Ein Dilemma läßt
sich nicht leugnen und auch nicht aus der Welt schaffen: Was eine Lebensversicherung tatsächlich
kostet, kann man stets erst im Nachhinein feststellen.“ - Fahr, VersR 1992 S. 1046, spricht von einem
„Wettbewerb der Propheten“. - Ähnlich Wenning a.a.O. S. 124.
43
Hohlfeld, Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (BAV), Symposion
AGBG und AVB, a.a.O. S. 49.- Ähnlich die Vorstellungen der EU, vgl. Roth, VersR 1993, 134:
„Insgesamt zeigt sich, daß die Rechtsprechung des EuGH sich am Leitbild des zur Information verpflichteten, mündigen Verbrauchers orientiert, an dem sich die Verbraucherpolitik der Mitgliedstaaten ausrichten muß.“ - Honsel (Allianz), Symposion AGBG und AVB, S. 132: „Nach dieser Rechtsprechung gilt als Leitbild des Verbraucherschutzes der aufgeklärte Verbraucher, der bereit ist, sich
mit den angebotenen Informationen umfassend vertraut zu machen.“ - Die Frage, welche (wettbewerbsgerechten) Informationen „angeboten“ werden, bleibt offen.
12
Unter den beschriebenen Umständen resignieren die meisten Verbraucher schon
bei ihren ersten Informationsversuchen. Sie werden dementsprechend uninformiert
von einem Vermittler „erwischt“ und ersetzen dann fehlendes Wissen durch Vertrauen.44 So ist der Versicherungsvermittler für viele Verbraucher die erste und meistens auch einzige Informationsquelle. Angeblich „berät“ er den Verbraucher zu seinem individuellen Bedarf, über konkrete Bedarfsdeckungsmöglichkeiten und über
bedarfsgerechte „maßgeschneiderte“ Angebote.45 Und dann „verkauft“ er dem
Verbraucher auch gleich noch die angeblich richtigen Versicherungen als „Produkte“, die seine Gesellschaft hergestellt hat.46
Im Zusammenhang mit dem Wegfall der aufsichtsamtlichen AVB-Präventivkontrolle ist verschiedentlich den Vermittlern im weitesten Sinne eine kompensatorische Rolle zum Ausgleich von Wissens- und Erklärungsdefiziten der Kunden zugeschoben worden.47 Die Devise „Ersetzung von Produktschutz durch Beratungsschutz“48 kann aber allenfalls für Versicherungsmakler gelten, die als „treuhänderähnliche Sachwalter“49 zu umfassender Aufklärung und Beratung des Versicherungs44
48
49
Schlossareck a.a.O. S. 185: Der Verbraucher wolle als wenig erfolgversprechend angesehene
(abstrakte) Lesearbeit vieler AVB und (unmögliche) Bedingungs- und Beitragsvergleiche nicht
durchführen und „vertraut sich ganz offenkundig dem ,Berater’ an“. - Beispiele für Werbesprüche in
der Versicherungsbranche: „Man vertraut uns“ (Hamburg-Mannheimer), „Ich vertrau’ der DKV“,
„Vertrauen Sie uns!“ (AXA). - Versicherungen werden allgemein als „Vertrauenssache“ und die Vertreter als „Vertrauensleute“ dargestellt, wobei mit der Werbung um „Vertrauen“ gleichzeitig das
Nichtwissen der Verbraucher (als Voraussetzung) eingestanden wird. - Vgl. auch Taupitz in ds. Bd.
S. 106 f.
45
Ludwig a.a.O S. 7: „Es ist die ureigenste Aufgabe des Versicherungsvermittlers, den potentiellen
Kunden zunächst zu informieren, dann dessen persönliche Risikosituation aufzuzeigen, ein entsprechendes Problembewußtsein zu entwickeln und daraus abgeleitet, den Bedarf nach entsprechender
Risikoabsicherung, d. h. nach Vorsorge via Versicherung, zu wecken. Nachdem der Vermittler dem
Kunden dessen individuelle Bedarfssituation transparent gemacht hat, überzeugt er den Kunden, daß abhängig von der jeweiligen Situation - bestimmte bedarfsgerechte Risikoschutz- und Vorsorgeprodukte erforderlich sind.“ - In der Branche bezeichnet man als Ziel dieser Vorgehensweise von Vermittlern: „Die Unterschrift muß beim ersten Besuch fallen.“ - Auch Fricke, VersR 1995, 1136 sieht in
der Bedarfsweckung und Bedarfsbeschreibung - traditionell - eine Aufgabe der Versicherungsvermittler, die in der Regel mit der Vermittlung verbunden wird.
46
Dieses von der Versicherungswissenschaft und Werbung verbreitete Klischee kommt der (noch)
herrschenden Vorstellung von „Versicherung“ als „Produkt“ und dem „Verkauf der unsichtbaren
Ware Versicherung“ gegen die „Prämie als Preis“ sehr nahe: Farny, Produktions- und Kostentheorie
der Versicherung, Karlsruhe 1965; in ds. Bd. Krauss S. 128, Taupitz S. 106 und Reichert-Facilides
(im Diskussionsbericht S. 269). - In Symposion AGBG und AVB: R. Schmid S. 30, Schirmer S. 85,
Honsel S. 116; Schmidt-Salzer, VersR 95, 1263; Schlossareck a.a.O. S. 5, 230; Schimikowski a.a.O.
r+s 1/96 S. 1. - Danach ist nicht verwunderlich, wenn der Verbraucher dem gleichen Irrglauben unterliegt. Tatsächlich findet kein „Verkauf“ eines von den Unternehmen hergestellten „Produktes“
Versicherung statt, vgl. Schünemann, in ds. Bd. S. 50, ders. BB 95, 417; ders. JZ 95, 430; ders. JUS
95, 1062; H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 203 m.w.N.
47
Baumann a.a.O. VersR 96 S. 1, 5; Wenning a.a.O. S. 129; Krauss in ds. Bd. S. 128, 140; Taupitz
in ds. Bd. S. 115.
Baumann a.a.O. S. 5; Taupitz in diesem Bd. S. 115.
BGHZ 94, 356, 359.
13
interessenten verpflichtet sind. Doch kommt in der Praxis die Beratungstätigkeit unabhängiger Versicherungsmakler in der Regel nicht für das Massengeschäft in Betracht,50 das zu 80 bis 90 Prozent durch firmengebundene Vertreter (Einfirmenvertreter) abgeschlossen wird.51 Mögliche Idealvorstellungen der Väter des europäischen Versicherungskonzepts über die verbraucherschützende Rolle von Maklern
(wie z. B. in England) werden in Deutschland jedenfalls nicht verwirklicht.52 Das hat
mehrere Ursachen.
a) Gewinnorientierte Provisionssteuerung der Vermittler
Die meisten marktbedeutenden Versicherungsunternehmen Deutschlands sind
(gewinnorientierte) Aktiengesellschaften und keine Vereine auf Gegenseitigkeit.
Viele deutsche Aktiengesellschaften haben die Ungeregeltheiten im Versicherungswesen und die Unwissenheit der Verbraucher zur Geschäftsgrundlage gemacht
nach der Devise „der erfolgreiche Vertriebsweg entscheidet eher als das richtige
Produkt oder der richtige Preis über den Erfolg“53 und Gewinn.
Ein Unternehmen, das - wegen der ungeregelten Vertrags- und Vermögensverhältnisse und wegen einer falschen Rechnungslegung - Prämien und selbst deren
Sparanteile wie Preise und Umsatz vereinnahmen kann, das also mit diesen Einnahmen beliebig hohe Kosten saldieren kann,54 das die Überschüsse aus dem Schadensausgleich als Gewinne einbehalten und Erträge aus dem Spargeld der Versicherten weitgehend beliebig verwenden und auch unbemerkt und ungestraft mißbrauchen
kann55 - ein solches Unternehmen wird verständlicherweise den Absatz solcher Ver-
50
51
52
55
14
Bundschuh a.a.O. S. 6.
Baumann a.a.O. S. 5; Taupitz in ds. Bd. S. 120.
Baumann a.a.O. S. 6; vgl. Sir Leon Brittan, zitiert bei Krauss in ds. Bd. S. 134.
53
Michaels, Präsident des Gesamtverbandes der Dt. Versicherungswirtschaft (GDV), VW 1993 S.
1489; vgl. auch Krauss in ds. Bd. S. 129. - Bei der Uninformiertheit der Verbraucher ist der Vertrieb
über psychologisch geschulte, provisionsgesteuerte Vermittler und Drücker erfolgreicher und gewinnbringender als das Angebot von bedarfsgerechten und günstigen Versicherungen. - Das neueste
Beispiel für mangelndes Bedarfsdeckungsinteresse von Aktiengesellschaften ist das Angebot einer
privaten Arbeitslosigkeitsversicherung vom Januar 1996, an das - wieder einmal (wie bei der Kapitallebensversicherung oder der Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr) - ein undurchsichtiger
Sparvorgang angehängt ist (für den Verbraucher unrentabel, für die Gesellschaft gewinnträchtig). Der
Versicherte spart über Jahrzehnte Beiträge mit einer Rendite von nur 2 bis 2,5 Prozent an, hat aber in
den ersten zwei Jahren keinen Versicherungsschutz und in den nächsten Jahren das ihm zustehende
private Arbeitslosengeld (abzügl. weiter zu zahlender Beiträge) mit seinen Beiträgen zunehmend,
nach insgesamt sechs Jahren sogar vollständig selbst angespart.
54
BT-Drucks. 9/1493 - Auch der BGH (VersR 1995, 77) spricht von „Spielräumen, Querverrechnungen, Niederstwertprinzip und stillen Reserven“, hält diese Vorgänge aber - trotz fehlender vertraglicher Vereinbarungen - für zulässig, weil sie „vom Gesetzgeber gebilligt“ seien.
Vgl. H. D. Meyer VersWissStud (Bd. 2) S. 238.
sicherungsarten fördern, die bei hohen Prämien56 oder durch einen angehängten
Sparvorgang57 hohe Gewinne zulassen. So zahlen die großen und teuren Versicherungs-Aktiengesellschaften für die Vermittlung besonders gewinnträchtiger Verträge
die höchsten Abschlußprovisionen, die am höchsten sind, wenn dem Versicherten
langfristige Laufzeiten untergeschoben werden.58 Und sie bzw. Vertriebsorganisationen führen zur Steigerung des Absatzes dieser Versicherungsarten Wettbewerbe
durch, indem sie Preise für besonders erfolgreiche Vermittler ausloben.59 Dadurch
wird ein möglicherweise vorhandenes Beratungsinteresse der Vertreter vom Provisionsinteresse überlagert und verdrängt mit der Folge, daß der Verbraucher bzw. seine
Familie nicht bedarfsgerecht, sondern gewinn- und provisionsorientiert versichert
wird.60 Diese Zusammenhänge machen deutlich, daß die großen und teuren Versiche56
57
59
Der Bund der Versicherten (BdV) hat bei fast allen großen Versicherungs-Aktiengesellschaften
im Bereich der Unfallversicherung Kosten- und Gewinnanteile von bis zu 80 Prozent der Prämien
ermittelt. Im Bereich der Insassenunfallversicherung zahlen viele Gesellschaften nicht einmal zehn
Prozent der Prämien für Versicherungsleistungen aus (der Rest sind Kosten und Gewinne).
So bei Lebens-, Unfall-, Arbeitslosigkeits und privaten Krankenversicherungen.
58
Der Abschlußzwang wird dadurch erhöht, daß es Abschlußprovisionen tatsächlich nur für die
Vermittlung eines Vertrages, nicht aber für einen erfolglosen Kundenbesuch gibt. - Obwohl sich bei
Meinungsumfragen alle Befragten gegen langfristige Vertragsbindungen ausgesprochen haben, bestehen immer noch Zigmillionen (unkündbare) Zehnjahresverträge mit doppelt und dreifach überteuerten Prämien. Der Bund der Versicherten hatte seine Mitglieder im November 1995 zum Abschlußverhalten bei Zehnjahresverträgen befragt - Ergebnis zu Allianz, Aachener & Müchener, HamburgMannheimer, R+V, Volksfürsorge, Colonia, Deutscher Ring und IDUNA NOVA): Nur ein einziger
(von fast 600) füllte den Antrag selbst aus. 86 % waren beim Abschluß die langfristige Bindung nicht
bewußt. 93 % haben erst später erkannt, daß die langfristig unkündbare Versicherung teuer ist. 55 %
konnten bisher nicht kündigen, 17 % haben aufgrund der neuen Rechtsprechung des BGH (VersR
1994, 1049) zu vorgedruckten Laufzeiten gekündigt.
Derartige „incentives“ reichen von Geldpreisen bis hin zum Gewinn von Autos oder Weltreisen.
60
Mercuri International Deutschland, München, in einer Presseinformation v. 3.5.95 über eine
Studie zur „Beratungs- und Verkaufsqualität der Finanzdienstleister“: „Am Bedarf vorbei - Provisionsinteressen statt Kundenorientierung - In 80 Prozent der über 450 ,Testkäufe’ fand keine kompetente, bedarfsorientierte Beratung statt. Besonders problematisch: das Angebot bei Lebensversicherungen.“ - Der Bund der Versicherten (BdV) beobachtete im Sommer 1995 mit „versteckter Kamera“
(SAT 1) Gespräche von Vertretern der Allianz, Aachener & Münchener, Hamburg-Mannheimer, R +
V, Victoria, Volksfürsorge und des Strukturvertriebs OVB. Die angeblichen „Beratungen“ gingen zu
100 Prozent am Bedarf vorbei. - Der BdV hat seit 1982 etwa 30.000 schriftliche Beratungen anhand
von Fragebögen durchgeführt, mit denen die Mitglieder neben ihrer persönlichen Situation ihre gesamten Versicherungen auflisteten (VU, Vers.-Summe, Laufzeit, Beitrag). Nicht einmal 5 Prozent der
Haushalte waren bedarfsgerecht versichert. Ähnlich erschreckende Ergebnisse dürften die Beratungen
der Verbraucherzentralen ausweisen. - Vgl. auch Taupitz in ds. Bd. S. 121, Fn. 56. - Ein Beleg für
gewinn- und provisions-, nicht aber bedarfsorientierte Versicherungsvermittlung waren die Vorgänge
in den neuen Bundesländern nach der Vereinigung, vgl. Wenning a.a.O. S. 129 f (auch 47 und 132
f.); Krauss in ds. Bd. S. 132, der aber - wie die EU - irrt, wenn er meint, derartige Mißstände könnten
durch eine bessere Ausbildung verhindert werden; - W. Müller, Die Eignung der Produktregulierung
für den Verbraucherschutz, VP 5/1992, S. 77 (82), stellt richtig fest, daß mit der Vertriebsgestaltung
„in allererster Linie Absatzziele der Versicherungsunternehmen und Einkommensziele der Vertreter
verfolgt werden, nicht jedoch der Beratungsservice im Interesse des Verbrauchers als eigenständige
Aufgabe wahrgenommen wird.“ -
15
rungs-Aktiengesellschaften wie auch ihre Vermittler und insbesondere „Drücker“
kein Interesse an Verbraucheraufklärung und Verbraucherinformation haben,61 und
daß sie sich auch gegen das EG-Vorhaben der Verbraucherinformation gewehrt haben.62
Der oft gepriesene „Versicherungsmarkt“ (den es schon deshalb nicht geben
kann, weil Versicherung kein Marktobjekt ist, der also nur ein Markt der Unternehmens- und Vermittler-Dienstleistungen sein kann) - dieser „Markt“ besteht in
Deutschland bei etwa 80 bis 90 Prozent aller Versicherungsabschlüsse tatsächlich
nur innerhalb eines Wohnzimmers63 oder innerhalb eines Büros aus zwei Personen:
einem Verbraucher und einem Vermittler, der ein abwesendes Unternehmen vertritt.
Informations-, Entscheidungs- und Abschlußfreiheit sind auf die vier Wände des
Zimmers beschränkt. In dieser räumlichen Enge und unter einem vom Vermittler
erzeugten Zeitdruck64 spielen sich fast immer alle Marktvorgänge ab: Bedarfsweckung, Risiko- und Bedarfserkennung sowie Bedarfsdeckung. Der Vermittler beherrscht so die „Information“ des bis dahin uninformierten Verbrauchers, kann dessen Entschlüsse entsprechend steuern und trifft die Versicherungsentscheidungen
letztlich selbst.65
Es findet also nicht - wie viele glauben,66 wie die Unternehmen in ihren Informationen und Bedingungen67 vorgeben und wie Vermittler immer wieder behaupten68 61
62
16
Die großen und teuren Versicherungs-AG’en führen im Gegenteil den Verbrauchern vor Augen,
wie kompliziert bzw. aussichtslos das Informieren über Versicherung ist, so die Zeitungsanzeige einer Versicherungs-AG, die einen informationssuchenden Familienvater sagen läßt: „Natürlich haben
meine Frau und meine Töchter, bald darauf auch meine Freunde und Bekannten mich belächelt. Ohne
Hilfe kommst du nie im Leben hinter diesen komplizierten Versicherungskram, wurde mir gesagt. Allein schaffst du den Durchblick nie, laß doch endlich so einen Versicherungstyp anreisen, riet mir
meine Frau immer wieder. Ich habe einsehen müssen, daß ein Laie allein diese Materie nicht erarbeiten kann. Das ist wirklich zu kompliziert. Bei diesem Stande meiner Überlegungen brachten mich
dann die Informationen eines Vertreters weiter.“
Siehe unten C. III.
63
Schlossareck, a.a.O. S. 2 (dort Fn. 7): „In der Branche scheint es nicht ganz unüblich zu sein,
daß Versicherungsvermittler unangekündigt und unaufgefordert bei potentiellen Versicherungskunden auftauchen.“ - Vgl. Reifner in ds. Bd. S. 141.
64
In Vermittler-, insbesondere in Drückerkreisen spricht man von der Devise: „Die Unterschrift
muß beim ersten Besuch fallen.“
65
So sind in Deutschland letztlich 90 % der Versicherungsverträge nicht nach der Idealvorstellung
der Väter des europäischen Versicherungskonzepts zustandegekommen, vgl. auch Taupitz in ds. Bd.
S. 120.
66
Schwintowski, VersWissStud (Bd. 2) S. 31; Hohlfeld, VersR 1993, 149; ders., Symposion
AGBG und AVB a.a.O. S. 149; Schlossareck, a.a.O. S. 45 u. S. 187; Taupitz in ds. Bd. S. 114 f.
67
Beispiele siehe Anhang I: „Kosten für Beratung ... werden Ihnen nicht gesondert in Rechnung
gestellt“, „Beratungsservice wird gebührenfrei geboten.“
68
Es wäre zu prüfen, ob u. U. nicht auch eine Haftung aus einem konkludent geschlossenen „Beratervertrag“ besteht.. Viele Vermittler (vor allem „Drücker“) nennen sich „Vermögensberater“, „Finanzberater“ oder (rechtswidrig) „Versicherungsberater“ und versuchen mit Ausbildungs-Zertifikaten
(z. B. einer Vermögensberater-Akademie) und Ausweisen (geprüfter Versicherungsfachmann, Mitglied im Bundesverband Dt. Vermögensberater) den Eindruck einer Qualifikation zu erwecken. Der
eine „Beratung“ statt. Im Vertrauen auf eine (vermeintliche) Beratung69 unterläßt der
Verbraucher in der Regel jede weitere Information und erkennt nicht, daß er durch
einen provisionsgesteuerten Vermittler zu teuer und dazu noch schlecht versichert
worden ist.70 Der Versicherte ist sogar nach dem Vertragsabschluß mit „seiner Versicherung“ zufrieden, wobei er nicht den Vertrag als solchen beurteilt (was er gar
nicht kann), sondern die Person des Vermittlers, der den Kontakt und das Vertrauen
oft unter Ausnutzung persönlicher Beziehungen (z. B. über einen Bekannten des
Versicherten) hergestellt hat.71
Baumann und Hübner weisen zutreffend darauf hin,72
- daß in Deutschland „ganz überwiegend, nämlich zu rd. 80 bis 90%, der Einfirmen- oder Ausschließlichkeitsvertreter das Geschäft bringt“,
- daß diese konzerngebundenen Vermittler „schon kraft ihrer vertraglichen
Bindungen keine verbraucherschützende Rolle im Sinne einer bestmöglichen
Auswahl im Versicherungsschutz einnehmen könnten und dürften“,
größte Strukturvertrieb Deutschlands, die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG), kann seinen
Drückern außerdem Fotos an die Hand geben, auf denen der Bundeskanzler Kohl den DVAG-Chef
Pohl ehrt. Hierzu DER SPIEGEL 23/95 S. 90: „Um sein Image aufzupolieren, hat sich der Herr über
Deutschlands größte Kloppertruppe illustre Namen für seinen Beirat eingekauft.“ - BdV-INFO 2/95
v. November 1995: „Als Zahlungsempfänger, Beiratsmitglieder oder Generalbevollmächtigte stehen
auf Pohls Liste: Die CDU und FDP, Minister Kanther, die Ex-Minister Wallmann, Dregger, Jahn
und Stoltenberg, FDP-Chef Gerhardt, Ministerpräsident Bernhard Vogel, Ex-EuropaParlamentspräsident Klepsch, Ex-Kanzlerberater Teltschik, ZDF-Chef Stolte, IHK-FrankfurtPräsident Niethammer ...“ - So können selbst Drücker das Mißtrauen der Verbraucher brechen mit
der Aussage: „Eine Vielzahl von Politikern steht hinter uns.“
69
Schlossareck, a.a.O. S. 186 und 188, stellt fest, daß den Versicherungsvertretern derartige Erwartungen entgegengebracht werden und auch entgegengebracht werden dürfen. „Schon das Reichsgericht hob in seiner Entscheidung vom 30. März 1900 hervor, der Versicherungswillige dürfe und
müsse auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Belehrung durch die Agenten vertrauen.“
70
Er verliert nicht nur viel Geld, sondern er bzw. seine Familie haben in einem Unglücksfall - z. B.
bei Tod oder Invalidität - nicht den erwarteten Schutz. Zum Glück werden nur sehr wenige in dieser
Weise betroffen. Doch selbst dann stellt sich oft noch nicht einmal die Erkenntnis ein, falsch „beraten“ und versichert worden zu sein. Witwen freuen sich oft noch über eine „zum Glück“ abgeschlossene Kapital-Lebensversicherung des Mannes mit einer Versicherungssumme, die in kurzer Zeit aufgebraucht ist. Sie erfahren nicht, daß sie mit einer Risiko-Lebensversicherung bei wesentlich niedrigeren Beiträgen um ein Vielfaches besser versorgt gewesen wären.
71
R. Schmidt, Symposion AGBG und AVB, a.a.O. S. 32: „Der Versicherungsvertreter ist das personelle Substrat der notwendigen Vertrauensbeziehung zum Versicherer.“ Auf S. 38 stellt Schmidt
eine Meinungsumfrage des Instituts Allensbach aus dem Jahre 1992 dar: Mit der Betreuung durch
den Versicherungsvertreter waren in den alten Bundesländern „sehr zufrieden“ 20% (in den neuen
Bundesländern 11 %), „zufrieden 51 % (41 %), „es geht“ 25 % (35 %). Schmidt räumt allerdings auf
S. 39 ein: „Diese Zahlen bedürfen sorgfältiger Analyse.“ - Eine solche Analyse kann nur zu dem Ergebnis kommen, daß die Umfrage wertlos ist, weil der Normalverbraucher die „Leistung“ seines Versicherungsvertreters wie auch seine Versicherungen nicht objektiv beurteilen und bewerten kann,
sondern allenfalls emotional empfindet.
72
Baumann, a.a.O. VersR 96 S. 5; Hübner, Auswirkungen de Deregulierung des Aufsichtsrechts
auf den Versicherungsbetrieb, Mannheimer Vorträge H. 60 1994 S. 8 ff.
17
und für Deutschland „die vielfach - auch von der EU73 - vertretene Prämisse
nicht zutreffe, daß entscheidende Funktionen zum Schutze der Versicherten
von den Versicherungsvermittlern wahrgenommen würden“.74
Mit Taupitz75 ist festzustellen, daß „die bisherige Organisation des Versicherungsvertriebs (ob gewollt oder nicht, sei einmal dahingestellt) zu Uninformiertheit
und Unsicherheit beim Verbraucher führt. Die Unsicherheit des Verbrauchers bei der
Auswahl einer Versicherung wird angesichts der europäischen Deregulierung zu
einem noch größeren Problem werden, als es bisher schon war - Fluch und Ohnmacht für den Unwissenden, der nicht erkennen kann, ob das Angebot etwas taugt.“
-
b) Aufklärungspflichten der Vermittler
Es ist grundsätzlich jedermanns eigene Sache, sich zu informieren. Aber Schlossareck76 hat recht, daß „Umstände zutreffend zu erläutern sind, die für den Entschluß
einer Seite bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennbar von
Bedeutung sind“, und daß sich die Frage danach, ob und in welchem Umfang Erklärungen nur auf ausdrückliche Aufforderung oder unabhängig von seiner solchen abzugeben sind, nicht für alle Bereiche einheitlich und pauschal beantworten läßt.77 Für
den Versicherungsbereich gilt die Besonderheit, daß jeder Vermittler einerseits die
fundamentale Unwissenheit des Verbrauchers über seinen Bedarf und andererseits
die entsprechenden Bedarfsdeckungsmöglichkeiten und die große Bedeutung des
richtigen Versicherns von Familien für die Fälle von Krankheit, Berufsunfähigkeit,
Unfall und Tod kennt. Er weiß auch, daß der Verbraucher gerade bei der unkörperli-
73
75
76
18
Empfehlung 92/48/EWG Abl. Nr. L 19/32 v. 28.1.92, 1. Erwägungsgrund; vgl. Taupitz in ds.
Bd. S. 115. - Es wird allseits übersehen, daß die EG/EU nicht den deutschen Versicherungsvermittler
als Helfer der Verbraucher vor Augen hatte, sondern den englischen Versicherungsmakler und die
ganz anderen englischen Verhältnisse; vgl. die Aussage von Sir Leon Brittan (oben Fn. 52) und unten
Fn. 117.
74
R. Schmidt, Symposion AGBG und AVB, a.a.O. S. 39, unterliegt insoweit einem gravierenden
Irrtum, wenn er meint, daß die „persönliche Beziehung zum Versicherungsvertreter in Deutschland
eine der wichtigsten Grundlagen des Versicherungskonsumentenschutzes“ darstelle.
Taupitz, in ds. Bd. S. 109.
Schlossareck a.a.O. S. 29 u. 30.
77
Ähnlich Baumann a.a.O. VersR 96, S. 1, 6 f., der von einem „Negieren der vielfach erörterten
Unterschiede zwischen den verschiedenen Produkten und Märkten“ spricht, von einem Erreichen der
„Grenzen der mentalen Verarbeitungsfähigkeit“ und von einer „völligen psychologischen und intellektuellen Überforderung der Versicherungsinteressenten“, wenn Versicherungspraktiker eine Aufklärung nicht für erforderlich halten: „Summa summarum ist unter den verschiedensten Aspekten
durchaus ins Kalkül zu nehmen, daß der BGH Aufklärungspflichten der Versicherer nach den
Grundsätzen der culpa in contrahendo annehmen dürfte.“
chen und unbegreifbaren Versicherung ohne erkennbare Leistung und ohne erkennbaren Leistungsaustausch gar nicht wissen kann, wonach er fragen soll.78
c) Versicherungsspezifische Vertrauenshaftung, Haftung aus c.i.c.
und Beweisprobleme der Verbraucher
Die Vermittler konnten bisher weitgehend „ungefährdet“ die notwendige Aufklärung unterlassen, auch falsch informieren und nicht bedarfsgerechte Verträge abschließen.79 Es gibt zwar eine versicherungsspezifische Vertrauenshaftung80 und die
Gerichte haben die „Haftungsschraube für Falschberatungen spürbar angezogen“81.
Doch besteht für Versicherungsunternehmen und ihre Vermittler praktisch kein Haftungsdruck, weil das Fehlverhalten des Vertreters in der Regel in Ermangelung qua-
78
79
Schlossareck a.a.O. S. 232 erkennt richtig, daß es sich hier um „bestimmte, so nur im Versicherungsbereich vorkommende Situationen handelt“, und (S. 184) daß die Aufklärungspflicht nicht nur
einen Wissensvorsprung des Pflichtigen erfordere, sondern zugleich die Aufklärungsbedürftigkeit des
Berechtigten. Diese sei im Versicherungsbereich hinsichtlich der (uninformierten) Verbraucher unbestreitbar. - Bundschuh (Richter am BGH) Symposion AGBG und AVB, S. 7: „Mußte sich der Versicherungsnehmer nicht zu Nachfragen veranlaßt sehen, so greift bei verbleibenden Auslegungszweifeln zu Lasten des Versicherers die Unklarheitenregel des § 5 AGBG ein (BGH VersR 1989, 908 unter II).“
Siehe oben Fn. 60; vgl. Wenning a.a.O. S. 130, 167 f.
80
Schlossareck a.a.O. S. 11, 65, 189 f., 227 ff.: Die versicherungsrechtliche Vertrauens- bzw. Erfüllungshaftung ist etwas anderes als die verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung aus c.i.c. (z.
B. den Verhandlungs- bzw. Vertragspartner bei Nichtzustandekommen des Vertrages so zu stellen,
als sei er nie in Vertragsverhandlungen eingetreten). Die Besonderheit der Fälle aus dem Bereich des
Versicherungsvertragsrechts liegt darin, daß die culpa in contrahendo dem Geschädigten nicht weiterhilft, obwohl das erforderliche Verschulden des eingesetzten Sachwalters regelmäßig vorliegen
wird und dem Versicherungsnehmer, hätte er mit dem Geschäftsherrn selbst verhandelt, der begehrte
Anspruch zustünde. Die Zwischenschaltung von Mittelspersonen führt zu Nachteilen auf der Gegenseite. Der Versicherer muß etwaige Rechtsnachteile hinnehmen, die darauf beruhen, daß Agenten den
Kunden gegenüber falsche Erklärungen und Informationen abgeben. Die daraus resultierende Benachteiligung des Versicherungsbewerbers im Vergleich zu Vertragssuchenden aus anderen Privatrechtsbereichen ist nicht zu rechtfertigen. Sie auszugleichen ist diejenige Aufgabe, die dem versicherungsrechtlichen Vertrauenssatz verbleibt. Sein Anwendungsbereich beschränkt sich damit auf Fälle,
in denen die Haftung für c.i.c. aus Gründen scheitert, die von der Verschuldensfrage unabhängig sind.
81
Heinsen in VW 95, 1632; Die Aussage gilt aber vor allem für den Bereich der Geldanlage. Hier
gibt es bereits viele Urteile, die den Verbraucher vor nicht ausgebildeten „Beratern“ oder vor falscher
„Beratung“ schützen. Eine solche Rechtsprechung und ein entsprechender Gesetzgebungstrend sind
kaum zu finden für den Versicherungsbereich, obwohl hier wegen der wichtigen (vorgeschalteten)
Bedarfsermittlung und der großen Bedeutung des bedarfsgerechten Versicherns noch höhere Anforderungen an Unternehmen und Vermittler gestellt werden müßten als an Geldanlageberater. So hat
der BGH bereits mehrfach festgestellt (u.a. BGH in NJW 1993 S. 2107), daß die Risiken und Gefahren eines falschen Vertragsabschlusses und ihre Auswirkungen den Umfang der Aufklärungspflicht
bestimmen.
19
lifizierter Zeugen nicht beweisbar ist.82 Auch eine besondere Vertrauensstellung des
Vermittlers, die zu seiner persönlichen Haftung führen könnte,83 besteht in den seltensten Fällen. So hat sich auch die Ansicht durchgesetzt, das geltende Recht gewähre dem Verbraucher keinen ausreichenden Schutz vor dem übereilten Abschluß von
Versicherungsverträgen.84
2. Medienprobleme und Medienversagen bei der Versicherungsinformation
Eine wichtige Rolle bei der allgemeinen Verbraucherinformation spielen die Medien. Bundschuh, Richter am BGH, hat hierzu allerdings - richtig - geäußert:85
„Die Berichterstattung in den Medien wäre für die Zwecke des Verbraucherschutzes bestens geeignet. Der Informationswert wird jedoch nicht selten dadurch beeinträchtigt, daß komplexe Sachverhalte häufig nicht angemessen
dargestellt werden oder die Möglichkeit dazu fehlt.“
Das Medienversagen im Versicherungsbereich hat vor allem zwei Gründe: der
eine liegt in den dargestellten Besonderheiten der Versicherung und den darin begründeten Schwierigkeiten der Information. Der zweite Grund ist „hausgemacht“:
Etliche Medien stehen der Branche nahe - auch weil die Anzeigenabteilungen branchenfreundliche Berichte wünschen. Wie die Branche - neben den Anzeigenaufträ-
82
85
20
Vgl. Reifner in ds. Bd. S. 144 f. - In der Regel werden Versicherungsverträge „unter vier Augen“, allenfalls im Beisein von Familienangehörigen abgeschlossen.
83
OLG Köln v. 20.12.94, VersR 1995, 1173: „Die Eigenhaftung des Vertreters wegen Verschuldens bei der Vertragsanbahnung greift nur ein, wenn er ein besonderes wirtschaftliches Interesse am
Abschluß des Vertrags hat oder wenn er in den Vertragsverhandlungen in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (i. A. an BGH VersR 1990, 157; 1991, 1052). Der Vertreter nimmt dann in besonderem Maß persönliches Vertrauen in Anspruch, wenn er über das allgemeine Verhandlungsvertrauen hinaus eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für
die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts übernommen hat.“
84
BT-Drucks. 11/7475 S. 1 und 5 ff; Reimer Schmidt, Symposion AGBG und AVB, a.a.O. S. 30,
folgert aus den beschriebenen Besonderheiten, daß „die Anforderungen an den Schutz der Versicherten i.w.S. strenger sind als in den anderen schuldrechtlichen Bereichen“. - Als Beispiel für die Besonderheiten von Versicherung ein häufig vorkommender Fall, den es wegen der langfristig angelegten Entscheidungen so nur im Versicherungsbereich gibt: Ein Familienvater schließt auf die „provisionsgesteuerte“ Empfehlung eines Vermittlers hin für seine Berufsunfähigkeits- und Familienvorsorge
eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatz ab (Laufzeit bis zum Alter 65). Den
durch den angehängten Sparvorgang hohen Beitrag kann er irgendwann nicht mehr zahlen (z. B. wegen Arbeitslosigkeit). Alle Gesellschaften lehnen aber eine Umstellung von Kapitalversicherungen
auf zehn- bis zwanzigmal billigere Risikoversicherungen grundsätzlich ab. Der Familienvater müßte
einen neuen Vertrag abschließen, was aber wegen einer zwischenzeitlich aufgetretenen Krankheit
nicht mehr möglich ist. Durch die falsche Empfehlung des Vermittlers steht die Familie ohne Versicherungsschutz da, der wegen der Krankheit des Familienvaters besonders wichtig wäre. - Wie soll er
die Falschversicherung beweisen?
Symposion AGBG und AVB, a.a.O. S. 5 f.
gen86 - Einfluß auf die Information der Öffentlichkeit nimmt, ergibt sich aus einem
Resumee des Pressesprechers des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Helmut Geiger, der bei seinem Eintritt in den Ruhestand die „Öffentlichkeitsarbeit der Versicherungen“ als „recht simpel“ beschrieben hat:87
„Man erklärt den Journalisten einfach, was sie schreiben sollen, und was sie
nicht schreiben sollen. Das muß ja nicht unbedingt in Wanne-Eickel sein, es
gibt schließlich dafür schönere Orte.“
So müssen Verbraucherorganisationen nicht nur gegen Branchenmißstände und
eine starke Branchenlobby, sondern oft auch noch gegen die Medien ankämpfen.88
Wegen Falschinformationen mußte der BdV oftmals gegen Medien, Informationsdienste, Redaktionsbüros, Versicherungsunternehmen und Vermittler sowie deren Verbände mit Abmahnungen und einstweiligen Verfügungen vorgehen. Verständlich, daß sich unter all diesen Umständen Animositäten gegenüber dem BdV
wie auch eine gewisse Scheu vieler Journalisten und Redakteure vor dem Thema
„Versicherung“ aufgebaut haben. Auch das Bestreben einiger Fernseh-Informationssendungen und Wirtschaftsmagazine, eigene „Beratungssysteme“ (Computerpro86
87
So erschien z. B. Ende 1995 in einer Tageszeitung neben einer „Versicherungswerbung“ ein
redaktioneller Beitrag zur „Beratung durch Vertreter“ mit der Empfehlung, „den Bund der Versicherten (BdV) zu meiden“. So wird die Beeinflussung von Medien und die öffentliche Diffamierung neutraler Informanten u. a. mit Anzeigenaufträgen oder Einladungen von Journalisten zu Luxusreisen erkauft, s. oben das Zitat von Geiger (zu folgender Fn.).
VW 95, 1460.
88
Seit seiner Gründung im Jahre 1982 kämpfte der BdV gegen die Knebelung der Verbraucher an
doppelt und dreifach überteuerte Zehnjahresverträge und stellte Möglichkeiten dar, die Zehnjahresdauer wegen Rechtswidrigkeit anzugreifen. Im Jahre 1983 wurde dies in der ZDF-Sendung „Stichproben“ als „schlechter Rat“ dargestellt, 1984 in der ZDF-Sendung WISO als „Eigentor“ des BdV.
Dabei kam der damalige Sprecher des BAV zu Wort: „Bei solchen langfristigen Verträgen sind beide
Partner an die Laufzeit gebunden.“ Und der Moderator Friedhelm Ost konstatierte: „Verträge müssen
eingehalten werden.“ - Zehn Jahre später gewann der BdV seinen Kampf gegen die Zehnjahresverträge - trotz dieser negativen Begleitung durch Medien und BAV: Die Gerichte LG München v.
30.4.92 - 7 O 15694/91 - OLG München v. 18.2.93 - 29 U 4910/92 - BGH v. 13.7.94 - IV ZR 139/93
entschieden im Sinne der BdV-Meinung - letztlich wiederum mit Unterstützung durch das BAV, das
(unter einem neuen Präsidenten) gegenüber dem BGH am 23.2.94 eine andere Stellungnahme abgegeben hatte als 10 Jahre zuvor: „Das BAV ist der Ansicht, daß die 10-Jahresklauseln gegen § 9 Abs.
1 AGB-Gesetz verstoßen und somit unwirksam sind.“ - In Anhörungen und Stellungnahmen gegenüber der Bundesregierung hat der BdV (auch durch eine vom BdV in Auftrag gegebene Umfrage bei
EMNID, Fn. 49 in VersWissStud Bd. 2 S. 220) mit Unterstützung durch den Bundesrat erreicht, daß
der ab Mitte 1994 geltende § 8 Abs. 3 VVG für Versicherte ein Kündigungsrecht nach 5 Jahren Vertragsdauer vorsieht. - Seit seiner Gründung bekämpft der BdV auch die ungeregelten Vertrags- und
Vermögensverhältnisse in der Lebensversicherung mit dem Vorwurf „legaler Betrug“, der im Jahre
1982 noch viele schockierte; denn viele Medien hatten Kapitalversicherungen „empfohlen“ (so test
8/81, S. 13: „Früh anzufangen lohnt sich“). Ende 1995 bestätigte die Zeitschrift FINANZtest den
BdV: Über die Hälfte aller 70 getesteten Lebensversicherungsunternehmen erhielt hinsichtlich der erzielten Versichertenrenditen die Note „mangelhaft“. Dabei sind die Prüfer ganz offensichtlich von
falsch mitgeteilten und geschönten Renditeangaben ausgegangen. Der BdV hat jedenfalls nur ganz
selten Ablaufrenditen von über 6 Prozent festgestellt. In der Regel lagen diese um 4,5 bis 5,5 Prozent.
21
gramme, Disketten und Bücher) zu entwickeln, diese selbst zu bewerben und gegen
Geld anzubieten, führt zu Konkurrenzsituationen mit Informationen, Informationssystemen und vor allem mit der individuellen Beratung neutraler Experten, die in
solchen Medien „verständlicherweise“ nicht oder kaum zu Wort kommen und so von
der Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.89 Alles in allem funktioniert ausgerechnet
in dem so wichtigen und sensiblen Versicherungsbereich - aus vielerlei Gründen die Information der Öffentlichkeit nicht.90
3. Gerichtlich zugelassene Versicherungsberater als Informanten
Der gerichtlich zugelassene Versicherungsberater91 wäre die ideale Informationsquelle für die Verbraucher. Leider kann der Verbraucher den Wert dieser Beratungsleistung gegenüber der Dienstleistung eines Vermittlers finanziell nicht bewerten.
Der Versicherungsberater nennt zwar sein Honorar, das nach der Bundesgebührenordnung der Rechtsanwälte (BRAGO) berechnet wird.92 Makler, Vertreter oder Vermittler nennen dagegen keinen Preis für ihre Dienstleistungen und werden - aus
Sicht des Verbrauchers - scheinbar kostenlos tätig.93 Die Abschluß- und Folgeprovisionen sowie Courtagen sind nicht identifizierbar in die Prämien eingerechnet. Dieser wettbewerbswidrige Umstand behindert in ganz erheblichem Umfang den Beruf
des Versicherungsberaters, der in der Bevölkerung weitgehend unbekannt ist.94 Dem
Verbraucher kann unter den gegebenen Umständen nicht erklärt werden, daß er für
eine notwendige (unabhängige) Beratung Geld zahlen soll, die er beim Vermittler
vermeintlich „umsonst“ erhält.
89
Die Medien sollten sich darauf beschränken und konzentrieren, den Versicherungs- und Informationsbedarf zu wecken, und dann die Möglichkeiten individueller (neutraler) Information darstellen wie z. B. durch Hinweise auf Beratung durch Verbraucherzentralen oder über den BdV. Diese Organisationen könnten dann dem einzelnen Verbraucher bzw. der einzelnen Familie helfen, die komplexen und individuellen Informationsprobleme bei der Familienversorgung und Gestaltung eines umfänglichen Versicherungsschutzes zu lösen.
90
Die Öffentlichkeit wird außerdem durch Widersprüche irritiert - z. B. wegen der Promotion der
Kapitallebensversicherung durch den Staat, der - wie die Unternehmen - nicht ganz uninteressiert ist
am langfristig verfügbaren Spargeld der Versicherten. So fordert der BdV schon seit langem wie Volker Wolff in WELT am SONNTAG v. 8.10.95, Seite 48: „Die steuerliche Sonderbehandlung der Lebensversicherung muß endlich beendet werden. Lebensversicherungen sind hoch subventioniert. Die
Folgen: Fehlallokationen und Versorgungslücken.“
91 Siehe Falken in ds. Bd. S. 147.
92
Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, München 1986, S. 211.
93
Taupitz in ds. Bd. S. 122 f.
94
So gibt es in Deutschland neben ca. 400.000 haupt- und nebenberuflichen Versicherungsvermittlern und -maklern nur etwa 50 Versicherungsberater; vgl. Falken in ds. Bd. S. 153.
22
4. Verbraucherorganisationen als Informanten
Die wichtigsten Quellen für qualifizierte neutrale Informationen sind vor allem
die aus öffentlichen Mitteln finanzierten Verbraucherzentralen und der Bund der
Versicherten, eine als gemeinnützig anerkannte private Interessenvertretung der Versicherten, die sich aus Beiträgen von derzeit (1995) 27.000 Mitglieder finanziert.
Diese Organisationen sind zwar mit ihren Informationen sehr erfolgreich, erreichen
aber durch unmittelbare Beratungen des einzelnen Verbrauchers nur einen Bruchteil
der Bevölkerung.95 Private Verbraucherorganisationen - wie der Bund der Versicherten (BdV) - haben außerdem das Problem der Profilierung, weil die Bürger grundsätzlich jedem mißtrauen, der im Zusammenhang mit Versicherung etwas anbietet.
Tatsächlich imitieren etliche Vermittler und Drückerkolonnen den BdV und haben
sogar unter der Vorgabe, in seinem Namen zu handeln, ihr Geschäft gemacht und
dadurch zu einer weiteren Verunsicherung der Verbraucher beigetragen. Taupitz hat
recht,96 wenn er meint, daß „der Versicherungsinteressent nicht weiß, wem er wie
weit trauen kann“.
Unter den beschriebenen Umständen ist es äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich, über Versicherung zu informieren, vor allem weil es - wie dargestellt - keine
wettbewerbsgerechten Informationen gibt und wegen der derzeit wettbewerbswidrigen Struktur des Versicherungswesens auch nicht geben kann.
III. Fehlende Informations-/Wettbewerbsvoraussetzungen
Die Wettbewerbsproblematik im Versicherungswesen wurde bisher nie eingehend untersucht.97 Dabei wird das eigentliche Problem niemals erkennen, begreifen
und lösen, wer das Versicherungswesen nicht zweigeteilt sieht - auf der einen Seite
die Leistungen der Versicherten, die Versicherung als Einkommensumverteilung
und das Lebensversicherungssparen, und auf der anderen Seite die Dienstleistungen
der Versicherungsunternehmen und Vermittler. Es ist also nicht die Frage - wie sie
immer und überall falsch gestellt, untersucht und beantwortet wird -, ob es Wettbe95
96
Das kann sich durch neue Medien ändern. So sind Informationen, an denen der BdV mitgearbeitet hat, bereits auf der weltweiten „Datenautobahn“ verfügbar (http://www.focus.de).
Taupitz in ds. Bd. S. 123
97
Schünemann, in: Jacobs/Lindacher/Teplitzky, UWG Großkommentar, 1994, Einl. Rdnr. D 48:
„Gegenüber mancherlei Manifestationen wohl doch wettbewerbswidrigen Verhaltens von bereits
volkswirtschaftlichen Dimensionen ist bislang keinerlei Sensibilität der Wettbewerbsproblematik erkennbar geworden (grundsätzliche Denkanstöße bei H. D. Meyer ZRP 1990, 424ff.).“ - Leider weichen Gerichte und Wissenschaftler der Wettbewerbsproblematik aus, so Bundschuh (Richter am
BGH) Symposion AGBG und AVB, a.a.O. S. 3, 6: „In die Diskussion der Grundsatzfrage, ob die
Versicherer untereinander tatsächlich in Wettbewerb stehen, braucht hier nicht eingegangen zu werden.“ -
23
werb im Versicherungswesen gibt, sondern die Frage muß sein, welche in der Versicherung zur festen Prämie vermengten Leistungen und welche Teile der Prämie überhaupt Wettbewerbsbereiche sind und durch Wettbewerb beeinflußt werden können.98
Wettbewerb im Versicherungswesen kann es nur um die Dienstleistungen der
Unternehmen und Vermittler geben, für die aber - als wichtigste Information - Preise
nicht angegeben werden. Damit fehlt jegliche Markttransparenz als „conditio sine
qua non eines funktionierenden Wettbewerbs“99. Und damit fehlt auch das - im
wahrsten Sinne des Wortes - „entscheidende“ Element für das „Um-die-WetteBewerben“ der Anbieter: die „persona sine qua non“, der informierte Verbraucher,
der auf Grund von Leistungsbeschreibungen und Preisangaben in der Lage ist, eigene rationale Entscheidungen zu treffen. Was fast alle - oberflächlich und falsch - als
Wettbewerb ansehen und bezeichnen, ist nur ein Konkurrieren mehrerer Anbieter,100
ein Kampf der Unternehmen gegeneinander und nicht um den Kunden, wobei meistens nicht das bessere Produkt über den Erfolg entscheidet, sondern die bessere
Werbung und der bessere Vertrieb. So hat auch schon die „KonzentrationsEnquete“101 der Bundesregierung im Jahre 1964 festgestellt:
„Der Wettbewerb in der Versicherungswirtschaft ist schwach. Die Untersuchung hat ergeben, daß im Wettbewerb weniger der Preis oder die Versicherungsleistung als die Größe der Außenorganisation entscheidend ist.“
Die vom Bundeswirtschaftsminister eingesetzte Deregulierungskommission hat
sich im Jahre 1990 in ihrem ersten Bericht zum „Abbau marktwidriger Regulierungen“ zwar eingehender mit grundsätzlichen Fragen zum Wettbewerb, seinen Voraussetzungen und Aufgaben befaßt, leider aber nicht mit dem Wesen und den Beson-
98
H. D. Meyer, Das Versicherungs(un)wesen, eine Branche jenseits von Recht und Wettbewerb,
1993, S. 205. - Immerhin haben alle erkannt, daß das Versicherungswesen ein „besonders sensibler
Bereich“ ist, so der EuGH in der Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755 (3803 No. 30).
99
Helmut Müller (BAV-Vizepräsident), unveröffentl. Manuskript seines Referats auf der EUROVersicherungs-Tagung des Bundes der Versicherten am. 27.2.95. - Schwintowski, VersWissStud (Bd.
1) S. 136: „Es geht letztlich darum, den auf die Dienstleistung und Schäden entfallenden Prämienanteil transparent zu machen. Nur so wird der Wettbewerb auf den Versicherungsmärkten wirklich
funktionsfähig werden.“ - Schünemann, in ds. Bd. S. 60: „Als notwendig zu erachten ist die gesonderte Angabe des Dienstleistungspreises. Dieses Erfordernis resultiert aus § 1 VI PreisangabenVO. Nur so ist überhaupt der preisangabenrechtlich wie ausdrücklich von der 3. RLV intendierte
wettbewerbsintensivierende Effekt denkbar, s.a. H.D. Meyer, ZRP 1990, 424, 427.“
100
Jüngstes und typisches Beispiel für ein allgemeines Mißverständnis von Wettbewerb sind die
Aussagen des Vorstandsvorsitzenden Strathus in VW 1996 S. 140, der von einer „fehlenden Markttransparenz“ und gleichzeitig von einem „harten Wettbewerb“ spricht. Tatsächlich macht fehlende
Transparenz jeglichen Wettbewerb unmöglich, allerdings nicht das „harte Konkurrieren der Unternehmen“ untereinander, das Strathus wohl unter Wettbewerb versteht.
101
Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft, 1964.
24
derheiten von „Versicherung“. Nachstehend Auszüge aus dem Bericht102 (Hervorhebungen durch den Verfasser):
„Der Wettbewerb ist Dreh- und Angelpunkt der marktwirtschaftlichen Ordnung. Er gibt den wirtschaftlichen Antriebskräften Raum zur Entfaltung, er
steigert kontinuierlich die gesamtwirtschaftliche Effizienz, und er bildet zugleich eine wirksame Kontrolle wirtschaftlicher Macht. Der beste Schutz des
Verbrauchers ist im allgemeinen der Wettbewerb der Anbieter um seine dauerhafte Gunst. Der Staat dekretiert daher in vielfältiger Form Informationspflichten der Anbieter, verbietet Desinformation, sorgt selbst für verbesserte
Information, gebietet standardisierte Verträge, Mindeststandards für die Qualität von Gütern.
Der Wettbewerb der Anbieter um die Nachfrager steuert die unternehmerischen Entscheidungen entsprechend den Käuferpräferenzen, realisiert
insoweit Konsumentensouveränität, lenkt Arbeit und Kapital in die Produktionseinrichtungen und Produktionsverfahren, in denen sie den höchsten gesellschaftlichen Nutzen stiften, erzwingt die möglichst schnelle Anpassung des
Angebots, erzeugt einen ständigen Strom an Neuerungen, verteilt die Einkommen nach der bewerteten Leistung und verhindert Einkommen, die aus
Abhängigkeit des einen vom anderen entstehen können. Bei modellhaft funktionierendem Wettbewerb entspricht der Preis schließlich den Kosten der Bereitstellung eines Gutes. In einem idealisierten Marktsystem soll gelten, daß
niemand der Willkür eines anderen ausgesetzt ist, daß sich Nachfrager an
Veränderungen der Verhältnisse rasch anpassen können und gut informiert
sind.“103
Dann aber macht auch die Deregulierungskommission einen schon traditionellen
Fehler: Sie vergißt, das Wesen der Versicherung zu untersuchen, räumt allerdings
ein, „daß zwischen dem Abschluß eines Versicherungsvertrages und dem Kauf eines
Konsumgutes Unterschiede bestehen“.104 Und sie bezweifelt, „daß ein Wettbewerb
der Versicherungsunternehmen in jedem Fall funktionsfähig auch im Sinne eines
ausreichenden Verbraucherschutzes wäre“.105 - Genau hier hätte die Kommission
weiterdenken müssen. Vielleicht wäre sie dann darauf gekommen, daß es Wettbewerb um Versicherung gar nicht geben kann.
102
103
104
105
Deregulierungskommission, Erster Bericht zum Abbau marktwidriger Regulierungen, 1990, S. 3, 19
f., 27.
An diesen Ausführungen wird deutlich, daß Wettbewerb mehr ist, als das Konkurrieren mehrerer
Gesellschaften mit einer Vielfalt von Angeboten, wie allgemein „Wettbewerb“ (miß)verstanden wird.
So ist auch die Annahme eines „verstärkten Wettbewerbs“ in Erwägungsgrund 23 der Richtlinie Leben 92/96 EWG falsch, weil die entscheidende Voraussetzung, die Information des Verbrauchers über austauschbare und bewertbare Leistungen, nicht existiert; vgl. H. D. Meyer, Das Versicherungs(un)wesen - eine Branche jenseits von Recht und Wettbewerb (1993), S 202 ff.
Deregulierungskommission a.a.O. S. 65.
Deregulierungskommission a.a.O. S. 69.
25
Wenn Wettbewerb nicht funktioniert, kann auch sein Sanktionsmechanismus
nicht wirken.106 So ist eine weitere Folge der fehlenden Prämientrennung und der
Nichtangabe von Preisen, daß den Vorständen von Versicherungs-Dienstleistungsunternehmen Versichertengelder in Form der Schadenausgleichs-Beiträge,
Spargelder und ihrer Erträge - als solche nicht identifizierbar und deshalb uneingeschränkt - zum Ausgleich von Mißmanagement und Verlusten im Dienstleistungsbereich zur Verfügung stehen.107
IV. Wettbewerbsversagen und Verbraucher-Informationsprobleme
als Ursache für Staatsaufsicht
Die Einrichtung einer staatlichen Versicherungsaufsicht beruhte auf der Erkenntnis,
- daß die Voraussetzungen für eine Information der Verbraucher, für Transparenz und Wettbewerb fehlen,
- und daß es sich bei „Versicherung“ um etwas anderes handelt als um eine
„beliebige, auf Erzeugung und Bereitstellung materieller Güter für den
Volksbedarf gerichtete freie Gewerbetätigkeit“.108
Die Staatsaufsicht wurde ausdrücklich als Kompensation für die dargestellten Informationsprobleme der Verbraucher angesehen. So ist in der Begründung zum
VAG109 die Rede von der „Gefahr schwerster Schädigung des Volkswohls, die von
einem Mißbrauch des Versicherungswesens droht und um so näher liegt, als auf diesem Gebiet ... selbst der sorgsame und verständige Bürger ohne Hilfe von anderer
Seite zu eigener zuverlässiger Beurteilung ... regelmäßig nicht imstande ist“; es ließe
sich „nicht annehmen, daß der einzelne in der Lage wäre, sich durch umsichtige Prü106
107
108
109
26
Claus, Aktuelle Probleme der Lebensversicherung, VerBAV 1980, 22 ff: „In der Lebensversicherung
ist es heute so, daß es eigentlich kein Regulativ gibt, das die Lebensversicherungsunternehmen
zwingt, ihre Kosten in Grenzen zu halten. Da der Wettbewerb nicht durchgreift, kann ein Lebensversicherungsunternehmen trotz verschlechterter Kostenlage durchaus weiter bestehen. Hier sind es zunächst einmal die Versicherten und meistens nur die Versicherten, die die Konsequenzen von unternehmerischen Fehlentscheidungen oder sogar von Mißmanagement zu tragen haben, indem Verluste
einfach zu einer Verringerung der Beitragsrückerstattung führen.“ - Auch Farny (ZVersWiss 1979,
66) stellt fest, daß im Versicherungswesen kein „marktwirtschaftlicher Sanktionsmechanismus“ vorhanden ist, der „die Eigentümer und Unternehmensleiter für ihre Fehlentscheidungen bestraft“; vgl.
dazu H. D. Meyer in ZRP 1990, 428.
Das gilt im Bereich der Kapitalversicherungen auch für das „partiarische Modell“ (Basedow,
ZVersWiss 3/92, 419) oder das „Bedingungsmodell“ (Donath, EuZW 1992, 719; AcP 1993, 279). Es
kann keinen Wettbewerb ohne einen vorher konkret festgelegten Leistungsaustausch geben. Alles andere (wie z. B. partiarische Rechtsverhältnisse oder ein zufallsbedingter „Leistungsaustausch“) ist
Spekulation, die mit Markt und Wettbewerb nichts zu tun hat (s. auch §§ 762, 763 BGB).
Begründung zum VAG in Schmidt/Frey, VAG, 10. Aufl., Vorbem. Rdnr. 37.
Begründung zum VAG in Schmidt/Frey, VAG, 10. Aufl., Vorbem. Rdnr. 37.
fung ein zutreffendes Urteil darüber zu bilden, welcher Unternehmung er sein Vertrauen schenken dürfe“.
Das strukturell bedingte Informationsproblem wurde also schon vor fast 100 Jahren erkannt. Als Kompensation für die - wegen der ungeregelten Vertrags- und Vermögensverhältnisse - fehlenden Informations- und Wettbewerbsvoraussetzungen
wurde die staatliche Versicherungsaufsicht eingerichtet. Dadurch, daß die Aufsichtsbehörde sich um die Einheitlichkeit der Versicherungsbedingungen bemühte,
schuf sie immerhin etwas Transparenz, weil in gewissem Umfang Prämienvergleiche
möglich waren.110
Dabei gab es - selbst bei weitgehender Einheitlichkeit der Bedingungen - für die
teuren Versicherungsgesellschaften schon immer viele Möglichkeiten, sich einer
Vergleichbarkeit zu entziehen (in der Unfallversicherung z. B. durch unterschiedliche Progressions-Staffeln111 und unterschiedliche Kombinationen im Versicherungsschutz112 oder - wie zu anderen Versicherungen - durch kleine Extras in den
Bedingungen). Außerdem sind viele Versicherungsprämien risikoabhängig.113 Bevor
also Prämienangebote feststehen und vergleichbar sind, muß oft erst einmal eine
Klassifizierung des Risikos erfolgen,114 so daß ein informationswilliger Verbraucher
den Kontakt mit mehreren Vermittlern aufnehmen müßte, um vergleichbare Zahlen
zu erhalten. In dieses Informations-Stadium des Vergleichens kommt aber selbst ein
Informationswilliger kaum, weil er erfahrungsgemäß schon beim ersten Kontakt den
110
111
112
113
114
Diese Prämienvergleiche wurden aber von den Verbrauchern praktisch nicht durchgeführt, was dadurch zu belegen ist, daß fast alle Haushalte doppelt und dreifach überteuerte Versicherungen abgeschlossen haben. Millionen von Bundesbürgern kann man nicht unterstellen, daß sie ihre Unfallversicherungen z. B. mit Jahresbeiträgen von 300, 600 oder 900 DM Jahresbeitrag abgeschlossen haben in
dem Wissen, daß sie den gleichen Versicherungsschutz anderweitig für ein Drittel der Prämie, also
für 100, 200 oder 300 DM erhalten konnten. Unbestreitbare Tatsache ist, daß Millionen Deutsche
dieses Wissen um die extremen Beitragsunterschiede nicht haben.
So bieten die Gesellschaften unterschiedliche Progressionen der Versicherungsleistungen z. B. bis zu
225, 350 oder 500 Prozent der versicherten Grundsumme ab unterschiedlichen Invaliditätsgraden von
25 bis zu 90 Prozent an. Unzählige Varianten sind nicht mehr miteinander vergleichbar. Hinzu kommen zusätzliche Varianten der Versicherungsleistungen, siehe nächste Fn.
So geben fast alle teuren Gesellschaften in ihren Antragsformularen bestimmte Kombinationen vor:
aus Versicherungsleistungen bei Invalidität (Freizeit- und Berufsunfälle unterschiedlich) und/oder
Todesfallsumme und/oder Tagegeld und/oder Krankenhaustagegeld und/oder Genesungsgeld
und/oder Bergungskosten und/oder kosmetische Operationen und/oder ..... Durch unzählige Kombinationen ist ein direkter Vergleich von Angeboten der einen Gesellschaft mit denen einer anderen
Gesellschaft unmöglich.
Schlossareck a.a.O. S. 1, spricht von einer „vorgelagerten Risikoprüfung durch das Versicherungsunternehmen“.
Spontane Informationen zu Versicherungsprämien sind in den meisten Fällen nicht möglich, sondern
erfordern oft einen erheblichen Arbeitsaufwand über einen längeren Zeitraum. Zur Unfallversicherung gibt es Gefahrengruppen, zu Hausrat- und Wohngebäudeversicherungen unterschiedliche Tarifzonen. Prämien zu personenbezogenen Kranken- und Lebensversicherungen sind u. a. vom individuellen Alter und Geschlecht oder Vertragslaufzeiten abhängig.
27
Überredungskünsten oder dem Charme des ersten Vermittlers oder den auf Schulungen einstudierten „Psychotricks“ eines Drückers erliegt.115
Die beschriebene (Nicht)Informations- und Abschlußpraxis zeigt, daß die staatliche Versicherungsaufsicht durch die Genehmigung einheitlicher Bedingungen den
Verbrauchern die Information kaum erleichtert bzw. ermöglicht, sondern durch die
Bedingungskontrolle lediglich Mogelpackungen verhindert hat.116
C. Die (Nicht)Verbraucherinformation nach § 10a VAG und § 5a VVG
Die Auswirkungen des Wegfalls der Vorabkontrolle der Bedingungen auf die Informationslage der Verbraucher hat die EG-Kommission durchaus erkannt und eine
„Förderung des Wettbewerbs“ durch mehr Verbraucherinformationen angestrebt117 -
115
116
117
28
So gilt in Vertreter- und „Drücker“-Kreisen die bekannte Regel: „Die Unterschrift muß beim ersten
Besuch fallen.“ - Der Grund ist eindeutig: Der Verbraucher soll von weiteren Informationen abgehalten werden.
Hohlfeld, VersR 1993, 145. - Dagegen ist es dem BAV nicht - wie Hohlfeld a.a.O. meint - gelungen,
Markttransparenz zu gewährleisten; denn das BAV hat „Mogelprämien“ mit wucherischen Dienstleistungsanteilen - wie z. B. im Unfallversicherungsbereich - nicht verhindert, weil es der Meinung war,
daß Versicherungsprämien Preise seien und das BAV keine „Preis-/Prämien“-Kontrolle ausüben dürfe. - Vgl. Wenning a.a.O. 134, 167: „Schon nach altem Aufsichtsrecht konnte ein über den reinen
Gläubigerschutz hinausgehender Verbraucherschutz nicht wirklich erreicht werden.“
Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluß nach neuem Recht, Karlsruhe VVW 1995, S.1
und S. 3: „Der EG-Normgeber hat die für den Verbraucher verbundenen Gefahren gesehen.“ - Die
EG-Kommission geht von einem aktiven Verbraucher aus, der sich im Vorfeld seiner Entscheidung
über die Angebote informiert. Bei dieser Annahme ist - wenn man die Unmöglichkeit von Wettbewerb im Versicherungswesen nicht erkennt - naheliegend, die Genehmigungspflicht für Bedingungen
und Tarife abzuschaffen. Das EG-Ziel möglichst vielfältiger unternehmensindividueller Angebote
hätte bei funktionierendem Wettbewerb positive Wirkungen erzeugt. Bei fehlenden Wettbewerbsvoraussetzungen führt Angebotsvielfalt dagegen nur zu noch größeren Informationsschwierigkeiten, siehe oben Fn. 3; vgl. Wenning a.a.O. S. 98, 135. - Ursache für die falschen EG-Ansätze ist möglicherweise das Ausgehen von englischen Verhältnissen und von der Vorstellung, daß für einen Vertragsabschluß das Angebot vom Unternehmen ausgehen müßte; vgl. Lorenz a.a.O. S. 619: „Eine solche
Abschlußkonzeption ist in den Rechtsordnungen anderer EU-Statten zu finden, und vielleicht hat sie
dem Richtliniengeber auch vorgeschwebt, als er die Informationspflichten schuf.“ - Zu englischen
Verhältnissen vgl. Taupitz in ds. Bd. S. 112, 121; Krauss in ds. Bd. S. 134; Schwintowski, VersWissStud (Bd. 2) S. 22, 23. Der Kunde erhält neben umfangreichen Tariferläuterungen, Beispielsrechnungen und Angaben zur Rückvergütung (bei Kündigung) eine Checkliste, anhand derer er noch
einmal seinen Entschluß, eine Versicherung abzuschließen, überprüfen kann. Die Informationslage
des Verbrauchers ist auch deshalb anders (bedarfsorientierter), weil Versicherungen dort überwiegend von Maklern abgeschlossen werden, die strengen Informations- und Haftungsregeln („best advice“) unterliegen - vgl. Sir Brittan (zitiert in diesem Band von Krauss S. 134); Müller, Verbraucherschutz im Versicherungswesen durch Information der Versicherten, Münsteraner Reihe, Heft 12,
VVW 1992, S. 24 ff.; Neuhaus, a.a.O, S. 213 ff.; Isringhaus, VW 1988, 1220 ff.; Tank, VW 1991,
35 ff.
ein von Beginn an aussichtsloses Unterfangen,118 weil es ohne Veränderungen der
traditionellen Strukturen im Versicherungswesen - wie oben ausgeführt - Wettbewerb nicht geben kann. Außerdem ist davon auszugehen, daß die EG-Vorgaben und
ihre Umsetzung in nationales Recht maßgeblich von der Versicherungsbranche
beeinflußt und erreichbare Ziele verfehlt worden sind.119
I. § 10a VAG begründet keine privatrechtliche Informationsspflicht
Die Überlegungen und Erkenntnisse über die Bedeutung von Versicherungsinformationen, über die Informationsprobleme der Verbraucher, zum Wettbewerbsversagen und zur Funktion der staatlichen Versicherungsaufsicht sind Voraussetzung
für eine sachgerechte Beurteilung und Einordnung der neuen „Verbraucherinformation“ gemäß § 10a VAG. Danach kann die angestrebte „Information eines Verbrauchers vor Vertragsabschluß“ nichts mit dem Vertrag eines Versicherungsnehmers zu tun haben. Es gibt zwar vorvertragliche Pflichten, die gewohnheitsrechtlich anerkannt sind.120 Wenn aber mit § 10a VAG per Gesetz eine solche bereits
bestehende Pflicht geregelt werden sollte, hätte eine entsprechende Vorschrift in das
Versicherungsvertragsgesetz gehört und entsprechend der versicherungsspezifischen
Vertrauenshaftung121 oder der Haftung aus culpa in contrahendo mit einer Sanktion
verbunden werden müssen.122 Viele, die eine solche Einordnung der Verbraucherinformation fordern, denken dabei vielleicht an neue Regelungen im Börsen-, Wertpapierhandels- oder Verbraucherkredit-Gesetz,123 wo es aber nicht um eine Verbraucherinformation im Wettbewerbsbereich geht, sondern um eine (vor)vertragliche
Informationspflicht zur Herbeiführung von Vertragsparität. Eine solche zweite pri118
119
120
121
122
123
Ähnlich Wenning a.a.O. S. 125: „Es ist zu bezweifeln, daß der Verbraucher angesichts seiner Defizite
im Bereich der Informationsausstatung sowie Informationsverarbeitungsfähigkeit und - bereitschaft in
der Lage sein wird, den erhöhten Informationserfordernissen zu genügen. Daran ändern grundsätzlich
auch die gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflichten nichts.“
Zopf (Richter am BGH) VersR 1993, 140, 141 f.: „In diesem Zusammenhang sollten Richter sich
klarmachen, daß bislang in viel stärkerem Maß die Versichererseite in Interessenverbänden organisiert ist und mit entsprechendem finanziellen Aufwand durch Veröffentlichungen und dergleichen
Eindruck machen, Unklarheiten erzeugen oder Aufsehen erregen kann, nicht aber die der Versicherungsnehmer.“ Bundschuh (Richter am BGH), Symposion AGBG und AVB, a.a.O. S. 6: „Die Interessenvertretung durch Verbraucherschutz-Organisationen hat im Gesetzgebungsverfahren gegenüber
derjenigen der Versicherungswirtschaft verhältnismäßig geringes Gewicht.“
BGH NJW 1979, 1983.
Schlossareck, siehe oben Fn. 80.
Kaltenegger, VersR 94, 1045, meint, ein Verstoß gegen die Informationspflicht bleibe nicht sanktionslos. § 10a VAG sei als drittschützende Norm des öffentlichen Rechts zu qualifizieren, deren Verletzung zivilrechtliche Ersatzansprüche zugunsten des Geschädigten auslöse. Auch Schimikowski
a.a.O. S. 2 f. hält eine eine Haftung aus c.i.c. für möglich.
Schwintowski, VersWissStud (Bd. 1) S. 136: „Es liegt nahe, an das Informationsmodell des Verbraucherkreditgesetzes als Vorbild anzuknüpfen.“
29
vatrechtliche Informationspflicht könnte, sollte und müßte zur Gleichstellung der
Versicherten mit Bankkunden neben der gewerberechtlichen Verbraucherinformation (§ 10a VAG) im VVG oder in einer gesonderten VO vorgeschrieben werden.124
Die Verbraucherinformation nach § 10a VAG ist - auch nach dem Sinn und Ziel der
EG-Richtlinien - als „prospektartige Verkörperung“ von Versicherungsangeboten
anzusehen. Sie ist danach nicht mit den im WertpapierhandelsG, BörsenG und
VerbraucherkreditG geregelten Informationspflichten zu vergleichen,125 sondern eher
mit einem Verkaufsprospekt, wie er zum Beispiel in der Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte vom 17.12.1990 geregelt wurde.126
Durch eine Einordnung als vorvertragliche Pflicht hätte die Verbraucherinformation nach § 10a VAG ihr unbestrittenes Ziel (Kompensation der abgeschafften Präventivkontrolle der AVB)127 verfehlt und würde sie eine viel zu späte Wirkung entfalten, nämlich erst im vertraglichen Bereich, der - mehr noch als bisher - bereits
durch Transparenzgebote und gerichtliche AGB-Kontrolle ausreichend geschützt
124
125
126
127
30
Eine privatrechtliche Informationspflicht ist im besonders „sensiblen“ Versicherungsbereich (so der
EuGH zitiert bei Krauss in diesem Bd. S. 127 dort Fn. 3, 132) wegen der weitreichenden Folgen von
Falschinformationen und Falschversicherung weitaus notwendiger als in anderen Bereichen.
Nach § 31 Abs. 1 WpHG v. 26.7.94 ist ein „Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, 1.
Wertpapierdienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im
Interesse seiner Kunden zu erbringen, 2. sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und dafür zu sorgen, daß bei unvermeidbaren Interessenkonflikten der Kundenauftrag unter der
gebotenen Wahrung des Kundeninteresses ausgeführt wird.“ Nach § 31 Abs. 2 WpHG ist das Unternehmen „ferner verpflichet, von seinen Kunden Angaben über ihre Erfahrungen oder Kenntnisse“
sowie über ihre „mit den Geschäften verfolgten Ziele und über ihre finanziellen Verhältnisse zu verlangen“. Nach § 32 WpHG ist es dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen sogar „verboten, Kunden den Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren zu empfehlen, wenn und soweit die Empfehlung
nicht mit den Interessen der Kunden übereinstimmt“. - Nach §§ 4 ff. VerbrKrG v. 17.12.90 sind für
Kreditverträge wichtige Angaben vorgeschrieben, die dem „Verbraucher“ schriftlich zu überlassen
sind. Der Kreditantrag wird erst wirksam, wenn der „Verbraucher“ ihn nicht binnen einer Woche widerruft. (Man achte auf die richtige Wortwahl „Verbraucher“ in diesem Gesetz). - Nach § 53 Abs. 2
BörsG muß der Anbieter den Vertragspartner vor Geschäftsabschluß schriftlich über die speziellen
Risiken von Warentermingeschäften durch eine inhaltlich festgelegte Informationsschrift informieren.
§ 2 VerkProspVO: „Allgemeine Grundsätze. (1) Der Verkaufsprospekt muß über die tatsächlichen
und rechtlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der angebotenen Wertpapiere notwendig sind,
Auskunft geben und richtig und vollständig sein. Er muß mindestens die nach dieser Verordnung
vorgeschriebenen Angaben enthalten. Er ist in deutscher Sprache und in einer Form abzufassen, die
sein Verständnis und seine Auswertung erleichtert.“ - ähnlich Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz
(VerkProspG) vom 13.12.1990. - Die Ähnlichkeit mit der in § 10a VAG i.V.m. Anlage D zum VAG
geregelten Verbraucherinformation ist unverkennbar. Verbraucher haben über Versicherungen ebensowenig Kenntnisse; das Sich-Informieren ist in beiden Bereichen besonders schwierig. Die Folgen
von Falschinformationen und falschen Verbraucherverhaltens sind allerdings für falschversicherte
Witwen, Waisen und Invaliden viel gravierender.
Siehe oben Fn. 7. Da auch die Verbraucherinformation keine wettbewerbsgerechten Informationen
herbeiführen kann (über Un- bzw. Falsch-Geregeltes kann niemand wettbewerbsgerecht informieren),
wird die - im Hinblick auf den fehlenden Wettbewerb - kompensatorische Staatsaufsicht lediglich
durch einen neuen Wettbewerbs-Ersatz ersetzt.
ist.128 Der Verbraucher wäre im vorvertraglichen Informationsbereich seiner angebotssteuernden Funktion völlig beraubt, nachdem jetzt auch noch die Vorabgenehmigung weitgehend einheitlicher Tarife und Bedingungen entfallen ist, die für Informationswillige wenigstens noch ein Minimum an Information und Vergleichbarkeit der Versicherungsangebote anhand ihrer Prämien ermöglichte. Der jedem
Vertragsabschluß vorgelagerte Informationsbereich wäre mit Abschaffung der Bedingungskontrolle und der Verlagerung der „Verbraucherinformation“ in den Vertragsbereich völlig „weg-dereguliert“.
Auch im vorvertraglichen Bereich könnten dem Verbraucher gewohnheitsrechtlich anerkannte Ansprüche und Rechtsmittel genommen werden,129 wenn § 10a
VAG i.V.m. § 5a VVG von der „Versicherungswissenschaft“ zu einer Spezialnorm
für vorvertragliche Pflichten „hochkommentiert“ würde, die für den Versicherungsbereich ausdrücklich keine Sanktionen bei Verletzungen vorsehe, also z. B. Schadensersatz wegen c.i.c. oder die von der Rechtsprechung entwickelte versicherungsspezifische Erfüllungshaftung130 ausschließe. Gerichte könnten dann - ähnlich wie
bisher131 - sagen: „Das sei zwar für die Verbraucher nachteilig, aber der Gesetzgeber
habe das so gewollt!“
Es ist wenig ergiebig, nach privatrechtlichen Sanktionen für eine Verletzung der gewerberechtlichen Verbraucherinformations-Pflicht zu suchen oder - wie es mit § 5a
VVG versucht wird132 - privatrechtliche Sanktionen für Pflichtverletzungen konstruieren zu wollen. Bei der Preisangabe nach der PreisangVO handelt es sich um
eine vergleichbare öffentlich-rechtliche Pflicht des Wettbewerbs- und Preisordnungsrechts. Und deren Verletzung führt auch nicht zu unmittelbaren Ansprüchen
der Verbraucher.133 Wenn also ein Versicherungsunternehmen permanent keine
Verbraucherinformationen verwendet - ist lediglich ein Eingreifen des BAV im
Rahmen der Mißbrauchaufsicht möglich. Aus diesem Grunde wurde die Verbrau-
128
129
130
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132
133
So wird von fast allen Autoren, die sich bisher mit der Verbraucherinformation befaßt haben, angenommen, daß Verbraucherinformationen - wie Bedingungen - am (vertraglichen) „Transparenzgebot“
zu messen seien, die Verbraucherinformation also nicht als ein weit vor allen vertraglichen Verhandlungen liegendes „Informationsgebot im Markt der Versicherungsdienstleistungen“ erkannt.
Anders Präve, VW 1994, 556, 557, der - umgekehrt - die Informationspflicht dem Vertragsbereich
zuordnet und meint, daß bei Verletzung der Informationspflicht wegen der Regelung im VAG „dem
Versicherungsnehmer ein effektiver Schutz vorenthalten“ werde. - Ähnlich Reichert-Facilides, VW
1994, 561, 562.
Schlossareck a.a.O., insbes. S. 65; vgl. oben Fn. 80.
So z. B. der BGH, VersR 1995 S. 77, 80, zur „Querverrechnung“ und Bildung stiller Reserven, durch
die die Überschußbeteiligung der Lebensversicherten geschmälert wird. - Ähnlich auch OLG Hamburg, JZ 1990, 442.
Renger a.a.O. S. 757: „§ 5a sanktioniert die unvollständige Verbraucherinformation bei Antragsstellung mit einem auf zwei Wochen befristeten Widerspruchsrecht des VN.“
Winkler von Mohrenfels, VersWissStud (Bd. 2) S. 39, 43; Schimikowski a.a.O. S. 2 f.
31
cherinformation in § 10a des VAG und nicht im VVG geregelt.134 Die Verbraucherinformation ist also nach ihrer Bezeichnung, nach ihrer Entstehungsgeschichte und
nach ihrem deutlich erkennbaren Sinn und Zweck dem Wettbewerbs-/Informationsbereich zuzuordnen. Informationen sollen dem Verbraucher helfen, seinen Bedarf zu
erkennen, und ihm eigene wettbewerbssteuernde Entscheidungen ermöglichen, welche Angebote er präferieren will.
II. Unklare Gesetzesformulierungen als Ursache für viele Mißverständnisse
um Zweck und Rechtsnatur der „Verbraucherinformation“
Zur Verwirrung über den Zweck und die Rechtsnatur der „Verbraucherinformation“ trugen neben den Mißverständnissen um Wettbewerb und Versicherung
auch die Richtlinien- und Gesetzgeber durch falsche und verwirrende Formulierungen in den Gesetzesbestimmungen und ihren Begründungen bei, die bedauerlicherweise ungeprüft und bedenkenlos in fast alle Kommentierungen übernommen wurden.135 Weil es auf die einzelnen Formulierungen entscheidend ankommt, werden im
folgenden einschlägige Texte auszugsweise wiedergegeben. Beim Durchlesen sollte
besonders darauf geachtet werden, wie die Begriffe „Verbraucher / consumer“ und
„Versicherungsnehmer / policyholder“ in den Texten gleichgesetzt werden, obwohl
ein Verbraucher / consumer kein Versicherungsnehmer / policyholder ist (wie ein
Verbraucher, der einen Kredit beantragen will bis zur Wirksamkeit seines Antrages
134
135
32
VerBAV 8/1995 S. 283: „Die neuen Informationspflichten ... ergänzen die sonstigen Anforderungen
an die Information und Aufklärung des Versicherungsnehmers, wie sie sich bereits bisher namentlich
in ... der Preisangabenverordnung ... fanden. Da die (öffentlich-rechtliche) Verbraucherinformation
grundsätzlich unabhängig neben den (zivilrechtlichen) Angaben bzw. Erklärungen zum Vertragsinhalt und den vertraglichen bzw. vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Versicherers steht, liegt es
nahe, die geforderte Information vom eigentlichen Antrag zu trennen.“
Es gibt unzählige Belege falschen Sprachgebrauchs von fast allen Autoren, die hier zur Verbraucherinformation zitiert worden sind. Nur als Beispiel Lorenz a.a.O. S. 625: „Ziel (der Dritten Richtlinien)
... ist es, den Versicherungsnehmer ... in die Lage zu versetzen, die angebotenen Versicherungsprodukte miteinander vergleichen zu können.“ - Gemeint ist der Verbraucher oder der „an einem
Vertragsschluß Interessierte“ (so das BAV in VerBAV 8/1995, 283), der noch „vergleichen“ kann. Wandt a.a.O, S. 4 hält Verbraucherinformationen einmal für „Informationen über die Versicherungspolice“ zum „Verständnis der wesentlichen Bestandteile des Versicherungsscheins durch den Versicherungsnehmer“, schreibt dann aber a.a.O (S. 6), dem „Versicherungsnehmer“ seien die für das
Vertragsverhältnis geltenden AVB einschließlich der Tarifbestimmungen „vor Abschluß des Vertrages“ zur Verfügung zu stellen. - Schimikowski, a.a.O. S. 2, schreibt, „die Verbraucherinformation
richtet sich an den VersNehmer“, stellt aber gleichzeitig (widersprüchlich) fest, daß sie „eine fundierte Auswahlentscheidung ermöglichen“ solle. - Den oder die Verbraucher sollte man im Zusammenhang mit der „Verbraucherinformation“ besser bezeichnen als „Publikum, Versicherungsnachfrager,
Versicherungsbewerber, Versicherungswillige, Versicherungsinteressenten, potentielle Versicherungsnehmer usw.“
kein Kreditnehmer ist136). Bedingt durch offenkundig falsche Begriffsverwendungen
werden auch - ebenso bedenkenlos - der Verbraucherinformations- und der Versicherungsvertragsbereich verwechselt, so daß die „Verbraucher-Information vor
Vertragsabschluß“ fast überwiegend als „Versicherungsnehmer-Information nach
Antragsstellung oder nach Vertragsabschluß“ angesehen wird und damit zeitlich wie
auch sachlich falsch eingeordnet wird (Hervorhebungen in den folgenden Texten
stammen vom Verfasser).
Richtlinie 92/96/EWG (EG-Richtlinie Leben)137
Erwägungsgrund 20 (entspr. Erwägungsgrund 19 RiLiSchaden 92/49/ EWG):
„Im Rahmen des Binnenmarkts liegt es im Interesse des Versicherungsnehmers,
daß er Zugang zu einer möglichst weiten Palette von in der Gemeinschaft angebotenen Versicherungsprodukten hat, um aus ihnen das seinen Bedürfnissen am
besten entsprechende Angebot auswählen zu können. ...“
„Whereas within the framework of an internal market it is in the policyholder’s interest
that he should have access to the widest possible range of insurance products available in
the Community so that he can choose that which is best suited to his needs. ...“
Erwägungsgrund 23
„Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen.
Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muß er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten
entsprechenden Vertrag auszuwählen. Da die Dauer der Verpflichtungen sehr
lang sein kann, ist diese Information für den Verbraucher noch wichtiger. Folglich sind die Mindestvorschriften zu koordinieren, damit er klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte ... erhält.“
„Whereas in a single assurance market the consumer will have a wider and more varied
choice of contracts; whereas, if he is to profit fully from this diversity and from increased
competition, he must be provided with whatever information is necessary to enable him to
choose the contract best suited to his needs; whereas this information requirement is all the
more important as the duration of commitments can be very long; whereas the minimum
provisions must therefore be coordinated in order for the consumer to receive clear and
accurate information on the essential characteristics of the products proposed to him ...“
Artikel 31138
„(1) Vor Abschluß des Versicherungsvertrags sind dem Versicherungsnehmer
mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen.“
136
137
138
So verwendet das VerbrKrG - z. B. in § 7 Abs. 1 - den Begriff „Verbraucher“ auch noch für die Person, die bereits einen Kredit beantragt hat (korrekterweise, weil dessen Willenserklärung erst nach
einer Woche wirksam wird, oder bei einem Widerruf überhaupt nicht).
VerBAV 2/1993 S. 41 ff.
VerBAV 2/1993, 41, 57.
33
„Before the assurance contract is concluded, at least the information listed in point a of annex II shall be communicated to the policyholder. ...“
Anhang II139
„Dem Versicherungsnehmer sind die nachfolgenden Informationen entweder (A)
vor Abschluß des Vertrages oder (B) während der Laufzeit des Vertrages mitzuteilen ...“
„The following information, which is to be communicated to the policyholders before the
contract is concluded (A) or during the term of the contract (B), must be provided in a
clear and accurate manner ...
A. Before concluding the contract ...“
Richtlinie 92/49/EWG (EG-Richtlinie Schaden)
Artikel 43
„(2) Wird eine Versicherung im Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder Dienstleistungsfreiheit angeboten, so ist dem Versicherungsnehmer, bevor irgendeine
Verpflichtung eingegangen wird, der Mitgliedsstaat des Sitzes und gegebenenfalls der Zweigniederlassung, mit dem bzw. der der Vertrag geschlossen wird,
mitzuteilen.“
„2. Where insurance is offered under the right of establishment or the freedom to provide
services, the policyholder shall, before any commitment is entered into, be informed ...“
Regierungsentwurf 3. DurchfG/EWG zum VAG
Begründung Allgem. Teil140
„Zusätzlich wird eine ausführliche Unterrichtung der Versicherungsnehmer vor
Vertragsabschluß vorgesehen, damit diese sich über das angebotene Produkt unterrichten können. ... Diese Freistellung (Anm.: von Bedingungs- und Tarifgenehmigungen) wird es den Verbrauchern erlauben, von einer größeren Vielfalt
von Angeboten Gebrauch zu machen. Andererseits werden die Verbraucher mehr
als bisher selbst prüfen und vergleichen müssen, welches Angebot ihren Bedürfnissen am besten gerecht wird.“
§ 10a VAG (auszugsweise)141
„(1) Die Versicherungsunternehmen haben zu gewährleisten, daß der Versicherungsnehmer, wenn er eine natürliche Person ist, in einer Verbraucherinformation über die für das Versicherungsverhältnis maßgeblichen Tatsachen und
Rechte vor Abschluß und während der Laufzeit des Vertrages nach Maßgabe der
Anlage Teil D unterrichtet wird.
139
140
141
34
VerBAV 2/1993, 41, 62.
BT-Drucks. 12/6959 S. 45; BR-Drucks. 13/94 vom 14.1.94.
geändert durch 3. DurchfG/EWG zum VAG, Artikel 1 Nr. 8; VerBAV 8/1994 S. 236, 238.
(2) Die Verbraucherinformation hat schriftlich zu erfolgen. Sie muß eindeutig
formuliert, übersichtlich gegliedert und verständlich in deutscher Sprache oder
der Muttersprache des Versicherungsnehmers abgefaßt sein. ...“
Anlage zum VAG142 (Auszug)
„D. Verbraucherinformation - Abschnitt I
Vor Abschluß von Versicherungsverträgen nach § 10a Abs. 1 vom Versicherungsunternehmen zu erteilende Verbraucherinformation
1. Für alle Versicherungssparten notwendige Verbraucherinformation
a) Name, Anschrift, Rechtsform und Sitz des Versicherers und der etwaigen Niederlassung, über die der Vertrag abgeschlossen werden soll,
b) die für das Versicherungsverhältnis geltenden allgemeinen Versicherungsbedingungen einschließlich der Tarifbestimmungen sowie die Angabe des auf den
Vertrag anwendbaren Rechts,
2. Bei Lebensversicherungen zusätzlich notwendige Verbraucherinformation“
§ 9a des Österreichischen Versicherungsaufsichtsgesetzes (ÖVAG)
„(1) Dem Versicherungsnehmer ist vor Abschluß eines Versicherungsvertrages ... mitzuteilen: ...“
Artikel 13 (des Regierungsentwurfs = Art. 16 des 3. DurchfG/EWG zum VAG)
Übergangs- und Schlußbestimmungen, § 2
„Soweit Versicherungsunternehmen bis zum 31. Dezember 1994 allgemeine Versicherungsbedingungen verwenden, die vor dem 29 Juli 1994 von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt worden sind, finden die §§ 10 und 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung dieses Gesetzes keine Anwendung.
Auf bis zum 31. Dezember 1994 unter Verwendung vor dem 19. Juli 1994 genehmigter allgemeiner Versicherungsbedingungen abgeschlossene Lebensversicherungsverträge sind die §§ 11c und 81c Abs. 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes anzuwenden.“
Begründung des Regierungsentwurfs143 zu § 10a VAG144
„§ 10a setzt die Artikel 31 Abs. 1 bis 3 und Artikel 43 Abs. 2 und 3 der 3. Schadenversicherungs-Richtlinie sowie Artikel 31 i.V.m. Anhang II A. der 3. Lebensversicherungs-Richtlinie über die Verbraucherinformation vor Abschluß und
während der Laufzeit des Vertrages in deutsches Recht um. ...“
zur Anlage D zum VAG145
„... Um dem Verbraucher eine sachgerechte Entscheidung - auch im Hinblick auf
andere Vorsorgemöglichkeiten - zu ermöglichen, ...“
Grundsätze des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen
142
143
144
145
eingefügt durch 3. DurchfG/EWG zum VAG, Artikel 1 Nr. 81; VerBAV 8/1994 S. 236, 262 f.
BT-Drucks. 12/6959.
BT-Drucks. 12/6959 S. 55.
BT-Drucks. 12/6959 S. 100.
35
zur Anwendung des § 10a VAG (Verbraucherinformation)146
„Die neuen Informationspflichten ... ergänzen die sonstigen Anforderungen an
die Information und Aufklärung des Versicherungsnehmers, wie sie sich bereits
bisher namentlich in § 10 VAG, in der Preisangabenverordnung und im VVG (z.
B. § 5 Abs. 2, § 8 Abs. 4 Satz 4, § 12 Abs. 3, § 39 Abs. 1 Satz 2) fanden und wie
sie von der Rechtsprechung entwickelt worden sind. Zur Anwendung der Vorschriften gibt das BAV folgende Hinweise:
Die Informationen sind dem Versicherungsnehmer mitzuteilen. Der Begriff erfaßt auch diejenigen Personen, die den Abschluß eines Versicherungsvertrages
erst beabsichtigen und die nach Abschluß des Vertrages Versicherungsnehmer
sein werden. ...
Die Verbraucherinformation ... ist dem Versicherungsnehmer vor Abschluß des
Vertrages mitzuteilen, sieht man einmal von den während der Vertragslaufzeit zu
gebenden Informationen ab. Der Zeitpunkt, zu dem die Verbraucherinformation
dem Versicherungsnehmer spätestens mitgeteilt werden muß, ist weder im Gesetz noch in den insoweit maßgeblichen EG-Versicherungs-Richtlinien festgelegt
worden. ... Dem Versicherungsnehmer müssen die Informationen aber in jedem
Fall vorliegen, bevor er eine bindende Willenserklärung abgibt (vgl. Erwägungsgrund 23 und Artikel 31 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie sowie Artikel
31 und 43 der Dritten Schadenversicherungsrichtlinie). Soweit Gegenstand der
Verbraucherinformation auch die Versicherungsbedingungen sind, ergibt sich
dies auch aus § 2 AGB-Gesetz. Wenn der Versicherer die Verbraucherinformation nach § 10a VAG bei Antragstellung unterlassen hat, kommt § 5a VVG
zur Anwendung. ... Die Information soll es dem an einem Vertragsschluß Interessierten ermöglichen, seine Entscheidung zu treffen. Dazu muß die Information so abgefaßt sein, daß sich ein durchschnittlich gebildeter Versicherungsnehmer ohne anwaltliche Hilfe ein zutreffendes Bild vom Vertragsinhalt machen
kann.
Da die (öffentlich-rechtliche) Verbraucherinformation grundsätzlich unabhängig
neben den (zivilrechtlichen) Angaben bzw. Erklärungen zum Vertragsinhalt und
den vertraglichen bzw. vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Versicherers
steht, liegt es nahe, die geforderte Information vom eigentlichen Antrag zu trennen und beispielsweise auf einem gesonderten Blatt beizufügen. Dies wird jedoch vom Gesetz nicht verlangt. Nimmt der Versicherer die Verbraucherinformation in das Antragsdruckstück auf, steigen allerdings die Anforderungen an
die Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der verwendeten Druckstücke. Die Information muß so deutlich erfolgen, daß der Versicherungsnehmer nicht Gefahr
läuft, sie zu übersehen oder mißzuverstehen. ...
146
36
VerBAV 8/1995 S. 283 ff.
2. Bei Lebensversicherungen und Unfallversicherungen mit Prämienrückgewähr
zusätzlich notwendige Verbraucherinformation ... Dem Versicherungsnehmer ist
mitzuteilen, daß der für sämtliche überschußberechtigten Versicherungen maßgebliche Überschuß nach handelsrechtlichen Gesichtspunkten ermittelt wird ...
3. Bei Krankenversicherungen nach § 12a VAG zusätzlich notwendige Verbraucherinformation ... Der Versicherungsnehmer ist darüber zu informieren, in
welcher Weise sich die Entwicklung der Kosten im Gesundheitswesen auf die
Beiträge für den Versicherungsschutz auswirkt. ...“
Von der EG (EU), der Bundesregierung, den deutschen Parteien und dem Bundesaufsichtsamt wird richtig festgestellt (Zusammenfassung von Originalzitaten,
siehe oben): „Nach Wegfall der präventiven Bedingungskontrolle durch die Versicherungsaufsichtsbehörde gewinnt die Verbraucherinformation erhöhte Bedeutung.“
- „Um die Vielfalt voll zu nutzen, muß der Verbraucher im Besitz der notwendigen
Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag
auszuwählen.“ - Als Ziel wird angegeben, daß „der Verbraucher klare und genaue
Angaben über die wesentlichen Merkmale der Angebote erhält.“ - „Die Verbraucherinformation soll es dem an einem Vertragsschluß Interessierten ermöglichen,
seine Entscheidung zu treffen.“ - Sie soll „dem Verbraucher eine sachgerechte Entscheidung - auch im Hinblick auf andere Vorsorgemöglichkeiten - ermöglichen“.
Es braucht sicher nicht weiter erläutert zu werden, daß diese Ziele nichts mit der
vertraglichen Vereinbarung von Versicherungsbedingungen, von Laufzeiten oder
Antragsbindefristen und auch noch nicht einmal etwas mit vorvertraglichen Pflichten
oder Vertragsverhandlungen zu tun haben.147 Vielmehr soll die Verbraucherinformation die gleichen Wirkungen entfalten, die im Wettbewerb z. B. Preisangaben, Warenauszeichnungen, Produktbeschreibungen, Kennzeichnungspflichten und Prospekte über die jeweiligen Angebote erzeugen. Sie soll - um es noch einmal mit Begriffen aus amtlichen Papieren zu beschreiben - „notwendige, klare, genaue und wahre
Informationen über wesentliche Merkmale der einzelnen Angebote liefern, damit der
Verbraucher sich informieren und das seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechende Angebot auswählen kann“. Danach wäre selbst die Übergabe der vollständigen
Versicherungsbedingungen keine sachgerechte (verständliche) Verbraucherinformation,148 und das Aufsichtsamt müßte gegen eine solche Praxis im Rahmen der
Mißbrauchsaufsicht nach § 10a VAG eingreifen.
147
148
So argumentieren aber fälschlicherweise fast alle Autoren und auch das Bundesaufsichtsamt mit
seinen Ausführungen zu Sitz des VU, anzuwendendem Recht, Laufzeit, Prämienangaben, Antragsbindefrist, Überschußanteile, Rückkaufswerte und PKV-Prämienkalkulation, die mehr als vertragliche Vereinbarungen statt als grundsätzliche Informationen über entsprechende Sachverhalte dargestellt werden.
Anders Schimikowski, a.a.O. S. 1 und 3, der fälschlicherweise die Verbraucherinformation mit der
Aushändigung von Bedingungen gleichsetzt. - Dagegen Schlossareck a.a.O. S. 231: „Die nach juristischen Erfordernissen formulierten Bedingungen sind für Versicherungslaien nicht immer aus sich
37
Nur wenige siedeln die Verbraucherinformation im Informations-, Wettbewerbsund Verbraucherschutzbereich an,149 wo sie ihrem Namen, ihrem Sinn und Zweck
nach hingehört. In vielen Aufsätzen, die sich mit der Verbraucherinformation befassen, stößt man hingegen fast permanent auf - zeitlich in den Vertragsbereich „verrückte“ - Formulierungen wie Informationspflichten „bei“ Vertragsabschluß oder
„Pflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer“. Verbraucherinformationen werden mit Geschäftsbedingungen gleichgesetzt150 und auf ein eigentlich wettbewerbliches Instrument die Grundsätze des AGB-Transparenzgebotes151 übertragen. § 10a
VAG soll als „Privatrechtsnorm“, die eine „privatrechtliche Informationspflicht“
regelt, „systemwidrig“152 im VAG untergebracht sein.
Eine Information, die - wie aus den Texten ersichtlich - jemanden befähigen soll,
den „Wettbewerb zu nutzen“ und das „seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechende Angebot auszuwählen“, muß einem Verbraucher und nicht einem Versicherungsnehmer gegeben werden - und zwar vor irgendwelchen vertraglichen oder
vorvertraglichen Verhandlungen und vor einer vertraglichen Bindung.
Der Begriff „Versicherungsnehmer“ ist somit im Zusammenhang mit der „Verbraucherinformation“ schon in den Richtlinien und ihren Erwägungsgründen über-
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38
heraus verständlich.“ - Reich, VuR 1/93 S. 22: „Bloße verklausulierte Informationen im Fließtext der
AVB reichen sicherlich nicht aus.“ - Schwintowski, VersWissStud (Bd. 2) S. 21, fordert eine „Reduktion der Information auf das Wesentliche“. - Hohlfeld, VW 1995, 542, meint, es sei für die Erfüllung der Informationspflichten „kein dicker Papierstapel“ notwendig. - Präve, VW 1994, 556, 560,
schlägt eine „kurze Beschreibung“ vor, widerspricht sich auf S. 557 aber, wenn er meint, § 10a VAG
„läuft auf Aushändigung der AVB vor Vertragsschluß hinaus“. § 10a VAG hat nichts mit einer Bedingungsübergabe, sondern nur mit einer Bedingungsbeschreibung zu tun. - Louis, VW 1995, 549,
fordert, „die Informationen auf notwendige und entscheidungsrelevante Sachverhalte zu beschränken“. - Demgegenüber mißverständlich in VerBAV 8/95, 284, daß die Verbraucherinformation über
die Versicherungsbedingungen „erfüllt wird, indem die für den Vertrag maßgeblichen Versicherungsbedingungen ausgehändigt werden, wenn nicht gemäß § 5a VVG verfahren wird.“ - Die Aussage kann sich nur auf die Information zu den Versicherungsbedingungen beziehen, ist aber auch insoweit sicher falsch, weil die Aushändigung der Bedingungen aus den genannten Gründen nicht die
„Verbraucherinformation“ ersetzen kann (sonst hätten die EG-Richtlinien die Aushändigung der Bedingungen vorgeschrieben). - Tatsächlich erhalten die „Versicherungsnehmer“ jetzt - viel zu spät die Verbraucherinformation in einem Wust von Papier, nämlich mit der Police und den Bedingungen.
Wie die Erfahrungen zeigen, werden bei oder nach Antragsstellung ausgehändigte Unterlagen (Informationen, Bedingungen) nicht mehr gelesen (siehe hierzu RG, Fn. 8 in VersR 1994, 754), wogegen ein Verbraucher, der (noch) vergleichen kann und will, erfahrungsgemäß prospektartige Informationen liest.
Schwark, VersWissStud (Bd. 1) S. 21, sieht die Verbraucherinformation - richtig - wie einen „Prospekt“ an und fordert die Entwicklung einer Art „Prospekthaftung“; vgl. oben Fn. 126. - Zur Prospekthaftung siehe auch Schwintowski in ds. Bd. S. 34.
Winkler von Mohrenfels, VersWissStud (Bd. 2) S. 46; Schwintowski, VersWissStud (Bd. 2) S. 17,
spricht von „Geschäftsbedingungen, die in der Anbahnungsphase des Vertrages verwendet und letztlich in den Vertrag miteinbezogen werden. Auf Informationen dieser Art ist also das AGB-Gesetz
anwendbar.“
So z. B. Reifner, VersWissStud (Bd. 2), S. 187.
Z. B. Schünemann, in ds. Bd. S. 59.
wiegend falsch verwendet worden. Der deutsche Gesetzgeber hat die Fehlbezeichnung des Verbrauchers als „Versicherungsnehmer“ zwar in den § 10a VAG
übernommen, er hat aber zumindest durch die Übernahme in das (öffentlichrechtliche) VAG zu erkennen gegeben, daß die Verbraucherinformation nicht zum
Vertragsbereich gehört, sondern ein wettbewerbs- und gewerberechtliches Informationsgebot darstellt.
Allerdings regelt § 10a VAG auch ein Informationsgebot nach Vertragsabschluß
(also gegenüber dem „Versicherungsnehmer“), welches vor allem die Informationen
der Lebensversicherten über den jeweils aktuellen Stand der Überschußbeteiligung
und des Rückkaufswertes umfaßt.153 Diese haben aber auch wettbewerblichen
Charakter: Sie sollen „während der Laufzeit“ der meist sehr langfristigen Lebensversicherungen ständig die Vergleichbarkeit mit anderen Angeboten im Hinblick auf
einen eventuellen Wechsel zu einem anderen Unternehmen gewährleisten, welcher
im Bereich der Lebensversicherungen wegen der zu jedem Zeitpunkt möglichen
Kündigung ständig möglich ist. Die Zusammenziehung der Verbraucherinformation
„vor Abschluß und während der Laufzeit des Vertrages“ in § 10a VAG mag dabei
zur alleinigen Verwendung des Begriffs „Versicherungsnehmer“ geführt haben.154
III. Die Entstehungsgeschichte des § 5a VVG (Widerspruchsrecht)
und die Einflußnahme der Branchenlobby auf die Gesetzgebung
Die EG/EU geht - auch für das Versicherungswesen - von der Vorstellung eines
sich aktiv informierenden Verbrauchers aus und wollte für diesen Informationsmöglichkeiten über die jeweiligen Angebote schaffen. Wie oben dargelegt, liefen diese
Bestrebungen den Interessen der branchenführenden deutschen VersicherungsAktiengesellschaften zuwider. Informationen gefährden letztlich das auf uninformierte bzw. desinformierte Verbraucher ausgerichtete Vertriebssystem der großen
teuren Versicherungs-Aktiengesellschaften und damit auch ihre „Gewinne aus dem
Geschäft mit der Unwissenheit“ - vor allem in den Bereichen der Kapital- und Unfallversicherungen. Verständlich also, daß die Branchenlobby - von Bonn bis Brüssel
- alles versucht hat, die „Verbraucherinformation“ zu verhindern oder zumindest bei
der Umsetzung in nationales Recht auf eine „Versicherungsnehmer-Information“ zu
reduzieren bzw. durch Verschiebung des Vertragsabschlusses auf den spätestmöglichen Zeitpunkt bis zur Wirkungslosigkeit zu verstümmeln.
153
154
Anlage D zum VAG, abgedruckt in VerBAV 8/1994/ S. 236, 262 f.
Um die wettbewerbliche Natur der Verbraucherinformation zu verdeutlichen, hätte der Gesetzgeber §
10a Abs.1 VAG formulieren müssen: „Die Versicherungsunternehmen haben zu gewährleisten, daß
der Verbraucher, wenn er eine natürliche Person ist, über die für das Versicherungsverhältnis
maßgeblichen Tatsachen und Rechte vor Abschluß und der Versicherungsnehmer über deren
Veränderungen während der Laufzeit des Vertrages unterrichtet wird.“
39
Dabei haben die branchenbeherrschenden (teuren) Aktiengesellschaften eingesehen, daß die Unternehmen um die von der EU vorgeschriebene Verbraucherinformation nicht herumkommen, daß aber eine ausführliche und verständliche
Verbraucherinformation (z. B. auch über die Rückkaufswertregelung beim Versicherungssparen) viele Verbraucher schon von Vertragsverhandlungen abhalten könnte.
Die Möglichkeit, daß ein Versicherungsnehmer die in einem Wust von Papier (mit
Police und Bedingungen) übersandten Informationen liest und dem Vertragsabschluß
widerspricht, halten die Branchenführer dagegen - nach der eigenen und allgemeinen
Lebenserfahrung zu Recht - für gering. Die Vorstellung eines jeden, nach der Unterzeichnung eines Antrages und nach Erhalt der Police gebunden zu sein, wird dabei
noch durch Hinweise auf Antragsbindungsfristen gefördert oder durch Formulierungen in der Police wie „Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde! Sie haben mit uns
einen Vertrag geschlossen und sind damit unser Vertragspartner und Versicherungsnehmer.“
Unter Abwägung der (negativen) Wirkungen einer „Verbraucher-Information“
gegenüber den Folgen einer „Versicherungsnehmer-Information“ hat sich die
Branchenlobby für letztere eingesetzt und war erfolgreich, wie die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses vom 18.5.94 zeigt (auszugsweise):155
„Die Versicherungswirtschaft hatte dargelegt, daß die vor Vertragsabschluß
vorgesehenen Informationsverpflichtungen in der Praxis auf z. T. unüberwindbare Schwierigkeiten stießen. Deutlich werde dies am Beispiel der
Rückkaufswerte in der Lebensversicherung. Der Ausschuß hat diese Argumentation aufgenommen.“
In den Anhörungen zum Entwurf des § 10a VAG hatten Branchenvertreter auch
mit der Aushändigung aller Tarife und Bedingungen als „Verbraucherinformation“,
also einem Wust von Papier gedroht, unter dem sie die Verbraucher begraben
würden. Dabei hat der BAV-Präsident Hohlfeld richtiggestellt, daß die Verbraucherinformation keinen Wust an Papier erfordert.156
Wie erfolgreich der Lobbyismus war, beweisen auch Äußerungen von Lorenz:157
„§ 5a VVG rettet von der bisherigen Rechtslage, was richtlinienkonform zu
retten war.“
und vom Bundesaufsichtsamt:158
„Mit Einführung des § 5a VVG wollte der Gesetzgeber den Versicherern die
Möglichkeit einräumen, ihre bisherige Vertriebspraxis beizubehalten. § 5a
VVG soll einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Versicherers an einem
155
156
157
158
40
BT-Drucks. 12/7595, S. 166 Ziffer 6 a.
Hohlfeld, VW 1995, 542.
Lorenz, a.a.O. S. 626.
VerBAV 9/1995 S. 312, siehe unten S. 197.
rationellen Antragsverfahren und dem des Versicherungsnehmers an einer
ausführlichen Information vor Abschluß des Vertrages schaffen.“
Die großen und teuren Versicherungs-Aktiengesellschaften haben in Wahrheit
kein „Interesse an einem rationellen Antragsverfahren“, sondern ihr Interesse ist vor
allem die „Nicht-Information“ des Verbrauchers.159 Zwischen so konträren Interessenlagen wie dem Interesse des Verbrauchers an Information und dem der Versicherer an Nicht-Information kann es niemals einen Ausgleich geben.
§ 5a VVG schafft keinen „Ausgleich“ (wie vom BAV angenommen), sondern
zerstört - einseitig zu Lasten der Verbraucher - die durch § 10a VAG angestrebte
Information des Verbrauchers als Grundlage für seine Entscheidungs- und Abschlußfreiheit. Im Hinblick auf die ohnehin bestehenden Informationsprobleme im
Versicherungswesen macht es überhaupt keinen Sinn, die Informationsmöglichkeiten des Verbrauchers über die Vielfalt von Angeboten praktisch auf eine
sinnlose Information nach einem - für den Verbraucher - „gedanklichen“ Vertragsabschluß zu beschränken.160
Für die Beurteilung und Einordnung des neuen Widerspruchsrechts nach § 5a
VVG ist die nachfolgend dokumentierte Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesbestimmung aufschlußreich:
Formulierungshilfe der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der SPD vom
Mai 1995:161 (Begründung für die Einfügung eines neuen § 5a in das VVG)
„Die Verbraucherinformation gehört zu den vorvertraglichen Pflichten des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer. Nach Wegfall der präventiven
Bedingungskontrolle durch die Versicherungsaufsichtsbehörde gewinnt sie erhöhte Bedeutung. Versicherungsbedingungen sind allgemeine Geschäftsbedin159
160
161
Wie sich aus den amtlichen Unterlagen ergibt, war es ein besonderes Anliegen der Branche, vor Unterzeichnung des Antrages durch den VN nicht über die niedrigen Rückkaufswerte bei vorzeitiger
Kündigung von Kapitallebensversicherungen informieren zu müssen, siehe Beschlußempfehlung und
Bericht des Finanzausschusses vom 18.5.94 (siehe nächste Seite 195). Die Begründung, diese Werte
könnten nicht vom Vermittler (beim ersten Besuch) berechnet werden, ist nicht hinnehmbar. Die
Werte könnten ohne Probleme in Verbindung mit einem - nach dem Vermittlerbesuch - ausgearbeiteten konkreten Angebot vorgelegt werden. So verfahren z. B. viele Direktversicherer, während die Unternehmen mit Außenorganisationen immer noch nach der Devise vorgehen: „Die Unterschrift muß
beim ersten Besuch fallen.“
Der Verbraucher wird sich nicht weiter informieren, weil aus seiner Sicht der Antrag „bindend“ ist.
Ohne eine solche Bindung macht ein Antrag - jedenfalls nach allgemeiner Auffassung - keinen Sinn.
Der so bezeichnete „Antrag“ würde auch nicht als neue Form der Informations- und Angebotseinholung erkannt. Auch das Erfordernis, einem Angebot widersprechen zu müssen, würde auf allgemeines
Unverständnis stoßen. Durch § 5a VVG wird die Angebotseinholung praktisch auf ein Angebot beschränkt; denn wer würde gleichzeitig 10 Anträge stellen, um am Ende allen 10 oder 9 zu widersprechen ?! - Lorenz, a.a.O. scheint ein solches Verhalten allerdings als neue Form der Information anzusehen.
Am 11.5.1994 vom Parl. Staatssekretär Grünewald an den Finanzausschuß übersandt; vgl. BTDrucks. 12/7595 S. 111.
41
gungen, deren Einbeziehung in den Versicherungsvertrag der vertraglichen Abrede bedarf. Sollen die Versicherungsbedingungen dem Versicherungsvertrag
zugrunde gelegt werden, ist ihre Kenntnis deshalb notwendige Voraussetzung für
eine wirksame auf Vertragsabschluß gerichtete Willenserklärung des Versicherungsnehmers. Der Versicherer als Verwender der allgemeinen Versicherungsbedingungen muß ausdrücklich darauf hinweisen, daß der Vertrag unter Zugrundelegung seiner Versicherungsbedingungen abgeschlossen werden soll. Der Versicherungskunde muß in zumutbarer Weise vom Inhalt der Versicherungsbedingungen Kenntnis nehmen können. Es ist deshalb folgerichtig, daß der Versicherungsnehmer nicht an seinen Versicherungsantrag gebunden sein kann, wenn er
bei Antragstellung nicht vollständig über Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes und die sonstigen das Versicherungsverhältnis bestimmenden Umstände
unterrichtet ist. ...“
Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses vom 18.5.94:162
„Die Versicherungswirtschaft hat in der Anhörung dargelegt, daß die im Regierungsentwurf vor Vertragsabschluß vorgesehenen Informationsverpflichtungen
in der Praxis auf z. T. unüberwindbare Schwierigkeiten stießen. Deutlich werde
dies am Beispiel der Rückkaufswerte in der Lebensversicherung, die von einer
Reihe von Faktoren abhängig seien und von den Versicherungsvermittlern bei
der Beratung nicht verbindlich errechnet werden könnten. Dies sei nur durch das
Versicherungsunternehmen selbst im Rahmen der Policierung möglich. Der
Ausschuß hat diese Argumentation aufgenommen. Er schlägt einstimmig einen
neuen Ansatz zur Lösung des Problems vor. Dabei empfiehlt er, in einem neuen
§ 5a VVG ein vierzehntägiges Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers für
den Fall zu schaffen, daß das Versicherungsunternehmen ihm bei Antragsstellung
nicht die das Versicherungsverhältnis betreffenden Versicherungsbedingungen
übergibt oder die Verbraucherinformation (§ 10a VAG) unterläßt. ...“
§ 5a VVG163
„(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragsstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach
§ 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der
Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der
weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen
nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. ...
162
163
42
BT-Drucks. 12/7595, S. 166 Ziffer 6. a.
VerBAV 8/1994 S. 263.
(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen ... Abweichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach
Zahlung der ersten Prämie.
(3) ... Wenn der Versicherungsvertrag sofortigen Versicherungsschutz gewährt,
hat der Versicherungsnehmer insoweit kein Widerspruchsrecht nach Absatz 1.“
§ 5b des Österreichischen Versicherungsvertragsgesetzes (VersVG)
„(2) Hat der Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen einschließlich der Bestimmungen über die Festsetzung der Prämie, soweit sie nicht im Antrag bestimmt ist, und
über vorgesehene Änderungen der Prämie nicht vor Abgabe seiner Vertragserklärung oder
hat er entgegen Abs. 1 keine Kopie seiner Vertragserklärung erhalten, so kann er binnen
zweier Wochen vom Vertrag zurücktreten; der Beweis der rechtzeitigen Ausfolgung dieser
Urkunden obliegt dem Versicherer. Die Rücktrittsfrist beginnt erst zu laufen, wenn dem
Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Versicherungsbedingungen ausgefolgt worden sind und er über sein Rücktrittsrecht belehrt worden ist. ... Das Rücktrittsrecht erlischt spätestens einen Monat nach Zugang des Versicherungsscheins einschließlich
einer Belehrung über das Rücktrittsrecht. Hat der Versicherer vorläufige Deckung gewährt,
so gebührt ihm hierfür die ihrer Dauer entsprechende Prämie.“
Artikel 16 des 3. DurchfG VAG (Art. 13 des Regierungsentwurfs)
Übergangs- und Schlußbestimmungen, § 11
„Auf Versicherungsverträge, die bis zum 31. Dezember 1994 zu von der Aufsichtsbehörde genehmigten Versicherungsbedingungen geschlossen werden, findet § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag keine Anwendung.“
Hinweise des BAV zum Widerspruchsrecht (§ 5a VVG)164
„Nach § 5a VVG hat der Versicherungsnehmer ein Widerspruchsrecht, wenn er
bei Antragstellung die Verbraucherinformation (einschließlich der Versicherungsbedingungen) nicht erhalten hat. Diese Vorschrift ist als zivilrechtliche
Begleitnorm zu sehen, die die gewerberechtliche Vorschrift des § 10a VAG ergänzt. Nach herkömmlichem Verständnis würde § 10a VAG - wie auch § 2
AGB-Gesetz - verlangen, daß die Verbraucherinformation dem Versicherungsnehmer auszuhändigen ist, bevor er seine auf den Abschluß eines Versicherungsvertrages gerichtete Willenserklärung abgibt. Demgegenüber wird nach §
5a VVG der Versicherungsvertrag unter Einbeziehung der AVB des Versicherers
wirksam, wenn die Verbraucherinformation erst zu einem späteren Zeitpunkt
übergeben wird. Um den notwendigen Gleichklang von Vertragsrecht und Aufsichtsrecht zu gewährleisten, geht das BAV deshalb davon aus, daß auch die Erfordernisse des § 10a VAG erfüllt sind, wenn die Verbraucherinformation nach
Abgabe des Angebotes, aber vor Zustandekommen eines wirksamen Vertrages
164
VerBAV 9/1995 Seite 312.
43
übergeben wird. Mit Einführung des § 5a VVG wollte der Gesetzgeber den Versicherern die Möglichkeit einräumen, ihre bisherige Vertriebspraxis beizubehalten. Die Versicherer können somit wählen, ob sie die Verbraucherinformation
dem Versicherungsnehmer schon bei Antragstellung aushändigen oder erst mit
dem Versicherungsschein zusenden.
Nach Sinn und Zweck der Vorschrift muß davon ausgegangen werden, daß der
Versicherungsnehmer - solange die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist dem Vertrag jederzeit widersprechen kann, also auch schon vor Erhalt der Verbraucherinformation. ... Die Versicherer haben deshalb die Bindung (Anm.: an
den Antrag) ausdrücklich auszuschließen oder zumindest auf das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG hinzuweisen. ... Mit Zusendung des Versicherungsscheins ist der Versicherungsnehmer dann umfassend über sein Widerspruchsrecht zu belehren. ... Aus Gründen der Rechtssicherheit darf der Versicherungsvertrag aber nur für eine begrenzte Zeit in der Schwebe bleiben. Deshalb bestimmt § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG, daß das Widerspruchsrecht spätestens
ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. In diesem Fall gilt der Vertrag
unter Einbeziehung der nicht übersandten AVB als abgeschlossen.
Aus Sinn und Zweck der Rechtsnorm folgt, daß die Verbraucherinformation
grundsätzlich gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG spätestens mit dem Versicherungsschein zu erteilen ist. ... Das BAV wird es als Mißstand ansehen, wenn Versicherer regelmäßig die rechtzeitige Zusendung der Verbraucherinformation unterlassen. ... Das BAV wird es deshalb als Mißstand ansehen, wenn die Versicherungsnehmer nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig über das Widerspruchsrecht belehrt werden. ... § 5a VVG soll einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Versicherers an einem rationellen Antragsverfahren und dem des
Versicherungsnehmers an einer ausführlichen Information vor Abschluß des Vertrages schaffen.“
Wie zu den Verlautbarungen zu § 10a VAG wird auch aus den obigen Formulierungen deutlich, welche Verwirrung die Mißverständnisse und falschen Formulierungen zur Verbraucherinformation ausgelöst haben. Die Koalitionsfraktionen
und die Fraktion der SPD bezeichnen die Verbraucherinformation in ihrer Formulierungshilfe für § 5a VVG als „vorvertragliche Pflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer“. Daneben soll sie eine „vertragliche Abrede über die Einbeziehung der
Versicherungsbedingungen“ darstellen. So ist in dem von der Branche, den Fraktionen und dem Finanzausschuß gestalteten § 5a VVG auch nur noch die Rede von
einer „für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation bei Antragstellung“. Auch die oben auszugsweise wiedergegebene BAV-Stellungnahme zeigt eine
ähnliche Verwirrung.
44
IV. Probleme aus § 5a VVG i.V.m. § 10a VAG
Die §§ 10a VAG und 5a VVG enthalten widersprüchliche Regelungen, wann die
Verbraucherinformation zu erteilen ist - nach § 10a VAG „vor Abschluß des Vertrages“ (nach den EG-Richtlinien eigentlich vor jeglichen Vertragsverhandlungen),
nach § 5a VVG dagegen „wann immer das Unternehmen möchte“:165
- „bei Antragstellung“ (§ 5a Abs. 1 VVG) oder
- vor einem Zeitpunkt, der als Vertragsabschluß „gilt“, wenn der Verbraucher
nach Erhalt der Police nicht widerspricht, oder
- überhaupt nicht (§ 5a Abs. 2 VVG).
Rechtzeitig sollen die ersten beiden Alternativen sein. Nur den letzten Fall würde
das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen als Mißstand ansehen und
vielleicht eingreifen, wenn dieses Vorgehen ständige Praxis eines Unternehmens
wäre.
1. Eingeschränkte Eingriffsbefugnisse des Bundesaufsichtsamtes
Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) hätte die Verbraucherinformation im Rahmen der fortbestehenden Mißbrauchaufsicht mit Leben
füllen und dazu beitragen können, daß sie ihr Ziel (den Verbraucher) vor irgendwelchen Vertragsverhandlungen erreicht. Die Verlautbarungen des BAV zeigen
stattdessen, daß sie als gesetzestreue Behörde zwanghaft versucht, den
„Gleichklang“ der zwei sich widersprechenden Gesetzesbestimmungen herzustellen.166 Die Verbraucherinformation nach § 10a VAG läßt sich aber niemals mit der
Nicht-Verbraucherinformation des § 5a VAG vereinbaren.
165
166
Dabei beweist die Praxis seit Inkrafttreten des § 5a VVG, daß die Rechnung der branchenführenden
Versicherungsunternehmen aufgeht: Sie händigen in aller Regel Verbraucherinformationen und Versicherungsbedingungen erst mit der Police aus. Den Verbrauchern wird die schwebende Unwirksamkeit ihrer Versicherung nicht bewußt, und sie widersprechen nicht nach § 5a VVG. Selbst wenn einige wenige Verbraucher von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen sollten, ist das Ergebnis für
die Gesellschaften „unter dem Strich“ allemal besser, als wenn Verbraucher - durch „Verbraucherinformationen“ rechtzeitig aufgeklärt - ihre Unterschrift gar nicht erst unter die Anträge für falsche und zu teure Versicherungen setzen würden.
So sind die Widersprüche des BAV offenkundig - z. B. ist es abwegig, die Verbraucherinformation
und Preisangaben nach der PreisangVO, die - für Angebotsvergleiche - im Informations-/ Wettbewerbsbereich wirken sollen, mit „Informationspflichten“ gegenüber dem Versicherungsnehmer (VN)
nach § 10 VAG oder §§ 5 Abs. 2, 8 Abs. 4 Satz 4, 12 Abs. 3 oder 39 Abs. 1 Satz 2 zu vergleichen,
die im Vertragsbereich wirken sollen. In sich widersprüchlich sind Formulierungen, daß die
„Verbraucherinformation dem Versicherungsnehmer vor Abschluß des Vertrages mitzuteilen“ ist. Richtig ist insoweit die BAV-Formulierung, daß die Verbraucherinformation es dem „an einem
Vertragsschluß Interessierten ermöglichen soll, seine Entscheidung zu treffen.“ - Der Sinn und Zweck
der Verbraucherinformation wird vom BAV aber wiederum völlig verkannt, wenn es fordert, daß bei
45
Wir haben es mit zwei gesetzlichen Bestimmungen zu tun, deren Sinn und Zweck
entgegengesetzt sind. Während das BAV nach § 10a VAG eingreifen könnte, wenn
ein Versicherungsunternehmen regelmäßig „vor Abschluß des Vertrages“ keine
Verbraucherinformation herausgibt und diese erst in den Antrag mit einbezieht, sieht
sich das Amt durch § 5a VVG an einer solchen verbraucherschützenden Auslegung
und entsprechenden Maßnahmen gehindert. Das BAV geht davon aus, daß die Erfordernisse des § 10a VAG erfüllt sind, wenn die Verbraucherinformation „vor Zustandekommen eines wirksamen Vertrages“ ausgehändigt wird. Danach könnten die
Versicherungsunternehmen aber nicht nur - wie das BAV meint - „wählen, ob sie die
Verbraucherinformation dem Versicherungsnehmer schon bei Antragstellung aushändigen oder erst mit dem Versicherungsschein zusenden“, sondern sie könnten
Verbraucherinformation und Bedingungen sogar noch nach einem Jahr mit der
Rechnung über den zweiten Jahresbeitrag an den noch nicht gebundenen „Verbraucher“ schicken, der - wenn die Jahresfrist noch nicht abgelaufen ist - das
„Zustandekommmens eines wirksamen Vertrages“ durch seinen Widerspruch verhindern könnte. Andererseits will das BAV im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht eingreifen, wenn Versicherungsunternehmen „regelmäßig die rechtzeitige Zusendung
der Verbraucherinformation spätestens mit dem Versicherungsschein unterlassen“.
Dies ergebe sich aus „Sinn und Zweck“ des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG.
Das BAV übersieht, daß sich der Zeitpunkt für die „Verbraucherinformation“
wie auch eine Grundlage für aufsichtsbehördliche Maßnahmen allein aus „Sinn und
Zweck“ des § 10a VAG ergeben kann, der von einer Verbraucherinformation „vor
Abschluß des Vertrages“ ausgeht. § 5a VVG kann diese Zeitvorgabe wie auch zivilrechtliche Vertragsabschluß-Regeln nicht beseitigen, sondern allenfalls konkretisieren. Dann gibt es aber nach dem Wortlaut dieser Regelung nur eine Möglichkeit der Auslegung von § 5a VVG: Solange ein Widerspruchsrecht besteht und noch
kein wirksamer Vertrag zustandegekommen ist, ist der Verbraucher noch ein Verbraucher und als solcher „ordentlicher“ Empfänger einer Verbraucherinformation.
der Verbraucherinformation „zu Krankenversicherungen nach § 12a VAG der VN darüber zu informieren ist, in welcher Weise sich die Entwicklung der Kosten im Gesundheitswesen auf die Beiträge
auswirkt“. In Anbetracht dessen, daß diese Information einem - aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgetretenem - VN nichts mehr nützt, hat die Bundesregierung hierzu in ihrer Entwurfsbegründung (BT-Drucks. 12/6959 S. 100) richtig festgestellt, daß diese Verbraucherinformation erforderlich sei, „um dem Verbraucher eine sachgerechte Entscheidung - auch im Hinblick auf andere
Vorsorgemöglichkeiten - zu ermöglichen“. - Auch der Hinweis des BAV, daß mit der Verbraucherinformation zur Lebensversicherung dem Versicherungsnehmer „mitzuteilen ist, daß der ... maßgebliche Überschuß nach handelsrechtlichen Gesichtspunkten ermittelt wird“ zeigt das Mißverständnis des
BAV zur Verbraucherinformation: Was soll ein Verbraucher mit einer solchen Information anfangen? - Tatsächlich haben die Branchenverbände und alle Unternehmen diese und ähnliche Formulierungen übernommen und meinen offenbar (wie das BAV), daß damit der „durchschnittlich gebildete
Verbraucher ohne Hilfe sich ein zutreffendes Bild machen kann“ von seinen programmierten Verlusten bei Kapitalversicherungen durch „Querverrechnungen“ und Abschreibungen (stille Reserven) sowie durch Vermögensaussonderungen im Wege von Konzerntrennungen und andere Manipulationen.
46
Für das gesetzestreue BAV kann es also nur ein „entweder ... oder“ geben: Entweder
ist der Vertrag ohne Aushändigung von Verbraucherinformation und Bedingungen
nach dem insoweit eindeutigen § 5a VVG ein Jahr nach dem vereinbarten Versicherungsbeginn immer noch in dem Stadium „vor Abschluß des Vertrages“ (§ 10a
VAG; aufsichtsrechtliche Eingriffe wären nicht zulässig). Oder die zeitliche Vorgabe „vor Abschluß des Vertrages“ in § 10a VAG kann nichts mit dem in § 5a VVG
geregelten Wirksamwerden des Vertrages zu tun haben. Dann läßt sich die Annahme
des BAV, daß „die Verbraucherinformation spätestens mit dem Versicherungsschein
zu erteilen“ sei, jedenfalls weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck
des § 5a VVG begründen.
Daß die Pflicht zur Verbraucherinformation „spätestens mit dem Versicherungsschein“ zu erfüllen sei, ergibt sich außerdem weder aus dem Wortlaut noch aus dem
Sinn und Zweck des § 10a VAG, so - erstaunlicherweise und insoweit widersprüchlich - das BAV selbst:167
„Nach herkömmlichen Verständnis würde § 10a VAG - wie auch § 2 AGBGesetz - verlangen, daß die Verbraucherinformation dem Verbraucher167
auszuhändigen ist, bevor er seine auf den Abschluß eines Versicherungsvertrages gerichtete Willenserklärung abgibt.“
2. Keine Rechtzeitigkeit der Verbraucherinformation
Nach den ausführlichen Darlegungen zum Sinn und Zweck einer Verbraucherinformation im Versicherungswesen und nach dem aus den EG-Richtlinien erkennbaren und umzusetzenden Ziel ist eine Verbraucherinformation nur dann eine wirkliche
„Verbraucher“-Information, die zum Informieren, Vergleichen, Auswählen und Entscheiden befähigt, wenn sie noch vor dem (vor)vertraglichen Bereich erteilt wird.
Allerdings hat der EG-Richtliniengeber in einem Ratsprotokoll168 als Aufgabe des
Mitgliedsstaates bezeichnet, eigenständig im nationalen Recht festzulegen, wann
genau ein Vertrag als abgeschlossen gilt, und wann genau die Informationen dem
VN mitzuteilen sind.169
Lorenz meint, daß nach § 5a VVG ein Versicherungsvertrag nicht durch Antrag
und Annahme zustandekommen soll, sondern kraft Gesetzes (sonst würde auch der
wirksame - weil nicht widersprochene - Antrag des Verbrauchers zeitlich bis zu
einem Jahr hinter seiner weit davor liegenden Annahme durch die Gesellschaft
167
168
169
VerBAV 9/1995 S. 312. Der vom BAV ganz offensichtlich falsch verwendete Begriff „Versicherungsnehmer“ wurde durch die richtige Bezeichnung „Verbraucher“ ersetzt.
Nr. 2 zu Art. 31 Dok. 7307/92 zu § 31 der 3. RiLiLeben.
Schimikowski a.a.O. S. 2: „Es setzt sich immer mehr die Meinung durch, daß damit (Anm.: ,vor
Vertragsabschluß’) der Zeitpunkt der Antragsstellung gemeint ist.“; vgl. auch Dörner/Hoffmann
a.a.O. NJW 1996,154.
47
liegen).170 Andere Autoren sind der Auffassung, daß § 5a VVG den bisherigen Antrag zu einer invitatio ad offerendum und die bisher in der Übersendung der Police
gesehene Antragsannahme zu einem Angebot macht, das der Verbraucher annehmen
kann.171 Eine solche Regelung wäre wünschenswert und wird auch in einigen
Ländern praktiziert.172 Allerdings würde dann § 5a VVG, wenn er so zu verstehen
wäre, einen unsinnigen und durch nichts zu begründenden Druck auf den Verbraucher erzeugen,173 weil er - anders als in anderen Wirtschaftsbereichen - Versicherungsangeboten ausdrücklich widersprechen müßte, wenn sie nicht nach vierzehn
Tagen als angenommen gelten und wirksame Verträge zustandekommen sollen
(nach einem Jahr selbst ohne Aushändigung von Verbraucherinformationen und
Bedingungen).
Lorenz hat sich offenbar über den praktischen Ablauf seines Policenmodells keine Gedanken gemacht, sonst hätte er erkennen müssen, daß sein Abschlußmodell,
das der Vertriebs- und Abschlußpraxis der Vergangenheit entspricht und das die
Branche zunächst einmal mit § 5a VVG „gerettet“ und auch beibehalten hat, überhaupt nicht praktikabel ist - jedenfalls nicht im Sinne einer vernünftigen Verbraucherinformation. Das unbestrittene EG-Ziel, „notwendige Informationen“ zu gewährleisten, damit „der Verbraucher den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auswählen“ kann, wird nicht erreicht. Der Verbraucher müßte nach
Lorenz - um an entsprechende Verbraucherinformationen heranzukommen - gleichzeitig z. B. zehn Anträge ausfüllen und einreichen, zeitlich unterschiedlich eingehende Policen mit unterschiedlichsten Verbraucherinformationen und Bedingungen
unter erheblichem Zeitzwang studieren und vergleichen und allen Verträgen innerhalb vierzehn Tagen nach Erhalt widersprechen, um ihr Wirksamwerden zu verhindern. Und dann müßte er evtl. für das beste Angebot, dem er zwischenzeitlich - um
seine Abschlußfreiheit zu erhalten - widersprochen hatte, noch einmal einen Antrag
stellen. - Welcher Verbraucher unterzieht sich einer solchen Informations170
171
172
173
48
Lorenz, a.a.O. S. 626 meint, der deutsche Gesetzgeber sei „berechtigt gewesen, durch § 5a VVG ein
neues Abschlußmodell zu schaffen“. „Sicherstellen“ müßte der Gesetzgeber nach den EG-Richtlinien
nur „die vollständige Information des VN vor dem bindenden Abschluß des Vertrags“, und das sei
„durch § 5a VVG geschehen“; so auch Renger, unten C V.
Renger, VersR 1994, 758. - Allerdings sieht Wandt a.a.O, S. 15 keine Gründe, weshalb „das dem
VVG zugrundeliegende Vertragsschlußmodell auf den Kopf gestellt werden sollte“; so auch Lorenz,
VersR 1995 S. 619. - v. Mohrenfels, VersWissStud (Bd. 2) S. 42: „Rechtlich wäre dieses Verfahren
ganz einfach dadurch zu bewerkstelligen, daß im Antragsvordruck sinngemäß nicht mehr steht:
,Hiermit beantrage ich den Abschluß eines Versicherungsvertrages’, sondern: ,Hiermit erbitte ich die
Abgabe eines Angebots zum Abschluß eines Versicherungsvertrages.’ Bei der Unterbreitung seines
auf diese Weise angeforderten Angebots könnte der Versicherer dem Versicherungsnehmer die geschuldeten vorvertraglichen Informationen erteilen, und dieser könnte sich aufgrund dieser Informationen in aller Ruhe überlegen, ob er den Vertrag abschließen will oder nicht.“
Lorenz, VersR 1995 S. 619, vgl. oben Fn. 110.
Dörner/Hoffmann a.a.O. NJW 1996,159 sprechen von einem „Aufbürden der Widerspruchslast“ und
sehen dies als einen Grund für die evtl. Verfassungswidrigkeit von § 5a VVG an.
Prozedur!?174 - In einem sensiblen, komplexen und schwierigen Informationsbereich
für Entscheidungen mit existentieller Bedeutung wäre selbst für Informationswillige
die Informations-, Auswahl- und Entscheidungsphase auf 14 Tage verkürzt.
Eine „Versicherung auf Probe“175 kann es - im Gegensatz zum Kauf auf Probe nicht geben. Dafür mag der kurze Hinweis genügen, daß man Versicherungen nicht
ausprobieren kann. Darüber hinaus gehört das Probieren beim Kauf auf Probe bereits
in den Vertragsbereich und nicht mehr in den Wettbewerbsbereich: Der Probekäufer
hat sich vor seiner Entscheidung im Markt informiert, Vergleiche angestellt und sich
für ein bestimmtes Angebot entschieden. Diese Konstellation allein ist schon nicht
vergleichbar mit einer „Versicherung auf Probe“, die ein Verbraucher beantragen
müßte - ohne Verbraucherinformation und Angebotsvergleich, ohne eine vorausgehende wettbewerbsgerechte Information und Entscheidung.
Mit Schwintowski176 kann die Situation wie folgt beschrieben werden: Die
Verbraucher werden nur noch aufgrund einer gesetzlichen Fiktion „vor Vertragsschluß“ informiert. Der einzelne wird also nicht über die wichtigsten Modalitäten
eines Versicherungsangebotes aufgeklärt, um dann in Ruhe zu entscheiden, ob er
überhaupt einen Antrag stellen will, sondern er wird erst dann informiert, wenn er
schon den Versicherungsschein in den Händen hält. Gleichzeitig liegen ihm die Versicherungsbedingungen vor. Angesichts des Wustes an Papier werden die Verbraucher resignieren und sich weder mit den Verbraucherinformationen noch mit den
Versicherungsbedingungen auseinandersetzten. Letztlich wird die von den EGRichtlinien angestrebte Informationstransparenz und damit Entscheidungshilfe ins
Gegenteil verkehrt, der bezweckte Verbraucherschutz wird konterkariert. Diese mit
dem Sinn und Zweck der EG-Richtlinien nicht mehr zu vereinbarende Funktionsverfehlung macht § 5a VVG EG-rechtswidrig. Damit läuft das europarechtlich verbindlich vorgesehene Informationsmodell leer.
Es kann nicht angenommen werden, daß der deutsche Gesetzgeber - bei der aktuellen Gesetzgebungs- und Rechtsprechungstendenz zur Verbesserung der Verbraucherinformation177 - durch § 5a VVG die Herbeiführung von Vertragsparität behindern wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, daß dem Gesetzgeber diese Problematik wegen des massiven Lobbyeinflusses und des Zeitdrucks gar nicht bewußt geworden ist.
174
175
176
177
Es entspricht außerdem allgemeiner Lebenserfahrung, daß sich jemand, der einen „Antrag“ unterschrieben hat, an diesen gebunden fühlt.
Auf der Sitzung des Versicherungsbeirats am 28. März 1995 (VerBAV 6/1995, 216) wurde teilweise
die Meinung vertreten, ähnlich wie beim Kauf auf Probe solle der Versicherungsnehmer das „Produkt
Versicherung“ zunächst gründlich prüfen, bevor er es ablehne.
Schwintowski, VersWissStud (Bd. 2) S. 21.
BVerfG, NJW 1994, 36. - §§ 2 ff. VerkProspVO vom 17.12.1990, §§ 31 f. WpHG v. 26.7.94, §§ 4
ff. VerbrKrG v. 17.12.90, § 53 Abs. 2 BörsG; vgl. oben Fn. 125 und 126.
49
3. Widerspruch zwischen § 5a VVG und § 2 AGBG
Durch den Zeitdruck ist auch eine rechtsdogmatische Einordnung des § 5a VVG
unterblieben.178 So wurde nicht erkannt, daß § 5a VVG neben der Verbraucherinformation (§ 10a VAG) auch die Pflicht zur Aushändigung von Versicherungsbedingungen179 nach § 2 AGBG eliminiert.180 Bis Mitte 1994 unterlag ein Versicherungsvertrag den vom BAV genehmigten Bedingungen des Versicherungsunternehmens
auch dann, wenn die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGBG bezeichneten Voraussetzungen nicht
eingehalten wurden.181 Weil die Bedingungen nicht mehr vom BAV genehmigt werden (dürfen), müßten den Antragstellern die Versicherungsbedingungen und alle
Regelungen, auf die in den AVB Bezug genommen wird,182 bei Vertragsschluß übergeben werden.183 Nach § 5a VVG soll aber wiederum ohne Aushändigung der Versicherungsbedingungen ein Jahr nach der ersten Beitragszahlung ein wirksamer Vertrag zustandekommen (§ 5a Abs. 2).
178
179
180
181
182
183
50
Renger, VersR 94, 753, 756: „Die im Gesetzgebungsverfahren und davor unterbliebene dogmatische
Auseinandersetzung werden Lehre und Rechtsprechung zu bewältigen haben.“ - Dörner/Hoffmann
a.a.O. NJW 1996, 153; - von Mohrenfels (Vers WissStud Bd. 2 S. 47) wirft dem Gesetzgeber vor,
„offenbar juristische Feinheiten schlicht übersehen“ zu haben.
Wandt a.a.O, S. 9; Schwintowski, VersWissStud (Bd. 2) S. 21. - Auch Lorenz (a.a.O. S. 617) räumt
ein: „Die Einbeziehung der AVB hätte nun nach § 2 AGBG erfolgen müssen, und das heißt nach nahezu allgemeiner Ansicht: Dem VN wären die AVB vor Unterzeichnung des Antrags auszuhändigen
gewesen (Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 6. Aufl., § 2 Rdnr. 48a).“ - Präve, VW 1994, 556, 557
unterliegt aber wieder der allgemeinen Verwirrung, wenn er meint, § 10a VAG „läuft auf Aushändigung der AVB vor Vertragsschluß hinaus“. § 10a VAG hat nichts mit einer Bedingungsübergabe,
sondern nur mit einer Bedingungsbeschreibung zu tun, die - und nur insoweit hat Präve recht - „vor
Vertragsschluß“ zu erfolgen hat.
Dörner/Hoffmann a.a.O. NJW 1996 S 153 f., die aber offenbar (S. 154) von einer fortbestehenden
„Privilegierung der Versicherungsunternehmen“ ausgehen; Wandt, a.a.O. S. 34 f., meint, § 5a VVG
„relativiere (nur) geringfügig“ § 10a VAG und § 2 AGBG (weil dem VN die Last des aktiven Widerspruchs aufgebürdet werde). Er meint (ähnlich wie Lorenz a.a.O.), den Widerspruch zwischen § 5a
VVG und § 10a VAG (vgl. Präve, ZfV 1994, 374, 379) gebe es in Wirklichkeit nicht. § 10a VAG
verlange anders als § 5a VVG die Informationserteilung nicht vor Antragstellung, sondern vor
Vertragsschluß. Wann der Vertrag geschlossen wird, bestimme aber nicht das VAG, sondern bestimmten die allgemein zivilrechtlichen Vertragsschlußvorschriften und das VVG, und zwar einschließlich des neuen § 5a VVG. Da der Vertrag nach dieser Vorschrift erst wirksam werde, wenn
der Versicherungsnehmer nach Erhalt der vollständigen Information nicht widerspricht, ist die Information i. S. von § 10a VAG vor Abschluß des Vertrages erteilt. Die Übersendung der AVB und sonstigen Informationen zusammen mit dem Versicherungsschein sei also kein Verstoß gegen § 10a
VAG.
Lorenz, a.a.O. S. 617: „Die Vorabgenehmigung half darüber hinweg, daß der VN - entgegen § 2 Abs.
1 Nr. 1 und 2 AGBG - an die AVB gebunden wurde, ohne sie vorher gesehen oder gar gelesen zu haben. Die Rechtfertigung: Die AVB waren für ihn und zu seinem Schutze von der Aufsichtsbehörde
nicht nur gelesen, sondern auch gebilligt worden.“
Palandt BGB 55. Aufl., § 2 AGBG Rdnr. 10.
Wandt, a.a.O, S. 8; Schwark, VersWissStud (Bd. 1) S. 19; Schimikowski, a.a.O. S. 3.
Ein Vertrag ist zwar auch ohne Aushändigung der AGB wirksam, wenn eine Einigung über die essentialia negotii erfolgt ist. Dies kann jedoch gerade bei Versicherungsverträgen zweifelhaft sein, weil der Inhalt eines Versicherungsvertrages erst
durch die AVB bestimmt wird.184 Eine Versicherung ohne Bedingungen ist ein nullum und in der Regel nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung herstellbar.
Fehlende AVB-Regelungen lassen sich kaum im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung „nach allgemeinen Rechtsvorschriften“ ausfüllen oder ersetzen.185 Zweifelhaft ist, ob vom Unternehmen allgemein verwendete AGB herangezogen werden
könnten, wobei wieder fraglich wäre, welche Bedingungen in den Vertrag einbezogen werden sollten - die im Zeitpunkt des Angebots oder während der Vertragsverhandlungen, die bei Antragstellung oder bei Zugang des Versicherungsscheins/Angebots verwendeten AVB, oder die bei Ablauf der Widerspruchsfrist,
evtl. also ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie, geltenden AVB, oder die im
Zeitpunkt des Versicherungsfalls verwendeten AVB. Über die Frage, wie dieser
Schwebezustand inhaltlich beendet wird, sagt § 5a Abs. 2 S. 4 VVG nichts. 186
4. Verhältnis von § 5a VVG zu § 5 VVG
Die Annahme von Lorenz187, zwischen den §§ 5 und 5a VVG bestehe eine „strukturelle Verwandtschaft“, ist unhaltbar; denn Ursprung, Sinn und Zweck beider Bestimmungen sind völlig unterschiedlich.188 § 5 VVG läßt eine Abweichung vom Antrag des Verbrauchers durch das Versicherungsunternehmen zu und die Versicherung wirksam werden, wenn der Antragsteller vom Versicherungsunternehmen über
184
185
186
187
188
Wandt, a.a.O. S. 13 f.. - Es erscheint höchst fragwürdig, ob ein Versicherungsunternehmen einen
„Antrag“, den ein Verbraucher ohne Verbraucherinformation und ohne jegliche Kenntnis der Bedingungen gestellt hat, überhaupt wirksam annehmen kann und darf, wenn Versicherungsbedingungen
seit 1995 mit jedem einzelnen Versicherten ausgehandelt und vereinbart werden müssen. - Wenn das
zulässig sein soll, wären z. B. folgende Situationen möglich: Ein Verbraucher beantragt eine Lebensversicherung und erhält nur eine Police ohne weitere Unterlagen. Der Vertrag soll gemäß § 5a VVG
ein Jahr nach der ersten Beitragszahlung wirksam sein. Nach 10 Jahren begeht der Versicherte
Selbstmord. Witwe und Waisen erfahren erst dann, daß Selbstmord grundsätzlich nicht mitversichert
war. Ähnlich bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung, zu der der Versicherte erst nach Jahren erfährt, daß für seinen speziellen Beruf (z. B. Musiker) die „Erwerbsunfähigkeit“ Voraussetzung für die
Zahlung einer Rente ist.
So auch Wandt a.a.O, S. 28 f.
Wandt a.a.O, S. 27 f.; Wandt a.a.O. S. 18 und Dörner/Hoffmann a.a.O. NJW 1996, 155, gehen von
einem wirksamen „Rumpfvertrag“ aus, der durch spätere Überlassung der Verbraucherinformation
und Bedingungen verändert werden könnte (wenn der Rumpfvertrags-Versicherungsnehmer nicht widerspricht). - Dagegen spricht, daß § 5a VVG keine Sanktion mehr für die Nichtaushändigung von
Verbraucherinformationen und Bedingungen enthalten würde.
Lorenz a.a.O. S. 620.
Dörner/Hoffmann a.a.O. NJW 1996, 159 befassen sich auch, aber aus anderer Sicht, mit dem Verhältnis der §§ 5 und 5a VVG zueinander.
51
die Abweichung in der Police deutlich informiert wird und dieser nicht innerhalb
eines Monats schriftlich widerspricht.189 Diese Regelung ist auf die bei Versicherungen in der Regel notwendige Risikoprüfung zurückzuführen und auf die früher oft
auf Alt- und Neuverträge wie auch auf Anträge durchschlagende Wirkung von Bedingungen und Tarifen, die das Aufsichtsamt genehmigt hatte. § 5 VVG kann - seinem Sinn und Zweck entsprechend - nach dem Wegfall der Vorabgenehmigung der
Bedingungen grundsätzlich nur noch für risikobezogene Veränderungen gelten (z. B.
Risikoausschlüsse oder Risikozuschläge, die sich aus der Antragsprüfung ergeben
haben), aber nach Aushändigung der Verbraucherinformation und der Bedingungen
nicht mehr für sonstige Vertragsänderungen, für die § 5 VVG nicht bzw. nicht mehr
gilt.190 § 5a VVG dient dagegen einem entgegengesetzten Zweck: Ein Versicherungsvertrag soll wirksam werden, ohne daß der Verbraucher bzw. Antragsteller von
der Gesellschaft durch die Überlassung der vorgeschriebenen Verbraucherinformation informiert worden ist und auch nicht entsprechend § 2 AGBG die Vertragsbedingungen erhalten hat. Die Aufbürdung einer Widerspruchslast in § 5 VVG war insbesondere unter der staatlichen Bedingungskontrolle sachlich gerechtfertigt und ist dies
auch heute noch in Fällen besonderer Risikoverhältnisse. Für die Regelung in § 5a
VVG gibt es eine solche sachliche Rechtfertigung nicht.
5. Weitere Probleme des § 5a VVG
Weitere Probleme, die § 5a VVG verursacht, sollen anhand von Fragen dargestellt werden:
Wie muß ein Versicherungsunternehmen auf das Widerspruchsrecht hinweisen? Darf ein Versicherungsunternehmen eine evtl. fehlerhafte Verbraucherinformation
ohne jeden Hinweis auf das Widerspruchsrecht oder nur mit dem Hinweis auf die
14-tätige Widerspruchsfrist aushändigen? Wie muß eine Verbraucherinformation aussehen? - Woran kann ein Verbraucher
erkennen, ob eine Verbraucherinformation fehlerfrei und vollständig erteilt wurde? Was sind die Folgen bei der Aushändigung fehlerhafter und nicht vollständiger
Verbraucherinformationen oder Bedingungen? - Läuft die Widerspruchsfrist erst ein
189
190
52
Prölss/Martin, VVG, 25. Aufl., § 5 Anm. 7 A: Der von den getroffenen Vereinbarungen abweichende
Versicherungsschein stelle einen „Abänderungsantrag“ oder „Gegenantrag des Versicherers“ dar. Dörner/Hoffmann a.a.O. NJW 1996, 156 haben festgestellt, daß § 5 VVG bisher die einzige Norm
des materiellen Zivilrechts war, die eine derartige Regelung einer Vertragsänderung mit Widerspruchsrecht vorsieht.
Wenn ein Unternehmen der beantragten Versicherung neue oder veränderte Bedingungen zugrundelegt, könnten Schadensersatzansprüche aus c.i.c. oder nach der versicherungsspezifischen Vertrauenshaftung (siehe oben Fn. 80) entstehen. Eine Einbeziehung neuer Bedingungen müßte vertraglich
neu vereinbart werden und könnte nicht mehr nach § 5 VVG erfolgen.
Jahr nach der ersten Beitragszahlung aus? - Wie können Gerichte eine Versicherung
ergänzen oder ausfüllen, wenn der Vertrag nach § 5a VVG mit fehlerhaften oder
unvollständigen Verbraucherinformationen und Bedingungen oder sogar ohne jegliche Unterlagen wirksam geworden sein soll? Wann ist der Vertrag wirksam zustandegekommen (ex nunc oder ex tunc)191? Ist
der Antrag des Verbrauchers noch ein Antrag oder eine invitatio ad offerendum? Wie erkennt der Verbraucher die Antworten auf diese Fragen? - Bis wann sind von
ihm Anzeigenobliegenheiten zu Risikoveränderungen zu erfüllen?
Soll ein „Antragsteller“ an eine Antragsbindefrist gebunden sein, wenn er keine
Verbraucherinformationen und keine Bedingungen erhalten hat? - Wie ist das Verhältnis von Widerrufs- und Rücktrittsrechten zum Widerspruchsrecht?
Wann beginnt die Versicherung und wann ist der Versicherungsbeitrag fällig?
Werden Schäden nach Antragstellung, nach Antragsannahme, nach Beginn oder
nach Ablauf der Widerspruchsfrist oder erst nach Wirksamwerden des Vertrages
bezahlt? - Kann nach einer Versicherungsleistung noch widersprochen werden?
Wie soll die Rückabwicklung bei Widerspruch des Verbrauchers nach Zahlung
von einer, möglicherweise sogar zwei Jahresprämien aussehen? - Wie kommt ein
Verbraucher in die gesetzliche Krankenkasse zurück, wenn er mit falschen Informationen in eine private Kranken-Vollversicherung „gelockt“ worden ist und sein Widerspruchsrecht ausüben möchte? Diese und andere Fragen werden bereits heftig und kontrovers diskutiert.192 Die
Diskussion ist sicher nur eine kurzfristige und weitgehend akademisch, weil § 5a
VVG - hoffentlich sehr bald - vom BVerfG als verfassungswidrig oder vom EuGH
als nicht richtlinienkonform kassiert oder vom Gesetzgeber „freiwillig“ gestrichen
wird.
V. § 5a VVG ist verfassungs- und EG-rechtswidrig
Es ist davon auszugehen, daß § 10a VAG, der die von der EU geforderte Verbraucherinformation als gewerberechtliche Pflicht regelt, richtlinienkonform und
verfassungsgemäß ist. Die Vorschrift ist nur - i.V.m. Anlage D zum VAG - schlecht
und mißverständlich formuliert und wird deshalb auch überwiegend falsch interpretiert.
Dagegen erscheint § 5a VVG bei der Fülle der Probleme, die diese Regelung auslöst, im Hinblick auf Art 3. Abs. 1 GG verfassungswidrig. Insbesondere daß nach §
191
192
Vgl. hierzu auch Schimikowski a.a.O. r+s 1996 S. 4.
Dörner/Hoffmann a.a.O. NJW 1996,153 ff. m.w.N; Lorenz a.a.O. VersR 1995 S. 616; Renger a.a.O.
VersR 1994, 753; Wandt a.a.O.
53
5a VVG Versicherungsbedingungen in einen Vertrag einbezogen werden sollen,
ohne daß diese gemäß § 2 Abs. 1 AGBG ausgehändigt werden müssen,
54
Siehe NO3GRAFI.DOC (user DIETER)
GRAFIK
55
läßt eine Verfassungswidrigkeit vermuten.193 Die Privilegierung der Versicherungsunternehmen gegenüber allen anderen Anbietern ist in keiner Weise sachlich gerechtfertigt.
Dadurch, daß § 5a VVG die wettbewerbliche Verbraucherinformation nach § 10a
VAG abschafft, verstößt diese Bestimmung gegen EG-Recht. So rechnet auch Lorenz194 damit, „daß die Frage der Richtlinienkonformität des § 5a VVG vor den
EuGH gebracht wird“. Erste Schritte sind bereits unternommen. So antwortete die
Generaldirektion XV der Europäischen Kommission am 23.5.95 auf eine Beschwerde der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV):
„Was die Informationspflicht des Versicherers gegenüber dem Verbraucher
vor Vertragsabschluß betrifft, so sind wir auch der Meinung, daß es Zweck
des Artikels 31 (1) der 3. Richtlinie Leben ist, den Versicherungsnehmer zu
informieren, bevor er eine Verpflichtung eingeht. Selbst wenn ein Vertrag
nach § 5a VVG nur schwebend wirksam ist, ist der Versicherungsnehmer in
diesem Sinne ,verpflichtet’. Zu diesem Aspekt haben sich die Dienststellen
der Kommission mit den deutschen Behörden in Verbindung gesetzt, um den
angesprochenen Sachverhalt möglichst rasch zu klären.“
Im Zusammenhang mit dieser EU-Aktivität und Gegenaktivitäten der Branchenlobby scheinen Verlautbarungen von Ministerialrat Lemmer vom Bundesfinanzministerium zu stehen (Handelsblatt v. 27.10.95):
„Lemmer beruhigte die Branche auch in Sachen Informationspflichten. So
dürften seiner Meinung nach die Zweifel an der Richtlinientreue der hiesigen
Umsetzung ausgeräumt sein.“
In einer Stellungnahme gegenüber dem BdV v. 13.12.95 hat Renger im Auftrag
des Bundesministerium der Justiz zu § 5a VVG demgemäß ausgeführt:
„Die rechtsdogmatische Einordnung dieser Bestimmung, die für den Abschluß von Versicherungsverträgen alternativ zum traditionellen Vertragsabschluß (bindender Antrag und Annahme) ein neues Modell des Vertragsabschlusses anbietet, ist eine Frage des deutschen Versicherungsvertragsrechts, nicht des Gemeinschaftsrechts. Da nach § 5a VVG unvollständige Informationen bei Antragstellung den eigentlichen Vertragsabschluß erst auf einen Zeitpunkt nach vollständigem Erhalt der für den Vertrag maßgebenden
193
194
56
Dörner/Hoffmann a.a.O. NJW 1996,159. Verfahren zur Überprüfung - am schnellsten durch eine
Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Nr. 1 GG - werden vom Bund der Versicherten eingeleitet. Dörner/Hoffmann a.a.O. befassen sich mit den vielen Fragen, die sich bei einer vom BVerfG bestätigten
Verfassungswidrigkeit erheben (Fortbestand eines „Rumpfvertrages“ oder wegen Verletzung von §
10a VAG „Naturalrestitution“ gem. § 249 BGB oder eine „Quasi-Deckung“ in Gestalt eines Schadensersatzanspruchs aus c.i.c.).
Lorenz a.a.O. S. 626 meint, der deutsche Gesetzgeber sei „berechtigt“ gewesen, „durch § 5a VVG ein
neues Abschlußmodell zu schaffen. Sicherzustellen hatte er nur die vollständige Information des VN
vor dem bindenden Abschluß des Vertrags.“ Und das sei durch § 5a VVG geschehen.
Unterlagen ... verschieben, ist durch diese Bestimmung gewährleistet, daß der
Versicherungsnehmer die nach Gemeinschaftsrecht geforderte Verbraucherinformation vor Abschluß des Vertrages erhält.“
Wenn sich Lemmer und Renger und ihre Ministerien (BMFi und BMJ) hier irren,
können Schadensersatzansprüche in Milliardenhöhe auf die Bundesregierung zukommen aufgrund fehlerhafter bzw. verspäteter Umsetzung von EG-Richtlinien. So
geht z. B. aus einem Schreiben der EU-Generaldirektion XV vom 23.5.95 an die
AgV hervor:
„Ein Mitgliedsstaat hat nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom
19.11.1991 in den verbundenen Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 Francovitch/Italienische Republik die Schäden zu ersetzen, die einzelnen dadurch
entstehen, daß eine Richtlinie nicht umgesetzt worden ist. Dieses Urteil könnte auch auf Fälle ausgedehnt werden, in denen ein Mitgliedsstaat für Schäden
verantwortlich ist, die einzelnen durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, der in der Zwischenzeit abgestellt worden ist. In der
genannten Rechtssache stellte der Gerichtshof fest, daß Schäden, die durch
Nichtanwendung des Gemeinschaftsrechts in einem Mitgliedsstaat entstehen,
zu ersetzen sind, und begründet somit einen individuellen Rechtsanspruch für
EG-Bürger. Allerdings muß der Schadensersatz bei den nationalen Gerichten
und nach innerstaatlichen Vorschriften eingeklagt werden. Daher können es
die betroffenen Versicherungsnehmer in Erwägung ziehen, die deutschen Behörden vor einem deutschen Gericht auf Schadenersatz zu verklagen, da sie
ihren Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht nicht fristgerecht nachgekommen sind.“
Schadensersatzansprüche könnten auch für Lebens- und Krankenversicherungsverträge geltend gemacht werden, die Bundesbürger - wegen nicht rechtzeitiger Umsetzung der 3. Richtlinien195 - ohne Verbraucherinformation zwischen dem 29. Juni
und dem 31. Dezember 1994 abgeschlossen haben, die sie aber bei sachgerechter
Verbraucherinformation nicht abgeschlossen hätten.196 Zu allen Versicherungen, die
nach dem 31. Dezember 1994 - ohne Möglichkeiten des Informierens, Vergleichens
und Auswählens - falsch abgeschlossen worden sind, könnten Schadensersatzansprüche gegen die Bundesregierung entstehen. Denn richtlinienkonforme Verbraucherinformationen vor Abschluß der Verträge sind unterblieben, weil durch § 5a VVG
der Zeitpunkt für ihre Erteilung - EG-rechtswidrig - aus dem wettbewerblichen In-
195
196
Gemäß Art. 16 der Übergangs- und Schlußbestimmungen des 3. DurchfG/EWG zum VAG v. 21.7.94
wurden Übergangsfristen bis zum 1.1.1995 eingeräumt.
Als Beispiel aus dem Bereich der privaten Krankenversicherung: Es werden keine ausreichenden
Hinweise auf das Problem der „Familienversicherung“ gegeben (die bei Krankenkassen beitragsfrei
eingeschlossen ist) und auch keine Informationen zu den nicht einkommens-, sondern altersabhängigen Beitragserhöhungen durch Kostensteigerungen im Gesundheitswesen.
57
formationsbereich („vor Vertragsabschluß“) herausgelöst und in den Vertragsbereich
verschoben wurde.
Versicherte könnten sich aber auch auf die Wirksamkeit des § 5a VVG berufen
und fast allen in den letzten 12 Monaten abgeschlossenen Versicherungen widersprechen, weil - nach den Erfahrungen des BdV - noch kein Versicherungsunternehmen den Verbrauchern fehlerfreie Verbraucherinformationen oder Versicherungsscheine mit den nach § 5a VVG geforderten „Unterlagen“ überlassen hat und
richtige Informationen über das Widerspruchsrecht und die einjährige Widerspruchsfrist fehlen. Teilweise wird zwar in Anschreiben bei der Policenübersendung auf das
Widerspruchsrecht hingewiesen. Dabei gehen die Unternehmen allerdings von der
Fehlerfreiheit ihrer Verbraucherinformation aus und weisen nur auf das 14-tägige
Widerspruchsrecht hin.197 Millionen Verträge könnten durch Widersprüche endgültig
unwirksam werden und Beiträge in Milliardenhöhe müßten an die Bundesbürger
zurückgezahlt werden, sofern diese die Nichtausübung des Widerspruchsrecht damit
begründen, daß sie (1) die Fehlerhaftigkeit der Verbraucherinformation nicht erkannt
haben und (2) nicht auf die dann geltende einjährige Widerspruchsfrist hingewiesen
worden sind.198 Selbst wenn die Gerichte bei der Rückabwicklung des unwirksamen
Vertrages den in Europa möglichen Mindestbeitrag für vergleichbaren Versicherungsschutz in Anrechnung bringen sollten, wäre durch die dann immer noch hohen
Rückzahlungen der oft doppelt und dreifach überteuerten Beiträge die Solvabilität
von allen großen und teuren Versicherungsunternehmen und die Erfüllbarkeit ihrer
sonstigen Verträge gefährdet, die - im Rahmen der Finanzaufsicht - das BAV gewährleisten soll.
Verbraucherpolitisch, aber auch im Interesse der Bundesregierung, muß § 5a
VVG schnellstens gestrichen werden, damit § 10a VAG richtlinienkonform ausgelegt und vom Aufsichtsamt für den Fall angewendet werden kann, daß Verbraucherinformationen „vor Abschluß des Vertrages“ - also bis spätestens vor Angebotsabgabe durch das Unternehmen bzw. vor Antragsstellung des Verbrauchers unterbleiben.
Zusammenfassend kann festgestellt werden:199 § 5a VVG ist eine insgesamt verunglückte, überflüssige und zudem EG-rechtswidrige200 Norm, die am besten schleu197
198
199
200
58
So eine gängige Formulierung über das Widerspruchsrecht: „Dem Abschluß des Vertrages können
Sie innerhalb von 14 Tagen ab Zugang der beigefügten Unterlagen widersprechen.“
Wenn alle Medien und Gerichte sich diese Argumentation zu eigen machen, können fast alle deutschen Verbraucher, die in den letzten Monaten Versicherungen abgeschlossen haben, diesen widersprechen und sich günstiger versichern.
Schwintowski, VersWissStud (Bd. 2) S. 20, 22. - Dörner/Hoffmann a.a.O. NJW 1996 S. 154 bezeichnen § 5a VVG als „höchst undurchsichtige Regelung“. - Schimikowski a.a.O. r+s 1996 S. 6 sieht
in § 5a VVG ein „weites Feld“ und einen „Tummelplatz für streitlustige Anwälte und Verbraucherschutzverbände“.
Auch Wandt a.a.O, S. 32, fragt: „Ist § 5a VVG richtlinienkonform? Die Antwort hierauf ergibt sich
aus Sinn und Zweck, den der Richtliniengeber den Informationspflichten beigemessen hat.“
nigst wieder gestrichen werden sollte; noch schlimmer aber ist, daß sie Probleme
aufwirft und dogmatische Widersprüche produziert, die nur außerordentlich schwer
zu lösen sein werden.201 § 5a VVG ist mit dem Ergebnis einer NichtInformationspflicht und dem weiteren Ergebnis, daß inhaltlose Verträge - entgegen §
2 AGBG - ohne Aushändigung von Bedingungen wirksam zustandekommen sollen,
verfassungswidrig. § 5a VVG hat zudem eine hochgradige Rechtsunsicherheit erzeugt, verbunden mit der Gefährdung der Zahlungsfähigkeit von Versicherungsunternehmen und des mit Versicherungen angestrebten Schadenausgleichs (wegen
möglicher Aufhebung und Rückabwicklung vieler Versicherungsverträge, die nach
neuem Recht unwirksam abgeschlossen wurden).
Schimikowski stellt richtig fest:202
„Die Widerspruchsregelung dürfte zu den am wenigsten durchdachten und am
meisten verunglückten Regelungen der deutschen Zivilrechtsgeschichte gehören.“
D. Verbraucherpolitische Forderungen
I. Notwendige Rahmenbedingungen für Verbraucherinformationen
Forderungen für mehr Transparenz müssen von der unbestreitbaren Tatsache
ausgehen, daß ohne Informationen rationale Entscheidungen nicht möglich sind und
Wettbewerb nicht funktionieren kann.203 Aufgabe der Verbraucherschutzpolitik ist
demnach die Kompensation der auf der Verbraucherseite zu beobachtenden Informationsunvollkommenheiten.204 Also ist zu untersuchen, welche Informationen im Versicherungswesen entscheidungserheblich sind und als solche dem Verbraucher zur
Verfügung gestellt oder durch eine Übernahme in gesetzliche Vorschriften erspart
201
202
203
204
Renger a.a.O. 756: „Die im Gesetzgebungsverfahren und davor unterbliebene dogmatische Auseinandersetzung werden Lehre und Rechtsprechung zu bewältigen haben.“ - Im übrigen ist es falsch,
wenn behauptet wird, Verbraucherorganisationen hätten die Regelung des § 5a „ertrotzt“; vgl. Renger, a.a.O. VersR 1994, 753, 757, oder Wandt, a.a.O. S 10, oder Schwintowski, VersWissStud (Bd.
2) S. 20; Verbraucherorganisationen waren in der „letzten Minute“, als die Branchenlobby die Bestimmung in das Gesetz einbrachte, gar nicht mehr an der Gesetzgebung beteiligt. § 5a VVG wurde
also ohne Stellungnahme und Anhörung von Verbraucherorganisationen geschaffen. Im übrigen versucht die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) gerade in Brüssel mit einer Beschwerde zum § 5a VVG ein Eingreifen der Kommission zu erwirken, siehe Seite 208.
Schimikowski a.a.O. S. 5.
Roth, VersR 1993, 134: „Das Gemeinschaftsrecht sieht in der Unterrichtung der Verbraucher eines
der grundlegenden Erfordernisse des Verbraucherschutzes (so der EuGH vom 7.3.1990, GB-INNO,
Slg 1990 I 667 (689 Rdnr. 19).“
Wenning a.a.O. S. 121.
59
werden können. Dabei kann beispielhaft die Gesetzgebung, Rechtsprechung und
Praxis im Bankenbereich herangezogen werden, die insgesamt zur Verbesserung der
Verbraucherinformation geführt haben. Dort gibt es für den vorvertraglichen (Wettbewerbs-)Bereich
Prospekt-Gesetze
und
Verordnungen
(VerkProspG,
VerkProspVO), Prospekthaftung (§ 20 KAGG) sowie vorvertragliche Aufklärungspflichten, vertragliche Informationspflichten und den Zwang, die Wissensparität
zum Zwecke der Vertragsparität herzustellen (§ 31 Abs. 2 WpHG, §§ 4 ff.
VerbrKrG, § 53 Abs. 2 BörsG). Es gibt sogar Verbote, nicht interessengerechte
Empfehlungen auszusprechen (§ 32 WpHG). Für den Versicherungsbereich wären
derartige Regelungen - wegen der großen sozialpolitischen Bedeutung der privaten
Vorsorge für Hinterbliebene, für den Krankheits- und Invaliditätsfall - wesentlich
dringender erforderlich, sie fehlen aber völlig. Der erste Ansatz für eine Verbraucherinformation (§ 10a VAG) wurde durch viele Mißverständnisse und die Regelung
in § 5a VVG zunichte gemacht.
1. Informationen über den Vorsorgebedarf
Zu Haftpflicht- und Sachversicherungen kann der Verbraucher selbst relativ
leicht seinen Bedarf ermitteln. Er kennt die Gefahr von Haftpflichtansprüchen sowie
von Feuer, Leitungswasser, Sturm und Einbruchdiebstahl. Der mögliche finanzielle
Schaden, den es abzudecken gilt, ist bei Sachversicherungen der Wert bzw. Neuwert
der zu versicherenden Gegenstände, die nur der Eigentümer oder Besitzer selbst
feststellen kann.
Der Verbraucher kennt auch die Gefahren Krankheit, Unfall und Tod, die sein
Leben, seine Gesundheit, seine Arbeits- und körperliche Leistungsfähigkeit und gegebenenfalls auch das Schicksal seiner Familie bedrohen und erhebliche finanzielle
Folgen nach sich ziehen können. Diese Auswirkungen sind aber meistens nicht zu
ermitteln. Erstens ist der Zeitpunkt, in dem sich die Gefahr verwirklicht, nicht bekannt und damit auch nicht die Situation, für die finanziell vorgesorgt werden müßte. Zweitens sollen Versicherungen gegen die genannten Gefahren in der Regel nur
Lücken füllen, die zwischen dem Finanzbedarf zum Erhalt des Lebensstandards und
Ansprüchen aus gesetzlichen Versicherungen, aus einer betrieblichen oder beruflichen Versorgung und Einkommen aus Vermögen bestehen.
Entscheidungserheblich sind für Arbeitnehmerhaushalte die zu erwartenden Leistungen aus der Sozialversicherung bei Krankheit, vor allem aber bei Tod und Berufsunfähigkeit. Rentenberechnungen, die - nur für den Augenblick, nicht aber für
den Versicherungsfall in vielleicht zehn oder zwanzig Jahren - eine Hilfe sind, werden von Versicherungsvermittlern zu Zwecken der Kundenwerbung, aber auch -
60
neutral - von Verbraucherorganisationen (z. B. durch den Bund der Versicherten)205
angeboten. Aus Gründen einer bedarfsgerechten Absicherung, aber auch sozialpolitisch wäre es es wichtig, daß Rentenversicherte solche Berechnungen regelmäßig
anstellen (lassen), oder daß die Rentenversicherungsanstalten in gewissen Zeitabständen von vielleicht drei Jahren ihren Versicherten die aktuellen Rentenansprüche
mitteilen.206
2. Informationen über Bedarfsdeckungsmöglichkeiten durch
„prospektartige“ Verbraucherinformationen
Informationen zu Möglichkeiten der Abdeckung erkannter Vorsorgelücken durch
Versicherungen sollten prospektartige Verbraucherinformationen liefern. Dieses
Vorhaben wurde durch den unseligen § 5a VVG zunichte gemacht. Also ist eine der
wichtigsten Forderungen, diese Bestimmung wieder zu streichen. Die Begründung
für die Streichung des § 5a VVG ist gleichzeitig eine Begründung für eine neue Interpretation der in § 10a VAG geregelten Verbraucherinformation als eine Art „Versicherungsprospekt“ - ähnlich dem Sinn und Zweck der zu Wertpapier-Prospekten
erlassenen Gesetzen.207
Der Bund der Versicherten (BdV) hat bei Tausenden von Zusendungen und aufgrund sonstiger Recherchen noch keine einzige Verbraucherinformation gesehen, die
diesen Ansprüchen genügt. Nach den Erfahrungen des BdV erhalten „Antragsteller“
keine gesonderten, als solche bezeichneten Verbraucherinformationen, sondern
Hinweise meistens auf der Rückseite des Antragsformulars, die - wie in früheren
Formularen - z. B. als „Wichtige Erklärungen des Antragsstellers“ bezeichnet werden (nur bei einigen Anbietern als „Verbraucherinformation“, oft in Verbindung mit
Schlußerklärungen des Antragsstellers).
Der Inhalt einer Verbraucherinformation, wie sie sich die EU-Kommission vorstellt, ergibt sich vor allem aus dem Anhang II der 3. Richtlinie Leben. Danach soll
205
206
207
Über eine TEST-Broschüre mit Fragebogen und ein computergestütztes Informationssystem gibt der
Bund der Versicherten seinen Mitgliedern und Nichtmitgliedern - auf die im Fragebogen beschriebene Situation zugeschnitten - alle wichtigen Versicherungsinformationen, die - wenn entsprechende
Angaben gemacht worden sind - auch eine überschlägige Berechnung der Berufsunfähigkeits- und
Hinterbliebenenrenten enthalten.
Wenning a.a.O. S. 45, 48 f., 122 und 151.
Siehe oben Fußnoten 125 und 126. Informationen wie bei der Spekulation, die zwangsläufig nur
wenige Informationen zuläßt, wären in dem derzeit ebenso spekulativ angelegten Versicherungsbereich noch dringender notwendig, weil es hier nicht nur um Gewinne oder Verluste aus der Geldanlage geht, sondern um die wichtige Absicherung von Familien. Die Verbraucherinformation sollte
deshalb besser auch in einer „VersicherungsinformationsVO“ als „prospektartige Verkörperung“ der
jeweiligen Versicherungsart und zusätzlich eine (vor)vertragliche Informationspflicht geregelt werden.
61
der Verbraucher „vor Vertragsabschluß“ informiert werden über das Versicherungsunternehmen (Name, Rechtsform, Adresse mit Angabe des Mitgliedsstaates, in dem
Unternehmen, Agentur oder Zweigniederlassung ihren Sitz haben), über Garantien
und Optionen, Laufzeit, Vertragsbeendigung, Prämienzahlungsweise und -dauer,
Methoden der Gewinnberechnung und Gewinnbeteiligung, Rückkaufswertregelungen, Prämien für Haupt- und Nebenleistungen, Widerruf und Rücktritt, allgemeine
Angaben zur auf die Policenart zutreffenden Steuerregelung, Bestimmungen zur Bearbeitung von Beschwerden (gegebenenfalls einschließlich des Hinweises auf eine
Beschwerdestelle), Angabe des anzuwendenden oder (bei Wahlfreiheit) des anwendbaren Rechts, das von dem Unternehmen vorgeschlagen wird.
Hier soll noch einmal verdeutlicht werden, daß es nicht um privatrechtliche Vereinbarungen zwischen einem Versicherungsnehmer und einem Versicherungsunternehmen geht, sondern um wettbewerbliche Mindestanforderungen insbesondere für
Lebensversicherungs-Angebote, also um notwendige Informationen „vor Abschluß“
eines Vertrages, die den Verbraucher - bei der Vielfalt der Angebote - zum Vergleichen, Auswählen und dann erst zum Abschluß eines Vertrages befähigen sollen.
„Prospektartige“ Verbraucherinformationen machen nur einen Sinn für einen Vergleich mit anderen Angeboten, nicht aber als Information über einen beantragten und
gedanklich bereits abgeschlossenen Vertrag. Danach sind die Anforderungen an die
Verbraucherinformation völlig anders zu verstehen, als sie das BAV bisher ansieht.
Der Sitz des VU ist anzugeben, damit der Verbraucher sich vor irgendwelchen
Vertragsverhandlungen für eine nationale oder ausländische Versicherung entscheiden kann. Das gleiche gilt für die Angabe des anzuwendenden Rechts oder entsprechende Wahlmöglichkeiten. Informationen über die Rechtsform eines Unternehmens
(AG oder VVaG) sollen - wiederum vor irgendwelchen Vertragsverhandlungen Rückschlüsse auf die Vermögensverhältnisse (Vermögensbildung im verfassungsrechtlichen Eigentum der Versicherten oder der Unternehmen) und ein mögliches
Gewinninteresse von Aktionären zulassen.
Angaben zu Laufzeiten, Kündigungen, Rücktritts- und Widerrufsrechten sollen
nur Möglichkeiten und evtl. Besonderheiten des jeweiligen Unternehmens aufzeigen. So können die Fristen zur Ausübung der genannten Rechte durchaus von einzelnen Anbietern zugunsten der Verbraucher verlängert werden.
Allgemeine Informationen über Prämien, Garantien und Optionen, über Laufzeiten und Kündigung, über Widerruf oder Rücktritt, Prämienzahlungsweise und -dauer
sowie über Methoden der Überschußbeteiligung und Rückkaufswerte sollen für eine
Auswahlentscheidung des Verbrauchers die möglichen Vertragsvereinbarungen beschreiben. Konkrete Angaben - z. B. von personenbezogenen Prämien, auch von
Kfz-Versicherungsprämien - sind in einer allgemeinen Verbraucherinformation
mangels Kenntnis individueller Daten ohnehin nicht möglich.
62
Für einen Verbraucher sind - für eine Auswahlentscheidung vor irgendwelchen
Vertragsverhandlungen - natürlich auch Informationen über die Durchsetzung seiner
Ansprüche und evtl. (neutrale) Schlichtungsstellen von besonderer Bedeutung, die
innerhalb einzelner Unternehmen oder innerhalb von Verbänden bestehen könnten,
denen einzelne Unternehmen jeweils angehören. Die in Art. 31 (1) der 3. Richtlinien
vorgesehene Information über „Bestimmungen zur Bearbeitung von den Vertrag
betreffenden Beschwerden“ wird in der Praxis verstanden als Pflicht zur Adreßangabe der zuständigen Aufsichtsbehörde. Damit werden Bestrebungen und Möglichkeiten, daß sich Unternehmen oder Verbände durch die Einrichtung besonderer Schlichtungsverfahren als verbraucherorientiert profilieren könnten, unterlaufen. Die sehr
intensive Diskussion in anderen Mitgliedsstaaten um die Einrichtung eines Ombudsoder ähnlichen Verfahrens wird damit noch nicht einmal andeutungsweise aufgenommen.208
In Anlehnung an die Grundsätze des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen zur Anwendung des § 10a VAG209 bei privaten Krankenversicherungen
(PKV) ist - insbesondere für die substitutive Form nach § 12a VAG - vor dem Austritt aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), also vor einer Entscheidung
für das ganze Leben, eminent wichtig, daß der Verbraucher darüber informiert wird,
in welcher Weise sich die Entwicklung der Kosten im Gesundheitswesen oder auch
eine Familiengründung auf die Beiträge für den Versicherungsschutz auswirkt.
Zugleich wäre darzulegen, daß der Anstieg der Aufwendungen, der sich aus den
Veränderungen im Gesundheitswesen ergibt, in der Alterungsrückstellung noch
nicht berücksichtigt ist. Dem Verbraucher müßte deutlich gemacht werden, daß diese
208
209
Reich, VersWissStud (Bd. 1), 40 mit Verweis auf Birds/Graham, Consumer Law Journal 1993, 92;
Hohlfeld, VersR 1993, 147: „Zur Entlastung der Gerichte könnte daran gedacht werden, für Versicherungsstreitigkeiten einen Ombudsmann vorzusehen.“ ders., Symposion AGBG und AVB, S.47,
53 f.; vgl. auch Schwark, VersWissStud (Bd. 1) S. 21, und Schimikowski a.a.O. r+s 1996 S. 2. - Der
Bundesverband Deutscher Banken hat für die ihm angeschlossenen Banken ein Schlichtungsverfahren geschaffen. In der „Verfahrensordnung“ ist die Bestellung des Ombudsmanns durch den Verbandsvorstand vorgesehen. Das Verfahren ist nur zulässig, wenn es sich bei dem Beschwerdeführer
um einen Verbraucher handelt, der Anspruch noch besteht (also nicht durch Vergleich erledigt oder
verjährt ist), der Beschwerdegegenstand eine höchstrichterlich bereits entschiedene Grundsatzfrage
betrifft, nicht bei Gericht anhängig ist und keine Beweisaufnahme erfordert (es sei denn durch die
Vorlegung von Urkunden). Für ein Vorprüfungsverfahren wird eine Kundenbeschwerdestelle beim
Bundesverband eingerichtet. Zulässige Beschwerden werden von dieser an die betroffene Bank weitergeleitet. Sofern diese der Beschwerde nicht abhilft, legt die Beschwerdestelle den Vorgang dem
Ombudsmann vor. Dieser kann ergänzende Stellungnahmen anfordern oder die Parteien auch mündlich anhören. Der Schlichtungsspruch bedarf keiner Begründung. Er ist für die Bank bindend, wenn
der Beschwerdegegenstand den Höchstbetrag für Klagen vor den Amtsgerichten nicht übersteigt. In
diesen Fällen ist die Anrufung der ordentlichen Gerichte für die Bank ausgeschlossen. Ansonsten
entfalten Schlichtungssprüche für beide Parteien keine Bindung. Für die Dauer des Schlichtungsverfahrens gilt die Verjährung für die Ansprüche des Beschwerdeführers als gehemmt. Die Kosten des
Vorprüfungsverfahrens und der Schlichtung durch den Ombudsmann trägt der Bundesverband.
VerBAV 8/1995 S. 286, siehe oben S. 190.
63
Kostensteigerungen besonders im Alter und bis ans Lebensende zu kaum tragbaren
Beitragserhöhungen führen können, weil PKV-Beiträge nicht - wie in der GKV einkommens-, sondern altersabhängig kalkuliert und erhöht werden.210 Was sollen
diese Informationen einem Verbraucher beim Erhalt der Police nutzen, wenn er bereits aus der GKV ausgetreten ist und in diese nicht wieder zurückkommt ? Aus Verbrauchersicht müßte also „prospektartig“ (unter einer Haftungssanktion)
über entscheidungserhebliche Sachverhalte informiert und - auf das Wesentliche
reduziert - beschrieben werden, was später in den Bedingungen noch einmal ausdrücklich und ausführlich vereinbart werden muß. Wenn ein Lebensversicherungsunternehmen z. B. die derzeitige Praxis der Überschußbeteiligung und des Rückkaufs weiterführen möchte, müßte sie z. B. den Verbraucher verständlich über entsprechende Regeln informieren (die später mit dem Antragsteller noch einmal privatrechtlich „transparent“ zu vereinbaren sind), ob oder daß die Gesellschaft z. B. berechtigt ist, ihre Kostenüberschreitungen und Verluste im Dienstleistungsbereich mit
den Erträgen aus Versichertengeld „querzuverrechnen“, daß die Gesellschaft - ohne
Auskunft geben zu müssen - zu Lasten der Überschußbeteiligung der Versicherten
Abschreibungen und die Bildung stiller Reserven vornehmen darf,211 daß sie bei einer Konzerntrennung Vermögen beiseite schaffen darf,212 daß sie Vermögensgegenstände zu vom Vorstand festgesetzten Preisen veräußern darf (also innerhalb des
Konzerns - zu Lasten der Versicherten - auch zu untersetzten Preisen)213 usw.
3. VVG-Reform - Informationen zur Versicherungsbedarfsdeckung
Prospektartige Verbraucherinformationen können für sich allein noch nicht das
Problem wettbewerbsgerechter Informationen zu Versicherungen lösen.214 Sie lassen
zwar die Information über den angebotenen Vertrag zu, nicht aber eine finanzielle
Bewertung der angebotenen Leistungen und schon gar nicht deren Vergleichbarkeit
mit anderen Angeboten.
a) VVG-Regeln zum Kern- und Baustein-Versicherungsschutz ersetzen
weitgehend Informationen zur Bedarfsgerechtigkeit von Versicherungen
210
211
212
213
214
64
Ulrich Meyer in VersWissStud (Bd. 1) S. 86 ff; H. D. Meyer in VersWissStud (Bd. 2) S. 215 ff.
BGH in VersR 1994 S. 1049.
BVerwG in VersR 1994 S. 542.
H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 225 und 238.
Vgl. Wenning a.a.O. S. 125, oben Fn. 118.
Der Ersatz der Vorabkontrolle durch Verbraucherinformationen ist ein untauglicher Versuch, Wettbewerb fördern bzw. herbeizuführen zu wollen. Weder die geltenden aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen erweisen sich als geeignet bzw.
ausreichend, die Informationsdefizite der Verbraucher befriedigend zu kompensieren, noch die alternativ im Raum stehenden Lösungsvorschläge (Musterbedingungen, Gütesiegel, Qualitätsvergleiche oder eine staatliche Prüfstelle für Bedarfsgerechtigkeit von Versicherungsangeboten, die Unternehmen-Ratings durchführt
und den Verbrauchern - gegen Entgelt - die für ihren Bedarf geeignetsten Unternehmen nennt).215 Weil Versicherung - als Einkommensumverteilung innerhalb einer
Versichertengemeinschaft wie auch als angebliches „Gesamtprodukt“ - spekulativ ist
und zu keinem unmittelbaren Leistungsaustausch führt, kann ein Verbraucher weder
anhand von Verbraucherinformationen noch durch ein Studium der Versicherungsbedingungen die Bedarfs- und Beitragsgerechtigkeit des angebotenen Versicherungsschutzes beurteilen und auch nicht finanziell bewerten. Dies war - unstreitig der Grund für die frühere Vorabkontrolle und weitgehende Vereinheitlichung der
Versicherungsbedingungen durch die staatliche Aufsichtsbehörde. Die weiter bestehende Mißbrauchsaufsicht kann zwar - im nachhinein und dadurch verspätet - „Mogelpackungen“ beseitigen. Sie hilft aber nicht mehr dabei, die „Vielfalt der Angebote“ hinsichtlich der Bedarfs- und Beitragsgerechtigkeit zu beurteilen. Insofern ist es
graue Theorie anzunehmen, eine „private Vorabkontrolle“216 könne die staatliche
Kontrolle ersetzen. Sie kann jedenfalls bei der Angebotsvielfalt keine Vergleichbarkeit herbeiführen.
Informationen, die für den Verbraucher schwierig oder praktisch unmöglich sind,
können überflüssig gemacht oder zumindest vereinfacht werden dadurch, daß alle
Versicherungen in ihrem Kern gesetzlich geregelt werden.217 Diesem Vorschlag kann
215
216
217
Vgl. Wenning a.a.O. S. 133, 137, 140, 144, 149, 154, 158.
Bach, Vorvertragliche Informationspflichten des Versicherers nach der VAG-Novelle in FS für Lorenz, 1994 S. 45 (48 f.): „Im Rahmen der Deregulierung des Aufsichtsrechts wird die behördliche
Vorabkontrolle durch eine behördliche Gewährleistung der Möglichkeit zu einer privaten Vorabkontrolle abgelöst.“
Analog § 10 VAG, der den wesentlichen Inhalt von Versicherungsbedingungen vorschreibt, könnte
der Kern einer jeden Versicherungsart auch gesetzlich geregelt werden. Den Versicherungsvertrag
bestimmende Regelungen bestehen bereits für die Kfz-Haftpflichtversicherung aus dem PflVG und
der KfzPflVV sowie für Feuer-, Hagel-, Tier-, Transport-, Haftpflicht-, Rechtsschutz-, Lebens-,
Kranken-, Unfall- und Pflichtversicherungen im VVG und auch im VAG (z. B. §§ 65, 81c, 81d, 81e).
- Durch Erweiterungen und Ergänzungen könnten alle wesentlichen Gefahren definiert werden, die
eine bestimmte Versicherungsart grundsätzlich abdecken muß - z. B. der Sturm als Windstärke 8. Ein
Verbraucher kann bei einer z. Zt. frei zu vereinbarenden Windstärke deren Bedeutung für den Versicherungsschutz gar nicht oder erst nach einem erheblichen Informationsaufwand beurteilen, wenn er
sich bei einer meteorologischen Station in seiner Region nach dem Auftreten und den Wirkungen der
dort auftretenden üblichen Windstärken erkundigt. - Die Schaffung von europäischen Musterbedingungen oder gesetzlichen Standards in einem EURO-VVG wäre allenfalls langfristig realisierbar.
Dabei wurden und werden Einheitsbedingungen in der irrigen Annahme, es handele sich um AGB der
65
nicht mit dem Vorwurf einer Re-Regulierung begegnet werden, weil Verwender der
Versicherungsbedingungen nach der hier vertretenen Meinung nicht die Versicherungs-Dienstleistungsbetriebe sind, sondern die Versichertengemeinschaft. Diese
Tatsache war letztlich auch die Grundlage der staatlichen Bedingungs- und Tarifkontrolle, die fast 90 Jahre lang von einigen als Eingriff in die Tätigkeit von Versicherungsunternehmen mißverstanden, letztlich aber doch hingenommen wurde. Im
übrigen wären Versicherungsdienstleistungsunternehmen nach wie vor frei in der
Gestaltung der Versicherungsbedingungen. Sie wären nicht gehindert, vom gesetzlichen Kern-Versicherungsschutz abweichende Bedingungen anzubieten. Dafür müßte
allerdings aus Gründen der Transparenz und Vergleichbarkeit gesetzlich vorgeschrieben sein, daß jede Erweiterung des Versicherungsschutzes mit einem Beitragszuschlag und jede einzelne Einschränkung (z. B. Selbstbeteiligungen, zulässige Ausschlüsse) mit einem Abschlag versehen werden müßte.218
Die Regelung von Kern-Versicherungsbedingungen, ergänzt durch Vorschriften
über zulässige Abweichungen in Form von bausteinmäßigen Erweiterungen und
Einschränkungen, würde auch weitgehend Verfahren zur AGBG-Inhaltskontrolle
vermeiden, was besonders im Versicherungsbereich angestrebt werden sollte; denn
Gerichtsentscheidungen bergen immer die große Gefahr in sich, daß die Abänderung
der AVB in der Regel auch die Kalkulation der Risikoanteile von Prämien verändert
und dadurch sogar die Solvabilität einer Versichertengemeinschaft gefährden
kann.219
b) Informationen zur Bewertbarkeit von Versicherung, Geldanlage und
Versicherungsdienstleistungen erst nach ihrer Trennung
218
219
66
Versicherungsunternehmen, von vielen - fälschlicherweise - als wettbewerbs-, EG- und kartellrechtswidrig angesehen.
Nach Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 93/13/EWG vom 5.4.93 über mißbräuchliche Klauseln in
Verbraucherverträgen (Abl L 95/29) dürfen Klauseln zu Versicherungsverträgen als mißbräuchlich
beurteilt werden, wenn Einschränkungen des Versicherungsschutzes nicht bei der Berechnung der
vom Verbraucher gezahlten Prämie Berücksichtigung finden (wobei nach dem Transparenz-Ziel der
Richtlinie davon auszugehen ist, daß diese Berücksichtigung bei der Prämienberechnung dem
Verbraucher offengelegt werden muß).
Diese Gefahr ist bereits erkannt, vgl. Römer, Für eine gesetzliche Regelung zur Anpassung Allgemeiner Versicherungsbedingungen, VersR 1994 S. 125; vgl. auch unten S. 237 den dort zitierten § 25
Abs. 2 der AVB eines Versicherungsunternehmens. - Dem Vorschlag Römers wie der Bedingungsregelung kann nicht zugestimmt werden, weil beide das Recht der Versicherungsunternehmen zur einseitigen Bedingungsanpassung vorsehen. Aus Verbrauchersicht ist nur eine Regelung hinnehmbar,
die - wie früher - bei einer Bedingungsanpassung die Versicherteninteressen berücksichtigt in Form
eines Genehmigungserfordernisses durch das BAV, in Zukunft aber möglichst abgesichert durch die
Zustimmung des Beirates beim BAV (der allerdings endlich einmal überwiegend mit qualifizierten
Versichertenvertretern besetzt werden müßte - nach der Erkenntnis „Versicherung ist die Leistung der
Versicherten“).
Gesetzliche Bedingungsregelungen mit bausteinartigen Abweichungsmöglichkeiten (für die einzelne Beiträge angegeben werden müßten) würden den großen
und teuren Versicherungs-Aktiengesellschaften schon nicht mehr gefallen, weil dies
zu einer gewissen Beitragstransparenz führen würde. Die oben beschriebenen
Möglichkeiten, mit denen die Unternehmen sich schon zu Zeiten der staatlichen
Bedingungsaufsicht durch Extras unvergleichbar machen konnten, wären dann nicht
mehr gegeben. Die bausteinmäßige Prämienangabe wäre aber - wie bereits ausgeführt - nicht angreifbar, auch nicht mit dem Argument, sie sei EG-rechts- und
wettbewerbswidrig und innovationsfeindlich. Es wären weiterhin alle Innovationen
möglich. Und die Wettbewerbssituation wäre durch die Vergleichbarkeit der Angebote für die Verbraucher etwas verbessert.
Eine finanzielle Bewertbarkeit des Versicherungsschutzes, des mit einigen Versicherungen verbundenen Sparvorganges und der Versicherungsdienstleistungen der
Unternehmen und der Vermittler wäre aber durch die Bausteinbedingungen noch
lange nicht herbeigeführt. Der Versicherungsvertrag und die Prämien müßten
entsprechend aufgeteilt werden. Und hiergegen sträuben sich die VersicherungsAktiengesellschaften mit aller Macht. Denn es ist die Vermengung dieser völlig
unterschiedlichen Leistungen in einem angeblichen „Gesamtprodukt“220, die es den
Gesellschaften ermöglicht, mit Versichertengeld weitgehend beliebig umzugehen.
Solange die Versicherungsprämie nicht aufgeteilt ist, können Versicherungsunternehmen beliebig hohe Kosten machen, ohne durch einen Konkurs bestraft zu
werden.221 Sie können - selbst nach Mißmanagement - (unberechtigte) „Gewinne“
aus Versichertengeld beschließen, während andere Wirtschaftsunternehmen Gewinne erwirtschaften müssen. Sie können mit den nicht identifizierbaren Erträgen
aus dem in der Prämie vermengten Spargeld weitgehend beliebig umgehen und sie
zum Ausgleich von Verlusten im Dienstleistungsbereich mißbrauchen.222 Sie können mit den aus Versichertengeld gebildeten Kapitalanlagen über Abschreibungen zu Lasten der Versicherten - stille Reserven aufbauen, die zu Kurswertsteigerungen
der Aktien und damit zu Gewinnen der Aktionäre führen.223 Sie können solche
Vermögensgegenstände und deren Erträge sogar den Versicherten - ungestraft224 für immer entziehen durch Verschiebungen innerhalb des Konzerns (Bestandsübertragungen oder „Verkäufe unter Wert“).225
220
221
222
223
224
225
Farny, Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1995 S. 45 und 65 f.
Vgl. oben Fn. 106.
Vgl. BGH VersR 1995, 77; vgl. Schünemann, in ds. Bd. S. 44 ff.
Vgl. H. D. Meyer, ZRP 1990, 425; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 327.
Vgl. H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 238.
Vgl. Verfahren vor dem BVerfG und BVerwG, siehe unten S. 232 f.
67
Die Begründung für diese rechts- und wettbewerbswidrigen Zustände liefert seit
1965 Farny mit seiner These vom „Gesamtprodukt (Kapital)Versicherung“.226 Dabei hat seine tausendfach zitierte Habilitationsschrift einen gravierenden Fehler:
Farny versucht, Versicherung als ein von den Unternehmen hergestelltes Produkt
und die Prämie dafür als Preis zu begründen, schreibt aber hierzu im totalen Widerspruch:227
„Der größte Teil der in den Versicherungsgesellschaften vorhandenen Vermögensbestände wird nur treuhänderisch verwaltet.“ Damit hat Farny ja recht. Aber wie soll „hinten“ Treuhandvermögen entstehen,
wenn „vorne“ Preise eingenommen werden? - Soll ein Bäcker die Preise für seine
Brötchen für die Kunden treuhänderisch verwalten? Zwischenzeitlich widerspricht sich Farny selbst:228
„Die These von der treuhänderischen Hingabe der Risikoprämien ist rechtlich
und faktisch unhaltbar.“
Gegen das Argument, daß es in der ganzen Welt in den Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnungen kein „Produkt Versicherung“ gibt,229 versucht Farny seine
Preistheorie nunmehr mit dem Argument zu retten, der Preis werde für den Nutzen
von Wirtschaftsgütern bezahlt, wobei unerheblich sei, wer „die Wertschöpfung besorgt hat. So zahlen auch Versicherungsnehmer Versicherungsprämien als Preis für
den Nutzen Versicherungsschutz.“ 230
Diese Begründung ist auffallend oberflächlich. Soll danach jede Geldhingabe ein
Preis sein? - Soll danach das Rechnung-Bezahlen im Giroverkehr oder das Sparen
ein Wirtschaftsgut sein, für deren Nutzen der Bankkunde an die Bank einen Preis in
Höhe der Abbuchung von seinem Konto oder der Einzahlung auf sein Konto
bezahlt? - Soll die Überweisung von Geld auf ein Notar-Anderkonto der Preis für
den Nutzen der Notardienstleistung oder der Kaufpreis für ein Haus sein? - Soll es
gleichgültig sein, wer welchen Nutzen erbringt? - Soll immer derjenige den Nutzen
erbracht und das Produkt erstellt haben, der am Ende das Geld (als Preis?) kassiert?
226
227
228
229
230
68
Farny, Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1995 S. 45 und 65 f.
Farny, Produktions- und Kostentheorie der Versicherung, VVW Karlsruhe 1965, S. 48
Farny, Versicherungsbetriebslehre (1995) S. 66 und 65.
M. Lehmann, Die Leistungswirtschaft des Versicherungsbetriebes, in Information und Produktion,
Festschrift für Waldemar Wittmann, Poeschel Verlag Stuttgart, S. 171 (209) führt aus, daß durch die
von Farny vertretene Produktions- und Kostentheorie der Versicherung „Nicht-Existierendes beschrieben“ werde. Lehmann bezeichnet diese Theorien als „betriebswirtschaftliche Märchenwelt“.
Sehr plastisch beschreibt Lehmann in Betriebswirtschaftliches Rechnungswesen, Bd. 1, Real-, wertund rechen-ökonomische Grundlagen, 1995, Springer Verlag, Heidelberg, S. 193 ff., den Irrglauben
von der Versicherungsproduktion an dem Beispiel, daß man von ihr so wenig sehe wie von des „Kaisers neuen Kleidern - nämlich nichts“. - Ähnlich Klaus-Thomas Krycha, Kleines Betriebswirtschaftslehre-Lexikon, 2. Auflage, 1986, 170: „Die Prämie ist kein Preis oder Entgelt, wie es von der Versicherungswissenschaft und Versicherungswirtschaft fälschlich behauptet wird.“ Farny (1995) a.a.O. S. 45 und 65 f.
- Soll dieser dann beliebig mit dem ihm anvertrauten Geld und seinen Erträgen umgehen dürfen? Sollen die Versicherungsunternehmen mit den ihnen anvertrauten Versicherungsbeiträgen und Spargeldern umgehen dürfen, wie es oben beschrieben
wurde (Verluste saldieren, Gewinne trotz Mißmanagements beschließen, Vermögen
verschwinden lassen)? - Auch hier muß Farny231 zugeben, daß sein Modell und das
derzeit praktizierte System einen wesentlichen Mangel hat, daß nämlich kein
„marktwirtschaftlicher Sanktionsmechanismus vorhanden ist, der die Eigentümer
und Unternehmensleiter für ihre Fehlentscheidungen bestraft“. Ein solcher Sanktionsmechanismus kann tatsächlich erst wirken und Wettbewerb und Information
können erst funktionieren, wenn die Dienstleistungen der Unternehmen von Versicherung und evtl. Sparvorgängen abgetrennt werden.232
Hersteller von Versicherung (Geldumverteilung aus einer Gemeinschaftskasse)
können nur die Versicherten als Gemeinschaft sein (woher soll sonst das Geld
kommen?), während die Versicherungsdienstleistungsunternehmen - wie Banken nur die erforderlichen Organisations- und Umverteilungsdienstleistungen erbringen.233 Und für dieses Wirtschaftsgut „Versicherungsdienstleistung“ ist die Gesamtprämie eben nicht der Preis! - Deshalb dürfte das Versichertengeld - ebenso wie
Giro- und Spargeld oder die Einzahlung auf ein Anderkonto - nicht als Umsatz verbucht und zum Ausgleich für Kosten und der Überschuß nicht als Gewinn des
Unternehmens, der Bank oder des Notars mißbraucht werden.
Farny hat allerdings in einem recht:234
„Die rechtlichen und faktischen Sachverhalte lassen sich mit der Treuhandthese nicht vereinbaren.“
Es gibt sogar Versicherungswissenschaftler, die jede Begründung für eine Treuhänderschaft schon deshalb als falsch abqualifizieren, weil man - aufgrund des faktischen Sachverhalts der Geldvermengung - kein Treuhandgeld erkennen könne.
Der „Sachverhalt“ eines Geld- und Leistungsgemenges in einer ungeteilten Versicherungsprämie wurde vor 100 Jahren von den Versicherungs-Aktiengesellschaften geschaffen, als sie die Arbeitsweise der Versicherungsvereine übernahmen,
ohne den bei diesen üblichen Versicherungsbeitrag mit einem zusätzlichen Dien231
232
233
234
Farny in ZVersWiss 1979, 66; ebenso Claus in VerBAV 1980, 22 ff.; vgl. oben Fn. 106.
Schünemann, in: Jacobs/Lindacher/Teplitzky, UWG Großkommentar, 1994, Einl., Rdnr. D 48: „Gegenüber mancherlei Manifestationen wohl doch wettbewerbswidrigen Verhaltens von bereits volkswirtschaftlichen Dimensionen in diesem Wirtschaftssektor ist bislang keinerlei Sensibilität der Wettbewerbsrechtsdogmatik erkennbar geworden (grundsätzliche Denkanstöße bei H. D. Meyer ZRP
1990, 424 ff).“
vgl. Schünemann, in diesem Band S. 43, 51, 60 m.w.N.; H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 203
m.w.N.; ders. ZRP 1990, 424 m.w.N; vgl. auch § 31 Abs. 1 WpHG (oben Fn. 117), das korrekt und
eindeutig von „Wertpapierdienstleistungsunternehmen“ und nicht von „Wertpapierunternehmen“
spricht.
Farny, Versicherungsbetriebslehre (1995) S. 66 und 65.
69
stleistungspreis zu versehen. Der rechts-, wirtschafts- und wettbewerbswidrige
Sachverhalt wurde danach durch die „Versicherungswissenschaft“ zementiert und
durch die Branchenlobby bis heute erhalten.235 Erst in den letzten Jahren ist heftige
Kritik am derzeitigen System und den dieses System tragenden Theorien geübt
worden.236 Eine qualifizierte Auseinandersetzung mit dieser Kritik hat bisher nicht
stattgefunden, weil die Branche und ihre Wissenschaftler es offenbar bei dem
„Friedhofsende“ belassen wollen, das bisher von Schmidt-Rimpler237 als letzter
Stand des Streites um den Versicherungsvertrag konstatiert wurde.
Untergründig ist dagegen die Branchenlobby am Werke, was die Aussagen von
Regierungsbeamten vermuten lassen, so im Handelsblatt v. 27.10.95:
„Lemmer (Anm.: vom Bundesfinanzministerium), dessen Vortrag verdeutlichte, daß in Bonn ... kaum noch Kontroversen zur Versicherungswirtschaft
bestehen, beruhigte die Branche auch ... in Sachen Prämienaufteilung in
Risiko- und Sparanteil in der Lebensversicherung: Dies werde von der Richtlinie nicht gefordert. ,Das Ziel heißt Preistransparenz und nicht Kalkulationstransparenz’, stellte er unmißverständlich klar .“ Dementsprechend bezeichnet auch Renger vom Bundesjustizministerium in
einer Stellungnahme gegenüber dem BdV vom 13.12.95 sogar den Sparanteil der
Lebensversicherungsprämie als „Kalkulationselement des Entgelts für den Versicherungsschutz“.
Lemmer und Renger übersehen elementare Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre und die Tatsache, daß Sparanteile niemals Preisbestandteile sein können.238
Wenn die Kritiker und der Bund der Versicherten eine Aufteilung der (Kapital)Versicherungsprämie fordern, dann fordern sie nicht - wie die Gegner es immer
wieder bewußt falsch darstellen239 - die Aufteilung eines Preises, sondern dessen
Angabe, die erst durch die geforderte Aufteilung der Prämie in die Bestandteile Beitrag, Sparanteil und Dienstleistungspreis möglich ist. Niemand fordert „Kalkulationstransparenz“, sondern Vertrags-, Preis- und Markttransparenz für die allein
austauschbaren Dienstleistungen der Versicherungsdienstleistungsunternehmen und
ihrer Vermittler.
235
236
237
238
239
70
H. D. Meyer, ZRP 1990 a.a.O. S. 428, beschreibt diesen „Sachverhalt“ als „historischen Kardinalfehler“; ders., Das Versicherungs(un)wesen - eine Branche jenseits von Recht und Wettbewerb, München 1993, S. 59 ff.
Eike von Hippel, Verbraucherschutz, 3. Aufl., 1986, S 242; JZ 89, 668; JZ 90, 445; JZ 1991, 452;
NJW 1995, Heft 9, 566 ff. - H. D. Meyer a.a.O.; Schünemann a.a.O.; Matthias Lehman, a.a.O.;
Klaus-Thomas Krycha, Kleines Betriebswirtschaftslehre-Lexikon, 2. Auflage, 1986, 170: „Die Prämie ist kein Preis oder Entgelt, wie es von der Versicherungswissenschaft und Versicherungswirtschaft fälschlich behauptet wird“.
Schmidt-Rimpler, Die Gegenseitigkeit bei einseitig bedingten Verträgen, 1968, S. 52.
H. D. Meyer, VersWissStud Bd. 2 S. 207 ff. m.w.N.
So wird von vielen immer wieder der unsinnige Vergleich angeführt, daß ein Autohersteller auch
nicht offenlegen müsse, was die in das Auto eingebauten Reifen gekostet haben.
aa) Informationen zur Beitragsgerechtigkeit von Versicherungen erst nach
Abtrennung der verbundenen Dienstleistungen und Sparvorgänge
Tatsache ist, daß niemand - auch nicht mit 100 Computern - das Verhältnis der
derzeit ungeteilten Versicherungsprämie zu dem angebotenen Versicherungsschutz,
zu den damit verbundenen Dienstleistungen der Unternehmen und auch nicht zum
Ergebnis des an einige Versicherungen angehängten Sparvorganges finanziell
bewerten kann. Es ist geradezu unglaublich, daß die EU, Bundesregierungen, Aufsicht und Wissenschaft diese unbestreitbare Tatsache vernachlässigt und daraus
nicht den Schluß gezogen haben, daß Wettbewerb und wettbewerbsgerechte Informationen um Versicherungen mit einer ungeteilten Prämie nicht möglich sind. Also
sind hierzu dringend wissenschaftliche Untersuchungen und eine Reform des VVG
zu fordern, die einer Harmonisierung des EU-Versicherungsrechts vorausgehen
sollte. Dabei ist von der Tatsache auszugehen, daß Versicherung wegen der zufallsbedingten Versicherungsleistungen eine Information zum Verhältnis Beitrag/Versicherungsleistungen nicht zuläßt, daß sich diese Relation erst im nachhinein und
nur bezogen auf die Versichertengemeinschaft ergeben kann.
bb) Wettbewerbsgerechte Informationen zu mit Versicherung verbundenen
Dienstleistungen nach deren Abtrennung von Versicherung
Aus der Erkenntnis, daß der jeweilige Versicherungsschutz von Versicherungen
finanziell nicht zu bewerten ist, ergibt sich die weitere Tatsache, daß es auch unmöglich ist, wettbewerbsgerechte Informationen zu geben oder zu erhalten über
Leistungen, die ohne gesonderte Beschreibung und Preisangabe mit Versicherung
verbunden bzw. vermengt worden sind. Weil der Versicherungsschutz finanziell
nicht zu bewerten ist, läßt sich eine Gleichung „Versicherungsschutz + Dienstleistung = Preis/Nutzen“ erst lösen, wenn für die Dienstleistung ein Wert angegeben
wird. Dann erst könnte das Preis-/Leistungsverhältnis der allein austauschbaren Dienstleistung ermittelt werden.
Die Prämie von 1.000 DM für eine Autoversicherung müßte z. B. aufgeteilt werden in 800 DM für den „Schadenstopf“ und 200 DM für die Unternehmensdienstleistungen. Dabei sind die 800 DM, deren Bereitstellung durch die Versicherten
zur Umverteilung vorläufig und nur bedingt erfolgt, keine rechenbare Größe, weil
sie vom zufallsbedingten Schadenverlauf abhängen. Sie müßten von den Versicherungsdienstleistungsunternehmen treuhänderisch als Sondervermögen verwaltet
werden. Bei einer entsprechenden Verbuchung wären Übergriffe in den Schadenstopf nicht mehr möglich, wenn das Unternehmen mit den kalkulierten Kosten nicht
71
ausgekommen ist. Die Überschüsse im Schadenstopf, die wegen der vorsichtigen
Kalkulation immer entstehen, wären unantastbar. Ähnlich funktioniert die Autoversicherung in Japan.240 - Für Sparvorgänge, die mit Versicherungen verbunden sind,
müßte außerdem der „Sparbeitrag“ und eine zeitlich befristete Rendite angegeben
werden.241 Auch Spargelder und deren Erträge müßten - wie von Kapitalanlagegesellschaften nach § 6 KAGG - als Sondervermögen verwaltet werden. Die
Unternehmen müßten und könnten nur noch - wie jedes andere
Wirtschaftsunternehmen - über ihre gesondert anzugebenden Dienstleistungspreise
oder Zinsüberschüsse aus der Geldanlage ihre Gewinne erwirtschaften.
Versicherung als Einkommensumverteilung und Leistung der Versicherten kann
- auch schon wegen ihrer Abhängigkeit vom Zufall - kein Wettbewerbsbereich sein.
Wettbewerbsbereiche, in denen durch wirtschaftliches Handeln Gewinne erzielt
werden können, sind dagegen die Dienstleistungen der Unternehmen bei der Organisation der Versichertengemeinschaft und der Geldanlage sowie die Dienstleistungen der Vermittler, Makler und Versicherungsberater. Diese allein
austauschbaren Leistungen können von ihren Anbietern auch beschrieben und mit
Preisangaben versehen werden.
240
241
72
H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 1) S. 150 (dort Fn. 3).
Wenning a.a.O S. 131 weist mit Recht darauf hin, daß ab 1995 Beispielrechnungen zu den Ablaufleistungen von Kapitalversicherungen der aufsichtsbehördlichen Vorabgenehmigung entzogen sind.
Es sei „nicht auszuschließen, daß LVU den Versuch unternehmen werden, den Verbrauchern durch
geschickte Gestaltung solcher Prognoserechnungen von einer positiveren Leistungshöhe zu überzeugen.“
Durch eine allseits geforderte242 und von der Bundesregierung angekündigte243
VVG-Reform müßte Versicherung also als Einkommensumverteilung und Leistung
der Versicherten definiert und eine Preisangabe für die Dienstleistungen von Versicherungsdienstleistungsunternehmen und der Vermittler eingeführt werden.244
Gleichzeitig müßte - abweichend bzw. durch Streichung von § 5a VVG - eine
Bestimmung getroffen werden, wie und wann ein Versicherungsvertrag zustandekommt.245 Zur Kfz-Haftpflichtversicherung (als gesetzlicher Pflichtversicherung) wie für die substitutive Krankenversicherung nach § 12 VAG und für Le242
243
244
245
Fahr, VersR 1992 S. 1037 f.: „Das deutsche Versicherungsvertragsrecht, das in seinem Kern auf die
Regelung von 1908 zurückgeht, bietet nur ein sehr grobmaschiges Netz für den Verbraucherschutz
und schon gar keinen Ansatzpunkt für eine Markttransparenz. Der deutsche Gesetzgeber wäre daher
gut beraten, die Richtlinien zum Anlaß zu nehmen, das VVG zu überarbeiten und an die Erfordernisse des modernen Verbraucherschutzes anzupassen. Dabei sollte sich der Gesetzgeber nicht scheuen,
vermehrt auch leistungsbeschreibende Regelungen in das Gesetz aufzunehmen. Daß das AGBG auch
auf leistunsgbeschreibende Teile der AVB anwendbar ist, ist inzwischen überwiegende Meinung. Es
ist möglich, weit mehr leistungsbeschreibende Teile vorzusehen und insbesondere Begriffe zu definieren, ohne daß sich der Gesetzgeber dem Vorwurf aussetzen würde, er lasse das Versicherungswesen durch ein allzu enges Korsett von Vorschriften erstarren. Ein Beispiel bildet der Begriff des Feuers. Er ist im VVG zwar verwendet, aber nicht definiert. - Der Bundesminister der Justiz wäre gut beraten, wenn er für eine Reform des VVG eine Kommisssion aus Wissenschaftlern und Praktikern berufen würde, die dem Gesetzgeber geeignete Vorschläge an die Hand geben würden.“ - Brandner,
VersWissStud (Bd. 2) S. 73: „Es bedarf einer Vermehrung der gesetzlichen Leitbilder im Versicherungsvertragsgesetz.“ - Reimer Schmidt, Symposion AGBG und AVB, S.27, 33 f. - Schmidt-Salzer,
VersR 95, 1261, 1268 f.: „Nach allen bisherigen Erfahrungen muß damit gerechnet werden, daß damit innerhalb der EU das in den 80er Jahren als erledigt betrachtete Thema zumindest einer Rechtsangleichung, vielleicht sogar einer Vereinheitlichung des Versicherungsvertragsrechts sich geradezu
explosionsartig wieder stellen wird.“ - Zur Harmonisierung des Versicherungsvertragsrechts heißt es
in Erwägungsgrund 19 der Richtlinie Leben 92/96/EWG (VerBAV 2/1993, 41, 43), sie sei „keine
Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor“. Reich, VuR 1/93
S. 21, hält das für „eine fragwürdige Prämisse“. Hohlfeld, VersR 1993, 149 f.: „Der beste Weg wäre
eine Harmonisierung des Versicherungsvertragsrechts. Es ist bedauerlich, daß die EG-Kommission
dies nicht für erforderlich hält.“ - Aus Verbrauchersicht ist zu fordern, daß eine baldige nationale
VVG-Reform einer Harmonisierung vorausgeht, weil diese sonst in traditionell falschen Gleisen stattfinden könnte.
BT-Drucks. 12/6959, S. 134: „Die Bundesregierung plant eine (spätere) Reform und Überarbeitung
des Versicherungsvertragsgesetzes.“ - Vgl. Niederleithinger, Handels- und Wirtschaftsrecht in der
13. Legislaturperiode, ZIP-Report 1995 S. 597, 603. - Brandner, VersWissStud (Bd. 2) S. 73 Es bedarf einer Vermehrung der gesetzlichen Leitbilder im Versicherungsvertragsgesetz. Reimer Schmidt,
Symposion AGBG und AVB, a.a.O. S.27, 33 f. zum VVG; Schmidt-Salzer, VersR 95, 1261, 1268 f.;
vgl. auch § 4 I 1 d VerbrKrG.
Zur Möglichkeit einer Provisionsangabe vgl. in diesem Band Taupitz S. 122 f. und Reifner S. 141
und 143. vgl. Schünemann, in diesem Band S. 60; H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 203
m.w.N.; ders. ZRP 1990, 424 m.w.N; vgl. auch § 31 Abs. 1 WpHG (oben Fn. 117), das korrekt und
eindeutig von „Wertpapierdienstleistungsunternehmen“ und nicht von „Wertpapierunternehmen“
spricht.
Hier wäre eine Regelung zu begrüßen, die in dem bisherigen „Antrag“ des Verbrauchers wegen der
vorgelagerten Risikoprüfung (siehe oben S. 165) eine invitatio ad offerendum sieht, also eine Aufforderung zur Abgabe eines konkreten Angebots durch das Versicherungsdienstleistungsunternehmen
anhand der mitgeteilten Risikoverhältnisse.
73
bensversicherungen müßten Tarif- und Kalkulationsvorschriften erlassen werden.246
Mit Lebens-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosigkeitsversicherungen verbundene
Sparvorgänge müßten entsprechend dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften
(KAGG)247 gesondert geregelt und befristete Renditeangaben vor, bei und nach Vertragsabschluß vorgeschrieben werden.
4. Reform der RechVersV - Informationen über die finanzielle Lage
der Versicherungs-Dienstleistungsunternehmen
Durch eine Aufteilung der bisher als Einheit verstandenen (Kapital)Versicherungsverträge wäre auch eine Reform der RechVersV und eine neue Rechnungslegung erforderlich, die Versicherten- und Unternehmensgelder so trennt, daß Übergriffe der Versicherungsdienstleistungsunternehmen in den Versicherungs- und
Sparbereich unmöglich oder - als Untreue - zumindest strafbar wären.248 Damit wäre
einmal der unverständlichen Rechtsprechung des BVerwG249 und des BGH250 der Boden entzogen, die bisher finanzielle Benachteiligungen von Versicherten zugelassen
haben, wenn sie „nicht unangemessen“ sind.251 Zum anderen würde die Rechnungs246
247
248
249
250
251
74
H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 215 und 221; ders., VersWissStud (Bd. 1) S. 149, insbes. S.
166: Gesetzesvorgaben sind kein Eingriff in den Markt oder Wettbewerb oder in die Gewerbefreiheit.
- Das BVerwG (VerBAV 1989 S. 369) stellte fest, die Einschränkung der Tarifierungsfreiheit sei
„durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt, zur Erreichung des mit ihr verfolgten
Zwecks geeignet und erforderlich und den Versicherungsunternehmen zumutbar; sie erfüllt damit die
Voraussetzung einer verfassungsmäßigen Regelung der Berufsausübung gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 2
GG (vgl. BVerfGE 68, 193 m. w. N.) und verletzt auch nicht die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte
wirtschaftliche Betätigungsfreiheit (BVerfGE 50, 290 [366]) und die von ihr umschlossene Teilnahme am Wettbewerb (BVerwGE 65, 167 [174]).“ - Vgl. H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 1) S.
166.
H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 211; ders., VersWissStud (Bd. 1) S. 166:
So meint Lehmann, Betriebswirtschaftliches Rechnungswesen, Bd. 1, Real-, wert- und rechenökonomische Grundlagen, 1995, Springer Verlag, Heidelberg, S. 193 ff., es sei falsch, „den vollen
Prämienbetrag gleich einem vollen Entgeltbetrag an ,Umsatz-Ertrag’ zu verbuchen. Mit der derzeit
üblichen Verbuchung eignet sich der Versicherer den Prämienbetrag sowohl als Vermögensvorgang
als auch als Ertragsvorgang voll an und handelt damit im Widerspruch zum Versicherungsvertrag.“ Ebenso Rückle in einer nicht veröffentlichten gutachterlichen Stellungnahme zum BGH-Urteil vom
23.11.94 (VersR 1995, 77): „Im Bilanzrecht ist nicht nach zivilrechtlichen Gestaltungen und Benennungen vorzugehen, sondern nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt. In diesem Sinne wäre die
Prämieneinnahme von Lebensversicherungsunternehmen aufzuteilen in Entgelte für Dienstleistungen
(im wesentlich die Organisation der Verteilung) und in Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungen für
Risiko- und Sparanteile. Risikoanteile, soweit sie nicht verbraucht sind, gebühren den Versicherungsnehmern.“ - vgl. auch Schünemann, in diesem Band S. 61 und H. D. Meyer in ZRP 1990, 424
BVerwG, VersR 1994 S. 542.
BGH, VersR 1994 S. 1049.
Es ist ein Fehler fast aller Verantwortlichen (zuletzt Römer in Handelsblatt v. 9.1.96 S. 25), daß sie
auch bei „enteignungsgleichen“, eigentlich rechtswidrigen Vorgängen im Versicherungswesen, die
teilweise den objektiven Tatbestand der Untreue erfüllen, von einer „nicht unangemessenen Benach-
legungs- und Bilanztransparenz auch die Informationslage des Verbrauchers wesentlich verbessern.252
Jedenfalls ist auch nach der neuen Rechtslage die stillschweigende Einbeziehung
von gesetzlichen Regelungen über die Rechnungslegung - wie z. B. §§ 55 und 56
VAG a. F. - in den Vertrag künftig ohne eine „transparente“ Vereinbarung zwischen
den Vertragsparteien nicht mehr möglich. Die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen ist zwar durch das Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz vom 24. Juni
1994253 geändert worden, doch Querverrechnungen, das Verschwindenlassen und
der Mißbrauch von Versichertengeld254 sind weiterhin „legal“. Eigentlich müßten die
Anbieter von Kapitalversicherungen seit Januar 1995 schon in einer „Verbraucherinformation“ auf diese Mißbrauchsmöglichkeiten oder auf eine abweichende vertragliche Vereinbarung in verständlicher Form (!) hinweisen und hierüber
(zusätzlich!) in den Bedingungen transparente vertragliche Regelungen vorsehen,
was aber bis jetzt noch nicht geschieht, so die Feststellungen aller Verbraucherorganisationen. Der Bund der Versicherten plant hierzu bereits Verbandsklagen nach
UWG und AGBG.
252
253
254
teiligung“ der Versicherten ausgehen und dabei „unangemessen“ im Sinne von § 9 AGBG interpretieren. Ein Mißstand nach der Generalklausel des VAG § 81 Abs. 2 S. 1 ist im Zusammenhang mit finanziellen Benachteiligungen eher im Sinne des Strafrechts zu bestimmen und liegt jedenfalls dann
vor, wenn Ansprüche von Versicherten auf ihr Geld oder Erträge aus ihrem Geld - unberechtigt auch nur um 100,- DM geschmälert werden.
Busse von Colbe, Rechnungslegungsziele und Ansätze zur Harmonisierung der Rechnungslegung
deutscher Unternehmen, in Ballwieser (Hrsg.) S. 221 ff. kritisiert, daß „in Deutschland die Rechnungslegungsvorschriften zu stark durch Interessen des Managements und zu wenig im Interesse der
Kapitalanleger geformt“ sind. - Kübler, Institutioneller Gläubigerschutz oder Kapitalmarkttransparenz, ZHR 1995, 550, fordert ein „System, das sich vorrangig am Regelungsziel der Informationsbeschaffung für finanzielle Entscheidungen, d. h. der Kapitalmarktpublizität orientiert“ (Auszüge):
„Auch für das deutsche Bilanzrecht überwiegt mittlerweile die Ansicht, daß die Rechnungslegung auf
den Kapitalmarkt bezogene Informationsaufgaben zu erfüllen hat. Zuverlässige und aktuelle Unterrichtung durch das Unternehmen sei geeignet, Informationsungleichgewichte zwischen den Marktteilnehmern abzubauen. Seit der Verabschiedung der Insider- und der Transparenz-Richtlinie durch
den Ministerrat der EU und mehr noch seit ihrer Umsetzung in das Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG) läßt sich nicht mehr bestreiten, daß diese Zielsetzung auch für das deutsche Recht normative Bedeutung erlangt hat. Dabei geht es nicht zuletzt um Grundfragen der treuhänderischen Verantwortung: Es ist heute weniger denn je einzusehen, daß es der Verwaltung erlaubt sein sollte, die
Anteilseigner durch Bilanzoperationen über den Zustand des Unternehmens zu täuschen. Die relevante Schwelle wird indessen dort überschritten werden, wo die Bewertungsspielräume längerfristig und
planmäßig dazu genutzt werden, die wirkliche Ertragslage zu verschleiern und die Ausschüttungen ...
zu beschränken.“ - § 15 WpHG verlangt die unverzügliche Veröffentlichung von Tatsachen, die nicht
öffentlich bekannt sind, wenn sie Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage des Emittenten
und damit auf die Information der Interessenten haben.
Abgedruckt in VerBAV 8/1994 S. 273 ff.
Kübler a.a.O. S. 559: „Über stille Reserven kann vergleichsweise ungehindert verfügt werden - etwa
durch Veräußerung unterbewerteter Immobilien oder Anlagegüter an eine Tochtergesellschaft.“
75
5. Informationen durch die staatliche Versicherungsaufsichtsbehörde
Eine Reform des Versicherungsvertragsrechts würde selbstverständlich auch Änderungen des VAG nach sich ziehen. Die Aufgaben des Bundesaufsichtsamtes für
das Versicherungswesen (BAV) könnten neu bestimmt werden.255 Nach einer Abtrennung der Dienstleistungen der Versicherungsunternehmen von der Versicherung
(als Leistung der Versicherten) könnte das BAV weiterhin bzw. wieder die Kontrolle
und Regulierung des wettbewerbsfreien Versicherungsbereichs übernehmen. Während der Wettbewerb im Dienstleistungsbereich durch die notwendige Preisangabe
für Versicherungsdienstleistungen hergestellt würde, könnte das BAV - neben neuen
Regelungen im VVG und eigenen Anordnungen256 - wesentliche Informationen zu
allen Versicherungen produzieren und für Verbraucherinformationen zur Verfügung
stellen.257
6. Verbesserung der Vermittler-Informationen durch Haftungsdruck
und Verbote nicht bedarfsgerechter Versicherungsvermittlung
Haupttäter bei der Fehlinformation und Falschversicherung sind die provisionsgesteuerten Versicherungsvermittler. Wegen der oft erheblichen (negativen) Folgen
für Familienschicksale258 muß der Gesetzgeber hier unbedingt tätig werden. Not255
256
257
258
76
Eisen/Müller/Zweifel, Unternehmerische Versicherungswirtschaft: Konsequenzen der Deregulierung
für Wettbewerbsordnung und Unternehmensführung, Wiesbaden 1990, S. 63: „In einer weitgehend
deregulierten Versicherungswirtschaft, in der das Bestehen einer staatlichen Aufsicht ohnehin allein
mit Verbraucherschutzzielen zu begründen ist, wären die Informations- und Aufklärungsaufgaben der
Behörde im Sinne einer breiten und konkreten Dienstleistungsfunktion neu zu bestimmen.“ - Denkbar
wäre auch, daß das BAV qualifizierten (privaten) Verbraucherorganisationen eine gewisse „staatliche
Anerkennung“ verschafft, damit diese von den informationssuchenden Verbrauchern als neutrale Informanten erkannt und nicht mehr mit Vertriebsorganisationen verwechselt und aus diesem Irrtum
heraus gemieden werden.
Das BAV - ermächtigt durch das BMFi - kann (muß?) zu Kapitallebensversicherungen immer noch
„deregulierungswidrig“ den Rechnungszins und die Höchstbeträge für die Zillmerung bestimmen (§
65 VAG) und bei der Überschußbeteiligung gemäß § 81c VAG eingreifen.
Wenning a.a.O. S. 131 fordert eine neue Form der Beaufsichtigung von Lebensversicherungsunternehmen, wobei die Aufgaben der Aufsichtsbehörde bei der empirisch nachgewiesenen mangelhaften
Informationsausstattung stärker am Informationsbedarf der Konsumenten ausgerichtet werden sollten.
Schlossareck, Ansprüche des Versicherungsnehmers aus culpa in contrahendo, Karlsruhe VVW,
1995, S. 46 u. 227, der (S. 185) auch auf eine weitere Besonderheit hinweist: „Belehrungsversäumnisse aus der Zeit der Vertragsverhandlungen zeigen sich regelmäßig erst (nach Jahren, Jahrzehnten)
dann, wenn der Versicherungsfall eintritt.“ - Belehrungsversäumnisse werden oft dann noch nicht
einmal erkennbar: So haben sich Hunderttausende von Witwen noch über die 50.000 DM aus Kapitallebensversicherung gefreut, die sie nach dem Tode ihres Mannes aus einer (falschen, teuren und
unzureichenden) Kapitalversicherung ausgezahlt bekommen haben. Sie erkennen den „Beratungsfehler“ nicht, daß der Vermittler zur Familienversorgung statt der Kapital- eine RisikoLebensversicherung mit weniger Beitrag, aber mit einer Versicherungssumme von z. B. 300.000 DM
wendig wäre bei der jetzigen Gesetzeslage, die deregulierte Angebotskontrolle der
staatlichen Aufsichtsbehörde durch einen Schutz sachgerechter Informationen zu
ersetzen, die den Verbraucher zu eigenen Entscheidungen befähigen. Eine schnell
wirkende Maßnahme wäre, Anbieter und Vermittler durch eine Beweislastumkehr259
zu zwingen, schriftliche Aufzeichnungen über die (komplexe) Bedarfsermittlung und
ihre Vorschläge zur Bedarfsdeckung anzufertigen, die dem Verbraucher auszuhändigen sind.260 Es sollte sogar ausdrücklich - wie in § 32 WpHG261- verboten sein, daß
ein Vermittler einem Verbraucher den Abschluß einer Versicherung empfiehlt, die
nicht den Interessen des Verbrauchers und vor allem nicht dessen Bedarf in den besonders sensiblen Bereichen der Hinterbliebenen-, Krankheits- und Invaliditätsvorsorge entspricht. Diese Maßnahmen müßten komplettiert werden durch eine strenge
Haftung für Fehlinformationen und für eine nicht bedarfsgerechte Versicherungsvermittlung.262
Die branchenführenden Versicherungs-Aktiengesellschaften mit ihren großen
Außendienstorganisationen möchten diese Entwicklung verhindern bzw. ihr zuvor-
259
260
261
262
hätte anbieten und abschließen müssen. Die Unwissenheit und Ahnungslosigkeit reicht also bis nach
dem Offenkundigwerden des schlechten „Beratungserfolges“. Selbst zu diesem Zeitpunkt fehlt noch
die Bewert- und Vergleichbarkeit. - Fricke, VersR 1995, 1136: „Die sachgerechte Risikoanalyse und
das Deckungskonzept haben ganz erheblichen Einfluß auf die spätere Lebensstellung des VN und
seine Möglichkeiten, finanzielle Notlagen zu bewältigen (vor allem Lebens-, BU-, Krankenvers).
Dies kann durchaus so weit gehen, daß bei falscher Risikoanalyse und bei falschem Deckungskonzept
der Staat später mit an sich sonst nicht notwendigen Sozialleistungen einspringen muß, um dem Betroffenen ein Minimalauskommen zu gewähren.“ - Vgl. auch Krauss in ds. Bd. S. 138 und Falken in
ds. Bd. S. 153.
Nach 1 q des Anhangs zur Richtlinie 93/13/EWG vom 5.4.93 über mißbräuchliche Klauseln in
Verbraucherverträgen (Abl L 95/29) ist eine Klausel mißbräuchlich, die dem Verbraucher die Möglichkeit nimmt oder erschwert, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel
zu ergreifen, und zwar insbesondere dadurch, daß dem Verbraucher die Beweislast auferlegt wird, die
nach dem geltenden Recht einer anderen Vertragspartei obläge.
Ähnlich im VerbrKrG, WpHG, BörsG, siehe oben Fn. 125. Nur so ist ein Verbraucher in der Lage,
Fehlinformationen und nicht bedarfsgerechte Angebote zu beweisen. - Aber auch die Banken brauchen einen Beweis, daß die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 WpHG erfüllt wurden. So hat der Bundesverband Deutscher Banken eine Checkliste für Anlageberater entwickelt. Damit diese Anlagen aus
5 verschiedenen Wertpapier-Risikoklassen auswählen und empfehlen können, wird der Kunde schriftlich - mittels eines „WpHG-Erhebungsbogens“ - nach dem bisherigen Anlageverhalten, nach Art und
Umfang bisheriger Anlagen, nach dem neuen Anlageziel (Ertragserwartung: 1. gesichert, 2. über Kapitalmarkt-Zinsniveau, 3. hoch) und nach den finanziellen und persönlichen Verhältnissen befragt.
Siehe oben Fn. 125.
Taupitz, in diesem Band S. 119, ist zuzustimmen, wenn er (unter Hinweis auf BGH VersR 89, 472;
OLG Karlsruhe VersR 94, 1169; OLG Köln VersR 93, 1385; OLG Hamm VersR 84, 853; OLG Köln
VersR 94, 342; OLG Oldenburg VersR 93, 1226) als „selbstverständlich“ ansieht, daß „die haftungsrechtlich untermauerte Erwartung“ auch die bedarsfgerechte Absicherung umfassen muß. - Entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen würden die Versicherungs-Aktiengesellschaften zwingen, das
derzeit praktizierte gewinnorientierte Provisionssystem auf Bedarfsorientierung umzustellen. Schlossareck a.a.O. S. 227 und 233: „Die Rechtsprechung muß die Erwartungshaltung der Versicherungswilligen, nicht durch die Zwischenschaltung vollmachtloser Sachwalter mit Beratungsaufgabe
benachteiligt zu werden, im Blick haben und behalten.“ - Das gleiche gilt für die Gesetzgebung.
77
kommen. Sie versuchen der Bundesregierung und Öffentlichkeit als Problemlösung
eine gesetzliche Ausbildungsregelung für Versicherungsvermittler zu „verkaufen“.
Mit Recht lehnt die Bundesregierung (bisher) eine solche „staatliche Ausbildung“
ab,263 die den Vermittlern entprechende Zertifikate und Ausweise verschaffen würde,
mit denen - mehr noch als bisher - „Beraterqualitäten“ vorgetäuscht werden könnten.
Ausbildung ist in jedem Beruf etwas Selbstverständliches. Bisher ist auch die Kausalität einer evtl. fehlenden Vermittlerausbildung für den schlechten Versicherungsschutz der Deutschen nicht festgestellt.264 Der Grund für die Mißstände liegt vielmehr in der falschen Struktur unseres Versicherungswesens, die über das Gewinninteresse der Unternehmen an dem beliebig verfügbaren Versichertengeld und eine
entsprechend gewinnorientierte Provisionssteuerung der Vermittler bis in das Wohnzimmer der Bürger durchschlägt, wo eine Bedarfsdeckung stattfindet, die - für den
Verbraucher nicht erkennbar - in der Regel von eben diesen Gewinn- und Provisionsinteressen beherrscht wird. Versicherung ist dabei oft nur ein Deckmantel. Uninformierte Verbraucher werden zu Abschlußopfern.
Unbestreitbare Tatsache ist, daß die sachgerechte Information und bedarfsgerechte Versicherungsvermittlung vor allem eine Charakterfrage sind. Der Charakter eines
erwachsenen Menschen kann aber kaum durch eine fachliche Ausbildung geformt,
sondern nur durch Strafen diszipliniert werden. Und Strafe kann in diesem - auch
sozialpolitisch - so wichtigen Bereich nur heißen „Haftung für Vermittlungsfehler“.265
Die oben beschriebene Prämienaufteilung bis hin zur Angabe oder Vereinbarung
von Provisionen266 würde sicher neue Provisionsstrukturen nach sich ziehen, weitere
263
264
265
266
78
Handelsblatt v. 27.10.95: „Ministerialrat G. Lemmer vom Finanzministerium sprach sich persönlich
stark für eine von der Regierung bisher strikt abgelehnte, aber von der Branche gewünschte Vermittlerkontrolle aus.“ - Diese Meldung deutet bereits an, daß die Branchenlobby ihre Aktivitäten noch
nicht aufgegeben hat. - Handelsblatt v. 1.11.95: „Ob durch eine bessere Ausbildung die Übel der Finanzdienstleistungsbranche, wie die Jagd nach Provisionen auf Kosten der Kunden oder betrügerische Angebote, unterbunden werden können, darf bezweifelt werden.“ - Wirtschaftswoche v. 4.1.96,
S. 84: „Ob Prüfungen wirklich bessere Berater machen, ist ungewiß.“ - Vgl. auch Wenning a.a.O. S.
130, 169.
Vgl. Krauss in ds. Bd. S. 137
Taupitz in diesem Band S. 119: „Viel wichtiger und effektiver als Fachkunde, Examina, Berufszulassung und Überwachung ist der Druck, den eine drohende Haftung ausübt, geht sie doch dem einzelnen oder seinem Arbeitgeber unmittelbar ,ans eigene Portemonnaie’.“ - Wenning a.a.O. S. 135: „Eine
von den Versicherern selbst organisierte Vertriebsregulierung wird nicht die nötige Sanktionswirkung
entwickeln - ganz abgesehen davon, daß negative Provisionsanreize der Vermittler zu einem einseitig
an den eigenen Einkommenszielen ausgerichteten Informationsverhalten unverändert fortbestehen.“
Das österreichische Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz hat in seinem „Vorschlag für ein Bundesgesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsvermittlung“ vom Januar
1996 in § 14 für Versicherungsmakler Offenlegungspflichten hinsichtlich der Provisionen gefordert.
§ 17 Abs. 3 des Vorschlags lautet (betr. Versicherungsagenten): „Versicherungsunternehmen haben
in ihren Prämienvorschreibungen jenen Betrag summenmäßig auszuweisen, der von der betreffenden
Prämie auf die Provision des Versicherungsagenten entfällt.“
Informationen für die Verbraucher ermöglichen und einen Wettbewerb der Versicherungsberater und Vermittler in Gang setzen.267
Die dargestellten Maßnahmen würden über eine neue bedarfsorientierte Vermittlung schlagartig andere Verhältnisse im Versicherungswesen herbeiführen.
II. Verstärkte Inhaltskontrolle von Versicherungsbedingungen
EG-Richtlinien, neue Gesetze und die Rechtsprechung (insbesondere im Bankenbereich) haben allesamt das erkennbare Ziel, durch Informationen im Wettbewerbs- und vorvertraglichen Bereich die für rationale Entscheidungen erforderliche
„Vertragsparität“268 zwischen Verbrauchern und Anbietern herzustellen. Im besonders sensiblen Versicherungsbereich sind Gesetzgeber und Rechtsprechung noch
weit von diesem Ziel entfernt. Solange die entsprechenden Gesetze nicht geändert
und neue Regelungen nicht in Kraft getreten sind, könnten die Mißstände im Wettbewerbsbereich mit UWG-Verbandsklagen und den erwähnten Schadensersatzansprüchen gegen die Bundesregierung269 angegriffen werden. Daneben ist eine gerichtliche Inhaltskontrolle der Versicherungsbedingungen im weitaus stärkerem Umfang als früher mit AGBG-Verbandsklagen möglich und auch zu erwarten.270 Denn
positiv ist an der neuen Situation die Tatsache, daß alle vertraglichen Regelungen zu
Versicherungen privatrechtlich und „transparent“ vereinbart werden müssen.271
267
268
269
270
271
Vgl. Reifner in ds. Bd. S. 143, der auf § 4 VerbrKrG hinweist, der in Abs. 1 Nr. 1 d die Offenlegung
von Vermittlungskosten vorschreibt. - Vgl. auch Taupitz in ds. Bd. S. 112, der außerdem auf eine entsprechende Information der Kunden über die Provisisonshöhe in England hinweist.
Zum Erfordernis von „Vertragsparität“ siehe BVerfG-Beschluß vom 19.10.1993, NJW 1994, 36.
Siehe oben S. 208 und 209.
Bundschuh (Richter am BGH) Symposion AGBG und AVB a.a.O. S. 3, stellt fest, daß für einen
effektiven Verbraucherschutz „die Mechanismen der Versicherungsmärkte, der Einsatz unabhängiger
Versicherungsmakler, die Aufklärung der Verbraucher durch die Medien und die Interessenvertretung durch Verbraucherschutz-Organisationen nicht ausreichen. Die gerichtliche Kontrolle von AVB
bleibt als maßgebliches Instrument des Verbraucherschutzes erforderlich. Auf die selbstreinigenden
Kräfte des (Versicherungs-)Marktes allein kann jedenfalls nicht vertraut werden. Das haben die beklagenswerten Akquisitionspraktiken in den neuen Bundesländern unmittelbar nach der deutschen
Wiedervereinigung gezeigt.“ - Honsel (Allianz), Symposion AGBG und AVB, S. 115 (124, 140),
rechnet mit einer verstärkten gerichtlichen AGB-Kontrolle; ebenso Schmidt-Salzer, VersR 95, 1261
1268.
Renger, VersR 1995, 866: „Der BGH hat in seinem Urteil vom 23.11.1994 (VersR 95, 77) die knappe Bestimmung über die Überschußbeteiligung in § 16 ALB mit der Verweisung auf den genehmigten Geschäftsplan als wirksame Vertragsbestimmung bestätigt und darin die ausschließliche Anspruchsgrundlage für die Überschußbeteiligung erkannt. (868) Bezugnahmen auf den aufsichtsbehördlich genehmigten Geschäftsplan, wie sie die bisherigen AVB in der Lebensversicherung vorsahen, reichen nicht mehr aus, um wirksame Abreden über die Zillmerung der Abschlußkosten, die Abzüge bei Umwandlung und Rückkauf, die Erhebung weiterer Kosten und Gebühren sowie über den
Umfang der Überschußbeteiligung zu vereinbaren. Sollen der Sache nach notwendige und angemessene Regelungen vereinbart werden, ist es nunmehr erforderlich, sie ausdrücklich in die Versiche-
79
Durch den Wegfall der BAV-Tarif- und Bedingungskontrolle wird also die AGBKontrolle durch die Gerichte nicht mehr eingeschränkt, sondern erheblich erweitert.
Der Bund der Versicherten hat bisher noch keine Versicherungsbedingungen zu
Lebens- und Krankenversicherungen gesehen, die einer Inhaltskontrolle nach § 9
AGBG standhalten dürften.272
Bedingungen, die neuerdings von den Versicherungsunternehmen verwendet
werden (Beispiele siehe Anhang I), beziehen sich zwar nicht mehr - wie früher - auf
den vom BAV genehmigten „Geschäftsplan“. Dafür versuchen die Unternehmen
aber, die Überschußbeteiligung, den Rückkauf und Rückkaufswerte privatrechtlich
zu regeln durch direkte oder indirekte Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen (z.
B. §§ 65, 81c VAG, 314e und f HGB, 176 VVG)273, auf unbestimmte Begriffe („anerkannte Regeln der Versicherungsmathematik“, „aufsichtsrechtlich geregelte Verfahren“, „Zeitwert der Versicherung“), auf „Vorschriften des Handelsgesetzbuches
272
273
80
rungsbedingungen aufzunehmen und so auszugestalten, daß sie dem Transparenzgebot entsprechen.
Der Abzug bei Rückkauf muß - wie es in der amtlichen Begründung zu den Änderungen der §§ 174
und 176 VVG ausdrücklich heißt (BT-Drucks. 12/6959 S. 102) -, entweder abstrakt oder betragsmäßig konkret getroffen werden’. (873) Um dem Transparenzgebot Genüge zu tun, erscheint es für den
Abschluß neuer Krankenversicherungsverträge notwendig, in das Bedingungswerk klare vertragliche
Bestimmungen über die Beitragsrückgewähr und die Überschußbeteiligung, ihre Quellen und ihre Finanzierung aufzunehmen.“- Honsel (Allianz), Symposion AGBG und AVB, S. 115, S. 129: „Es müssen neue Vertragsmodelle entwickelt werden. Dabei wird es darauf ankommen, verständliche und
nachvollziehbare Beschreibungen der Ergebnisse und Auswirkungen beispielsweise einer Überschußoder Rückkaufswertregelung in den Vertrag zu übernehmen.“ - Bisher verstehen die Unternehmen
und ihre Verbände als „verständliche“ Vereinbarungen zur Überschußbeteiligung Formulierungen in
den Bedingungen wie: „Die Überschußermittlung erfolgt nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und den zu diesen Gesetzen erlassenen Rechtsverordnungen. Die Überschußbeteiligung nehmen wir nach Grundsätzen vor, die § 81c des
Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und der dazu erlassenen Rechtsverordnungen entsprechen und
deren Einhaltung die Aufsichtsbehörde überwacht.“ Oder noch knapper: „Der Überschuß wird nach
den für Lebensversicherungsunternehmen geltenden Rechnungslegungsvorschriften und gegebenenfalls weiteren aufsichtsrechtlichen Vorschriften ermittelt. Die Überschußbeteiligung nehmen wir nach
den Grundsätzen vor, die § 81c VAG und der dazu erlassenen Rechtsverordnung entsprechen.“ Damit soll transparent vertraglich vereinbart sein, daß die Unternehmen berechtigt sind, unternehmerische Verluste mit Versichertengeld auszugleichen und die Überschußbeteiligung durch Abschreibungen und vielfältige Möglichkeiten der Manipulation zu verringern !? Vergleiche die Bedingungen im Anhang.
Beispiele, siehe Anhang I: „Die Überschußermittlung erfolgt nach den Vorschriften des VAG und des
HGB.“ - Renger, VersR 1995, 866, 869, fragt dagegen zu Recht, ob es richtig ist, sich in den Versicherungsbedingungen zur Überschußbeteiligung auf die Grundsätze zu beziehen, „die § 81 c VAG
und der dazu erlassenen Rechtsverordnung entsprechen“. - Nach diesen Grundsätzen sind Querverrechnungen und Abschreibungen nicht verboten - Das gleiche gilt für Rückkaufregelungen. - Schwintowski, VersWissStud (Bd. 2) S. 33, geht noch weiter: „Da es keinen rechtlichen Grund für eine solche, den Versicherer einseitig begünstigende, Kündigungssperre gibt, spricht alles dafür, Zillmern in
der Massenlebensversicherung als mißbräuchlich und damit unzulässig zu qualifizieren.“ - Dagegen
hält die Bundesregierung das Zillmern weiterhin für zulässig (BT-Drucks. 12/6959, Begründung des
Regierungsentwurfs zum 3. DurchfG/EWG zum VAG, S. 102 zu Nummer 11, § 174 VVG): „Der
Versicherer muß die Möglichkeit haben, seine Abschlußkosten zu verdienen.“
(HGB) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und den zu diesen Gesetzen
erlassenen Rechtsverordnungen“ und auf „Vorschriften, deren Einhaltung die Aufsichtsbehörde überwacht“. - Dabei ist kein juristisch-technischer Sprachgebrauch
erforderlich, um die Nachteile der umschriebenen Vorgänge für den Verbraucher
auch im allgemeinen Sprachgebrauch zu erklären. Damit wird die Absicht der Unternehmen erkennbar, eine möglichst weitgehende Intransparenz zu erhalten. So gibt
es weder verständliche Hinweise noch konkrete Vereinbarungen, daß die Unternehmen zu Vorgängen berechtigt sein sollen, die der BGH in seiner Entscheidung vom
13.11.1994 und seiner entsprechenden Pressemitteilung durchaus als zweifelhaft,
aber vom Gesetzgeber als so gewollt angesehen hat274 - z. B. Querverrechnungen und
die Bildung stiller Reserven durch Abschreibungen sowie andere Möglichkeiten, die
Bezugsgröße für die Überschußbeteiligung („Rohüberschuß“) herunterzumanipulieren.
Es bedarf sicher keiner weiteren Ausführungen, daß so gestaltete Bedingungen
(und das sind derzeit alle in Deutschland verwendeten AVB zu Lebensversicherungen) gegen das Transparenzgebot275 verstoßen und unwirksam sind. Gleiches gilt für
Krankenversicherungs-Bedingungen, die für den Umgang mit den in die Prämien
einkalkulierten Sparanteilen für Alterungsrückstellungen auch keine (transparenten)
Vereinbarungen vorsehen.
E. Laufende und geplante Aktivitäten des Bundes der Versicherten
Der Bund der Versicherten (BdV) wird mit den hier dargelegten Argumenten
versuchen, die Regelung des § 5a VVG durch eine Eingabe an die Bundesregierung
als Gesetzgeber, gegebenenfalls durch Prozesse (mit dem Ziel einer Vorlage beim
Bundesverfassungsgericht) oder durch eine Beschwerde bei der EU-Kommission so
schnell wie möglich zu beseitigen.
Alle Probleme im Versicherungswesen - auch das der „Verbraucherinformation“
- resultieren aus Mißverständnissen um „Versicherung“ und aus dementsprechend
falschen gesetzlichen Regelungen. Deshalb ist ein mittelfristig angelegtes „Mammutprojekt“ des BdV die Erarbeitung eines Entwurfs für die Reform der wesentlichen Versicherungs-Gesetze (z. B. VVG, VAG, RechVersV, PflVG, KfzPflVV,
auch Regeln im HGB), der den politischen Parteien zur Verfügung gestellt werden
274
275
BGH VersR 1995, 80 („vom Gesetzgeber gebilligt“, „hat der Gesetzgeber gesehen“); vgl. Schünemann, in ds. Bd. S. 45 (dort Fn. 10).
BGH, NJW 89, 222 ff.: „Treu und Glauben verpflichten Verwender, die Rechte und Pflichten seines
Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Abzustellen ist auf die Verständnismöglichkeiten des bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden.“
81
soll.276 Da alle Reformbestrebungen auf die wirtschaftlichen Vorgänge um Versicherung und Versicherungsdienstleistungen aufbauen müssen, ist ein verbraucherpolitisches Hauptanliegen die Forderung an neutrale Wissenschaftler, Versicherung und
den Versicherungsvertrag sowie die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen einer ökonomischen Analyse zu unterziehen.277
Der BdV geht davon aus, daß Versicherungsprämien, insbesondere zu Kapitalversicherungen, aufgeteilt werden müssen in Risikoanteile für Versicherungsleistungen, in Sparanteile für die mit Versicherung verbundenen Sparvorgänge und in einen
Preis für die Dienstleistungen der Versicherungsdienstleistungsunternehmen als einzig austauschbare Leistung zwischen Versicherten und Unternehmen. Auf eine solche Prämientrennung zielen auch die vom BdV betriebenen Verfassungsbeschwerden. Diese können nur erfolgreich sein, wenn das Gericht erkennt, daß Versicherung
und Sparen (als Leistungen der Versicherten) keine Markt-, Wettbewerbs- und Gewinnobjekte sein können, sondern vom Dienstleistungsbereich der Unternehmen
abzutrennen sind. Dadurch würde es auch zu einer ordnungsmäßigen Rechnungslegung kommen (mit der Behandlung der Versicherungsbeiträge und Spargelder als
„Fremdkapital“ bzw. „Sondervermögen“, deren Überschüsse und Erträge nicht mehr
für einen Ausgleich unternehmerischer Verluste und andere Manipulationen zur Verfügung stünden, diese zumindest erkennbar und strafbar machen würden). Der Bund
der Versicherten betreibt im Jahre 1996 folgende Gerichtsverfahren:
Mit einer Verfassungsbeschwerde vom 11.1.1995 strebt der BdV vor allem eine
Aufhebung des BGH-Urteils vom 23.11.1994278 an. Gleichzeitig soll das BVerfG die
Bestimmungen in § 1 VVG und §§ 55, 56 VAG (alte, aber für Altverträge weitergeltende Fassungen) überprüfen und deren Verfassungswidrigkeit feststellen.279 Das
BGH-Urteil verstößt nach Meinung des BdV gegen die Privatautonomie (Art. 2 GG)
und das Sozialstaatsprinzip, weil das Problem gestörter Vertragsparität nicht gesehen
wurde. Das Urteil und die zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen beinhalten
eine unverhältnismäßige Inhaltsbestimmung der Rechte und Ansprüche, und damit
des Eigentums von Lebensversicherten, so daß auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG
vorliegt. Durch die sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung des Lebensversicherungssparens gegenüber anderen Kapitalanlagen und die unterschiedliche Rechnungslegung (nach HGB statt KAGG) liegt außerdem ein Verstoß gegen Art. 3 GG
vor.
276
277
278
279
82
Siehe oben D I 3. In einen Entwurf zur Reform des VVG würde auch das BdV-Projekt „Muster-Bausteinbedingungen“ aufgehen, die nicht die Breitenwirkung von VVG-Regelungen hätten.
Der BdV hat Ende 1995 an zwei Wirtschaftswissenschaftler Gutachten in Auftrag gegeben, die auch
beim BVerfG zu den dort laufenden Verfahren vorgelegt werden sollen.
VersR 1995 S. 77.
vgl. Bryde, in diesem Band S. 63; H. D. Meyer in VersWissStud (Bd. 2) S. 234.
Eine weitere Verfassungsbeschwerde vom 25.4.1994 richtet sich gegen das Urteil
des BVerwG vom 11.1.1994.280 Das BVerwG meint, daß Lebensversicherte nach
einer Übertragung auf eine neu gegründete Gesellschaft durch die Zurückhaltung
stiller Reserven in der alten Gesellschaft zwar benachteiligt sein sollen, aber „nicht
unangemessen“ (was immer eine - übersetzt - „angemessene“ vermögensrechtliche
Beeinträchtigung sein soll). Eine dritte Verfassungsbeschwerde wird im Jahre 1996
gegen ein ähnliches Urteil des BVerwG vom 12.12.1995281 zu einer Umgründung
eines VVaG in eine AG eingelegt. Das BVerwG hält es - lt. eigener Pressemitteilung
- für eine bei der Genehmigung durch das BAV „nicht beachtenswerte Verschlechterung der rechtlichen und tatsächlichen Lage“ der Lebensversicherten, daß bei ihrer
Abfindung als Vereinsmitglieder stille Reserven von über einer Milliarden Mark
nicht berücksichtigt worden sind.
Mit einer Verfassungsbeschwerde vom 6.5.1993282 in einem seit 15 Jahren laufenden Verfahren greift der BdV die nahezu uneingeschränkte Tarifierungsfreiheit
der Versicherungsunternehmen im Bereich der gesetzlich vorgeschriebenen KfzHaftpflichtversicherung an. Verfassungswidrig sind vor allem die Diskriminierungen
von Großstädtern, Nichtbeamten, jungen Menschen und Männern durch Tarife nach
Regionen, Berufen, Alter und Geschlecht. Durch den Mitte 1994 eingeführten § 81e
VAG (der Tarife als Mißstand ansieht, die auf die Staatsangehörigkeit abstellen)
wurde zwar die Auffassung des BdV bestätigt. Der Gesetzgeber hat damit aber nur
gegenüber Ausländern seiner Schutzpflicht im Bereich einer Zwangsversicherung
genügt, nicht aber gegenüber den anderen oben genannten Gruppen.283
280
281
282
283
VersR 1994 S. 542; H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) 226 (dort Fn.61) und S. 230; Mudrack,
VersWissStud (Bd. 2) S. 241.
Das Urteil (BVerwG 1 A 2.92) lag bei Drucklegung dieses Bandes noch nicht schriftlich vor. Aus der
Pressemitteilung des BVerwG vom 14.12.95: „Der R+V Lebensversicherungsverein auf Gegenseitigkeit hat 1989 nahezu seinen gesamten Lebensversicherungsbestand auf eine andere Gesellschaft der
Versicherungsgruppe - die R+V Lebensversicherungs AG - übertragen. Durch die Bestandsübertragung verloren die bisherigen Mitglieder des Versicherungsvereins ihre Mitgliedschaft. Der Bestandsübertragungsvertrag wurde vom BAV genehmigt. Mehrere frühere Mitglieder des Vereins haben gegen die Genehmigung geklagt und geltend gemacht, die ihnen gewährte Abfindung sei zu niedrig bemessen; insbesondere berücksichtige sie nicht ausreichend die stillen Reserven des Vereins, die den
mehrfachen Betrag der Abfindungssumme ausmachten und ihnen nunmehr nicht zugänglich seien. Das BVerwG hat die Klagen am 12. Dezember abgewiesen. Das Bundesaufsichtsamt habe dei der Erteilung der Genehmigung die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt. Durch die Übertragung
sei die rechtliche und tatsächliche Lage der betroffenen Versicherten nicht in einem beachtenswerten
Maße verschlechtert worden. Durch die angefochtene Genhemigung werde das Recht der Versicherten nicht berührt, vor den ordentlichen Gerichten eine höhere Abfindung zu fordern.“ - Der BdV führt
- neben einer Verfassungsbeschwerde gegen das BVerwG-Urteil - beim LG Frankfurt einen entsprechenden Prozeß.
Beschwerde gegen das Urteil des OLG Hamburg (VersR 1993, 158); vgl. BVerwG in VerBAV 1987,
158, und BVerfG in VerBAV 1990, 208; H. D. Meyer in VersWissStud Bd 1, a.a.O. S. 149, 150.
H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 221 ff.
83
Am 30.11.1995 hat der BdV gleich drei Klagen beim BVerwG eingereicht gegen
vom BAV genehmigte Übertragungen von Lebensversicherungsbeständen der Nürnberger, Victoria und Volksfürsorge.284 Allein hier geht es nach Schätzungen des BdV
um etwa 5 Milliarden Mark „stille Reserven“, die den Lebensversicherten unter dem
Deckmantel einer Bestandsübertragung nicht nur entzogen werden, sondern die vorher auch noch durch Abschreibungen den Überschuß der Unternehmen und damit
auch die Überschußbeteiligung der Versicherten gemindert haben.
Am 13. Juli 1993 hat der BdV beim LG Hamburg (320 S 10/93) eine Klage eingereicht, mit der höhere Rückzahlungen bei Kündigungen von Kapitallebensversicherungen erreicht werden sollen.285 Nach den derzeitigen Regeln zum Rückkaufswert bei vorzeitiger Vertragsbeendigung müssen Lebensversicherte hohe Verluste
hinnehmen, weil die ersten Beiträge zunächst zur Deckung der Abschlußkosten und
hoher Abschlußprovisionen verwendet werden (sogen. „Zillmerverfahren“)286.
Die Mehrheit aller deutschen Versicherungsunternehmen bietet Unfallversicherungen - gegenüber den günstigsten Anbietern - zu doppelt bis vierfach überhöhten
Prämien an. Daß sie dabei für ihre Dienstleistungen keine Preise angeben, kann kein
Freibrief für Wucher sein.287 Der BdV hat in Prämien zur Unfallversicherung bei
manchen Gesellschaften Kosten- und Gewinnanteile von bis zu 80 Prozent ermittelt,
bei der Kfz-Insassenunfallversicherung sogar von bis zu über 90 Prozent (bei der
viel aufwendigeren Kfz-Versicherung nur etwa 20 Prozent). Der BdV erhebt Anfang
1996 mehrere Klagen. Sind diese erfolgreich, wird durch Gerichte nicht nur eine
gespaltene Bewertung von Versicherungsprämien (1) für „Versicherung“ und (2) für
evtl. wucherisch überhöhte Kosten und Gewinne anerkannt, sondern Millionen völlig überteuerte Zehnjahresverträge wären nichtig, die auch nach der - für viele Versicherte hilfreichen - Rechtsprechung des BGH288 nicht kündbar sind.
Der BdV wird die Arbeit der Verantwortlichen Aktuare genau beobachten. Diese
haben in ihrer Zwitterstellung (als „delegierte Aufsicht“ und als Teil des Managements) die persönliche Verantwortung für die Prämienkalkulation, für Regeln der
Versicherungs-Sparvorgänge, insbesondere für die Bestimmung des Rückkaufswertes und der Überschußbeteiligung.289 Werden dabei Interessen der Versicherten verletzt, könnten Schadensersatzprozesse gegen den „verantwortlichen“ Verantwortlichen Aktuar geführt werden.
284
285
286
287
288
289
84
Beschlußkammerentscheidung vom 17.8.95 in VerBAV 12/95 S. 379; ähnlich die Verfahren, die zu
den Verfassungsbeschwerden gegen das BVerwG-Urteil vom 11.1.94 (VersR 1994 S. 542) geführt
haben.
Eine Verhandlung fand bis Anfang 1996 noch nicht statt.
Schwintowski, VersWissStud (Bd. 2) S. 33; H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 228.
Vgl. Reifner in ds. Bd. S. 144 f.
VersR 1994 S. 1049; H. D. Meyer, VersWissStud (Bd. 2) S. 218 ff. und 229.
Vgl. Schwintowski in ds. Bd. S. 33 ff.
Der BdV hat bereits einige Verbandsklagen gegen Versicherungsunternehmen
geführt und gewonnen. Er wird verstärkt insbesondere gegen irreführende Werbeaussagen und Verbraucherinformationen nach dem UWG vorgehen, vor allem aber
gegen intransparente und den Versicherten belastende Bedingungen nach dem
AGBG.290
Für den Aufbau einer EURO-Versicherungsdatenbank wird eine Zusammenarbeit des BdV mit der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) und der
Stiftung Warentest angestrebt, die auf andere europäische Organisationen (als erstes
in Österreich) ausgedehnt werden soll. Der BdV nutzt „multimedia“ bereits indirekt
für eine elektronische Information der Öffentlichkeit, indem er an Versicherungsinformationen mitgearbeitet hat, die von FOCUS Online über das Internet bereitgestellt werden (http://www.focus.de).
290
Honsel, Symposion AGBG und AVB, a.a.O. S. 115, 142: „Der eigenverantwortlichen Gestaltung der
Bedingungen kommt nach Wegfall des Genehmigungsverfahrens erhöhte Bedeutung zu. Nur durch
intensiven Meinungsaustausch zwischen allen betroffenen Stellen kann der Qualitätsstandard der Bedingungen sichergestellt werden, den das AGB-Gesetz von uns verlangt.“ - Der BdV hatte bereits
Anfang 1995 allen Versicherungsunternehmen eine Zusammenarbeit bei der Erstellung von Verbraucherinformationen und Bedingungen angeboten und Anfang 1996 noch einmal bei etwa 200 Unternehmen angefragt. Die Resonanz war sehr gering.
85
ANHANG
(Hinweis des Verf.: Alte Regelungen bis 1994 sind eingerückt)
Allgemeiner Geschäftsplan für die Lebensversicherung (VerBAV 1993, 103)
1 Bestimmungen zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen
1.1.1 Die Gesellschaft wird in den Versicherungsantrag folgenden Text aufnehmen: ...
5. „Mir ist bekannt, daß die Beiträge bei kapitalbildenden Lebensversicherungen mit laufender Beitragszahlung zunächst zur Deckung der vorzeitigen Versicherungsfälle, der Abschlußkosten und der Verwaltungskosten verbraucht
werden. Deshalb fällt bei Kündigung der Lebensversicherung in den ersten
Jahren keine oder nur eine niedrige Rückvergütung an. Über die Entwicklung
der Rückvergütung gibt eine dem Versicherungsschein beigefügte Tabelle
Auskunft.“
Bedingungen vor 1995 zu kapitalbildenden Lebensversicherung
§ 4 ALB Wann können Sie die Versicherung kündigen ... ?
(3) Nach Kündigung erhalten Sie - soweit vorhanden - die nach unserem Geschäftsplan berechnete Rückvergütung.
(4) Die Rückvergütung entspricht nicht der Summe der von Ihnen eingezahlten Beiträge, sondern dem Deckungskapital abzüglich eines in unserem Geschäftsplan festgelegten Abschlags.
§ 16 ALB Wie sind Sie an unseren Überschüssen beteiligt?
(1) Um die zugesagten Versicherungsleistungen über die in der Regel lange
Versicherungsdauer hinweg sicherzustellen, sind die vereinbarten Lebensversicherungsbeiträge besonders vorsichtig kalkuliert. An dem erwirtschafteten
Überschuß sind unsere Versicherungsnehmer entsprechend unserem von der
Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan beteiligt.
(2) Ihre Versicherung gehört zum Abrechnungsverband ...
Aus der Zeit nach 1994: Antragsformulare,
Verbraucherinformationen, Lebensversicherungsbedingungen
NÜRNBERGER
Fondsgebundene Lebensversicherung - (Rückseite Antrag): „Wichtige Erklärungen des Antragsstellers“: 1. ... Der Vermittler berät Sie bei Abschluß des Vertrages.
Er ist zur Entgegennahme mündlicher Erklärungen und Angaben nicht bevollmächtigt. ... - 2. Versicherungsbedingungen und geltendes Recht: Für die Versicherung
gelten die Versicherungsbedingungen. Sie werden mit dem Versicherungsschein übersandt, auf Wunsch auch schon vorher ausgehändigt. Der beantragte Vertrag unterliegt deutschem Recht. - 7. Rückkaufswerte: Die Höhe des Rückkaufswertes
86
hängt ab von der Wertentwicklung der Anteileinheiten im Fonds. Deshalb können
die Rückkaufswerte nicht im voraus angegeben werden. - 9. Bindefrist: An meinen
Antrag halte ich mich sechs Wochen gebunden. Am Formularende: „Zuständige
Aufsichtsbehörde: Bundesaufsichtsamt ...“
Anschreiben, mit dem ein 30-seitiges „Vertragsdokument“ übersendet wird, steht:
„Dem Abschluß des Vertrages können Sie innerhalb von 14 Tagen ab Zugang der
beigefügten Unterlagen widersprechen.“ - (Anm. d. Verf.: Es wird also suggeriert,
die Unterlagen erfüllten die Voraussetzungen des § 5a VVG.)
Allgemeine Bedingungen (Nr. 201201):
§ 3 Wie verwenden wir Ihre Beiträge? - (1) Wir führen Ihren Beitrag, soweit er
nicht zur Deckung unserer Abschluß- und Verwaltungskosten vorgesehen ist, dem
Anlagestock zu ... Die zur Deckung des Todesfallrisikos bestimmten, nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik berechneten Risikobeiträge ... entnehmen wir monatlich dem Deckungskapital. ...
§ 6 Wann können Sie die Versicherung kündigen ...? (4) Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der von Ihnen eingezahlten Beiträge, sonderm dem Deckungskapital zum Kündigungszeitpunkt, vermindert um einen als angemessen angesehenen Abzug in Höhe von 2 % des Deckungskapitals. ...
§ 19 Wie werden die Abschlußkosten erhoben und ausgeglichen? - Die mit dem
Abschluß verbundenen und auf Sie entfallenden Kosten, etwa die Kosten für Beratung, Anforderung von Gesundheitsauskünften und Ausstellung des Versicherungsscheines, werden Ihnen nicht gesondert in Rechnung gestellt. Entsprechend § 65 des
Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und §§ 341e, 341f des Handelsgesetzbuches
(HGB) sowie den dazugehörigen Rechtsvorschriften verrechnen wir einen Teil dieser
Kosten nach einem aufsichtsrechtlich geregelten Verfahren mit den ab Versicherungsbeginn eingehenden Beiträgen, sowie diese nicht für Versicherungsleistungen
und Verwaltungskosten vorgesehen sind.
§ 21 Wie sind Sie an den Überschüssen beteiligt? (1) ... Die Überschußermittlung
erfolgt nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und den zu diesen Gesetzen erlassenen Rechtsverordnungen. (2) die Überschußbeteiligung nehmen wir nach Grundsätzen vor, die § 81c
des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und der dazu erlassenen Rechtsverordnungen entsprechen und deren Einhaltung die Aufsichtsbehörde überwacht. ...
§ 25 Welche der vorstehenden Bestimmungen können geändert werden? - (1) Die
Bestimmungen über den Rückkaufswert ... können auch für bestehende Versicherungen unter der Voraussetzung geändert werden, daß Sie hierdurch nicht unzumutbar benachteiligt werden. Entsprechendes gilt für die Bestimmungen über die Überschußbeteiligung ... Die Änderung wird wirksam, sofern ein unabhängiger Treuhänder die Voraussetzungen für die Änderung überprüft und deren Angemessenheit bes87
tätigt hat ... (2) Sollten einzelne Bestimmungen ... unwirksam, nichtig oder anfechtbar sein oder werden, bzw. droht eine kartell- oder aufsichtsbehördliche Beanstandung einzelner Bestimmungen, wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen
hierdurch nicht berührt. Wir können in diesen Fällen mit Wirkung für bestehende
Versicherungsverhältnisse die betreffende Bestimmung ergänzen oder durch eine
wirksame, für Sie zumutbare Bestimmung ersetzen, die dem Vertragszweck der Bestimmung möglichst entspricht, wenn zur Fortführung des Vertrages dessen Ergänzung notwendig ist.
Allgemeine Hinweise: Beratungsservice wird gebührenfrei geboten - Die Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler sind nicht berechtigt irgendwelche besonderen Gebühren ... zu erheben.
DEUTSCHER RING
Antrag: „Bevor Sie diesen Antrag unterschreiben, lesen Sie bitte auf der Rückseite
die Verbraucherinformation und die Schlußerklärung des Antragsstellers ... Die
Verbraucherinformation und die Schlußerklärung werden durch Ihre Unterschrift
zum Inhalt des Antrages. Mit Abschluß des Versicherungsvertrages sind sie Vertragsbestandteile.“ - Auf der Rückseite in grau (kleingedruckt): „Verbraucherinformation - 1. Für den beantragten Versicherungsvertrag gelten die jeweiligen Versicherungsbedingungen für die Hauptversicherung und die ggf. mitbeantragten Zusatzversicherungen. Diese erhalten Sie zusammen mit dem Versicherungsschein.- 2.
Nach Erhalt des Versicherungsscheins, der dazugehörigen Bedingungen und der
weiteren Verbraucherinformationen können Sie innerhalb einer Frist von 14 Tagen
dem Versicherungsvertrag schriftlich widersprechen.“
Bedingungen
§ 6 Abs. 3 - Nach § 176 Versicherungsvertrags-Gesetz (VVG) haben wir nach Kündigung den Rückkaufswert - soweit bereits entstanden - zu erstatten. Er wird nach
den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den Schluß der laufenden
Versicherungsperiode als Zeitwert Ihrer Versicherung berechnet, wobei für den gekündigten Teil Ihrer Versicherung ein als angemessenen angesehener Abzug in Höhe
von 1,5 % der unter Risiko stehenden Summe erfolgt. ... Der Rückkaufswert erreicht
jedoch mindestens einen bei Vertragsschluß vereinbarten Garantiebetrag, dessen
Höhe vom Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages abhängt (siehe auf dem Versicherungsschein abgedruckte Übersicht der garantierten Rückkaufswerte) § 15 Wie werden Abschlußkosten erhoben und ausgeglichen? - Die mit dem
Abschluß Ihrer Versicherung verbundenen und auf Sie entfallenden Kosten, etwa die
Kosten für Beratung, Anforderung von Gesundheitsauskünften und Ausstellung des
Versicherungsscheines, werden Ihnen nicht gesondert in Rechnung gestellt. Auf den
88
Teil dieser Kosten, der bei der Berechnung der Deckungsrückstellung* angesetzt
wird, verrechnen wir nach einem aufsichtsrechtlich geregelten Verfahren Ihre ab
Versicherungsbeginn eingehenden Beiträge, soweit diese nicht für Versicherungsleistungen und Verwaltungskosten vorgesehen sind.
§ 17 Wie sind Sie an den Überschüssen beteiligt? - Überschußermittlung - (1) Um
zu jedem Zeitpunkt der Versicherungsdauer den vereinbarten Versicherungsschutz
zu gewährleisten, bilden wir Rückstellungen. Die zur Bedeckung dieser Rückstellungen erforderlichen Mittel werden angelegt und erbringen Kapitalerträge. Aus
diesen Kapitalerträgen, den Beiträgen und den angelegten Mitteln werden die zugesagten Versicherungsleistungen erbracht sowie die Kosten von Abschluß und Verwaltung des Vertrages gedeckt. Je größer die Erträge aus den Kapitalanlagen sind, je
weniger vorzeitige Versicherungsfälle eintreten und je kostengünstiger wir arbeiten,
um so größer sind dann entstehende Überschüsse, an denen wir Sie und die anderen
Versicherungsnehmer beteiligen. Die Überschußermittlung erfolgt nach den Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und des Handelsgesetzbuches
(HGB) und den dazu erlassenen Rechtsverordnungen. (2) Die Überschußbeteiligung
nehmen wir nach Grundsätzen vor, die § 81 c VAG und der dazu erlassenen Rechtsverordnung entsprechen und deren Einhaltung die Aufsichtsbehörde überwacht. ...
Von den Kapitalerträgen kommt den Versicherungsnehmern als Überschußbeteiligung mindestens der in der Rechtsverordnung zu § 81 c VAG jeweils festgelegte Anteil zugute, abzüglich der Beträge, die für die zugesagten Versicherungsleistungen
benötigt werden. Bei günstiger Risikoentwicklung und Kostensituation können weitere Überschüsse hinzukommen. Den so ermittelten Überschuß für die Versicherungsnehmer ordnen wir den einzelnen Bestandsgruppen zu und stellen ihn - soweit
er den Verträgen nicht direkt gutgeschrieben wird - in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) ein. ... Jede einzelne Versicherung innerhalb dieser Gewinnverbände erhält Anteile an den Überschüssen der entsprechenden Bestandsgruppe.
Die Höhe dieser Anteile wird vom Vorstand unseres Unternehmens auf Vorschlag
des Verantwortlichen Aktuars unter Beachtung der maßgebenden aufsichtsrechtlichen Bestimmungen jährlich festgelegt und im Geschäftsbericht veröffentlicht. Die Mittel für diese Überschußanteile werden den Überschüssen des
Geschäftsjahres oder der Rückstellung für Beitragsrückerstattung entnommen. Für
einzelne Versicherungsjahre, insbesondere etwa für das erste Versicherungsjahr,
kann eine Zuteilung von Überschüssen entfallen, sofern dies sachlich gerechtfertigt
ist.
VOLKSFÜRSORGE
*
Eine Deckungsrückstellung müssen wir für jeden Versicherungsvertrag bilden, um zu jedem Zeitpunkt den Versicherungsschutz gewährleisten zu können. Deren Berechnung wird nach § 65 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und § 341 e, 341 f des Handelsgesetzbuches (HGB) sowie den
dazu erlassenen Rechtsverordnungen geregelt.
89
Bedingungen
§ 4 - (3) Nach Kündigung erhalten Sie - soweit vorhanden - einen nach § 176 Abs. 3
VVG zu dem nach Absatz 1 maßgeblichen Kündigungstermin berechneten Rückkaufswert. (4) Wir sind berechtigt, bei der Berechnung des Rückkaufswertes die in
den Tarifbestimmungen bezeichneten Abzüge vorzunehmen.
§ 13 Wie werden Abschlußkosten erhoben und ausgeglichen? - Wir sind berechtigt, die mit dem Abschluß Ihrer Versicherung verbundenen und auf Sie entfallenden
Kosten, etwa die Kosten für Beratung, Anforderung von Gesundheitsauskünften und
Ausstellung des Versicherungsscheines, zu erheben. Diese Kosten werden Ihnen
jedoch nicht gesondert in Rechnung gestellt, sondern nach den § 15 Wie sind Sie an
den Überschüssen beteiligt? - (1) Um die zugesagten Versicherungsleistungen über
die in der Regel lange Versicherungsdauer hinweg sicherzustellen, sind die vereinbarten Lebensversicherungsbeiträge besonders vorsichtig kalkuliert. Der Überschuß
wird nach den für Lebensversicherungsunternehmen geltenden Rechnungslegungsvorschriften und gegebenenfalls weiteren aufsichtsrechtlichen Vorschriften ermittelt.
(2) Die Überschußbeteiligung sämtlicher überschußberechtigter Versicherungsverträge nehmen wir nach den Grundsätzen vor, die § 81c VAG und der dazu erlassenen Rechtsverordnung entsprechen.
Allgemeiner Hinweis - Die Überschußanteile ... hängen in ihrer Höhe vor allem von
den Kapitalerträgen, aber auch vom Verlauf der Sterblichkeit und von der Entwicklung der Kosten ab. Die Höhe der Überschußanteile, die von Jahr zu Jahr ermittelt
und zugesagt werden, kann sich daher ändern. Verbindliche Angaben über die Höhe
der künftigen Überschußanteile sind nicht möglich.
Tarifbestimmungen zu § 4 Abs. 4 bei der Ermittlung der Deckungsrückstellung und
bei der Bildung von Rückkaufswerten verrechnet. Einzelheiten hierzu sind in den
Tarifbestimmungen geregelt.
4. Weitere Bestimmungen für kapitalbildende Versicherungen - Rückkaufswert, beitragsfreie Versicherungssummen: Zur Bildung des Rückkaufswertes oder der beitragsfreien Summe kann nicht die Summe der gezahlten Beiträge verwendet werden.
Beim Tod erbingen wir sofort ... die vereinbarte Versicherungsleistung, auch wenn
Sie erst einen Beitrag gezahlt haben. Deshalb müssen alle Beiträge, also auch die
von Ihnen gezahlten, zur Deckung dieser Leistung herangezogen werden. Des weiteren müssen wir die Kosten für das Einziehen der Beiträge und die Verwaltung der
Versicherung aus den Beiträgen bestreiten. - Die mit dem Abschluß Ihrer Versicherung verbundenen und auf Sie entfallenden Kosten, etwa die Kosten für Beratung,
Anforderung von Gesundheitsauskünften und Ausstellung des Versicherungsscheines, werden Ihnen nicht gesondert in Rechnung gestellt. Ein Teil dieser Kosten (40
‰ der Beitragssumme) wird bei der Berechnung der Deckungsrückstellung) angesetzt und durch Ihre ab Versicherungsbeginn eingehenden Beiträge, soweit diese
nicht für Versicherungsleistungen und Verwaltungskosten vorgesehen sind, ausge90
glichen (Zillmerung). - Für die Bildung des Zeitwerts (vgl. § 176 VVG) der Versicherung und der sich aus ihm ergebenden Rückkaufswerte und beitragsfreien Versicherungssummen verwenden wir nur den verbleibenden Teil des Beitrags. Wir sind darüber hinaus berechtigt, von dem so ermittelten Zeitwert der Versicherung zur Berechnung des Rückkaufswertes einen Abzug vorzunehmen, der 2 % der Differenz
aus der Versicherungssumme ... und der Deckungsrückstellung) beträgt. ... Aus diesen Gründen fällt in den ersten Jahren kein oder nur ein geringer Rückkaufswert an.
(Anmerkung des Verfassers: Zur Deckungsrückstellung wird jeweils auf eine
Fußnote mit folgendem Text hingewiesen: „Eine Deckungsrückstellung müssen wir für jeden Versicherungsvertrag bilden, um zu jedem Zeitpunkt den
Versicherungsschutz gewährleisten zu können. Die Berechnung der Deckungsrückstellung unter Berücksichtigung der hierbei angesetzten
Abschlußkosten erfolgt nach § 65 des Versicherungsaufsichtsgesetzes [VAG]
und § 341e, 341f des Handelsgesetzbuches [HGB] sowie den dazu erlassenen
Rechtsverordnungen geregelt.“)
„Ihre Lebensversicherung ... und was Sie darüber wissen sollten“ - 5. Was heißt
Überschußbeteiligung in der Lebensversicherung? Ihre Lebensversicherung ist an
den Überschüssen der Volksfürsorge beteiligt. Die erwirtschafteten Überschüsse
werden fast vollständig an unsere Kunden weitergegeben. ... Überschüsse entstehen
(-) aus der rentablen Anlage Ihrer Beiträge in Grundbesitz, Hypotheken, Wertpapieren und Darlehen, (-) aus einem günstigen Risikoverlauf, d.h. wenn weniger Todesfälle eintreten, als bei der vorsichtigen Beitragskalkulation angenommen wurde, und
(-) aus einer rationellen und sparsamen Verwaltung.
VERSICHERUNGSAUFSICHTSGESETZ
§ 55 geändert und § 56 aufgehoben durch Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz vom
24. Juni 1994, Artikel 4, Nr. 8; VerBAV 8/1994 S. 273 ff. - Ansonsten neue Fassungen durch 3. DurchfG/EWG zum VAG, Artikel 1 Nr. 7 (VerBAV 8/1994 S. 236 ff.)
§ 10 VAG a. F. Allgemeine Versicherungsbedingungen
(1) Die allgemeinen Versicherungsbedingungen sollen die Bestimmungen
enthalten:
7. über die Grundsätze und Maßstäbe, wonach die Versicherten an den Überschüssen teilnehmen; ...
§ 10 VAG n. F. Allgemeine Versicherungsbedingungen
(1) Die allgemeinen Versicherungsbedingungen müssen vollständige Angaben enthalten: ...
§ 10a VAG n. F.
91
(1) Die Versicherungsunternehmen haben zu gewährleisten, daß der Versicherungsnehmer, wenn er eine natürliche Person ist, in einer Verbraucherinformation über
die für das Versicherungsverhältnis maßgeblichen Tatsachen und Rechte vor Abschluß und während der Laufzeit des Vertrages nach Maßgabe der Anlage Teil D
unterrichtet wird. ...
(2) Die Verbraucherinformation hat schriftlich zu erfolgen. Sie muß eindeutig formuliert, übersichtlich gegliedert und verständlich in deutscher Sprache oder der Muttersprache des Versicherungsnehmers abgefaßt sein
§ 11 VAG a. F. Geschäftsplan in der Lebensversicherung
(1) Der Geschäftsplan eines Lebensversicherungsunternehmens hat die von
ihm angenommenen Staffeln (Tarife) und die Grundsätze für die Berechnung
der Entgelte (Prämien) und Deckungsrücklagen (Prämienreserven) vollständig
darzustellen, namentlich auch den Zinsfuß und die Höhe des Zuschlags zum
Reinentgelt (Nettoprämie) anzugeben. ...
(2) Für jede Versicherungsart (...) sind die für die Berechnung der Entgelte
und der Deckungsrücklagen maßgebenden Formeln vorzulegen und durch ein
Zahlenbeispiel zu erläutern.
(3) Sollen auch Versicherungen gegen ein erhöhtes Entgelt übernommen werden, ...
§ 11 VAG n. F.
(1) Die Prämien in der Lebensversicherung müssen unter Zugrundelegung angemessener versicherungsmathematischer Annahmen kalkuliert werden und so hoch
sein, daß das Versicherungsunternehmen allen seinen Verpflichtungen nachkommen,
insbesondere für die einzelnen Verträge ausreichende Deckungsrückstellungen bilden kann.
§ 11b VAG n. F.
Soweit bei den nach dem 28. Juli 1994 abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen aufgrund der Versicherungsbedingungen die Prämien und die Bestimmungen
zur Überschußbeteiligung mit Wirkung für bestehende Versicherungsverhältnisse
geändert werden können, dürfen entsprechende Änderungen erst in Kraft gesetzt
werden, nachdem ihnen ein unabhängiger Treuhänder zugestimmt hat.
§ 55 VAG a. F. Einzelrechnungslegung
(1) Der Vorstand hat den vorgeschriebenen Jahresabschluß (§§ 242, 264 Handelsgesetzbuch) und den Lagebericht nach den für große Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 des Handeslgesetzbuches) geltenden Vorschriften ...
aufzustellen ...
§ 55 VAG n. F.
92
... (2) Versicherungsunternehmen haben den von den gesetzlichen Vertretern aufgestellten sowie später den festgestellten Jahresabschluß und den Lagebericht der
Aufsichtsbehörde jeweils unverzüglich einzureichen. ...
§ 56 VAG a. F (aufgehoben)
(1) Auf die Bewertung der Wertpapiere eines Versicherungsunternehmens
sind § 253 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 5, §§ 254, 256, 279 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
des Handelsgesetzbuches anzuwenden. ...
§ 56a VAG a. F.
Bei Versicherungs-Aktiengesellschaften bestimmt der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats die Beiträge, die für die Überschußbeteiligung der
Versicherten zurückzustellen sind. Jedoch dürfen Beträge, die nicht auf
Grund eines Rechtsanspruchs der Versicherten zurückzustellen sind, für die
Überschußbeteiligung nur bestimmt werden, soweit aus dem verbleibenden
Bilanzgewinn noch ein Gewinn in Höhe von mindestens vier vom Hundert
des Grundkapitals verteilt werden kann. Die für die Überschußbeteiligung der
Versicherten bestimmten Beträge sind in einer Rückstellung für Beitragsrückerstattung einzustellen.
§ 56a VAG n. F.
Bei
Versicherungs-Aktiengesellschaften bestimmt der Vorstand mit Zustimmung des
Aufsichtsrats die Beiträge, die für die Überschußbeteiligung der Versicherten zurückzustellen sind. Jedoch dürfen Beträge, die nicht auf Grund eines Rechtsanspruchs der Versicherten zurückzustellen sind, für die Überschußbeteiligung nur bestimmt werden, soweit aus dem verbleibenden Bilanzgewinn noch ein Gewinn in
Höhe von mindestens vier vom Hundert des Grundkapitals verteilt werden kann. Die
für die Überschußbeteiligung der Versicherten bestimmten Beträge sind, soweit sie
den Versicherten nicht unmittelbar zugeteilt wurden, in einer Rückstellung für Beitragsrückerstattung einzustellen. Die der Rückstellung für Beitragsrückerstattung
zugewiesenen Beträge dürfen nur für die Überschußbeteiligung der Versicherten
verwendet werden. Das Versicherungsunternehmen ist jedoch berechtigt, mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde in Ausnahmefällen die Rückstellung für Beitragsrückerstattung, soweit sie nicht auf bereits festgelegte Überschußanteile entfällt, im
Interesse der Versicherten zur Abwendung eines Notstandes heranzuziehen.
§ 65 VAG a. F. Deckungsrückstellung
(1) Die Deckungsrücklage bei Lebensversicherungen ist für die laufenden
Versicherungsverträge für den Schluß jedes Geshäftsjahres ... zu berechnen
und zu buchen; dabei sind die Rechnungsgrundlagen des § 11 anzuwenden.
§ 65 VAG n. F.
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(1) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, zur Berechnung der
Deckungsrückstellung unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung durch Rechtsverordnung,
1. bei Versicherungsverträgen mit Zinsgarantie einen oder mehrere Höchstwerte für
den Rechnungszins festzusetzen, ausgehend
a) vom jeweiligen Zinssatz der Anleihen des Staates, auf dessen Währung der Vertrag lautet, wobei der jeweilige Höchstwert nicht mehr als 60 vom Hundert betragen
darf; hiervon können Versicherungsverträge in Anteilseinheiten, gegen Einmalprämie bis zu einer Laufzeit von acht Jahren, Versicherungsverträge ohne Überschußbeteiligung sowie Rentenversicherungsverträge ohne Rückkaufswert ausgenommen oder für sie höhere Höchstwerte festgesetzt werden, oder
b) vom Ertrag der zum betreffenden Zeitpunkt im Bestand des Lebensversicherungsunternehmens vorhandenen Aktiva sowie den erwarteten Erträgen künftiger Aktiva,
wobei angemessene Sicherheitsabschläge vorzunehmen sind; ...
2. die Höchstbeträge für die Zillmerung festzusetzen; ...
3. die versicherungsmathematischen Rechnungsgrundlagen für die Berechnung der
Deckungsrückstellung festzulegen, soweit dies zur Durchführung von Richtlinien
des Rates der Europäischen Gemeinschaften erforderlich ist.
§ 81c VAG a. F.
(1) Entspricht die Rückgewährquote eines Lebensversicherungsunternehmens
im Durchschnitt der letzten drei Geschäftsjahre nicht dem anhand des Durchschnitts aller Lebensversicherungsunternehmen festgelegten Rückgewährrichtsatz, so hat das Unternehmen auf Verlangen der Aufsichtsbehörde
dieser einen Plan zur Sicherstellung angemessener Zuführungen zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung (Rückgewährplan) zur Genehmigung vorzulegen. ...
(2) Die Rückgewährquote entspricht dem in vom Hundert ausgedrückten
Verhältnis der Summe aus rechnungsmäßigen Zinsen und der Zuführung zur
Rückstellung für Beitragsrückerstattung zu der Summe aus Normrisikoüberschuß und Normzinsertrag.
(3) Der Bundesminister der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, ... zur Wahrung der Belange der Versicherten unter Berücksichtigung
der Marktverhältnisse die Höhe des Rückgewährrichtsatzes festzulegen und
Vorschriften über die Berechnung des Nomrisikoüberschusses und des Normzinsertrags zu erlassen.
§ 81c n. F.
(1) In der Lebensversicherung liegt ein die Belange der Versicherten gefährdender
Mißstand auch vor, wenn bei überschußberechtigten Versicherungen keine ange94
messene Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung erfolgt. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung eines Lebensversicherungsunternehmens unter Berücksichtigung der
Direktgutschrift und der rechnungsmäßigen Zinsen nicht der gemäß Absatz 3 durch
Rechtsverordnung festgelegten Mindestzuführung in Abhängigkeit von den Kapitalerträgen entspricht.
Hierbei sind der Risikoverlauf und der Solvabilitätsbedarf der Lebensversicherungsunternehmen zu berücksichtigen. Unbeschadet der nach § 81 Abs. 2 Satz 1 und § 87
zulässigen Maßnahmen kann die Aufsichtsbehörde von dem Lebensversicherungsunternehmen verlangen, daß ihr ein Plan zur Sicherstellung angemessener
Zuführungen zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung (Zuführungsplan) vorgelegt wird, wenn die Zuführung zur Rückstellung nicht den Mindestanforderungen
der Rechtsverordnung entspricht.
(2) Für die vor dem 29. Juli 1994 abgeschlossenen Lebensversicherungen (Altbestand) ist ein die Belange der Versicherten gefährdender Mißstand abweichend von
Absatz 1 Satz 2 insbesondere dann anzunehmen, wenn die Rückgewährquote eines
Lebensversicherungsunternehmens im Durchschnitt der letzten drei Geschäftsjahre
nicht dem anhand des Durchschnitts aller Lebensversicherungsunternehmen festgelegten Rückgewährrichtsatz entspricht. Unbeschadet der nach § 81 Abs. 2 Satz 1 und
§ 87 zulässigen Maßnahmen kann die Aufsichtsbehörde in diesem Fall vom
Unternehmen verlangen, daß ihr ein Plan zur Sicherstellung angemessener
Zuführungen zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung (Rückgewährplan) zur
Genehmigung vorgelegt wird. Die Rückgewährquote entspricht dem in vom Hundert
ausgedrückten Verhältnis der Summe aus rechnungsmäßigen Zinsen, der Direktgutschrift von Überschußanteilen und der Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung zu der Summe aus Normrisikoüberschuß und Normzinsertrag.
(3) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung
zur Wahrung der Belange der Versicherten unter Berücksichtigung der Marktverhältnisse zu Absatz 1 Vorschriften zu erlassen, über die Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung, insbesondere über die Mindestzuführung in Abhängigkeit von den Kapitalerträgen, sowie zu Absatz 2 die Höhe des Rückgewährrichtsatzes festzulegen und Vorschriften über die Berechnung des Normrisikoüberschusses und des Normzinsertrags zu erlassen. Die Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung auf das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen übertragen werden.
VERSICHERUNGSVERTRAGSGESETZ
geändert durch 3. DurchfG/EWG
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§ 172 VVG neu (für früher gestrichenen § 172)
(1) Bietet eine Lebensversicherung Versicherungsschutz für ein Risiko, bei dem der
Eintritt der Verpflichtung des Versicherers ungewiß ist, so ist der Versicherer nur bei
einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden und nicht vorhersehbaren
Veränderung des Leistungsbedarfs gegenüber den technischen Berechnungsgrundlagen und der daraus errechneten Prämie berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Berechnungsgrundlagen neu festzusetzen, sofern dies erforderlich erscheint, um die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung zu gewährleisten,
und sofern ein unabhängiger Treuhänder die Berechnungsgrundlagen und sonstigen
Voraussetzungen für die Änderung überprüft und deren Angemessenheit bestätigt
hat. Für Änderungen der Bestimmungen zur Überschußbeteiligung gilt Satz 1
entsprechend. Die Mitwirkung des Treuhänders entfällt, wenn Änderungen nach den
Absätzen 1 und 2 der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen.
§ 173 VVG a. F. Rückkaufsfähige Versicherung (aufgehoben)
Ist die Prämie für einen Zeitraum von drei Jahren bezahlt, so gelten die besonderen Vorschriften der §§ 174 bis 176.
§ 174 VVG a. F.
(1) Der Versicherungsnehmer kann jederzeit für den Schluß der laufenden
Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen.
(2) Wird die Umwandlung verlangt, so tritt ... an die Stelle des vereinbarten
Kapital- oder Rentenbetrags der Betrag, der sich für das Alter desjenigen, auf
dessen Person die Versicherung genommen ist, als Leistung des Versicherers
ergibt, wenn die auf die Versicherung entfallende Prämienreserve als einmalige Prämie angesehen wird. ...
(4) Der Versicherer ist zu einem angemessenen Abzuge berechtigt. Ist für den
Abzug mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in den Versicherungsbedingungen ein bestimmter Betrag festgesetzt, so gilt dieser als angemessen.
§ 174 VVG n. F.
(1) Der Versicherungsnehmer kann jederzeit für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen, sofern die dafür vereinbarte Mindestversicherungssumme oder
Mindestrente erreicht wird. Wird der entsprechende Mindestbetrag nicht erreicht, so
hat der Versicherer den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert zu erstatten, der nach § 176 Abs. 3 und 4 zu berechnen ist.
(2) Bei der Umwandlung ist die Berechnung der prämienfreien Versicherungsleistung nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den
Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation vorzunehmen .
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(3) Die prämienfreie Leistung ist für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode
unter Berücksichtigung von Prämienrückständen zu berechnen.
(4) Der Versicherer ist zu einem Abzug nur berechtigt, wenn dieser vereinbart und
angemessen ist."
§ 176 VVG a. F.
(1) Wird eine Kapitalversicherung fur den Todesfall, die in der Art genommen ist, daß der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers zur Zahlung des
vereinbarten Kapitals gewiß ist, durch Rücktritt, Kündigung oder Anfechtung
aufgehoben, so hat der Versicherer den Betrag der auf die Versicherung entfallenden Prämienreserve zu erstatten. ...
(4) Der Versicherer ist zu einem angemessenen Abzuge berechtigt. Ist für den
Abzug mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in den Versicherungsbedingungen ein bestimmter Betrag festgesetzt, so gilt dieser als angemessen.
§ 176 VVG n. F.
(1) Wird eine Kapitalversicherung fur den Todesfall, die in der Art genommen ist,
daß der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers zur Zahlung des vereinbarten
Kapitals gewiß ist, durch Rücktritt, Kündigung oder Anfechtung aufgehoben, so hat
der Versicherer den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert zu erstatten. ...
(3) Der Rückkaufswert ist nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode als Zeitwert der Versicherung zu berechnen. Prämienrückstände werden vom Rückkaufswert abgesetzt.
(4) Der Versicherer ist zu einem Abzug nur berechtigt, wenn er vereinbart und
angemessen ist."
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HANDELSGESETZBUCH
§§ 341b bis f eingefügt durch Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz vom 24. Juni
1994, Artikel 1 (abgedruckt in VerBAV 8/1994 S. 273 ff.)
§ 253 HGB,Wertansätze der Vermögensgegenstände und Schulden.
(1) Vermögensgegenstände sind höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um Abschreibungen nach den Absätzen 2 und 3 anzusetzen. ...
(2) Bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um planmäßige Abschreibungen zu vermindern. Der Plan muß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Geschäftsjahre verteilen, in denen der Vermögensgegenstand voraussichtlich genutzt werden kann. Ohne Rücksicht darauf, ob ihre Nutzung zeitlich begrenzt ist, können bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens außerplanmäßige Abschreibungen vorgenommen werden, um die Vermögensgegenstände mit
dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihnen am Abschlußstichtag beizulegen ist; sie
sind vorzunehmen bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung.
(3) Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens sind Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit einem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem
Börsen- oder Marktpreis am Abschlußstichtag ergibt. Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen und übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten
den Wert, der den Vermögensgegenständen am Abschlußstichtag beizulegen ist, so
ist auf diesen Wert abzuschreiben. Außerdem dürfen Abschreibungen vorgenommen
werden, soweit diese nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig sind,
um zu verhindern, daß in der nächsten Zukunft der Wertansatz dieser Vermögensgegenstände auf Grund von Wertschwankungen geändert werden muß. ...
(5) Ein niedrigerer Wertansatz nach Absatz 2 Satz 3, Absatz 3 oder 4 darf beibehalten werden, auch wenn die Gründe dafür nicht mehr bestehen.
§ 254 HGB, Steuerrechtliche Abschreibungen.
Abschreibungen können auch vorgenommen werden, um Vermögensgegenstände
des Anlage- oder Umlaufvermögens mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der auf
einer nur steuerrechtlich zulässigen Abschreibung beruht. § 253 Abs. 5 ist entsprechend anzuwenden.
§ 341b HGB Bewertung von Vermögensgegenständen
Versicherungsunternehmen haben immaterielle Vermögensgegenstände, soweit sie
entgeltlich erworben wurden, Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten
einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken, technische Anlagen und
Maschinen, andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Anlagen im Bau
und Vorräte nach den für das Anlagevermögen geltenden Vorschriften zu bewerten.
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Satz 1 ist vorbehaltlich Absatz 2 und § 341c auch auf Kapitalanlagen anzuwenden,
soweit es sich hierbei um Beteiligungen, Anteile an verbundenen Unternehmen,
Ausleihungen an verbundene Unternehmen oder an Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, Namensschuldverschreibungen, Hypothekendarlehen
und andere Forderungen und Rechte, sonstige Ausleihungen und Depotforderungen
aus dem in Rückdeckung übernommenen Versicherungsgeschäft handelt. § 253 Abs.
2 Satz 3 darf, wenn es sich nicht um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung
handelt, nur auf die in Satz 2 bezeichneten Vermögensgegenstände angewendet werden.
(2) Auf Kapitalanlagen, soweit es sich hierbei um Aktien einschließlich der eigenen
Anteile, Investmentanteile sowie sonstige festverzinsliche und nicht festverzinsliche
Wertpapiere handelt, sind die für das Umlaufvermögen geltenden § 253 Abs. 1 Satz
1, Abs. 3, §§ 254, 256, 279 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 280 anzuwenden. Satz 1 gilt nicht
für Namensschuldverschreibungen. ...
(3) § 256 Satz 2 in Verbindung mit § 240 Abs. 3 über die Bewertung zum Festwert
ist auf Grundstücke, Bauten und im Bau befindliche Anlagen nicht anzuwenden.
§ 341c HGB Namensschuldverschreibungen, Hypothekendarlehen
und andere Forderungen
(1) Abweichend von § 253 Abs. 1 Satz 1 dürfen Namensschuldverschreibungen,
Hypothekendarlehen und andere Forderungen mit ihrem Nennbetrag angesetzt werden
(2) Ist der Nennbetrag höher als die Anschaffungskosten, so ist der Unterschiedsbetrag in den Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite aufzunehmen, planmäßig aufzulösen und in seiner jeweiligen Höhe in der Bilanz oder im Anhang
gesondert anzugeben. Ist der Nennbetrag niedriger als die Anschaffungskosten, darf
der Unterschiedsbetrag in den Rechnungsabgrenzungsposten auf der Aktivseite aufgenommen werden; er ist planmäßig aufzulösen und in seiner jeweiligen Höhe in der
Bilanz oder im Anhang gesondert anzugeben .
§ 341e HGB Allgemeine Bilanzierungsgrundsätze
(1) Versicherungsunternehmen haben versicherungstechnische Rückstellungen auch
insoweit zu bilden, wie dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, um die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen sicherzustellen. Dabei sind die im Interesse der Versicherten erlassenen aufsichtsrechtlichen Vorschriften über die bei der Berechnung der Rückstellungen zu verwendenden Rechnungsgrundlagen einschließlich des dafür anzusetzenden Rechnungszinsfußes und über die Zuweisung bestimmter Kapitalerträge zu
den Rückstellungen zu berücksichtigen.
(2) Versicherungstechnische Rückstellungen sind außer in den Fällen der §§ 341f bis
341h insbesondere zu bilden ...
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2. für erfolgsabhängige und erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen, soweit die
ausschließliche Verwendung der Rückstellung zu diesem Zweck durch Gesetz,
Satzung, geschäftsplanmäßige Erklärung oder vertragliche Vereinbarung gesichert
ist (Rückstellung für Beitragsrückerstattung);...
§ 341f HGB Deckungsrückstellung
(1) Deckungsrückstellungen sind für die Verpflichtungen aus dem Lebensversicherungs- und dem nach Art der Lebensversicherung betriebenen Versicherungsgeschäft in Höhe ihres versicherungsmathematisch errechneten Wertes einschließlich bereits zugeteilter Überschußanteile mit Ausnahme der verzinslich angesammelten Überschußanteile und nach Abzug des versicherungsmathematisch ermittelten
Barwerts der künftigen Beiträge zu bilden (prospektive Methode). Ist eine Ermittlung des Wertes der künftigen Verpflichtungen und der künftigen Beiträge nicht
möglich, hat die Berechnung auf Grund der aufgezinsten Einnahmen und Ausgaben
der vorangegangenen Geschäftsjahre zu erfolgen (retrospektive Methode).
VERORDNUNG ÜBER DIE RECHNUNGSLEGUNG
VON VERSICHERUNGSUNTERNEHMEN
vom 8. November 1994 (RechVersV; BGBI. I S. 3378 vom 18. November 1994;
abgedr. in VerBAV 1/1995 S. 15 ff.)
§ 39 RechVersV Nicht realisierte Gewinne aus Kapitalanlagen,
nicht realisierte Verluste aus Kapitalanlagen
Lebensversicherungsunternehmen haben die nicht realisierten Gewinne oder Verluste aus den Kapitalanlagen für Rechnung und Risiko von Inhabern von Lebensversicherungspolicen im Posten "Nicht realisierte Gewinne aus Kapitalanlagen" oder im
Posten "Nicht realisierte Verluste aus Kapitalanlagen" auszuweisen.
§ 52 RechVersV Zusätzliche Pflichtangaben
Zu den Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sind im Anhang
zusätzlich anzugeben: ...
2. von Lebensversicherungsunternehmen ... zusätzlich:
a) die zur Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen, einschließlich
der darin enthaltenen Überschußanteile, verwendeten versicherungsmathematischen
Methoden und Berechnungsgrundlagen; ...
§ 54 RechVersV Zeitwert der Kapitalanlagen
Für zum Anschaffungswert ausgewiesene Kapitalanlagen ist im Anhang der Zeitwert
in einer Summe anzugeben, und zwar ermittelt
1. für Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten ... gemäß § 55 sowie
2. für die übrigen Kapitalanlagen gemäß § 56.
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§ 55 RechVersV Zeitwert der Grundstücke, grundstücksgleichen Rechte
und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken
(1) Bei Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und Bauten einschließlich der
Bauten auf fremden Grundstücken ist der Zeitwert der zum Zeitpunkt der Bewertung
geltende und gegebenenfalls nach den Absätzen 4 und 5 verminderte Marktwert
(2) Unter Marktwert ist der Preis zu verstehen, der zum Zeitpunkt der Bewertung
aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages über Grundstücke oder Gebäude
zwischen einem verkaufswilligen Verkäufer und einem ihm nicht durch persönliche
Beziehungen verbundenen Käufer unter den Voraussetzungen zu erzielen ist, daß
das Grundstück oder Gebäude offen am Markt angeboten wurde, daß die Marktverhältnisse einer ordnungsgemäßen Veräußerung nicht im Wege stehen und daß
eine der Bedeutung des Objektes angemessene Verhandlungszeit zur Verfügung
steht.
(3) Der Marktwert ist im Wege einer Schätzung festzustellen, die mindestens alle
fünf Jahre für jedes einzelne Grundstück oder Gebäude nach einer allgemein anerkannten Methode vorzunehmen ist. Hierbei sind die planmäßigen Abschreibungen
nach § 253 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs unberücksichtigt zu lassen.
(4) Hat sich seit der letzten Schätzung gemäß Absatz 3 der Marktwert eines Grundstücks oder Gebäudes vermindert, so ist eine entsprechende Wertberichtigung vorzunehmen. Der berichtigte Marktwert ist bis zur nächsten, nach den Absätzen 2 und 3
vorzunehmenden Marktwertfeststellung beizubehalten.
§ 56 RechVersV Zeitwert der übrigen Kapitalanlagen
(1) Bei den übrigen Kapitalanlagen ist der Zeitwert vorbehaltlich Absatz 5 der
Freiverkehrswert.
(2) Bei an einer zugelassenen Börse notierten Kapitalanlagen handelt es sich bei dem
Freiverkehrswert um den Börsenkurswert am Abschlußstichtag oder, wenn der Abschlußstichtag kein Börsentag ist, um den Börsenkurswert am letzten diesem Zeitpunkt vorausgehenden Börsentag. ...
(5) Kapitalanlagen sind höchstens mit ihrem voraussichtlich realisierbaren Wert
unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorsicht zu bewerten.
§ 64 RechVersV Übergangsvorschriften
(1) Die Vorschriften dieser Verordnung sind mit Ausnahme der §§ 25, 54 bis 56
erstmals auf den Jahresabschluß und den Lagebericht sowie den Konzernabschluß
und den Konzernlagebericht für das nach dem 31. Dezember 1994 beginnende
Geschäftsjahr anzuwenden. ...
(3) § 54 Nr. 2 in Verbindung mit § 56 braucht erstmals auf den Jahresabschluß für
das nach dem 31. Dezember 1996 beginnende Geschäftsjahr angewendet zu werden.
(4) § 54 Nr. 1 in Verbindung mit § 55 braucht erstmals auf den Jahresabschluß für
das nach dem 31. Dezember 1998 beginnende Geschäftsjahr angewendet zu werden.
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