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STERNENKINDER als hätte der Himmel die Erde still geküsst Trauerbegleitung nach intrauterinem Fruchttod Julia Zerbes Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können und wenn Du Dich getröstet hast, wirst Du froh sein, mich gekannt zu haben. Antoine de Saint-Exupéry 4. Sonderausbildung für Kinder- und Jugendlichenpflege Bildungszentrum Landeskrankenhaus Salzburg Universitätsklinikum der Paracelsus medizinischen Privatuniversität Sternenkinder – als hätte der Himmel die Erde still geküsst Trauerbegleitung nach intrauterinem Fruchttod schriftliche Abschlussarbeit eingereicht von DGKS Julia Zerbes Betreuungslehrer DKKS Maria Rainer, IBCLC Akad. geprüfte Lehrerin für Gesundheitsberufe Salzburg, Mai 2009 1 Vorwort Im Rahmen meiner Sonderausbildung für Kinder- und Jugendlichenpflege hatte ich eine schriftliche Abschlussarbeit zu verfassen. Schon lange hat mich das Thema Totgeburt (intrauteriner Fruchttod) beschäftigt, weil eine Bekannte dieses Schicksal erlitten hat. Ich dachte lange darüber nach, ob es wohl das Richtige für mich sein wird, weil es ein sehr trauriges und intensives Thema ist. Gerade über den Tod wird in unserer Gesellschaft oft geschwiegen. Ein Kind, das nicht lebend auf die Welt gekommen ist, existiert für viele Menschen nicht, doch genau das soll vermieden werden. Es ist für die Trauerarbeit der Eltern wichtig, mit ihnen über die Totgeburt zu sprechen und zu zeigen, dass ihr Kind als Mensch existiert hat. Damit es in Zukunft dem Pflegepersonal auch in solch schwierigen Situationen leichter fällt mit den betroffenen Eltern umzugehen, entschloss ich mich meine Abschlussarbeit über Trauerbegleitung nach intrauterinem Fruchttod zu schreiben. Die Suche nach Literatur war schnell getan, jedoch war die Eingrenzung dieser Thematik nicht ganz leicht, da es sehr viel darüber zu berichten gibt. Schließlich habe ich mich auf das Wesentlichste beschränkt und versuche es professionell aufzubereiten. Der Titel „Sternenkinder – als hätte der Himmel die Erde still geküsst“ hat mir gut gefallen, da dieser sehr aussagekräftig und ausdrucksstark ist. Er soll aussagen, dass sich bei intrauterinem Fruchttod die Kinder gegen ein Erdenleben entschieden haben. Sie bleiben trotzdem in den Herzen der Familie und werden nie vergessen. Um praktische Erfahrungen zu diesem Thema zu sammeln, habe ich mich entschlossen einen Praktikumstag im Klinikum Augsburg zu absolvieren. Dort durfte ich einen Tag die Seelsorgerin Frau Ursula Schmid begleiten und bekam einen Einblick in ihre Arbeit. Bedanken möchte ich mich bei Frau Mag. Hoffelner, ehemalige Professorin an der Handelsakademie, für das Korrekturlesen sowie bei meiner Betreuungslehrerin, DKKS Frau Maria Rainer, IBCLC, akademisch geprüfte Lehrerin für Gesundheitsund Krankenpflege, für die gute Unterstützung bei meiner Abschlussarbeit. 2 INHALTSVERZEICHNIS VORWORT ............................................................................................ 1 1. EINLEITUNG ..................................................................................... 4 2. DEFINITIONEN.................................................................................. 5 2.1. TOTGEBURT ...................................................................................................... 5 2.2. FEHLGEBURT..................................................................................................... 5 2.3. TOD NACH LEBENDGEBURT ................................................................................ 6 3. URSACHEN EINER TOTGEBURT ................................................... 6 4. ERLEBEN EINER TOTGEBURT ...................................................... 7 4.1. STILL GEBOREN ................................................................................................. 8 4.2. MEDIKAMENTE, UM STILL GEBOREN ZU WERDEN ................................................. 9 4.3. ALS GEBÄRENDE KRAFT SCHÖPFEN FÜR DIE STILLE GEBURT .............................. 9 4.4. PHYSIOLOGISCHE BESONDERHEITEN DER MUTTER NACH DER STILLEN GEBURT 10 5. WENN MÜTTER, VÄTER UND GESCHWISTER TRAUERN ........ 11 5.1. DIE SCHLIMMSTE NACHRICHT IM LEBEN EINER MUTTER .................................... 11 5.2. DIE VERGESSENE TRAUER DES VATERS ........................................................... 11 5.3. GESCHWISTER TRAUERN ................................................................................. 12 6. TRAUERPHASEN DER BETROFFENEN ...................................... 12 6.1. SCHOCK UND BETÄUBUNG ............................................................................... 13 6.2. SUCHEN UND SICH SEHNEN ............................................................................. 14 6.3. DESORIENTIERUNG UND VERWANDLUNG .......................................................... 14 6.4. ERNEUERUNG UND HOFFNUNG ........................................................................ 15 7. MÖGLICHKEITEN DER TRAUERUNTERSTÜTZUNG .................. 16 7.1. RATSCHLÄGE FÜR AUßENSTEHENDE (DO´S AND DONT´S) ................................. 16 7.2. ABSCHIEDSRITUALE DURCHFÜHREN ................................................................. 16 7.2.1. Sein Kind sehen oder nicht ..................................................................... 16 7.2.2. Sein Kind waschen, eincremen und anziehen ........................................ 17 7.2.3. Sein Kind taufen lassen .......................................................................... 17 7.2.4. Sein Kind beerdigen lassen .................................................................... 18 8. ERINNERUNGEN AN DAS STILL GEBORENE KIND .................. 19 8.1. FOTOS ............................................................................................................ 19 8.2. KERZEN ALS SYMBOL DES GEDENKENS ............................................................ 20 8.3. ERINNERUNGSSCHLEIFE .................................................................................. 21 8.4. WORLDWIDE CANDLE LIGHTING ....................................................................... 22 9. WUNSCHLISTE AN DAS KRANKENHAUSTEAM ........................ 23 10. PRAKTIKUMSTAG IM KLINIKUM AUGSBURG.......................... 24 11. ZUSAMMENFASSUNG ................................................................ 29 LITERATURVERZEICHNIS ................................................................ 31 3 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................. 33 ANHANG ............................................................................................. 35 EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG .................................................. 37 4 1. Einleitung In der Gesundheits- und Krankenpflege geht es grundsätzlich um die Behandlung von Menschen. Handelt es sich jedoch um eine Situation, wo Behandlung zu wenig ist, sondern psychische Betreuung im Vordergrund steht, ist das Pflegepersonal oft überfordert. Es geschehen oft Dinge, die die betroffenen Eltern nach intrauterinem Fruchttod verletzen. Daher ist neben der medizinischen Betreuung auch die psychische und menschliche Hilfe auf einer geburtshilflichen Station besonders wichtig. Das Thema Totgeburt ist in unserer Gesellschaft noch sehr wenig verbreitet und wird oft auch verschwiegen. Früher ist diesen Kindern keine Wertschätzung gegeben worden und die Eltern durften ihre Kinder nicht einmal sehen. In der heutigen Zeit ist es anders. Die Eltern sollen versuchen so viele Erinnerungen, wie möglich an ihr Baby zu schaffen. In meiner Abschlussarbeit beschreibe ich die Totgeburt allgemein und deren Ablauf. In dieser schwierigen Zeit trauern vor allem die Mütter, Väter und vorhandenen Geschwister. Die Trauerphasen sind ein weiteres Thema meiner Arbeit. Jeder Mensch trauert anders und das Krankenhauspersonal sollte wissen, wie sie die Betroffenen am besten unterstützen kann. Weiters möchte ich darauf hinweisen, dass die Sternenkinder Menschen sind, von denen sich die Eltern verabschieden müssen um weitere Erinnerungen an das Kind zu schaffen und zu bewahren. Eine Wunschliste von Sterneneltern soll dem Pflegepersonal helfen, den Umgang mit den betroffenen Eltern zu erleichtern. Im letzten Kapitel berichte ich von meinem Praktikumstag im Klinikum Augsburg bei der Seelsorgerin Frau Ursula Schmid. Ziel meiner Arbeit ist es, eine kleine Hilfestellung für das Gesundheits- und Krankenhauspersonal zu schaffen, wenn es in der Praxis zu einer Totgeburt kommt. Weiters soll für die betroffenen Eltern eine Sammlung von Informationen geschaffen werden, die ihnen bei der Trauerbewältigung helfen soll. Die konkreten Fragestellungen, die ich in meiner Arbeit bearbeiten möchte, lauten: Wer trauert bei intrauterinem Fruchttod um das Baby? Wie unterstütze ich als Pflegeperson die Familie in diesen schweren Stunden? 5 2. Definitionen 2.1. Totgeburt Unter Totgeburt 1 (intrauterinem Fruchttod) versteht man die Geburt eines im Mutterleib oder während der Geburt verstorbenen Kindes über 500 Gramm. Die Bestattungspflicht von tot geborenen Kindern ist in jedem Bundesland verschieden. In den meisten Bundesländern besteht keine Bestattungspflicht des Kindes bei einem Geburtsgewicht unter 1000 Gramm, es kann aber auf Wunsch der Eltern bestattet werden. Ebenfalls wird das Kind in das Geburtenbuch und Sterbebuch eingetragen, auf Wunsch der Eltern auch mit Vornamen und die Eltern erhalten einen Totenschein. 2 Die Mutter hat in Österreich nach einer Totgeburt ein Recht auf 8 Wochen Mutterschutz bzw. bei einer Mehrlingsgeburt oder Kaiserschnittentbindung auf 12 Wochen. 3 Abbildung 1: Totgeburt 2.2. Fehlgeburt Als Fehlgeburt (Abort) bezeichnet man ein totes Baby unter 500 Gramm. Es wird von einer frühen Fehlgeburt bis zur 12. SSW, wo man im medizinischen Bereich von einem Embryo spricht und nach der 12. SSW von einem Fetus, also einer späten Fehlgeburt unterschieden. Eine Bestattung ist auf Wunsch der Eltern manchmal 1 2 3 Totgeburt: Es hat sich die sanfte Bezeichnung „still geboren“ statt Totgeburt eingebürgert, um dieses grausame Wort zu vermeiden. Vgl. Zebothsen, Birgit / Ragosch, Volker, Sternenkinder. Wenn eine Schwangerschaft zu früh endet, München 2007, 80. Vgl. Lothrop, Hannah (Hg.), Gute Hoffnung – jähes Ende. Fehlgeburt, Totgeburt und Verlust in der frühen Le14 benszeit. Begleitung und neue Hoffnung für Eltern, München 2008, 30. 3 Vgl. Akmanlar-Hirscher, Gerlinde, Begleitbroschüre für trauernde Eltern, Universitätsklinikum Salzburg 2006, 28. 6 möglich, das Kind wird jedoch nicht beurkundet und die Eltern erhalten keine Sterbeurkunde. 4 Die Mutter hat in Österreich bei einer Fehlgeburt keinen Anspruch auf Mutterschutz, es ist jedoch ein Krankenstand möglich. 5 2.3. Tod nach Lebendgeburt Unter Lebendgeburt wird jedes Baby bezeichnet, bei dem nach der Geburt ein Lebenszeichen erkennbar ist z.B. das Pulsieren der Nabelschnur, das Schlagen des Herzens oder das Einsetzen der Atmung. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Nabelschnur durchtrennt oder die Plazenta schon ausgestoßen ist. Unter Tod nach Lebendgeburt bezeichnet man ein lebendgeborenes Kind, das nach der Geburt verstirbt. Es besteht eine Bestattungspflicht und es wird eine Geburtsurkunde und Sterbeurkunde ausgestellt, wo die Eintragung eines offiziellen Vornamens möglich ist. Hier hat die Mutter ein Recht auf 8 bis 12 Wochen Mutterschutz. 6 3. Ursachen einer Totgeburt Nicht immer gibt es eine Ursache für eine Totgeburt, es ist als hätte sich die Seele gegen ein Erdenleben entschieden. Gründe dafür können folgende sein: Nabelschnurverschlingung Nabelschnurverknotung Plazentalösung In allen drei Fällen bekommt das Kind keinen oder zu wenig Sauerstoff und stirbt deshalb. Und weitere Gründe dafür: Schwere Fehlbildungen Bestimmte Infektionen 7 (können auch noch im letzten Schwangerschaftstrimester zum Tod des Baby führen) Meistens erfahren die Eltern vom Tod ihres Kindes durch den Gynäkologen, weil er keine Lebenszeichen mehr hört und sieht. Öfters haben aber auch die Frauen Blu- 4 5 6 7 Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 26. Vgl. Akmanlar-Hirscher, G., Begleitbroschüre für trauernde Eltern, 29. Ebda, 28. Infektionen, die zu einer Totgeburt führen können, sind folgende: Röteln, Listeriose, Toxoplasmose. Vgl. Muntau, 3 Ania (Hg.), Intensivkurs Pädiatrie, München 2004, 23, 129, 139. 7 tungen oder sonstige Komplikationen und kommen deshalb ins Krankenhaus, wo ihnen dann der Tod ihres Kindes schonend beigebracht wird. 8 4. Erleben einer Totgeburt Manche Frauen merken, dass sich etwas verändert hat, wenn sie länger keine Kindsbewegungen spüren. Ihre Befürchtung, dass das Kind tot ist, wird dann durch ein CTG beim Frauenarzt oder im Krankenhaus bestätigt. Andere Frauen „wissen“ einfach, dass ihr Kind nicht mehr lebt oder sie werden in Träumen bzw. Ahnungen auf irgendeine Weise darauf vorbereitet. Abbildung 2: CTG-Aufzeichnung kurz vor der Uterusruptur Abbildung 3: CTG-Aufzeichnung zum Zeitpunkt der Uterusruptur Sechs Wochen vor der Geburt hatte ich einen Traum: Ich spüre das Baby im Bauch, die Wehen setzen ein, ich muss pressen … das Baby kommt und ist tot. Als Timo dann wirklich tot geboren wurde, war ich daher nicht ganz unvorbereitet. Es war, als ob er sich im Traum von mir verabschiedet hätte. In seiner Entwicklung war er fünf bis sechs Wochen zurück. Auch dass er sich in letzter Minute noch einmal gedreht hatte … er musste ja nicht nach unten, er musste nicht raus, sein Kopf zeigte nach oben, weil er in den Himmel wollte. 9 8 9 Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 30. Ebda, 31. 8 Aber auch viele Frauen gehen nichts ahnend zur Routineuntersuchung und erfahren dort die schlimme Nachricht, dass ihr Kind nicht mehr lebt. Ich hatte einen Termin bei meinem Arzt. Das Baby hatte sich noch nicht gesenkt, und er schien etwas besorgt darüber. Er versuchte mich vorsichtig darauf vorzubereiten, dass ich unter Umständen mit Kaiserschnitt entbinden müsste, und machte dann die übliche Vorsorgeuntersuchung. Doch er fand keinen Herzschlag. Da wusste ich sofort: Es ist vorbei! Mein Baby ist tot. 10 4.1. Still geboren Für viele Frauen ist der Gedanke etwas Totes im Mutterleib zu haben sehr unheimlich und das Kind wird oft ab dem Zeitpunkt als Fremdkörper angesehen. Ebenfalls haben die meisten Frauen Angst durch das Kind vergiftet zu werden, vor allem wenn es schon längere Zeit tot ist. Auch die Väter haben große Angst, dass ihre Frau durch das tote Kind vergiftet wird. Medizinisch muss man aber klären, dass dies nicht der Fall ist. Denn solange die Fruchtblase noch geschlossen ist und es zu keiner aufsteigenden Bakterienbesiedlung kommt, können keine „Gifte“ entstehen. Eine Verwesung des Kindes tritt erst durch Kontakt mit Bakterien ein. Darum ist es für Ärzte und Krankenschwestern wichtig, die Entzündungsparameter häufig zu kontrollieren, um bei Veränderungen rechtzeitig zu reagieren. Im Notfall gibt es dann Entscheidungen, die auf der Stelle getroffen werden müssen. 11 Grundsätzlich wird eine normale Geburt eingeleitet, wenn das Baby nach dem dritten Schwangerschaftsmonat intrauterin verstirbt. Abhängig vom Zeitpunkt und der Situation wird entweder die Geburt bald nach Festellen des Todes eingeleitet oder das natürliche Einsetzen der Wehen abgewartet, wenn der Geburtstermin nicht mehr fern ist. Für die meisten Frauen ist die Vorstellung ihr totes Kind selbst auf die Welt zu bringen ein unmöglicher Gedanke. 12 Laut Aussage von Seelsorgerin Frau Ursula Schmid 13 haben gerade die Erstgebärenden oft große Angst vor der Geburt, weil sie nicht wissen was auf sie zukommt. Der Wunsch nach einem Kaiserschnitt wird oft geäußert, jedoch nur bei medizinischen Gründen durchgeführt. Eine normale Geburt kann sehr wichtig für die Trauerverarbeitung der Gebärenden sein. 10 11 12 13 Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 31. Ebda, 57ff. Ebda, 69. Ursula Schmid: siehe Bericht Kapitel 10. 9 4.2. Medikamente, um still geboren zu werden Bei Geburtseinleitung 14 werden die Wehen durch eine Tropfinfusion mit Oxytozin oder mit Prostagladin ausgelöst. Je nach Klinik wird zur Anregung der Wehentätigkeit der Muttermund lokal durch die Scheide mit Prostagladinzäpfchen, tabletten oder –gel stimuliert. Ebenfalls kann Prostagladin auch direkt in den Muttermund injiziert werden. Durch diese Behandlung können bei Frauen Symptome wie Fieber, Schüttelfrost und eine rapide Blutdrucksenkung auftreten. Daher ist es wichtig, dass die Frauen besonders gut überwacht werden. Direkt bei der Geburt soll den Frauen ein schmerzstillendes Mittel angeboten werden, das das Erleben der Geburtswehen verringern soll. Für manche Frauen ist es extrem hilfreich und andere wollen die Geburt völlig klar und bewusst miterleben. 15 4.3. Als Gebärende Kraft schöpfen für die stille Geburt Gerade für die bevorstehende Geburt brauchen die Eltern, aber besonders die Gebärende, viel Kraft. Mit folgender Übung können wir als Pflegepersonal versuchen Kraft zu geben. Der Text soll den Gebärenden langsam in einer ruhigen Atmosphäre vorgelesen oder mit einer Kassette vorgespielt werden. Diese Übung soll den Gebärenden helfen, sich „aus größeren Quellen“ genährt zu fühlen. Ich setze mich aufrecht auf die Vorderkante eines Stuhls. Die Füße stehen flach auf dem Boden, parallel zueinander in einem Abstand von etwa ca. 20 cm. Ich schließe meine Augen und bin ganz bei meinem Atem, beobachte sein Kommen und Gehen … Dann stelle ich mir vor, dass meine Füße sich mit langen, aus der Fußmitte kommenden Pfahlwurzeln 16 tief in der Erde verwurzeln … Auch mein Steißbein lässt durch den Sitz hindurch eine tiefe Wurzel in die Erde wachsen … Mit jedem [Ausatmen] lasse ich alle Spannung, alle Verzweiflung, alle Schmerzen – alles, was mir schwer ist – durch die Wurzeln in die Erde hineinfließen, ohne den Atem zu forcieren. Mit jedem Atemzug komme ich tiefer in die Erde. Ich stelle mir vor, dass die Erde all das mir Unangenehme umwandelt, fruchtbar macht und es mir als ›› Nahrung ‹‹ wieder zur Verfügung stellt. Dann beginne ich, meinen [Atem] tief aus der Erde aufsteigen zu lassen … aus der Erde zu ›› schöpfen ‹‹. Vielleicht ist dies am Anfang etwas ungewohnt, doch es wird immer leichter. Ich lasse meinen Atem in meinem Körper aufsteigen und 14 15 16 Geburtseinleitung: mit Mifegyne® = Mifepriston (Wirkstoff) ist ein Antiprogesteron, das eine Zervixreifung bewirkt und das Myometrium auf Prostaglandine sensibilisiert (klinische Wirkung bis zu 3 Tage nach einmaliger Gabe). Bei Muttermundsbefund kann auf Mifegyne verzichtet werden. Die Frauen bekommen zusätzlich noch Cyprostol® = Misoprostol (Wirkstoff) ist ein PGE1 Analogon mit selektiver Wirkung auf den Uterus. Im 2. Trimenom wird Cyprostol alle 3-4 Stunden bis zur Ausstoßung, mit einer Nachtpause nach der 3. Dosis, gegeben. Im 3. Trimenom wird Cyprostol ebenfalls alle 3-4 Stunden mit Dosisverdoppelung, mit einer Nachtpause nach der 3. Dosis, gegeben. Bei fehlender Ausstoßung wird die Einnahme am nächsten Morgen fortgesetzt. Diese Informationen stammen von der Stationsschwester Elke Katterl von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Gyn. D) Salzburg. Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 70f. Pfahlwurzel: ist eine Wurzel, bei der die Hauptwurzel besonders stark ausgeprägt ist, kaum Seitentriebe bildet und tief in den Boden hineinwächst. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Pfahlwurzel (2009-05-16). 10 bleibe an jeweils einer Stelle, bis ich das Gefühl habe, dass sich diese Stelle irgendwie verändert – vielleicht dass es sich dort füllt. Dann wandere ich mit dem nächsten Atemzug weiter nach oben. Ich lasse den Atem in mir hochfließen … zum Beckenboden, … in mein Becken, … zu meiner ›› Mitte ‹‹, … zu meinem Herzen, … zur Mitte meines Brustbeins, … zu meiner Kehle, … zu meiner Stirn, … zum höchsten Punkt meines Kopfes, meiner ›› Krone ‹‹. Vielleicht mag der Atem von dort austreten und wie ein Wasserfall als glitzernder ›› Atemfall ‹‹ an meinem Körper herabrieseln. Mit jedem Atemzug schöpfe ich von neuem aus der Erde. 17 4.4. Physiologische Besonderheiten der Mutter nach der stillen Geburt Rückbildungsgymnastik: Erwähnt werden muss, dass Mütter von Sternenkindern 18 normale Wöchnerinnen sind, wobei auch die Rückbildung des Körpers einen wichtigen Prozess darstellt. Die meisten Sternenmütter 19 wollen keinen normalen Rückbildungskurs besuchen. In diesem Fall zahlt die Krankenkasse eine Einzelrückbildung durch eine Hebamme oder den Besuch eines Leere-Wiege-Rückbildungskurses 20 . Diese speziellen Kurse behandeln gleichzeitig Körper und Seele, leider gibt es diese bis jetzt nur in den größeren Städten. Die Mütter treffen auf andere Mütter, die ebenfalls ihr Baby verloren haben und die Hebammen sind speziell dafür ausgebildet. Muttermilchspende 21 : Auch an den Milcheinschuss der Sternenmutter muss gedacht werden. Oft bekommen Mütter Abstilltabletten, die den Milcheinschuss und die Milchbildung verhindern. Manche Mütter, die ohne Medikament abstillen, sind manchmal bereit, nach dem Tod ihres Kindes ihre Muttermilch an Muttermilchbanken abzugeben. Eine Liste von Muttermilchbanken ist über den Verband Europäischer Laktationsberaterinnen erhältlich. 22 17 18 19 20 21 22 Lothrop, H., Gute Hoffnung –jähes Ende, 65. Sternenkinder: Es ist ein sehr schöner, fast poetischer Begriff und bezeichnet Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Vgl. http://www.land-der-sternenkinder.de/sternenkinder.html (2009-05-09). Sterneneltern: Gemeint sind damit die Mutter und der Vater eines Sternenkindes. Ebda. Leere Wiege Rückbildungskurse: Diese Kurse werden speziell für Mütter angeboten, die ihr Kind vor, während oder nach der Geburt verloren haben. Die verwaisten Mütter haben oft nicht die Kraft mit Müttern, deren Babys leben, gemeinsam einen Kurs zu besuchen. Da für die Gesundheitsvorsorge der Frau aus fachlicher Sicht ein Rückbildungskurs wichtig ist, gibt es für die verwaisten Mütter eigene Kurse. „Leere Wiege“ steht für die Wichtigkeit der psychischen Veränderung im Kurs. Die Kurse bewirken eine körperliche und seelische Stärkung bei den Frauen. Ziel des Kurses ist, dass die Frauen ihren Körper wieder wahr nehmen. Vgl. Fleck-Bohaumilitzky, Christine / Fleck, Christian (Hg.), Du hast kaum gelebt. Trauerbegleitung für Eltern, die ihre Kinder vor, während oder kurz nach der Geburt verloren haben, Stuttgart 2006, 83-86. Muttermilchspende: wird in Salzburg lt. Stationsschwester Elke Katterl von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Gyn. D) nicht gemacht. Vgl. Wolter, Heike / Masaracchia, Regina, Lilly ist ein Sternenkind, Salzburg 2008, 52f. 11 5. Wenn Mütter, Väter und Geschwister trauern 5.1. Die schlimmste Nachricht im Leben einer Mutter Für eine werdende Mutter ist wohl eine der schlimmsten Nachrichten in ihrem Leben, wenn sie erfährt, dass ihr Baby tot ist. Wie im Kapitel 4 bereits erwähnt, berichten manche Mütter über eine vorausgehende Ahnung durch Träume oder Empfindungen über den Tod ihres Babys. Es gibt keine Erinnerungen an ein gemeinsames Leben und mit dem Baby sterben auch die Hoffnungen, Träume und Vorstellungen für das eigene weitere Leben der Mutter. Die Nachricht trifft die Eltern wie ein Blitz und löst erstmal ein Gefühl „innerliches Abgestorben-Sein“ aus. 23 Besonders die Mutter hat nach diesem Ereignis mit belastenden Emotionen zu kämpfen. Ein Wechselbad der Gefühle ist in den Tagen und Wochen nach dem Tod des Sternenkindes normal. 24 „Unendlich und überwältigend sind Schmerz und Verzweiflung. Ich fühle mich gelähmt, verloren, nicht zu dieser Welt gehörig. Gefangen in meinem Körper weiß ich nicht, ob ich noch sein kann.“ 25 Abbildung 4: Unendlich ist der Schmerz 5.2. Die vergessene Trauer des Vaters Nach dem Tod ihres Kindes legen viele Väter oft ein Verhalten an den Tag, als ob nichts gewesen wäre. Den Sternenvätern wird dadurch oft unrecht getan. Jeder trauert anders und viele Männer trauern „unsichtbar“ auf ihre Art und Weise. Für uns Frauen sollen sie immer die Schulter zum Anlehnen oder der Fels in der Brandung sein. Von Freunden oder sogar oft vom Gynäkologen werden sie aufgefordert stark zu sein, denn die Frau braucht ihren Mann jetzt besonders. Leider bedenkt die Ge23 24 25 Vgl. Akmanlar-Hirscher, G., Begleitbroschüre für trauernde Eltern, 6f. Vgl. Zebothsen, B. / Ragosch, V., Sternenkinder, 12. 5 Vgl. Fritsch, Julie / Sherokee, Ilse, Unendlich ist der Schmerz. Eltern trauern um ihr Kind, München 2008, 22. 12 sellschaft nicht, dass der Sternenvater eine doppelte Last trägt. Neben seiner eigenen starken Traurigkeit erlebt der Mann noch den tiefen Schmerz der Mutter. So hält der Mann, als Zeichen der Stärke, seine eigene Trauer zurück, um seine Frau nicht auch noch zu belasten. Seine Reaktion verstehen die Frauen als Gleichgültigkeit. 26 Alleine wegen ihrer Arbeit können die Männer es sich nicht „leisten“, die Trauer an sich ranzulassen, weil sie oft auf Unverständnis stoßen. Doch die Trauer der Väter darf nicht vergessen werden. 27 5.3. Geschwister trauern Viele Erwachsene scheuen vor dem Gedanken an den Tod zurück, doch Kinder gehen oft mit einer bemerkenswerten Natürlichkeit damit um. Den Kindern sollte immer die Sicherheit gegeben werden, dass in Mamas Bauch ein Mensch lebte, der nun gestorben ist. Je nach Alter haben die Geschwister unterschiedliche Vorstellungen vom Tod. Im Alter von null bis sechs Monaten haben die Kinder keine Vorstellung vom Tod, sie können jedoch durch das geänderte Verhalten der Eltern darauf reagieren. Bis zum Alter von eineinhalb Jahren verstehen die Kinder auf einer unbewussten emotionalen Ebene, dass man traurig ist, weil etwas nicht mehr da ist. In diesem Alter und auch noch im Kindergartenalter ist der Tod etwas Vorübergehendes. Jedoch kann man ihnen im Kindergartenalter schon erklären, was der Tod bedeutet. Im Grundschulalter wissen die Kinder, dass das verstorbene Geschwisterchen nicht mehr zurück kommt, jedoch muss man ihnen genau erklären, dass Menschen auf Grund von schweren Krankheiten, Verletzungen oder hohem Alter sterben. So wird die ständige Angst vor dem eigenen Sterben genommen. Mit dem Alter von neun bis zwölf Jahren verstehen die Kinder den Tod genau und wollen mehr darüber wissen. Ältere Kinder nehmen den Tod wie ein Erwachsener wahr, jedoch muss dieses Thema immer auf das Verständnis des Kindes abgestimmt werden. 28 6. Trauerphasen der Betroffenen Wenn ein geliebter Mensch stirbt oder etwas Tragisches geschieht, werden wir von Kummer und Schmerz überwältigt. Unsere Seele schreit, unser Herz schmerzt, unser Geist und unser Körper leiden unter dem Tod eines geliebten Menschen. Alle empfinden diesen Schmerz, jedoch ist Trauer eine individuelle Erfahrung, die jeder Mensch auf seine einzigartige Weise durchlebt. Die Trauer benötigt viel Zeit, bei 26 27 28 Vgl. Zebothsen, B. / Ragosch, V., Sternenkinder, 18. Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 135. Vgl. Wolter, H. / Masaracchia, R., Lilly ist ein Sternenkind, 49f. 13 manchen ein Jahr, bei anderen sogar mehrere Jahre und doch lässt sie mit der Zeit nach. Aus dem Schmerz wird eine liebevolle Erinnerung an das verlorene Kind. Die Trauerbegleitung ist in dieser Zeit besonders wichtig, und es ist unsere Aufgabe bestmögliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Trauerverarbeitung zu schaffen. 29 Die Trauerarbeit der Betroffenen kann in vier unterschiedlichen Phasen 30 verlaufen. Die einzelnen Trauerphasen und deren Traueraufgaben für die Sterneneltern möchte ich im Kapitel 6.1. bis 6.4. näher beschreiben. 6.1. Schock und Betäubung Die erste Phase wird als Schock und Betäubung bezeichnet. In dieser Phase können bei den Sterneneltern typische Gefühle wie Leere, Empfindungslosigkeit, Betäubung, Chaos und Starre auftreten. Körperliche und seelische Reaktionen bemerkt man wie folgt: Herzrasen, Unruhe, Sprachlosigkeit, Verwirrung und Schockzustände. Immer wieder kann es zu Äußerungen, wie z.B. „es ist nicht wahr“ oder „ich glaube es nicht“, kommen. Die Traueraufgabe der ersten Phase ist die Annahme der Realität. 31 Was können wir als Pflegepersonal für diese Sterneneltern tun? Für die Eltern da sein und ihnen Mitgefühl zeigen Wichtig ist, dass man sich nicht hinter der eigenen Professionalität versteckt Berührungen können oft mehr aussagen als manche Wörter Den Eltern helfen den Verlust zu begreifen und das Baby real zu machen Genügend Zeit lassen für Entscheidungen Herausfinden, wen die Eltern als Unterstützung bei sich haben wollen und wer das Baby sehen sollte Das Kennenlernen des Kindes ist wichtig für die weitere Trauerbewältigung Oft haben die Eltern Angst ihr Baby zu sehen, daher ist es gut, wenn wir ihnen das Aussehen ihres Kindes beschreiben 32 29 30 31 32 Vgl. Fritsch, J. / Sherokee, I., Unendlich ist der Schmerz, 4. Trauerarbeit in vier unterschiedlichen Phasen: angelehnt an Glen Davidson. Vgl. Christ-Steckhan, Claudia, Trauerbegleitung beim Tod des Kindes rund um die Geburt, in: kinderkrankenschwester 23 (2004-10) 396. Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 261f. 14 6.2. Suchen und sich Sehnen Diese zweite Phase wird von Suchen und sich Sehnen bestimmt. Die Betroffenen empfinden Wut, Ohnmacht, Zorn, Traurigkeit und Schuldgefühle. Es können Aussagen, wie z.B. „die Ärzte sind schuld“ oder „warum hat sie mich zurückgelassen“, auftreten. Die Sterneneltern reagieren in dieser zweiten Phase oft mit Reizbarkeit, Depression, Desinteresse, Panikattacken, Atemnot, Schlaf- und Essstörungen. Die Traueraufgabe für die Sterneneltern in dieser Phase ist, den Trauerschmerz zuzulassen und zu erfahren. 33 Wie können wir als Pflegepersonal diese Sterneneltern unterstützen? Den Eltern dabei helfen ihre Gefühle wahrzunehmen und auch auszudrücken Bei Wut, Zorn und Schuldgefühle gegen das Pflegepersonal die Gefühle anhören und sich nicht verteidigen Den Trauernden beistehen, dass sie Antworten auf die sie beschäftigenden Fragen finden Wenn es die Eltern wünschen ihnen Einsicht in die Pflegedokumentation zu gewähren In dieser Phase sollten Selbsthilfegruppen angeboten werden 34 6.3. Desorientierung und Verwandlung In der dritten Phase kommt es zu Desorientierung und Verwandlung. Sie wird von Gefühlen wie Einsamkeit, Verzweiflung und Hilflosigkeit begleitet. Es kann zu depressiven Zuständen, auch suizidalen Gedanken, Realitätsferne durch „Abgeschnittensein vom Leben“ kommen. Die Betroffenen können überaktiv oder apathisch (teilnahmslos) sein. Es kommt zu Aussagen, wie z.B. „ich träume oft von meinem Kind“ oder „ich suche mein Kind überall“. Die Traueraufgabe in der dritten Phase ist die Anpassung an ein Leben ohne Kind. 35 33 34 35 Vgl. Christ-Steckhan, C., Trauerbegleitung, in: kinderkrankenschwester 23 (2004-10) 396. Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 262. Vgl. Christ-Steckhan, C., Trauerbegleitung, in: kinderkrankenschwester 23 (2004-10) 396. 15 Was können wir als Pflegepersonal für diese Sterneneltern tun? Den Eltern helfen, die Phase der Desorientierung als normalen Schritt im Trauerweg zu akzeptieren Literatur empfehlen, die den Eltern helfen kann Den Sterneneltern helfen, wie sie ihre Grundbedürfnisse erfüllen können und dadurch für sich selbst sorgen Die Eltern sollten darauf hingewiesen werden, sich zwischen dem vierten und dem sechsten Monat beim Hausarzt untersuchen zu lassen. In dieser Zeit könnten die Abwehrkräfte stark reduziert sein und sie sind dadurch für Erkrankungen anfälliger Den Frauen helfen, zu spüren, wann sie für eine neue Schwangerschaft bereit sind 36 6.4. Erneuerung und Hoffnung Die letzte Phase wird von Erneuerung und Hoffnung bestimmt. Die Betroffenen empfinden Gefühle wie Selbstachtung, Dankbarkeit und sehen wieder einen Sinn im Leben. Es kommt zu körperlichen und seelischen Reaktionen wie Normalisierung im Alltagsrhythmus, aber auch zu labilen Phasen. Sie äußern sich oft mit Sätzen wie z.B. „ich bin stolz was ich geschafft habe“ oder „ich kann Neues wagen“. Die Traueraufgabe der letzten Phase ist, emotionale Energie abzugeben und in neue Beziehungen zu stecken. 37 Wie können wir als Pflegepersonal diese Sterneneltern unterstützen? Uns muss bewusst sein, dass die Angst bei einer erneuten Schwangerschaft größer ist. Daher ist eine einfühlsame Begleitung der Eltern nötig 36 37 38 Bei einer erneuten Schwangerschaft ist eine intensive Betreuung wichtig 38 Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 262f. Vgl. Christ-Steckhan, C., Trauerbegleitung, in: kinderkrankenschwester 23 (2004-10) 396. Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 263. 16 7. Möglichkeiten der Trauerunterstützung 7.1. Ratschläge für Außenstehende (Do´s and Dont´s) Auch für uns als Pflegepersonal ist eine Stillgeburt eine ungewohnte und schwierige Situation. Oft können von uns tröstliche Worte oder Sätze für die Betroffenen verletzend wirken. Daher liste ich hier einige Sätze auf, die man verwenden bzw. vermeiden soll. Manchmal hilft auch nur eine Umarmung ohne Worte. Passende Worte: Es tut mir leid Das muss sehr schwer für Sie sein Ich bin für Sie da und höre Ihnen zu Lassen Sie sich Zeit Was kann ich für Sie tun? Verletzende Worte: Sie sind jung und können noch andere Kinder bekommen Gott sei Dank haben Sie ja schon gesunde Kinder Es war das Beste für das Kind Ich weiß, wie Sie sich fühlen Sie müssen stark für ihre Frau sein 39 7.2. Abschiedsrituale durchführen Das Pflegepersonal sollte in so einer Situation sensibel genug sein, die Eltern zu ermutigen mit ihrem Kind Zeit zu verbringen, Abschiedsrituale zu zelebrieren und Erinnerungen zu schaffen, die nicht nur für die Zeit der Trauer reichen, sondern für das ganze Leben. 7.2.1. Sein Kind sehen oder nicht Es wird den Eltern immer freigestellt, ob sie ihr Kind sehen wollen oder nicht. Grundsätzlich wird den Eltern empfohlen ihr Kind anzusehen und in die Arme zu nehmen. Es ist ein Teil von ihnen. Wenn Eltern sich entscheiden, dass sie das Kind nicht sehen wollen, ist dies oft eine spontane Entscheidung, die sie nachher bereuen. Jedoch haben die Eltern meistens große Angst vor der Vorstellung, wie ihr Kind aussieht. 40 39 40 Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 228f. Vgl. Fernandez, Manuel, Totgeburt, in: kinderkrankenschwester 17 (1998-02) 70. 17 An meinem Praxistag bei der Seelsorgerin Frau Ursula Schmid habe ich erfahren, dass es wichtig ist, den Eltern das Aussehen ihres Kindes zu beschreiben. Hilfreich für die Praxis ist auch der sogenannte Moseskorb, in dem die Sternenkinder in den Stunden des Abschiedes ruhen. Der Moseskorb bietet den Eltern die Möglichkeit sich langsam an ihr Sternenkind heranzutasten. Das Kind wird im Korb mit einem Tuch zugedeckt, mit dem auch Fehlbildungen verdeckt werden können. Die Eltern können es öffnen, wann immer sie in der Lage dazu sind. Ebenfalls sollen wir den Eltern in dieser Situation als Vorbild dienen. Wenn wir das Baby zärtlich berühren, halten und mit ihm sprechen, wird es ganz natürlich für die Eltern sein, dies auch zu tun. 41 Abbildung 5: Moseskorb mit selbstgemaltem Seidentuch 7.2.2. Sein Kind waschen, eincremen und anziehen Das Baby waschen, eincremen und anziehen kann ein Bedürfnis der Eltern sein. Es sollte den Eltern angeboten werden, jedoch immer mit genügend Unterstützung vom Pflegepersonal. Sie haben dadurch die Möglichkeit den Tod ihres Kindes zu begreifen, und es ist ein wichtiger Aspekt im Trauerprozess. 42 7.2.3. Sein Kind taufen lassen Viele Sterneneltern wünschen sich, dass die Namensgebung ihres Kindes durch die Taufe bekräftigt wird. Leider dürfen still geborene Kinder nach Kirchenordnung nicht getauft werden, auch wenn es oft von den Eltern gewünscht wird. Jedoch kann den Eltern Trost und Hilfe durch eine Segnung gespendet werden. Dabei wird das Kind gesegnet und mit Handauflegen gesalbt. Die Segnung sollte nach den Wünschen 41 42 Bericht Trauerbegleitung mit Ursula Schmid siehe Kapitel 10. Vgl. Fleck-Bohaumilitzky, C. / Fleck, C., Du hast kaum gelebt, 111. 18 der Eltern gestaltet werden und kann von jedem, der selbst getauft ist, durchgeführt werden. 43 7.2.4. Sein Kind beerdigen lassen Der Umgang mit dem Tod ist in jeder Religion und Kultur anders geprägt. Wir müssen als Pflegepersonal an die verschiedenen Rituale denken, aber immer den Wunsch der Eltern akzeptieren. In manchen Ländern wird den still geborenen Kindern keine Beachtung geschenkt. Bei den Juden zählt ein Kind unter 30 Lebenstagen noch nicht als Mensch. Im islamischen Glauben muss ein totes Baby, sobald es als Mensch (etwa ab der 8. bis 10. SSW) erkennbar ist, beerdigt werden. In den orientalischen Ländern ist die Beerdigung allein Sache der Männer. Auch im Christentum gibt es eigene Rituale, wenn ein Mensch stirbt. 44 Die verschiedenen Bestattungsmöglichkeiten, wie Erd- oder Feuerbestattung, sind auch bei einem still geborenen Kind möglich. Zusätzlich gibt es in den meisten Städten eine Möglichkeit, das Kind in einem Gemeinschaftsgrab zu beerdigen. Auf manchen Gemeinschaftsgräbern dürfen die Eltern auch kindlichen Grabschmuck, wie z.B. Plüschtiere, Windspiele und anderes hinterlassen. 45 In Salzburg werden tot- und fehl geborene Kinder nach einer gewissen Zeit im Kindergrab des Kommunalfriedhofes beigesetzt. Mehrmals jährlich finden Verabschiedungsfeiern für die Eltern statt. Das Kind kann aber auch auf Wunsch der Eltern in einer eigenen Grabstätte beerdigt werden. Es ist die Entscheidung der Eltern. 46 Abbildung 6: Kindergrab am Kommunalfriedhof 43 44 45 46 Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 90-243. Ebda, 250f. Vgl. Zebothsen, B. / Ragosch, V., Sternenkinder, 167. Vgl. Akmanlar-Hirscher, G., Begleitbroschüre für trauernde Eltern, 29. 19 8. Erinnerungen an das still geborene Kind Erinnerungsstücke sind etwas ganz Wichtiges für die betroffenen Eltern. Oft verblassen die Erinnerungen an das still geborene Kind, weil die Angehörigen nach der Geburt noch unter Schock bzw. die Frauen unter Einfluss der Geburtshormone stehen. Erinnerungen haben sich für die Trauerverarbeitung und für die Integration des Kindes in das Leben der Eltern als sehr wichtig erwiesen. 47 8.1. Fotos Die Fotos von einem still geborenen Kind sind etwas Einzigartiges, Unwiederbringliches für die Sterneneltern. Oft sind sie die einzige konkrete Erinnerung an das Baby, aber auch der einzige Beweis gegenüber anderen Menschen das Baby „wirklich“ zu machen. Die Fotos vom Sternenkind sollten immer mit besonders viel Liebe und Sorgfalt gemacht werden. Dazu ist es wichtig einen würdevollen Rahmen zu schaffen. Es können verschiedene Fotos gemacht werden, wie z.B. das Baby ohne oder mit Kleidung, auf einem Kissen liegend, in den Armen der Eltern, Großeltern oder Geschwister. Das Pflegepersonal kann Familienmitglieder ermutigen auch selbst Fotos zu machen und damit das für sie Wichtige einzufangen. Wenn Eltern vorerst keine Fotos von ihrem Kind haben wollen, werden sie unter Verschluss aufbewahrt. Die Eltern entscheiden wie lange sie dort verbleiben sollen. Viele Eltern kommen oft erst nach Jahren zurück, um die Fotos ihres Kindes abzuholen. 48 Im Nachhinein war das für mich etwas ganz Wichtiges, [dass] ich das Foto wenigstens hatte, um so ein Stück auch Realität zu sehen und nicht nur sich Phantasien zu machen…Das Foto war ein ganz wichtiges Erinnerungsstück. 49 Abbildung 7: Sternenkind 47 48 49 Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 93. Ebda, 247. 2 Vgl. Nijs, Michaela, Trauern hat seine Zeit. Abschiedsrituale beim frühen Tod eines Kindes, Göttingen 2003, 73. 20 Die Pflegepersonen sollten darauf achten, dass die Eltern so viele Erinnerungsstücke, wie möglich an ihr Kind haben. Neben den Fotos, können weitere Erinnerungsstücke an das Kind folgende sein: Hand- und Fußabdrücke vom Kind auf ein Papier oder mit Gips geformt Haarlocken des Kindes abschneiden eine eigene Geburtsurkunde mit Namen, Größe, Gewicht und Geburtsdatum gestalten das Tuch den Eltern mitgeben, in das das Baby eingewickelt war 50 Die Haarlocken können von den Pflegepersonen liebevoll in eine Karte geklebt werden, in der sie auch die Daten und den Fuß- oder Handabdruck festhalten. Abbildung 8: Erinnerungskarte mit Fuß-, Handabdruck und Haarlocken 8.2. Kerzen als Symbol des Gedenkens Eine Kerze wird immer als Symbol der Liebe, Wärme und Geborgenheit gesehen. Für viele Menschen ist das Anzünden einer Kerze ein Symbol für eine besondere, außergewöhnliche Zeit. Die Kerze sollte schon während der Geburt brennen und 50 Vgl. Lothrop, H., Gute Hoffnung – jähes Ende, 242. 21 das Kind mit Kerzenlicht auf dieser Welt empfangen. Es ist eine besondere Kerze, die die Eltern durch ihre Trauerzeit begleiten kann. 51 Von der Seelsorgerin Frau Ursula Schmid erhalten die Mütter im Klinikum Augsburg selbst gestaltete Kerzen und Engelskarten. Diese werden von den Müttern im Zimmer aufgestellt. Somit wird beim Betreten des Zimmers für das Krankenhauspersonal sichtbar, dass die Mutter ihr Kind still geboren hat. 52 Abbildung 9: Erinnerungskerzen 8.3. Erinnerungsschleife Wie in Abbildung 10 ersichtlich, gibt es ganz besondere Schleifen als Erinnerung an Babys, die vor, während oder nach der Geburt gestorben sind. Sie werden in rosa und hellblau gehalten. Abbildung 10: Erinnerungsschleifen 51 52 Vgl. Nijs, M., Trauern hat seine Zeit, 84f. Bericht Trauerbegleitung mit Ursula Schmid siehe Kapitel 10. 22 Leider sind diese Schleifen bei uns noch nicht besonders bekannt. Viele Sterneneltern hoffen sehr darauf, dass diese Schleifen in Zukunft mithelfen, mehr an die Sternenkinder dieser Welt zu gedenken. Die Schleifen können über spezielle Versandhändler oder im Internet 53 bestellt werden. 54 Natürlich können die Schleifen auch selbst gebastelt werden. Man nimmt z.B. zwei Bänder (hellblau und rosa), legt sie übereinander und faltet die Bänder so, dass sich die Form der Erinnerungsschleife ergibt. Mit einer Sicherheitsnadel kann die Schleife an der Kleidung befestigt werden. Man kann aber auch eine rosa Blume mit einer hellblauen Schleife verwenden oder eine Schleife aus Perlen gestalten. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. 55 Abbildung 11: Perlenerinnerungsschleife 8.4. Worldwide Candle Lighting Jedes Jahr, am zweiten Sonntag im Dezember um 19 Uhr, stellen Menschen überall auf der Erde brennende Kerzen ins Fenster. Dies ist ein Zeichen, der verstorbenen Kinder zu gedenken. Der Gedanke hinter dieser Idee lautet: Lasst ihr Licht für immer leuchten (That their light may always shine). Der Brauch kommt aus den USA und hat mittlerweile auf der ganzen Welt sehr viele Anhänger gefunden. Erlöschen die Kerzen in einer Zeitzone, werden sie in der Nächsten wieder zum Strahlen gebracht. So fließt 24 Stunden lang eine Lichterwelle um die ganze Welt, von einem Land zum anderen. Und die Sternenkinder werden niemals vergessen. 56 53 54 55 56 Sternenkindererinnerungsschleifen: In Deutschland können diese Schleifen unter http://www.family-and-co.de bestellt werden. Vgl. http://www.land-der-sternenkinder.de/informatives.html (2009-05-09). Vgl. Zebothsen, B. / Ragosch, V., Sternenkinder, 31. Vgl. http://www.land-der-sternenkinder.de/informatives.html#Schleifen (2009-05-16). Vgl. Zebothsen, B. / Ragosch, V., Sternenkinder, 21. 23 9. Wunschliste an das Krankenhausteam Von einigen Sterneneltern wurde eine hilfreiche Wunschliste an das Krankenhausteam erstellt. Ich denke, dass sich diese Wunschliste in den meisten Fällen gut umsetzen lässt. Sie enthält, noch einmal zusammenfassend, die wichtigsten Informationen für das Pflegepersonal im Umgang mit intrauterinem Fruchttod. Denn Sterneneltern wünschen sich in dieser Zeit besonders viel Sensibilität und Einfühlungsvermögen. Wunschliste an das Krankenhausteam Räumliches nach der stillen Geburt: Der Mutter soll ein Einzelzimmer zur Verfügung gestellt werden, damit Ruhe und Ungestörtheit garantiert sind Die Sternenmutter sollte nicht gemeinsam mit frischgebackenen Müttern und deren Babys in einem Zimmer untergebracht werden Der Vater sollte die Möglichkeit haben mit aufgenommen zu werden Zeit lassen für Entscheidungen nach einer stillen Geburt: Den Eltern sollte für alle anstehenden Entscheidungen viel Zeit gegeben werden, wie z.B. bei der Frage, ob das Kind obduziert werden soll oder nicht Es sollte ihnen ermöglicht werden, aufgrund verschiedener Vorschläge ihre Entscheidung zu treffen Umgang mit den Eltern nach einer stillen Geburt: Man sollte immer offen und ehrlich mit den Eltern umgehen Ebenfalls sollte ihnen genau erklärt werden, was gemacht wird und warum Die Pflegeperson sollte nachfragen, ob die Eltern, Familienangehörige oder Freunde beim Abschied dabei haben möchten Die Eltern ermutigen, Fragen zu stellen, Wünsche zu äußern und Gefühle herauszulassen Die Eltern sollten ein Informationsblatt über Internetadressen und Selbsthilfegruppen für verwaiste Eltern erhalten Es sollte immer auf die Wortwahl geachtet werden, denn oft können tröstliche Sätze verletzend wirken Den Sterneneltern soll angeboten werden, dass sie sich nach der Entlassung jederzeit melden können, wenn sie Fragen haben oder ein Gespräch wünschen 24 Vorschläge für Abschiedsrituale nach einer stillen Geburt: Immer fragen, wie das Sternenkind heißen soll und es bei seinem Namen nennen Das Pflegepersonal sollte die Sterneneltern ermutigen ihr Kind anzusehen, zu streicheln, an ihm zu schnuppern, es zu fotografieren, zu baden, zu wickeln und anzuziehen Den Sterneneltern für den Abschied ihres Kindes ganz viel Zeit ermöglichen. Der Abschied ist die einzige Zeit, die sie mit ihrem Kind verbringen und oft haben die Eltern im Nachhinein das Gefühl, dass diese Zeit viel zu kurz war Die Zeremonie sollte nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen der Eltern gestaltet werden Den Eltern sollte vorgeschlagen werden, viele Fotos und Videoaufnahmen von ihrem Kind zu machen z.B. alleine, mit der Familie, im Strampler, im Moseskorb, im Arm der Eltern und vieles mehr Das Pflegepersonal sollte eine Namenkarte anfertigen mit allen Daten des Sternenkindes, wie z.B. Gewicht, Größe, Datum und Uhrzeit der Geburt, Name, Hand- und Fußabdrücke des Kindes In die Karte sollte auch ein Namensbändchen gelegt werden Die Eltern sollten auf die Möglichkeit einer Segnung des Kindes hingewiesen werden. Wenn es erwünscht ist, sollte die Seelsorge darüber informiert werden Sie sollten auch Informationen über das Gemeinschaftsgrab für still geborene Kinder erhalten Auch am nächsten Tag sollten die Sterneneltern die Möglichkeit haben, ihr Kind noch einmal zu sehen und zu halten 57 10. Praktikumstag im Klinikum Augsburg Die Aussagen von Seelsorgerin Frau Ursula Schmid decken sich sehr oft mit der vorhandenen Literatur. Am Morgen sind wird in den Kreißsaal gegangen, dort hat mir Seelsorgerin Frau Ursula Schmid die Situation geschildert, wenn eine Mutter eine Totgeburt erwartet. Meistens erfahren die Frauen beim Gynäkologen, dass ihr Baby nicht mehr lebt. Manche Frauen wissen durch irgendwelche Anzeichen wie z.B. eine Blutung, dass 57 Vgl. Zebothsen, B. / Ragosch, V., Sternenkinder, 9ff. 25 etwas nicht mehr stimmt und kommen deshalb in die Notfallambulanz. Dort wird je nach Dringlichkeit entschieden, ob man die Geburt noch etwas hinauszögern kann oder nicht. Ab dem Zeitpunkt der Nachricht haben die Väter große Angst, dass das Baby ihre Frau vergiften könnte. Medizinisch muss abgeklärt werden, dass dies nicht der Fall ist. Grundsätzlich werden bei der Gebärenden die Entzündungswerte kontrolliert, um Komplikationen vorzubeugen. Für die Mütter, vor allem für die Erstgebärenden, ist dies wohl eine große Unsicherheit, weil sie nicht wissen, was auf sie zu kommt. Eine Hilfe dafür wäre es, den Vater mit aufzunehmen. Grundsätzlich wird eine normale Geburt ab der 13.-14. SSW eingeleitet. Die Frauen sollten auf der Station noch ein Schmerzmittel bekommen, damit sie unter den körperlichen Schmerzen nicht allzu viel leiden müssen. Bei einer Totgeburt ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Hebammen, Pflegepersonal und Seelsorgern sehr wichtig. Es müssen Verletzungen und vorab Wertungen vermieden werden. Vom Zeitpunkt an, wo eine Totgeburt bekannt ist, sollte man die Eltern fragen, ob sie einen Seelsorger dabei haben möchten. Denn die Eltern haben in diesem Moment viele Fragen, vor allem was mit ihrem toten Baby passiert, und sie sollten darauf konkrete Antworten bekommen. Das Baby bleibt solange die Eltern es möchten im Kreißsaal. Manche Eltern wollen es jedoch erst später sehen, in der Zwischenzeit wird das Kind in einen anderen Raum untergebracht. Die Eltern sollen die Möglichkeit haben, ihr Kind in die Arme zu nehmen, zu kuscheln, zu streicheln oder einfach nur zu halten. Hier sind oft die Schwestern wichtig, um die Hemmschwelle der Eltern zu überwinden. Denn wenn wir normal mit dem Baby umgehen, es halten und tragen, haben auch die Eltern keine Angst davor. Für viele Eltern ist auch der sogenannte Moseskorb eine Hilfe. In diesem Korb werden die Babys hineingelegt und mit einem Seidentuch zugedeckt. Das Seidentuch wird auch verwendet zum Abdecken, wenn z.B. die Haut des Babys stark marmoriert ist oder eine Extremität fehlt. So können die Eltern selbst entscheiden, ab wann sie das Tuch weggeben und das Baby herausnehmen wollen. 26 Abbildung 12: Moseskorb mit selbstbemaltem Seidentuch Die Eltern sollten auch die Möglichkeit haben ihr Baby zu baden. Man sollte sie darauf vorbereiten, dass eventuell Hautschuppen abgehen können. Eine Hilfe kann sein, wenn man einen Duft ins Badewasser gibt und das Baby nur abtupft. Auch beim Anziehen haben die Eltern oft Angst, dass sie ihrem Baby weh tun könnten. Das Pflegepersonal sollte die Eltern unterstützen und ihnen helfen mit kleinen Schritten, wie z.B. den Strampler zuzumachen, die Angst zu verlieren. Wenn das Baby auf der Welt ist, werden immer Fotos gemacht. Dies wird auch den Eltern mitgeteilt. Beim Foto sollte darauf geachtet werden, was abgebildet ist. Oft wirkt eine Hand alleine zärtlicher als der ganze Körper. Es wird dann in einem Buch dokumentiert, dass Fotos vorhanden sind. Nach dem Entwickeln informiert die Seelsorge die Eltern, dass die Fotos fertig sind. Sie können abgeholt oder zugeschickt werden. Wenn die Eltern die Fotos nicht wollen, werden sie in die Akte gegeben. Wichtig ist immer die Dokumentation. Die Eltern bekommen auch Taufkerzen vom Krankenhaus oder sie nehmen eigene mit. Auf diese Kerzen können sie dann den Namen schreiben. Die Eltern stellen als Zeichen, dass sie mit dem Pflegepersonal über die Totgeburt sprechen wollen, eine Kerze im Zimmer auf. Die Kinder können auch gesegnet werden. Die „Namensgebungsfeier“ beinhaltet alle Rituale einer normalen Taufe. 27 In Augsburg erhalten die Geschwister der verstorbenen Babys Kinderkreuze (Abbildung 13). Die Eltern erhalten eine Erinnerungskarte (Abbildung 14) mit allen wichtigen Daten rund um die Totgeburt und einem Fußabdruck ihres Babys. Abbildung 13: Geschwisterkreuz Abbildung 14: Erinnerungskarte Am Ende meines Praktikumstages sind wir in die Pathologie gegangen. Dort wurde mir von Seelsorgerin Frau Ursula Schmid von der Beerdigung eines totgeborenen Kindes berichtet. Für alle Entscheidungen der Eltern ist sehr viel Zeit wichtig. Die Babys werden in die Pathologie gebracht, und die Eltern entscheiden, ob sie ihr Baby obduzieren lassen oder nicht. Es soll auch hier die Möglichkeit bestehen, dass die Eltern ihre Babys noch einmal sehen können. Dabei ist es wichtig, dass dies in Begleitung einer Pflegeperson oder eines Seelsorgers passiert. Die Babys werden im Bett oder im Moseskorb zum Verabschiedungsraum gebracht. Dort haben auch Verwandte die Möglichkeit das Baby zu sehen. Den Eltern soll angeboten werden, ob sie alleine sein wollen oder nicht. Man kann dem Baby Erinnerungsstücke mitgeben wie z.B. eine Kette, ein Tuch, eine Haube, eine Spieluhr oder alles was die Eltern möchten. 28 Abbildung 15: Verabschiedungsraum Klinikum Augsburg Eine Beerdigung findet erst dann statt, wenn die Eltern psychisch und physisch dafür bereit sind. Bei einem Baby unter 500 Gramm kann man es bestatten, muss es aber nicht. Wenn die Eltern es nicht wollen, ist die Klinik dafür verantwortlich. Drei Mal im Jahr wird eine „zur Ruhebettung“ für diese Kinder veranstaltet. Sie findet in einem würdigen Rahmen statt und ist nicht religiös ausgerichtet. Wenn das Baby über 500 Gramm 58 wiegt, muss es individuell bestattet werden. Die Eltern müssen die Beerdigung selbst organisieren, sie haben nicht die Möglichkeit, ihr Kind im Gemeinschaftsgrab zu bestatten. Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass es immer wichtig ist daran zu denken, dass die Frauen Wöchnerinnen sind. Es kann zum Milcheinschuss bei diesen Frauen kommen und auch die Rückbildung ihres Körpers ist sehr wichtig. Dafür wird der Frau von der Krankenkasse eine Hebamme für die Rückbildungsgymnastik bereit gestellt, wo sie wieder ihr Körpergefühl erhält und lernt auf ihren Körper zu achten. Man sollte die Eltern auch auf Selbsthilfegruppen aufmerksam machen, weil es manchen gut tut sich mit anderen Eltern auszutauschen. Für uns Pflegepersonen ist es wichtig, dass wir die Eltern viel fragen und ihnen Gespräche anbieten. Hiermit möchte ich mich nochmals bei Seelsorgerin Frau Ursula Schmid für den interessanten Tag bedanken, ich konnte sehr viel Wertvolles für den Umgang und die Begleitung dieser Eltern mitnehmen. 58 Gewichtsgrenze: gilt innerhalb von Bayern und ist in jedem Bundesland anders. 29 11. Zusammenfassung Das Thema Totgeburt ist ein sehr umfangreiches Thema. Wenn es zu einer Totgeburt kommt, ist es für alle Beteiligten eine schwierige Situation. Mütter und Väter haben Angst, trauen sich oft nicht zu fragen und wissen nicht was mit ihnen und ihrem Baby passiert. Dem Pflegepersonal fehlt in dieser Situation, man muss sagen „Gott sei Dank“, die Routine. Doch genau in so einer Situation ist es unheimlich wichtig, dass man miteinander gut kommuniziert. Eine Literaturrecherche wurde gezielt zur Thematik durchgeführt und verwendet. Durch meinen Praktikumstag im Klinikum Augsburg erfuhr ich viel darüber, wie das Pflegepersonal die Eltern nach einer Totgeburt am besten unterstützt. Wir, das Pflegepersonal sind für die betroffenen Eltern in dieser Situation meistens die ersten Ansprechpartner. Oft will man etwas gut Gemeintes sagen, wirkt aber verletzend. Ein einfaches „Es tut mir leid“ oder „ich bin für Sie da und höre Ihnen zu“ hilft den Eltern oft mehr als unendliche Sätze. Wenn man in dieser Situation jedoch keine passenden Wörter findet, kann eine Umarmung mehr als tausend Worte sagen. Das Pflegepersonal sollte in so einer Situation sensibel genug sein, die Eltern zu ermutigen mit ihrem Kind Zeit zu verbringen, Abschiedsrituale zu zelebrieren und Erinnerungen zu schaffen, die nicht nur für die Zeit der Trauer reichen, sondern für das ganze Leben. Denn es ist die einzige Zeit, die sie je mit ihrem Sternenkind erleben. Ebenfalls sollen wir ihnen in dieser Situation als Vorbild dienen. Wenn wir das Baby zärtlich berühren, halten und mit ihm sprechen, wird es ganz natürlich für die Eltern sein, dies auch zu tun. Die Eltern befinden sich in einer Ausnahmesituation, daher sollte ihnen viel Zeit für jede Entscheidung gegeben werden. Die Sternenmütter benötigen viel Ruhe, daher wäre die Unterbringung in einem Einzelzimmer angebracht. Auf Wunsch des Paares sollte der Partner mit aufgenommen werden, damit sie sich gegenseitig Halt geben und trösten können. Es ist wichtig, dass jeder auf seine Weise trauern darf und die Trauer des Anderen nicht vergessen wird. Die Mutter, der Vater und die vorhanden Geschwister trauern alle um dasselbe Baby, um ihr Sternenkind. Wir als Pflegepersonal können die Trauerarbeit der Eltern nur unterstützen, jedoch nicht übernehmen. Ich denke für Sterneneltern ist es sehr wichtig, dass ihre Kinder nicht vergessen werden. Daher ist das „Worldwide Candle Lighting“ eine sehr schöne Idee, denn das 30 Kerzenlicht soll für die Sternenkinder immer hell erstrahlen. Für diese Nacht wirkt es, als hätte der Himmel die Erde still geküsst. Abbildung 16: Worldwide Candle Lighting 31 Literaturverzeichnis AKMANLAR-HIRSCHER, Gerlinde, Begleitbroschüre für trauernde Eltern, (Broschüre) Salzburg 32006. BSTIELER, Gudrun, Still geboren. Nie gelacht und nie geweint. Mai 2003. CHRIST-STECKHAN, Claudia, Trauerbegleitung beim Tod des Kindes rund um die Geburt, in: kinderkrankenschwester 23 (2004-10) 396-399. FERNANDEZ, MANUEL, Totgeburt, in: kinderkrankenschwester 17 (1998-02) 7071. FLECK-BOHAUMILITZKY, Christine / FLECK, Christian (Hg.), Du hast kaum gelebt. Trauerbegleitung für Eltern, die ihre Kinder vor, während oder kurz nach der Geburt verloren haben, Stuttgart 2006. FRITSCH, Julie / SHEROKEE, Ilse, Unendlich ist der Schmerz. Eltern trauern um ihr Kind, München 52008. LISA, o.N., Zum Sterben geboren, Halle 2005. LOTHROP, Hannah, Gute Hoffnung- jähes Ende. Fehlgeburt, Totgeburt und Verluste in der frühen Lebenszeit. Begleitung und neue Hoffnung für Eltern, München 14 2008. MUNTAU, Ania (Hg.), Intensivkurs Pädiatrie, München 32004. NIJS, Michaela, Trauern hat seine Zeit. Abschiedsrituale beim frühen Tod eines Kindes, Göttingen 22003. o.A. http://de.wikipedia.org/wiki/Pfahlwurzel (2009-05-16). o.A. http://www.land-der-sternenkinder.de/informatives.html (2009-05-09). o.A. http://www.land-der-sternenkinder.de/informatives.html#Schleifen (2009-05-16). 32 o.A. http://www.land-der-sternenkinder.de/sternenkinder.html (2009-05-09). WOLTER, Heike / MASARACCHIA, Regina, Lilly ist ein Sternenkind, Salzburg 2008. ZEBOTHSEN, Birgit / RAGOSCH, Volker, Sternenkinder. Wenn eine Schwangerschaft zu früh endet, München 2007. 33 Abbildungsverzeichnis Deckblatt: Sternenkind Quelle: http://www.familie-tehler.de/images/anne_geddes/ag17.jpg Abb. 1: Totgeburt Quelle: Bstieler, Gudrun, Still geboren, 2003, Titelblatt Abb. 2: CTG-Aufzeichnung kurz vor der Uterusruptur Quelle: Lisa, o.N., Zum Sterben geboren, 2005, S. 280 Abb. 3: CTG-Aufzeichnung zum Zeitpunkt der Uterusruptur Quelle: Lisa, o.N., Zum Sterben geboren, 2005, S. 281 Abb. 4: Unendlich ist der Schmerz Quelle: Fritsch, Julie / Sherokee, Ilse, Unendlich ist der Schmerz, S. 23 Abb. 5: Moseskorb mit selbstgemalten Seidentuch Quelle: eigenes Foto Julia Zerbes (Klinikum Augsburg) Abb. 6: Kindergrab am Kommunalfriedhofes Quelle: http://www.stadt-salzburg.at/kindergrabmal Abb. 7: Sternenkind Quelle: Bstieler, Gudrun, Still geboren, 2003, S. 23 Abb. 8: Erinnerungskarte mit Fuß-, Handabdruck und Haarlocken Quelle: http://www.engelskinder.de/kinderhp/kevin.htm Abb. 9: Errinnerungskerzen Quelle: eigenes Foto Julia Zerbes (Klinikum Augsburg) Abb. 10: Erinnerungsschleife Quelle: http://www.land-der-sternenkinder.de/foto-erinnerungsschleifen-2.jpg 34 Abb. 11: Perlenerrinerungsschleife Quelle: http://img111.imageshack.us/img111/8312/p10904411.jpg Abb. 12: Moseskorb mit selbstbemalten Seidentuch Quelle: eigenes Foto Julia Zerbes (Klinikum Augsburg) Abb. 13: Geschwisterkreuz Quelle: eigenes Foto Julia Zerbes (Klinikum Augsburg) Abb. 14: Laacher Erinnerungskarte Quelle: eigenes Foto Julia Zerbes (Klinikum Augsburg) Abb. 15: Verabschiedungsraum Klinikum Augsburg Quelle: eigenes Foto Julia Zerbes (Klinikum Augsburg) Abb. 16: Worldwide Candle Lighting Quelle: http://elterntrauer.blogspot.com/2008/11/worldwide-candle-lightning.html 35 Anhang Selbsthilfeadressen für Sterneneltern Manchen Sterneneltern hilft es, sich mit anderen Sterneneltern auszutauschen und sie kennen zu lernen. Von Selbsthilfegruppen können auch weiter Hilfsangebote vermittelt werden. In jedem Bundesland gibt es verschiedene Selbsthilfegruppen, an die man sich wenden kann. Hier möchte ich kurz von allen Bundesländern einige Selbsthilfegruppen auflisten. In Salzburg: Gesprächsgruppe "Trauernde Eltern der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Salzburg" "Initiative zur Begleitung trauernder Eltern" der Krankenhaus-Seelsorge der Universitätsklinik (gestaltet dreimal jährlich eine Gedenkfeier für die verstorbenen Babys) In Oberösterreich: Selbsthilfegruppe "Trauernde Eltern und Geschwister" Selbsthilfegruppe "Gute Hoffnung - jähes Ende" Selbsthilfegruppe "Spuren im Leben" In Klagenfurt: SHG des Vereins "Fairybaby" SHG "Glücklose Schwangerschaft" In Eisenstadt: SHG "Schwangerschaft ohne glückliche Geburt - SCH.O.G.G." St. Pölten: SHG "Windrad NÖ - Betroffene helfen Betroffenen" SHG "Dach der Hoffnung" In Graz: SHG "Sternenkinder - Leben ohne dich" Verein "Verwaiste Eltern - Leben mit dem Tod eines Kindes" Trauergruppe der Katholischen Stadtkirche Graz 36 In Tirol: SHG "S.A.M.T." In Wien: SHG des Vereins "Regenbogen" Gruppe "Däumelinchen" Gesprächsgruppen "Verwaiste Eltern" In Südtirol: SHG "Sternenkinder" SHG "Sternenkinder/Sternchenkinder" 59 Internetseiten für Sterneneltern Neben Selbsthilfegruppen gibt es auch viele Internetseiten für Sternenkinder, wo auch eine Gedenkseite für das eigene Kind eingerichtet werden kann. Diese Seiten sind sehr gut gestaltet. Ebenfalls kann man sich auf diesen Seiten mit anderen Eltern austauschen. Während meiner Recherche für die vorliegende Arbeit habe ich einige Internetseiten über Sternenkinder gefunden und möchte hier die schönsten und informativsten Internetseiten auflisten: http://www.nureinhauchvonleben.at.tt http://www.glueckloseschwangerschaft.at http://www.engelimhimmel.de http://www.initiative-regenbogen.de/ http://www.land-der-sternenkinder.de/ http://www.engelskinder.de/ http://www.totgeburt.net/html/body_kleine_sternenkinder.html 59 Vgl. http://www.glueckloseschwangerschaft.at/ (2009-05-09). 37 Ehrenwörtliche Erklärung Hiermit erkläre ich, dass es sich bei der hier vorliegenden Fachbereichsarbeit um meine eigene Arbeit handelt, die ich selbst verfasst und in der ich sämtliche verwendete Unterlagen zitiert habe. Für die von mir verwendeten Fotos und persönlichen Daten von Patienten und Personal habe ich eine Einwilligung eingeholt. Ich bin damit einverstanden, dass meine Abschlussarbeit weiteren Personen zur Verfügung gestellt werden darf. _______________________________ Name _______________________________ Datum _______________________________ SAB 2008/2009 _______________________________ Unterschrift