25 Casio mischt mit
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25 Casio mischt mit
UN T E R NEH M EN & M Ä R K T E Aus dem Nichts Das Familienunternehmen Casio hat der Welt wiederholt gezeigt, dass es im schnelllebigen Elektronikmarkt vorne mitmischen kann. Der Zwerg unter den Elektronikgiganten hat sich seine Nische hart erarbeitet. Von Gerard Moinat I n den 67 Jahren seit der Gründung Casios haben Kazuo Kashio und seine Brüder Toshio, Tadao und Yukio schon viel durchgemacht. Eine Episode, die das beispielhaft beschreibt, ereignete sich im Jahr 1956. Kazuo und Toshio wollten in Sapporo ihren ersten elektronischen Rechner vorstellen. Am Flughafen Haneda allerdings erlebten sie eine böse Überraschung: Ihr ein Meter breiter und 70 Zentimeter großer Schrank eines Rechners passe nicht ins Flugzeug, so die Fluggesellschaft. Sie sollten das Ding doch bitte auseinanderbauen. Das taten sie zwar gewissenhaft und setzten den Rechner in Sapporo in einer nächtlichen Hau-Ruck-Übung wieder zusammen – allerdings teilte und multiplizierte der Kasten am Tag der Präsentation nicht. Die Vorstellung begann deshalb mit den Worten: „Um Ihnen die Wahrheit zu sagen…“, und endete mit dem Verlust ihres ersten Vertriebspartners. Vom Scheitern kam der Erfolg, wie 26 J A PA N M A R K T Februar 2013 Tadao Kashio in seinem Buch „kyodai ga ita“ (Wir waren Brüder) schreibt: Ein Firmenvertreter zeigte sich trotz des Flops beeindruckt, riet seinem Chef in Tokyo an, die Brüder zu treffen und wurde später erster Vertriebspartner der Kashios. 1957 lancierten sie schließlich erfolgreich ein überarbeitetes Serienmodell des Rechners – eine der ersten großen Erfindungen im Nachkriegsjapan, die ausschließlich auf einheimischer Technologie beruhte. Dieses bildete den Grundstein des Casio-Imperiums, das seither durch allerlei stürmische Zeiten manövrierte: Erdölkrise, Immobilienblase zu Beginn der neunziger Jahre und Finanzkrise – unzählige Krisen hat das Unternehmen seither überstanden. Insbesondere das neue Jahrtausend hatte mit Rekordverlusten im Jahr 2002 schlecht gestartet. Wohl angesichts all der Hochs und Tiefs glaubt Kazuo Kashio, dass das Management in schlechten Jahren besonders viel lernen könne. Wenn alles gut laufe, merke es nicht, wo der Schuh drückt. Heute beschäftigt Casio gut 11.500 Mitarbeiter. Zigarettenhalter zum Start Änderungen am Geschäftsmodell leiteten er und seine drei Brüder seit der Gründung Casios 1946 viele ein. Wichtigster Geldbringer in der Nachkriegszeit war nämlich ein Zigarettenhalter, mit dem mittellose Raucher selbst an ihren Zigarettenstummeln weiter paffen konnten. Nachdem die Brüder 1957 mit der Serienproduktion ihrer erwähnten Rechenmaschinen gestartet hatten, präsentierten sie 1965 den ersten elektronischen Tischrechner und stiegen aufs Elektronikgeschäft um. 1969 war Casio eine der ersten japanischen Firmen, die vollautomatische Produktionsstraßen einführten – diese Art der Innovation hielt den Zwerg unter den japanischen Elektronikfirmen seither fit. Der 1972 lancierte Casio Mini sollte der erste Taschenrechner für den Massenmarkt werden. Doch lediglich bei Rechnern sollte es nicht lange bleiben: Die Kashios streckten ihre Fühler schon früh in andere Bereiche aus: Armbanduhren, Digitalkameras, elektronische Wörterbücher, Fernsehgeräte, Handys, Videoprojektoren, elektronische Musikinstrumente, Datenbanken; all diese Dinge gehören heute zur Produktepallette. 71,4 Prozent des Umsatzes von 301 Milliarden Yen (2,5 Milliarden Euro) erwirtschaftete das Unternehmen im Fiskaljahr 2012 in der „Consumer“-Sparte mit Uhren und Digitalkameras; 14,3 Prozent im Bereich „System Equipment“ mit Projektoren oder Druckern und 14,3 Prozent in der Sparte „Diverse“. Casio spricht sich im Japanischen aus wie Kashio. Den Brüdern erschien das „C“ zur Zeit der Gründung jedoch internationaler und so tauften sie ihr Unternehmen entsprechend. Schaut man sich heute die geographische Ausdehnung des Unternehmens an, scheint das die richtige Entscheidung gewesen zu sein: 2012 stammten nur noch 47,2 Prozent des Umsatzes aus dem Inland, aber 10,2 Prozent aus Nordamerika, 15,2 Prozent aus Europa und 27,4 Prozent aus dem Rest der Welt; insbesondere Asien. Das Unternehmen gab für das erste Halbjahr 2012 (30. September 2012) zuletzt einen Reinertrag von 4,36 Milliarden Yen oder 36 Millionen Euro bekannt (Vorjahr: 907 Mio Yen) – bei einem Umsatz von 144,5 Milliarden Yen bzw. 1,21 Milliarden Euro, gegenüber 150,2 Milliarden Yen im Vorjahr. Für 2013 strebt Casio einen Reiner- trag von zehn Milliarden und einen Umsatz von 320 Milliarden Yen an. Gerade beim Umsatz hat der Elektronikkonzern seit Jahren mit einem Rückgang zu kämpfen. Und auch die Gewinnstruktur hat sich verändert: Da die Preise etwa bei Digitalkameras – wo Casio im letzten Jahrzehnt dank seiner ersten ultra-kompakten Modelle Trendsetter war – stark gefallen sind, kommen mittlerweile 90 Prozent des operativen Gewinns aus dem Uhrengeschäft. Umso stärker will sich Casio auf diesen Bereich konzentrieren. Allerdings wachsen in China unbarmherzige Konkurrenten heran: Sie drücken bei den günstigen Uhren, wo japanische Unternehmen Marktführer sind, die Preise. In Konkurrenz stehen die Japaner aber nicht nur mit Uhrenproduzenten. Das Smartphone ist ein umso härterer Rivale, auf den die Uhrenindustrie reagieren muss. Eine Antwort Casios auf die Herausforderung ist eine Digitaluhr, die mit dem Smartphone kommunizieren kann. Die Uhr tickt Casios Konkurrent Seiko war es, der zum Weihnachtsgeschäft 1969 die weltweit erste Quarzarmbanduhr auf den Markt brachte. Damit begann der steile Aufstieg der japanischen Uhrenindustrie. Bisher fast unbekannte Unternehmen wie Casio, Seiko oder Citizen eroberten die Welt. 1974 folgte Casio mit seiner ersten Uhr, der Casiotron – schon damals war multifunktionale Technik eines der Markenzeichen des japanischen Herstellers. Doch der Erfolg von damals ist längst verblichen und wird immer mehr zum Pro- blem. Mit den in großer Stückzahl hergestellten günstigen Uhren lässt sich nicht so viel verdienen wie mit den Uhren des Luxussegments mit ihren mechanischen Werken. 2010 hatten fünf Prozent der aus Japan exportierten Uhren ein mechanisches Werk – vom Wert her hatten sie einen Anteil von 12 Prozent. 2011 produzierten die japanischen Uhrmacher 59,2 Millionen Uhren mit einem Wert von 99,2 Milliarden Yen für den Export. Doch wer kauft sich schon eine teure Uhr von einem japanischen Hersteller, wenn der für Billigmarken bekannt ist. Das ist ein großes Hindernis auf dem Weg der japanischen Uhrenhersteller ins Luxussegment. Casio produziert in Japan sowieso nur noch die teuren Uhren fürs Luxussegment; Massenware wird in China oder anderen asiatischen Ländern zusammengebaut, wo Casio bereits fast 80 Prozent seiner Produktionskapazitäten hat. Allein die Bereiche Forschung und Entwicklung, in die Casio drei bis vier Prozent seines Umsatzes investiert, finden noch weitgehend in Japan statt. Innovation sei der Schlüssel zum Erfolg, sagt Kazuo Kashio. Gerade die Mitte der Neunziger lancierten G-ShockUhren trugen bisher maßgeblich dazu bei. Die G-Shock sowie auch die Baby-GDigitaluhren erreichten Kultstatus. Doch was bringt die Zukunft? Für Casio sind derzeit Investitionen in andere Geschäftsfelder als die Uhrenbranche riskant, da in der Elektronikindustrie ein noch schärferer Wind weht. Doch Kazuo Kashios Anweisung an die Ingenieure, um Krisen auszuweichen, ist unmissverständlich: Lanciert neue Produkte. n 5 Bei den elektronischen Wörterbüchern gehört Casio 5 Firmenerfolge: 1965 präsentiert Casio das Modell 001 5 Robust und langlebig: Die 1983 eingeführten Uhren – den ersten elektronischen Tischrechner mit Speicher. der G-Shock-Reihe haben bis heute Kultstatus. CASIO Europe GmbH seit den 1990er Jahren zu den Marktführern. Februar 2013 J A PA N M A R K T 27