Mehrwertsteuer

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Mehrwertsteuer
34 MANAGEMENT | Mehrwertsteuer
diegrüne | Nr. 25/2009
Wer muss ab Januar 2010
MWSt. abrechnen?
Mit dem auf den 1. Januar 2010 in Kraft tretenden Mehrwertsteuergesetz wollen die
Behörden den administrativen Aufwand für die Unternehmen verkleinern. Für die
Landwirtschaft haben die Änderungen vor allem dann Konsequenzen, wenn neben
der Urproduktion Handel oder landwirtschaftsnahe Tätigkeiten ausgeübt werden.
I
■ Die Verjährungsunterbrechung wurde auf zwei Jahre
gekürzt.
■ Ein Anspruch auf Auskunft und Kontrolle wurde
eingeführt.
Fassbarer ist die Tatsache,
dass gemäss neuem Mehrwertsteuergesetz, unabhängig
der Rechtsform, Zweck und
Gewinnabsicht steuerpflichtig ist, wer ein Unternehmen
betreibt und nicht befreit ist
(siehe Grafik). Der Gesetzgeber unterstellt somit in Abweichung zum aktuellen
Mehrwertsteuergesetz sämtliche Unternehmungen der
Mehrwertsteuer. Nur ein
Nichterreichen der Limite
m Januar 2008 hat der
Bundesrat
in
einem
Grundsatzentscheid beschlossen, dem Parlament
eine Botschaft zur Reform
der Mehrwertsteuer mit zwei
voneinander unabhängigen
Teilen zu unterbreiten. Ein
Jahr nach dieser Botschaft,
im Juni dieses Jahres, hat
die Mehrheit des Parlaments
ein neues Mehrwertsteuergesetz verabschiedet, das bereits am 1. Januar 2010 in
Kraft tritt.
Beispiel Pferdepension
Dazu das folgende Beispiel:
Ein Pferdestall erwirtschaftet
einen Umsatz aus der Pensionshaltung von Fr. 100 800.–
pro Jahr (12 Pferde à monatlich Fr. 700.–). Stroh zu 6600.–
und Heu zu 10 800.– müssen
zugekauft werden. Da die
Pferdeboxen veraltet sind und
zukünftig die Pensionshaltung erweitert werden soll,
werden Fr. 47 000.– in Unterhalt und/oder Erweiterungsinvestitionen der Boxen be-
Mehrwertsteuerpflicht ab 1. Januar 2010:
Steuersubjekt
Nicht gewinnstrebige, ehrenamtlich geführte Sport- und Kulturvereine
oder gemeinnützliche Institutionen
> CHF 150'000 / Jahr
nein
Umsatz aus steuerbaren Leistungen
> CHF 100'000 / Jahr
ja
nein
Grafik: Christoph Brönnimann
100 000 Franken als Limite
Auf den ersten Blick ändert
sich für den Steuerpflichtigen
trotz den über 50 Massnahmen, welche die administrative Entlastung der Unternehmungen herbeiführen sollen,
wenig. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch erkenntlich,
dass die Steuer neu konzipiert, die verfahrensrechtliche Stellung der Steuerpflichtigen verbessert und die
Mehrwertsteuer liberaler ausgestaltet wurde. Dies äussert
sich in verschiedenen Punkten wie zum Beispiel:
■ Abrechnungen nach der
Saldosteuersatzmethode wurden erweitert.
■ Eine Option bedarf keiner
vorgängigen Bewilligung.
■ Die formellen Vorschriften der MWSt.-Belege wurden
gelockert.
■ Die einjährige Steuerperiode wurde eingeführt.
von 100 000 Franken pro Jahr
steuerbaren Leistungen führt
zu einer Befreiung. Auf diese
Befreiung kann jedoch auch
verzichtet werden, was bei
Neugründungen oder stark
wachsenden Betrieben infolge des Vorsteuerüberhangs
von grossem Vorteil ist.
Gemäss neuem MWStG, Art.
19, Abs. 26 handelt es sich
bei der Veräusserung von im
eigenen Betrieb gewonnenen
Erzeugnissen der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft sowie der Gärtnerei und dem
Verkauf von Vieh durch Viehhändler oder den Verkauf von
Milch durch Milchsammelstellen an milchverarbeitende
Betriebe um einen ausgenommenen Umsatz. Das heisst,
dass dieser Umsatz nicht in
die Umsatzgrenze von 100 000
Franken einbezogen wird.
Der Handel mit zugekauften
Erzeugnissen, Lohnarbeiten,
oder die Pferdepension stellt
jedoch eine steuerbare Leistung dar.
Verzicht auf Befreiung der Steuerpflicht
ja
nein
steuerpflichtig
von der Steuerpflicht befreit
Mehrwertsteuerpflicht ab 1. Januar 2010: Die Grafik zeigt, unter welchen Umständen ein Unternehmen
oder eine Organisation in Zukunft von der Mehrwertsteuerpflicht befreit ist.
Mehrwertsteuer | MANAGEMENT 35
Nr. 25/2009 | diegrüne
zahlt. Die Rechnung sieht wie
folgt aus:
Pensionshaltung Fr. 100 800.–
davon Umsatzsteuer
7,6%
+ Fr. 7660.–
Stroh:
Fr. 6600.–
Vorsteuer
102,4% x 2,4%
– Fr. 154.70
Dürrfutter:
Fr. 10 800.–
Vorsteuer
102,4% x 2,4%
– Fr. 253.15
Pferdeboxen:
47 000.–
Vorsteuer
107,6% x 7,6%
– Fr. 3319.70
Steuerlast
Fr. 3932.45
Gemäss dem alten Mehrwertsteuergesetz untersteht
die Pferdepension nicht der
MWSt., da zwar der Umsatz
von Fr. 75 000.– erreicht wurde, die kumulativ zu erfüllende Steuerzahllast von
Fr. 4000.– jedoch nicht. Nach
dem neuen Mehrwertsteuergesetz untersteht der Betrieb
unverzichtbar der Mehrwertsteuerpflicht, da die Umsatzgrenze von Fr. 100 000.– überschritten wurde.
Zweites Beispiel
Lohnarbeiten
Eine Unternehmung bietet
unmittelbar mit der Urproduktion im Zusammenhang
stehende Bearbeitung des Bodens als Lohnarbeiten an.
Der jährliche Umsatz beträgt
dabei Fr. 185 000.–. Da die Maschinen allesamt in sehr gutem Zustand sind, fallen im
Beispielsjahr keine Maschinenunterhaltskosten an. Als
einzige Auslage kauft der Unternehmer für Fr. 10 760.–
Diesel ein.
Lohnarbeiten
Fr. 185 000.–
davon Umsatzsteuer
2,4%
+ Fr. 4440.–
Dieseleinkauf:
Fr. 10 760.–
Vorsteuer
107,6% x 7,6%
– Fr. 760.–
Steuerlast
Fr. 3680.–
Gemäss aktuellem Mehrwertsteuergesetz untersteht
die Lohnarbeit nicht der
Mehrwertsteuer, da zwar der
Umsatz von Fr. 75 000.– erreicht wurde, die kumulativ
Kommt der Einheitssatz?
Mit dem Ziel, die Mehrwertsteuer
weiter zu vereinfachen, schlägt
der Bundesrat im zweiten Teil der
Botschaft vor, einen Einheitssatz
von 6,1% einzuführen. Jedoch
auch hier wird es Ausnahmen geben. Eine dieser wenigen Ausnahmen stellt die Urproduktion
dar.
Trotz einer solchen Ausnahme
der Urproduktion würde ein Einheitssatz jedoch auch für Landwirte Bedeutung erlangen. Dies
einerseits als private Konsumenten und anderseits als Unternehmer. Mit dem geplanten Einheitssteuersatz sollen beispielsweise
Nahrungsmittel neu an Stelle von
2,4% mit 6,1% belastet werden,
während der Bezug von Dienstleistungen von 7,6% auf 6,1%
sinken würde. Abhängig vom Waren-/Dienstleistungskorb, der gekauft wird, gibt es für die einen
eine Mehrbelastung, während
diese für die anderen sinkt. Das
gleiche Schema gilt bei den Bezügen für die landwirtschaftliche
Unternehmung. Die Mehrwertsteuer auf den heute zum reduzierten Tarif besteuerten Gütern
würde steigen, während die zum
Normaltarif besteuerten Produkte und Dienstleistungen, wie zum
Beispiel die Baukosten, sinken
würden.
Per Dezember 2009 befindet sich
die Revision auf folgendem
Stand: Der Bundesrat hat sich in
einer Sitzung vom 14. Oktober
2009 für die Umsetzung des Teils
B der Mehrwertsteuerreform ausgesprochen. Er unterstützt weiterhin die Einführung eines Einheitssatzes. Aufgrund der
veränderten Ausgangslage infolge der Mehrwertsteuererhöhung
infolge Zusatzfinanzierung der
Invalidenversicherung (siehe
Kasten nebenan), ersucht der
Bundesrat den Nationalrat eine
Zusatzbotschaft zu erarbeiten.
zu erfüllende Steuerzahllast
von Fr. 4000.– jedoch nicht.
Nach dem neuen Mehrwertsteuergesetz, gültig ab 1. Januar 2010, untersteht der Betrieb unverzichtbar der Mehrwertsteuerpflicht, da die Umsatzgrenze von Fr. 100 000.–
überschritten wurde.
Zweiter Teil wird wirkliche
Vereinfachung bringen
Anhand oben stehender Beispiele wird ersichtlich, dass
die so genannte Erhöhung der
für die Mehrwertsteuer relevanten Grenze von aktuell
Fr. 75 000.– (inkl. Steuerzahllast von Fr. 4000.–) auf Fr.
100 000.– tatsächlich dazu
führt, dass Betriebe, die sich
im Wachstum befinden oder
Leistungen zum reduzierten
Steuertarif von 2,4% anbieten,
nach neuem Mehrwertsteuergesetz eher unverzichtbar der
Mehrwertsteuer
unterstellt
werden. Um bei der Mehrwertsteuer Nachzahlungen zu
vermeiden, empfiehlt es sich,
diese Angelegenheit zu kontrollieren und gegebenenfalls
Schritte in den Weg zu leiten.
Obschon die Reform der
Mehrwertsteuer zu einer
erheblichen Vereinfachung
führt, wird die Mehrwertsteuer nicht zur einfachen Steuer. Einen grossen Beitrag zur
Vereinfachung würde vor allem der zweite Teil der Botschaft (Teil B) bringen (siehe
Kasten).
| Christoph Brönnimann
Der Autor arbeitet bei
Kindlimann & Partner AG
Was es zu beachten gilt
■ Kontrollieren Sie den steuerpflichtigen Umsatz aus dem Jahr
2009, um eine allfällige Steuerpflicht abzuklären. An- und Abmeldungen können bis am 31.
Januar 2010 erfolgen.
■ Beachten Sie, dass sich ab
nächstem Jahr auch Unternehmungen ohne Umsatz bei der
Mehrwertsteuer anmelden können.
■ Nutzen Sie die Gelegenheit,
dass bis 31. März 2010 sämtliche steuerpflichtige Unternehmungen von der effektiven Abrechnungsmethode zum
Saldosteuersatz oder umgekehrt
wechseln können.
■ Beachten Sie die Anpassungen
der Saldosteuersätze, neu: Forstunternehmungen: 4,2%, Pferdepension: 4,2%; Vermietung von
Maschinen durch Maschinengenossenschaften: 2,8%; Pferdehandel: 0,6%; zum reduzierten
Satz steuerbare landwirtschaftliche Lohnarbeiten: 0,1%.
■ Beachten Sie, dass auf Januar
2010 ein neues Abrechnungsformular gilt. Bei der Buchhaltungssoftware ist ein Update auszuführen.
■ Ändern Sie den Vorsteuerabzugsschlüssel bei Verpflegung
und Getränken von der 50%-Einschränkung auf den vollen,
100%-Vorsteuerabzug.
■ Beachten Sie, dass die Margenbesteuerung im neuen Mehrwertsteuerformular nicht mehr
existiert. Wechseln Sie den Steuerschlüssel auf (fiktiven) Vorsteuerabzug.
■ Beachten Sie, dass auf dem
neuen Mehrwertsteuerformular
der Eigenverbrauch nicht mehr
als Umsatz, sondern als Vorsteuerkorrektur deklariert wird.
■ Beachten Sie, dass Sie ab dem
1. Januar 2010 aufgrund des
baugewerblichem Eigenverbrauchs nicht mehr mehrwertsteuerpflichtig werden können.
■ Beachten Sie, dass neu ab
dem 1. Januar 2010 auch auf
dem Verkauf und der Vermietung
von Immobilien an nicht steuerpflichtige Personen optiert werden kann, sofern es sich dabei
um Unternehmungen handelt.
Beachten Sie, dass der Eigenverbrauch abgerechnet wird und
passen Sie in diesem Fall die
Mietverträge an.
■ Ist der Kontenplan so ausgestaltet, dass zukünftig die Vorsteuer plausibilisiert werden
kann?