Internetsucht – Informationsbroschüre für Erwachsene
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Internetsucht – Informationsbroschüre für Erwachsene
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1.1 1.2 1.3 1.4 Für Wer Was Was 2. Faszination: virtuelle Welt 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Der rein funktionale Nutzen Der emotionale Nutzen Das Resultat Smartphone – nie mehr offline? Immer das Smartphone im Blick – wie soll das in allen Lebenssituationen funktionieren? wen wir wir wir wir sind sind wollen bieten 3. Übermäßiger Konsum 3.1 3.2 3.3 3.4 Erste Signale Wichtige Fragen Wichtige Antworten Die grundlegende Entscheidung 4. Mit Methode zu einem verantwortungsvollen Umgang 4.1 Der erste Schritt: Soziale Unterstützung hilft bei der Selbstkontrolle 4.2 Der zweite Schritt: Zuverlässige Selbstkontrolle braucht zuverlässige Selbstbeobachtung 4.3 Der dritte Schritt: Weisen Sie Ihrem Computer einen neuen Platz zu! 4.4 Der vierte Schritt: Aktivieren Sie sich selbst! Einleitung 5. Das passiert, wenn man die Kontrolle über die eigene Computernutzung verliert 5.1 Ein Betroffener erzählt 5.2 Aus Internetnutzung wird Internetsucht 6. Wann ist es Sucht? 6.1 6.2 6.3 6.4 Suchtkriterien Der Test Die Auswertung Ein Fallbeispiel 7. Unterstützung 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 Gängige Vorbehalte Die Vorteile Eine Motivationshilfe Ein Fallbeispiel Wo man Unterstützung findet 8. Die Therapie 8.1 Das Ziel 8.2 Die ambulante Therapie 8.3 Die stationäre Therapie Diese Broschüre wendet sich an Menschen, die viel Zeit im Internet verbringen oder am Smartphone sind. Sie betrifft aber auch Menschen, die viel am Computer oder an Spielkonsolen spielen. Wir haben diese Broschüre erstellt, damit diese Personen ihr Verhalten auf der Basis seriöser Information für sich prüfen können. Viele Menschen sind in Sorge, dass sich durch übermäßigen Internetgebrauch ein Suchtverhalten entwickeln kann. Dieses Suchtverhalten kann Betroffene dazu bringen, sich vor lauter ernsthaften Folgeproblemen nicht mehr selbst helfen zu können. Die Sorge ist berechtigt, denn wir kennen und behandeln solche Menschen. Fazit & Impressum Notizen Kontakt Zwei Einleitung 1.2 Wer wir sind Wir sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Forschungsprojektes im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Unsere Aufgabe war es, Informationen über suchtartigen Internet- und Computergebrauch zu sammeln, sogenannten „pathologischen Internetgebrauch“ (auch als „Computersucht“ oder „Internetsucht“ bezeichnet). Wir haben im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) diese Broschüre erstellt und sie vor kurzem mit Unterstützung der Krankenkasse DAKGesundheit aktualisiert. Der größte Anteil des Inhalts dieser Broschüre wurde von erfahrenen Therapeutinnen und Therapeuten beigetragen, die wir als Experten hinzugezogen und befragt haben. 1.3 Was wir wollen Wir wollen, dass Menschen sorgenfrei Spaß im Internet oder an Computerund Konsolenspielen haben können. Wir wollen, dass ihnen nicht der Spaß dabei verloren geht, weil sie die Kontrolle verlieren. Die Kontrolle verlieren kann Probleme oder sogar Verluste bedeuten: Verlust des Arbeitsplatzes oder von Karrierechancen wegen übermäßiger Internetnutzung, Verlust von Freunden/Freundinnen und Lebenspartnern/-partnerinnen oder an- Drei Faszination virtuelle Welt deren Freizeitaktivitäten (die Ihnen früher wichtig waren), Probleme in der Familie wie Streit mit Angehörigen, Verlust von Lebenszufriedenheit und Selbstachtung. Das können wir gemeinsam vermeiden. Die Faszination des Internets ist ungebremst und die Möglichkeiten des Internets erscheinen nahezu grenzenlos. Es gibt zwei Seiten des Internetund Computergebrauchs: (1) den funktionalen Nutzen und (2) den Nutzen zum eigenen Vergnügen. 1.4 Was wir bieten Wer aktuell einen sehr großen Teil seiner Zeit im Internet, am Smartphone oder am Computer verbringt, kann das ändern. Wenn sich aus einer sehr intensiven Internet- oder Computernutzung bereits Probleme ergeben haben, lassen sich diese Entwicklungen mit einer Veränderung des Verhaltens positiv beeinflussen. Mit den Informationen aus dieser Broschüre können Sie Ihre persönliche Situation auf mögliche Risiken und Gefahren prüfen. Falls Sie für sich Handlungsbedarf feststellen, finden Sie konkrete Ratschläge zur Selbsthilfe. Falls Sie Unterstützung brauchen, zeigen wir Ihnen, wie Sie kompetente Beratung oder Behandlung finden. 2.1 Der rein funktionale Nutzen 2.2 Der emotionale Nutzen Es ist heutzutage unbestreitbar, dass die Nutzung von Internet, Smartphone und Computer zum Alltag dazugehören. Wir benötigen das Internet und den Computer Über den funktionalen Nutzen des Internets und Computers hinaus können wir…: • im Beruf, in der Ausbildung oder im Studium und privat • zum Recherchieren (z.B. Informationen zu einem bestimmten Thema, Bahn- und Flugreisen, Nachrichten), • zur Vorbereitung von Prüfungen, • zum Online-Banking oder • zur elektronischen Verwaltung und Sicherung der eigenen Dokumente, Fotos und Studiendaten. Ein gezielter und kontrollierter Einsatz des Internets ist wichtig, um den Anschluss zu behalten und Fähigkeiten zu erweitern, die in unserer Gesellschaft und im Berufsleben inzwischen als selbstverständlich und notwendig erachtet werden. • … uns zu jeder beliebigen Tageszeit alle nur denkbaren Informationen „ergoogeln“, • … online kaufen, was das Herz begehrt, • … jederzeit mit jedermann über Messenger, Chat oder E-Mails in Kontakt treten, • … uns Filme und Musik herunterladen oder ansehen/anhören (Streaming), • … unbegrenzt in virtuellen Welten gegen virtuelle Kreaturen kämpfen, • … in Rollenspiele eintauchen und fremde Identitäten annehmen. Vier Faszination virtuelle Welt Hinzu kommen eine Reihe anderer positiver „Nebenwirkungen“: • Wir können vom Alltag abschalten und in eine andere Welt entschwinden. • Der Streit in der Familie oder mit dem Partner/der Partnerin über das Fernsehprogramm oder andere Themen muss gar nicht erst ausbrechen, wenn wir uns an den Computer zurückziehen. • Langeweile kommt aufgrund des vielfältigen Angebots des Internets nicht auf. • Beim Chatten, über TeamSpeak oder Skype, in Foren oder in Online-Spielen können wir mit anderen Menschen in Kontakt treten, obwohl wir ja eigentlich allein vor dem Computer sitzen. • Außerdem können wir durch Erfolge im Internet (z.B. Fortschritte in Online-Spielen oder erfolgsversprechende Kontakte in Single-Börsen) die Anerkennung finden, die einem im Alltag (im Beruf oder in der Partnerschaft) möglicherweise verwehrt bleibt. 2.3 Das Resultat Da das so gut und beinahe mühelos funktioniert, wird der Besuch im Internet… • …immer häufiger und zur Gewohnheit • es braucht keinen Gang ins Kino • kein Aufrappeln fürs Fitnessstudio • keine Treffen mehr mit Familie und Freunden • keine gemeinsamen Mahlzeiten • kein Gespräch mit der Partnerin oder dem Partner mehr. Und weil der Bildschirm so gut ablenkt, Faszination virtuelle Welt merken wir gar nicht, dass wir seit Wochen abends nicht mehr außer Haus gegangen sind. Wir übersehen, dass uns die Arbeit schwerer von der Hand geht, weil wir übermüdet vom nächtlichen Internetbesuch sind. Beschäftigen sich vielleicht schon die eigenen Gedanken fast ausschließlich mit den Inhalten des Internets? 2.4 Smartphone – nie mehr offline? In den letzten Jahren hat sich durch die Einführung von sogenannten mobilen Endgeräten (Smartphones, Tablets, etc.) die Internet- und Computernutzung stark verändert. Wahrscheinlich besitzen Sie selber ein Smartphone ebenso wie die meisten Ihrer Bekannten oder Kollegen. Sie erinnern sich sicher noch: Vor wenigen Jahren erfolgte der Zugang zum Internet noch ausschließlich über einen Anschluss an einem festen Ort in der Wohnung. Später benötigten Sie an verschiedenen Orten noch jeweils den Zugang zu einem WLAN-Netz um ins Internet zu gelangen. Heute ist das alles komplett überflüssig geworden, mit Ihrem Smartphone können Sie im Prinzip an jedem Ort und zu jeder Zeit das Internet nutzen. Aktuelle Umfragen zeigen, dass das bei den meisten Menschen dazu geführt hat, das sie noch mehr Zeit als vorher im Netz verbringen. Sich auszutauschen oder sich zu verabreden ohne einen Messenger wie WhatsApp zu nutzen, scheint für viele Menschen inzwischen kaum mehr vorstellbar. Wenn Sie im Bus oder in der Bahn sitzen, sehen Sie sich um und achten Sie einmal ein paar Minuten darauf, wie viele Menschen nur noch mit gesenktem Kopf dasitzen, um ja nichts auf Ihrem Smartphone zu verpassen. 2.5 Immer das Smartphone im Blick – wie soll das in allen Lebenssituationen funktionieren? Viele Menschen verbringen inzwischen sehr viel Zeit mit ihrem Smartphone. Durch die Nutzung sind sie permanent in Internetaktivitäten oder -inhalte eingebunden oder werden dadurch von anderen Tätigkeiten abgelenkt. Um dieser Ablenkung vorzubeugen werden beispielsweise in vielen Schulen deshalb Smartphones inzwischen vor Beginn des Unterrichts eingesammelt und sind erst danach wieder für die Schüler frei zugänglich oder sind sogar ganz auf dem Schulgelände verboten. Dahinter steht der Gedanke, dass es sonst den Schülern sehr schwer fällt, sich noch ausreichend auf den Unterricht und den Lehrstoff zu konzentrieren. Im Beruf, der Ausbildung oder dem Studium ist es ähnlich: Auch hier ist es wichtig sich auf die Inhalte, die aktuell bearbeitet werden sollen, zu konzentrieren. Da es aktuell in Deutschland keine einheitlichen (gesetzlichen) Richtlinien für Unternehmen gibt, entscheidet jede Firma bzw. jeder Arbeitgeber selbst, wie mit einer privaten Nutzung des Internets umgegangen wird. Viele Arbeitgeber sehen eine private Internetnutzung während der Arbeitszeit kritisch, auf der anderen Seite ist es für die Unternehmen schwierig beispielsweise durchgängig ein Abschalten von Smartphones zu verlangen. Die Gefahr sich großem Unmut bei den Angestellten einzuhandeln wird gefürchtet und wenn beispielsweise ein Familienmitglied einen (Verkehrs-) Unfall hatte, kann eine vollständige Nicht-Erreichbarkeit über einen kompletten Arbeitstag auch ausgesprochen problematisch sein. Am erfolgversprechendsten erscheint deshalb ein Kombinations-Modell: Die Nutzung des Smartphones ist während bestimmter Arbeitsvorgänge, bei denen hohe Konzentration gefordert ist oder auch während Besprechungen untersagt. Andererseits darf in längeren Pausen (wie in der Mittagszeit) das Telefon auch privat genutzt werden. Dieses Modell geht allerdings davon aus, dass die Angestellten ihre Internetnutzung gut unter Kontrolle haben. Haben Sie Ihre Internetnutzung immer unter Kontrolle? ... Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. (Es sei denn Sie sagen ohnehin: „Nein, ich glaube ich bin da richtig süchtig und verliere oft die Kontrolle.“) Sechs Übermäßiger Konsum Übermäßiger Konsum 3.2 Wichtige Fragen Nehmen Sie sich doch einmal 10 Minuten Zeit, um sich folgende Fragen ehrlich zu beantworten: • Wie viel Zeit verbringe ich täglich im Internet? Erste Signale für einen übermäßigen Internet-/Smartphone-/Computergebrauch sind häufig Fragen oder Kommentare aus dem eigenen sozialen Umfeld, wie z.B.: „Verschwindest Du schon wieder hinter den Computer?“ „Nie machst Du was mit uns, immer bist Du im Internet/hockst Du vor dem Computer.“ „Interessierst Du Dich gar nicht mehr für uns? Ständig guckst Du auf Dein Smartphone.“ „Isst Du schon wieder nicht mit uns gemeinsam, weil Du lieber am PC spielen willst?“ „Du scheinst Dich mehr für Dein Smartphone zu interessieren, als für alles andere.“ Aber vielleicht haben Sie sich auch selbst schon unwohl gefühlt wegen ihrer vielen Zeit im Internet und sich vielleicht sogar vorgenommen, weniger Zeit am Computer zu verbringen? • Gibt es Dinge, die ich früher gern gemacht habe und die ich seit einiger Zeit wegen der Internetnutzung vollkommen vernachlässige? • Empfinde ich überhaupt noch Interesse für etwas anderes als meine Internetaktivitäten? • Sitze ich oft viel länger am PC oder nutze mein Smartphone, als ich mir ursprünglich vorgenommen hatte? • Wie häufig gibt es Streit mit meinen Angehörigen wegen meiner Internetnutzung? • Habe ich noch Sozialkontakte in der realen oder nur noch in der virtuellen Welt? • Wie würde es mir gehen, wenn ich plötzlich keinen Zugang zum Internet mehr hätte? 3.3 Wichtige Antworten. denken, den das Internet in Ihrem Leben einnimmt. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass andere - vielleicht auch wichtige – Dinge deswegen zu kurz kommen? Oder möchten Sie am liebsten diesen Fragen ausweichen, so z.B. darauf hinweisen, dass es anderen ebenso geht wie Ihnen und dass das einfach ein Hobby von Ihnen sei, das Ihnen wichtig ist? Selbstverständlich entscheiden Sie, was Sie mit Ihrer Zeit anfangen wollen, was Ihnen Spaß macht und was Ihnen wichtig ist. Aber die Frage ist doch: Sind Sie noch wirklich frei darin, zu tun, was Sie wollen und wann Sie es wollen? 3.4 Die grundlegende Entscheidung Wenn Sie einmal ganz ehrlich Bilanz ziehen, könnte es sein, dass Sie zu folgenden Schluss kommen: Irgendwie ist die ständige Internetnutzung übertrieben, ist mehr, als eigentlich gut für Sie ist. Aber es fällt Ihnen schwer, sich zu begrenzen. Die Zeit vor dem Computer vergeht wie im Fluge und wenn Sie online sind können Sie sie schlecht kontrollieren. Wie geht es Ihnen bei diesen Fragen? Möglicherweise sind Sie beunruhigt, wenn Sie über den Zeitumfang nach- Sieben Acht Mit Methode zu einem verantwortungsvollen Umgang Mit Methode zu einem verantwortungsvollen Umgang 4.1 Der 1. Schritt: Soziale Unterstützung hilft bei der Selbstkontrolle Wenn Sie das Gefühl haben, den Internet-/Smartphone-/Computergebrauch schlecht kontrollieren zu können, möchten Sie vielleicht daran etwas ändern. Wir schlagen Ihnen vier einfache Schritte vor, um wieder mehr Kontrolle über Ihren Internet-/Smartphone-/Computergebrauch zu bekommen. Neun Teilen Sie Ihre Bedenken bezüglich Ihres Computergebrauchs und die Veränderungsvorhaben einer Vertrauensperson mit. Dies können Familienangehörige sein, aber auch der Lebenspartner, die Arbeitskollegen oder Ausbildungsleiter, Freunde etc. Es sollte aber auf jeden Fall jemand sein, der oder die bereit ist, sich ihr Vorhaben anzuhören und es zu unterstützen. Sie sollten vereinbaren, dass diese Person Sie regelmäßig darauf anspricht, ob Sie Fortschritte darin gemacht haben, die Dauer Ihrer Internetnutzung oder Ihres Computerspielens zu verringern. Sie können sich Ziele setzen und die Erreichung dieser Ziele gemeinsam prüfen. Schreiben sie die vereinbarten Ziele auf einen Zettel. Dadurch haben sie beide jederzeit die Möglichkeit einzuschätzen, inwieweit sie ihre Ziele schon erreicht haben und welche nächsten Schritte anstehen. Das schriftliche Festhalten der Vereinbarung schafft außerdem eine höhere Verbindlichkeit. Ihre Vertrauensperson motiviert sie zusätzlich bei Ihrem Vorhaben. Setzen Sie sich gemeinsame Ziele! Sich Ziele zu setzen und diese Ziele auch gemeinsam zu vereinbaren, ist eine hilfreiche Motivation, um diese Ziele auch zu erreichen. Hierfür können Sie auch technische Hilfsmittel einsetzen, die dies zusätzlich erleichtern: Wenn Sie Ihre Administratorenrechte an Ihrem Computer zeitweilig an Ihre Vertrauensperson übertragen, können Sie durch das Einrichten einer „Kindersicherung“ Ihr Internetverhalten nachhaltig beeinflussen. Das benötigt nicht einmal Zusatzprogramme, sondern das funktioniert auch über Windows. Sie können Nutzungszeiten festlegen oder auch bestimmte Programme und Anwendungen ganz sperren. Wie Sie sicher selbst wissen, lassen sich solche technischen Begrenzungen auch immer umgehen oder rückgängig machen, aber unter Umständen kann so eine technische Beschränkung Ihrer Internetnutzung am Anfang hilfreich sein um eingefahrene Verhaltensmuster zu durchbrechen. Für Ihr Telefon würde sich die Festlegung von bestimmten „smartphone-freien“ Zeiten anbieten. Beispielsweise ist die Einnahme gemeinsamer Mahlzeiten mit der Familie für alle Beteiligten wesentlich entspannter, wenn keine Smartphones verfügbar sind (das gilt natürlich auch für Ihre Angehörigen und deren Telefone). Vereinbaren Sie mit ihrer Vertrauensperson bestimmte Zeitabschnitte am Tag, in denen Sie auf Ihr Zehn Mit Methode zu einem verantwortungsvollen Umgang Mit Methode zu einem verantwortungsvollen Umgang Smartphone bewusst verzichten. Sie könnten Ihr Telefon zu diesen festgelegten Zeiten, dann einfach ausschalten, dadurch wäre sichergestellt, dass Sie es in dieser Zeit wirklich nicht nutzen können. Klingt nach mehr Langeweile? Am Anfang mag Ihnen das so vorkommen, aber Sie werden merken, dass Sie dadurch wieder Zeit und Kontrolle (zurück) gewinnen. Die eigene Internetnutzung (besser) kontrollieren zu können, ist definitiv ein Zeichen von (Willens-)Stärke und kann Ihnen in verschiedenen Lebenssituationen hilfreich sein. Voraussetzung dafür, dass diese Maßnahmen erfolgreich sein können, ist, dass Sie das auch wirklich möchten und sich an die Vorgaben halten. Letztlich entscheiden Sie, wie viel Unterstützung Sie möchten und brauchen. Aber vielleicht ist gerade zu Beginn etwas mehr Kontrolle hilfreich. 4.2 Der 2. Schritt: Zuverlässige Selbstkontrolle braucht zuverlässige Selbstbeobachtung Sie sollten sich die Frage stellen, wofür und für wie lange Sie das Internet, das Smartphone und den Computer wirklich dringend benötigen (z.B. für Bankgeschäfte, Mailverkehr, Reiseplanungen, usw.). Elf Das Internet-Tagebuch Mit Hilfe eines von Ihnen geführten Internet-Tagebuchs bekommen Sie einen guten Überblick über die täglich privat im Internet verbrachte Zeit, indem Sie Angaben festhalten über: • die inhaltliche Gestaltung (z.B. spielen, surfen, Nachrichten schreiben, Videos ansehen, mailen, telefonieren, archivieren, ordnen, etwas downloaden oder Filme ansehen) und • die Nutzungszeit (wann und wie lange Sie an jedem Tag online sind). Vielleicht kommt Ihnen das Führen eines solchen Internet-Tagebuchs erst einmal umständlich und zeitaufwendig vor. Buchführung ist allerdings ein effektives Mittel zur Erlangung von Kontrolle – jeder Kaufmann weiß das. Wenn Sie Ihr Internet-Tagebuch eine gewisse Zeit geführt haben, werden Sie besser über Ihr Internetverhalten Bescheid wissen als jemals zuvor. Das Ampelmodell Wenn Sie sich anschauen, was Sie über ein bis zwei Wochen im Internet/am Smartphone/am Computer gemacht haben, können Sie beginnen jede einzelne Ihrer Internetaktivitäten nach ihrem persönlichen Risiko einzuschätzen. Sie können diese nach dem „Ampelmodell“, das aus der Verhaltenstherapie kommt, einteilen. Der grüne Bereich Dieser bezieht sich auf den unbedenklichen und funktionalen Gebrauch des Computers (z.B. berufsbezogene Nutzung, Email-Korrespondenz oder Informationssuche mit klar definiertem Zweck, Online-Banking). Der gelbe Bereich Dieser Bereich definiert Aktivitäten am Computer, bei denen Vorsicht geboten ist, da sie in der Vergangenheit Probleme mit sich gebracht haben (z.B. Online-Aktivitäten alleine zuhause, länger als eine Stunde, die Sie jederzeit selbst beenden können). Der rote Bereich Dieser bezeichnet Aktivitäten, die so gefährlich für Sie sind, dass Sie besser völlig auf sie verzichten sollten, da sie zeitlich kaum für Sie kontrollierbar waren (z.B. OnlineRollenspiele oder bestimmte andere Computerspiele, spezielle Chat-Aktivitäten, sinnloses Surfen, exzessive Informationssuche etc.). Aktive Kontrolle Jetzt können Sie beginnen, Ihr Verhalten mit einem Stundenplan aktiv zu kontrollieren. Erlauben Sie sich pro Tag ein genau festgelegtes Zeitkontingent (z.B. maximal 1-2 Stunden nach der Arbeit) mit genau definierten Aufgaben. Bringen Sie darin das Notwendige unter (den grünen Bereich) und erlauben Sie sich ruhig auch etwas Zeit, um Spaß zu haben (gelber Bereich). Sie sollten aber darauf achten, dass sich die Tätigkeiten aus diesem Bereich in klar festgelegten Grenzen halten (und Sie das feste, tägliche Zeitbudget nicht überschreiten). Aber Aktivitäten, von denen Sie wissen, dass Sie sie nicht kontrollieren können (roter Bereich), geben Sie in Ihrem Plan keinen Raum mehr. Zusätzlich hilft es, wenn Sie sich auf einem weiteren Zettel einmal notieren, was für negative Konsequenzen aus den Internet-Aktivitäten im roten Bereich entstanden sind (z.B. „war morgens immer total übermüdet, weil ich jeden Abend so lange gespielt habe“ oder „gab ständig Streit mit meinen Angehörigen, weil ich nie mit ihnen zusammen essen wollte und mein Smartphone nie aus der Hand gelegt habe“). Hängen Sie sich zur Unterstützung der Umsetzung Ihres neuen Vorhabens diese Liste der negativen Konsequenzen gut sichtbar in Ihr Zimmer (z.B. über Ihren PC). Zwölf Mit Methode zu einem verantwortungsvollen Umgang 4.3 Der 3. Schritt: Weisen Sie Ihrem Computer einen neuen Platz zu! In Ihrer Wohnung gibt es vermutlich einen Raum, in dem Sie sich am längsten aufhalten, wenn Sie nicht gerade schlafen. Dort steht auch Ihr Computer. Sie können dort allein und ungestört Zeit vor dem Bildschirm verbringen. Kann es sein, dass der Raum auf Sie ganz unbelebt wirkt, wenn der Bildschirm nicht leuchtet? Ein zentraler Platz, der Ihnen ganz nahe ist, mag auch die Bedeutung des Computers in Ihrem Leben widerspiegeln. Wenn Sie an der besonderen Bedeutung von Computeraktivitäten für Ihr Leben etwas ändern wollen, kann es durchaus sinnvoll sein, an der räumlichen Position des Computers etwas zu ändern. Wenn Sie z.B. in einer Familie leben, sollte der Computer in einem Raum stehen, der auch von anderen Familienangehörigen genutzt wird, z.B. im Wohnzimmer. Wenn Sie keinen stationären PC mehr haben, können Sie auch ganz bewusst mit ihrem Tablet/Notebook oder Smartphone zu den festgelegten Nutzungszeiten ins Wohnzimmer gehen. Damit wird eine heimliche Rückkehr in alte Gewohnheiten verhindert oder zumindest erschwert und das Veränderungsbestreben unterstützt. Auch für diejenigen, die allein leben, kann es sinnvoll sein, den Computer an einem Ort aufzustellen, an dem man sich nicht gern lange aufhält, wie im Flur oder in der Küche. Und wenn Sie Kontrollverlust ein Notebook nutzen, umso leichter: Das lässt sich nach Gebrauch in einer Tasche verpacken und wegstellen. Auf jeden Fall sollte der PC an seinem neuen Platz nicht vom Bett aus zu bedienen sein und Smartphone, Tablet, etc. sollten ebenfalls nicht mehr im Bett liegend genutzt werden! Diese räumliche Veränderung in der Internetnutzung unterstützt die Motivation und erhöht damit die Chance, die Zeit vor dem Computer zu verringern und dauerhaft gering zu halten. 4.4 Der 4. Schritt: Aktivieren Sie sich selbst! Aktivieren Sie sich gerade zu Anfang für mindestens einen Abend in der Woche eine angenehme Aktivität/Unternehmung einzuplanen, bei der Sie auf die Nutzung des Internets komplett verzichten. Am einfachsten greifen Sie dabei auf Aktivitäten zurück, die Sie früher gern gemacht haben – selbst wenn Sie jetzt spontan noch kein großes Interesse daran verspüren. • • • • • • Herr G. (25): „An meinem 8. Geburtstag war es so weit, ich bekam meinen ersten Gameboy geschenkt. Erst wenige Mitschüler aus meiner Klasse hatten bereits einen und so war ich ziemlich stolz über dieses Geschenk. Auch wenn dieser Gameboy überhaupt nicht mit den Möglichkeiten heutiger Computerspiele zu vergleichen ist, so übte er doch eine große Faszination auf mich aus. Gehen Sie raus aus dem Haus, machen Sie Sport, gehen Sie Essen, treffen Sie Freunde oder gehen Sie ins Kino, ins Theater oder auf ein Konzert. Damit Ihr Leben ins Gleichgewicht kommt, brauchen Sie ein Gegengewicht an Aktivitäten, die auch ohne Internet und Computer Spaß machen. Vierzehn Kontrollverlust Kontrollverlust Ich wollte dann immer auch die neuesten Versionen haben und war bitter enttäuscht, wenn solch ein Wunsch nicht erfüllt wurde. Später kamen dann Computer-Spiele dazu. Eigentlich war ich bis dahin ein ganz normaler Junge. Neben dem Spielen hatte ich Freunde, dann auch meine erste Freundin. World of Warcraft (WOW) war noch nicht lange auf dem Markt. Ich weiß noch genau, wie ich mit vielen anderen im Februar 2005 angestanden hatte, um einer der Ersten zu sein, die dieses Spiel in den Händen halten. Meine Freundin wohnte in einem Nachbarort und zunehmend fiel es mir schwer, mich immer wieder aufzuraffen und mich mit ihr zu treffen. Argumente gab es viele – kein Geld für die Fahrkarte, ich muss etwas Dringendes erledigen – ich glaubte das selber. Eigentlich wollte ich da schon meine Zeit mit WOW verbringen. Wenn wir uns stritten, war das ein willkommener Anlass, mich zurückzuziehen. Als sie sich trennte, hatte das wohl auch schmerzliche Momente – ich weiß gar nicht, ob ich das damals auch so realisierte. Bei WOW hatte ich alles, was ich brauchte, unendliche Möglichkeiten und viele Kontakte zu Gleichgesinnten. Ich war ganz im Banne der Welt Azeroth. Mit jedem Quest tauchte ich tiefer ein. Hatte ich ein Quest erfüllt, dann wartete schon das nächste. Mit dem Gründen der Gilde war eine ganz neue Qualität eingezogen. Jeder hatte Verantwortung Fünfzehn für den anderen, meine Handlungen und vor allem meine Präsenz im Spiel waren wirklich wichtig geworden. Wir machten Pläne und erledigten Quests. Das Gymnasium hatte ich abgebrochen – von zu Hause war ich ausgezogen. Meine Mutter unterstützte mich eine Zeit lang finanziell. Anfangs spielten auch viele meiner Freunde aus dem Wohnumfeld WOW. Dies wurde weniger, sie engagierten sich beruflich oder heirateten – wie spießig, dachte ich, aber es kamen viele neue Kontakte durch das Spielen hinzu. Und die nervten auch nicht, indem sie plötzlich vor meiner Tür standen und etwas unternehmen wollten. Und wenn sie mich nervten, schaltete ich sie einfach ab. Zuletzt sah ein typischer Tagesablauf so aus: Ich stand meist gegen Nachmittag auf – ich war morgens erst zu Bett gegangen – und setzte mich an den Computer, den ich längst nicht mehr ausschaltete. Der Wasserkocher und eine große Büchse Cappuccino standen direkt neben dem Computer. Geduscht oder auch Zähne geputzt habe ich meist nicht – es war ja eh keiner da. Gegessen habe ich viel Süßkram – mal habe ich mir Toastbrot gemacht, aber hauptsächlich habe ich mich von Cappuccino ernährt. Wenn mir die Augen zufielen, bin ich meist schlafen gegangen – aber ich habe auch mal ein, zwei Tage durchgespielt oder bin direkt am Schreibtisch eingeschlafen. Der Spaß war kaum noch da, es war eher ein Zwang – ich fühlte mich zeitweise wie ferngesteuert – immer derselbe Ablauf – ich durfte nichts verpassen. Klar gab es auch die Anerkennung der Mitspieler, aber die interessierte mich nicht mehr. Die Versuche auszubrechen wurden seltener. Wenn es klingelte, machte ich nicht auf. Rechnungen bezahlte ich nicht. Briefe vom Arbeitsamt flogen ungeöffnet in den Papierkorb. Dann wurde der Ablauf durchbrochen. für einen Computer ich mir wohl von meinem Arbeitslohn kaufen könnte.“ Eines Morgens war der Computer aus – man hatte mir den Strom abgeschaltet. Ich hatte nie eine Rechnung bezahlt. Meine Stimmung wechselte zwischen Wut und Verzweiflung. Ich rief meine Mutter an. Sie kam prompt und war ziemlich entsetzt. Ich hatte da auch nicht die Kraft mich zu wehren und so trottete ich mit ihr zur Arbeitsagentur – die hatten mir inzwischen auch das Geld gekürzt, weil ich die Termine versäumt hatte. Meine Mutter versprach der Frau, dass sie mit mir zu einer Beratungsstelle gehen würde. Damit begann die Wende, auch wenn mit zunehmenden Kräften auch meine Widerstände wuchsen. Mir war alles zu viel, gern hätte ich mich wieder einfach an den Computer gesetzt, um dem Ganzen zu entfliehen. Heute, nach der stationären Therapie, bin ich noch lange nicht über den Berg. Häufig muss ich mich zwingen, den Alltag zu bewältigen. Ich habe inzwischen eine Lehre angefangen und manchmal erwische ich mich bei Phantasien, was Sechzehn Kontrollverlust 5.2 Aus Internetnutzung wird Internetsucht Die Grenze zwischen noch angemessenem und nicht mehr angemessenem (so genanntem pathologischem) Internet-, Smartphone- und Computergebrauch ist schleichend und fließend. Man bemerkt diesen Übergang zur Sucht kaum. Und genau darin steckt die Gefahr. Herr G. hat diesen Übergang auch erst bemerkt, als ihm der Strom abgedreht wurde. Erst dieses Ereignis und die Unterstützung seiner Mutter ließen ihn aufwachen und verstehen, dass er ernsthafte Suchtprobleme hatte. Und das Gute daran: Er entschied sich zu einer Therapie und durchbrach den Teufelskreis. Das Internet ist voll von Scherzen über Internetsucht. Spielezeitschriften werben beispielsweise damit, dass ein Computerspiel suchterzeugend (= aufregend und unterhaltsam) sei. Damit wird „Sucht“ verharmlost, denn Sucht ist mehr als das Luxusproblem der Unlust, einem übermäßigen Vergnügen widerstehen zu wollen. Die Bezeichnung „Internetsucht“ oder „pathologischer Internetgebrauch“ ist dann zutreffend, wenn aus übermäßigem Internetgebrauch eine Krankheit wird, weil die Betroffenen ihre Internetaktivitäten, also das Chatten, das Spielen am Computer oder das Aufsuchen von Seiten mit sexuellen Inhalten im Internet nicht Siebzehn Wann ist es Sucht? mehr beeinflussen können. Und dass, obwohl diese Art der Internetnutzung bereits ernsthafte Probleme hervorruft, wie z.B. • das Scheitern in Ausbildung und Beruf (Verlust des Ausbildungsoder Arbeitsplatzes, Abmahnungen, aufgrund von Übermüdung gemachte Fehler etc.), • das Scheitern von Ehe oder Beziehung und/oder • die Vernachlässigung von Familie und Freunden oder Freizeitaktivitäten (die Ihnen vorher wichtig waren) • vermehrt Konflikte mit Angehörigen, die sich häufig in erster Linie um Ihre Nutzung des Internets/ Computers drehen. Wie kann also festgestellt werden, ob eine Suchterkrankung vorliegt? Da es sich bei Computersucht um eine stoffungebundene Abhängigkeitserkrankung (z.B. Alkoholismus ist dagegen stoffgebunden) handelt, lassen sich Symptome und Merkmale einer Abhängigkeitserkrankung auch auf die Internetsucht übertragen. Achtzehn Wann ist es Sucht? 6.1 Suchtkriterien 1. Es besteht ein starker Wunsch oder eine Art innerer Zwang, der jeweiligen Aktivität im Internet (Computerspiele, Nutzung sozialer Netzwerke oder von Messengern, Nutzung von Seiten mit sexuellen Inhalten) nachzugehen. 2. Der Beginn, die Dauer und die Beendigung dieser Tätigkeiten können nur noch schlecht oder sogar gar nicht mehr kontrolliert werden (Kontrollverlust). 3. Bei Verzicht auf diese Aktivitäten treten Entzugssymptome wie innere Unruhe, Schlafstörungen, Gereiztheit, Aggressivität oder andere deutliche negative Veränderungen der Gefühle und/oder des Körperempfindens auf. Wann ist es Sucht? 6.2 Der Test Um nun genau identifizieren zu können, ob eine professionelle Hilfe ist, haben wir folgenden Fragebogen erstellt. Wenn Sie eine Aussage Test lesen, die auf Sie zutrifft, dann markieren Sie diese für sich. Sie spontan und ehrlich mit „Ja“ oder „Nein“. Bitte machen Sie sich noch keine Gedanken zur Auswertung, das folgt nach dem Test. notwendig in diesem Antworten vor allem -> Treffen folgende Aussagen auf Sie zu? 4. Um die ursprüngliche Wirkung (angenehme Gefühle, Entspannung etc.) des spezifischen Internetgebrauchs zu erreichen, muss immer länger und/oder mit immer intensiveren Reizen dieser Internetaktivität nachgegangen werden (Toleranzentwicklung). Im Umkehrschluss werden die ursprünglich positiven Empfindungen kaum noch oder nur noch in geringer Ausprägung und/oder für sehr kurze Dauer erreicht. 1) Der Wunsch den Computer zum Spielen, Chatten oder zum Besuch von Sexseiten zu nutzen ist immer stärker geworden. -> Ja/Nein 2) Ich kann mir ein Leben ohne Internet bzw. Computer nicht mehr vorstellen. -> Ja/Nein 5. Durch den erhöhten Zeitaufwand für die Internet-/Smartphone-/ComputerNutzung werden andere Interessen vernachlässigt oder gar nicht mehr als solche wahrgenommen. Oder anders ausgedrückt: Aktivitäten in der virtuellen Welt werden wichtiger als die Aktivitäten in der Realität. 3) Ich nutze das Medium immer öfter und immer länger. -> Ja/Nein 4) Häufig nutze ich das Internet oder den Computer länger als ursprünglich geplant. -> Ja/Nein 5) Nur am Computer kann ich wirklich abschalten. -> Ja/Nein 6) Andere haben mich schon auf meinen hohen Internet-/ Computergebrauch angesprochen. -> Ja/Nein 7) Ein Tag ohne Computer ist ein verlorener Tag. -> Ja/Nein 8) Wenn ich die Wahl habe, dann ziehe ich eine Aktivität am Computer vor. -> Ja/Nein 9) Selbst wenn ich es mir vorher fest vornehme, kann ich die Internettätigkeit nicht zum festgelegten Zeitpunkt beenden. -> Ja/Nein 10) Ich habe schon Termine nicht eingehalten, um meine Computer-/Internetbeschäftigung nicht zu unterbrechen. -> Ja/Nein 6. Obwohl bereits schädliche Folgen des übermäßigen Computergebrauchs auftreten, wird dieser fortgesetzt. Es können einerseits psychosoziale Folgen sein (wie beispielsweise Probleme am Arbeits- oder Ausbildungsplatz, Konflikte oder Trennungen in Partnerschaften, finanzielle Probleme, Vernachlässigung des Haushalts und von Behördengängen, Verringerung realer Sozialkontakte bis hin zur Vereinsamung oder sozialen Isolation, Depression, Ängste), andererseits aber auch körperliche Folgen (wie Erschöpfung, massive Muskelverspannungen, regelmäßig Schwielen an den Handballen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Abmagerung /Fettsucht, Schlafmangel, allgemeine körperliche/hygienische Vernachlässigung, Schmerzen in den Handgelenken und Sehnenscheidenentzündungen, Tagesmüdigkeit mit Leistungseinbußen). -> Werden mindestens 3 der 6 Kriterien erfüllt, ist es möglich, dass ein pathologischer Internetgebrauch oder eine Internetsucht besteht. In diesem Fall ist die Grenze der Selbsthilfe erreicht und professionelle Unterstützung könnte vonnöten sein. Neunzehn Zwanzig Wann ist es Sucht? Wann ist es Sucht? 11) Meine Mahlzeiten nehme ich überwiegend vorm Computer ein. -> Ja/Nein 12) Andere Freizeitinteressen als den Computer habe ich nicht. -> Ja/Nein 13) Durch die intensive Beschäftigung mit dem Internet erreiche ich keine wirkliche Freude oder Befriedigung. -> Ja/Nein 14) Ich habe meine Familie und Freunde zunehmend vernachlässigt. -> Ja/Nein 15) Ich bin sozial ziemlich isoliert. -> Ja/Nein 16) Wenn ich das Internet nicht nutzen kann, dann werde ich unruhig, nervös oder auch aggressiv. -> Ja/Nein 17) Ich habe keinen regelmäßigen Schlafrhythmus mehr durch den Internet-/Computergebrauch. -> Ja/Nein 18) Es ist schon häufig vorgekommen, dass ich meine Körperhygiene vernachlässigt habe. -> Ja/Nein 19) Ich habe in der Schule, Ausbildung oder Arbeitsstelle Fehlzeiten wegen des Internetgebrauchs. -> Ja/Nein 20) Ich habe wegen des Internetgebrauchs meine Schule/ Ausbildung abgebrochen oder meinen Arbeitsplatz verloren bzw. selbst gekündigt. -> Ja/Nein 21) Wenn ich mich mit anderen Dingen beschäftige, kreisen meine Gedanken um die Internet-/ Computeraktivitäten. -> Ja/Nein 22) Ich habe schon versucht, mein Verhalten zu ändern, aber es gelingt mir nicht oder immer nur kurzzeitig. -> Ja/Nein -> Ihr Ergebnis folgt auf der nächsten Seite Einundzwanzig 6.3 Die Auswertung Sollten Sie von den ersten 11 Fragen mehr als 4 mit „Ja“ beantwortet haben, kann bereits ein problematischer Internet- bzw. Computergebrauch vorliegen und wir würden Ihnen empfehlen Ihren Internet- bzw. Computergebrauch zu kontrollieren (siehe Kapitel 4) und falls hierdurch keine merkliche Besserung eintritt über eine zusätzliche Unterstützung nachzudenken. Sollten Sie von den Fragen 12-22 mehr als fünf Fragen mit Ja beantworten, dann sollten Sie sich auf jeden Fall Unterstützung holen. >>> Zweiundzwanzig Wann ist es Sucht? Unterstützung 6.4 Ein Fallbeispiel „Mein Name ist Heike Müller, ich bin 38 Jahre alt und arbeite in einer PR- und Marketingabteilung eines großen Industrieunternehmens. Ich bin von Beruf Mediendesignerin und gestalte derzeit das Layout des unternehmensinternen Mitarbeitermagazins. Ich empfinde meine Arbeit als wenig kreativ, da der Stil des Unternehmens, in dem ich arbeite, stark konservativ geprägt ist. Das war der Grund, warum ich mich auf die Suche nach einem weiteren Tätigkeitsfeld begeben habe, in dem ich meine gestalterische Kreativität ausleben kann. So bin ich im Internet auf die virtuelle Welt von „Second Life“ gestoßen, die mich von Anfang an faszinierte und mich in ihren Bann zog. Binnen kürzester Zeit eignete ich mir – begünstigt durch meine beruflichen Erfahrungen – die erforderlichen Fähigkeiten im Umgang mit den kreativen Tools an, um selbst gestalterisch tätig werden zu können. In den ersten Monaten meiner abendlichen Online-Aktivität gründete ich in der Welt von Second Life mehrere kleine Unternehmen, unter anderem ein Tattoo-Studio und einen Schmuckladen. de durch keinerlei Vorgaben in meiner Kreativität beschränkt. Im Laufe der Zeit blieb ich immer länger in Second Life. Ich verbrachte dort in der Woche insgesamt häufig mehr Zeit als an meinem realen Arbeitsplatz. Oft war ich die ganze Nacht online, so dass mein reales Leben immer mehr in den Hintergrund rückte und Second Life zu meinem ersten Leben wurde. Um mich wach zu halten, trank ich viel Kaffee, bis ich in den frühen Morgenstunden so müde war, dass ich meine Augen nicht mehr aufhalten konnte. Dann verfiel ich immer in einen solchen Tiefschlaf, dass ich mehrmals zu spät zu meiner Arbeit kam. Dann habe ich versucht, mich abends zeitlich zu beschränken, habe es aber nicht geschafft, blieb weiterhin ewig im Netz, die Zeit verging wie im Fluge und ich fing sogar an, bis zu zwei Flaschen Rotwein zu trinken. Kollegen sprechen mich schon an, was mit mir los sei und ich stehe kurz davor, eine 2. Abmahnung zu erhalten, da meine Zuverlässigkeit und meine Arbeitsleistungen aufgrund meiner Dauerübermüdung stark zu wünschen übrig lassen …“ Bevor die Frage angesprochen wird, wie Sie Unterstützung (also Beratung oder Therapie) bekommen, sollen zunächst ein paar Bedenken angesprochen werden, die Menschen häufiger haben, wenn sie Berater oder Therapeuten aufsuchen. Denn bevor ein erstes beratendes Gespräch wegen der übermäßigen Internetnutzung gesucht oder gar mit einer Therapie begonnen wird, gibt es zahlreiche Bedenken, die nicht selten entscheidende Schritte verhindern. In dieser Beschäftigung habe ich endlich die Befriedigung gefunden, die mir in meiner beruflichen Tätigkeit bisher verwehrt geblieben ist. In Second Life konnte ich auf einmal meiner Phantasie freien Lauf lassen und wurDreiundzwanzig Vierundzwanzig Unterstützung Welche Bedenken könnten das sein? „Andere sitzen doch auch stundenlang am Computer. Ich muss nur einfach weniger spielen/chatten.“ Das Gefühl, die Kontrolle über das eigene Verhalten zu verlieren, macht Angst. Und wegen der eigenen Internetnutzung auch noch zu einem Therapeuten oder Arzt zu gehen ist peinlich. Viele Betroffene versuchen deshalb sich selbst und Angehörigen einzureden, dass sie alles im Griff haben und keine Hilfe brauchen. „Was soll ich denn in der Beratungsstelle sagen, das versteht doch eh keiner, die kennen sich damit nicht aus!“ Suchtberater und Therapeuten kennen sich auf jeden Fall damit aus, zuzuhören, Probleme zu erfassen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen „Ich bin doch nicht so wie ein Alkoholiker.“ Über Suchterkrankungen gibt es viele Vorurteile, die sich jedoch rasch verändern, wenn man sich mit dem Thema (Internet-)Sucht beschäftigt. Professionelle Helfer haben ein umfassendes Verständnis für Suchterkrankungen und vermitteln dieses den Betroffenen und Angehörigen. „Darf ich dann nie wieder an den Computer?“ Man kennt das von Drogen- oder Alkoholabhängigen, dass sie vollständig Fünfundzwanzig Unterstützung aufhören müssen zu konsumieren (=Abstinenz). Das schürt Angst, da das Internet einen sehr großen Teil des Lebens über einen längeren Zeitraum eingenommen hat. Letztlich entscheidet immer der Betroffene selbst wie viel Zeit er zukünftig im Internet oder am Computer verbringen will (unter Umständen ist ein Verzicht auf die Nutzung spezifischer Anwendungen, beispielsweise bestimmter Computerspiele ausreichend). Eine vollständige Internet-Abstinenz ist heutzutage (auch in Ausbildung und Beruf) nicht mehr vorstellbar. Aber im Ampelmodell haben Sie ja sicher auch schon gesehen, dass unterschiedliche Internetanwendungen ein starkes oder ein eher geringes „Suchtpotenzial“ haben. „Darüber spricht man nicht.“ Über einige mögliche Inhalte des Internets (z.B. Onlinepornographie) mag man nicht mit jedem sprechen. Oder wenn im eigenen Leben aktuell ein Chaos an unerledigten Dingen und peinlichen Versäumnissen herrscht?! Gerade weil man sich vielleicht schämt, selbst mit den nahen Freunden darüber zu sprechen, sollte man einen Profi aufsuchen. Was für mich selbst vielleicht peinlich und unangenehm zu erzählen ist, ist für den Berater oder Therapeuten Alltag. Im Übrigen steht die Schweigepflicht bei Beratung und Therapie im Vordergrund. 7.2 Die Vorteile 7.2 Die Vorteile Eine Beratung beansprucht im Durchschnitt weniger als eine Stunde realer Zeit, kann aber viele Stunden realer wie auch virtueller Lebenszeit retten. Wenn es einem Betroffenen darum geht, sein Spielverhalten oder sein Internet-/Smartphone-/Computernutzungsverhalten wieder in den Griff zu bekommen und in geordnete Bahnen zu lenken, ist die Zeit für eine Beratung gut investiert, wenn der Betroffene dabei erkennt, dass er eine Veränderung wirklich will und dass diese möglich ist. Ziel ist, dass der Aufenthalt in der virtuellen Welt wieder zu dem wird, was er anfänglich war, nämlich eine Ergänzung und Bereicherung des realen Lebens und nicht dessen Ersatz. An dieser Veränderung haben fast alle Klienten, die zu einer Beratung wegen eines übermäßigen Internetgebrauchs kommen, ein großes Interesse. Es steht zu vermuten, dass dieser Wunsch bei vielen Betroffenen, die noch bei keiner Beratung waren, ebenfalls vorhanden ist. Wer sich nach einer ersten Beratung entschließt, weitere Gesprächstermine oder Gruppenangebote in Anspruch zu nehmen oder eine ambulante oder stationäre Therapie zu machen, findet bei der Beraterin bzw. dem Berater professionelle Unterstüt- zung und Begleitung in diesem Prozess. Wer sich gegen diesen Weg entscheidet, hat eine Stunde seines Lebens investiert, die aber nicht verloren ist. Es ist immer sinnvoll, die Wege und Möglichkeiten zu kennen, die sich einem eröffnen, wenn man eine Veränderung anstrebt. Das gilt auch wenn zum aktuellen Zeitpunkt noch keine ausreichende Motivation vorliegt, diese Veränderung auch schon umzusetzen. 7.3 Eine Motivationshilfe Generell ist für Betroffene das Denken in kurzen Zeitabschnitten hilfreich. Es ist besser, sich Gedanken zu machen, ob es nicht möglich wäre, heute den Gebrauch des Internets zu reduzieren, um beispielsweise zu einer Beratung zu gehen, als darüber nachzudenken, ob ich für den Rest meines Lebens auf das Online-Rollenspiel, mit dem ich am meisten Zeit verbracht habe (z.B. World of Warcraft), verzichten kann. Betroffene sollten sich selbst die Chance geben, diesen Weg einer verminderten Internetnutzung wenigstens einmal auszuprobieren. Falls er ihnen gefällt, können sie ihn weiter gehen, falls nicht, eine Rückkehr in das alte Verhaltensmuster ist jederzeit möglich, davon kann sie kein Therapeut der Welt abhalten. Sechsundzwanzig Unterstützung Unterstützung 7.4 Ein Fallbeispiel Herr M. ist 19 Jahre alt und hat bereits seit seinem achten Lebensjahr an unterschiedlichen Spielkonsolen wie PlayStation 2 und Xbox 360 gespielt. Er berichtet, dass er schon immer sehr gerne gespielt habe, dass jedoch sein Konsolenspielverhalten bis auf wenige exzessive Phasen immer unter Kontrolle gewesen sei. Zu seinem 16. Geburtstag erhielt er einen Hochleistungsrechner und begann auch auf dem Computer zu spielen. Er entschied sich zum Kauf des OnlineTaktik-Shooters „Counter-Strike“ (CS), eine Entscheidung, die er selbst als seinen Untergang bezeichnet. Grund hierfür sei gewesen, dass er binnen kurzer Zeit mehr als doppelt so viel spielte wie früher und jede freie Minute im Spiel verbrachte. Das Spiel habe ihm in den ersten zwei Jahren immer große Freude bereitet und auch 7.5 Wo man Unterstützung findet heute sei diese Faszination für „Counter-Strike: Global Offensive“ ungebrochen. Seine Wochenspielzeit gibt er mit 50 bis 70 Stunden an. Die Problematik, die ihn zu einer Beratung motiviert hat, ist sein extremer Leistungsabfall im Gymnasium und das Bewusstsein, dass sein Abitur in großer Gefahr ist. Grund hierfür ist seine Unpünktlichkeit und der vollständige Verzicht auf das Erledigen seiner Hausaufgaben und Prüfungsvorbereitungen. Hinzu kommen ständige Auseinandersetzungen mit seiner alleinerziehenden Mutter, die sein exzessives Spielverhalten von acht bis zehn Stunden pro Tag zwar nicht toleriert, aber auch nichts Konkretes dagegen unternimmt. Wenn Sie die Entscheidung getroffen haben, mit einem professionellen Helfer über die Probleme im Zusammenhang mit dem Internetgebrauch zu sprechen, sollte jemand aufgesucht werden, der für Sie gut und ohne längere Anmeldezeit erreichbar ist. Dies kann sein… • das wirkliche Ausmaß der Problematik einzuschätzen, • Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin • Eine Suchtberatungsstelle (Die Gesprächsangebote von Beratungsstellen staatlicher, kirchlicher oder freier Träger sind in der Regel kostenlos) Adressen von spezialisierten Einrichtungen in ganz Deutschland erhalten Sie auf der Internetseite: • „Erste-Hilfe“-Maßnahmen (beispielsweise den Computer aus der Wohnung entfernen) einzuleiten, • Entscheidungshilfe zu der Frage zu erhalten, ob eine ambulante oder stationäre Therapie erforderlich ist, • gegebenenfalls die angemessenen therapeutischen Maßnahmen gemeinsam zu beantragen. www.computersuchthilfe.info oder über den Fachverband Medienabhängigkeit: www.fv-medienabhaengigkeit.de Siebenundzwanzig Es ist allerdings nicht ausschlaggebend, ob die erste Anlaufstelle bereits spezialisiert für Fragen zum pathologischen Internetgebrauch ist. Vielmehr geht es darum, im Gespräch Von dort kann der Weg in eine Therapie bei einem ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten führen oder in eine andere Maßnahme. Achtundzwanzig Die Therapie Die Therapie 8.2 Die ambulante Therapie Eine Therapie verfolgt das Ziel, den pathologischen (also krankhaften) Internetgebrauch beenden zu können sowie Hintergründe für die Entstehung der Problematik zu erkennen und eventuell auch zu verändern. Für eine Therapie dieses Problems sind Psychotherapeuten und Kliniken zu empfehlen, die sich mit der Behandlung von pathologischem Internetgebrauch auskennen. Bei der Anmeldung zu einer Therapie sollte deshalb gefragt werden, wie viele Erfahrungen mit der Behandlung von pathologischem Internetgebrauch vorliegen und ob es in der Einrichtung ein spezielles Behandlungskonzept gibt. Wichtig zu wissen: Jede Form von professioneller Beratung und Therapie ist vertraulich! Neunundzwanzig Eine Therapie kann stationär oder ambulant erfolgen. Eine ambulante Therapie hat den Vorteil, dass Sie in Ihrem Wohnumfeld bleiben. Sie können Veränderungen direkt im realen Umfeld erproben. Eine Unterbrechung der Ausbildung oder Arbeitstätigkeit ist meist nicht erforderlich. Eine ambulante Therapie findet in aller Regel einmal oder mehrmals in der Woche in einem Zeitumfang von jeweils 1 bis 2 Stunden statt, kann also nach der Arbeit oder der Ausbildung durchgeführt werden. Eine Änderung des Verhaltens ist jedoch dadurch gleichzeitig erschwert, da eine ununterbrochene Konfrontation mit den Umständen, die zum Problem gehören, gegeben ist. Dazu gehört ein leichterer Zugang zu Internet, Smartphone und Computer. Selbst wenn der Computer zu Hause entfernt wurde, ist die Nutzung über das Smartphone, in Internetcafés oder bei Freunden natürlich möglich. Darüber hinaus ist man mit bekannten Problemen – wie Konflikten mit dem Partner oder den Eltern – konfrontiert. Dazu können noch Probleme auftreten, die durch den pathologischen Internetgebrauch vielleicht nicht so deutlich im Vordergrund waren – wie Gefühle von Einsamkeit, Wut, Minderwertigkeit, Ängste anderen Menschen gegenüber, Zukunftsängste etc. Eine ambulante Therapie ist dann zu empfehlen, wenn ein unterstützendes Umfeld existiert und wenn es noch nicht zu schwerwiegenden Folgen wie beispielsweise zusätzlichen psychischen Problemen oder Arbeitsplatzverlust gekommen ist. Das Problem sollte nicht schon viele Jahre bestehen, ein geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus und eine Tagesstruktur noch bestehen sowie erste Schritte der Problemlösung (z.B. Account-Abmeldung beim Computer-Spiel, das am meisten Zeit beansprucht hat) sollten schon selbstständig erfolgt sein. Wenn man es also schafft, seinen Alltag trotz des intensiven Internet-/ Computergebrauchs noch erfolgreich zu meistern, aber sich professionelle Unterstützung wünscht, dann würde viel für eine ambulante Therapie sprechen. 8.3 Die stationäre Therapie Eine stationäre Therapie erfolgt in einer entsprechenden Fachklinik. Eine gewisse räumliche Distanz zum Wohnumfeld ist damit gegeben. Dies ermöglicht häufig überhaupt erst, das Problemverhalten zu unterbrechen. In der Fachklinik kann geübt werden den eigenen Tagesablauf wieder neu zu organisieren. Eine stationäre Therapie ist dann zu empfehlen, wenn die oben genannten Bedingungen für eine ambulante Therapie nicht gegeben sind. Einzelne Kliniken erwarten, dass die Betroffenen bereits abstinent in die Klinik kommen und ihren Account beim Computer-Spiel, das am meisten Zeit Dreißig Die Therapie beansprucht hat, spätestens mit Beginn der stationären Therapie abmelden. Wer bis zur letzten Minute, noch auf dem Weg zur Therapie im Zug auf dem Notebook spielt, muss sich darauf einstellen, dass er die ersten Wochen der Therapie mit Entzugserscheinungen zu tun haben wird. Diese Zeit ist unter Umständen verlorene Zeit, wenn der Betroffene so unter den Entzugserscheinungen leidet, dass er sich nicht auf den therapeutischen Prozess einlassen kann. Besser wäre es, mit Hilfe einer ambulanten Beratungsstelle den Entzug schon zu Hause durchzustehen und die stationäre Therapie abstinent zu beginnen. Diese erste Phase der Behandlung kann man in einigen Punkten mit der Entgiftung von Alkoholikern oder Drogenabhängigen vergleichen. Das dominierende Verhalten der letzten Zeit fällt plötzlich weg, damit kommt dann häufig auch ein starkes Gefühl innerer Leere auf. Viele Betroffene wissen dann erst einmal einfach nichts mit sich anzufangen. Die Nutzung des Internets hat neben dem Aspekt der Unterhaltung oft auch eine Flucht aus dem Alltag oder vor einer inneren Leere ermöglicht, die jetzt plötzlich wegfällt. Diese neu wahrgenommene innere Leere kann verbunden sein mit anderen Gefühlen wie beispielsweise Wut und Aggressionen oder auch Traurigkeit und Hilflosigkeit. Welche Art von Gefühlen und Gedanken oder auch Verhaltensweisen auftreten unterscheidet sich von Person zu Person. Gleichzeitig bilden diese Einunddreißig Die Therapie Reaktionen einen Zugangsweg in der Behandlung. Es geht darum, diese Gefühle zu erkennen, sie zu benennen und sie der eigenen Biographie und den aktuellen Lebensbedingungen zuzuordnen. Wichtig ist, zu verstehen woher die Gefühle kommen und welche Rolle die Aktivitäten im Internet oder generell am Computer bisher bei dem Versuch gespielt haben, mit solchen Gefühlen umzugehen. Damit ist ein möglicher Zugang zu den Hintergründen des Problems gegeben. Reale Kontakte zu anderen Menschen wurden von vielen Betroffenen reduziert oder gemieden, sie haben wenn überhaupt vor allem virtuelle Kontakte gepflegt. Häufig geht damit auch ein Verlust von Fähigkeiten in diesem Bereich einher. Bei einigen waren diese sozialen Fähigkeiten nie besonders gut ausgeprägt und der Internetgebrauch stellte die Möglichkeit einer Alternative dar. In beiden Fällen ist das Neu- oder Wiedererlernen von Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen wichtig. Wesentlich ist selbstverständlich auch die Frage nach dem zukünftigen Umgang mit dem Internet. Dies ist oft für die Betroffenen die wichtigste Frage überhaupt. Sinnvoll ist jedoch, überhaupt erst einmal eine ausreichende Distanz zum Problemverhalten zu schaffen und in der Therapie kritisch zu hinterfragen, welche Vor- und Nachteile mit der Internetnutzung einhergehen. Die allermeisten Betroffenen wollen das Internet und den Computer weiter „normal“ nutzen. Viele erkennen im Laufe einer Therapie, dass dies ein sehr schwerer Weg ist und entscheiden sich weitgehend gegen eine Nutzung bestimmter Internetanwendungen (z.B. des ehemaligen „Hauptspiels“). Während sie dagegen andere Dinge im Internet (aus dem „grünen Bereich“ im Ampelmodell) ohne Probleme im Alltag erledigen können, ohne gefährdet zu sein, darüber die Kontrolle zu verlieren oder dafür große Zeitkontingente aufzuwenden. Wichtig ist, dass eine solche Entscheidung von den Betroffenen selbst getroffen wird und unter Abwägung des Nutzens und der damit verbundenen Risiken erfolgt. Sie können und sollen also diesen Prozess mitgestalten. Auch nach einer stationären Rehabilitation sind nicht alle Probleme gelöst und ein problemloser kontrollierter Umgang mit dem Internet und Computerspielen gewährleistet. Andere Betroffene schauen nicht von außen auf die Problematik und haben deshalb ein ausgeprägtes Verständnis für die Ängste und Unsicherheiten von ebenfalls Betroffenen. Aus ihren Erfahrungen lernen und sich gegenseitig Hilfestellung geben, dies sind neben dem Gruppenzugehörigkeitsgefühl wichtige Wirkfaktoren ambulanter und stationärer Gruppenbehandlung. Auch Rückschläge gehören dazu. Betroffene sollten wissen, dass es im Laufe der Behandlung auch zu Rückschritten und Rückfällen kommen kann. Diese Rückschläge sind oftmals essentieller Bestandteil des „Genesungsprozesses“, weil sie dem Betroffenen zeigen, dass irgendetwas noch nicht stimmt. Rückfälle führen, wenn sie offen dargelegt werden, auch nicht zum Therapieabbruch sondern sie liefern Anhaltspunkte für die nächsten therapeutischen Schritte. Gerade nach einem stationären Klinikaufenthalt ist eine ambulante Nachsorge und Weiterbehandlung der Problematik notwendig, um einen Rückfall in eine übermäßige Internetnutzung zu verhindern. Insbesondere im Rahmen stationärer Therapie besteht die Möglichkeit des Austausches mit anderen Betroffenen. Zweiunddreißig Fazit & Impressum Fazit & Impressum Wir wollen, dass Menschen sorgenfrei Spaß im Internet, am Smartphone oder an Computer- und Konsolenspielen haben können. Wir wollen, dass diesen Menschen nicht der Spaß dabei verloren geht, weil sie die Kontrolle verlieren. Wenn Menschen aber dennoch die Kontrolle verlieren, gibt es ein umfangreiches und sich noch weiter entwickelndes Angebot an Unterstützungsmaßnahmen. Wir hoffen, dass wir Ihnen, falls Sie Unterstützung bei einer übermäßigen Internet- oder Computernutzung brauchen, dazu Mut und Hoffnung haben geben können, sich diese zu suchen und sie erfolgreich zu nutzen. Notizen Der Text der Broschüre beruht ferner auf schriftlichen Vorarbeiten der folgenden Expertinnen und Experten in der Beratung/Behandlung von Menschen mit pathologischem Internetgebrauch: » Dr. Giulio Calia, LWL-Klinik Hamm » Dr. Holger Feindel, AHG Klinik Münchwies » Solveig Freund, AHG Klinik Schweriner See » Andreas Koch, Lost in Space, Berlin » Bettina Moll, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf » Dr. Frank Strauch, AHG Klinik Schweriner See Text und Redaktion >>>>>>>>> » » » » » » » » » » Nicole Fangerau Katharina Kegel Dr. Kay Uwe Petersen Yvonne Schelb Holger Spieles Roland Thiel Prof. Dr. Rainer Thomasius Dr. Monika Thomsen Dr. Sina Trautmann Dr. Lutz Wartberg Dreiunddreißig Die Broschüre entstand im Rahmen des Forschungsprojekts „Beratungs- und Behandlungsangebote zum pathologischen Internetgebrauch in Deutschland“ am Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mit Unterstützung aus Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und wurde im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit aktualisiert. Kontakt Kontakt Virtuell: hallo@computersuchthilfe.info www.computersuchthilfe.info Kontakt Real: T 040 / 7410 - 59307 F 040 / 7410 - 56571 Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52 20246 Hamburg / Germany