Internetsucht – Informationsbroschüre für Erwachsene

Transcription

Internetsucht – Informationsbroschüre für Erwachsene
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung
1.1
1.2
1.3
1.4
Für
Wer
Was
Was
2.
Faszination: virtuelle Welt
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
Der rein funktionale Nutzen
Der emotionale Nutzen
Das Resultat
Smartphone – nie mehr offline?
Immer das Smartphone im Blick
– wie soll das in allen Lebenssituationen funktionieren?
wen
wir
wir
wir
wir sind
sind
wollen
bieten
3.
Übermäßiger Konsum
3.1
3.2
3.3
3.4
Erste Signale
Wichtige Fragen
Wichtige Antworten
Die grundlegende Entscheidung
4. Mit Methode zu einem verantwortungsvollen Umgang
4.1 Der erste Schritt:
Soziale Unterstützung hilft
bei der Selbstkontrolle
4.2 Der zweite Schritt:
Zuverlässige Selbstkontrolle
braucht zuverlässige
Selbstbeobachtung
4.3 Der dritte Schritt:
Weisen Sie Ihrem Computer einen
neuen Platz zu!
4.4 Der vierte Schritt:
Aktivieren Sie sich selbst!
Einleitung
5. Das passiert, wenn man die
Kontrolle über die eigene
Computernutzung verliert
5.1 Ein Betroffener erzählt
5.2 Aus Internetnutzung wird
Internetsucht
6. Wann ist es Sucht?
6.1
6.2
6.3
6.4
Suchtkriterien
Der Test
Die Auswertung
Ein Fallbeispiel
7. Unterstützung
7.1
7.2
7.3
7.4
7.5
Gängige Vorbehalte
Die Vorteile
Eine Motivationshilfe
Ein Fallbeispiel
Wo man Unterstützung findet
8. Die Therapie
8.1 Das Ziel
8.2 Die ambulante Therapie
8.3 Die stationäre Therapie
Diese Broschüre wendet sich an Menschen, die viel Zeit im Internet verbringen oder am Smartphone sind. Sie betrifft aber auch Menschen, die viel am
Computer oder an Spielkonsolen spielen. Wir haben diese Broschüre erstellt,
damit diese Personen ihr Verhalten auf der Basis seriöser Information für
sich prüfen können. Viele Menschen sind in Sorge, dass sich durch übermäßigen Internetgebrauch ein Suchtverhalten entwickeln kann. Dieses
Suchtverhalten kann Betroffene dazu bringen, sich vor lauter ernsthaften
Folgeproblemen nicht mehr selbst helfen zu können. Die Sorge ist berechtigt,
denn wir kennen und behandeln solche Menschen.
Fazit & Impressum
Notizen
Kontakt
Zwei
Einleitung
1.2 Wer wir sind
Wir sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Forschungsprojektes im
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Unsere Aufgabe war es, Informationen über suchtartigen Internet- und
Computergebrauch zu sammeln, sogenannten „pathologischen Internetgebrauch“
(auch als „Computersucht“ oder „Internetsucht“ bezeichnet). Wir haben
im Auftrag des Bundesministeriums
für Gesundheit (BMG) diese Broschüre erstellt und sie vor kurzem mit
Unterstützung der Krankenkasse DAKGesundheit aktualisiert. Der größte
Anteil des Inhalts dieser Broschüre
wurde von erfahrenen Therapeutinnen
und Therapeuten beigetragen, die wir
als Experten hinzugezogen und befragt
haben.
1.3 Was wir wollen
Wir wollen, dass Menschen sorgenfrei
Spaß im Internet oder an Computerund Konsolenspielen haben können.
Wir wollen, dass ihnen nicht der
Spaß dabei verloren geht, weil sie
die Kontrolle verlieren. Die Kontrolle verlieren kann Probleme oder
sogar Verluste bedeuten: Verlust des
Arbeitsplatzes oder von Karrierechancen wegen übermäßiger Internetnutzung,
Verlust von Freunden/Freundinnen und
Lebenspartnern/-partnerinnen oder an-
Drei
Faszination virtuelle Welt
deren Freizeitaktivitäten (die Ihnen
früher wichtig waren), Probleme in der
Familie wie Streit mit Angehörigen,
Verlust von Lebenszufriedenheit und
Selbstachtung. Das können wir gemeinsam vermeiden.
Die Faszination des Internets ist ungebremst und die Möglichkeiten des
Internets erscheinen nahezu grenzenlos. Es gibt zwei Seiten des Internetund Computergebrauchs: (1) den funktionalen Nutzen und (2) den Nutzen
zum eigenen Vergnügen.
1.4 Was wir bieten
Wer aktuell einen sehr großen Teil
seiner Zeit im Internet, am Smartphone
oder am Computer verbringt, kann das
ändern. Wenn sich aus einer sehr intensiven Internet- oder Computernutzung bereits Probleme ergeben haben,
lassen sich diese Entwicklungen mit
einer Veränderung des Verhaltens positiv beeinflussen. Mit den Informationen aus dieser Broschüre können
Sie Ihre persönliche Situation auf
mögliche Risiken und Gefahren prüfen.
Falls Sie für sich Handlungsbedarf
feststellen, finden Sie konkrete Ratschläge zur Selbsthilfe. Falls Sie
Unterstützung brauchen, zeigen wir
Ihnen, wie Sie kompetente Beratung
oder Behandlung finden.
2.1 Der rein funktionale Nutzen
2.2 Der emotionale Nutzen
Es ist heutzutage unbestreitbar, dass
die Nutzung von Internet, Smartphone
und Computer zum Alltag dazugehören.
Wir benötigen das Internet und den
Computer
Über den funktionalen Nutzen des Internets und Computers hinaus können
wir…:
• im Beruf, in der Ausbildung oder im
Studium und privat
• zum Recherchieren (z.B. Informationen
zu einem bestimmten Thema, Bahn- und
Flugreisen, Nachrichten),
• zur Vorbereitung von Prüfungen,
• zum Online-Banking oder
• zur elektronischen Verwaltung und
Sicherung der eigenen Dokumente,
Fotos und Studiendaten.
Ein gezielter und kontrollierter Einsatz des Internets ist wichtig, um den
Anschluss zu behalten und Fähigkeiten
zu erweitern, die in unserer Gesellschaft und im Berufsleben inzwischen
als selbstverständlich und notwendig
erachtet werden.
• … uns zu jeder beliebigen Tageszeit
alle nur denkbaren Informationen
„ergoogeln“,
• … online kaufen, was das Herz
begehrt,
• … jederzeit mit jedermann über Messenger, Chat oder E-Mails in Kontakt
treten,
• … uns Filme und Musik herunterladen
oder ansehen/anhören (Streaming),
• … unbegrenzt in virtuellen Welten
gegen virtuelle Kreaturen kämpfen,
• … in Rollenspiele eintauchen und
fremde Identitäten annehmen.
Vier
Faszination virtuelle Welt
Hinzu kommen eine Reihe anderer positiver „Nebenwirkungen“:
• Wir können vom Alltag abschalten und
in eine andere Welt entschwinden.
• Der Streit in der Familie oder mit
dem Partner/der Partnerin über das
Fernsehprogramm oder andere Themen
muss gar nicht erst ausbrechen, wenn
wir uns an den Computer zurückziehen.
• Langeweile kommt aufgrund des vielfältigen Angebots des Internets nicht
auf.
• Beim Chatten, über TeamSpeak oder
Skype, in Foren oder in Online-Spielen
können wir mit anderen Menschen in
Kontakt treten, obwohl wir ja eigentlich allein vor dem Computer sitzen.
• Außerdem können wir durch Erfolge
im Internet (z.B. Fortschritte in Online-Spielen oder erfolgsversprechende
Kontakte in Single-Börsen) die Anerkennung finden, die einem im Alltag
(im Beruf oder in der Partnerschaft)
möglicherweise verwehrt bleibt.
2.3 Das Resultat
Da das so gut und beinahe mühelos funktioniert, wird der Besuch im Internet…
• …immer häufiger und zur Gewohnheit
• es braucht keinen Gang ins Kino
• kein Aufrappeln fürs Fitnessstudio
• keine Treffen mehr mit Familie und
Freunden
• keine gemeinsamen Mahlzeiten
• kein Gespräch mit der Partnerin oder
dem Partner mehr.
Und weil der Bildschirm so gut ablenkt,
Faszination virtuelle Welt
merken wir gar nicht, dass wir seit
Wochen abends nicht mehr außer Haus
gegangen sind. Wir übersehen, dass uns
die Arbeit schwerer von der Hand geht,
weil wir übermüdet vom nächtlichen
Internetbesuch sind. Beschäftigen sich
vielleicht schon die eigenen Gedanken
fast ausschließlich mit den Inhalten
des Internets?
2.4 Smartphone – nie mehr
offline?
In den letzten Jahren hat sich durch
die Einführung von sogenannten mobilen Endgeräten (Smartphones, Tablets,
etc.) die Internet- und Computernutzung stark verändert. Wahrscheinlich
besitzen Sie selber ein Smartphone
ebenso wie die meisten Ihrer Bekannten oder Kollegen. Sie erinnern sich
sicher noch: Vor wenigen Jahren erfolgte der Zugang zum Internet noch
ausschließlich über einen Anschluss
an einem festen Ort in der Wohnung.
Später benötigten Sie an verschiedenen Orten noch jeweils den Zugang zu
einem WLAN-Netz um ins Internet zu
gelangen. Heute ist das alles komplett überflüssig geworden, mit Ihrem
Smartphone können Sie im Prinzip an
jedem Ort und zu jeder Zeit das Internet nutzen. Aktuelle Umfragen zeigen,
dass das bei den meisten Menschen dazu
geführt hat, das sie noch mehr Zeit als
vorher im Netz verbringen. Sich auszutauschen oder sich zu verabreden ohne
einen Messenger wie WhatsApp zu nutzen,
scheint für viele Menschen inzwischen
kaum mehr vorstellbar. Wenn Sie im
Bus oder in der Bahn sitzen, sehen Sie
sich um und achten Sie einmal ein paar
Minuten darauf, wie viele Menschen
nur noch mit gesenktem Kopf dasitzen,
um ja nichts auf Ihrem Smartphone zu
verpassen.
2.5 Immer das Smartphone im
Blick – wie soll das in allen Lebenssituationen funktionieren?
Viele Menschen verbringen inzwischen
sehr viel Zeit mit ihrem Smartphone.
Durch die Nutzung sind sie permanent
in Internetaktivitäten oder -inhalte eingebunden oder werden dadurch
von anderen Tätigkeiten abgelenkt.
Um dieser Ablenkung vorzubeugen werden beispielsweise in vielen Schulen
deshalb Smartphones inzwischen vor
Beginn des Unterrichts eingesammelt
und sind erst danach wieder für die
Schüler frei zugänglich oder sind sogar ganz auf dem Schulgelände verboten.
Dahinter steht der Gedanke, dass es
sonst den Schülern sehr schwer fällt,
sich noch ausreichend auf den Unterricht und den Lehrstoff zu konzentrieren. Im Beruf, der Ausbildung oder
dem Studium ist es ähnlich: Auch hier
ist es wichtig sich auf die Inhalte,
die aktuell bearbeitet werden sollen,
zu konzentrieren. Da es aktuell in
Deutschland keine einheitlichen (gesetzlichen) Richtlinien für Unternehmen gibt, entscheidet jede Firma
bzw. jeder Arbeitgeber selbst, wie mit
einer privaten Nutzung des Internets
umgegangen wird. Viele Arbeitgeber
sehen eine private Internetnutzung
während der Arbeitszeit kritisch, auf
der anderen Seite ist es für die Unternehmen schwierig beispielsweise
durchgängig ein Abschalten von Smartphones zu verlangen. Die Gefahr sich
großem Unmut bei den Angestellten einzuhandeln wird gefürchtet und wenn
beispielsweise ein Familienmitglied
einen (Verkehrs-) Unfall hatte, kann
eine vollständige Nicht-Erreichbarkeit über einen kompletten Arbeitstag
auch ausgesprochen problematisch sein.
Am erfolgversprechendsten erscheint
deshalb ein Kombinations-Modell: Die
Nutzung des Smartphones ist während
bestimmter Arbeitsvorgänge, bei denen
hohe Konzentration gefordert ist oder
auch während Besprechungen untersagt.
Andererseits darf in längeren Pausen
(wie in der Mittagszeit) das Telefon
auch privat genutzt werden. Dieses Modell geht allerdings davon aus, dass
die Angestellten ihre Internetnutzung
gut unter Kontrolle haben.
Haben Sie Ihre Internetnutzung immer
unter Kontrolle? ... Diese Frage ist
gar nicht so leicht zu beantworten.
(Es sei denn Sie sagen ohnehin: „Nein,
ich glaube ich bin da richtig süchtig
und verliere oft die Kontrolle.“)
Sechs
Übermäßiger Konsum
Übermäßiger Konsum
3.2 Wichtige Fragen
Nehmen Sie sich doch einmal 10 Minuten
Zeit, um sich folgende Fragen ehrlich
zu beantworten:
• Wie viel Zeit verbringe ich täglich im Internet?
Erste Signale für einen übermäßigen Internet-/Smartphone-/Computergebrauch sind häufig Fragen oder Kommentare aus dem eigenen sozialen
Umfeld, wie z.B.:
„Verschwindest Du schon wieder hinter den Computer?“
„Nie machst Du was mit uns, immer bist Du im Internet/hockst Du vor dem
Computer.“
„Interessierst Du Dich gar nicht mehr für uns? Ständig guckst Du auf Dein
Smartphone.“
„Isst Du schon wieder nicht mit uns gemeinsam, weil Du lieber am PC
spielen willst?“
„Du scheinst Dich mehr für Dein Smartphone zu interessieren, als für alles
andere.“
Aber vielleicht haben Sie sich auch selbst schon unwohl gefühlt wegen ihrer
vielen Zeit im Internet und sich vielleicht sogar vorgenommen, weniger
Zeit am Computer zu verbringen?
• Gibt es Dinge, die ich früher gern
gemacht habe und die ich seit einiger Zeit wegen der Internetnutzung
vollkommen vernachlässige?
• Empfinde ich überhaupt noch Interesse für etwas anderes als meine
Internetaktivitäten?
• Sitze ich oft viel länger am PC
oder nutze mein Smartphone, als ich
mir ursprünglich vorgenommen hatte?
• Wie häufig gibt es Streit mit
meinen Angehörigen wegen meiner
Internetnutzung?
• Habe ich noch Sozialkontakte in
der realen oder nur noch in der
virtuellen Welt?
• Wie würde es mir gehen, wenn ich
plötzlich keinen Zugang zum Internet mehr hätte?
3.3 Wichtige Antworten.
denken, den das Internet in Ihrem
Leben einnimmt. Haben Sie manchmal
das Gefühl, dass andere - vielleicht
auch wichtige – Dinge deswegen zu kurz
kommen?
Oder möchten Sie am liebsten diesen
Fragen ausweichen, so z.B. darauf hinweisen, dass es anderen ebenso geht wie
Ihnen und dass das einfach ein Hobby
von Ihnen sei, das Ihnen wichtig ist?
Selbstverständlich entscheiden Sie,
was Sie mit Ihrer Zeit anfangen wollen,
was Ihnen Spaß macht und was Ihnen
wichtig ist. Aber die Frage ist doch:
Sind Sie noch wirklich frei darin, zu
tun, was Sie wollen und wann Sie es
wollen?
3.4 Die grundlegende
Entscheidung
Wenn Sie einmal ganz ehrlich Bilanz
ziehen, könnte es sein, dass Sie zu
folgenden Schluss kommen: Irgendwie ist die ständige Internetnutzung
übertrieben, ist mehr, als eigentlich
gut für Sie ist. Aber es fällt Ihnen
schwer, sich zu begrenzen. Die Zeit
vor dem Computer vergeht wie im Fluge
und wenn Sie online sind können Sie
sie schlecht kontrollieren.
Wie geht es Ihnen bei diesen Fragen?
Möglicherweise sind Sie beunruhigt,
wenn Sie über den Zeitumfang nach-
Sieben
Acht
Mit Methode zu einem
verantwortungsvollen Umgang
Mit Methode zu einem
verantwortungsvollen Umgang
4.1 Der 1. Schritt:
Soziale Unterstützung hilft bei der
Selbstkontrolle
Wenn Sie das Gefühl haben, den Internet-/Smartphone-/Computergebrauch
schlecht kontrollieren zu können, möchten Sie vielleicht daran etwas ändern.
Wir schlagen Ihnen vier einfache Schritte vor, um wieder mehr Kontrolle
über Ihren Internet-/Smartphone-/Computergebrauch zu bekommen.
Neun
Teilen Sie Ihre Bedenken bezüglich Ihres Computergebrauchs und die Veränderungsvorhaben einer Vertrauensperson
mit. Dies können Familienangehörige
sein, aber auch der Lebenspartner, die
Arbeitskollegen oder Ausbildungsleiter, Freunde etc.
Es sollte aber auf jeden Fall jemand
sein, der oder die bereit ist, sich ihr
Vorhaben anzuhören und es zu unterstützen. Sie sollten vereinbaren, dass
diese Person Sie regelmäßig darauf
anspricht, ob Sie Fortschritte darin
gemacht haben, die Dauer Ihrer Internetnutzung oder Ihres Computerspielens
zu verringern. Sie können sich Ziele
setzen und die Erreichung dieser Ziele
gemeinsam prüfen. Schreiben sie die
vereinbarten Ziele auf einen Zettel.
Dadurch haben sie beide jederzeit die
Möglichkeit einzuschätzen, inwieweit
sie ihre Ziele schon erreicht haben
und welche nächsten Schritte anstehen. Das schriftliche Festhalten der
Vereinbarung schafft außerdem eine
höhere Verbindlichkeit. Ihre Vertrauensperson motiviert sie zusätzlich bei
Ihrem Vorhaben.
Setzen Sie sich gemeinsame Ziele!
Sich Ziele zu setzen und diese Ziele
auch gemeinsam zu vereinbaren, ist
eine hilfreiche Motivation, um diese Ziele auch zu erreichen. Hierfür
können Sie auch technische Hilfsmittel einsetzen, die dies zusätzlich
erleichtern:
Wenn Sie Ihre Administratorenrechte
an Ihrem Computer zeitweilig an Ihre
Vertrauensperson übertragen, können
Sie durch das Einrichten einer „Kindersicherung“ Ihr Internetverhalten
nachhaltig beeinflussen. Das benötigt nicht einmal Zusatzprogramme,
sondern das funktioniert auch über
Windows. Sie können Nutzungszeiten
festlegen oder auch bestimmte Programme und Anwendungen ganz sperren.
Wie Sie sicher selbst wissen, lassen
sich solche technischen Begrenzungen
auch immer umgehen oder rückgängig
machen, aber unter Umständen kann so
eine technische Beschränkung Ihrer
Internetnutzung am Anfang hilfreich
sein um eingefahrene Verhaltensmuster
zu durchbrechen. Für Ihr Telefon würde
sich die Festlegung von bestimmten
„smartphone-freien“ Zeiten anbieten.
Beispielsweise ist die Einnahme gemeinsamer Mahlzeiten mit der Familie für alle Beteiligten wesentlich
entspannter, wenn keine Smartphones
verfügbar sind (das gilt natürlich
auch für Ihre Angehörigen und deren
Telefone). Vereinbaren Sie mit ihrer
Vertrauensperson bestimmte Zeitabschnitte am Tag, in denen Sie auf Ihr
Zehn
Mit Methode zu einem
verantwortungsvollen Umgang
Mit Methode zu einem
verantwortungsvollen Umgang
Smartphone bewusst verzichten. Sie
könnten Ihr Telefon zu diesen festgelegten Zeiten, dann einfach ausschalten, dadurch wäre sichergestellt,
dass Sie es in dieser Zeit wirklich
nicht nutzen können. Klingt nach mehr
Langeweile? Am Anfang mag Ihnen das
so vorkommen, aber Sie werden merken,
dass Sie dadurch wieder Zeit und Kontrolle (zurück) gewinnen. Die eigene
Internetnutzung (besser) kontrollieren
zu können, ist definitiv ein Zeichen
von (Willens-)Stärke und kann Ihnen
in verschiedenen Lebenssituationen
hilfreich sein.
Voraussetzung dafür, dass diese Maßnahmen erfolgreich sein können, ist,
dass Sie das auch wirklich möchten und
sich an die Vorgaben halten. Letztlich
entscheiden Sie, wie viel Unterstützung Sie möchten und brauchen. Aber
vielleicht ist gerade zu Beginn etwas
mehr Kontrolle hilfreich.
4.2 Der 2. Schritt:
Zuverlässige Selbstkontrolle
braucht zuverlässige Selbstbeobachtung
Sie sollten sich die Frage stellen,
wofür und für wie lange Sie das Internet, das Smartphone und den Computer
wirklich dringend benötigen (z.B. für
Bankgeschäfte, Mailverkehr, Reiseplanungen, usw.).
Elf
Das Internet-Tagebuch
Mit Hilfe eines von Ihnen geführten
Internet-Tagebuchs bekommen Sie einen
guten Überblick über die täglich privat im Internet verbrachte Zeit, indem
Sie Angaben festhalten über:
• die inhaltliche Gestaltung (z.B.
spielen, surfen, Nachrichten schreiben,
Videos ansehen, mailen, telefonieren,
archivieren, ordnen, etwas downloaden
oder Filme ansehen)
und
• die Nutzungszeit (wann und wie lange
Sie an jedem Tag online sind).
Vielleicht kommt Ihnen das Führen eines solchen Internet-Tagebuchs erst
einmal umständlich und zeitaufwendig
vor. Buchführung ist allerdings ein
effektives Mittel zur Erlangung von
Kontrolle – jeder Kaufmann weiß das.
Wenn Sie Ihr Internet-Tagebuch eine
gewisse Zeit geführt haben, werden
Sie besser über Ihr Internetverhalten
Bescheid wissen als jemals zuvor.
Das Ampelmodell
Wenn Sie sich anschauen, was Sie über
ein bis zwei Wochen im Internet/am
Smartphone/am Computer gemacht haben,
können Sie beginnen jede einzelne Ihrer Internetaktivitäten nach ihrem
persönlichen Risiko einzuschätzen.
Sie können diese nach dem „Ampelmodell“, das aus der Verhaltenstherapie
kommt, einteilen.
Der grüne Bereich
Dieser bezieht sich auf den unbedenklichen und funktionalen Gebrauch des
Computers (z.B. berufsbezogene Nutzung,
Email-Korrespondenz oder Informationssuche mit klar definiertem Zweck,
Online-Banking).
Der gelbe Bereich
Dieser Bereich definiert Aktivitäten
am Computer, bei denen Vorsicht geboten ist, da sie in der Vergangenheit
Probleme mit sich gebracht haben (z.B.
Online-Aktivitäten alleine zuhause,
länger als eine Stunde, die Sie jederzeit selbst beenden können).
Der rote Bereich
Dieser bezeichnet Aktivitäten, die
so gefährlich für Sie sind, dass Sie
besser völlig auf sie verzichten
sollten, da sie zeitlich kaum für Sie
kontrollierbar waren (z.B. OnlineRollenspiele oder bestimmte andere
Computerspiele, spezielle Chat-Aktivitäten, sinnloses Surfen, exzessive
Informationssuche etc.).
Aktive Kontrolle
Jetzt können Sie beginnen, Ihr Verhalten mit einem Stundenplan aktiv zu
kontrollieren. Erlauben Sie sich pro
Tag ein genau festgelegtes Zeitkontingent (z.B. maximal 1-2 Stunden nach der
Arbeit) mit genau definierten Aufgaben.
Bringen Sie darin das Notwendige unter
(den grünen Bereich) und erlauben Sie
sich ruhig auch etwas Zeit, um Spaß
zu haben (gelber Bereich). Sie sollten
aber darauf achten, dass sich die Tätigkeiten aus diesem Bereich in klar
festgelegten Grenzen halten (und Sie
das feste, tägliche Zeitbudget nicht
überschreiten). Aber Aktivitäten, von
denen Sie wissen, dass Sie sie nicht
kontrollieren können (roter Bereich),
geben Sie in Ihrem Plan keinen Raum
mehr. Zusätzlich hilft es, wenn Sie
sich auf einem weiteren Zettel einmal
notieren, was für negative Konsequenzen aus den Internet-Aktivitäten im
roten Bereich entstanden sind (z.B.
„war morgens immer total übermüdet,
weil ich jeden Abend so lange gespielt
habe“ oder „gab ständig Streit mit
meinen Angehörigen, weil ich nie mit
ihnen zusammen essen wollte und mein
Smartphone nie aus der Hand gelegt
habe“). Hängen Sie sich zur Unterstützung der Umsetzung Ihres neuen
Vorhabens diese Liste der negativen
Konsequenzen gut sichtbar in Ihr Zimmer (z.B. über Ihren PC).
Zwölf
Mit Methode zu einem
verantwortungsvollen Umgang
4.3 Der 3. Schritt:
Weisen Sie Ihrem Computer einen
neuen Platz zu!
In Ihrer Wohnung gibt es vermutlich
einen Raum, in dem Sie sich am längsten aufhalten, wenn Sie nicht gerade
schlafen. Dort steht auch Ihr Computer.
Sie können dort allein und ungestört
Zeit vor dem Bildschirm verbringen.
Kann es sein, dass der Raum auf Sie
ganz unbelebt wirkt, wenn der Bildschirm nicht leuchtet?
Ein zentraler Platz, der Ihnen ganz
nahe ist, mag auch die Bedeutung des
Computers in Ihrem Leben widerspiegeln. Wenn Sie an der besonderen Bedeutung von Computeraktivitäten für
Ihr Leben etwas ändern wollen, kann es
durchaus sinnvoll sein, an der räumlichen Position des Computers etwas
zu ändern.
Wenn Sie z.B. in einer Familie leben,
sollte der Computer in einem Raum stehen, der auch von anderen Familienangehörigen genutzt wird, z.B. im Wohnzimmer. Wenn Sie keinen stationären
PC mehr haben, können Sie auch ganz
bewusst mit ihrem Tablet/Notebook
oder Smartphone zu den festgelegten
Nutzungszeiten ins Wohnzimmer gehen.
Damit wird eine heimliche Rückkehr
in alte Gewohnheiten verhindert oder
zumindest erschwert und das Veränderungsbestreben unterstützt. Auch für
diejenigen, die allein leben, kann
es sinnvoll sein, den Computer an
einem Ort aufzustellen, an dem man
sich nicht gern lange aufhält, wie im
Flur oder in der Küche. Und wenn Sie
Kontrollverlust
ein Notebook nutzen, umso leichter:
Das lässt sich nach Gebrauch in einer
Tasche verpacken und wegstellen. Auf
jeden Fall sollte der PC an seinem
neuen Platz nicht vom Bett aus zu
bedienen sein und Smartphone, Tablet,
etc. sollten ebenfalls nicht mehr im
Bett liegend genutzt werden! Diese
räumliche Veränderung in der Internetnutzung unterstützt die Motivation
und erhöht damit die Chance, die Zeit
vor dem Computer zu verringern und
dauerhaft gering zu halten.
4.4 Der 4. Schritt:
Aktivieren Sie sich selbst!
Aktivieren Sie sich gerade zu Anfang
für mindestens einen Abend in der Woche eine angenehme Aktivität/Unternehmung einzuplanen, bei der Sie auf
die Nutzung des Internets komplett
verzichten. Am einfachsten greifen Sie
dabei auf Aktivitäten zurück, die Sie
früher gern gemacht haben – selbst
wenn Sie jetzt spontan noch kein großes Interesse daran verspüren.
•
•
•
•
•
•
Herr G. (25):
„An meinem 8. Geburtstag war es so weit, ich bekam meinen ersten Gameboy
geschenkt. Erst wenige Mitschüler aus meiner Klasse hatten bereits einen
und so war ich ziemlich stolz über dieses Geschenk. Auch wenn dieser
Gameboy überhaupt nicht mit den Möglichkeiten heutiger Computerspiele
zu vergleichen ist, so übte er doch eine große Faszination auf mich aus.
Gehen Sie raus aus dem Haus,
machen Sie Sport,
gehen Sie Essen,
treffen Sie Freunde oder
gehen Sie ins Kino, ins Theater oder
auf ein Konzert.
Damit Ihr Leben ins Gleichgewicht
kommt, brauchen Sie ein Gegengewicht
an Aktivitäten, die auch ohne Internet
und Computer Spaß machen.
Vierzehn
Kontrollverlust
Kontrollverlust
Ich wollte dann immer auch die neuesten Versionen haben und war bitter
enttäuscht, wenn solch ein Wunsch
nicht erfüllt wurde. Später kamen
dann Computer-Spiele dazu. Eigentlich
war ich bis dahin ein ganz normaler
Junge.
Neben dem Spielen hatte ich Freunde,
dann auch meine erste Freundin. World
of Warcraft (WOW) war noch nicht lange auf dem Markt. Ich weiß noch genau,
wie ich mit vielen anderen im Februar 2005 angestanden hatte, um einer
der Ersten zu sein, die dieses Spiel
in den Händen halten. Meine Freundin wohnte in einem Nachbarort und
zunehmend fiel es mir schwer, mich
immer wieder aufzuraffen und mich
mit ihr zu treffen. Argumente gab es
viele – kein Geld für die Fahrkarte,
ich muss etwas Dringendes erledigen
– ich glaubte das selber. Eigentlich
wollte ich da schon meine Zeit mit
WOW verbringen. Wenn wir uns stritten,
war das ein willkommener Anlass, mich
zurückzuziehen. Als sie sich trennte,
hatte das wohl auch schmerzliche Momente – ich weiß gar nicht, ob ich das
damals auch so realisierte. Bei WOW
hatte ich alles, was ich brauchte, unendliche Möglichkeiten und viele Kontakte zu Gleichgesinnten. Ich war ganz
im Banne der Welt Azeroth. Mit jedem
Quest tauchte ich tiefer ein. Hatte
ich ein Quest erfüllt, dann wartete
schon das nächste. Mit dem Gründen
der Gilde war eine ganz neue Qualität
eingezogen. Jeder hatte Verantwortung
Fünfzehn
für den anderen, meine Handlungen und
vor allem meine Präsenz im Spiel waren wirklich wichtig geworden. Wir
machten Pläne und erledigten Quests.
Das Gymnasium hatte ich abgebrochen –
von zu Hause war ich ausgezogen.
Meine Mutter unterstützte mich eine
Zeit lang finanziell. Anfangs spielten auch viele meiner Freunde aus
dem Wohnumfeld WOW. Dies wurde weniger, sie engagierten sich beruflich
oder heirateten – wie spießig, dachte
ich, aber es kamen viele neue Kontakte durch das Spielen hinzu. Und
die nervten auch nicht, indem sie
plötzlich vor meiner Tür standen und
etwas unternehmen wollten. Und wenn
sie mich nervten, schaltete ich sie
einfach ab. Zuletzt sah ein typischer
Tagesablauf so aus: Ich stand meist
gegen Nachmittag auf – ich war morgens
erst zu Bett gegangen – und setzte
mich an den Computer, den ich längst
nicht mehr ausschaltete. Der Wasserkocher und eine große Büchse Cappuccino standen direkt neben dem Computer.
Geduscht oder auch Zähne geputzt habe
ich meist nicht – es war ja eh keiner
da. Gegessen habe ich viel Süßkram –
mal habe ich mir Toastbrot gemacht,
aber hauptsächlich habe ich mich von
Cappuccino ernährt. Wenn mir die Augen zufielen, bin ich meist schlafen
gegangen – aber ich habe auch mal
ein, zwei Tage durchgespielt oder bin
direkt am Schreibtisch eingeschlafen.
Der Spaß war kaum noch da, es war eher
ein Zwang – ich fühlte mich zeitweise
wie ferngesteuert – immer derselbe
Ablauf – ich durfte nichts verpassen.
Klar gab es auch die Anerkennung der
Mitspieler, aber die interessierte
mich nicht mehr. Die Versuche auszubrechen wurden seltener. Wenn es
klingelte, machte ich nicht auf. Rechnungen bezahlte ich nicht. Briefe vom
Arbeitsamt flogen ungeöffnet in den
Papierkorb. Dann wurde der Ablauf
durchbrochen.
für einen Computer ich mir wohl von
meinem Arbeitslohn kaufen könnte.“
Eines Morgens war der Computer aus –
man hatte mir den Strom abgeschaltet.
Ich hatte nie eine Rechnung bezahlt.
Meine Stimmung wechselte zwischen
Wut und Verzweiflung. Ich rief meine
Mutter an. Sie kam prompt und war
ziemlich entsetzt. Ich hatte da auch
nicht die Kraft mich zu wehren und
so trottete ich mit ihr zur Arbeitsagentur – die hatten mir inzwischen
auch das Geld gekürzt, weil ich die
Termine versäumt hatte.
Meine Mutter versprach der Frau, dass
sie mit mir zu einer Beratungsstelle
gehen würde. Damit begann die Wende,
auch wenn mit zunehmenden Kräften
auch meine Widerstände wuchsen. Mir
war alles zu viel, gern hätte ich
mich wieder einfach an den Computer
gesetzt, um dem Ganzen zu entfliehen.
Heute, nach der stationären Therapie,
bin ich noch lange nicht über den Berg.
Häufig muss ich mich zwingen, den Alltag zu bewältigen. Ich habe inzwischen
eine Lehre angefangen und manchmal
erwische ich mich bei Phantasien, was
Sechzehn
Kontrollverlust
5.2 Aus Internetnutzung wird
Internetsucht
Die Grenze zwischen noch angemessenem und nicht mehr angemessenem (so
genanntem pathologischem) Internet-,
Smartphone- und Computergebrauch ist
schleichend und fließend. Man bemerkt
diesen Übergang zur Sucht kaum.
Und genau darin steckt die Gefahr.
Herr G. hat diesen Übergang auch erst
bemerkt, als ihm der Strom abgedreht
wurde. Erst dieses Ereignis und die
Unterstützung seiner Mutter ließen
ihn aufwachen und verstehen, dass
er ernsthafte Suchtprobleme hatte.
Und das Gute daran: Er entschied sich
zu einer Therapie und durchbrach den
Teufelskreis.
Das Internet ist voll von Scherzen
über Internetsucht. Spielezeitschriften werben beispielsweise damit, dass
ein Computerspiel suchterzeugend (=
aufregend und unterhaltsam) sei. Damit
wird „Sucht“ verharmlost, denn Sucht
ist mehr als das Luxusproblem der Unlust, einem übermäßigen Vergnügen widerstehen zu wollen. Die Bezeichnung
„Internetsucht“ oder „pathologischer
Internetgebrauch“ ist dann zutreffend,
wenn aus übermäßigem Internetgebrauch
eine Krankheit wird, weil die Betroffenen ihre Internetaktivitäten, also
das Chatten, das Spielen am Computer
oder das Aufsuchen von Seiten mit sexuellen Inhalten im Internet nicht
Siebzehn
Wann ist es Sucht?
mehr beeinflussen können. Und dass,
obwohl diese Art der Internetnutzung
bereits ernsthafte Probleme hervorruft, wie z.B.
• das Scheitern in Ausbildung und
Beruf (Verlust des Ausbildungsoder Arbeitsplatzes, Abmahnungen,
aufgrund von Übermüdung gemachte
Fehler etc.),
• das Scheitern von Ehe oder Beziehung und/oder
• die Vernachlässigung von Familie
und Freunden oder Freizeitaktivitäten (die Ihnen vorher wichtig waren)
• vermehrt Konflikte mit Angehörigen, die sich häufig in erster Linie um Ihre Nutzung des Internets/
Computers drehen.
Wie kann also festgestellt werden, ob eine Suchterkrankung vorliegt?
Da es sich bei Computersucht um eine stoffungebundene Abhängigkeitserkrankung (z.B. Alkoholismus ist dagegen stoffgebunden) handelt, lassen
sich Symptome und Merkmale einer Abhängigkeitserkrankung auch auf
die Internetsucht übertragen.
Achtzehn
Wann ist es Sucht?
6.1 Suchtkriterien
1. Es besteht ein starker Wunsch oder eine Art innerer Zwang, der jeweiligen
Aktivität im Internet (Computerspiele, Nutzung sozialer Netzwerke oder von
Messengern, Nutzung von Seiten mit sexuellen Inhalten) nachzugehen.
2. Der Beginn, die Dauer und die Beendigung dieser Tätigkeiten können nur
noch schlecht oder sogar gar nicht mehr kontrolliert werden (Kontrollverlust).
3. Bei Verzicht auf diese Aktivitäten treten Entzugssymptome wie innere Unruhe,
Schlafstörungen, Gereiztheit, Aggressivität oder andere deutliche negative
Veränderungen der Gefühle und/oder des Körperempfindens auf.
Wann ist es Sucht?
6.2 Der Test
Um nun genau identifizieren zu können, ob eine professionelle Hilfe
ist, haben wir folgenden Fragebogen erstellt. Wenn Sie eine Aussage
Test lesen, die auf Sie zutrifft, dann markieren Sie diese für sich.
Sie spontan und ehrlich mit „Ja“ oder „Nein“. Bitte machen Sie sich
noch keine Gedanken zur Auswertung, das folgt nach dem Test.
notwendig
in diesem
Antworten
vor allem
-> Treffen folgende Aussagen auf Sie zu?
4. Um die ursprüngliche Wirkung (angenehme Gefühle, Entspannung etc.) des
spezifischen Internetgebrauchs zu erreichen, muss immer länger und/oder
mit immer intensiveren Reizen dieser Internetaktivität nachgegangen werden
(Toleranzentwicklung). Im Umkehrschluss werden die ursprünglich positiven
Empfindungen kaum noch oder nur noch in geringer Ausprägung und/oder für sehr
kurze Dauer erreicht.
1) Der Wunsch den Computer zum Spielen, Chatten oder
zum Besuch von Sexseiten zu nutzen ist immer stärker
geworden.
-> Ja/Nein
2) Ich kann mir ein Leben ohne Internet bzw. Computer
nicht mehr vorstellen.
-> Ja/Nein
5. Durch den erhöhten Zeitaufwand für die Internet-/Smartphone-/ComputerNutzung werden andere Interessen vernachlässigt oder gar nicht mehr als
solche wahrgenommen. Oder anders ausgedrückt: Aktivitäten in der virtuellen
Welt werden wichtiger als die Aktivitäten in der Realität.
3) Ich nutze das Medium immer öfter und immer länger.
-> Ja/Nein
4) Häufig nutze ich das Internet oder den Computer länger als ursprünglich geplant.
-> Ja/Nein
5) Nur am Computer kann ich wirklich abschalten.
-> Ja/Nein
6) Andere haben mich schon auf meinen hohen Internet-/
Computergebrauch angesprochen.
-> Ja/Nein
7) Ein Tag ohne Computer ist ein verlorener Tag.
-> Ja/Nein
8) Wenn ich die Wahl habe, dann ziehe ich eine Aktivität
am Computer vor.
-> Ja/Nein
9) Selbst wenn ich es mir vorher fest vornehme, kann ich
die Internettätigkeit nicht zum festgelegten Zeitpunkt
beenden.
-> Ja/Nein
10) Ich habe schon Termine nicht eingehalten, um meine
Computer-/Internetbeschäftigung nicht zu unterbrechen.
-> Ja/Nein
6. Obwohl bereits schädliche Folgen des übermäßigen Computergebrauchs auftreten, wird dieser fortgesetzt. Es können einerseits psychosoziale Folgen sein
(wie beispielsweise Probleme am Arbeits- oder Ausbildungsplatz, Konflikte oder
Trennungen in Partnerschaften, finanzielle Probleme, Vernachlässigung des
Haushalts und von Behördengängen, Verringerung realer Sozialkontakte bis hin
zur Vereinsamung oder sozialen Isolation, Depression, Ängste), andererseits
aber auch körperliche Folgen (wie Erschöpfung, massive Muskelverspannungen,
regelmäßig Schwielen an den Handballen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Abmagerung /Fettsucht, Schlafmangel, allgemeine körperliche/hygienische Vernachlässigung, Schmerzen in den Handgelenken und Sehnenscheidenentzündungen,
Tagesmüdigkeit mit Leistungseinbußen).
-> Werden mindestens 3 der 6 Kriterien erfüllt, ist es möglich, dass ein pathologischer Internetgebrauch oder eine Internetsucht besteht. In diesem Fall ist
die Grenze der Selbsthilfe erreicht und professionelle Unterstützung könnte
vonnöten sein.
Neunzehn
Zwanzig
Wann ist es Sucht?
Wann ist es Sucht?
11) Meine Mahlzeiten nehme ich überwiegend vorm Computer
ein.
-> Ja/Nein
12) Andere Freizeitinteressen als den Computer habe ich
nicht.
-> Ja/Nein
13) Durch die intensive Beschäftigung mit dem Internet
erreiche ich keine wirkliche Freude oder
Befriedigung.
-> Ja/Nein
14) Ich habe meine Familie und Freunde zunehmend
vernachlässigt.
-> Ja/Nein
15) Ich bin sozial ziemlich isoliert.
-> Ja/Nein
16) Wenn ich das Internet nicht nutzen kann, dann werde
ich unruhig, nervös oder auch aggressiv.
-> Ja/Nein
17) Ich habe keinen regelmäßigen Schlafrhythmus mehr
durch den Internet-/Computergebrauch.
-> Ja/Nein
18) Es ist schon häufig vorgekommen, dass ich meine Körperhygiene vernachlässigt habe.
-> Ja/Nein
19) Ich habe in der Schule, Ausbildung oder Arbeitsstelle Fehlzeiten wegen des Internetgebrauchs.
-> Ja/Nein
20) Ich habe wegen des Internetgebrauchs meine Schule/
Ausbildung abgebrochen oder meinen Arbeitsplatz verloren bzw. selbst gekündigt.
-> Ja/Nein
21) Wenn ich mich mit anderen Dingen beschäftige,
kreisen meine Gedanken um die Internet-/
Computeraktivitäten.
-> Ja/Nein
22) Ich habe schon versucht, mein Verhalten zu ändern,
aber es gelingt mir nicht oder immer nur kurzzeitig.
-> Ja/Nein
-> Ihr Ergebnis folgt auf der nächsten Seite
Einundzwanzig
6.3 Die Auswertung
Sollten Sie von den ersten 11 Fragen
mehr als 4 mit „Ja“ beantwortet haben, kann bereits ein problematischer
Internet- bzw. Computergebrauch vorliegen und wir würden Ihnen empfehlen
Ihren Internet- bzw. Computergebrauch
zu kontrollieren (siehe Kapitel 4) und
falls hierdurch keine merkliche Besserung eintritt über eine zusätzliche
Unterstützung nachzudenken.
Sollten Sie von den Fragen 12-22 mehr
als fünf Fragen mit Ja beantworten,
dann sollten Sie sich auf jeden Fall
Unterstützung holen.
>>>
Zweiundzwanzig
Wann ist es Sucht?
Unterstützung
6.4 Ein Fallbeispiel
„Mein Name ist Heike Müller, ich bin 38
Jahre alt und arbeite in einer PR- und
Marketingabteilung eines großen Industrieunternehmens. Ich bin von Beruf
Mediendesignerin und gestalte derzeit
das Layout des unternehmensinternen
Mitarbeitermagazins.
Ich empfinde meine Arbeit als wenig
kreativ, da der Stil des Unternehmens,
in dem ich arbeite, stark konservativ geprägt ist. Das war der Grund,
warum ich mich auf die Suche nach
einem weiteren Tätigkeitsfeld begeben
habe, in dem ich meine gestalterische
Kreativität ausleben kann. So bin ich
im Internet auf die virtuelle Welt
von „Second Life“ gestoßen, die mich
von Anfang an faszinierte und mich in
ihren Bann zog. Binnen kürzester Zeit
eignete ich mir – begünstigt durch
meine beruflichen Erfahrungen – die
erforderlichen Fähigkeiten im Umgang
mit den kreativen Tools an, um selbst
gestalterisch tätig werden zu können.
In den ersten Monaten meiner abendlichen Online-Aktivität gründete ich
in der Welt von Second Life mehrere
kleine Unternehmen, unter anderem ein
Tattoo-Studio und einen Schmuckladen.
de durch keinerlei Vorgaben in meiner
Kreativität beschränkt. Im Laufe der
Zeit blieb ich immer länger in Second
Life. Ich verbrachte dort in der Woche
insgesamt häufig mehr Zeit als an
meinem realen Arbeitsplatz. Oft war
ich die ganze Nacht online, so dass
mein reales Leben immer mehr in den
Hintergrund rückte und Second Life
zu meinem ersten Leben wurde.
Um mich wach zu halten, trank ich viel
Kaffee, bis ich in den frühen Morgenstunden so müde war, dass ich meine
Augen nicht mehr aufhalten konnte.
Dann verfiel ich immer in einen solchen Tiefschlaf, dass ich mehrmals zu
spät zu meiner Arbeit kam. Dann habe
ich versucht, mich abends zeitlich zu
beschränken, habe es aber nicht geschafft, blieb weiterhin ewig im Netz,
die Zeit verging wie im Fluge und ich
fing sogar an, bis zu zwei Flaschen
Rotwein zu trinken. Kollegen sprechen
mich schon an, was mit mir los sei und
ich stehe kurz davor, eine 2. Abmahnung zu erhalten, da meine Zuverlässigkeit und meine Arbeitsleistungen
aufgrund meiner Dauerübermüdung stark
zu wünschen übrig lassen …“
Bevor die Frage angesprochen wird, wie Sie Unterstützung (also Beratung
oder Therapie) bekommen, sollen zunächst ein paar Bedenken angesprochen
werden, die Menschen häufiger haben, wenn sie Berater oder Therapeuten
aufsuchen. Denn bevor ein erstes beratendes Gespräch wegen der übermäßigen Internetnutzung gesucht oder gar mit einer Therapie begonnen
wird, gibt es zahlreiche Bedenken, die nicht selten entscheidende Schritte
verhindern.
In dieser Beschäftigung habe ich endlich die Befriedigung gefunden, die
mir in meiner beruflichen Tätigkeit
bisher verwehrt geblieben ist. In Second Life konnte ich auf einmal meiner
Phantasie freien Lauf lassen und wurDreiundzwanzig
Vierundzwanzig
Unterstützung
Welche Bedenken könnten das sein?
„Andere sitzen doch auch stundenlang am
Computer. Ich muss nur einfach weniger
spielen/chatten.“
Das Gefühl, die Kontrolle über das
eigene Verhalten zu verlieren, macht
Angst. Und wegen der eigenen Internetnutzung auch noch zu einem Therapeuten oder Arzt zu gehen ist peinlich.
Viele Betroffene versuchen deshalb
sich selbst und Angehörigen einzureden, dass sie alles im Griff haben und
keine Hilfe brauchen.
„Was soll ich denn in der Beratungsstelle sagen, das versteht doch eh
keiner, die kennen sich damit nicht
aus!“
Suchtberater und Therapeuten kennen
sich auf jeden Fall damit aus, zuzuhören, Probleme zu erfassen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen
„Ich bin doch nicht so wie ein
Alkoholiker.“
Über Suchterkrankungen gibt es viele Vorurteile, die sich jedoch rasch
verändern, wenn man sich mit dem Thema
(Internet-)Sucht beschäftigt. Professionelle Helfer haben ein umfassendes
Verständnis für Suchterkrankungen und
vermitteln dieses den Betroffenen und
Angehörigen.
„Darf ich dann nie wieder an den
Computer?“
Man kennt das von Drogen- oder Alkoholabhängigen, dass sie vollständig
Fünfundzwanzig
Unterstützung
aufhören müssen zu konsumieren (=Abstinenz). Das schürt Angst, da das
Internet einen sehr großen Teil des
Lebens über einen längeren Zeitraum
eingenommen hat. Letztlich entscheidet
immer der Betroffene selbst wie viel
Zeit er zukünftig im Internet oder
am Computer verbringen will (unter
Umständen ist ein Verzicht auf die
Nutzung spezifischer Anwendungen, beispielsweise bestimmter Computerspiele
ausreichend). Eine vollständige Internet-Abstinenz ist heutzutage (auch
in Ausbildung und Beruf) nicht mehr
vorstellbar. Aber im Ampelmodell haben
Sie ja sicher auch schon gesehen, dass
unterschiedliche Internetanwendungen
ein starkes oder ein eher geringes
„Suchtpotenzial“ haben.
„Darüber spricht man nicht.“
Über einige mögliche Inhalte des Internets (z.B. Onlinepornographie) mag
man nicht mit jedem sprechen. Oder wenn
im eigenen Leben aktuell ein Chaos an
unerledigten Dingen und peinlichen
Versäumnissen herrscht?! Gerade weil
man sich vielleicht schämt, selbst mit
den nahen Freunden darüber zu sprechen,
sollte man einen Profi aufsuchen. Was
für mich selbst vielleicht peinlich
und unangenehm zu erzählen ist, ist
für den Berater oder Therapeuten Alltag. Im Übrigen steht die Schweigepflicht bei Beratung und Therapie im
Vordergrund.
7.2 Die Vorteile
7.2 Die Vorteile
Eine Beratung beansprucht im Durchschnitt weniger als eine Stunde realer
Zeit, kann aber viele Stunden realer
wie auch virtueller Lebenszeit retten. Wenn es einem Betroffenen darum
geht, sein Spielverhalten oder sein
Internet-/Smartphone-/Computernutzungsverhalten wieder in den Griff zu
bekommen und in geordnete Bahnen zu
lenken, ist die Zeit für eine Beratung
gut investiert, wenn der Betroffene
dabei erkennt, dass er eine Veränderung wirklich will und dass diese
möglich ist.
Ziel ist, dass der Aufenthalt in der
virtuellen Welt wieder zu dem wird,
was er anfänglich war, nämlich eine
Ergänzung und Bereicherung des realen
Lebens und nicht dessen Ersatz.
An dieser Veränderung haben fast alle
Klienten, die zu einer Beratung wegen
eines übermäßigen Internetgebrauchs
kommen, ein großes Interesse. Es steht
zu vermuten, dass dieser Wunsch bei
vielen Betroffenen, die noch bei keiner Beratung waren, ebenfalls vorhanden ist. Wer sich nach einer ersten
Beratung entschließt, weitere Gesprächstermine oder Gruppenangebote
in Anspruch zu nehmen oder eine ambulante oder stationäre Therapie zu
machen, findet bei der Beraterin bzw.
dem Berater professionelle Unterstüt-
zung und Begleitung in diesem Prozess.
Wer sich gegen diesen Weg entscheidet, hat eine Stunde seines Lebens
investiert, die aber nicht verloren
ist. Es ist immer sinnvoll, die Wege
und Möglichkeiten zu kennen, die sich
einem eröffnen, wenn man eine Veränderung anstrebt. Das gilt auch wenn
zum aktuellen Zeitpunkt noch keine
ausreichende Motivation vorliegt, diese Veränderung auch schon umzusetzen.
7.3 Eine Motivationshilfe
Generell ist für Betroffene das Denken
in kurzen Zeitabschnitten hilfreich.
Es ist besser, sich Gedanken zu machen,
ob es nicht möglich wäre, heute den
Gebrauch des Internets zu reduzieren,
um beispielsweise zu einer Beratung
zu gehen, als darüber nachzudenken,
ob ich für den Rest meines Lebens auf
das Online-Rollenspiel, mit dem ich
am meisten Zeit verbracht habe (z.B.
World of Warcraft), verzichten kann.
Betroffene sollten sich selbst die
Chance geben, diesen Weg einer verminderten Internetnutzung wenigstens
einmal auszuprobieren. Falls er ihnen
gefällt, können sie ihn weiter gehen,
falls nicht, eine Rückkehr in das alte
Verhaltensmuster ist jederzeit möglich, davon kann sie kein Therapeut
der Welt abhalten.
Sechsundzwanzig
Unterstützung
Unterstützung
7.4 Ein Fallbeispiel
Herr M. ist 19 Jahre alt und hat bereits seit seinem achten Lebensjahr
an unterschiedlichen Spielkonsolen
wie PlayStation 2 und Xbox 360 gespielt. Er berichtet, dass er schon
immer sehr gerne gespielt habe, dass
jedoch sein Konsolenspielverhalten
bis auf wenige exzessive Phasen immer unter Kontrolle gewesen sei. Zu
seinem 16. Geburtstag erhielt er einen Hochleistungsrechner und begann
auch auf dem Computer zu spielen. Er
entschied sich zum Kauf des OnlineTaktik-Shooters „Counter-Strike“ (CS),
eine Entscheidung, die er selbst als
seinen Untergang bezeichnet. Grund
hierfür sei gewesen, dass er binnen
kurzer Zeit mehr als doppelt so viel
spielte wie früher und jede freie
Minute im Spiel verbrachte. Das Spiel
habe ihm in den ersten zwei Jahren
immer große Freude bereitet und auch
7.5 Wo man Unterstützung findet
heute sei diese Faszination für
„Counter-Strike: Global Offensive“
ungebrochen. Seine Wochenspielzeit
gibt er mit 50 bis 70 Stunden an. Die
Problematik, die ihn zu einer Beratung motiviert hat, ist sein extremer Leistungsabfall im Gymnasium und
das Bewusstsein, dass sein Abitur in
großer Gefahr ist. Grund hierfür ist
seine Unpünktlichkeit und der vollständige Verzicht auf das Erledigen
seiner Hausaufgaben und Prüfungsvorbereitungen. Hinzu kommen ständige Auseinandersetzungen mit seiner
alleinerziehenden Mutter, die sein
exzessives Spielverhalten von acht
bis zehn Stunden pro Tag zwar nicht
toleriert, aber auch nichts Konkretes
dagegen unternimmt.
Wenn Sie die Entscheidung getroffen
haben, mit einem professionellen Helfer über die Probleme im Zusammenhang
mit dem Internetgebrauch zu sprechen,
sollte jemand aufgesucht werden, der
für Sie gut und ohne längere Anmeldezeit erreichbar ist. Dies kann sein…
• das wirkliche Ausmaß der Problematik einzuschätzen,
• Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin
• Eine Suchtberatungsstelle
(Die Gesprächsangebote von Beratungsstellen staatlicher, kirchlicher
oder freier Träger sind in der Regel
kostenlos)
Adressen von spezialisierten Einrichtungen in ganz Deutschland erhalten
Sie auf der Internetseite:
• „Erste-Hilfe“-Maßnahmen (beispielsweise den Computer aus der
Wohnung entfernen) einzuleiten,
• Entscheidungshilfe zu der Frage
zu erhalten, ob eine ambulante oder
stationäre Therapie erforderlich
ist,
• gegebenenfalls die angemessenen
therapeutischen Maßnahmen gemeinsam
zu beantragen.
www.computersuchthilfe.info
oder über den Fachverband
Medienabhängigkeit:
www.fv-medienabhaengigkeit.de
Siebenundzwanzig
Es ist allerdings nicht ausschlaggebend, ob die erste Anlaufstelle bereits spezialisiert für Fragen zum
pathologischen Internetgebrauch ist.
Vielmehr geht es darum, im Gespräch
Von dort kann der Weg in eine Therapie
bei einem ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten führen oder
in eine andere Maßnahme.
Achtundzwanzig
Die Therapie
Die Therapie
8.2 Die ambulante Therapie
Eine Therapie verfolgt das Ziel, den pathologischen (also krankhaften) Internetgebrauch beenden zu können sowie Hintergründe für die Entstehung
der Problematik zu erkennen und eventuell auch zu verändern. Für eine
Therapie dieses Problems sind Psychotherapeuten und Kliniken zu empfehlen, die sich mit der Behandlung von pathologischem Internetgebrauch
auskennen. Bei der Anmeldung zu einer Therapie sollte deshalb gefragt
werden, wie viele Erfahrungen mit der Behandlung von pathologischem
Internetgebrauch vorliegen und ob es in der Einrichtung ein spezielles
Behandlungskonzept gibt. Wichtig zu wissen:
Jede Form von professioneller Beratung und Therapie ist vertraulich!
Neunundzwanzig
Eine Therapie kann stationär oder ambulant erfolgen. Eine ambulante Therapie hat den Vorteil, dass Sie in
Ihrem Wohnumfeld bleiben. Sie können
Veränderungen direkt im realen Umfeld
erproben.
Eine Unterbrechung der Ausbildung oder
Arbeitstätigkeit ist meist nicht erforderlich. Eine ambulante Therapie
findet in aller Regel einmal oder
mehrmals in der Woche in einem Zeitumfang von jeweils 1 bis 2 Stunden
statt, kann also nach der Arbeit oder
der Ausbildung durchgeführt werden.
Eine Änderung des Verhaltens ist jedoch dadurch gleichzeitig erschwert,
da eine ununterbrochene Konfrontation
mit den Umständen, die zum Problem
gehören, gegeben ist. Dazu gehört ein
leichterer Zugang zu Internet, Smartphone und Computer.
Selbst wenn der Computer zu Hause entfernt wurde, ist die Nutzung über das
Smartphone, in Internetcafés oder bei
Freunden natürlich möglich. Darüber
hinaus ist man mit bekannten Problemen – wie Konflikten mit dem Partner
oder den Eltern – konfrontiert. Dazu
können noch Probleme auftreten, die
durch den pathologischen Internetgebrauch vielleicht nicht so deutlich
im Vordergrund waren – wie Gefühle
von Einsamkeit, Wut, Minderwertigkeit,
Ängste anderen Menschen gegenüber, Zukunftsängste etc.
Eine ambulante Therapie ist dann zu
empfehlen, wenn ein unterstützendes
Umfeld existiert und wenn es noch
nicht zu schwerwiegenden Folgen wie
beispielsweise zusätzlichen psychischen Problemen oder Arbeitsplatzverlust gekommen ist. Das Problem sollte
nicht schon viele Jahre bestehen, ein
geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus und
eine Tagesstruktur noch bestehen sowie
erste Schritte der Problemlösung (z.B.
Account-Abmeldung beim Computer-Spiel,
das am meisten Zeit beansprucht hat)
sollten schon selbstständig erfolgt
sein. Wenn man es also schafft, seinen
Alltag trotz des intensiven Internet-/
Computergebrauchs noch erfolgreich zu
meistern, aber sich professionelle
Unterstützung wünscht, dann würde viel
für eine ambulante Therapie sprechen.
8.3 Die stationäre Therapie
Eine stationäre Therapie erfolgt in
einer entsprechenden Fachklinik. Eine
gewisse räumliche Distanz zum Wohnumfeld ist damit gegeben. Dies ermöglicht häufig überhaupt erst, das
Problemverhalten zu unterbrechen. In
der Fachklinik kann geübt werden den
eigenen Tagesablauf wieder neu zu organisieren. Eine stationäre Therapie
ist dann zu empfehlen, wenn die oben
genannten Bedingungen für eine ambulante Therapie nicht gegeben sind.
Einzelne Kliniken erwarten, dass die
Betroffenen bereits abstinent in die
Klinik kommen und ihren Account beim
Computer-Spiel, das am meisten Zeit
Dreißig
Die Therapie
beansprucht hat, spätestens mit Beginn der stationären Therapie abmelden. Wer bis zur letzten Minute, noch
auf dem Weg zur Therapie im Zug auf
dem Notebook spielt, muss sich darauf
einstellen, dass er die ersten Wochen
der Therapie mit Entzugserscheinungen
zu tun haben wird. Diese Zeit ist unter
Umständen verlorene Zeit, wenn der
Betroffene so unter den Entzugserscheinungen leidet, dass er sich nicht
auf den therapeutischen Prozess einlassen kann. Besser wäre es, mit Hilfe
einer ambulanten Beratungsstelle den
Entzug schon zu Hause durchzustehen
und die stationäre Therapie abstinent
zu beginnen.
Diese erste Phase der Behandlung kann
man in einigen Punkten mit der Entgiftung von Alkoholikern oder Drogenabhängigen vergleichen. Das dominierende
Verhalten der letzten Zeit fällt
plötzlich weg, damit kommt dann häufig
auch ein starkes Gefühl innerer Leere auf. Viele Betroffene wissen dann
erst einmal einfach nichts mit sich
anzufangen. Die Nutzung des Internets
hat neben dem Aspekt der Unterhaltung
oft auch eine Flucht aus dem Alltag
oder vor einer inneren Leere ermöglicht, die jetzt plötzlich wegfällt.
Diese neu wahrgenommene innere Leere kann verbunden sein mit anderen
Gefühlen wie beispielsweise Wut und
Aggressionen oder auch Traurigkeit und
Hilflosigkeit.
Welche Art von Gefühlen und Gedanken oder auch Verhaltensweisen auftreten unterscheidet sich von Person
zu Person. Gleichzeitig bilden diese
Einunddreißig
Die Therapie
Reaktionen einen Zugangsweg in der
Behandlung.
Es geht darum, diese Gefühle zu erkennen, sie zu benennen und sie der
eigenen Biographie und den aktuellen
Lebensbedingungen zuzuordnen. Wichtig
ist, zu verstehen woher die Gefühle
kommen und welche Rolle die Aktivitäten im Internet oder generell am Computer bisher bei dem Versuch gespielt
haben, mit solchen Gefühlen umzugehen.
Damit ist ein möglicher Zugang zu den
Hintergründen des Problems gegeben.
Reale Kontakte zu anderen Menschen
wurden von vielen Betroffenen reduziert oder gemieden, sie haben wenn
überhaupt vor allem virtuelle Kontakte gepflegt. Häufig geht damit
auch ein Verlust von Fähigkeiten in
diesem Bereich einher. Bei einigen
waren diese sozialen Fähigkeiten nie
besonders gut ausgeprägt und der Internetgebrauch stellte die Möglichkeit
einer Alternative dar. In beiden Fällen ist das Neu- oder Wiedererlernen
von Fähigkeiten im Umgang mit anderen
Menschen wichtig.
Wesentlich ist selbstverständlich
auch die Frage nach dem zukünftigen
Umgang mit dem Internet. Dies ist oft
für die Betroffenen die wichtigste
Frage überhaupt. Sinnvoll ist jedoch,
überhaupt erst einmal eine ausreichende Distanz zum Problemverhalten
zu schaffen und in der Therapie kritisch zu hinterfragen, welche Vor- und
Nachteile mit der Internetnutzung
einhergehen.
Die allermeisten Betroffenen wollen
das Internet und den Computer weiter „normal“ nutzen. Viele erkennen
im Laufe einer Therapie, dass dies ein
sehr schwerer Weg ist und entscheiden
sich weitgehend gegen eine Nutzung bestimmter Internetanwendungen (z.B. des
ehemaligen „Hauptspiels“). Während sie
dagegen andere Dinge im Internet (aus
dem „grünen Bereich“ im Ampelmodell)
ohne Probleme im Alltag erledigen können, ohne gefährdet zu sein, darüber
die Kontrolle zu verlieren oder dafür
große Zeitkontingente aufzuwenden.
Wichtig ist, dass eine solche Entscheidung von den Betroffenen selbst
getroffen wird und unter Abwägung des
Nutzens und der damit verbundenen Risiken erfolgt. Sie können und sollen
also diesen Prozess mitgestalten.
Auch nach einer stationären Rehabilitation sind nicht alle Probleme gelöst
und ein problemloser kontrollierter
Umgang mit dem Internet und Computerspielen gewährleistet.
Andere Betroffene schauen nicht von
außen auf die Problematik und haben
deshalb ein ausgeprägtes Verständnis
für die Ängste und Unsicherheiten von
ebenfalls Betroffenen. Aus ihren Erfahrungen lernen und sich gegenseitig
Hilfestellung geben, dies sind neben dem Gruppenzugehörigkeitsgefühl
wichtige Wirkfaktoren ambulanter und
stationärer Gruppenbehandlung.
Auch Rückschläge gehören dazu. Betroffene sollten wissen, dass es im Laufe
der Behandlung auch zu Rückschritten
und Rückfällen kommen kann. Diese
Rückschläge sind oftmals essentieller
Bestandteil des „Genesungsprozesses“,
weil sie dem Betroffenen zeigen, dass
irgendetwas noch nicht stimmt. Rückfälle führen, wenn sie offen dargelegt
werden, auch nicht zum Therapieabbruch
sondern sie liefern Anhaltspunkte für
die nächsten therapeutischen Schritte.
Gerade nach einem stationären Klinikaufenthalt ist eine ambulante
Nachsorge und Weiterbehandlung der
Problematik notwendig, um einen Rückfall in eine übermäßige Internetnutzung zu verhindern. Insbesondere im
Rahmen stationärer Therapie besteht
die Möglichkeit des Austausches mit
anderen Betroffenen.
Zweiunddreißig
Fazit & Impressum
Fazit & Impressum
Wir wollen, dass Menschen sorgenfrei
Spaß im Internet, am Smartphone oder
an Computer- und Konsolenspielen haben können.
Wir wollen, dass diesen Menschen nicht
der Spaß dabei verloren geht, weil sie
die Kontrolle verlieren.
Wenn Menschen aber dennoch die Kontrolle verlieren, gibt es ein umfangreiches und sich noch weiter
entwickelndes Angebot an Unterstützungsmaßnahmen.
Wir hoffen, dass wir Ihnen, falls Sie
Unterstützung bei einer übermäßigen
Internet- oder Computernutzung brauchen, dazu Mut und Hoffnung haben geben können, sich diese zu suchen und
sie erfolgreich zu nutzen.
Notizen
Der Text der Broschüre beruht ferner auf schriftlichen Vorarbeiten der
folgenden Expertinnen und Experten in
der Beratung/Behandlung von Menschen
mit pathologischem Internetgebrauch:
» Dr. Giulio Calia,
LWL-Klinik Hamm
» Dr. Holger Feindel,
AHG Klinik Münchwies
» Solveig Freund,
AHG Klinik Schweriner See
» Andreas Koch,
Lost in Space, Berlin
» Bettina Moll,
Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf
» Dr. Frank Strauch,
AHG Klinik Schweriner See
Text und Redaktion >>>>>>>>>
»
»
»
»
»
»
»
»
»
»
Nicole Fangerau
Katharina Kegel
Dr. Kay Uwe Petersen
Yvonne Schelb
Holger Spieles
Roland Thiel
Prof. Dr. Rainer Thomasius
Dr. Monika Thomsen
Dr. Sina Trautmann
Dr. Lutz Wartberg
Dreiunddreißig
Die Broschüre entstand im Rahmen des
Forschungsprojekts „Beratungs- und Behandlungsangebote zum pathologischen
Internetgebrauch in Deutschland“ am
Deutschen Zentrum für Suchtfragen des
Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) im
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mit Unterstützung aus Mitteln
des Bundesministeriums für Gesundheit
(BMG) und wurde im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit aktualisiert.
Kontakt
Kontakt Virtuell:
hallo@computersuchthilfe.info
www.computersuchthilfe.info
Kontakt Real:
T 040 / 7410 - 59307
F 040 / 7410 - 56571
Deutsches Zentrum für Suchtfragen
des Kindes- und Jugendalters
(DZSKJ)
Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf
Martinistr. 52
20246 Hamburg / Germany