13 – eine Pechzahl beim Lotto?

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13 – eine Pechzahl beim Lotto?
13 – eine Pechzahl beim Lotto?
RENATE MOTZER, AUGSBURG
Zusammenfassung: Bei der Behandlung von Signifikanztests im Unterricht ist meist nur ein Testdurchlauf vorgesehen, wobei das, was zu testen ist, im
Vorfeld klar ist (z. B. Beobachtungen lassen die Vermutung aufkommen, dass die Qualität eines Produkts
schlechter geworden ist). Viele Untersuchungen sind
aber derart, dass erst nach Abschluss der Untersuchung ein Ergebnis auffällt und dann errechnet wird,
ob das Ergebnis signifikant ist. Eigentlich ist dieses
Vorgehen methodisch nicht korrekt. Man müsste einen
zweiten Test durchführen und erst wenn die gleiche
Beobachtung wieder signifikant auftritt, gilt sie als
signifikant nachgewiesen. Die Zahl 13 als auffallend
selten gezogene Lottozahl ist hier ein gutes Beispiel,
bei dem mehrere „Tests“ auf Signifikanz angestellt
werden können, weil mittlerweile die Daten einiger
Tausend Ziehungen zur Verfügung stehen.
1
Die Zahl 13 als Pechzahl im Lotto
schon in den 70er Jahren
13 war zwar die erste Zahl, die 1955 bei der Lottoziehung gezogen wurde, aber schon bald konnte man
feststellen, dass 13 die am seltensten gezogene Zahl
darstellt. Diesen Negativrekord hält die Pechzahl
schon ziemlich lange (seit Ende der 60er Jahre1).
So konnte schon in den Schulbüchern aus den 70er
Jahren nachgerechnet werden, ob die 13 signifikant
selten erscheint oder ob das schlechte Abschneiden
noch nicht signifikant ist oder gar schon hochsignifikant.
Um die Ergebnisse einschätzen zu können, halte man
sich im Bewusstsein, dass bei normalverteilten Zufallsgrößen die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Ergebnis um mehr als die doppelte Standardabweichung
vom Erwartungswert unterscheidet, kleiner als 5 %
ist (also signifikant). Dass es mehr als die 2,5-fache
Standardabweichung vom Erwartungswert abweicht,
ist, wenn es auf reinem Zufall beruht, nur noch mit
einer Wahrscheinlichkeit von etwa 1 % zu erwarten.
Um mehr als die 3-fache Standardabweichung lässt
der pure Zufall das Ergebnis nur ganz selten abweichen (Wahrscheinlichkeit dafür etwa 0,2 %).
Im Schulbuch „Stochastik Leistungskurs“ von Heigl
und Feuerpfeil finden sich auf S. 212 die Häufigkeiten der Lottozahlen bis zum 9.11.1974. Die 13 ist in
den ersten 996 Ziehungen nur 96-mal erschienen, der
6
Erwartungswert liegt bei rund 122 996 · ___
49 . Bei
(
Stochastik in der Schule 30 (2010) 3, S. 33–35
)
jeder der Ziehungen kann sie nämlich eine der 6
6
gezogenen Zahlen sein, daher n = 996, p = ___
49 .
Die
Standardabweichung liegt bei etwa 10
___________
6 ___
43
996 · ___
49 · 49 . Sie berechnet sich aus der Wurzel
der Varianz, welche mit n · p · q bestimmt wird. Also
liegt der Wert etwa 2,5 Standardabweichungen vom
Erwartungswert entfernt, somit schon beim 1 %-Niveau.
(√
)
Wären die 49 Zahlen beim Lotto unabhängig voneinander, so müsste man im Schnitt etwa „eine halbe“ Zahl erwarten, die soweit vom Erwartungswert
entfernt liegt. Völlig ungewöhnlich ist es also noch
nicht, dass es beim Lotto solch eine Zahl gibt.
Im damaligen Lehrplan war die Normalverteilung
Thema, so dass diese Aufgabe früher gut zum Schulstoff passte.
Aber war damit schon „bewiesen“, dass 13 tatsächlich eine „Pechzahl“ ist?
2
Der Blick auf neuere Daten
Heute ist die Normalverteilung nicht mehr in vielen
Lehrplänen zu finden. Allerdings kann man diese
Aufgabe im Unterricht dennoch behandeln, wenn
man ein Untersuchungsergebnis dann „auffallend“
nennt, wenn es um mindestens 2 Standardabweichungen vom Erwartungswert abweicht.
Dass diese Auffälligkeit etwas mit dem Signifikanzniveau zu tun hat, das der Schüler ggf. bei binomialverteilten Testgrößen kennenlernt, könnte ebenso
thematisiert werden. Dabei sollten die Schülerinnen
und Schüler mithilfe des Tafelwerks für zweiseitige
Tests Ablehnungsbereiche zu verschiedenen n und p
(arbeitsteilig) ermitteln und diese Ablehnungsbereiche mit den Standardabweichungen um den Erwartungswert vergleichen. Sie können feststellen, dass
die Grenzen meist bei etwa der doppelten Standardabweichung um den Erwartungswert liegen.
Diese Erkenntnis kann nun auf Umfragen und Tests
angewendet werden, für die keine Werte aus dem
Tafelwerk entnommen werden können. Eine Abweichung von mindestens 2 Standardabweichungen ist
also ein guter Anhaltspunkt für ein „signifikantes“
Ergebnis.
Schaut man sich aktuellere Daten zum Lotto an, z. B.
alle Ziehungen bis zum 03. Oktober 2009, so wurde
33
die 13 ganze 524-mal gezogen bei insgesamt 4792
Ziehungen. Der Erwartungswert ist 587, die Standardabweichung 22,7. Wieder ist die Abweichung
größer als die 2,5-fache Standardabweichung (aber
noch kleiner als die 3-fache Standardabweichung).
Betrachtet man nun die ersten 996 Ziehungen getrennt
von den folgenden, so wurde die 13 bei den folgenden Ziehungen 428-mal erreicht bei 3796 Ziehungen.
Der Erwartungswert ist hier 465 und die Standardabweichung etwa 20. Hier liegt die Abweichung noch
innerhalb der doppelten Standardabweichung, ist
also noch nicht signifikant.
Dass die Abweichung insgesamt sogar bei der 2,5fachen Standardabweichung liegt, hängt also mit den
schlechten Anfangsbedingungen der ersten 996 Ziehungen zusammen.
Einen Vergleich zwischen den Jahren 1961 bis 1980
und 1981 bis 2000 ergibt2, dass in beiden Zeitabschnitten 13 mit die seltenste Zahl war (im ersten Abschnitt kam die 4 ähnlich selten vor, im 2. Abschnitt
die 28).
Auch in diesen beiden Zeiträumen tritt die 13 etwa
2 Standardabweichungen seltener auf als der Mittelwert.
3
Betrachtung mehrerer Zeiträume
Warum ist es so wichtig, mehrere Zeiträume zu beobachten und nicht nur eine Gesamtstichprobe zu
nehmen?
Die Betrachtung von mindestens 2 Zeiträumen kann
so verstanden werden, dass im ersten Zeitraum eine
Hypothese gebildet wird („13 ist beim Lotto eine
Pechzahl“), die dann im 2. Zeitraum getestet wird.
In diesem Fall kann man feststellen, dass die Hypothese (nur fast – wenn man auf die Signifikanz im
oben verstandenen Sinn besonderen Wert legt) bestätigt wird.
Den Lotto-Daten im Internet kann man weiterhin entnehmen:
Für die Zahl 4 hat sich das schlechte Abschneiden
im 1. Zeitraum im 2. Zeitraum nicht wiederholt, also
lässt sich die These einer „Pechzahl“ für die 4 nicht
bestätigen.
Analog ließe sich testen, ob es Zahlen gibt, die signifikant oft gezogen werden.
Im Zeitraum 1955 bis 1974 kommt die 49 am häufigsten vor (142-mal) und erreicht damit gerade das
Signifikanzniveau.
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Bis 2009 wurde sie 616-mal gezogen, liegt also noch
oberhalb des Erwartungswerts und das um mehr als
eine Standardabweichung, aber nicht mehr um mehr
als 2 Standardabweichungen entfernt. Zwischen 1974
und 2009 wurde sie 474-mal gezogen, was kaum über
dem Erwartungswert liegt.
Für die Vergleichsjahre 1961 bis 1980 und 1981 bis
2000 fällt die 32 besonders auf, die in beiden Zeitabschnitten an der Signifikanzgrenze liegt. Bis 2009 hat
sie diese Rolle wieder verloren. 38 kommt bis dahin
am häufigsten vor und hat mit 634 die doppelte Standardabweichung nach oben knapp überschritten. Bis
1974 war die 38 noch unauffällig und ist erst danach
häufiger aufgetaucht.
Diese Vergleiche zeigen, dass es bei den häufig gezogenen Zahlen keine Zahl gibt, die eine so auffällige
Rolle spielt wie die 13 sie bei den selten gezogenen
Zahlen einnimmt.
Daher können Schülerinnen und Schüler sehen, dass
es häufig Daten geben mag, die bei nur einer Untersuchung signifikant oft bzw. signifikant selten erschienen. Weitere Tests wären aber nötig, um diesen
„Verdacht“ zu erhärten. Zu Lotto gibt es inzwischen
genügend Daten, dass ein zweiter „Test“ analysiert
werden kann. Bis auf die Zahl 13 lassen sich bei den
hier verwendeten Daten keine Pech- oder Glückszahlen bestärken.
Allgemein sollte gelten: Hat man am Anfang eines
Tests keinen wirklich begründeten Verdacht, dürfte
man auffällige Ergebnisse eines Tests noch nicht als
signifikant bezeichnen, sondern müsste erst einen
zweiten Test anschließen.
4
Zusammenfassende Übersicht
Zusammenfassend eine kleine Übersicht der in diesem Artikel berechneten Daten bzgl. der Zahl 13, die
so auch leicht im Unterricht erstellt werden kann:
Zeitraum
1955–
1974
1955–
2009
1974–
2009
Anzahl der Ziehungen
996
4792
3796
Erwartungswert für 13
122
587
465
Häufigkeit von 13
96
524
428
Standardabweichung
10
22,7
20
μ – 2σ
102
541,6
425
„signifikant“
ja
ja
fast
Die Unterrichtseinheit könnte am Ende einer Sequenz
über Hypothesentests stehen. Sie kann einerseits einen Ausblick darauf geben, wie man mit Daten um-
geht, zu denen es keine Werte im Tabellenwerk gibt.
Wenn man im Vergleich zur Zahl 13 noch weitere
Zahlen untersucht, so wird zum zweiten klar, warum
ein Test allein oft nicht ausreicht, um wirklich aussagekräftige „signifikante“ Ergebnisse zu gewinnen.
Anmerkungen
1
vgl. auch http://www.tipptreffer.de/lotto/lottolangfrist.
htm
2
s. http://www.tipptreffer.de/lotto/lotto2period.htm
Literatur
Heigl, F.; Feuerpfeil, J. (1976): Stochastik Leistungskurs.
München: Bayerischer Schulbuch Verlag.
Anschrift des Verfassers:
Renate Motzer
Didaktik der Mathematik
Universität Augsburg
Universitätsstr. 10
86135 Augsburg
Renate.Motzer@math.uni-augsburg.de
Serien von gleichen Würfelzahlen
RENATE MOTZER, AUGSBURG
Zusammenfassung: Wie wahrscheinlich ist es, beim
100maligen Würfeln mindestens 4mal hintereinander die gleiche Zahl zu bekommen? Ausgehend von
dieser Frage, die sich bei einer Simulation am PC
im Unterricht stellte, wird hier eine rekursive Formel
zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit vorgestellt.
1
Ausgangsfrage anhand einer
Würfelsimulation
Manchen Menschen scheint das „kein Zufall mehr“
zu sein, wenn sie beim Würfeln 4-mal hintereinander die gleiche Zahl würfeln. Stimmt an dem Würfel
etwas nicht oder nimmt man ihn falsch in die Hand?
Ähnlich kann es irritieren, wenn per Zufallsgenerator eine Würfelserie (z. B. 100 Würfe) simuliert wird
und mindestens 4-mal hintereinander die gleiche
Zahl erscheint.
Wie selten ist bei einem „echten“ Laplace-Würfel
eine Serie von 4 gleichen Ergebnissen? Ist es schon
was Ungewöhnliches?
Diese Frage stellte sich auch bei mir im Unterricht,
als ein Schüler sich eine Excel-Liste von 100 Würfelsimulationen genauer anschaute. Er zweifelte an
der Güte der Simulation, d. h. des Zufallsgenerators.
Spontan konnte ich ihm keine Antwort geben, wie
wahrscheinlich denn eine Serie von 4 gleichen Würfelergebnissen ist.
Eine Antwort auf diese Frage zu finden, stellte sich
als gar nicht so einfach heraus. Meine ersten Ansätze
scheiterten alle daran, dass sie nicht zu dem Ergebnis
vieler Simulationen passten.
Stochastik in der Schule 30 (2010) 3, S. 35–36
Erfreulicherweise entspann sich eine Diskussion im
Kollegenkreis und einige Kollegen suchten wie ich
nach einer passenden Formel.
Nach einiger Zeit gab es 3 Lösungen im Kollegium.
Eine passte leider nicht zu den Simulationsergebnissen, die beiden anderen führten auf leicht unterschiedlichen Wegen zum gleichen Ziel. Gemeinsam
war beiden Lösungen, dass sie rekursiv vorgingen.
Auch der Schüler (ein sehr begabter und sehr interessierter Schüler; seine Mitschüler hatten bei der
Diskussion um diese Aufgabe schnell „abgeschaltet“,
waren aber fasziniert, wie hartnäckig er an diesem
Problem dran blieb) kam zu einem ähnlichen Ergebnis.
2
Eine rekursive Lösung des Problems
Hier soll die gefundene Lösung erläutert werden:
Gesucht wird ein rekursiver Ausdruck für w(n), mit
der man für eine natürliche Zahl n berechnen kann,
wie wahrscheinlich es ist, bei n Würfen mindestens 4
gleiche Zahlen hintereinander zu bekommen.
Klar, dass es erst ab 4mal Würfeln geht, 4 gleiche
Zahlen hintereinander zu bekommen, also ist
w(1) = w(2) = w(3) = 0.
Bei n = 4 gilt: Die 1. Zahl ist egal, die anderen 3 müssen gleich sein: Die Wahrscheinlichkeit beträgt daher
1 3.
w(4) = __
6
()
Bei 5mal Würfeln kann es schon bei den ersten 4
1 3 oder der 2. Wurf ist
Würfen 4 gleiche geben __
6
(( ) )
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