DIE WAHRHEIT ÜBER DIE INVESTMENTBANKER Gedanken von Guido Schwarz
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DIE WAHRHEIT ÜBER DIE INVESTMENTBANKER Gedanken von Guido Schwarz
1 DIE WAHRHEIT ÜBER DIE INVESTMENTBANKER Gedanken von Guido Schwarz, angeregt durch die Dokumentarsendung „Der große Rausch – ein Investmentbanker packt aus“ über den englischen Investmentbanker Geraint Anderson, der aus dem Geschäft ausstieg, dann anfing nachzudenken und schließlich auszupacken. Wien, 25. Oktober 2009 Das System kann nur funktionieren, wenn die daran Beteiligten gut funktionieren. An den Finanzplätzen dieser Welt, in London, Frankfurt, New York, Tokio oder Zürich saßen und sitzen die Menschen, die das System aufrechterhalten. Sie gehen Risiken ein oder sichern sich und ihre Kunden ab. Wie konnte nun diese Blase entstehen? Wie kann sie nach wie vor jederzeit wieder entstehen? Es genügt ja nicht, dass nur die Manager ganz oben mitmachen, es braucht auch viele „kleine“ Mitarbeiter an der Basis, die die Arbeit erledigen. Das funktioniert mittels eines relativ geschlossenen Systems, in das die handelnden Personen eingebunden werden. Dies sind die Bestandteile des Systems: 1. Schlechte Ausbildung Die meisten Menschen geraten auf einem sehr schnellen Weg in den Job, oft ohne vorherige Ausbildung. Sie haben nichts gelernt über Kreditvergabe und –prüfung, über das klassische Bankgeschäft, über Immobilien oder Rohstoffe. Somit wird der Faktor ausgeschaltet, der sie zur Selbstüberprüfung bringt. Normalerweise führen Menschen hin und wieder einen Gegencheck durch, und zwar mit ihrer eigenen Vergangenheit. Dies erfolgt hier nicht und ist auch nicht erwünscht. 2. Realitätszerstörung Die Investmentbanker werden aus ihrer normalen Welt herausgerissen, in der sie einen guten Kontakt zur Realität hatten. Wenn man ihnen dort die Geschäfte vorgestellt hätte, die sie als Banker irgendwo in einem Glasturm machen, so hätten sie laut darüber gelacht und den anderen für verrückt erklärt. Es ist somit notwendig, sie möglichst vollständig herauszureißen, ähnlich wie das eine Sekte tut. Sekten funktionieren nur, weil sie die Mitglieder von der realen Welt isolieren. Menschen, Dr. Guido Schwarz – Forschung, Schulung, Beratung; A - 1180 Wien, Edelhofgasse 31/8; Tel: +43-1-478 34 44 Mobil: +43-676 431 91 12 E-mail: office@guidoschwarz.at Internet: www.guidoschwarz.at 2 die von einer einzigen Gruppe abhängig sind, weil sie keine alternativen Gruppen haben, an keinen anderen beteiligt sind, tun unter Gruppendruck alles, was man von ihnen verlangt, und zwar ohne nachzudenken und auch unter Abkapselung ihrer Gefühlswelt, die eventuell Alarm geben könnte. Dieses Herausreißen funktioniert nur, wenn man die Lebensumstände entsprechend radikal ändert. Dazu gehört: a.) Viel Geld – diese jungen Menschen können binnen sehr kurzer Zeit Millionen verdienen, meist durch Bonuszahlungen/Provisionen. b.) Konsumzwang durch Gruppendruck: Wenn der Kollege einen Porsche hat, dann brauche ich auch einen. c.) Abheben durch Statussymbole: Eine tolle Villa, ein teurer Sportwagen, Maßanzüge. Dadurch gerät man in eine andere „Gesellschaft“. d.) Uniformierung betreffend das Äußere und den Lebensstil. Man geht in die gleichen Bars, trägt das Gleiche wie die anderen und stärkt so die Gruppenzugehörigkeit. Dadurch verstärkt sich auch die Distanz zu anderen (die eigenen Eltern erkennen den Bub fast nicht wieder). 3. Arbeitsdruck Eine möglichst umfassende Einbindung in die neue Welt. Dies erfolgt durch Arbeitsdruck, viele der Investmentbanker arbeiten bis zu 18 Stunden am Tag. Das stumpft ab, lässt nur mehr wenige Eindrücke von außen zu und bindet zugleich an die neue Welt – man befindet sich nur mehr im Büro und hat dort nur mehr Kontakt zu seinesgleichen. 4. Konkurrenzdruck Der Wettbewerb führt zu Konkurrenzdruck. Nicht nur will man besser sein als die andere Investmentbank, man will auch besser sein als der eigene Kollege. Dies wird durch einen verschärften Wettbewerb erreicht, der durch Bonuszahlungen geregelt wird. Wer mehr arbeitet bekommt mehr, aber nur dann, wenn er auch erfolgreich ist. Das einzige, was zählt, ist der Gewinn. Der Fokus der eigenen Aufmerksamkeit richtet sich nur mehr auf die eigene Arbeit, die möglichen Gewinne und die Konkurrenz. 5. Virtuelle Welt mit Spielgeld Der entscheidende Punkt ist der, an dem man zum Spieler wird. Geld wird zu Spielgeld, die Welt wird zu einer virtuellen Welt, die nur mehr über Bildschirme abgebildet wird. Die echte Welt ist eine andere, die es im Hintergrund noch gibt, die aber nichts mit der virtuellen Welt zu tun hat. Dr. Guido Schwarz – Forschung, Schulung, Beratung; A - 1180 Wien, Edelhofgasse 31/8; Tel: +43-1-478 34 44 Mobil: +43-676 431 91 12 E-mail: office@guidoschwarz.at Internet: www.guidoschwarz.at 3 So und nur so kann man Menschen dazu bringen, dass sie wahnwitzige Risiken eingehen. Selbst wenn man mit eigenem, „echtem“ Geld in riskanten Anlagen involviert ist, funktioniert diese Trennung. Befragt man solche Investmentbanker über die riesigen Verluste, so verneinen sie diese und sprechen maximal von einer „schwierigen Situation“. Ähnlich wie im Spielcasino hoffen sie darauf, in der Zukunft die Verluste wieder reinzubekommen. Die Sprache wird entsprechend angepasst, man redet von „Minuswachstum“ statt von „Schrumpfung“ und von „Herausforderung“ statt von „Problem“. 6. Wachstumsideologie Es gibt eine Ideologie unbeschränkten Wachstums. Diese ist deswegen im Finanzbereich so stark, weil sie in unserer gesamten Wirtschaft verankert ist und somit niemals hinterfragt wird. Ein Kurssturz ist nur ein kurzfristiges Loch, nach dem es gleich wieder bergauf geht. Vor allem Männer sind für lineares, uneingeschränktes Wachstum ideologisch anfällig, denn wer hat nicht gerne unendliche Potenz? Das Wachstum betrifft auch die Arbeit selbst: Das Risiko wird ständig erhöht, die Methoden des kleinen und großen Betrugs „wachsen“, werden ausgefeilter und auch hier pusht man sich gegenseitig in die Höhe. Durch starren Blick nach vorne wird jegliches Nachdenken, jede Reflexion unterdrückt. 7. Hierarchie Eine straffe Führung, totaler Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, ein klares Belohnungs- und Bestrafungssystem und Aufstiegsmöglichkeiten eine ergeben sehr einen starre sehr Hierarchie engen Rahmen, mit in entsprechenden den der junge Investmentbanker hineingepresst wird. Wer nachdenkt, kritisiert, aufmuckt, frei denkt oder sonst eine Form der Individualität oder des Widerstandes aufblitzen lässt, wird kurzfristig ersetzt. Härte ist gefragt, gegen sich und gegen die Konkurrenz. Man geht in einen Boxclub und sieht bei Boxkämpfen zu oder boxt selbst. Fitness ist gefragt, damit man den harten Alltag aushält, unterstützt wird dies noch durch Drogen wie Kokain. Die Ablenkung und der Ausgleich erfolgen in der Bar bei hohem Alkoholkonsum. Statt Beziehungen werden kurzfristige sexuelle Abenteuer gefördert, auch hier dominiert der Gruppendruck. 8. Jungmännerbande Dr. Guido Schwarz – Forschung, Schulung, Beratung; A - 1180 Wien, Edelhofgasse 31/8; Tel: +43-1-478 34 44 Mobil: +43-676 431 91 12 E-mail: office@guidoschwarz.at Internet: www.guidoschwarz.at 4 Die „Cityboys“ – so werden in London die jungen, männlichen Investmentbanker genannt – sind eine eigene Spezies. Sie sind was sie sind – eine Art Krieger, ähnlich wie die Moran bei den Massai. Sie sind jung und männlich und eben „boys“. Wenn wir genauer auf den Namen sehen, können wir entdecken, was dahinter steckt. Es handelt sich nicht um Männer, denn diese haben eine Familie mit Kindern und eine gewisse Verantwortung in der Realität. Sie müssen ihre Familie absichern – und die Cityboys tun das genaue Gegenteil, sie gehen auf volles Risiko. Sie gehören soziologisch zu der Gruppe von Menschen, die in anderen Gesellschaften Krieger sind, also in Männergruppen umherziehen und jagen oder eben Krieg führen. Sie betätigen sich körperlich (wie die Cityboys beim Boxen) und zelebrieren die feiernde Geselligkeit (bei den Massai der Tanz mit dem Speer ums Feuer, bei den Cityboys die Kokain-Parties). Sie sind nicht erwachsen und haben somit auch nicht die Aufgaben von Erwachsenen zu erledigen, sie haben keinerlei Verantwortung, nicht für ihre Familien, nicht für sich selbst und schon gar nicht für die Gesellschaft. Wenn sie eigene Familie haben, dann sind sie für den Job nur zu gebrauchen, wenn sie das Familienleben strikt vom Berufsleben trennen können und der Familie nur den zweiten Rang zuordnen. Bei den meisten Urvölkern gab bzw. gibt es eine Lebensphase bei jungen Männern, in der sie keine Jugendlichen, aber auch noch keine Erwachsenen sind. Für eine bestimmte Zeit (erkennbar an Initiationsriten zu Beginn und am Ende) werden sie aus der eigentlichen Familien-, Clan- oder Dorfgemeinschaft ausgeschlossen und leben als Jungmännerbande, meist als Krieger. Erst danach dürfen sie eine Familie gründen. In unserer Gesellschaft gibt es spezielle Ausprägungen dieser Lebensphase: Studium, Sportlehrer etc. Überall dort sind die jungen Männer meist noch nicht verheiratet, haben keine Familie und sind für ein paar Jahre an etwas gebunden. Bei all diesen modernen und auch bei alten Formen dieser Lebensphase richtet sich Aggression stets – wenn überhaupt – nach außen, auf den Feind. Beim Investmentbanker ist das anders, er schadet der eigenen Gesellschaft. Dieser Unterschied ist entscheidend! 9. Verratresistenz Das geschlossene System darf nicht verraten werden. Der Investmentbanker Geraint Anderson hat dies getan, er hat in einer Kolumne in einer Londoner Zeitung ausgepackt, über all die schmutzigen Methoden und den Dilettantismus, der dahinter steckt. Das war Verrat, allerdings war die Kolumne anonym und er konnte nicht so einfach entdeckt werden. Hinter den Kulissen sieht man, dass hier ein System aufgebaut ist, das mittels Tabus arbeitet. Diese Tabus dürfen niemals aufgedeckt werden, denn sonst fallen sie. Dr. Guido Schwarz – Forschung, Schulung, Beratung; A - 1180 Wien, Edelhofgasse 31/8; Tel: +43-1-478 34 44 Mobil: +43-676 431 91 12 E-mail: office@guidoschwarz.at Internet: www.guidoschwarz.at 5 Ein Ausstieg ist fast unmöglich, der Cityboy Geraint schaffte es nur, weil er unbewusst sich selbst verriet (er sieht das selbst so). Gegen einen Ausstieg fährt das System die schärfste Waffe auf, die es hat: Geld. Mit der Zeit haben sich die Cityboys so an das extrem hohe und ständig steigende Einkommen gewöhnt, dass sie ohne Bonus nicht mehr leben können oder wollen. „Den einen Bonus nehme ich noch mit“ sagen sie und hören dann doch nicht auf. Das ist verständlich, denn die schärfste Waffe ist die mit dem größten Wert auf unserer Welt und somit tun die Menschen für Geld alles. Fazit Solange man den Firmen gestattet, unkontrollierten und unbeschränkten Profit auf sehr einfache Weise machen zu können, wird sich das System nicht ändern. Wahrscheinlich müssen wir wieder einmal durch Schaden an eigenem Leib und Leben klüger werden, bis wir dieser Perversion der Selbstzerstörung Einhalt gebieten. So lange wird es noch Investmentbanker geben. Dr. Guido Schwarz – Forschung, Schulung, Beratung; A - 1180 Wien, Edelhofgasse 31/8; Tel: +43-1-478 34 44 Mobil: +43-676 431 91 12 E-mail: office@guidoschwarz.at Internet: www.guidoschwarz.at