Derzeit wird oft behauptet, dass Männer die digitale Berufswelt
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Derzeit wird oft behauptet, dass Männer die digitale Berufswelt
JOB Derzeit wird oft behauptet, dass Männer die digitale Berufswelt beherrschen. Hier kommt der Gegenbeweis: vier eindrucksvolle Frauen, die in der Netzwelt längst für Aufsehen gesorgt haben – und zeigen, wie wir uns neue Karrierechancen nicht entgehen lassen DIE WEB MEISTERINNEN R E D A K T I O N : S U S A N N E PA H L E R ; F O T O S : M I C H A E L M A N N 82 GLAMOUR Sie sind Wegbereiterinnen, Vorbilder, Ideengeberinnen: Moderatorin Nela Panghy-Lee (li.) twittert wie eine Weltmeisterin, um ihren Zuschauern näher zu sein. Taalke Renken (re.) bereichert das Internet mit smarten Web-Designs. Katharina Borchert (u. re.) wurde auch deshalb Geschäftsführerin von Spiegel Online, weil sie von Anfang an die deutsche Bloggerszene vorantrieb. Und vom Social-Media-Wissen einer Agnieszka Krzeminska (u. li.) profitieren heute große Unternehmen. Das Klischee vom dick bebrillten IT-Nerd? Der Vorwurf, Frauen ließen sich mal wieder von den Männern ausbooten, obwohl sie in der neuen Arbeitswelt die gleichen Startchancen hatten? Widerlegen diese vier beispielhaft für viele sofort. Heute wissen Frauen, wie sie in ihren Kommunikations-, Marketing- oder Wirtschafts-Jobs die moderne Technologie nutzen, um entscheidender Teil der neuen Web-Epoche zu sein. Wie weibliche Online-Strategien aussehen können, lesen Sie auf den nächsten Seiten. JOB Wer sie ist: Die 31-jährige Moderatorin (z. B. „Taff“ auf Pro7) ist mit knapp 27 000 Followern Deutschlands Twitter-Ikone. Sogar Katie Jacobs Stanton, Chefin für Internationale Strategie bei Twitter, Wer sie ist: Die HamburFACEBOOK-FAHRLEHRERIN gerin ist Expertin für strategische Online-Planung und Web 2.0. Mit Ende 30 machte sie sich 2004 als Trendforscherin und mit Online-Konzepten selbstständig, vor zwei Jahren erfand sie den „Social Media Führerschein“. Mit dieser Art Fahrschule bringt sie jetzt Unternehmen (darunter DuMont und Siemens) bei, wie sie mit Facebook und Co. fit für die Zukunft werden. Was wir von ihr lernen: Dass es sich auszahlt, tief in die Materie sozialer Netzwerke einzusteigen. AGNIESZKA KRZEMINSKA 84 GLAMOUR Nela Panghy-Lees Web-Tipps: glamour.de/nela Nach ihrem Wirtschafts- und Philosophie-Studium fing Krzeminska zunächst bei einer ITOrganisation an und konzipierte unter anderem Internetauftritte. Beruflich zahlt es sich aus, tief in die Materie sozialer Netzwerke einzusteigen KATHARINA BORCHERT: BLUSE VON ZARA, BLAZER UND ROCK VINTAGE NELA PANGHY-LEE ihre Fans präsenter, authentischer und sympathischer. Nach ihrer Anmeldung im Oktober 2009 postete sie auf Twitter zunächst jeweils ein Backstagefoto vor jeder Live-Sendung. Schon wenig später sprudelte sie über vor Ideen, twittert heute mehrmals täglich, stellt Umfragen und Insider-Infos ins Netz, kommentiert TV-Shows und ist sogar während ihrer Sendung online. Der Plan ging auf: Nela hat so viele Follower wie nur wenige Frauen sonst in Deutschland. „Innerhalb von Sekunden ungefiltertes, ehrliches Feedback zu bekommen, ist einfach toll! Ich möchte darauf nie mehr verzichten.“ Ihr bester Rat: „Nutzt Twitter nicht nur zum Selbstmarketing, sondern holt euch auch aktuelle Branchen-Infos. So bleibt ihr in Echtzeit immer auf dem Laufenden. Kommuniziert zudem ruhig mit den Entscheidern: Oft twittern Geschäftsführer und andere Führungskräfte selbst und sind offen für neue Kontakte.“ NELA PANGHY-LEE: KLEID VINTAGE; AGNIESZKA KRZEMINSKA: TOP VON VERO MODA, JEANS VINTAGE, KETTE VON VIBE HARSLØF TWITTER-STAR schreibt begeistert: „Love the fun, engaging tweets from German TV host @ NelaPanghyLee. American TV anchors, take note!“ („Ich liebe die lustigen, mitreißenden Tweets der deutschen TVModeratorin @NelaPanghyLee. Aufgepasst, Fernsehsprecher Amerikas!“) Was wir von ihr lernen: Dass Twitter ein schlaues Tool ist – vor allem für charmantes Personality-Marketing! Auf die Idee kam Panghy-Lee beim Verfolgen von amerikanischen TV-Sendungen. „Dort twittern Moderatoren und Schauspieler schon seit Jahren ganz selbstverständlich“, sagt sie. Warum also nicht auch von München aus zwitschern? So ist sie nicht nur ein paar Minuten pro Woche, sondern jeden Tag gefühlte 24 Stunden on air. Das macht sie für Bis sich durch das Social Web immer mehr veränderte – auch in der Firmenkommunikation. Sie erkannte: User brauchen eine Hand, die sie führt. „Jetzt zeige ich ihnen, wie sie ihrem Unternehmen ein freundliches Gesicht geben“, sagt sie. Etwa, indem Chefs auf unzufriedene Kommentare im Web persönlich reagieren, statt ein Callcenter in Indien zwischenzuschalten oder automatisch generierte Mails zu verschicken. „Viele sind erstaunt, dass Kunden dieses transparente Netz-Verhalten lieben. Aber es signalisiert eben ehrliches Interesse“, erklärt die Expertin. Auch „normalen“ Mitarbeitern nutzt Krzeminskas Kompetenz: „Vorgesetzte sind beeindruckt, wenn man sich mit diesen recht neuen Technologien und Anwendungen auskennt und ihnen so frische Ideen für längst notwendige Umstrukturierungen, neue Produkt- und Dienstleistungsideen vorschlagen kann.“ Ihr bester Rat: „Sich beteiligen! Das heißt: Über Facebook, Twitter und Co. mit anderen zusammenarbeiten, sie unterstützen und Netzwerke gründen, wie die Digital Media Women. So lernt man ständig dazu, bekommt selbst Ideen und mehr Aufmerksamkeit, Dankbarkeit und Zuspruch. Das motiviert!“ ERFOLGS-BLOGGERIN KATHARINA BORCHERT Wer sie ist: Die 39-Jährige gründete 2002 den Blog „Lyssas Lounge“. Mit mehr als 6000 Lesern täglich wurde er eines der bekanntesten deutschen Netztagebücher. 2006 avancierte Borchert auch deshalb zur Chefredakteurin von DerWesten.de, 2010 zur Geschäftsführerin von Spiegel Online. Was wir von ihr lernen: Dass man durchs Bloggen eine Riesenkarriere machen kann. „Als ich mich 1994 in meinem Studentenwohnheim das erste Mal mit dem Internet beschäftigte, war ich sofort begeistert“, sagt die Wahl-Hamburgerin. Noch bevor andere wussten, was E-Mail ist, spezialisierte sich die studierte Juristin und Journalistin auf Netzthemen, schrieb für renommierte Tageszeitungen und Fachmagazine. Auch die Blogosphäre eroberte sie früh: „Ich entdeckte sie nach dem 11. September und wollte unbedingt selbst dabei sein.“ Fünf Jahre lang schrieb sie, zunächst anonym, mehrmals pro Woche über das Leben und die Liebe. Sie wurde zum Blogger-Vorbild, verhalf der Szene aus dem Nischendasein. Auch Medienkonzerne wurden auf Borchert aufmerksam und holten sie wegen ihres Muts, ihres Knowhows und Innovationsgeists an ihre vorderste Front. Der Preis ihres Erfolgs: Zum Bloggen fehlt ihr heute Zeit. Dafür teilt sie ihre Leidenschaft täglich auf Twitter. „So kann ich immer noch ein bisschen dabei sein, auch wenn meine Tweets nur kurze Beobachtungen oder politische Gedanken sind.“ Ihr bester Rat: „Die meisten Personalchefs googeln ihre Kandidaten vor einem Gespräch. Hinterlasst also einen sympathischen Mini-Eindruck im Netz, zum Beispiel in einem Businessnetzwerk. Zeigt darüber hinaus online, dass ihr euch in eurem Feld auskennt und engagiert, etwa Job-Projekte dokumentiert – oder auch von der Oma erzählt, für die ihr jeden Freitag einkauft.“ GLAMOUR 85 JOB „MUT IST DIE LÖSUNG“ Ein Interview über die Karrierechancen von Frauen im Netz, mit Grafikerin und Coach Inken Meyer, 30, und der digitalen Strategin Sanja Stankovic,33, von den Digital Media Women in Hamburg (digitalmediawomen.de) ZUKUNFTS-PROGRAMMIERERIN TAALKE RENKEN • talinee.de • facebook.com/taalke.renken • Twitter @talinee Wer sie ist: Die Screen-Designerin aus Hamburg gestaltet kreative Online-Kampagnen, Internetseiten und Newsletter. Nebenbei ist die 24-Jährige u. a. sehr aktiv auf Twitter, Blogs, Facebook, Xing und Google. Was wir von ihr lernen: Dass Programmieren keine reine Männerdomäne ist und man auch als Frau ganz vorne mit dabei sein kann. Als „Digital Native“ (ihr Vater hat sie schon als Dreijährige an seinen C64 gesetzt) hatte Renken nie Berührungsängste mit Computern und Technik: „Mir hat das immer Spaß gemacht!“ Schon vor ihrer Ausbildung zur Mediengestalterin programmierte sie, heute macht sie unter anderem professionelles Webdesign mit den Programmiersprachen HTML, CSS und PHP – und bewegt sich beruflich derzeit noch hauptsächlich unter Männern. Blöde Kommentare? Hat sie noch nie abbekommen. „Mir wäre das aber egal“, sagt sie. 86 GLAMOUR Schließlich kennt sie sich aus, auch wenn es um digitale Innovationen geht. „Sobald neue Webdienste wie kürzlich Google+ starten, stürze ich mich darauf. Ich finde das spannend und herausfordernd.“ Auch mit ihrem Twitter-Account eröffnete sie sich selbst schon neue Karrierechancen: Zunächst gründete sie mit anderen Twitter-Frauen das Netzwerk der Digital Media Women Hamburg (s. re.), dann wurde ihr bei einem der Treffen eine neue Stelle in einer Agentur angeboten, in der sie jetzt arbeitet. Ihr bester Rat: „Lasst euch nicht von der scheinbar männerdominierten Digitalwelt abschrecken. Viele Berufe, die auf den ersten Blick technisch aussehen, sind es gar nicht. Beim Screen-Design etwa bedienen manche bloß Software wie Photoshop oder InDesign, andere programmieren auch, so wie ich. Ein langweiliger Nerd? Bin ich trotzdem nicht!“ Sanja Stankovic: In leitenden Positionen schon. Auch bei entsprechenden Veranstaltungen war es lange so, dass nur Männer auf der Bühne saßen – und zwar häufig die, die sich gut verkaufen können. Dabei sind gerade im SocialMedia- und Community-ManagerBereich viele Frauen unterwegs. Inken Meyer: Aber derzeit tut sich viel. Immer mehr Frauen werden auch bei digitalen Themen souveräner und haben Lust, ihr Können und Wissen zu zeigen. Trotzdem sind es nach wie vor zu wenige. Warum fällt es Frauen so schwer, sich zu präsentieren? Stankovic: Viele trauen sich einfach nicht. Oft, weil sie denken, sie müssten alles perfekt machen. Aber das ist völlig übertrieben und hemmt nur. Außerdem muss man sich manchmal einfach überwinden, um in der Gesellschaft etwas zu verändern – selbst, wenn man sich nicht für die perfekte Besetzung hält. Was wir uns dafür von den Männern abschauen sollten, ist deren Mut zur Lücke. In Maßen angewendet, ist „sicheres Auftreten trotz völliger Ahnungslosigkeit“ ein geniales Rezept. Meyer: Klar ist es dann aufregend, sich zum Beispiel vor anderen Leuten etwas zu erzählen. Aber es TAALKE RENKEN: KLEID VON OBJECT, CARDIGAN VON STINE GOYA Haben Männer im digitalen Job-Umfeld tatsächlich die Nase vorne? JOB AMERIKAS BESTE Wenn es um Frauen im Netz geht, sind die USA eindeutig Vorreiter: vier berühmte Internet-Wegbereiterinnen und ihre Stärken Arianna Huffington: 2005 gründete die Journalistin und Autorin mit Blog-Beiträgen, Links und News die Online-Zeitung „Huffington Post“, die schnell zur meistgelesenen und -zitierten News-Seite im Web wurde. Sogar Barack Obama und Hillary Clinton schrieben schon dafür. 2011 verkaufte die 61-Jährige die Zeitung für 315 Mio. US-Dollar an AOL, wurde dadurch auch Chefin aller AOL-Portale und freut sich über 37 Millionen Seitenbesucher pro Monat. Seit Januar gibt es eine französische Ausgabe, die spanische und deutsche sind geplant. huffingtonpost.com, Twitter @ariannahuff Susannah Breslin: Ihre klugen und leidenschaftlich ehrlichen Blog-Posts (u. a. für das „Forbes“-Magazin) sind preisgekrönt, die 43-Jährige war laut time.com eine der Top-25-Blogger 2008, außerdem sorgte sie mit ihrem Online-Projekt „Letters from Johns“ für Aufsehen, bei dem Männer von ihren Erfahrungen mit Prostituierten erzählten. Am 28.11.11 wurde bei der Journalistin, Künstlerin und Fotografin Brustkrebs entdeckt. Jetzt schreibt sie auch ihre Gedanken und Erlebnisse darüber auf – als therapeutische Maßnahme. susannahbreslin. blogspot.com, lettersfromjohns.blogspot.com, Twitter @iamsusannah Sheryl Sandberg: Die zweifache Mutter ist eine der wenigen Frauen im Silicon Valley. Die 42-Jährige studierte Wirtschaft in Harvard, war Weltbank-Assistentin des US-Finanzministers, zog später als Vizepräsidentin für das OnlineGeschäft bei Google die Strippen und ist seit vier Jahren als Geschäftsführerin von Facebook die Nummer 2 hinter Mark Zuckerberg. Sie machte die Plattform profitabel, ihr Chef ist davon begeistert: „Sie will sich wirklich die Hände schmutzig machen und arbeiten.“ Ihr Erfolgsgeheimnis: Mach das, was du tun würdest, wenn du keine Angst hättest. Twitter @sherylsandberg Felicia Day: Die 32-jährige Schauspielerin ist Web-TV-Pionierin. Sie produziert und „The Guild“ und spielt darin auch die Mitspieler eines Computergames ist eines Formate seiner Art und wurde mit Days neuester Clou: „Dragon Age: PC-Spiels. watchtheguild.com, WEB-WEISER Welche Internetdienste die Karriere fördern können: • („Buffy“, „Girls United – Again“) schreibt die Online-Sitcom Hauptrolle. Die Serie über die der bisher erfolgreichsten drei Awards ausgezeichnet. Redemption“, die Adaption eines feliciaday.com, Twitter @feliciaday Facebook.com und Google+: Hier sind viele Unternehmen präsent und geben, etwa vor einem Bewerbungsgespräch, Einblick in den Firmenalltag. • Twitter.com: Ideal, um in seiner Branche auf dem Laufenden zu bleiben oder mit klugen Ideen auf sich aufmerksam zu machen. • Xing.de/LinkedIn.de: Personaler verschaffen sich hier vor einem Gespräch gerne einen schnellen Eindruck, Headhunter suchen nach neuen Mitarbeitern. • Wordpress.com/blogger.com: Ein thematischer Blog kann gerade für Selbstständige mit der richtigen Business-Idee zur cleveren Web-Präsenz werden. • Flickr.com/Posterous.com: Die Portale für Fotos und Videos sind für Kreative fast unerlässlich – gerade für Jobs im digitalen Bereich. • YouNow.com: Mutige Musiker und Redner können hier checken, ob sie es zu etwas bringen könnten, weil hier User in Echtzeit abstimmen, ob der Auftritt vor der Webcam gefällt. 88 GLAMOUR STYLING: CHRISTIAN STEMMLER/BIGOUDI; HAARE & MAKE-UP: TRICIA LE HANNE/BIGOUDI; HAARE & MAKE-UP ASSISTENZ: ANNE HENRICHSEN/BIGOUDI; LOCATION: ADELEUNDCLODWIG.COM; FOTOS: DUFFY-MARIE ARNOULT, SHAKAR AZRAN UND DOUGLAS MARSHALL/ALLE WIREIMAGE (3) ist auch eine tolle Herausforderung und eine spannende Möglichkeit, etwas dazuzulernen. Auch in der virtuellen Welt? Meyer: Ja, Mut ist die Lösung. Sich einfach anmelden und reinschnuppern. Vor allem für Selbstständige hat das Netz in den meisten Fällen einen Mehrwert: Es ist günstig, zeitlich und regional flexibel, man kann sich schnell bekannt machen und Kunden gewinnen. Ein perfektes Image mit ausgefeiltem Profil und genialen Ideen ist dafür – zumindest anfangs – gar nicht notwendig. Und wer sich nicht so recht traut, etwa einen Blog zu starten, tut sich am besten mit anderen zusammen. Dann hat man jemanden zum Gegencheck. Und kann ein bisschen die Welt verändern. Stankovic: Genau. Selbst, wenn viele Information im Netz versanden: Wer zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, kann einiges bewegen. Guttenberg etwa wurde übers Netz gestürzt, weil einige wenige etwas ins Rollen gebracht haben. Auch im Arabischen Frühling ist vieles übers Netz gelaufen. Meyer: Steuern kann man das allerdings nicht. Nur weil etwas im Netz steht, muss nicht auch etwas passieren. Doch wenn man mit dem Herzen dabei ist und andere mehr oder weniger zufällig mit seinen Ideen, Texten oder Fotos bewegt und berührt, kann es auch schnell gehen.