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REISE
Samstag/Sonntag, 19./20. Januar 2013
Rhein-Neckar-Zeitung / RNZ Magazin / Nr. 16
D
ie Langläufer
machen’s
in
diesem Winter
den Wandersleuten nach. Sie
wandern ohne
Gepäck von einem Ort zum
anderen, nur auf der Loipe eben. Die beteiligten Hoteliers kümmern sich derweil
um die Koffer. Wir haben es ausprobiert,
und zwar von Obertilliach in Osttirol nach
Cortina d’Ampezzo im Belluno.
Eine gewisse Grundkondition sollte
der Loipen-Wanderer schon mitbringen,
sagt Alfred Prenn. Mal sehen, was der Vater der Idee aus dem Südtiroler Hochpustertal damit meint. Die einzige Österreicherin, die zur sechsköpfigen, bunt
zusammengewürfelten Gruppe gehört,
kommt zum Glück aus Wien, nicht aus
dem Gebirge. Und die anderen Teilnehmer aus Würzburg, Hamburg und Essen
bezeichnen sich als Gelegenheits-Sportler. Mit Ausnahme von Gary. Er entpuppt sich als Marathonläufer. Wir beschließen, ihn, den einzigen Mann des
Sextetts, getrost davonziehen zu lassen.
Am ersten Tag in Obertilliach steht
Warmlaufen auf dem Programm. Spätestens nach zwei Kilometern in Richtung Schöntal – das so aussieht, wie es
heißt – weiß jeder, was damit gemeint ist.
Die Loipe führt sanft, aber stetig bergauf. Die ersten Fleecejacken werden im
Rucksack verstaut.
Zum Glück sind die Loipen tipptopp
gespurt. Sie werden täglich frisch präpariert, wenn möglich ab Mitte November. Ein Qualitätsmerkmal, auf das sich
Spitzenläufer aus ganz Europa verlassen. Nationalmannschaften, unter anderem die deutschen Biathlon-Damen,
kommen regelmäßig in der Vorsaison zum
Trainingscamp. Trotz all der Sportprominenz ist Obertilliach bodenständig geblieben. Ein Dorf, in dem es noch nach
Kuhstall riecht, mit alten Holzhäusern,
die seit 1994 unter Denkmalschutz stehen.
Langsam findet jeder seinen Rhythmus. Die Sportlicheren skaten, die anderen bleiben ganz klassisch in der Spur.
Die gleichmäßige Bewegung, dazu die
Stille und die klare Luft wirken irgendwie befreiend. Der Alltag rückt weit weg
– hinter den Kartischer Sattel, unter die
Schneedecke, wohin auch immer.
15 Kilometer laufen wir heute bis zum
Endpunkt am Obertilliacher Biathalonstadion, fürs erste reicht’s. Wir Flachländer müssen uns schließlich nicht nur
an die Höhenluft gewöhnen, sondern auch
daran, mit Skiern an Füßen durch den
Schnee statt mit den Fingern über die PCTastatur zu gleiten.
Einmal in der Woche, beim Gästebiathlon, dürfen auch Touristen versuchen, die Bierdeckel große, 50 Meter entfernte Scheibe zu treffen. Was am Bildschirm so kinderleicht aussieht, stellt sich
Ein bisschen Kondition ist schon vonnöten, um die bis zu 35 Kilometer langen Tagesetappen zu bewältigen. Fotos: Dolomiti Nordicski
Dem Himmel recht nah
Loipen-Wandern ohne Gepäck von Osttirol nach Cortina d’Ampezzo / Von Gabriele Beautemps
als ziemlich kompliziert heraus. Vor allem die langen Bretter an den Füßen stören ungeheuer, wenn der Anfänger aus der
liegenden Position heraus (daneben)
schießt.
Man könnte noch viele Stunden auf der
Grenzlandloipe über Untertilliach und
Maria Luggau bis nach Kärnten fahren.
Wir laufen am nächsten Morgen unserem
Gepäck hinterher, und das ist entgegengesetzt in Richtung Südtirol unterwegs.
In Sillian erreicht man die Pustertaler
Loipe und gleitet schon bald danach auf
italienischem Schnee. Die Grenzüberschreitung wäre gar nicht weiter aufgefallen, hätte uns nicht ein ortskundiger
Mitläufer auf die ehemaligen Zollhäuschen unten an der Straße aufmerksam gemacht. In den Gebäuden sind jetzt ein
Outlet-Center und eine Gaststätte untergebracht.
Wir bewegen uns im Terrain von Dolomiti Nordicski. Das Pendant zum alpinen Dolomiti-Superski-Karussell ist
der größte Langlauf-Verbund Europas
mit mehr als 1300 Loipenkilometern in
Osttirol, Südtirol, Friaul und Venetien.
Mit einer Wochenkarte (34 Euro) kann
man das gesamte Loipennetz und ebenso
die Skibusse benutzen.
Weil wir unbedingt einen Abstecher
ins Fischleintal unternehmen wollen, absolvieren einige die sieben Kilometer von
Innichen nach Moos mit dem Bus. Unser
Marathonmann nimmt natürlich die Loipe, Ehrensache. Je weiter man ins stille,
autofrei Tal hineinläuft, umso näher rücken die Sextener Dolomiten. Das Rotwandmassiv hebt sich vor dem azurblauen Himmel ab, der Schnee glitzert in
der Sonne und der Kaiserschmarrn im Rifugio Fondo Valle am Talschluss schmeckt
einfach himmlisch. Eine Steigerung des
Ganzen scheint ausgeschlossen. Lohnt es
also überhaupt, sich weiter abzurackern?
Durchaus, versichert Eugenio, Chef
der Toblacher Langlaufschule, der am
Abend freundlicherweise unsere Skier
wachst. Die nächste Etappe von Toblach
nach Cortina könne es durchaus mit dem
Fischleintal aufnehmen, sagt der Profi.
Er behält Recht. Die 35 Kilometer lange Strecke verläuft auf der stillgelegten
Trasse der Dolomitenbahn. Viadukte,
kurze Tunnel, einst schmucke, heute halb
verwitterte Bahnhäuschen wie aus dem
Modellbaukasten – den Eisenbahn-Nostalgikern unter den Langläufern wird
trotz Minustemperaturen wahrscheinlich ganz warm ums Herz. Für alle anderen ist das grandiose Panorama der
Ampezzaner Dolomiten eindeutig der
Höhepunkt. Der Blick auf die Drei Zin-
Richtung Lienz, bis zur Ausfahrt Sillian.
Tipp: Wenn Sie die A 12 in Kufstein/Süd
verlassen, benötigen Sie keine AutobahnVignette.
Oder mit der Bahn von Heidelberg nach Sillian rund 12 Stunden, die letzten Kilometer
von Sillian nach Obertilliach mit dem Bus,
www.bahn.de, ab 79 Euro einfache Strecke.
■ Pauschal reisen: Über den Tourismusverband Osttirol ist auch Transdolomiti – Loipen-Wandern ohne Gepäck zu buchen. Die
Pauschale umfasst 4 Übernachtungen mit
Halbpension in 3- oder 4 Sternbetrieben,
Gepäcktransport und alle Transfers inklusive
Rücktransfer zum Ausgangspunkt, Wochenkarte Dolomiti Nordic Ski für die Loipenbenutzung und die Mobilcard zur Benutzung
aller Verkehrsmittel zum Preis ab 289 Euro
in der Nebensaison (bis 2.Februar und ab 2.
März bis Saisonende), ab 369 Euro in der
Hauptsaison (2.2.-2.3.2013), Verlängerungstag ab 50 Euro, Einzelzimmerzuschlag
60 Euro.
■ Übernachten (für eine Verlängerung): Im
Gasthof Unterwöger, denkmalgeschützter
Hof aus dem Jahre 1750 mit urgemütlicher
Stube. Unterkunft der deutschen BiathlonNationalmannschaft während des Trainings
zu Saisonbeginn. Moderne Zimmer, kleine
Sauna, HP im Doppelzimmer pro Person ab
55 Euro, Telefon 0043 512 9001 17437,
www.hotel-unterwoeger.at. Oder im Romantik-Hotel Santer in Toblach. Wellnesshotel
mit Innen- und Außenpool, Saunalandschaft, schön gelegen, hervorragende Küche, ab 170 pro Nacht im Doppelzimmer,
Telefon 0039 474 972 142, www.hotelsanter.com.
INFORMATIONEN
Immer dabei: das gigantische Panorama.
■ Allgemeine Auskünfte erteilt der Tourismusverband Osttirol – Region Hochpustertal, A-9920 Sillian 86, Telefon 0043 50
212 300, www.hochpustertal.com. Auch die
Internetseite von www.dolomitinordicski.com ist recht informativ und hält viele
Details zu Europas größtem Langlaufkarussell parat. Weitere Informationen zu den
Dolomiten gibt es unter www.suedtirol.com/dolomiten und www. dolomiten.ce.
Infos zu Cortina d’Ampezzo gibt es unter
www.dolomiti.org/ger/cortina und unter
www.cortina.dolomiti.com.
■ Anreise: Mit dem Auto von Heidelberg
nach Obertilliach sind es rund 670 Kilometer. Die Route führt über die A 5, A 8 Stuttgart, München, Rosenheim, weiter auf der A
93 und A 12 Richtung Salzburg bis Kufstein-Süd, dann die Felbertauern-Straße
nen und den Monte Cristallo ändert sich
von Kilometer zu Kilometer, je nach
Blickwinkel und Tageszeit. Der Schreiber der regionalen Hochglanzbroschüre
nennt diesen Anblick atemberaubend –
was die Langläuferin allerdings eher auf
die Anstiege zurückführt.
Es geht vorbei am zugefrorenen Toblacher See und durch das Höhlensteintal. Ein kurzer Espresso-Stopp beim
Gasthof „Dreizinnenblick“. Die kämpferisch gestimmte Wirtin dort wettert
über ihren, ihrer Meinung nach, viel zu
geringen „Wegezoll“, ein paar läppische
Säcke Kunstdünger. Die Langläufer, indirekt gleichfalls gescholten, schauen,
dass sie fix wieder auf die Bretter in Richtung Schluderbach und schließlich nach
Cortina kommen.
Die Stadt, die sich selbstbewusst „Königin der Dolomiten“ nennt, kultiviert
den Glanz vergangener Tage. Im Eislaufstadion, in Cafés und Hotels hängen
die Schwarz-Weiß-Fotos der Olympischen Spiele 1956, auch von Toni Sailer,
der damals drei Medaillen gewann.
Cortina gehört bereits zur Provinz Venetien. Dass er endgültig in Italien angekommen ist, merkt der Hotelgast spätestens am Bettzeug, ein straff gespanntes Linnen mit Wolldecke.
Am nächsten Morgen bleibt Zeit, sich
in der Ortschaft umzuschauen. Doch zwischen all den schicken Geschäften, den
Pelzmänteln und den vereinzelten
Schoßhündchen mit Pantoffeln an den
Pfoten, fühlt sich der Langläufer deplatziert. Uns zieht’s wieder auf die Loipe, diesmal zum Tre Croci-Pass unterhalb der Cristallo Gruppe. Nach vier Tagen auf den Brettern sind wir „eingelaufen“ – und Fußgängerzonen findet man
zu Hause genug.
SCHNEEBERICHT
cbsm. Ruhiges, kaltes Winterwetter
herrscht derzeit in den Bergen. Wenig
Neuschnee, sonnige Tage und eine
Schneedecke, die weder große Zuwächse bekommt, noch starken Tauperioden unterworfen ist. Die Schneekanonen können ungestört arbeiten und
sorgen so über Nacht für ein wenig Pulverschnee. Der Schneefall der vergangenen Tage hat dafür gesorgt, dass viele
Langlaufzentren im Schwarzwald wieder mehr Loipen präparieren konnten.
Die Angaben bedeuten in der Reihenfolge der Zahlen: Schneehöhe in Zentimeter im Tal, im Skigebiet, Loipen in km.
Deutschland
> Schwarzwald: Baiersbronn 5 20 8,
Belchen 30 50 15, Bernau 10 30 0, Breitnau 10 20 12, Feldberg 45 80 28, Furtwangen 10 15 15, Herrischried 0 15 2,
Hinterzarten 5 10 8, Kaltenbronn 0 0 0,
Kniebis 2 10 2, Menzenschwand 5 60 8,
Notschrei 25 35 22, Schönwald 10 10 3,
Schluchsee 5 10 10, Schonach 10 10 9,
Todtmoos 5 30 11.
> Allgäu: Bolsterlang 35 110 0, Grasgehren/Obermaiselstein 100 170 0, Jungholz 50 90 5, Oberjoch 40 90 30, Oberstdorf/Fellhorn 50 130 58, Pfronten 35 35
0, Scheidegg 0 0 0.
Österreich
Die Pisten bekamen weiter Neuschneezuwachs.
> Vorarlberg: Andelsbuch 10 115 0,
Au/Diedamskopf 50 230 59, Damüls 120
190 11, Dornbirn/Bödele 50 120 9, Fontanella Faschina 120 190 35, Gargellen
75 105 0, Lech/Zürs 110 225 16, Mellau
50 170 20, Warth/Schröcken 155 210 0.
> Tirol: Achensee 30 80 60, Ehrwald 35
75 15, Fieberbrunn 50 140 27, Galtür 60
110 66, Hochfilzen 50 75 66, Ischgl 60 150
66, Jerzens/Hochzeiger 70 110 0, Kitzbühel 40 140 40, Matrei/Osttirol 30 120
4, Ober/Hochgurgl 90 190 12, Seefeld 45
120 266, Serfaus 40 150 100, Sölden 90
210 0, Sillian/Osttirol 50 110 0, St. Anton 70 190 41.
> Salzburger Land: Alpendorf St. Johann 25 115 3, Bad Hofgastein 30 140 0,
Dienten Hochkönig 70 140 0, Filzmoos
65 140 6, Flachau 50 160 40, Großarl/Dorfgastein 40 130 5, Kitzsteinhorn
160 200 3, Obertauern 180 220 26, Saalbach-Hinterglemm 40 140 5, Wagrain 50
130 220, Zauchensee 80 135 0.
> Kärnten: Bad Kleinkirchheim 30 65 8,
Gerlitzen 45 60 0, Großglockner/Heiligenblut 20 130 9, Katschberg/Aineck 40
100 0, Nassfeld/Hermagor 55 120 5, Turracher Höhe 40 60 10.
> Steiermark: Altaussee/Loser 35 260 9,
Dachstein Gl. 70 240 3, Haus im Ennstal
70 140 0, Murau/Kreischberg 40 80 0,
Reiteralm 50 110 0, Schladming/Planai
60 100 0.
Schweiz
Es kam ordentlich Neuschnee dazu, die
Pisten sind nahezu perfekt.
Adelboden 25 100 50, Andermatt 90 380
6, Arosa 50 90 25, Davos/Klosters 60 125
112, Engelberg 90 370 33 Flims-Laax 60
235 7, Gstaad 50 100 10, Lenzerheide 60
80 50, Pizol 80 135 0, Saas Fee 70 220 0,
Scuol 40 150 74, St. Moritz 25 125 188,
Verbier 65 215 0, Zermatt 50 220 3.
Italien
Unverändert gute Bedingungen in den
Hochlagen.
Alta Badia 35 105 40, Bruneck/Kronplatz 50 95 116, Bormio 30 100 3, Canazei 25 120 18, Cortina d’Ampezzo 30 120
13, Gröden 30 90 65, Latemar 60 90 3, Livigno 45 180 30, Madonna/C. 30 120 22,
Obereggen 60 90 3, Passo Tonale 50 220
10, Schnalstal 30 180 2, Seiser Alm 5 60
77, Sextener Dolomiten 40 115 180, Sulden 30 90 0.
Frankreich
Schnee satt in den hoch gelegenen Skistationen, Pistenspaß ist überall zu haben.
Alpes d’Huez 140 260 0, Chamonix 80 240
0, Courchevel 150 250 0, Les Menuires
150 250 0, Les Trois Vallees 150 250 0,
Méribel 150 250 0, Tignes 135 275 0, Val
d’Isere 135 275 0, Val Thorens 150 250 0.
Foto: Manfred Fritz