Die Personen und ihre Darstellung im Heinrich
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Die Personen und ihre Darstellung im Heinrich
Die Personen und ihre Darstellung im Heinrich von Kempten und in dei" Herzmaere Konrad von Würzburgs by Carmen Laura Ursu A Thesis Submitted to the Faculty of Graduate Studies and Research in Partial Fulfillment of the Requirements for the Degree of Master of Arts. Department of German McGill University Montréal, Québec n e Carmen L. Ursu November, 1991 ii ABSTRAKT Die vorliegende Magister Arbeit stellt sich aIs Ziel durch eine genaue Analyse der Personen, durch den Autor Konrad von Wurzburg, ihrey' Darstellung und ihrer vom Autor berichteten Handlungen, ein besseres Verstandnis der Personendarstellung in einem mittelhochdeutschen Text zu bekommen. Dafür wurden die Novellen Heinrich von Kempten und Herzmaere ausgewahlt, zentralen da sie Personeil in zwei Bereichen vorfuhren: Bereich der Ritterwelt, Herzmaer~ für das Mittelalter neinrich von Kempten im im Bereich der Minne. Die Arbeit gliedert sich in zwei Hauptteile. Der erste beschaftigt sich mit der Versnovelle Heinrich von Kernpten: Darin wird berichtet, ~unachst der Stand der Forschung von 1970 bis heute sodann aIle erscheinenden Personen nach ihrer Darstellung und ihren Handlungen besprochen und die Ergebnisse zusarnmengefaBt. lm zweiten Hauptteil wird nach den selben Gesichtspunkten die Versnovelle Herzmaere besprochen. iii ABSTRACT This masters thesis aims at obtaining a better understanding of the character depiction in two Middle ~igh German texts through a precise analysis of the characters and their actions as reported by the author Konrad von Wurzburg. For this study the novellas Heinrich von Kempten an r: Herzmaere were chosen, because they present characters within two areas of central literary concern to the Middle Ages: Heinrich von Kempten in the area of knighthood and Herzmaere in the area of courtly love. The study consists of two main parts. The first, which deals with developments the in novella research Heinrich from von 1970 Rempten until the lists the present, descrihes aIl characters according to their depiction and actions and concludes with a summary of the results. The second main part of the thesis examines the novella Herzmaere following Kempten. , j the same criteria of analysis as Heinrich von iv RÉsUMÉ Ce mémoire examine en détail à la fois le caractère et les actions des personnages de deux récits du haut moyen age allemand, intitulés respectivement Heinrich von }(empten et Herzmrere, de l'auteur Konrad von Wurzburg. Le choi j! de ces textes est justifié par le fait qu'ils mettent en personnages pleinement représentatifs des prédilection de l'époque: à savoir, s~ène des deux thê:mes de d'une part, la chevalierie, dépeinte dans Heinrich von Kempten, et, d'autre part, l'amour courtois, exemplifié par les personnage,s de Herzmzre. Cette étude est divisée en deux parties: la première, qui explore spécifiquement Heinrich von Kempten, dresse un bilan critique des recherches en cours depuis 1970, analyse chaque personnage du point de vue de sa caractérisation et de ses actes, et conclut par un sommaire des résultats. La seconde partie reprend la méthodologie et les critères d'analyse de la première et se penche, cette fois, sur H~rzmzre. v ACKHOWLEDGEMENTS l wish to thank my supervisor, Professor Horst Richter of the German topic Depa~tment at McGill University, who suggested the in Middle Hi lh German Literature and the didactic approach to it. His unfailing support, guidance and patience led to frui tful discussions and the author Konrad von Wurzburg was chosen as a result. Deepest gratitude is due to my mother, Herta Bodendorfer - Simonis and to my partner Spyro Athanasiou. They were always there for me with many a word of support and encouragement. l am a1so indebted to Helgard He1dt, secretary of the German Department at McGill University, who neve't' refused her help and stood by me with her kindness and assistance. vi Inhaltsverzeichnis ABSTRAKT ABSTRACT •. RESUME ACKNOWLEDGEMENTS. ·................ . ..... ..... ·.................. . ... ....... ·................... . · . ii .iii · • iv • •v Vorwort .................................................... 1 Einleitung: Der Autor Konrad VOll Würzburg. • . • . . . • • • • .. . ••.. 4 Heinrich von Kempten Vorstellung des Werkes................... . •.••••..••••• 7 Uberblick ùber die Forschungsliteratur.... . . • • • • . • . 10 Die Darstellung der Personen in Heinrich von Kempten . . . . 19 Zusammenfassung der Erqebnisse ....•.....•.•.•...•••••..• 39 Herzmaere Vorstellung des Werkes ......•.....••.....•. Uberblick über die Forschungsliteratur ••.•• Die Darst~llung der Personen in der Herzmaere .••••••. Zusammenfassung der Erqebnisse ...••.•.•.••.••••..••. .. Bibliographie • .43 • .46 · .51 • .67 · ....... ........ ...... ............. • .72 ............... ..................... • .73 Primàrliteratur. Sekundarliteratur .•• 1 VORWORT Der Ausgangspunkt fur diese Arbeit war ein mittelhochdeutsches Einfuhrungsseminar, aus dem sich mein Interesse ergab, mehr uber die mitte1hochdeutsche Sprache und Literatur kennenzulernen. Das erste Zie1 war, meine sprachlichen Kenntnisse des Mittelhochdeutschen einiger zu Standardwerke vertiefen, der und durch die mittelhochdeutschen Lekture Literatur- geschichte meine literarischen Kenntnisse der mittelhochdeutschen Blutezeit im allgemeinen zu verbessern. Durch aine Arbei t an einem uberschaubaren Text waren genauere und grünàlichere Kenntnisse der dabei zunach;t mittelhochdeutsche~ Sprache im Hinblick auf das Vokabular und die grammatischen und syntaktischen Strukturen zu gewinnen und sie durch aine Übersetzung in modernes Deutsch zu ùben. Meine literaturgeschichtlichen Studien dazu fuhrten zu einer uberblickenden Lektüre der Hauptwerke Konrad von Wùrzburgs und der in der gerrnanistischen Forschung wichtigeren li teraturgeschichtl ichen und literaturkritischen Abhandlungen zu ihm. Das spezielle Thema fur die hier vorliegende Arbeit ergab sich dann aus der Beobachtung der Personendarstellung in den von mir gelesenen mittelhochdeutschen Werken: lm Vergleich mit der modernen Literatur wird das Personal in mittelhochdeutschen Erzahlungen auf befremdende Art anders dargestellt. l Selten scheinen sie anschaulich zu werden und plastisch 2 hervorzutreten. Nebenpersonen werden eingefuhrt und wieder fallengelassen. Es finden sich Widerspruche in der Darstel1 ung. Insgesamt erscheinen die Personen eindimensional und typisiert. Von einer Personencharakteristik, wie wir sie heute erwarten, kann oft nicht die Rede sein. Oiese ersten inhaltlichen Beobachtungen, wie au ch meine sprachliche Arbeit mit den Texte~ fuhrten dazu, sich auf die Behandlung einiger Versnovellen von Konrad von Wurzburg zu konzentrieren und zwar wegen ihrer Uberschaubarkeit und wegen ihrer thematischen Einheltlichkeit. Unter ihnen wurden Heinrich von Kernpten und Herzrnaere ausgewahlt, weil sie mit dem Minne- Thema und der Darstellung des Ritterwesens zwei zentrale Themen der Literatur des 13. Jahrhunderts behandeln. An ihnen wurde versucht, durch eine genaue sprachliche wiedergabe in modernem Deutsch die Darstellung der Personen durch den Autor und die Beschreibung ihrer Aktionen festzuhalten, um auf diese Weise Einsichten in die mittelalterllche personendarstellung zu gewinnen. Zu beiden Werken wurde zunachst eine komplette Bibliographie zusarnmengestellt und bearbeitet mit dem Ziel, ein6n Uberblick uber den gesamten Bereich der Forschung zu erhalten. In die Arbei t ubernommen wurde daraus eine Bibliographie aller Sekundarliteratur von 1970 an mit einigen notig gewordenen Ausnahmen: Sie solI den derzeitigen Stand der Forschung und Diskussion zu beiden Werken wiedergeben. Zu diesem Zweck wurde 1 3 zu jedem der Beitrage eine kurze Besprechung des Inhalts und der behandelten Themen mitgeliefert. Der Aufbau der Arbeit ist der folgende: Nach einer kurzen Vorstellung des Autors Konrad von Wurzburg bietet die Arbeit zuerst fur den Heinrich von Kempten und dann fur die Berzmaere 1.) - eine kurze Vorstellung des Werkes. 2.) - einen kritisch besprechenden Uberblick uber die Forschung seit 1970. 3.) - die neuhochdeutsche wiedergabe der Angaben des Autors zu den Personen und die genaue Beschreibung ihrE:=r Handlungen. Innerhalb dieses Kapitels wird jede der vorkommenden Personen einzeln besprochen. Die Besprechung folgt dem Gang der Handlung. 4.) - in einem abschlieBenden Teil werden die sich daraus ergebenden Beobachtungen zusammenfassend besprochen. Insgesamt war das Ziel der vorliegenden Untersuchung, durch praktische Arbei t an einem mi ttelhochdeutschen Tey.t sprachliche Kenntnisse zu gewinnen, U'ld uber eine Textanalyse, die zugleich das genaue Lesen und sprachl iche Verstandnis fordern sollte, auf exemplarische Weise zu Einsichten in die Eigenheit der PersonendarsteJ lung Konrad von Wurzburgs und vielleicht des ~ittelalters zu kommen. 1 4 ( EINLF.lTUNG DER AUTOR KONRAD VON WURZBURG "Konrad ist in der Tat der groBte in der letzten Generation mi ttelhochdeutscher Oichter, der einz ige, den man bis zu einem gewis~en Grad den Meistern des ersten Jahrzehnts des Jahrhun- derts an die seite stellen kann. H' Konrad von Wurzburg, oder cuonrât VOll Wirzeburc, wie er sich selbst in vielen Werken nennt, wurde etwa um 1230 in Ostfranken, wahrscheinlich in Wurzburg, aIs Sohn burgerlicher Eltern geboren. Genaueres ist uber seine Jugend nicht bekannt, wohl aber, daB er sowohl in straBburg aIs au ch in Basel gelebt haben muS. Die Aufzeichnung einer Basler Urkunde von 1295 bestatigt Konrads Aufenthalt in Basel und erwahnt ein Haus quodam magistri Cuonradi de Wirzeburg in der Spielgé!sse. Oaraus kann angenonunen werden, daB sich Konrad von wurzburg in den 1260er Jahren in Basel niedergelassen hatte und dort zusammen mit Oomherren und Offizialen des Domstiftes in der heutigen August inergasse gelebt hat. 2 Uber sein privates Familienleben wissen wir nur, daB er mit einer gewissen Bertha verheiratet war und zwei Tochter namens Gerina und Agnese 1 J.G. Robertson, Edna Purdie, Geschichte der deutschen Literatur (Gottingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1968) 107. 2 Horst Brunner, "Konrad von Wurzburg," in Die deutsche Literatur des Mlttelalters. Verfasserlexikon. Ed. Kurt Ruh, 2. Aufl. Bd. 5, (Berlin. New York: de Gruyter, 1985) 276. 5 1 hatte. Den Kolmarer Annalen fur 1287 und dem Anniversarienbuch des Basler Munsters ~Jfolge, starb Konrad am 31. August 1287 an einer Seuche ln Basel und wurde an der Abseite der MariaMagdalenenkirche begraben. 3 Konrad Bildung, von verfugte Lateinkenntnisse Berufsliterat Mazene, Wurzburg die besaB uber und ein eine breites geistliche Wissen, lernte spater auch schrieb er vorwiegend stets im grundliche Franzos isch. Auftrag den politischen gelehrte AIs verschiedener und okonomischen stadtischer.. F'uhrungssçhichten, z.B. dem Patriziat angehorten oder Mitgliedern des hoheren Klerus waren. Die bekanntesten Werke Konrad von Wurzburgs sind die Legenden: Alexius, Welt Lohn, Die Silvester, Pantaleon, die Novellen: Der goldens Schmiede, Heinrich von K~mpten, Herzmaere, Schwanritter, Das Turnier von Nantes, die Romane: Partonopier und Meliur, Engelhard, Trojanerkrieg. Er verfaBte au ch eine groBe ~..nzahl von Leichs, Schwanken, Minneliedern ulld Sangspruchen. Die Werke wurden vorwiegend im 'geblumten still verfaBt und beweisen Konrads Leichtigkeit sich in einer elegant dahinflieBenden, farbigen sprache auszudrucken, wobei e~ einen besonderen Wert auf den Reim legte. Die Vielfait der Themen im Werk Konrads V0n Wurzburg beweisen sein Talent, sich jedwelcher Stoffe anzunehmen und damit sein Publikum zu fesseln. Gottfried von StraBburg und Hartmann von Aue waren Konrads Vorbilder, die er auch offentl ich aIs sol che anerkann3 H. Brunner, in Verfa~serlexikon, 276. J 6 te und pries. Konrad von würzburg wurde in der Literatur zu den 12 Meistern und bedeutendsten Autoren der zweiten Halfte des 13. Jahrhunderts gezahlt. Gustav Ehrismann bezeichnet Konrad als einen Autoren, der noch Ideaibilder des Rittertums schafft: "seine Werke qeben Zeuqnis, wie das Burgertum sich die feine Kultur des Rittertums, die t hoveschei t t 1 anzueignen bestrebt ist". 4 In Konrads Dichtung kommt gelegentlich seine Unzufriedenheit mit der Gegenwart zum Ausdruck, in der seiner Ansicht nach das Ideal des Ritterwesens zu verschwinden drohte. Sein werk verstand er aIs einen Beitrag, das zu verhindern, und er strebte danach, neue zeiten des Heldentums, der Minne und der hohen ritterlichen Ideale wiederaufleben zu Iassen. Gleichzeitiq wollte er seine Werke als belehrende Beispiele verstanden wissent die für seine Leser von Nutzen sein konnten. Das verschaffte ihm groBes Ansehen, bereita zu seiner Lebenszeit wie auch in den folgenden Jahrhunderten. 4 Gustav Ehrismann, Geschichte der Deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters. II. Teil, 2. Abschnitt, 2. Halfte. Die mittelhochdeutsche Literatur (München: C.H. Beck'sche Verlaqsbuchhandlung, 1955) 35. 7 HEINRICH VON IŒMPTEN VORSTELLUNG DES WERKES Heinrich von Kempten, eine 770 Verse umfassende Kurzerzahlung Konrad von Wurzburgs, StraBburger Domprobstes ii-ntstand im Auftrag des Berthold von Thiersberg und wurde wahrscheinlich in Basel niedergeschrieber.. Das eigentliche Entstehungsjahr lst ganz umstritten und kann mangels weiterer Forschung festgelegt werden. noch nicht mit GewiBheit Kurt Ruh z.B. nimmt an, daB die Novelle etwa zwischen 1261 und 1277 entstanden sei. 5 Rosemary Wallbank vermerkt 1260 bis 1275 als mogliche Entstehungszeit. 6 Stefan Grunwald engt das Datum auf 1260 bis 1270 ein, 7 und Hubertus Fischer und Paul-Gerhard Volker bestimmen 1261/62 a1s einzig mogl iches Entstehungsj ahr. 8 Die Anzahl der aufgefundenen Handschriften der Novelle sind sieben, davon sechs vOllstan- 5 H. Brunner, in Verfasserlexikon, 274. 6 Rosemary Wallbank, "Emperor otto and Heinrich von Kempten," Studies in medieva1 literature and language in memory of Fredrick Whitehead, ed. W. Rothwell, W.R.J. Barron, David Blamires and Lewis Thorpe (New York: Manchester University Press, 1973) 354. 7 stefan Grunwald, "Konrad von Wûrzburg' s realistic sovereign and reluctant servitor," Medieval Studies 32 (1970): 273. t 8 Hubertus Fischer, und Paul-Gerhard Volker, "Konrad von Würzburg. 'Heinrich von Kempten': Individuum und feuda1e Anarchie," Literatur im Feudalismus, ed. D.Richter (stuttgart: 1975) 103-104. 1 8 dig, mit der al testen aus dem 14', Jahrhundert und der j ünqsten aus dem 17, Jahrhundert, Ronrad von wurzburg hat aller Wahrscheinlichkeit nach den Stoff fur die vorliegende Novelle einer bekannten lateinischen Quelle entnommen, die au ch anderen Autoren des Mittelalters bekannt war und aIs Vorlage gedient hat, die jedoch nicht erhalten geblieben ist. 9 Die Novelle Heinrich von Kempten stellt zu Beginn Kaiser otto vor, der sehr gefürchtet wird, besonders wenn er etwas bei seinem langen, roten, gepflegten Bart schwort. Der Sohn des Herzogs von Schwaben, der am Hofe Kaiser ottos lebt, bricht sich vor dem festlichen Essen nach der Ostermesse ein stückchen Brot ab und wird deswegen vorn Truchse8 blutiq geschlagen. Heinrich von Kempten, der Erzieher des Knaben, erschlagt dardufhin den TruchseB und muS seine Tat vor dem Kaiser rechtfertigen. Da der Kaiser bei seinem Bart schwort, den TruchseB zu rachen, muB Heinrich um sein Leben fürchten und ergreift selbst die Initiative: Er zerrt den Kaiser am Bart quer uber den Tisch und haIt ihn aIs Geisel für seine Freilassunq fest. Der 1<aiser muB ihm sein Leben schenken, vertreibt aber Heinrich von seinem Hofe und verbietet ihm bei Todesstrafe, ihm je wieder zu Gesicht zu kommen. Die Handlung setzt zehn Jahre spater damit wieder ein, daB Heinrich von Kempten qezwungen wird, an einem Heereszug des Kaisers teilzunehmen. Er versucht unsichtbar zu bleiben, f.... 9 H, Brunner, in Verfasserlexikon, 277 • 9 rettet aber den Kaiser aus einer Todesgefahr, indem ar nackt aus dam Bad springt und ihm Hilfe bringt. Kaiser otto dankt ihm dafur mit einem guten Lohn und mit einer Versohnung, die sein Ansehen beim Kaiser vollig wiederherstellt. 10 ÜBERBLICK ÜBER DIE FORSCHUNGSLITERATUR Rarl August Hahn, otte mit dem Barte von Cuonrat von Würzeburc. Ed. Karl August Hahn. Quedlinburg und ~eipzig: Gottfr. Basse, 1838. Amsterdam: Rodopi, 1969. 7-43, ist der erste Herausgeber des Werkes, das bei ihm den Tite1 flotte mit dem Barte" erhëüt. In einem ausfuhrlichen Vorwort bespricht er den Autor, seine 13iographie und die Rezeption des werkes, sowei t sie damals bekannt sein konnte, ebenfa1ls den Staff und seine Quellen und die ihm bekannten fünf Handschriften. Edward Schroder, Kleinere Dichtungen Konrads von Würzburg. Der Welt Lohn. Das Herzmzre. Heinrich von Rempten. Berlin: Weidmannsche Buchhandlunq, 1924, 2. Aufl. 1930. 5-27, stimmt in der umfangreichen Einleitung zu seiner Ausgabe der Versnovellen Konrad von Würzburgs gegen den seit der Ausgabe von Karl August Hahn üblichen Titel otte mit dem Barte. Er entscheidet sich stattdessen für Heinrich von Kempten, da er Heinrich und Hand1ung haIt. nicht Kaiser otto für den Haupttrager der Dazu bespricht er eine Reihe von philologi- schen Problemen des Werkes und die siehen ihm bekannten Handschriften. Ander aIs E. Schroder ist L. Rohrich, tI'Kaiser otto' oder /'.. Heinrich von Kempten"? Eine Studie zu Konrad von Würzburg". ( GRM, 32 (1950/51): 151-154,der Meinung, daB die Novelle den 11 1 Titel "Kaiser Otto und Heinrich von Kempten" tragen müsse, da weder dem Kaiser noch Heinrich die groBte Aufmerksamkei t zukomme und beide Personen gleich wichtig seien. E:t'gebnis gelangt er auf Grul"ld einer Analyse Zu diesem der beiden Hauptfiguren und ihrer Charakteristik durch den Autor. Zudem weist er auf die 10 Handschriften hin "von denen 9 ebenfalls Kaiser otto in der Überschrift fdhren" (S.151). M. O'Connel Walshe, Medieval German Literature. A surv~. cambridge and Massachusetts: Harvard university Press, 1962, bietet in seinem Überblick über die mittelalterliche Literatur einige allgemeine Bemerkungen zu Konrad von Wurzburgs Werk und der hier behandelten Erzàhlung, die bei ihm wieder den Titel "Keiser Otte" trigt. Oavid M. Blamires, "Konrad von Würzburg' s Verse Novellen". Medieval Miscellany. Festschrift für Eugène Vinaver. Ed. F. Whitehead, A.H. Oiverres and F.E. Sutcliffe. New York: Manchester University Press, 1965. 28-44, bespricht samtliche Erzàhlungen nur recht allgemein nach Forro und Inhalt. Heinrich von Kem~ten Zu bietet er eine interpretierende Nacher- zahlung. Er weist auf die realistischen Zuge der Erzàhlung hin, nennt ihre Hauptthemen und lobt Konrads Erzahlstil, da er hier zu seinem vorteil seine literarischen und technische:n Fahigkei ten dem Erzàhlgegel!stand untergeordnet habe. 12 Auch Friedrich \ \. Neumann, Geschichte der altdeutschen Literatur. (800-1600). GrundriB und AufriB. Berlin: Walter de Gruyter & Co., 1966, erwatmt die Novelle nur mit wenigen sâtzen im Zusammenhang mit der Behandlung von Konrad von Wurzburg in dem Kapitel "Episches in mancherlei Gestalt" (S .191-195) • stefan F.L. Grunwald, "Konrad von Würzburg's Realistic Souvereign and (1970): Reluctant Servitor." 273-281, betrachtet die Medieval Versnovelle Studies unter 32 dem Gesichtspunkt eines neuen Realismus, den Konrad von Würzburg als Autor bürgerlicher Herkunft anstrebe. Er stellt fest, daB Konrad sich hier von der Idealisierung der hofischen Autoren abwende und eine glaubwürdigere und konkretere Beschreibung seiner Hauptfiguren qibt. Das resultiert in einem objektiveren Bild von Herrschern und Beherrschten der damaligen Zeit. Rosemary E. Wallbank, "Emperor otto and Heinrich von Kempten ". Studies in Medieval Li terature and Languages. In Memory of Frederick Whitehead. Ed. W. Rothwell, W.R.J. Barron, David Blamires and Lewis Thorpe. New York: Manchester University Press, 1973. 353-362, nimmt erneut das Problem des richtigen Titels auf und entscheidet sich geqen L. Rëhrichs und für E. Schroders Namengebung. Auf Grund einer Untersuchung der von Konrad verwendeten durchweq posi ti ven Epi theta für 13 Heinrich von Kempten und der negativen fur Kaiser otto kommt sie zum Resultat, daB Heinrich als Hauptheld gemeint sei. stephen L. Konrad: Wailes, Variet ies of "Konrad von Wurzburg and Pseudo- humour in the 1 Mare 1 • .. The Modern Language Review 69 (1974): 98-114, kommt in seiner Untersuchung zu den "Maren" Herzmiere, Heinrich von Kempten und Die Halbe Birne zu dem Ergebnü;, Gattung 1 maere' daB im 13. Jahrhundert die inhal tlich und forma1 reicher wird und an literarischem Ansehen gewinnt. Ihren Humor nimmt sie aus der Oiskrepanz zwischen den Idealen h6fischer und ritterlicher Zucht der niedrigen Realititen des Lebens. Wolfgang Beutin, npsychoanalytische l<ategorien bei der Untersuchung mi ttelhochdeutscher Texte ... Li teraturwissenschaft und Sozialwissenschaften 5, Literatur im Feudalismus. Ed. Dieter Richter. stuttgart: J .B. Metzler, 1975. 261-:::96, deutet unter anderem die Auseinandersetzung Heinrichs von Kempten mit Kaiser otto aIs einen verkleideten Vater-Sohn KonfU kt, in dem sich der in patriarchalischer Wel t vielfach unbewuJ3t geha1 tene Wunsch auBere, den Vater und die Vaterwelt zu schadigen. Heinrich von Kemptens Angriff auf den Kaiser, besonders die mit dem scharfen Messer und gegen den Bart gerichtete Attacke wird im Sinne Freuds als Kastrationsversuch gesehen. Schuld des Sohnes verlangt eine Wiedergutmachung, und die Beeintrâchtigung der Vaterwel t , i 50 Die wird in der Rettungstat des --~- ------------------, 14 zweiten Teils wieder gutgemacht (5.271). Den Kern des Konflikts bilde jedenfalls die sexuelle Rivalitat, ohne daB dabei aber der Gegenstand der Rivalitât in Erscheinung trete (5.272). In dem Zusammenhang haIt er es dann für verfehlt, von einem neuen Realismus im He~nrich von Kempten zu sprechen. Hubertus Fischer und Paul-Gerhard Volker, "Konrad von Würzburg: 'Heinrich von Kempten". Individuum und feudale Anarchie. te Literaturw5.ssenschaft und sozialwissenschaften 5, Literatur im Feudalismus. Ed. Dieter Richter. stuttgart: J.B. Metzler, 1975. 83-123, versuchen mittels eines modernen soziologischen Ansatzes von alten Interpretationen weqzukommen und streben Strukturen an, ein neues Verstândnis von feudalistischen die sie fur mittelalterqemaBer halten. Der Artikel bietet eine Reihe von interessanten Einsichten zum Hofritual, zum Adelsleben etc. Eine auf den Sinn der Dichtunq zielende zusammenhangende Interpretation wird von den Autoren nicht mehr für notiq qehalten. Herbert Walz, Die deutsche Literatur im Mittelalter. Geschichte und Dokumentation. München: Kind1er, 1976. 148-152, zeigt, daB die Fraqe des Titels von Konrads Novelle HeinriCh von Kempten noch immer nicht qelost sei und überschreibt sie Otto mit dem Barte (5.152). 15 Anne Gouws, "Aufbauprinzipien. der Versnovellen Konrads von Wùrzburg", Acta Germanica 14 (1981): 23-38, ste11t (wie sehon fur die Herzlnzre s. d.) auch fur den Heinrich von Kempten einen zah1ensymmetrischen Aufbau der Handlung fest. Zahlensymm~trisch komponiert seien vor allem die Gesprache (S.34) und die Ein1eitung. Sie kommt zu dem Ergebnis, "daS Konrad von Würzburg seine Versnovellen auBerordentlich sorgfaltig durchkomponiert hat" (S.3a). Carolyn Dussère, liA Note on Herzog Ernst and Konrad von Würzburg's 'Heinrich von Kempten' ," Germanie Notes. 14 (1983): 37-38, weist auf eine Reihe von Parallelen zwischen Heinrich von Kempten und Herzog Ernst und zu einem geringeren Grad mit Rudol f von Ems' Roman Der quote Gêrhart h in. Anhand der Charakteristika der Hauptfiguren kommt sie zu dem SchluB, daB die sozialkritik, didaktische Tendenzen, Rea1ismus und auch das Thema des Zusammenbruchs der hofisehen Gesellschaft im Heinrich von Kempten nicht 50 neue Themen sind wie bislang angenommen. Eine àhnliche Darstellung Kaiser ottos in al~.en drei Werken deute auf eine literarische Tradition um diesen Kaiser hin. Walter Roll, "Zum 'Heinrich von Kempten' von Konrad von Wiirzburg" Zeitschrift für deutsches Al tertum und .deutsche Literatur. 112 (1983): 252-257, beschaftigt sich mit dem von Anne Gouws bereits 1981 fe~tgestellten zahlenkompositorisch 16 '., gegliederten AUfbau, ohne allerdings ihre Arbeit zu erwahnen. Roll setzt sich dagegen mit H. Rollke auseinander, der 1969 eine sorgfal tige Gliederung mit zahlenkompositorischen Mi tteln fur die "Herzmere" und "Der Welt Lohn" festgestellt, sie aber für "Heinrich von Kempten" zurückgewiesen hatte. Roll weist fur den "Heinrich von Kempten" eine genauso sorgfaltig gliedernde Komposition nach, die die Zahlenproportion beachte und stellt den "Zorn" des Kaisers in den Mittelpunkt der Handlung. Joachim Heinzle, Geschichte der deutschen Literatur von den Anfangen bis zum Beginn der Neuzei t. Band 2: Vom hohen zum spaten Mitt~lalter. Jahrhundert Teil 2: wandlungen und Neuansatze im 13. (1220/30-1280/90). 1984. Athenaum, 50-60, diskutiert innerhalb seiner Behandlung Konrads von Würzburg und der Novelle Heinrich von Berthold von Thiersberg, Kempten den Auftraggeber und legt besonderen Wert auf die Feststellung, da6 er Domprobst von straSburg von 1261 bis 1277 war. Rüdiger Brandt, Konrad von Würzburg. Ertrage der Forschung 249. Darmstadt: Wissenschaft1iche Buchgesellschaft, 1987, bietet eingehende Studien zum Autor und seinen Werken, eine Forschungsgeschichte bis 1984 und Entstehen begriffene Forschungsprojekte. nennt einige im 17 Maria Dobozy, "Der al te und der neue Bund Wurzburg 1 j n Konrads von Heinrich von Kempten '." Zeitschrift fur deutsche Philologie 107 (1988): 386-400, geht von der Beobachtung aus, daB im Heinrich vop Kempten die Rituale hofischer Fp.stlichkeit durch chaotische Elemente gestort werden und kommt anhand anderer Beispiele zur SchluBfolgerung, daB die Verànderungen oder die Wiederherstellung der hofischen Ordnung nur mit Hilfe des Konzeptes des Rituals moglich ist, das sie auf der Basis anthropologischer Forschung erkennt. André 1 Schnyder, "Beobachtungen und uberlegungen zum Heinrich von Kempten' Konrads von Wurzburg". Jahrbllch_der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft S, 1988/89, bietet einen Uberblick ùber die gesamte Forschungsgeschichte der Novelle, angefangen vom ersten Herausgeber K. A. Hahn 1838 bis zu Fischer/ Volker 1983. Er will die bisher erschienene Forschung zu Heinrich von Kempten erganzen, nicht aber ersetzen oder widerlegen. Sein Interesse gilt der Struktur der Novelle, der Einheit von Zeit und ort, den Implikationen der Handlungen, dem Doppelungsmotiv der Handlung, sowie der Dreiteiligkeit des Werkes. Er kritisiert de Boors Kommentar zur Moral der Novelle, die er aIs sich aus dem 'rext selbst ergebend ansieht, nicht aIs "àuBerlich angeklebt" (S. 282). Rosemary E. Turner - Wallbank, "Tradition und Innovation in Konrads von Wurzburg 'Heinrich von Kempten'''. Jahrbuch der , r l 18 Oswald von Wolkenstein Gesellschaft 5, 1988/89. 263-271, vertritt die Meinung, daB Konrads Novelle auf zwei lateinisehen Anekdoten mit der Uberschrift Idem de eodem Otton~ primo im Pantheon Gottfrieds von Viterbo 1191 fuBt und bietet einen Vergleich der Werke der beiden Autoren. Dabei stellt sie fest, daB bei Konrad die Handlung der beiden Halften der Novelle zu einer einheitlichen Strukturverschmolzen sei (S.267) und gibt L. Rôhrich recht, Heinrich aIs Haupthelden genannt zu haben (S.269-270) . 19 DIE DARSTELLUNG DER PERSONEN IN HEINRICH VON KEMPl'EN HEINRICH VON KEMPl'EN Heinrich von Kempten, eine der Hauptfiguren in Konrad von Würzburgs gieichnamiger Novelle, wird sehon bei seine,m ersten Auftreten vorgestellt aIs: n ••• ein heIt, der was ein ritter ûzerweIt." (93-94) Er kommt zusammen mit seinem jungen Herrn, dem Sohn des Herzogs, aus Schwaben, ist dessen Erzieher und ein Vorbild an adligem Mut und edler Mànnlichkeit: "sin edel muot der haete sieh ri1icher manheit an genomen." (96-97) Die ùbermaBig harte Bestrafung des Knaben durch den Truchsess hatte ihn so aufgebracht, daB el: den Truchsess zornig zur Rede ste11te und ihm vorwarf, durch sein Benehmen die Sitte des Hofes verletzt zu haben. Da sich der Truchsess hartmickig verteidigte und diese Von.."irfe nicht ernst genug zu nehmen schien, wurde Heinrich nur noch zorniger und sagte, daB er sich base und unedei benommen habe und dafur mit seinem B1ut zah1en müsse: ndaz sol iuch hie geriuwen, wand ich vertrages langer niht. ir tugentl6ser boesewiht," (134-136) ••••• III •••••••••••••••••••••••••• "daz iuwer hant unkiusehe sô gar unedelliche tuot, des muoz begiezen iuwer bluot den saI und disen f1ecken. n (140-143) 1 20 Heinrich drohte dem Truchsess nicht nur mit Worten, sondern griff nach einem groBen Knuppel und setzte seine Drohung in die Tat um: Er erschlug den Truchsess, indem er ihm den Kopf in zwei Teile spaltete. Daraufhin wurde Heinrich wegen dieser Ubeltat vor den Kaiser gerufen und zur Rede gestellt. Er blieb aber unverzagt, verteidigte si::h und bestand darauf, daB der Kaiser in einem gerechten Urteilsspruch seine Schuld und Unschuld gegeneinander abwage: "geruochent mi;'le unschulde vernemen hie und mine schult. hab ich mit rehter ungedult verdienet iuwer vientschaft, sô lâzent iuwer magencraft mich vellen unde veigen. müg aber ich erzeigen daz niht si diu schulde min, sô ruochent mir genedic sin daz ir mir niht ùbels tuont" (206-215) Besonders am Ostertag, dem Tag, an dem der Herr auferstanden sei, moge er ihm erlauben, seine Gnade zu finden. AIs der Kaiser sich aber darauf gar nicht ein1ieB und bei seinem Bart schwor, den Tod seines Truchsesses zu rachen, wuBte Heinrich, daB es nun um sein Leben ging und daB er slch wahren müsse, solange dazu noch zeit sei (256-61). Er geriet in Zorn und entschloB sich, alles zu riskieren, um sein Leben zu retten, denn er wuBte genau, daB der Kaiser alles durchführte, was er bei seinem Bart schwor (250-56). Damit sprang er schnell zum Kaiser, griff seinen langen Bart und zog ihn daran über den Tisch. Er drückte ihn unter sich, zog ein scharf geschliffenes Messer von seiner seite und setzte es dem Kaiser an die ( Kehle. Mit der anderen Hand begann er ihn so zu wurgen, daB r 2' j ener kaum noch sprechen konnte. Drohend verlangte er nun Vu.; Raiser den Eid, ihn am Leben zu lassen oder es werde sein Ende sein: "sus lag er ûf im an der zit und rouf te in sêre widerstrit bi sinem langen barte, er wurgte in alsô harte daz er niht mohte sprechen." (295-299) Die Fürsten wollten dem Kaiser zu Hilfe eilen, aber Heinrich warnte sie, daS ihn niemand anrühren solle, da er sonst mit ihnen und dem Raiser kein Erbarmen hâtte: "lch giuze ir bluotes manegen trahen ê daz ich müge verderben. nu her! swer welle sterben, der kêre her und ruere mich!" (320-323) Die Fürsten traten auf den Wink des Kaisers zurück und Heinrich, den der Autor hier wieder unverzagtCel (331) nennt, verlangte nun yom Kaiser, ihn nicht langer warten zu lassen, sondern ihm die Begnadigung zu versprechen, wenn er am Leben bleiben wolle: "lânt hie niht lange ligen mich, ob ir daz leben wellent hân: mir werde sicherheit getân daz ich genese, ich 1âze iuch 1eben. wirt mir gewisheit niht qeqeben umb den lip, est iuwer tôt!" (332-337) Daraufhin verspra~h der Kaiser ihm eidlich sicherheit. Heinrich lieS ihn soqleich aufstehen, der Kaiser b1ieb bei seinem Wort, do ch wurde er des Landes verwiesen und wurde gewarnt, den Kaiser fur immer zu meiden und ihm nie wieder zu Gesicht zu kommen. 22 ( Heinrich kehrte nach Schwaben zu seinem groBen Lehensbesitz zurück, denn er war dort ein Dienstmann des stiftes Kempten. Der Autor sagt uns, daB er aus einer verlaSlichen Quelle vernommen habe, daB Heinrich in Schwaben sich schône gar betruoc (391) und hofisch lebte, so wie es ihm sein Besitz und sein Ansehen erlaubten. Zehn Jahre danach kreuzten sich Heinrichs und Kaiser ottos Wege erneut. Der Kaiser führte einen Krieg in Apulien und brauchte nach einiger Zeit neue Ritter aus Deutschland. Der Abt hereitete sich ehenfalls auf die Fahrt vor und unter den Dienstleuten wurde auch Heinrich vom Abt bei seinem Diensteid ermahnt, in seinem Gefolqe die Kriegsfahrt zu unternehmen. Heinrich erinnerte den Abt an das Verhot des Kaisers und die Ungnade, in der er beim Kaiser stand und bot an, seine beiden Sohne qut für den Kriegszug ausqerüstet statt seiner nach Italien zu schicken. Der Abt aber lehnte das ab und bedrohte ihn mit dem Verlust aller seiner Lehen, falls er nicht mitzoge. In seiner Begründunq , warum er auf Heinrichs Dienste nicht verz ichten konne, bietet der Abt eine hervorraqende Beschreihung von Heinrichs Wert a1s erfahrener Krieger und Berater: "min trôst und al min êre lit an iu bi disen ziten: jâ kunnet ir ze striten gerâten ûzer mâzen wol, und swaz man hôher dinge sol ze hove schicken alle wege, daz mac verrihten iuwer phleqe vil baz dann anders iemen: 23 so nütze enist mir an dirre hlneverte di von sô bite ich rit mit wiser lire niemen als ire daz ir mir gebent." (474-485) Daraufhin versprach Heinrich t ihm in dieser Not zu helfen, wie es seine Dienstpflicht von ihm verlangte: "min helfe sol ze rehter nôt iu bereit von schulden sin, wande ir sit der herre min, den ich dienstes muoz gewern;" (502-505) Er rüstete sich nur ungern zur Kriegsfahrt, versaumte aber nicht, stets seinen Mut und seine Kühnheit unter Beweis zu stellen: "er was sô küene und ouch sô quec daz er durch vorhte wênic liez:" (516-517) Was immer sein Herr ihm befahl, das tat er, er war ihm ganz und gar gehorsam. (518/19) In der Stadt, vor der das kaiserliche Heer lagerte, angekommen, versteckte sich Heinrich von Kempten und kam dem Kaiser nie zu Gesicht wegen des al ten Strei ts und seiner Schu1d. "von Kempten Heinrich allez barc sich vor des keisers angesiht und quam für in ze liehte niht, wand er in durch den alten haz und durch die schulde sin entsaz." (524-528) Er,hatte seine Hutte etwas abseits vom Heer aufgebaut und so ging ihm der Vil küene man (529) aus dem Weqe. An einem Tag als Heinrich nac~ einer langen Fahrt Erholung notig hatte und in einem Zuber badete, sah er, wie der Kaiser heimtückisch von einer Schar der feindlichen Burger uberfallen wurde. Da lieS er Baden und Waschen bleiben, sprang wie ein 24 ( rechter Held (576) aus dem Zuber, lief kühn zu seinem Schild an der Wand, den nahm er in die Hand, 50 auch sein Schwert und kam damit nackend zu dem Kaiser gelaufen und befreite ihn von den Bürgern: dabei zerhackte und zerhaute er genuq seiner Feinde, totete viele von denen, die den Kaiser erschlaqen wollten , vergoS mit starker Hand viel Blut und vertrieb mit kraftigen Schlagen aIle, die lebendig blieben: "der liute er vil ze t6de sluoc die den keiser wolten slahen, er g6z ir bluotes manegen trahen mit ellenthafter hende. ze bitterlichem ende mit starken sIegen er si treip, und swaz ir lebendic beleip, die mahte er aIle flühtec." (588-595) Nachdem der ritter zühtec (596) den Kaiser vom Tode qerettet hatte, lief er wieder in sein Bad zurück und tat so, aIs ob er von dem Geschehen qanz und qar nichts wüBte und badete wie zuvor: "dar ln qesaz er drite nider, als ob er umbe die qeschiht weste in dirre werlte niht, und badet aIs er tet di vor." (600-603) Kaiser otto hatte ihn nicht erkannt, und fraqte die Fürsten nach dem Namen seines unbekannten Retters, dami t er ihn angemessen belohnen Kanne, denn noch nie und nirqends sei er einem so bereitwilliqen und furchtlosen Ritter begegnet: "nie ritter wart s6 tiure noch s6 frech ân allen spot." (628-629) ............................ "kein ritter s6 gar 6zerlesen lebt weder hie noch anderswâ." (636-637) ( 25 1 Einige der Fürsten wuBten, wer es gewesen war und berichteten dem Kaiser, daB es sich um einen bei ihm in Ungnade gefallenen Ritter handelte, den sie ihm gerne nennen würden, wenn der Kaiser ihm seine Huld wieder gàbe. Kaiser otto erklarte sich dazu bereit, und verstand sogleich, aIs ihm Heinrich von Kempten genannt wurde, daB diese Tat von derselben Kùhnheit zeuge wie die erste. Vor der Begnadigung wollte er ihn aber erst einmal, wenn auch nur zum Schein, erschrecken: "wer haete ouch anders diz getân daz er ndcket hiute streit? wand er ou ch die getürstekeit truog in sime herzen hôch daz er bi dem barte zôch einen keiser über tisch. sin muot ist frevel unde frisch, des enkilt er niemer; min helfe muoz in iamer genaedeclichen decken. doch wil ich in erschrecken und ubelliche emphâhen." (668-679) AIs Hejnrich so grimmig empfangen wurde, bestand er wieder darauf, daB der Kaiser ihm verzeihe, da er nur gezwungen zum Heer gekommen sei: "'genâde, herre!' sprach der degen, 'ich quam betwungenlichen her. dâ von sô bite ich unde ger daz ir verkieset die getât." (702-705) Er wies darauf hin, da8 er die Huld seines Fürsten und auch sein Lehen verloren hatte, wenn er ihm nicht gehorcht und ihm nicht auf die Kriegsfahrt gefolgt ware. (706-718) Der Kaiser versohnte sich nun mit Heinrich und pries seine Unerschrockenheit. Seine ritterlichen Tugenden brachten t Heinrich groBen Reichtum und hochstes Ansehen ein, denn der 26 ( Kaiser gab ihm Geld und ein Lehen, daB jahrlich 200 Mark wert war. Zum AbschluB stimmt der Autor zu, daB jeder Ritter so mutig, entschlossen und ohne Furcht seine korperliche Kraft einsetzen solle, da Mannheit und ritterliche Tat noch immer jedem, der sie ausuben konne, Ruhm und Ehre einbrachten: "Dar umbe ein ieslich ritter sol gerne sin des muotes quec, werf alle zageheit enwec und üebe sines libes kraft. wan manheit unde ritterschaft diu zwei diu tiurent sêre: si bringent lob und êre noch einem iegelichen man der si wol gehalten kan unde in beiden mag geleben." (744-753) 27 KNABE Der Knabe, vom Autor ein werder j uncherre (52) und hôchgeborne (65) genannt, ist nicht nur ein sehr schones Kind, sondern auch der Alleinerbe eines machtigen Herzogs von Schwaben. Er lebt in Bamberg am Hofe Kaiser ottos, um dort eine hofische Erziehung zu erha1ten. Der Autor stellt ihn betont positiv dar, aIs: " . .. edel unde wünnevar an herzen und an libe ..• " (52-53) und von den Hofleuten wird er ebenfalls geachtet: "die liute im aIle sunder mein vil hôhen pris dâ gâben." (54-55) weiterhin wird er aIs knabe reine (60) und aIs der junge fürste wünnesam (71) beschrieben, aIs knaben edel unde clâr (87) und juncherren hôch (102), mit blanken hende(n) (63), was seine adlige Herkunft und jugendliche Unschuld weiter hervorheben. Am Ostertag ging er im kaiser1ichen Speisesaal am fertig gedeckten Tisch entlang und brach sich ein kleines stuckchen ungesalzenes WeiBbrot ab, um es vor der Mahlzeit zu essen. Der Autor Konrad entschuldigt solch Verhalten sofort mit dem kind1ichen Alter des Knaben: " ..• sam diu kint, diu des sites e11iu sint und in der wille stât dar zuo daz si gerne enbizent fruo." (67-70) Der Truchsess des Kaisers sah ihn das tun und wurde darüber g1eich 50 wütend, daB er ihn mit seinem Stab so hefti; auf den ( 28 Kopf schlug, daB das Blut hervorquoll. Der Knabe fiel zu Boden, saB da und weinte viele heiSe Tranen. Damit ist seine Rolle beendet, und er wird vom Autoren nicht mehr erwahnt. ( 29 TRUCHSESS Der Truchsess wird vom Autor Konrad von Wurzburg eingeführt, aIs der Knabe etwas von dem Brot genornmen hatte. Seine Aufgabe war es, am Hofe Kaiser ottos die Vorbereitungen fur das Mittagessen nach der Ostermesse zu überwachen. Er ging also mit seinem Stab durch den Saal, um alles anzuordnen: "dô gienc aldâ mit sime stabe des keisers truhs~ze und schihte daz man eze, s6 man gesungen hete gar." (74-77) Er wurde gewahr, daB der junge Herr sich etwas von dem Brot abgebrochen hatte. Daruber wurde er sofort zorn!g, da es seine Art war, daB ihn auch kleine Dinge sehr aufregten: "daz der juneherre wert des brôtes h~te di gegert. des wart er zornic sâ zehant: der site sin was s6 gewant daz in muote ein cleine dine." (79-83) Der Truchsess bestrafte aiso den Knaben, indem er ihm mit seinem Stabe den Kopf blutig schlug: "des lief er an den jungelinc mit eime stabe den er truoc, di mite er af daz houbet sluoc." (84-86) Als Hejnrich von Kempten daraufhin zornig solches Verhalten als ungebuhrlich fur seine Ritterschaft kritisierte, lehnte der Truchsess das aIs Einmischung trotzig ab, 9az lint iu gar unmêlere sin! (118) und rechtfertigte sein Handeln damit, daB es ihm zustehe, einen j eden ungehobel ten I<orl zu bestrafen und zu schlagen, wenn er gegen die sitten des Hofes verstoBe: "mir ist daz wol gemaeze 30 , deich ungefüegen schelken were und einen iegelichen bere der hie ze hove unzlihtic ist." (120-123) \. und verbot geringschàtzig Heinrich jedes weitere Wort: "lint iuwer rede an dirr~ frist belîben algemeine: ich fürhte iuch alsô (':leine aIs der habich tuot daz huon." (124-127) Aggressi v und herausfordernd fragte er Heinrich wei terhin, was er denn dagegen zu tun gedenke, daB er den Herzogssohn gesch1agen hatte: "waz welt ir nû dar umbe tuon daz ich den herzogen sluoc?" (128-129) Das brachte Heinrich vëllig in Wut und er schlug ihn nun seinerseits so kraftig mit eine~ Knüppel, daB der Ropf des Truchsess gespalten wurde. Sehr drastisch wird dann vom Autor das Ende des Truchsess berichtet: Sich wie ein Kreisel drehend stürzte er mit zerschmetterten Haupt tot zu Boden: n ••• er begunde zwirben alunlbe und umbe sam ein topf;" (150-151) ...... ..... . .... . ....... . . .. "des viel er ûf den esterich und lac di jimerlichen tat." (154-155) Das Los des Truchsesses ist dem des Rnaben gleich: seine Rolle in der Erzahlung ist ausgespielt, und er findet von jetzt ab keine Erwahnung mehr. 31 ABT Der Abt von Kempten war einer der Fursten des Reiches (429). Als Lehensempfânger war er Kaiser otto zu Dienst verpflichtet und deswegen au ch sofort bereit, des Kaisers Aufforderung zum Kriegszug nach Apulien zu folgen. Er schickte sofort eine Botschaft an alle seine Dienstleute und ermahnte sie b~i ihren Treueiden zur Heeresfahrt. Er lieS Heinrich von Kempten vor sich kommen und erinnerte ihn in einer kleinen Rede daran, daB er als einer der Reichsfursten dem Kaiser Hilfe leisten muSte und daB er dazu ihn und sein~ Dienstleute besonders benotige. Er ermahnte Heinrich dar'Jm, die ihnen befohlene Reise nicht zu unterlassen und am festgesetzten Zeitpunkt bereit zu sein (438-451). AIs Heinrich aber auf die Ungnade des Kaisers hinwies und lieber seine beiden sohne schicken wollte aIs selbst zu gehen, lehnte der Abt das in einer 2. Rede ab (470-490), in der er Heinrich als seinen besten Dienstmann charakterisierte, der im Kampf ebenso wie in Wlchtigen Dingen des Hofes erfahrener und ihm nutzlicher sei als alle anderen: "sô nutze enist mir niemen an dirre hineverte als ir mir." (483-484) Deshalb forderte er ihn auf, ihm mit seinem Rat und seiner Erfahrunq auf dem Krieqszug beizustehen. Sollte er sich dem aber widersetzen und ihm seine Dienste versagen, so wtirde er alle Lehen Heinrichs verdienen verstünde: jemandem geben, der sie besser zu 32 "ist daz ir di wider strebent und ir mir dienstes abe gânt, swaz ir von mir ze lêhen hint, weizgot daz Iihe ich anderswar, di manz verdienen wol getar." (486-490) Heinrich bevorzugte es daraufhin, dem Abt in den Krieg zu folgen, anstatt sein ritterliches Ansehen und Lehen zu verlieren und diesem treu zu dienen, so wie es sich für ihn gebührte. Der Abt wird hier nur eingeführt, um die HandIung voranzutreiben und Heinrich weiterhin zu charakterisieren. *F 33 RAISER OTTO Kaiser otto wird aIs ein maehtiger und zugleich gefürchteter Herrseher über viele Lander eingeführt: "Ein keiser otte was genant, des magencrefte manie lant mit vorhten undert~nie wart." (1-3) Charakteristiseh fur ihn war sein schoner, langer, gepflegter Bart, und alles was er bei ihm geschworen hatte, führte er au ch aus. Sein Haar war rot, und er war insgesamt ein ubler Mann, leicht reizbar zu boser stimmung. Wer immer etwas gegen ihn unternahm, der hatte sein Leben verloren. Jeder, dem er bei seinem Bart Strafe geschworen hatte, muBte, ohne auf Milde rechnen zu konnen, den Tod erleiden: "über swen der eit gesworn von des keisers munde wart: "du garnest ez, sam mir min hart!" der muoste ligen tôt zehant, wand er dekeine milte vant an siner hende danne." (14-19) Die Handlung beginnt damit, daB er zu Ostern ein groBes Fest in seiner Burg zu Babenberg abhalt. Naeh der Messe kam Kaiser otto mit samt1iehen Fursten in den Saal, wo das Essen gereicht werden solI te. Nachdem er sich die Hande gewaschen und sich an den Tisch gesetzt hatte, FuBboden. beschmutzt sah er das frisehe Blut auf dem AIs er sich erkundigte, hatte, sagte man ihm, wer den Saa1 mit Blut daB man soeben seinen Truchsess erschlagen habe, und aIs er wùtend wei terfragte, wer das gewagt hatte, ihn so zu beleidigen, nannte man ihm J 1 34 ( Heinrich von Kempten. Der Ritter wurde vor den schrecklichen Kaiser (fur den keiser freissam, 185) geladen: "er für ich mir werde schiere nû besant min antlitze her: wil in frâqen war umb er habe sC:- vaste an im qeschadet ... (180-183) und sogleich als er ihm vor Augen kam, fuhr er ihn zorniq (186) an, warum er so qetobt habe, daB er ihm seinen hochqe- lobten Truchsess ermorden musste. Damit habe er sich seine kaiserliche Unqnade aufqebürdet, und seine kaiserliche Gewalt solle er sehr zu spuren bekommen. DaB er Ehre und Ansehen seines Hofes qestërt hatte, werde an ihm qeracht werden, ebenso wie die Bluttat am Truchsess: "ir hânt ûf iuch qehordet min ungenâde manicvalt: iu sol min keiserlich gewalt erzeiget werden sêre; ir hânt mins hoves êre und minen pris zebrochen; daz wirt an iu gerochen, der hôhe mein und diu geschiht daz man den truhszzen siht von iu ze tôde erlempten." (192-201) Als Heinrich von Kempten seine Tat erklàren wollte und um ein qerechtes Verfahren und auch um kaiser1iche Gnade bat, redete sich der Kaiser stattdessen in immer grëBeren Zorn: Aus grimmigem Herzen antwortete ihm der bëse, rote Kaiser, der keiser übel unde rot (231), er wolle ihm den Tod seines Truchsessen auf keinen Fall verzeihen, no ch werde er jemals kaiserliche Gnade bei ihm finden. Bei seinem Barte sol le er ihm bezahlen, daB sein Truchsess ohne jeden Grund von ihm erschlaqen wurde: 35 " des tôdes smerzen den hie min truhseze treit, lid ich mit solher arebeit daz ich niht muotes hân dar zuo daz ich iu keine gnâde tua umb iuwer hôhe schulde. min keiserlichiu hulde muoz iemer sin vor iu verspart. ir garnet ez, sam mir min bart, daz min truhsaze tôt lit von iu alsunder nôt tt (234-244) Heinrich, der schnell festgestellt hatte, daB aIl seine Erklarungen ihm gegen die Wut des schlimmen Kaisers nichts nützen würden, verteidigte sich daraufhin mit einer Gewalttat: Kaiser otto wurde von ihm an seinem langen Bart ùber den mit Speisen bedeckten Tisch geschleift, und er verlor nicht wenig Barthaare dabei. Sein kaiserliches Haupt wurde sehr beleidigt, auch rollte die Krone und sein kaiserlicher Zierat auf den FuBboden. Ganz und gar wehrlos und sprachlos lag er mit Heinrichs Messer am Hals und mit zugepreBter Kehle unter dem Ritter. Kraftlos gebot ~r mit einem wink Heinrichs Freilas- sung. AIs der ihn dann freigegeben hatte, setzte er sich wieder in seinen Sessel, ordnete seine Haare und seinen Bart und sagte ihm, daB er ihm nie wieder zu Gesicht kommen durfe und bemerkte, daB von nun an ein anderer Barbier seinen Bart scheren werde, denn was ihm eben zugestoBen sei, sei seinem Bart nicht wohlbekommen. Zehn Jahre nach diesen Ereignissen fuhrte der Kaiser einen groBen Krieg südlich der Alpen, wo er schon seit langerer Zeit mit viel MÜhe eine Stadt in Apulien belagerte. 36 Da es ihm nach einiger zeit an Krieqern manqelte, sandte er na ch deutschen Rittern aus: "er hiez in allen enden den herren künden unde sagen: swer iht haete bi den tagen ze lêhen von dem riche, daz im der snellicliche ze helte quaeme bi der stunt." (408-413) Jeder der dem Kaiser Dienstpflicht schulde, weil er ihm den Lehenseid qeschworen und dafür ein Reichslehen empfangen habe, der salle sich schnel1 aufmachen, um ihm im Kampf beizustehen. Denen die sich weiqern sollten, drohte er mit Entzuq seines Lehens: "swer des niht entaete, daz er sin lêhen haete verwürket unde ez solte lân." (421-423) Eines Taqes ritt Kaiser otto vollig unbewaffnet einigen Bürgern der belaqerten Stadt entgeqen, um mit ihnen zu verhandeln. Die bewaffneten Bürger stürzten sich jedoch auf ihn und wollten ihn ermorden. Heinrich kam dem Kaiser zu Hilfe und rettete ihn. Zurück zu seinem Heer geflüchtet, verlanqte der Kaiser na ch dem Namen des mutiqen Ritters, der ihn vom sicheren Tod gerettet hatte. Als er von seinen Leuten darauf hinqewiesen wurde, daB es sich um jemanden handele, dem er seine Gnade entzoqen hatte, versicherte er und versprach bei seiner kaiserlichen Ehre, daB er ihn in seine Gunst wiederaufnehmen werde, und wenn der ihm auch den Vater erschlaqen hatte. Daraufhin wurde ihm Heinrich von Kempten genannt und der Kaiser erinnerte sich qenau an den Angriff und daB er bei seinem Bart über den Tisch gezogen wurde: , 37 1 "wand er ouch die getürstekei t truoq in sime herzen hôch daz er bi dem barte zôch einen keiser tiber tisch." (670-673) Er verstand das aber jetzt aIs einen Ausdruck von Heinrichs kühner ritterlicher Gesinnung, die er schon damaIs und nun wieder bei seiner Errettung gezeigt habe. Bevor er ihn fur immer in seine kaiserliche Gunst aufnehmen wolle, wolle er Heinrich aber einen guten Schrecken einjagen, indem er ihn absichtlich grinunig empfange. AIs Heinrich von Rempten vor ihm stand, fuhr er ihn zornig an, wie er so übermutiq und hoffartig sein kënne, ihm jemals wieder vor Augen zu treten, denn er sei es doch gewesen, der ihn so viel Barthaare qekostet habe, da! er no ch heute keine Locken hatte. Heinrich wies darauf hin, daS er nur gezwungen hierher ge=kommen sei und verlangte daher eine Verzeihunq. AIs der Kaiser das vernahm, brach er in lautes Lachen aus, hieS ihn tausendfach willkommen, pries ihn aIs seinen Retter in der Not und versicherte ihm, daB er von seinem Zorn ablassen wolle: "ir und den wan hânt mir swaere vil genomen daz leben min genert. lip müeste ich hân verzert iuwer helfe, s~lic man!" (726-729) oamit sprang der Kaiser von seinem Thron aUf, lief Heinrich entgegen, ku8te ihm Augen und Hande, versohnte sich mit ihm und wandte seinen schrecklichen Zorn nie mehr gegen ihn: "ir wan und was t zweier vintschaft was dâhin, der keiser hôchgeborn sin grimmeclicher zorn dem ritter niht gevêch." (734-737) 38 Der Kaiser beschenkte Heinrich aus Oankbarkeit mit Geld und einem betrachtlichen Lehen. ( 39 ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE Wahrend in den vorhergehenden Abschnitten eine mehr sprachliche Arbeit geleistet wurde, nàmlich die mittelhochdeut~ch abgefaBten Angaben zur Darstellung der Personen und der Beschreibung ihrer Handlungen méglichst genau neuhochdeutsch wiederzugeben, Einsichten und Besonderheiten sollen Beobachtungen, der in diesem die sich mitelalterlichen Abschnitt daraus fùr die die Personendarstellung ergeben, zusammengefaBt werden. Inhaltlich wichtige Szenen, Szenen, die zentrale Ereignisse beinhal ten, werden oft mehrfach wiederhol t: Bereits j!rzahltes wird erneut aufgenommen und mit Variationen nochmals erzahlt. Dabei kënnen andere Aspekte hervorgehoben werden. Das berichtete Ereignis wird von mehreren seiten beleuchtet, es tritt plastischer hervor und das fuhrt zu einem vertiefteren Verstandnis bei der Zuhorerschaft. In der Besc.hreibung der Personen gibt es des cfteren Widersprûche: Sie werden vom Autor ideal vorgestellt, d.h. idealisierende Adjektive werden ihnen vom Autor beigegeben, die berichteten Handlungen widersprechen dann jedoch gelegentlich diesen Beschreibungen. So kann ein Ritter, der vom Erzahler furchtlos genannt wird, in seinen Handlungen Furcht zeigen. Gelegentlich steht dahinter ein anderes Wertverstandnis: Wenn z. B. Heinrich von Kempten vom Autor zu Beginn der 40 Versnovelle aIs durchaus ideal dargestel1't:. wird, so ist es heute schwer zu verstehen, wie das zu seiner Handlung dem Kaiser gegenüber paSt, denn daS er den Kaiser ergreift und ihm das Messer an die Kehle setzt, um sein Recht zu erlangen, ist für uns heute Geiselnahme und Erpressunq. Der Autor und mit ihm der Kaiser - wenigstens am Ende - aber verstehen dies aIs ritterliche Unerschrockenheit und damit zumindest für den Kriegerstand aIs einen positiven Wert. Auffalig ist weiterhin, da8 Personen, die in der Erzahlung nicht mehr gebraucht werden, kommentarlos entfernt werden oder verschwinden. Genauso plotzlich konnen sie aber auch eingeführt werden. Der Abt wird z.B. erst in der Mitte der Erzahlùng genannt, aIs ein Lehnsherr für Heinrich von Kempten, so wie er qebraucht wird. Dabei wird die Beziehunq z .m Herzog von Schwaben nicht mehr erwahnt, für dessen 50hn er doch aIs Erzieher zuerst auftrat. Der Abt wird dann seinerseits nicht mehr erwahnt, nachdem er Heinrich von Kempten dazu qebracht hat, seinen Widerstand qegen den Krieqszuq unter Führung des Kaisers aufzuqeben. Es ware aber durchaus denkbar, daS er in der spateren Versohnunq mit dem Kaiser nocheinmal eine Rolle qespielt hatte und man ihn damit an der abschlieBenden versohnlichen Handlunq der Erzahlunq beteiligte. 50 hat er nur die Funktion, kraft seiner Argumente und Drohungen Heinrich na ch Italien in das Heerlager des Kaisers zu brinqen. Noch deutlicher ist das der Fall bei dem Knaben. Er wird zunachst mit einem gewissen Aufwand an Beschreibung von Konrad 4l von Würzburg eingefuhrt, wird aber gar nicht rnehr erwahnt, nachdern er vorn Truchsess geprügelt wurde und weinend am Boden saS. Auch hier ist seine Rolle nur, Heinrichs Aktion gegen den Truchsess in Gang zu bringen. In einer modernen Erzahlung ware er von vornherein aIs Nebenperson eingefuhrt, die seinem Tutor Heinrich von Kempten, wenn au ch nicht im sozialen Rang doch 50 im erzàhlerischen Rang, untergeordnet wàre. In diesen Zusammenhang geharen auch die Unwahrscheinlichkeiten. Es ist z. B. ganz und berichteten gar nicht vorzustellen, daB der Kaiser ohne jegliche Begleitung allein mit einer Gruppe von feindlichen Bürgern zusammenkommt und mit ihnen Verhandlungen fùhrt. In sol chen Aktionen war ein Kaiser sicherlich nicht direkt verwickelt, schon gar nicht aber oh ne eine Schutzwache. Hier wird ganz deutlich von Konrad von Wùrzburg eine Situation künst1.ich geschaffen, protagonist Heinrich aIs Retter zu~ in der der Zuge kommen kann. Dafur scheut der Autor nicht vor Unwahrscheinlichkeiten zurùck. wir befinden uns somit in einer uns frernden Erzàhlwelt, in der andere aIs die uns gewohnten Erzàhlstrategien verwendet werden. Es geht im wesentlichen darurn, die Erzahlung in die geplante Richtung voranzutreiben, wobe! Wahrscheinl!chkeit und Glaubwürdigkeit keine besonders wichtige Rolle spielen. Es ist weiterhin auffallig, daB der Autor Wert darauf le.gt, in die Handlung immer wieder Szenen einzublenden, die oftmals ins einzelne gehende krasse Beschreibungen enthalten: z.B. die Darstellung des stockhiebes, den der Knabe vorn 42 Truchsess erhalt. Die Brutalitat des Schlaqs auf den Kopf, das strèmende Blut und die Klage des Kindes wird detailliert und direkt b~richtet. Das wird nur übertroffen von der Brutalitat, mit der der Truchsess nun seinerseits durch einen stockschlag über den Kopf von Heinrich VOI'1 Kempten getotet wird. Der Autor schreckt nicht vor der detaillierten Darstellung extremer Gewalttatigkeit zurück. Durch besonders ausgewahlte Vergleiche erhoht er dann noch deren Wirkung, z.B. in der Art wie der erschlagene Truchsess wie ein Kreisel sich um sich selbst drehend zusammenbricht. Der Gewaltakt gegen den Kaiser ist ein weiteres Beispiel für den krassen Realismus im Detail. Burlesk ist dagegen die Darstellung von Heinrich von Kemptens Nacktheit bei der Verteidigung des Kaisers. Er erwahnt das mehrere Male, gibt dazu aber keine besonderen Details. Es ist natürlich zu fragen, warum Heinrich überhaupt in dieser Szene nackt zu sein hat. Von der Handlunq her ist es nicht notig. Vielleicht aber ist es auf der symbolischen seite ein wichtiges Detail: Dann korrespondierte etwa die nackte Entschlossenheit Heinrichs in der Verteidigung des Kaisers im 2. Teil mit der im übertragenen Sinn nackten KÜhnheit und Aggressivitcit beim Angriff auf den Kaiser im ersten Teil. 43 HERZMAERE VORSTELI1JNG DES WERKES Herzmaere, eine 588 Verse umfassende Kurzerzàhlung Konrad von Würzburgs, gehàrt zu den Frühwerken aus der ersten literarischen Schaffensperiode des Autoren und entstand etwa um 1260. Der Auftraggeber ist nicht bekannt. Gottfried von straBburqs EinfluB auf das Werk und den Autoren se1bst ist jedoch unübersehbar, da er ihn mit Namen erwahnt (9) und aIs Vorbild anerkennt. Die genaue Anzahl der vorgefundenen Handschriften ist sehr umstritten und noch nicht endgültig geklàrt. Kurt Ruh spricht von elf überlieferten Handschriften, davon zwei voiistandig, eine verbrannt und eine verschollen. 'O Rudiger Brandt bestatigt diesen Befund, haIt es aber für moglich, daB noch weitere Handschrifl:en gefunden werden konnten. 11 Ursula Schulze spricht von acht vollstàndig erhaltenen Handschriften 12, nennt 10 im Widerspruch dazu spa ter aber nur sechs H. Brunner, in Verfasserlexikon, 292. 11 Rüdiger Brandt, Konrad <Jon wùrzburg. Ertrage der Forschung 249 (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1987) 105. 12 Ursula Schulze, "Konrads von Würzburg novellistische Gestaltungskunst im 'Herzmaere',tt Jtfediaevalia litteraria Festschrift für Helmut de Boor zum 80. Geburtstaq, ed. U. Henning and H. Kolb (Munchen: C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, 1971) 469. 1 44 t vollstandig überlieferte Handschriften 13 • David 8lamires spricht von zwolf aufgefundenen Handschriften, die ganz oder fragmenta.t'isch yom spaten 13. Jahrhundert bis zum frühen 16. Jahrhundert entstanden seien. 14 Die Quelle für das Motiv yom gegessenen Herzen stammt nicht von Konrad von Würzburg selbst, sondern ist schon von indischen Erzi:ihlungen seit 1100 verbreitet. In Frankreich, England, Italien und Deutschland fand dasselbe Motiv ebenfalls groBen Anklang, 15 Die Novelle Herzmaere behandelt die leidenschaftliche Liebe von einem Ritter und einer verheirateten Dame. Der eifersüchtige Ehemann bemerkt sehr bald die groBe Liebe der beiden zueinander und bewirkt die Abreise des Ritters nach Jerusalem. Im Heiligen Land verliert der Ritter aIl seinen Lebenswillen, da er seine heiSe Minne nach der geliebten Dame nicht stillen kann, und er stirbt an gebrochenem Herzen. Seinen Knappen beauftragt er, sein Herz nach seinem Tode einbalsamieren zu lassen und es zusammen mit dem Liebespfand der Dame, ihrem Ring, Goldkastchen in einem mit Edelsteinen verz ierten der Geliebten zu überbringen. Der Ehegatte begegnet zufallig dem Knappen auf offener Wiese, entreiBt ihm mit Gewalt das Kastchen und beauftragt seinen Koch, aus dem 13 Ursula Schulze, ebda. 14 David Blamires, "Konrad von Würzburg' s Verse Novellen," Medieval Miscellany, Festschrift für E. Vinaver, ed. A.H. Diverres (Manchester, New York: 1965) 251. 1 15 Ursula Schulze, ebda. 45 Herzen darin eine kostliche Mahlzeit zuzubereiten. Diese speise laBt er seiner Frau servieren, ohne selbst davon zu kosten. AIs die Dame nach der Herkunft des kostbaren Gerichtes fragt und erfahrt, daB sie das Herz ihres Geliebten gegessen habe, der aus sehnsuchtsvoller Liebe nach ihr gestorben sei, wird sie leichenblaB, schwërt, nie mehr eine weitere speise zu sich zu nehmen und stirbt. 46 .. - UBERBLICK UBER DIE FORSCHUNGSLITERATOR J. E. ~angygge Matzke, "The Legend of the ea ten heart." Modern Notes 26 (1911): 1-8, behandelt die geschichtliche Herkunft des Stoffes vom gegessenen Herzen unter BerUcksichtigung der Forschungen von Gaston Paris, Patzig und Ahlstrëm. Sein Ziel zueinander ist, die Beziehungen der einzelnen Geschichten festzustellen. Dabei berücksichtigt er die folgenden Erzahlungen mit derselben Thematik: die indische Geschichte Cabestaing des und Rasalu, die Boccaccios Biographie des Novelle Guilhem de Guiglielmo Rossiglione e Messer Guiglielemo Guardastagno (S.3). Edward Schroder, Kleinere Würzburg. Der Welt Lohn. Das Dichtungen Herzm~re. Konrads von Heinrich von Kempten. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1924, 2. Aufl. 1930. 5-27, listet elf Handschriften, auf denen er seinen Text basiert. Bei einem Vergleich dieser Handechriften kommt er zu dem Resultat, "daB es auch vom Herzmzre keine Handschrift gibt die man aIs gut bezeichnen und der Ausgabe zu Grunde legen konnte" (S.28). David M. Blamires, "Konrad von Würzburg's Verse Novellen." Medieval Miscellany. Festschrift für Eugène Vinaver. Ed. F. Whitehead, A.H. Diverres and F.E. Sutcliffe. New York: Manchester University Press, 1965. 28-44, bietet im wesentli- 47 chen eine kurze Vorstellunq und Besprechunq des Werkes. Er weist auf die thematische Nahe zur Minnesituation im Tristan Gottfrieds von StraBburq hin und bewundert die stilistische Sicherheit, mit der Konrad von Wurzburg Inhalt und Form harmonisch behandelt hat. Heinz Rolleke, "Zum Aufbau des Herzm~re Konrads von Würzburg." Zeitschrift fur deutsche§ Al tertum und deutsJ~.he Literatu~ Blamires 28 (196~): 126-133, wehrt sich gegen "apodiktische Festste1lung", da! in der Herzmaere Zahlenkomposition nur sehr maBiq aufzuweisen sei. Anders aIs in der vorhergehenden Forschung geht H. Rolleke von einer G1iederung des Werkes durch E. Schroder aus, der die Erzahlabschnitte dort einsetzen laBt, wo Konrads metrische Brechungen aufgehoben sind (S.127). Ursula Schulze, Gestaltungskunst im "Konrads von wurzburg novellistische iHerzmaere'." Mediaevalia litteraria. Festschrift für Helmut de Boor zum 80. Geburtstag. Ed. Ursula Henning und Herbert Kolb. Munchen: C.H.Beck'sche Verlagsbuchhand1ung, 1971. 451-484, bietet eine ausfuhrliche Besprechung der Herzmaere, ihrer Stoffgeschichte und ihrer literarischen Stellung. Sie widmet sich unter anderem den Interpretationsmoglichkeiten, die sich ergeben, "wenn man die verschiedenen Stoffstrange auseinanderlegt" (5.452). Sie weist weiterhin auf die 8 vOllstandigen (S. 469), an anderer Stelle aber auf 6 48 vollstandige (S.474) Handschriften hin, auf den gesehichtlichen Hintergrund der Novelle und aut andere Werke, die das gleiche Thema behandelt haben. In ihrer Besprechung der Herz - Thematik bezieht sie sieh auf Xenia von Ertzdorff, die in ihren Arbeiten zum 'Herz' im Mittelalter gezeigt hat, "welch wichtige Rolle das Herz aIs geistiger Mittelpunkt des Menschen, wo 'amor' und 'caritas' ihren Sitz haben, in der religi6sen und weltlichen Literatur des Mittelalters spielte" (S.455). Sie vergleicht Konrads Herzmaere mit Jakemés Sake seps Le Roman du Castelain de Couei et de la dame de Fayel und stellt fest, daB bei Konrad die Personen keinen Namen erhalten, er also eine Gruppe anspricht, sich aber nieht auf bestimmte Einzelpersonen bezieht. U. Schulze zieht weitere Vergleiehe zu Hartmanns Gregorius und Gottfrieds Tristan, widmet einige Paragraphen der Minne und sehlâgt vor, die Novelle ihrem Aufbau n~ch zu gliedern, da das das Nacherzahlen erleiehtere. Danielle Buschinger, "Le Herzmaere de Konrad von würzburg et la Légende du 'Coeur mangé'." Actes du Colloque des 27« 28 ~t 29 avril 1979 "Le Reeit Bref du Moyen Age". Ed. Danielle Buschinger. Paris: Champion, 1979. 263-276, bezieht sich auf die drei versehiedenen Versionen des aus der Antike vermittelten Stoffes Übereinstimmungen vom gegessenen zwischen der Herzen. Herzmaere, Sie dem hebt die Tristan Gottfrieds von StraBburg und dem Roman du Castelain de Couei 49 et de la dame de Fayel hervor. AbschlieBend stellt sie fest, daB es in den Werken darum gehe nachzuweisen, daB das hôfische Liebesideal auch in einer bürgerlichen Welt weiterbestehen und 1ebendig sein kànne. Anne Gouws, "Aufbauprinzipien der Versnovellen :Konrads von Würzburg." Acta Germanica 14 (1981): 23-38, diskutiert den "architektonischen Aufbau" der Novelle (S. 29-33). In Auseinandersetzung mit den Einteilungen von E. Schràder und H. Ro1leke stellt sie fest, daB :Konrad den Erzahlteil mit den Mitteln der Zah1enkomposition symmetrisch aufgebaut habe, wobei die innere Einheit dieser Versnovelle gut zum Ausdruck konune (S.32). Rüdiger Brandt, Konrad von Würzburg. Ertrage der Forschung 249. Darmstadt: Wissenschaft1iche Buchgesellschaft, 1987, bespricht L'l seiner Monographie (S. 105 - 110), den Stand des Wissens zur berzmaere unter dem Aspekt der Uberlieferung, des Stoffes, des Stils, der Gattung, der Struktur und des Inha1ts. David Blamires, "Konrads von Würzburg 'Herzmaere' im :Kontext der Geschichten vorn gegessenen Herzen. Il Jahrbuch der Oswald von Wo1kenstein Gesellschaft 5, 1988/1989 t kritisiert Schroders Textausgabe der Novelle und bezeichnet sie aIs "ein 50 künstliches Gebilde" (S. 251), das auf keiner der zwolf Handschriften fuBt. Blamires spezielles Interesse qilt darüberhinaus der Vie1zahl der Varianten dieses Marchentypus vom gegessenen Herzen in europàischen, nordamerikanischen und indischen Versionen, der einmaligen Rolle des Gatten in der Novelle, der weder als dumm, noch als minderwertiq darqestellt werde, sondern nur ihm bestimmte position qeschichte die besetze (S.258). Weiterhin in der macht er Dreiecksauf den wiederholten Gebrauch bestimmter Worte aufmerksam, z.B. auf das l8mal thematisiert qebrauchte "süeze" (S.260 - 261). 51 DIE DARSTELLUNG DER PERSONEH IN DER HERZMAERE DAME Die Dame wird aIs ein frouwe guot (29) und aIs daz sueze wip vil wol getân (60) vorgestel1t. Ihr Ehemann bewachte strenq ihre SChonheit, was ihr viel Kummer bereitete. Ein edler Ritter war ihr Verehrer, und er liebte sie genauso innig, wie sie ihn liebte. Dadurch litten beide groSe SChmerzen, die beinahe unertraglich waren. Die Liebe hatte sowohl den Ritter aIs auch die Dame beide waren darin so verstrickt, 50 ganz1ich erfaBt, und daB sie sich in minne nacheinander verzehrten: "daz si diu sùeze minne gar het in ir stric verworren, daz si muosten dorren nâch einander beide." (84-87) Das konnte dem Ehegatten nicht verborgen bleiben. Er wollte solche Leidenschaft der beiden Liebenden nicht langer zulassen und entschied sich, mit seiner Frau ubers Meer nach Jerusalem zu fahren. Der Ritter beschlo8 jedoch sofort, ihnen nachzueilen. AIs die Dame das erfuhr, lieS diu sueze tugende riche (139) den Ritter heimlich zu sich rufen und sagte ihm, daB ihr Ehegatte sie durch die Reise von ihm entfernen wolle. Darurn bat sie ihn, dicse Fahrt über das Meer abzuwenden: "nû volge, trûtgeselle, mir durch diner hôhen sel den art unde erwende dise vart, di sin 1ip hât ûf geleit über daz wilde mere breit:" (146-150) 52 Sie sehlug nun dem Ritter vor, er solle allein über das Meer fahren. Wenn ihr Gatte namlieh erfahre, daB der Ritter fort sei, werde er ohne weiteres zurückbleiben und seinen Argwohn aufgeben, da er einsehen wUrde, daB die Liebe der beiden nieht so stark sei, denn sonst hatte der Ritter das Land nieht verlassen: "sus wirt der zwivel im benomen den wider mich sin herze treit." (164-165) Das Ausbleiben des Ritters werde auch gut für ihn sein, insofern als das Gerede, verbreitet habe, das sich um sie beide im Lande verstummen wùrde und sie nachher umso sehneller wieder zusammenkommen konnten: "s6 dich her wider hit gesant der vil süeze reine crist, sô hâstu sam mir alle frist dinen willen deste baz, ob man gar verredet daz daz man ftf uns ze mere saget." (170-175) Die Dame beklagte weiterhin, daB sie nicht immer bei ihrem Ritter sein konne und er bei ihr, so wie sie es mochten, aber mit Gottes Hilfe würden sie sehon einen Weg zueinander finden. Als Zeichen ihrer Liebe gab sie dem Ritter einen Ring, der ihn an ihren Schmerz erinnern solle und sie an ihn bande, ,auch wenn ihr Auge ihn nicht sahe: "enpfâch von mir diz vingerlin: di bi soltû der swere min gedenken under stunden, di mite ich bin gebunden, sô dieh min ouge niht ensiht:" (181-185) Sie versprach, immer an ihn zu denken, obwohl seine Fahrt l • ihrem Herzen groBen Jammer bereiten \lerde. Zum Abschied 53 ver1angte sie eines süezen friundes kus (191) auf den Mund und forderte ihn auf, so zu hande1n, wie sie e~ ihm gesagt habe. Da er sich aIs ihr 'Eigenmann' verstand, erfullte er bereitwi11ig aIle ihre Wunsche. Auch der Autor betont nun seinerseits den schmerzvollen Abschied der beiden Liebenden und sagt, Herzen in dieser schweren Stunde daS ihrer beider no ch mehr zueinander gezwungen wurden, aIs er Worte habe, es auszudrücken: "diu zwei gelieben beide schieden s!ch mit marter, und twungen sich dô harter ze herzen an der stunde danne ich mit dem munde iu bescheiden k~nne." (216-221) Von nun an waren ihre Herzen tot für aIle Freuden auf dieser Welt. Sie küBten einander noch einmal sehr liebevoll und gaben dann aIle Freuden ane!nander auf. AIs der Ritter im fremden Land von seinem Liebesleid so überwaltigt wurde, daB er bis auf den Tod krank wurde, da wuBte er aber doch, daS es seiner Dame ebenso erginge: "si hât sô reine sinne und alsô ganze triuwe daz ir min jâmer niuwe lit iemer an ir herzen, bevindet si den smerzen den ich durch si liden sol." (318-323) Der Autor erwàhnt die Dame erst wieder, nachdem der Ehegatte dem Knappen das Herz des verstorbenen Ri tters fortgenommen hatte und es vorsetzen lieB. gekocht seiner Ehefrau aIs Kleine Speise 54 Die frouwe vil geslaht (430), verspeiste das Herz ihres Freundes, ohne zu wissen, was sie gegessen hatte. Die kleine speise kam ihrem Mund so süB vor, daB sie davor noch nie etwas besseres fragte, geschmeckt hatte. Als ob sie nicht auch meine, ihr Ehemann hinterhaltig daB sie noch nie etwas besseres gegegessen habe, bestatigte sie das und sagte: "niemer werde ich rehte frô, ob ich ie splse geze diu sô zuckermeze mich dûhte und alsô reine sô disiu trahte cleine der ich iezuo hân bekort. aller spise ein überhort muoz si mir benamen sln." (448-455) Tatsachlich hatte sie noch nie eine Speise gegessen, die ihr so süB und rein erschienen wàre. Es sei wirklich das allerbeste und sie erkundigte sich, ob es ein wildes oder zahmes Tier gewesen sei (erg.: von dem dies Essen stamme). Darauf antwortete ihr der Ehemann, daB die Speise sowohl wild wie auch zahm gewesen sei, da sie das Herz des Ritters gegessen habe, der um sie an jedem Tag seines Lebens genug gelitten habe, und daB er nun in der Sehnsucht na ch ihrer suezen minne (472) in der Fremde gestorben sei. Als Beweis habe er ihr sein Herz und ihren Ring durch den Knappen zurückgesandt. Diese schreckliche Erzahlung lie8 die Dame in einen totenahnlichen Zustand fallen: "Von disem leiden Mere wart diu seldenbere als ein tôtez wip gestalt, ir wart in deme libe kalt daz herze, daz geloubent mir." (477-481) 55 1 Ihre weiBen Hande fielen vor ihr in den Sch08, und das Blut quoll ihr aus dem Munde: "Ir blanken hende enphielen ir beide für sich in die schôz, daz bluot ir ûz dem munde dôz, aIs ir diu wire ~chult gebôt." (482-485) Voll Leid sagte sie ihrem Ehemann, da8 sie nun, da sie das Herz des Mannes, der sie stets von Grund aus geljebt habe, gegessen hatte, nie wieder Speise zu sich nehmen werde. Gott selbst mage ihr verbieten, da8 nach 90 wertvoller Speise je eine alltàgliche wieder in ihren Mund kame. Nie wieder werde sie irgend etwas essen, was es auch immer sei, auBer das unglück, das Tod heiSe: "sô wil ich lu benamen sagen, daz ich nich dirre spise hêr dekeiner trahte niemer mêr mich fürbaz wil qenieten. qat sol mir verbieten durch sinen tugentllchen muot, daz nâch sô werder spise guot in mich kein swachiu trahte qê. enbizen sol lch niemer mê dekeiner slahte dinqes, wan des ungelinqes daz qeheizen ist der tôt." (490-501) sie wolle voll sehnendem Herzeleid fur den ihr wertloses Leben aufgeben, der fur sie Leib und Leben hingegeben habe. Sie wàre eine treulose Frau, wenn sie nicht immer daran denken wurde, daS der edle Ritter ihr sein totes Herz qesandt hatte. Es sei schlimm, daB sie nach seinem Tod noch einen Taq weiter gelebt hatte. Sie konne nicht allein ohne den leben, der ihr Treue nie verborgen habe: "ich w~re ein triuwelôsez wip, ob ich ged~hte niht daran seine 56 daz er vil tugenthafter man sante mir sin herze tôt. wê daz mir ie nâch siner nôt wart einen tac daz leben schin! zwâr ez enmac niht langer sin daz ich âne in eine lebe, und er in deme tôde swebe der vor mir triuwe nie verbarc." (506-515) Da wurde ihr 5chmerz so groS, daS sie vor Herzensleid ihre weiBen Hande so grimmig ineinander preSte, daB sich ihr Herz im Leibe vor sehnsuchtsvollem Jammer spaltete. 50 machte die junge Dame ihrem Leben ein Ende und zahlte damit in groBer Treue und Bestandigkeit das zurück, was ihr Freund ihr zuvor geborgt hatte. ( 57 RITTER Der Ritter ist in so tiefer Liebe mit seiner Dame verbunden, daB der Autor Konrad von Würzburg feststellt, daB man sie mit Worten nicht ausdrucken konnte (48j49). Der herre guot (64) konnte aber die Wünsche seines liebeswunden Herzens nicht erfüllen, da sie von ihrem Ehemann streng behùtet wurde. Deswegen litten sie groBe Not: "des wart diu nôt von in geliten diu strenge was und engestIich," (68-69) Sein Verlangen na ch der Dame qualte ihn so sehr, daB es dem Ehemann kein Geheimnis bleiben konnte: "nâch ir Iibe minneclich begunde er alsô vaste queln daz er sinen pin verheln niht mohte vor ir manne." (70-73) Er ritt, wenn immer es ginq, zur Dame, und klagte ihr sein Leid. Das sollte schlieBlich zu groBen Erschwerungen fuhren. Der Ehemann entschloB sich namlich, mit seiner Gemahlin eine Reise übers Meer nach Jerusalem zu unternehmen, um dieser Minne ein Ende zu machen. AIs der Ritter, der nach ihrer Liebe brannte (123), das herausfand, entschIoB er sich sogleich, den beiden zu folgen. Er meinte, sterben zu mussen, wenn er ohne die Dame zu Hause bliebe: "in dühte daz er âne wer dâ heime tôt gel~ge, ob er sich des verw~ge daz er wendic wrde." (128-131) Seina Liebe war so stark, daB er fùr die schone Frau in den grimmigen Tod gefahren ware, deswegen wollte er ihr unbedingt 58 nacheilen. AIs die Dame das erfuhr, sandte sie nach ihm und schluq ihm vor, allein übers Meer zu reisen, da das den Argwohn ihres Gatten beruhiqen wie au ch die Gerüchte zum Schweigen bringen wùrde. Obwohl schweren Herzens versprach er alles zu tun, was sie wolle, da er Herz, Seele und Verstand so an sie abqeqeben habe, und daB er ihr wie ein Eigenmann untertan sei: "ich hân sô gar an iuch versent herze, muot und ouch den sin, daz ich iu von rehte bin eigenlichen undertân." (198-201) AIs er Abschied von ihr nahm, sagte er ihr, welch groBe Sehnsucht er nach ihr erleiden würde, so daB er Angst habe, vor übergroBem Liebeskuromer sterben zu müssen, bevor er sie jemals wiedersehen kënnte. Der Autor ni1\\l'l\t Anteil am Kummer der Liebenden und bestiitigt, daB sie fortan beide ohne Freude in der Welt lebten. Mit vielen zartlichen Kussen gaben sie aIle Freude aneinander auf: "ir liehten münde rôsenrôt vil senfter kusse pflâgen, dar nâch si sich ver~âgen aller fr6uden under in." (224-227) Daraufhin reiste der Ritter voll Jammer betrübt an das Meer und im ersten Schiff, das er fand, wurde er übergesetzt: "der werde ritter kirte hin mit jâmer an daz mer zehantj den érsten kiel den er dâ vant, darinne wart er ~ber brâht." (228-231) Er konnte sich kein anderes Gluck auf Erclen vorstellen, aIs daB Gott ihn zuruck ins Heimatlatlcl lieBe und er etwas von 59 seiner geliebten Herrin vernahme. Seine Herzenspein wurde so stark und bitter, daB er in seiner Trauer seinen Jammer in sein Herz vermauerte. Dadurch wurde sein alter Schmerz nach ihrer Liebe immer wieder neu. Der Autor vergleicht an dieser Stelle den Ritter mit einer reinen turteltûben (248), da er wie sie bestandig auf dem dürren Sorgen-Ast wohnte: "sin altiu sorge niuwe nâch ir suezen minne wart. der reinen turteltûben art tet er offenlîche schin, wande er nâch dem liebe sin vermeit der gruenen frouden zwî und wonte stztecliehe bi der d~rren sorgen aste." (246-253) lm Heiligen Land sehnte sich der Ritter so sehr nach der Dame, daB ihm der Jammer bis auf den Grund seiner Seele drang: "und wart sin leit s6 rehte starc daz im der jâmer durch daz marc drane unz an der sile grunt;" (255-257) Seufzend klagte der sende marterzre (260) daruber, daB die8e reine und geliebte Herrin seinem Herzen solche Schmerzen und bittere Not zufùgen konne. Er war jeden Tag so voll Jammer, daB er schlieBlich vor Sehnsucht krank wurde und nicht langer leben konnte. Seinen Schmerz und die bi ttere Not, die er heimlich im Herzen trug, sah man ihm aueh auBen an. AIs er seinen Tod nahen fuhlte, erklarte der werde ritter cluoc (284) seinem Knappen zuerst seinen Liebesschmerz und beauftragte ihn dann, er solle ihm na eh dem Tad den Leib aufschneiden lassen und sein Herz bluotie unde riuwevar (300) einbalsarnieren und in ein kostbares mit Edelsteinen verziertes Kastchen hineinle- 60 gen. Dazu solle er den Ring geben, den er einmal von seiner Dame erhalten habe. Dann solle er das Kastchen gut verriegelt der Dame uberbringen, so daB sie daran erkennen konne, welchen Schmerz er ihretwegen erlitten hatte und daB ihm das Herz aus Sehnsucht na ch ihr gebrochen sei: "sê diu zwei (têtez herze, vingerlin) bi einander sin verslozzen und versigelet, sê bring alsô verrigelet si beidiu mine4 frouwen, durch daz si müge schouwen waz ich von ir habe erliten, und wie min herze si versniten nâch ir vil sûezen minne. si hât sô reine sinne und alsê ganze triuwe daz ir min jâmer niuwe lit iemer an ir herzen, bevindet si den smerzen d~n ich durch si liden sol." (310-323) Der Ritter ermahnte den Knappen, sich genau an die Vor- schriften zu halten, da seiner Dame in ihrer reinen Gesinnung seine Liebes1eiden so immer im Herzen bleiben würden. Gott mage sich seiner erbarmen und ihr Freude und ein gluckliches Leben gewahren. In diesem tiefen Herzenskummer starb der Ritter. 1 61 DER EHEMANN Der Ehemann der Dame, ein werder man (61), bewachte die Sehonheit seiner Frau sehr gut. Er beobaehtete das Verhalten des Ritters und seiner Gattin, und die vielen Besuche des Ritters bei ihr lieBen ihn bemerken, wie sehr beide einander liebten. Wie sehr di~ süBe Minne beide ganz und gar het in ir strie verworren (85), das maehte ihm viel Kummer: "dar umbe wart vil leide disem guoten herren dô." (88-89) Er daehte, daB er seine Frau besser behùten musse, darnit er nieht spàter einmal etwas an ihr zu sehen bekame, was ihn dann sehr verdrieBen würde. Er ging nun mit sich zu Rate, daB er besser mit ihr ùber das Meer zum Heiligen Grab fahren solle. So konne er sie vor dem Ritter bewahren, bis er sein Herz von ihr abgewendet hàtte, und sie werde ihn auch vergessen, denn er habe sagen gehort, daB man leicht leid wurde, was man lange nicht sahe: "deiswâr ob iehz gefùegen kan, ieh bringes ûzer siner wer. ùber daz vil wilde mer wil ich zwâre mit ir varn, dur daz ich kùnne si bewarn vor im unz daz er gar von ir gewende sines herzen gir und si den muot von lm geneme. ieh hôrte sagen ie daz deme sin liep vil sanfte wùrde leit daz mit langer st~tekeit von im geseheiden wurde gar." (96-107) So dachte er, ihnen ihre Liebe zu verleiden, die doch nie, wie der Autor bemerkt, geschieden werden konne. Sein EntsehluB 62 stand fest, mit seiner Gattin Jerusalem und das Heilige Land zu besuchen. Als der Ritter aber au ch nach Jerusalem fahren wollte, um ihnen nahe zu sein, befolgte er den Rat seiner Frau und gab die Reise wieder auf. Er war froh, weil der Ritter nun entfernt war. Nach dem Tod des Ritters im Heiligen Land begegnete der Ehemann - wohl auf der Jagd, wie der Autor sagt - dem heimkehrenden Knappen vor seiner Burg. Als er ihn nun gesehen und erkannt hatte, dachte er bei sich, daB er wohl der Dame eine Nachricht zu bringen hatte. Das schon verzierte Kastcheri an seinem Gürtel fiel ibm sofort aUf, und als er den Knappen gegrüSt hatte, wollte er aIs erstes wissen, was darin sei. Als der es nicht sagen woll te und auch nicht berei t war, es herzugeben, drohte der Ehemann, es ihm gewalt~am abzuneh- men. Das setzte er sofort in die Tat um, ria es sogleich vom Gurtel ab und offnete es. Er sah das Herz und dabei den Fingerring seiner Gemahlin und wuBte nun, daS der Ritter gestorben sei und daS dies seine letzten Zeichen an sie seien: "daz herze sach er unde va nt dâ bi der frouwen vingerlin. an den zwein wart ime schin daz der ritter lege tôt und disiu beidiu siner nôt ein urkünde W2ren ze der vil saeldenberen. Il (396-402) Drohend sagte er dem Knecht, er solle sich davon machen, denn das Kastchen wurde er behal ten. Er ri tt heim und befahl seinem Koch, sofort aus dem Herzen eine besonders kostbare 63 kleine Mahlzeit mit hôhem flize (412) vorzubereiten. Als das Gericht, das der Koch mit edlen Gewurzen zu einer einzigartigen Speise zubereitet hatte, fertig war, setzte sich der Gatte mit seiner Frau zu Tisch und lie8 es ihr sofort vorsetzen. SCheinheiliq suS sagte er ihr, dies sei eine kleine Kostlichkeit, die sie ganz allein essen mùsse, denn teilen konne sie sie nicht: "frouwe", sprach er suoze gar, "diz ist ein spise cleine, die solt du ezzen eine, wan d~ ir niht geteilen maht." (426-429) Nachdem die Dame das Herz gegessen hatte, fragte ihr Gatte sofort, wie ihr das Gericht geschmeckt habe, denn er glaube, daB sie in ihrem Leben noch nie eine su8ere Speise gegessen habe: "frouwe, nû tuo mir bekant, wie disiu trahte dir behage. ich wene daz du dine tage enbizzest keiner spise nie süezer, frouwe, denne die." (442-446) Oie Dame fand das Gericht tatsachlich einzigartig und erkundigte sich, ob es von einem wilden oder zahmen Tier stamme Darauf antwortete ihr der Ehemann, daB diese Speise zahm und wild zugleich gewesen sei: Diesem stuckchen Fleisch seien alle Freuden wild und allen Sorgen (gegenùber) zahm gewesen. Sie habe namlich das Herz des Ritters gegessen, der jeden Taq um sie genug Jammer erlitten hatte. Er sei aus Herzenskummer und Sehnsucht nach ihrer sùBen Liebe gestorben: "vernim vil rehte waz ich dir mit worten hie bescheide: zam und wilde beide 64 was disiu trahte, sam mir got! den frouden wilde sunder spot, den sorgen zam ân underlâz: du hâst des ritters herze gâz daz er in sime libe truoc, der nâch dir hât erliten gnuoc jâmers aIle sine tage. (460-469) Damit racht sich der Gatte an seiner Frau, verliert sie aber auch fur immer • . 65 1 DER KNECHT Der Knecht wird vom Autor Konrad von Wurzburg eingefùhrt, aIs der Ritter in Jerusalem im Sterben liegt. Ri tters trûtgeselle min Vertrauensverhaltnis delikaten Auftrag, herausschneiden uberbringen. (288) zwischen nach deutet beiden. dem Tode des zu lassen und auf es der Die Anrede des ein besonderes Er erhielt Ritters den sein Herz geliebten Dame zu Nachdem der Ritter gestorben war, tat er voll Schmerzen alles, wie der Ritter es ihm befohlen hatte: Er lie8 ihn aufschneiden, sein Herz einbalsamieren und erfullte 50 seine Bitte. Traurig, aIs ein froudelôser man (342), kehrte er mit dem Herzen heim und brachte es zur Burg, in der die Dame wohnte. In der Nahe der Burg angekommen, begegnete ihm auf dem Feld zUfallig der Ehemann der Dame. Der Knecht sah sofort Unannehmlichkeiten voraus. An dieser Stelle berichtet Konrad von Würzburg, da8 der Knecht das kostbare Kastchen, welches das Herz und den Ring enthielt, an seinem Gurtel angehangt trug, um es aIs etwas Unwichtiges erscheinen zu lassen (373-74). AIs der Ehemann ihn nun nach dem Inhal t dieses Kastchens fragte, versuchte der vil gefüege (378) und getriuwe jungelinc (379), mit einer ausweichenden Antwort davonzukommen: Das habe jemand von fern durch ihn hergesandt. Als der Ehemann sehen wollte, was im Kastchen verborgen sei, bestand der Knecht darauf, es nur dem 66 ( zu zeigen, fur den es bestimmt sei: das drückte er mit groBer Festigkeit aus: "zwâre des entuon ich niht, kein mensche ez niemer gesiht wan der ez sol von rehte sehen." (385-387) Der Ehemann drohte nun, ihm das Kastchen ohne seine Erlaubnis mit Gewalt abzunehmen, und führte das au ch sofort durch. Gegen diese Gewaltanwendunq hatte der getreue Knecht keine Chance. Nachdem der Ehegatte das Kàstchen geoffnet und seinen Inhalt qesehen hatte, jagte er den Knecht einfach davon und aus der Erzahlunq hinaus. Seine Rolle ist ausgespielt und er wird in der Erzahlunq nicht weiter erwahnt. { 67 ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE Wie auch in dem Kapitel zu Heinrich von Kempten solI im folgenden die mehr beschreibende Wiedergabe der vorhergehenden Abschnitte um eine Reihe von Beobachtungen und Einsichten zur Personendarstellung Konrad von Wurzburgs erganzt werden. Zunachst einmal ist festzustellen, daS in dieser Erzahlung keine der Personen einen Namen erhalt. Sie werden nur frouwe, ritter, man (= aIs Ehemann), und cneht genannt und gewinnen schon von daher keine rechte lndividualitat. Wie auch im Heinrich von Kempten werden die Personen mit positiven Adjektiven und Beiwortern - oftmals sehr starken und superlativischen - belegt, die sie zu Idealfiguren erheben. Anders als im Heinrich von Kempten widersprechen dem aber nicht unbedingt die von ihnen berichteten Handlungen. Ritter, Dame und ihre Liebe zueinander werden uneingeschrânkt aIs ideal geschildert. Der Ehemann wird im ersten Teil wesentlichen seiner Rolle ent~prechend der Erzahlung im dargestellt, d.h. er ergreift umsichtig MaBnahmen, die die Liebenden 50 auseinander halten, daB seine Ehre und sein Ansehen aIs Person und Ehemann unangetastet bleibt. Er ist al 50 sa dargeboten, daB er der ihm mitgeqebenen Bezeichnung werder man zu entsprechen scheint. lm 2. Teil der Erzahlung sind seine Handlungen sehr viel negativer: Er ist fast brutal qewal ttatiq qegenuber dem 68 Knappen des Ri tters, wenn er ihm das Kas tchen einfach entreiBt. Seiner Frau qeqenüber verhalt er sich hinterhaltiq, qrausam und auf unverstandliche Weise rachedurstiq, da der Geliebte doch inzwischen tot ist, und damit die Gefahr fur seine Ehre und Ehe nicht mehr besteht. Daraus geht aber auch hervor, daB fur diese Erzahlunq eine einheitliche Charakteristik des Ehemannes qar nicht wichtiq ist, weil es dem Erzahler wohl eher darum geht, eine situation herbeizufuhren, in der die Geliebte das Herz ihres Geliebten essen muS. Der Ehemann hat hier also im wesentlichen die Aufqabe, die Handlung voranzutreiben und zu tragen. Das wird, wie auch schon im Heinrich von Kempten, an Nebenpersonen besonders deutl ich, die nur so lange in der Erzahlunq bleiben, wie sie gebraucht werden, und deshalb au ch erst einqefuhrt werden, wenn sie für die Handlung notiq sind. Der Knappe des Ritters wird so z.B. buchstablich vom Ehemann aus der Erzihlunq herausgejaqt, aIs er seine Rolle zuende gespielt hat. Die Rolle dieses Knappen in der Herzmaere ist relativ kurz, aber er wird mit einigen individuellen Zugen ausqestattet, die bedingt sind durch die Aufgaben, die ihm der Autor zugewiesen hat. Ein relativ scharfes Licht wird auf ihn geworfen und stereotype Beiworter werden in einer kurzen Charakterisierunq angewandt: "der cneht vil jâmerlîche" (337) ; "aIs ein froudelôser man" (342). Eine kurze Redeszene wird ihm zugeteilt und das laBt seine Person realistischer erscheinen. 69 1 Was aIs sonderbar mutet, ist die Art in der er das kostbare Rastchen der Dame ùberbringen will. Wenn es sa kostbar ist und das edle Herz des Ritters mit dem Ring der Dame enthàlt, welches er unter Befehl des Ritters der Dame uberreichen soll, warum tragt er es dann so offen an seinen Gurtel gehangt, wo es jeder sehen und es ihm abnehmen kann? Der Autor meint zwar, da8 der Rnappe das Kastchen, aIs ob es etwas Gleichgultiges sei, tragen würde, aber ein goldenes Rastchen mit Edelsteinen verziert kann wohl kaum bei einem I<nappen aIs etwas Gleichgilltiges angesehen werden. AIs ihm der Ehegatte begegnet, weiB der Knappe natürlich, daB er keine M6g1ichkeit hat, davonzukommen, oh ne das Kastchen aufgeben zu mussent Auch diese Unwahrscheinl ichkei t steht im oienste der Handlung: Der Ehemann muB auf das Kastchen aufmerksam werden Konnen, damit es in seinen Besitz kommen Kanne Wie auch Bchon im Heinrich von I<empten geht es dem mittelalterlichen Autar nicht um die Wahrscheinlichkeit von Handlungen oder Situationen, wie es ein moderner Leser verlangen wùrde. Interessant lst dabei jedoch, daB Ronrad von Wùrzburg doch zu moti v ieren versucht, aber die gewahl te Begrundung wiederuni modernen Ansprùchen an Wahrscheinl ichkei t nicht entspricht, wenn er berichtet, der Knappe habe das kostbare Kastchen nur deshalb an seinen Gurtel gehangt, um es aIs etwas gleichgültiges erscheinen lU lassent Die Dame ist die meistbeschriebene Persan in der Novelle und erscheint in den Warten des Autors aIs das sùBeste, 11;,j> 70 . \ liebenswùrdiqste und holdseliqste Wesen der Welt. Die Minne verblendet zwar den Ritter, aber dem heutiqen Leser mu8 die Dame auch als kluq, vielleicht soqar als schlau erscheinen, die es versteht, den Verdacht ihres eifersuchtigen Mannes durch List abzulenken und ihren Ritter dazu zu überreden, ubers Meer zu fahren, anstatt selbst diese qefahrliche Fahrt zu unternehmen. sie weiB aueh, da8 damit das Gerede der Leute verstummen wird,die ihre Zuneigunq zum Ritter sehon lanqst erraten haben. Die Dame ist also in dieser Erûihlunq nieht passiv, sondern sie hat die Rolle einer aktiven Minneherrin. Der Ritter ist so an sie gebunden, daB er um lhretwillen stirbt. Ihre Starke und Treue dem Ritter und ihrer beiderseitigen Liebe gegenüber beweist sie dann durch ihren Tod, der sie in aller Augen zu einem Ideal erhebt. Doch ist vielleieht auch hinzuzufügen, da8 nach der qrauenvollen Tat ihres Ehemannes ein Weiterleben, wenigstens mit ihm, kaum noch moglich erscheint, wàhrend er anderersei ts durch diese Speise eine Art von Liebesvereinigung ermogl1cht hat, die er bis dahin mit allen Mitteln verhindern wollte. Der Ritter tritt ir, dieser Erzahlung nicht als Handelnder hervor, er wird viel mehr durch seine Reden charakterisiert, in denen er seine inneren Zustànde auszudrucken versueht, etwas das zu dieser Zeit des Mittelalters immer no ch unqewohnlich ist. Es wird von ihm zwar erzahlt, was er tut, aber die !, '" 71 Dame bleibt doch die Bestimmende, und er sagt auch van sich, daB er ihr Leibeigener sei. Er unterwirft sich ihr vollkommen. Das eigentliche Thema der Novelle ist die Liebe der beiden und die Widerstande der Gesellschaft, mit denen sie zu leben haben. Die Erzahlung fuhrt eine gemeinsame Liebe var, die beide gleich stark erfullt. Oieses Thema der leidenschaftlichen und unglucklichen Liebe der beiden umkreist der Autar mit einer solchen Fulle von Worten und Ausdrucken, daB es die neuhochdeutsche Wiedergabe sehr erschwerte. Zum SchluB sei bemerkt, daB der Autor in beiden Novellen besonderen Wert auf die detaillierte Darstellung der krassen Szenen zu legen scheint. lm Heinrich von Kempten werden die Personen in einer Reihe von Aktionen gewalttatig und agressiv gezeigt, wahrend in der Herzmaere die Einbalsamierung des Herzens, damit es frlsch bleibe, sowie seine Zubereitung aIs speise, Szenen sind, die in ihrer Krassheit ans Burleske r ~ grenzen. 1 i ; t 1> ~ f ~ It ~ , ~ l, r,, ~ \, ~, ,r -.'" 72 BIBLIOGRAPHIE Priaarliteratur Hahn, Karl August. Würzeburc. otte mit dem Barte von Cuonrat von Ed. K.A. Hahn. Bib1iothek der gesamten deutschen National - Literatur von der altesten bis auf die neuere Zeit. burgs Werke. 13. Bandes J. Theil: Qued1inburg und Leipzig: Druck und Verlag von Gottfr. Basse, Ro11eke, Heinz. Konrad v. Würz- 1838. Amsterdam: Rodopi, Konrad von Würzburg 'Heinrich von Kempten', 'Der Welt Lohn', 'Das Herzmaere'. Mitte1hochdeutscher Text nach der Ausgabe von Edward Schroder. mi t 1969. 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