Velotour Sardinien - VCS Verkehrs
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Velotour Sardinien - VCS Verkehrs
REISEN Velotour Als «Fahradies» ist Sardinien noch fast ein Geheimtipp. Dabei ist vor allem das praktisch verkehrsfreie Inselinnere ausnehmend schön – wenn auch ganz schön fordernd. Ein Giro di Sardegna Text und Fotos: Kuno Roth Die Hitze verlangt nach sommerlicher Abkühlung. Die Landschaft Sardiniens mahnt manchmal an einen Western. 28 S ardinien hat mancherlei Leckerbissen auf Lager: Meer, Felsen, Korkeichenhaine, Weinberge, karge Weiden, prächtige Pinien, (meist) blauer Himmel. Und Gastfreundschaft. In der Nebensaison laden schwach frequentierte Strassen zum Velofahren ein; anders als im Hochsommer spült noch kein Überdruck Motorräder von den Küstenstrassen ins Inselinnere. Jeder und jede findet so das passende Veloterrain: im meist flachen Küstengebiet zum gemütlichen Bummeln, im sardischen Hügelland zu genussreichem, aber auch anstrengendem Auf und Ab. Kommt hinzu, dass die meisten Hotels und Agriturismi schon bzw. noch geöffnet und einiges billiger sind als zur Hochsaison. Unsere Nordrundtour beginnt in Porto Torres, führt zuerst dem Meer entlang und nach etwas mehr als 20 Kilometern in Lu Bagnu durch die erste Hügelkette Richtung Perfugas. Vorbei am Felsen «L’Elefante», über reizende kleine Passübergänge und auf einer Nebenstrasse durch Scala Ruia an den Etappenort Aggius. Im Agriturismo «Il Muto di Gallura» geniessen wir die köstliche regionale Küche. Das Frühstück ist unitalienisch üppig, der Kaffee italienisch gut. Das Teilstück von Aggius ostwärts nach Arzachena beginnt mit einer imposanten Felsenschau. Bald biegen wir auf die Nebenstrasse nach Aglientu ab. Anstatt das Dorf zu umfahren, nehmen wir den Weg durch den Ort. Mit etwas Glück begegnet man einer Schildkröte, vor allem aber lohnt sich die Abfahrt hinter dem Dorf über die alte Strasse zum Meer. Nach etwa 20 Kilometern führt der Weg vom Meer über überraschend viele, aber lohnende Höhenmeter im Auf und Ab über Campoglio nach Arzachena. Die letzten fünf Kilometer der Etappe zum Agriturismo auf dem Pass sind begeisternd: eine Landschaft wie aus einem Western. Durch karge Hügel und rötliche Klippen windet sich die Strasse gegen den blauen Himmel. Grandios ist die am nächsten Tag folgende Abfahrt ans Meer ab der Abzweigung Richtung Osten, zwei Kilometer vor Ala di Sardi. Eine wild-stille Landschaft mit sonnenverwöhnten Felsen, Steppen und spröden Wäldern. Erst auf den letzten Kilometern vom schmucken Posada dem Strand entlang nach Orosei begegnen wir Menschen. Von diesem sehenswerten Städtchen sind es bis zum Etappen- und Bergort Fonni gemäss Karte 1000 Höhenmeter, in Tat und Wahrheit ist es, typisch sardisch, rund das Doppelte. Auf dem Pass hinter Orgosolo, dessen Häuser mit Wandgemälden geschmückt sind, machen wir die Bekanntschaft des schönsten Korkeichen- und Pinienhains der Welt, dies erst noch vor der umwerfenden Kulisse des Gennargentu-Nationalparks. Hinunter nach Pratobello, hinauf nach Fonni. Hier wie andernorts zeigt sich, dass die Bar Centrale der gute Auskunftsort für Unterkunft und Verpflegung ist. VCS MAGAZIN / SEPTEMBER 2012 Frühmorgens geht’s still und einsam zuerst weiter bergan, dann hinab zum Arato-Fluss und wieder hinauf zum nächsten Pass, wo wir die Abzweigung nach links nehmen. Es folgt ein schmales Strässchen, das am Fusse der höchsten Berge (1800 m ü.M.) kilometerlang der Höhenlinie entlangkurvt. Nur Schafe ab und zu. An Aritzo rechterhand vorbei über Atzara nach Sorgono, wo wir im Hotel Villa Fiorita die einzigen Gäste sind. Das zwingt den zunächst brummigen, am nächsten Morgen aber sehr aufgeräumten Wirt zum Öffnen der Küche. Entzückt radeln wir die eng gewundene Strasse hinter Austis hinab zum Lago Omodeo, wo üppig Heckenröschen blühen, zum nächsten Etappenort Santu Lussurgiu. Diese Wahl galt dem historischen Städtchen selber, aber auch dem Slow-Food-Hotel «Antica Dimora del Gruccione». Es dient Studierenden der Universität Turin als Lernort für «regionale Produktion» und will zudem den Langsamtourismus fördern, wozu bald eine Velowerkstatt eröffnet werden soll. Der Gaumen beginnt ob VCS MAGAZIN / SEPTEMBER 2012 des langsamen, mehrgängigen Essens zu tanzen. Ein Muss sind die Culingionis, sardische, mit Pecorino gefüllte Ravioli. Nach Lussurgiu folgen ein längerer Anstieg und eine noch längere Abfahrt durch die vom Eisen gerötete Landschaft des Monte Ferru, durch Cuglieri über Porto Alaba zum sehr schönen, sehr touristischen Städtchen Bosa. Danach fliesst schon wieder der Schweiss, wobei sich die 500 Höhenmeter nach Montresta immerhin auf fast 20 Kilometer verteilen. Hier lebte die LiteraturNobelpreisträgerin Grazia Deledda (1871–1936), und auch hier bewährt sich das Vorgehen, im Laden nach dem Weg zu fragen. Auch wenn wir dafür mühsam ein paar italienische Brocken zusammensuchen müssen. Die Reaktion ist stets freundlich. Des Öftern folgt eine englische Antwort, einmal gar eine in akzentfreiem Bayerisch, von dem pensionierten Mann, der auch gerade einkauft und Jahrzehnte als Buschauffeur in München gearbeitet hat. Die 20 Kilometer später folgende Meersicht auf dem Weg nach Villanova lohnt sich, ebenso wie die schon von Weitem sichtbaren, engen Serpentinen hinauf nach Monteleone Rocca Doria. Der frühere Schlosssitz ist zu dieser Jahreszeit äusserst ruhig, abgesehen von den leisen Stimmen des Frauenchors, die aus der romanischen Kirche dringen. Nach kurzer Suche finden wir ein Zimmer. Am nächsten Tag atmen wir die Anisdüfte von wildem Fenchel ein, als wir über Thiesi, Siligio, Banari und Florinas durch die reizvolle Landschaft zum Hotel de Charme Funtanarena in Codrongianos pedalen. Unsere Tour ist fast zu Ende. Sassari, mit seiner an Turin erinnernden Architektur und den vielen Plätzen, ist schöner als Porto Torres. Die Nachtfähre bringt uns zurück ans genuesische Festland. Auf Deck nochmals Focaccia, Pecorino, Pomodoro und Cannonau, wir werfen einen letzten, melancholischen Blick auf die entschwindende Insel: Sardegna, bella, ciao! Für Ihre Reiseplanung Anreise: Nadelöhr ist der Velotransport nach Mailand (bzw. zurück). Alternative zum Eurocity sind die Regionalzüge ab Domodossola, in denen Velos einfacher mitgeführt werden können. Die Nachtfähre Genua–Porto Torres und zurück ist perfekt. Fähren auch nach Olbia bzw. von Livorno. Unterkünfte: Hotels, B&B, Agriturismi – Adresslisten zwecks Vorreservation und Abklärung, ob Küche offen, findet man unter www.sardegnaturismo.it. Das empfehlenswerte Slow-Food-Hotel in Lussurgiu: www.anticadimora.com Tourenbeschriebe: z.B. Radatlas Sardinien, Radtourenbuch, Esterbauer Verlag, 2009, www.alturl.com/wscra oder www.alturl.com/chbaa (Guida Cicloturistica). Wetter, z.B.: www.alturl.com/dvzfj. Ab April wird es wärmer, im Juli und August ist es knochentrocken, ab September werden die Temperaturen wieder angenehm. 29