schnappi toeten
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schnappi toeten
Realschulabschlussprüfung 2006 Deutsch Seite 1 Mecklenburg-Vorpommern Realschulabschlussprüfung 2006 Deutsch Aufgaben Realschulabschlussprüfung 2006 Deutsch Seite 2 Hinweise für Schüler Aufgabenauswahl: Wählen Sie eine der vorliegenden Aufgaben aus und bearbeiten Sie diese in Form eines geschlossenen Aufsatzes. Beachten Sie: Die Arbeitshinweise sind als empfohlene Arbeitsschritte zu verstehen. Sie dienen der Orientierung auf die wesentlichen Aspekte der Aufgabe. Bearbeitungszeit: Die Arbeitszeit beträgt 240 Minuten; zusätzlich stehen Ihnen 30 Minuten Lesezeit für die Wahl der Prüfungsaufgabe zur Verfügung. Hilfsmittel: ein Nachschlagewerk zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung Sonstiges: Geben Sie auf der Reinschrift die bearbeitete Aufgabe an und nummerieren Sie die Seiten fortlaufend. Für die Bewertung gilt die Reinschrift. Entwürfe können nur dann ergänzend zur Bewertung herangezogen werden, wenn sie zusammenhängend konzipiert sind und die Reinschrift etwa ¾ des Gesamtumfangs umfasst. Realschulabschlussprüfung 2006 Deutsch Seite 3 Realschulabschlussprüfung 2006 Deutsch Aufgabe I Einen Sachtext analysieren Kitsch muss sein Seite 4 Realschulabschlussprüfung 2006 Deutsch Die Sehnsucht nach einer heilen Welt ist allgegenwärtig. Kitsch hilft vielen dabei, sich wenigstens das Gefühl zu verschaffen, alles sei in schönster Ordnung. 5 Was Kitsch ist, wissen wir alle, auch wenn jeder eine etwas andere Vorstellung davon hat. Für den einen sind es die immer gleich gestrickten Seifenopern im Fernsehen, für die anderen die 10 jahreszeitlich abgestimmte Dekoration auf dem Couchtisch oder der röhrende Hirsch an der Wohnzimmerwand. Immer jedoch verbinden jene, die das eine oder andere mögen, ein irgendwie wohliges Gefühl 15 damit. Eine Nische spezieller Gefühle 20 25 30 35 40 45 50 Interessant ist die Herkunft des Wortes Kitsch, das um 1870 unter Münchener Malern und Kunsthändlern gebräuchlich wurde, wenn sie es mit minderwertiger Kunstware ohne künstlerischen Anspruch zu tun hatten. Der Begriff geht wahrscheinlich auf das Wort „Kitschen“ zurück, womit man in alten Zeiten das Zusammenkehren von Straßenkot bezeichnete. Nicht sehr appetitlich, aber anscheinend überzeugend – denn aus dem Deutschen wurde der Ausdruck in den englischen und französischen Wortschatz übernommen und gilt als Synonym für billigen Schund, aber auch als provozierendes Stilmittel gegenüber dem so genannten guten Geschmack. Kitsch überzieht unsere Welt wie eine rosa Sahnehaube. Viele von uns sind sich seiner Sogwirkung durchaus bewusst. Wir schätzen dieses Schlupfloch, das uns ohne große Anstrengung aus der nüchternen Welt von Zeit und Geld in eine gemütliche Gefühlsecke entführt. Auch der Bauzeichner Andreas kennt diese kleinen Fluchten. Grinsend führt er seinen erstaunten Gästen eine beachtliche Monstersammlung vor. Seine Erklärung aber weckt Verständnis. „Immer, wenn ich früher diese Krieger aus Plastik haben wollte, meinte meine Mutter, das ist Kitsch.“ Heute schreibt ihm niemand mehr vor, was Kitsch ist, und er genießt es, seine grimmigen Figuren in der teuren Seite 5 Leuchtvitrine in immer neuen Formationen aufzubauen. Andere schauen abends in die Falschflammen des elektrischen Kamins oder setzen sich an die selbstgezimmerte 55 Bar und überlegen, wo an der Wand Platz für die neuen Stücke der Bierdeckelsammlung sein könnte. Die Vergangenheit zurückrufen So fühlt sich also der eine von gemütlichem 60 Kitsch angezogen, die andere von niedlichen Kuscheltieren, der Dritte von religiösem Kitsch, der von den Kirchen über Jahrhunderte gepflegt wurde. Wer etwas Verrücktes für die Inneneinrichtung 65 sucht, wird vielleicht in einem Devotionaliengeschäft fündig, wo es „der Andacht dienende Gegenstände“ zu kaufen gibt. […] Sehnsucht nach Harmonie 70 „Im Kitsch zeigt sich die Sehnsucht nach Überschaubarkeit und Harmonie, nach einem Aufgehen in einem größeren Ganzen“, meint der Psychotherapeut Christoph Schmidt-Lellek aus Frankfurt. 75 „Da spielen Vorstellungen von einer guten, alten Zeit, vom verlorenen Paradies eine Rolle. In jedem Fall ist es ein sehr menschliches Bedürfnis. Es bringt uns Entlastung im Alltag, und die brauchen wir 80 alle.“ Probleme entstehen seiner Meinung nach erst, wenn man dabei die Realität aus den Augen verliert. „Diese Sehnsucht nach Heimat, diese Vorstellungen von einem 85 widerspruchslosen Dasein, das ist immer eine Täuschung. Wer vom schmerzfreien Glück träumt, hat vergessen, dass es kein Happy End gibt, sondern das Leben danach erst weitergeht“, sagt der Psychotherapeut 90 aus langjähriger Erfahrung. In diesem Sinn sieht Schmidt-Lellek auch die Gefahr einer Verkitschung im therapeutischen Bereich. „Da werden tief verankerte Sehnsüchte aufgegriffen, wird mit angstfreien rosigen 95 Welten gespielt. In Beratungsangeboten wird ‚absolute Gesundheit’ oder ‚ab heute erfolgreich’ versprochen. Durch solche Kitsch-Verspre-chungen können Menschen nachhaltig geschädigt werden.“ Realschulabschlussprüfung 2006 Deutsch 100 Kitsch ist cool Eine weitere Kategorie ist der sentimentale Kitsch, der vor allem über Bücher und Filme bedient wird. Kultur- und Medienwissenschaftler sehen dahinter die Sehn105 sucht, in eine heile Welt zu flüchten. „Längst werden Kinofilme und Fernsehproduktionen nach den gleichen Mustern gestrickt wie Kitschromane aus dem 19. Jahrhundert, um in Zeiten der Verun110 sicherung das Bedürfnis nach Entlastung von den Alltagssorgen zu befriedigen“, meint Thomas Küpper, Kulturwissenschaftler an der Universität Frankfurt. „Wenn die Medien eine Welt präsentieren, 115 die nicht mehr heil ist, verlangen die Zuschauer nach einer harmonischen Gegen- Seite 6 welt.“ Für Küpper und seine Kollegin Ute Dettmar reicht diese Erklärung aber nicht aus. „Kitsch“, sagt Dettmar, „wird 120 heute oft spielerisch verwendet. Wer sein Wohnzimmer mit Nippesfigürchen oder Sonnenuntergangstapete schmückt, meint das möglicherweise ironisch. Die Liebe zum Kitsch wird nicht mehr automatisch 125 abgewertet, denn Kitsch ist salonfähig geworden.“ Küpper nennt ein Beispiel: „Die heutige Jugend schmückt sich mit Rehkitzen auf T-Shirts. Mit diesem Motiv wirkt man nicht kindisch, sondern cool.“ 130 Der Wiener Philosoph und Buchautor Konrad Paul Liessmann räumt dem Ausleben kitschiger Bedürfnisse ein breites Recht ein. Gehen Sie der Sehnsucht also ab und zu nach. Text aus: Apotheken-Umschau, 1. Januar 2006 A, S. 90 – 93, Autor ungenannt, Text geringfügig gekürzt, ohne Abbildungen Die Apotheken-Umschau ist eine der meistgelesenen Publikationen in Deutschland. Sie liegt in Apotheken für deren Kunden kostenlos aus. Aufgabenstellung: Untersuchen Sie den Text und seine Wirkung (Textanalyse in Aufsatzform). Arbeitshinweise: 1. Versuchen Sie, den Text in einer Kernthese zusammenzufassen. 2. Auf welche Art und Weise versucht der Autor, den Leser zu überzeugen? 3. Die Apotheken-Umschau befasst sich in der Regel mit Themen zur Körpergesundheit. Was könnte die Redaktion dazu bewogen haben, hier ein eher gesellschaftliches Thema zu behandeln? Begründen Sie Ihre Annahmen und kommen Sie zu einer kritischen Gesamteinschätzung des Artikels. Realschulabschlussprüfung 2006 Deutsch Seite 7 Aufgabe II Einen Sachtext analysieren Mit Klingeltönen in die Handy-Schuldenfalle Die Telefonbranche entdeckt Jugendliche als Zielgruppe. Mit jeder Menge Zusatzangeboten rund ums Handy. Verlockungen, die viele Jugendliche in die 5 Schuldenfalle locken. Von ANGELIKA RÖPCKE Hannover (dpa). Das Handy klingelt und 10 „Schnappi, das kleine Krokodil“ ertönt. Der Markt der Anbieter von Handylogos, Klingeltönen und Spielen boomt – nur zu telefonieren war gestern. Was die einen nervt, lockt vor allem junge 15 Leute – und ist zum Millionenmarkt geworden. Heruntergeladen aus dem Internet oder eingespielt über die Wahl einer Telefonnummer versorgen sich Kinder und Jugendliche mit neuesten Trends. Aber Verbraucherschützer Jugendliche werden zum 20 warnen: Schuldenmachen verleitet. Laut einer Studie des Münchner Instituts für Jugendforschung sind 14 Prozent der Jugendlichen verschuldet. Die Handyrechnung reißt oft mit 25 mehreren hundert Euro ein Loch in die Geldbörse. 90 Prozent der 13- bis 20-Jährigen haben ein Handy, sind quasi auf Dauerempfang. Jugendliche würden viel zu sorglos damit umgehen und sich dadurch verschulden, warnen Ex30 perten. „Die Klingeltöne werden permanent gewechselt, obwohl die meisten gar nicht wissen, was das kostet“, sagt Karin Fries, Leiterin des Münchener Instituts. Fries appelliert an Anbieter, „die Kosten transparent 35 und nachvollziehbar zu machen. Das Kleingedruckte ist super, super klein gedruckt“, bemängelt sie. Text aus: 40 45 50 55 60 65 70 Damit Kinder und Jugendliche nicht in Versuchung kommen, durch Surfen in der mobilen Cyberwelt hunderte Euros zu verschleudern, bieten Mobilfunkanbieter Kontrollmöglichkeiten. T-Mobile ist mit der CombiCard Teens am Start. Die Besonderheit: Um sicherzustellen, dass das Guthaben nicht zu ungewollt hohen Rechnungen führt, sind bestimmte Nummern nicht verfügbar. Ähnlich bei Vodafone, wo mit der CallYaJuniorKarte Eltern den Kostenüberblick behalten. „Die Erwachsenen können ihren Kids am Monatsanfang 10, 25 oder 50 Euro auf das Konto laden“, erläutert Sprecherin Bettina Donges. SMS-Dienste könnten so wie der Download von Klingeltönen und Logos gesperrt werden. Grundsätzlich verwehrt sind 0190er- und 0900er-Rufnummern. Mobilcom bietet das m-limit-Tarifmodell. „Dieser ’Zwitter’ verknüpft die Vorteile der Prepaid-Karte mit denen eines Vertrages“, erklärt Unternehmenssprecher Bernd Elitz. Ein Limit (15, 30 oder 50 Euro) verhindert Überschuldung. Gleichzeitig bekommt der Nutzer ein neues Handy, das er sich bei einer normalen Prepaid-Karte „für viel Geld“ selbst kaufen muss. Dass ein Handy zur Lebenswelt der Kinder gehört, findet die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Gabriele Wichert, unbedenklich. Allerdings appelliert sie an Eltern, ihre Jüngsten für die Kostenfrage zu „sensibilisieren“. Der Mobilfunkanbieter O2 geht mit einem Handy-Führerschein erste Schritte in diese Richtung. „Auf dieser CD erklären wir den Kleinen spielerisch die Vorteile der Handys, verweisen aber zugleich auf die Kostenproblematik“, sagt O2-Sprecherin Nadine Kleinert. „Wir setzen auf Prävention.“ Ostseezeitung vom 14.3.2005 Aufgabenstellung: Untersuchen und beurteilen Sie den Text (Textanalyse in Aufsatzform). Arbeitshinweise: 1. An wen wendet sich der Text? 2. Mit welchen sprachlichen Gestaltungsmitteln versucht die Autorin, ihre Leser zu erreichen? 3. Was ist die Absicht der Autorin? Gelingt es ihr, diese Absicht umzusetzen? Realschulabschlussprüfung 2006 Deutsch Seite 8 Aufgabe III Einen Prosatext interpretieren Reiner Kunze (geb. 1933): Das böse Pferd 5 10 15 Mein Großvater mochte Tiere, und ich bin sicher, die Tiere haben das gespürt. Im Ersten Weltkrieg, als die Kanonen noch von Pferden gezogen wurden, kam eines Tages der Bataillonstierarzt zu ihm und sagte, es sei bekannt, daß er auch mit schwierigen Pferden umzugehen verstehe – ob er sich zutraue, ein Pferd zu übernehmen, das ausschlage und beiße, als sei es der leibhaftige Teufel? Wenn nicht, müsse man es töten. Mein Großvater sagte »Zu Befehl!«, und das Pferd wurde auf den Platz geführt. Es war ein Apfelschimmel. Das erste, was mein Großvater tat, war, das Wort an ihn zu richten. »Bist du ein schönes Tier!« sagte er zu dem Pferd. »Nein, was für ein schönes Tier du bist!« Der Tierarzt und die Soldaten der Batterie standen in sicherer Entfernung und warteten ab. Wieder und wieder ging mein Großvater um das Pferd herum, und als er meinte, lange genug mit ihm gesprochen zu haben, stellte er sich direkt vor das Maul des Pferdes und rührte sich nicht mehr. Da begann das Pferd, ihm das Gesicht abzulecken, und auf dem Platz wurde es ganz still. Schließlich bekam es noch beide Hände hingehalten, und auch sie wurden abgeleckt. Von diesem Tag an habe ihm der Schimmel jeden Morgen Gesicht und Hände »gewaschen«, sagte mein Großvater. Beißen? Treten? Jeden Fremden – ja, nie aber ihn. »Im Schweiß ist nämlich Salz«, sagte er, »und das mögen die!« Realschulabschlussprüfung 2006 Deutsch Seite 9 Text aus: Reiner Kunze, Am Sonnenhang, Tagebuch eines Jahres, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 1993, S. 181 Hinweis: Text in der Schreibweise des Autors Aufgabenstellung: Interpretieren Sie den Text (Textinterpretation in Aufsatzform). Arbeitshinweise: 1. In welcher Zeit spielt die Anekdote? Geben Sie die Pointe wieder. 2. Mit welchen sprachlichen Mitteln gestaltet der Autor das Geschehen? 3. Gelingt es dem Autor, das damalige Geschehen für heutige Leser lebendig werden zu lassen? Realschulabschlussprüfung 2006 Deutsch Seite 10 Aufgabe IV Einen lyrischen Text interpretieren Hans Wallhof (geb. 1930): Brücke 5 Freundschaft ist eine Brücke. Zwei getrennte Ufer schließen Brücken zusammen. Sie verbinden. Sie überspannen Schluchten und Tiefen und machen den Lauf des Das Verstehen. Das Dienen. Der Humor. Das Lachen. Die Gastfreundschaft. Der Gruß. 20 Verzeihen. Weges 10 15 einfach und unbeschwerlich. Von Brücken lässt es sich leicht auf das fließende Wasser herabschauen. Die Liebe zweier Freunde ist eine Brücke. Alles, was verbinden und einen kann, ist eine Brücke: Das freundliche Wort. Die Anerkennung. Das 25 30 Das Opfer. Das Gebet. Die Treue. Das Spiel. Die Zärtlichkeit. Die Ekstase. Mit dir, zwei Worte schlagen den Brückenbogen vom Ich zum Du, vom Du zum Ich, und tragen die lebendige Kraft der Herzen. Text aus: Sehen, werten, handeln. Ethik 7. - 10. Jahrgangsstufe, München: Bayerischer Schulbuchverlag 2002, S. 267 Aufgabenstellung: Interpretieren Sie den Text (Textinterpretation in Aufsatzform). Arbeitshinweise: 1. Was ist das Thema des Textes? 2. Welche Gestaltungsmittel setzt der Autor ein? 3. Hat der Autor Ihrer Meinung nach das Thema angemessen verdeutlicht? Bewerten Sie das Gedicht.