WP 09_2014.indb - Wasser
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Nr. 9/2014 Keb’ Mo’ im Gespräch • Big Mama Thornton - Blues in Brasilien: The Headcutters - Jimmy Reiter Band - Florian Zimmer • The Blues Brothers Teil 4: Auf dem Weg zu Blues Brothers 2000 • 25 Jahre danach: Soundtrack meiner Wende • Album des Monats: JP Soars - Full Moon Night in Memphis 2 I N H A LT Anzeige Wasser-Prawda | September 2014 I N H A LT 3 INHALT SEPTEMBER 2014 3 5 6 Inhalt Editorial Auf Tour Musik 13 Jessy Martens gewinnt Blues Challenge und zwei German Blues Awards 15 The Headcutters: Blues in Brasilien 19 Soundtrack meiner Wende 24 Jimmy Reiter: Blues in seiner aktuellsten Form 26 Florian Zimmer: Zwischen Alvin Lee und Nirvana 29 Blues & Keramik 32 Elvis,Mud & Ronnie 35 Interview: Gibt es den Keb’ Mo‘ Style? 41 Der Weg zu Blues Brothers 2000 Platten 46 JP Soars - Full Moon Night in Memphis 47 Rezensionen A bis Z Bücher 56 Michael Spörke: Big Mama Thornton. The Life and Music Sprachraum 58 Jürgen Landt: stellplatzprobleme 64 Die Vestalinnen 72 English Articles Wasser-Prawda | September 2014 4 EDITORIAL IMPRESSUM Die Wasser-Prawda ist ein Projekt des Computerservice Kaufeldt Greifswald. Das pdf-Magazin erscheint in der Regel monatlich. Es wird kostenlos an die registrierten Leser des Online-Magazins www.wasser-prawda.de verschickt. Wasser-Prawda Nr. 09/2014 Redaktionsschluss: 17. September 2014 REDAKTION: Chefredakteur: Raimund Nitzsche (V.i.S.d.P.) Redaktion: Mario Bollinger, Bernd Kreikmann, Lüder Kriete, Matthias Schneider, Dave Watkins, Darren Weale Mitarbeiter dieser Ausgabe: Iain Patience, Torsten Rolfs Cover-Foto: Christophe Rascle Rückseite: Benjamin Amure Die nächste Ausgabe erscheint am 27. Oktober 2014. Adresse: Redaktion Wasser-Prawda c/o wirkstatt Gützkower Str. 83 17489 Greifswald Tel.: 03834/535664 redaktion@wasser-prawda.de Anzeigenabteilung: marketing@wasser-prawda.de Wasser-Prawda | September 2014 EDITORIAL 5 EDITORIAL VON RAIMUND NITZSCHE Hits“ irgend welcher Art und auch nicht um das Feiern der Ostalgie. Nur Lieder, die meiner Meinung nach noch heute - auch jenseits ihrer historischen Verankerung in der DDR oder meiner Biografie - funktionieren, hab ich ausgewählt. Wer andere Playlisten der Zeit schreiben möchte, kann sie uns gerne an redaktion@wasser-prawda.de schicken. Wir stellen sie dann online. Wer aber meint, dass David Hasselhoff oder die Skorpions was mit der Wende zu tun hatten, braucht sich nicht zu melden. Wie schnell die Zeit doch vergeht - schon wieder ist ein Monat vorbei. Und abermals ist ein neues Magazin entstanden. Diesmal endlich wieder mit einem Terminkalender. Und auch ein paar Rezensionen sind es mehr als vor vier Wochen. Dafür ist aber bis auf eine Buchrezension das komplette Feuilleton entfallen. Denn wenn ich ehrlich bin: Ich komme immer häufiger an die Grenzen dessen, was ich leisten kann. Und da sind mir Beiträge über Musik immer noch wichtiger als Rezensionen über Bücher, die ich mir auf den letzten Drücker abquäle. Und für kulturelle Debatten, historische Abhandlungen oder ähnliches ist einfach keine Zeit. Das ist schade, aber nicht zu ändern. So lange ein Magazin wie unseres kein Geld einbringt, kann man auch keine Autoren verpflichten, die auf eine angemessene Bezahlung ihrer Arbeit angewiesen wären. Stilistisch geht es in diesem Monat mal wieder quer durch den Blues: vom schwiegermutterfreundlichen Sound eines Keb‘ Mo‘ über Retro-Blues aus Brasilien hin zu den verschiedensten Gitarrensounds von JP Soars. Und nach Chase Walker im letzten Heft ist auch diesmal wieder ein Nachwuchsmusiker vertreten: Erst 17 Jahre alt ist Florian Zimmer. Doch der Gitarrist wird von manchen schon als eine Wiedergeburt von Alvin Lee gefeiert. Und dabei gibt es von seiner Band iUTERO noch nicht mal eine CD... Hinzu kommt noch der vierte Teil der Serie über die Blues Brothers von Darren Weale und ein Gespräch Howard Glazers mit seinem Bruder Steve, einem Musiker und Keramikkünstler aus Detroit. Nach den Erinnerungen an den 1. und den 2. Weltkrieg kommt jetzt das Gedenken an die friedliche Revolution von 1989 auf Touren. Vor fünf Jahren haben wir online eine Artikelsammlung unter dem Namen „Mauersplitter“ veröffentlicht. Kurze Zeit später hatte sich der Deutschlandfunk auch genau diesen Namen genommen (und nutzt ihn derzeit wieder). In diesem Jahr habe ich versucht, mich daran zu erinnern, welche Lieder mir selbst ab Mitte der 80er Jahre wichtig waren und die für mich den Soundtrack der Wende ausmachen. Allerdings geht es mir dabei nicht um „Greatest Wasser-Prawda | September 2014 6 TERMINE Festivals Hamburg Blues Nights Sasel-Haus, Saseler Parkweg 3, HamburgSasel 24.10. Jersey Julie Band, Mike Andersen Band, Dave Herrero & The Hero Brothers Band, Sena Ehrhardt Band 25.10. Kalle Reuter Experience, Layla Zoe, Franck Goldwasser Band & special guest Bobby Jones, Marius Tilly Band 12. B&W Rhythm & Blues Festival Halle (Westfalen) 25.10. Big Daddy Wilson, Dana Fuchs, Soulfamily, Manfred Mann‘s Earthband 6. Volksdorfer Blues Festival 08.11. mit Grits ‚n Gravy, Katie Bradley & Tom Attah, Hannes Bauer‘s Orchester Gnadenlos Auf Tour 3 Dayz Whizkey 04.10. Donauwoerth, Doubles Rock & Roll 06.10. Nürnberg, Hirsch 24.10. Naukirchen, Hall of Music 01.11. Kufstein, Kulturfabrik (A) 06.11. Regensburg, Alte Mälzerei Abi Wallenstein 02.10. Leipzig, Geyserhaus 03.10. Lüneburg, Cafe Klatsch 04.10. Leck, Kulturhof Leck-Huus 07.10. Freiburg, Freiburg Bluesfestival 10.10. Isernhagen, Kulturcafe Rautenkranz 11.10. Burg/Dittmarschen, Alte Räucherei 17.10. Traun, Spinnerei (Blues & Boogie-LateNight Show) (A) 18.10. München, Alfonsos 19.10. Glonn, SCHROTTGALERIOE Wasser-Prawda | September 2014 24.10. Rhauderfehn, Rhauderfehn Blues Club 25.10. Hamburg, Magazin 06.11. Dreieich, Bürgerhäuser Dreieich B.B. & The Blues Shacks 27.09. Ofteringen, Klosterschüler 28.09. Ilten, Sommerfest 03./04.10. Hildesheim 25th Anniversary 18.10. Ratingen, Manege Big Daddy Wilson 25.10. Halle, B&W Rhythm & Bluesfestival Blue Note Blues Band 11.10. Würzburg, Omnibus 25.10. Ingolstadt, Shamrock Blues Company 10.10. Greven 11.10. Rüsselsheim 07.11. Nettetal, Burg Bocholt British Blues Allstars Dave Kelly, Gery Fletcher, Pick Withers, Zoot Money, Pete Emery 01.10. Mettman, Best Western Hotel 02.10. Kirchheim, Club Bastion 03.10. Hard, Kammgarn (AT) 04.10. Habach, Village 05.10. Künzell/ Dialos, Alte Piesel 06.10. Linz, Smaragd (AT) 07.10. Wien, Kulturverein Reigen (AT) 08.10. Söchtenau, Seehaus Krottenmühl 09.10. Freiburg, Jazzhaus 10.10. Will, Gare de Lion (CH) 11.10. Rubigen, Mühle Hunziken (CH) 12.10. Remscheid 14.10. Bad Salzuflen, Bahnhof 15.10. Bordesholm, Savoy 16.10. Isernhagen, Blues Garage TERMINE Cologne Blues Club 02.10. Thedinghausen/Bremen, In Concert 03.10. Algermissen, Rainer‘s Rockhaus 4.10. Herford, Bluesfestival 07.11. Rhede, Blues Engerling 27.09. Dresden, Tante JU 03.10. Potsdam, Theaterschiff 04.10. Chemnitz, Kabarettkneipe 11.10. Cottbus, Bebel 17.10. Ebersbach, OKV 18.10. Tharandt, Kuppelhalle 19.10. Berlin, Sporthalle KSC Köpenick 24.10. Magdeburg, Baracke 25.10. Zschaitz-Ottewig, Gasthof zur Post 31.10. Gotha, The Londoner Georg Schroeter & Marc Breitfelder 10.10. Ehingen, Jazztage (feat. David Herzel) 11.10. Ehingen, Jazztage 25.10. Eckernförde, Carls Showpalast 31.10. Schönkirchen, Schmidt-Haus 01.11. Schloss Weesenstein 08.11. Dresden, Boulevardtheater (Jazztage Dresden) Greyhound George 27.09. Gütersloh, A Tasca – m.Poor Howard Stith u. Andy Grünert 28.09. Melle,Rathausplatz – m.Poor Howard Stith u. Andy Grünert- Beginn 13.00 28.09. Herford, Musikschule Lenze – m.Poor Howard Stith u. Andy Grünert 04.10. Münster, Cafe´Arte - Solo 09.11. Herford, Haus der Jugend - Solo Hamburg Blues Band 02.10. Lübeck, Sounds 03.10. Berlin, Quasimodo 04.10. Plauen, Ranch 7 09.10. Regensburg, Alte Mälzerei 10.10. Kaiserslautern, Kammgarn 11.10. Meidelstetten, Adler Meidelstetten 16.10. Leipzig, Spizz 17.10. Braunschweig, Barnabys Henning Pertiet 10.10. Isernhagen, Kulturkaffe Rautenkranz (mit Abi Wallenstein) 26.10. Westen, St. Annen Kirche 31.10. Berlin-Köpenick, Ratskeller (mit Gottfried Böttger, Micha Maas) 01.11. Jüterbog, Jüterboogie (mit Gottfried Böttger, Micha Maas, Henry Heggen) Henrik Freischlader Band 07.10. Hamburg, Downtown Blues Club 08.10. Soest, Alter Schlachthof 09.10. Bochum, Zeche 10.10. Kaiserslautern, Kammgarn 11.10. Freiburg, Jazzhaus 12.10. Tübingen, Sudhaus 14.10. Koblenz, Café Hahn 19.10. Leverkusen, Scala 21.10. Leipzig, Moritzbastei 22.10. Regensburg, Alte Mälzerei 23.10. Schweinfurt, Stattbahnhof 24.10. Pratteln, Mini Z7 25.10. Cham, Live in Cham 26.10. Ulm, Roxy Hundred Seventy Split 09.10. Bonn, Harmonie 10.10. Berlin, Quasimodo 11.10. Melle Buer, Kulturfabrik 12.10. Braunschweig, Barnaby‘s 14.10. Augsburg, Spectrum 15.10. Konstanz, Kulturladen 16.10. Hunziken, Mühle (CH) 18.10. Gams, S-Event (CH) 07.11. Dortmund, Blue Notez Wasser-Prawda | September 2014 8 TERMINE Jay Ottaway Band 10.10. Selm, Lumber Jack‘s Diner 11.10. Braunschweig, Barnaby‘s Blues Bar 17.10. Leichlingen, Grammophon Jessy Martens & Band 02.10. Soest, Alter Schlachthof 03.10. Hamburg, Cotton Club (mit Jan Firscher‘s Blues Support) 04.10. Bordesholm, Albatros 07.10. Kiel, KulturForum (mit Jan Fischer‘s Blues Support) 09.10. Osterode am Harz, Freiheiter Hof (mit Jan Fischer‘s Blues Support) 10.10. Achim, Kulturhaus Kasch (mit Jan Fischer‘s Blues Support) 17.10. Freiburg i.Br., Jazzhaus 18.10. Baden-Baden, Goldener Löwe 30.10. Münchwilen, Blues Fabrik Dance Inn (CH) 31.10. Pratteln, Z7 Konzertfabrik (CH) 01.11. Sins, Seiserkurve (CH) Jimmy Reiter 03.10. Bielefeld, Jazzclub 18.10. Hannover-Anderten, Bahnhof 29.10. Hamburg, Downtown Blues Club 11.11. Emmendingen, Mehlsack 12.11. Kandern, Chabah 14.11. Stuttgart, Laboratorium Marius Tilly Band 03.10. Dormagen, Streetlife 24.10. Gestringen, Alte Schule 25.10. Hamburg, Sasel Haus 31.10. Oldenburg, Headcrash 01.11. Cuxhaven, Janja‘s Bar 07.11. Vlotho, Kulturfabrik 08.11. Grend, Kulturzentrum (Session Opener) Michael van Merwyk & Bluesoul 17.10. Fricktaler Blues Festival (CH) Wasser-Prawda | September 2014 18.10. Heidenheim, Swing 24.10.-27.10. Dozzler & MvM Tour 30.10.-09.11. Larry Garner & MvM Tour 10.11.-16.11. Dozzler & MvM Tour Reverend Rusty 11.10. Bräunlingen, Bregtäler 23.10. Augsburg, Brauhaus 1516 25.10. Runding, Robinson 31.10. Postbauer-Heng. KiSH 07.11. Haiming, Gewölbe 08.11. München, Antons 09.11. Altdorf, Jimmy‘s Cafe Schneider - Schwarznau 17.10. Bochum, Kulturrat 25.10. Ittersbach, Museumsscheune 26.10. Gundelfingen, Kulturgewächshaus Birkenried Speiches Monokel 04.10. Berlin, Wabe (3. Kunden Blues Nacht mit Blues & Loose, Hof Blues Band) 18.10. Neuenhagen, Arche Live 31.10. Arnstadt, Rockjungfer 01.11. Landsberg, Zum Löwen 07.11. Leipzig, Tonellis The Double Vision 02.10. Striegistal, Open Air 11.10. Weimar, Zwiebelmarkt (Beatcorner Stage) 17.10. Haiming, Live In Eisching 18.10. Straubing, Raven The Dynamite Daze 10.10. Erding, Schiassn 11.10. Würzburg, Blauer Adler The German Blues Project 18.10. Esslingen, Blues in Town Timo Gross 02.10. Saalfeld, Meininger Hof TERMINE 03.10. Mannheim, Gehrings Kommode 04.10. Landau/Pfalz, Das Büro 05.10. Hamburg, Downtown Blues Club 09.10. Karlsruhe, Jubez 11.10. Lausanne, Taco‘s Bar (CH) 12.10. Offenburg, Kik 24.10. Stuttgart, Laboratorium 25.10. Dittelbrunn-Hambach, Kusidi 26.10. Altdorf, Jimmy´s Cafe 29.10. Strasbourg, Au Camioneur (F) 31.10. Neustadt/Weinstrasse, Jazzclub 01.11. Wissembourg, La Nef (F) 07.11. Leipzig, Unterrock 08.11. Augsburg, Madhouse Clubs Barnaby‘s Blues Bar Braunschweig 02.10. NZZ Blues Band 03.10. ALX Love Crushed Velvet 04.10. 4d Fonk 11.10. Jay Ottaway Band 12.10. Hundred Seventy Split 17.10. Hamburg Blues Band 25.10. The Fab Lushes 01.11. Neal Black & The Healers 08.11. Hot n Nasty Bischofsmühle Hildesheim 02.10. Trickbag (S) 18.10. Niamh Ni Charra 23.10. Nico Duportal & His Rhythm Dudes 25.10. The Sweet Remains Blues im Bahnhof Bahnhof Mannheim. Eintritt frei. 10.10. Black Cat Bone 07.11. Abi Wallenstein, Dave Goodman, Oliver Spanuth, Steve Baker 9 Bluesgarage Hannover Isernhagen 02.10. Brian Augers Oblivion Express 03.10. Hole Full of Love 04.10. Kirsten Thien & Band 08.10. Fish 10.10. Dirt River Radio 16.10. British Blues All Stars 17.10. Nikki Hill 18.10. Aynsley Lister Band 22.10. Dana Fuchs 24.10. Y&T 30.10. Kofi Bakers Cream Experience 31.10. Dan Baird & Homemade Sin 01.11. Budda Power Blues 02.11. Chris Jagger‘s Acoustic Roots 06.11. American Cajun, Blues & Zydeco Festival 08.11. Eric Sardinas & Big Motor ChaBah Kandern 01.10. Fabian Anderhub 08.10. Ray Fuller & Band 15.10. Kat Baloun‘s Blues and Boogie Kings 22.10. Will Wilde 29.10. Bobby Jones meets Franck Goldwasser Band 05.11. Joe Filisko & Eric Noden Cotton Club Hamburg 02./03.10. Cotton Club Boogie Nights 06.10. Hamburg Blues Bandits 13.10. Kat Baloun & The Blues and Boogie Kings 20.10. Jo Bohnsack 27.10. Guy Weber 29.10. One Trick Pony Downtown Bluesclub Hamburg 01.10. Brian Augers Oblivion Express 03.10. Rob Tognoni Wasser-Prawda | September 2014 10 TERMINE 07.10. Henrik Freischlader 08.10. Will Wilde 10.10. John Campelljohn & Band 11.10. Carl Verheyen 15.10. House on a Hill & Dr Love Power 22.10. Nikki Hill 26.10. Y&T 27.10. Virgil Donati & Band 29.10. Jimmy Reiter Band Extra Blues Bar Bielefeld 04.10. Kapelle Vorwärts 09.10. Bite the Bullet 18.10. Will Wilde 22.10. Sid sings 05.11. The Black Lung Kulturbastion Torgau 02.10. Patricia Vonne 11.10. Footsteps 15.10. Nikki Hill & Band 18.10. BSG 9 22.10. The Brew 30.10. Eric Sardinas & Big Motor Kulturspeicher (Bergstraße, Ueckermünde) 27.09. Captain Crap 04.10. Harald Wollenhaupt 18.10. Catfish one man band 01.11. Stellmäcke & Müller Laboratorium Stuttgart 03.10. Manfred Maurenbrecher 10.10. Loretta 11.10. Guru Guru 17.10. Bandista 18.10. Gankino Circus & Inna Zhelannaya 23.10. Rachelle Garniez 24.10. Timo Gross Band 25.10. The Dead Brothers Wasser-Prawda | September 2014 30.10. Parsons Thibaud Löwenherz/Late Night Blues Loev Hotel Binz/Rügen 27.09. Trio e la luna? 24.10. Late Night Blues Gala: Micha Winkler & The Stupid White Men Meisenfrei Bremen Hankenstr. 30.09. Egidio Juke Ingala 04.10. Mad Dog Blues Band 08.10. John Campbelljohn Trio 09.10. Carl Verheyen Band 11.10. Checkin‘ Up 13.10. Aynsley Lister/Till Bennewitz 14.10. Will Wilde & Band 18.10. Michael Dühnfort & The Noize Boys 21.10. Focus 22.10. The Fab Lushes 23.10. Footsteps 24.10. V8 28.10. Kofi Baker‘s Cream Experience 29.10. Neal Black & The Healers 30.10. Snakewater Music Hall Worpswede 03.10. Kari Bremnes 10.10. Manfed Mann‘s Earthband 11.10. Inga Rumpf & KK‘nz 17.10. Judith Holofernes 18.10. Anne Haigis Musiktheater Piano Dortmund 12.10. Nikki Hill & Band 15.10. Climax Blues Band 17.10. The Lennerockers 18.10. Angelika Express 19.10. Allan Taylor 23.10. Wingenfelder 24.10. Focus 26.10. Dana Fuchs TERMINE 29.10. Beans On Toast 02.11. American Cajun, Blues & Zydeco Festival 03.11. Kenny Wayne Shepherd Musiktheater Rex Bensheim 18.10. Tommy Schneller Band 23.10. Aynsley Lister & Band 25.10. Danny & the Wonderbras 28.10. Dana Fuchs O‘ Man River Friedensstraße 27, Ostseebad Heringsdorf 26.09. Captain Crab und Prince of Harp 30.09. Timmi 03.10. Eric Lenz 07.10. Gotte Gottschalk 10.10. Timmi 17.10. Peter Schmidt ( EBE ) 24.10. Grey Wolf 31.10. Frank Plagge Quasimodo Berlin 03.10. Hamburg Blues Band 05.10. Checkmate Drayton, Wyzard & TC Tolliver 10.10. Hundred Seventy Split 11.10. THORBJØRN RISAGER 12.10. Carl Verheyen Band 17.10. The Black Diamonds 18.10. Nikki Hill 24.10. The Holmes Brothers 25.10. Lightnin Guy & The Mighty Gators 30.10. Popa Chubby & Band 31.10. Layla Zoe & Band 01./02.11. Mother‘s Fines Savoy Bordesholm 09.10. John Campbelljohn Trio 15.10. British Blues All Stars 18.10. Ray Fuller 11 24.10. TomAndSara 31.10. Madison Violet 01.11. Snakewater Tante JU Dresden 03.10. Freygang 09.10. Screaming Headless Torsos 25.10. Hole Full of Love 31.10. Neal Black 06.11. Dean Brown Tina Tandler Club Jazz und Blues in Zingst 27.09. Gypsy Gentlemen (Kurhaus) 18.10. Friedemann Benner (Kurhaus) Topos Leverkusen 02.10. John Campelljon Band 07.10. Screaming Headless Torsos 16.10. Will Wilde 17.10. Zed Mitchell 18.10. Peter Nonn Blues Band 05.11. Erja Lyytinen Troisdorfer Bluesclub Realschule Heimbachstrasse 10, Troisdorf 24.10. Kai Strauss & The Electric Blues Allstars 21.11. Back On the Road Yorkschlösschen Yorkstr. 15, Berlin 01.10. The Rockin‘ Blues Clues 02.10. Jan Hirte‘s Blue Ribbon 03.10. Roger & The Evolution 08.10. Kat Baloun & The Blues‘n Boogie Kings 15.10. First Class Blues Band 17./18.10. Sugar Pie & The Candymen 19.10. Ulrike Haller & Loomis Green 22.10. Revelation Blues Band 24.10. Kat Baloun Band Wasser-Prawda | September 2014 12 MUSIK Wasser-Prawda | September 2014 MUSIK 13 Jessy Martens JESSY MARTENS GEWINNT BLUES CHA LLENGE UND ZWEI GERMAN BLUES AWARDS KAUM ÜBERRASCHUNGEN BEI PREISVERLEIHUNG IN EUTIN Jessy Martens ist eine der besten Entertainerinnen in Blues und Rock in Deutschland. Mit ihrer Jessy Martens Band war sie allerdings zuletzt immer weiter in Rockgefi lde gezogen. Für ihren Auftritt bei der German Blues Challenge 2014 allerdings hat sie sich nach Aussage der Jury ein Programm mit Blues verschiedener Stilrichtungen zusammengestellt und nicht nur als Sängerin sondern vor allem auch mit der instrumentellen Vielseitigkeit ihrer Band überhzeugen können. Am 20. September konnte sie sich gegen die Joris Hering Blues Band, die Marius Tilly Band und Bernd Rins-RootsRock durchsetzen, die über ein Online-Voting nominiert worden waren. Im Vorfeld der Challenge hatte die Kai Strauss Band absagen müssen. Kurzfristig hatte dann auch noch It‘s M.E. ihre Teilnahme an dem Wettbewerb zurückgezogen. Die Jessy Martens Band wird jetzt Deutschland am bei der International Blues Challenge in Memphis (20.-24. Januar 2015) und der European Blues Challenge am 13./14. März 2015 in Brüssel vertreten. Auch bei den am gleichen Abend verliehenen German Wasser-Prawda | September 2014 14 MUSIK Blues Awards gehörte Martens zu den Gewinnerinnen des Abends. Sie wurde nicht nur als beste Sängerin ausgzeichnet. Ihre Jessy Martens Band erhielt außerdem den Preis als beste Band. Auch Abi Wallenstein (Bester Sänger und Kategorie Solo/Duo) und Chris Kramer (Mundharmonika und Album des Jahres für die CD „Chicago Blues“) erhielten jeweils zwei der im Rahmen einer Online-Abstimmung vergebenen Preise. Mit einem vom Verein Blues Baltica verliehenen Ehrenpreis wurde Peter Urban für seine Sendung „Nachtclub“ beim NDR ebenso ausgezeichnet wie der dänische Musiker Tim Lothar. Hier eine Liste der Preisträger in den verschiedenen Kategorien, die im Vergleich zu den Vorjahren relativ wenige Überraschungen bietet: • • • • • • • • • • • K ategorie Solo/Duo: Abi Wallenstein Kategorie Band: Jessy Martens Band Kategorie Club: Downtown Blues Club, Hamburg Kategorie Festival: Blues in Lehrte, Lehrte Kategorie Gitarre: Henrik Freischlader Kategorie CD: Chris Kramer für die CD “Chicago Blues” Kategorie Gesang männlich: Abi Wallenstein Kategorie Instrument sonstige: Tommy Schneller, Saxophon Kategorie Mundharmonika: Chris Kramer Kategorie Gesang weiblich: Jessy Martens Kategorie Ehrenpreis national: Chris Kramer Peter Urban für die Sendung „Nachtclub“, NDR • Kategorie Ehrenpreis international: Tim Lothar, Musiker, Dänemark Wenn die Liste der Preisträger in den vergangenen Jahren immer relativ gleich aussieht, dann ist das ein Problem der Preisvergabe: Während die Nominierungen über eine Fachjury von Journalisten, Musikern und Veranstaltern erfolgt, ist für die Preisvergabe abgesehen von den Ehrenpreisen eine OnlineAbstimmung verantwortlich. Und hier gewinnen die Musikerinnen und Musiker, die online über die besten Fankontakte verfügen. Wasser-Prawda | September 2014 Sowohl Martens als auch Chris Kramer zählen hier zu den absoluten Profis. Andere Musikerinnen und Musiker, die darauf verzichtet haben, offensiv Werbung für die Preisvergabe zu machen, haben keine Chance. Das macht für mich aber wieder mal deutlich, dass die Art der Preisverleihung ebenso veränderungsbedürftig ist, wie die Organisation der Bluesszene hierzulande überhaupt: Auf Dauer wird man in Deutschland kaum an der Bildung einer landesweiten BluesGesellschaft für Musiker, Fans und Veranstalter vorbeikommen, wie sie in anderen Ländern existiert. MUSIK 15 THE HEADCUTTERS: BLUES IN BRASILIEN VON BERND KREIKMANN DIE WM IST GELAUFEN, DIE FERIEN SIND VORBEI ES IST WIEDER ZEIT FÜR GUTE MUSIK. VIELE VON UNS WAREN IN BRASILIEN UND HABEN DAS FUSSBALLFEST VERFOLGT. DAS LAND IST VOLLER MUSIK, DIE WUNDERSCHÖNEN FRAUEN TANZEN MEHR ODER MINDER BEKLEIDET DEN GANZEN TAG SAMBA AUF DEN STRASSEN, DIE SONNE SCHEINT UND IN DEUTSCHLAND TRÄGT JEDER EINE LEDERHOSE. Brasilien ist ein großes Land mit alten Traditionen. Es ist ein Land der Gegensätze dessen Probleme nicht mit einem Ball gelöst werden können. Mir ist aufgefallen, daß von mir sehr geschätzte Musiker wie der leider verstorbene Lynwood Slim, Dave Riley und viele andere offenbar gern in Brasilien spielen und dort regelmäßig touren. Blues in Brasilien? Der echte Blues Fan kennt vielleicht Igor Prado oder den Harper Luciano Bocca – das war es dann aber schon. Wasser-Prawda | September 2014 16 MUSIK Joe Marhofer Dann bin ich über Joe Marhofer und seine Headcutters gestolpert und war schlichtweg begeistert. Blues in Brasilien ist für mich eine relativ neue Entdeckung. Umso mehr freut es mich, daß der Frontmann Joe Marhofer von brasiliens führender Blues Band The Headcutter Zeit fand, sich mit uns zu unterhalten. Joe Marhofer ist Harpspieler und Frontmann der brasilianischen Band The Headcutters. Sie treten bei (internationalen) Blues Festivals auf und touren mit Größen wie Phil Guy, Eddie C. Campbell, Billy Branch, Kim Wilson, Billy Flynn, Lynwood Slim, Magic Slim, Mitch Kashmar, Kenny Neal, Dave Riley und vielen anderen. Mit neunzehn entdeckte Joe die Harp und gründet dann die Band The Headcutters. Er sagt, sein Stil sei durch Little Walter, Sonny Boy Williamson, Big Walter Horton und Muddy Waters beeinflußt worden. Die Headcutters leben den Blues der 40er und 50er Jahre. Bislang liegen zwei Alben <Back to the 50’s> (2009) und <Shake that Thing> (2013) vor. 2011 wurde die DVD <Sweet Home Blues> veröffentlicht. Die Band wird Ende September 2014 eine große US-Tour antreten und unter anderem beim berühmten King Biscuit Festival in Helene Wasser-Prawda | September 2014 Arkansas spielen. INTERVIEW MIT JOE MARHOFER BK: Schön, Dich zu treffen Joe. Wie geht‘s Dir? JM: Vielen Dank Bernd, mir geht es gut. BK: Wie Du weißt, sind wir aus Deutschland. Wir erwarten Samba, Bossa Nova und etwas Jazz aus Brasilien, nicht gerade Blues. JM: Yeah, Brasilien hat eine Menge verschiedener Musikstile, ich kann Dir gar nicht sagen, warum der MUSIK Blues uns erwischt! LOL! BK: Wie hast Du deinen Weg zum Blues gefunden, Joe? JM: Durch Hören und viel Spielen … und vergiss nicht die Zeiten, wo wir hier gemeinsam mit großartigen Bluesmusikern aus den USA gespielt haben. Dadurch haben wir auch eine Menge gelernt. BK: Warum spielt Ihr die Musik der 40er und 50er Jahre? JM: Ich glaube, das war die beste Zeit, die der Blues je hatte. Die Musiker in dieser Zeit waren äußerst kreativ und der Klang war fantastisch, ganz anders als vorher oder danach. BK: Ist es nicht hart, vom Bluesspielen in Brasilien zu leben? JM: Yeah … Es ist ein harter Weg, aber wenn man liebt, was man tut, dann findet man auch seinen Weg! BK: Erzähl uns doch bitte etwas über die Headcutters. Der Bandname klingt gefährlich. JM: hehehe!! Klingt gefährlich, ist es aber nicht! Wir haben diesen Namen n als Tribut an die Band Headhunters von Muddy Waters, Little Walter und Jimmy Rogers gewählt. Wir sind vier Freunde, die seit unserer Kindheit in der gleichen Gegend wohnen. Wir lieben den Blues aus der Zeit nach dem Krieg. Wir machen unsere Aufnahmen gern mit alten Analoggeräten. Das schließt auch ein Spulentonband ein. Daher ist unser Sound einzigartig und anders als bei den meisten Bluesaufnahmen zur Zeit. Unsere erste CD „Back to 50‘s“ kam 2009 heraus und wurde in drei Nächten im Geschichtsmuseum von Itajaí aufgenommen. Die DVD „Sweet Home Blues“ (2011), aufgenommen mit Bildern in Full HD wurde in einem Raum aufgenommen, wo sich die Band regelmäßig triff t. Er wird „Attic Blues“ genannt und befindet sich im Haus der Catusos. Die letzte Sache, die wir veröffentlicht haben, war die CD „Shake That Thing“ (2013), bei der wir mit Künstlern wie Igor Prado (Br), Omar Coleman (USA) und Richard „Rip Lee“ Pryor (USA), dem Sohn des legendären Hörempfehlung In Itajai (die Amerikaner würden sagen, es liegt in der Nachbarschaft von Sao Paulo) hat Joe Marhofer – seine Großeltern stammen aus Deutschland – die Headcutters gegründet. Die Band hat bislang zwei CDs („Back to 50’s“ und „Shake that Thing“) und eine DVD (Sweet Home Blues“) vorgelegt. Als Gäste sind u.a. der bereits genannte Igor Prado und Richard ‚Rip Lee‘ Pryor vertreten. Der Leckerbissen „Back to 50’s“ wurde live eingespielt und enthält Cover von Little Walter, Sonny Boy Williamson, Jimmy Rogers und mit „T-Bonin“ eine Eigenkomposition. Die aktuelle CD „Shake that Thing“ bietet neben Igor Prado’s „Omar’s Nap“ ausschließlich Eigenkompositionen. Die Headcutters setzen sich durch ihren eigenständigen, coolen und lässigen Stil deutlich von der Masse der Retrobands ab. Die Musiker halten jedem internationalen Vergleich stand. Sie haben 17 Harpspielers Snooky Pryor, zusammengearbeitet haben. BK: Ok, ich stimme Dir zu. Als ich die total entstpannte DVD „Sweet Home Blues“ (nebenbei: ich liebe diese Scheibe!) anschaute, konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass diese Musiker in physischen Hinsicht gefährlich sein könnte. JM: Yeah, ich hab schon vom großen Willie Dixon gelernt: ”you can’t judge a book by looking at the einen schwer zu beschreibenden Sound gefunden, bei dem ganz tief drinnen das südamerikanische Temperament einfließt. Es gibt hier keine guten oder schlechten Stücke oder Interpretationen, es gibt packenden, mitreißenden Blues ohne eine Minute Langeweile. Dazu gibt es dann jede Menge gute Laune. Der ganz große Leckerbissen ist für mich die DVD „Sweet Home Blues“ von 2011. Die Aufnahmen sind in einem Dachstudio entstanden. Die Vier sind so cool und haben so viel Spaß bei den Aufnahmen, daß der Funke voll auf den Zuschauer überspringt. Ein so eindrucksvolles unprätentiöses Kammerblueskonzert habe ich noch nicht erlebt. Das muss man gesehen haben. Die Band ist ganz klar ein Geheimtipp. Ich kann nur hoffen, daß sich, vielleicht auch durch die anstehende große US Tour, ein Promoter findet, der die Band nach Europa bringt. Unser Publikum wäre begeistert. Wasser-Prawda | September 2014 18 MUSIK cover…” die Musik genau zum Blues passt. Immer mehr Menschen lieben den BK: Um wieder ernst zu werden: Blues. Auch wenn nicht alle die Wie würdest Du die Blues-Szene Texte verstehen, fühlen sie den Geist! in Brasilien beschreiben? Bei uns Aus diesem Grund hat sich der Blues kann man vielleicht Musikern hier zu einem guten Geschäftsfeld wie Igor Prado begegnen. Und ich entwickelt. weiß, dass Luciano Boca ein großartiger Harpspieler ist. Aber damit BK: Ende September 2014 werden The Headcutters durch die hat es sich auch schon. JM: Brasilien hat eine großartige Vereinigten Staaten touren. Es Bluesszene. Es gibt eine Menge ist bekannt, dass Ihr sehr gerne guter Musiker, die ganz ernsthaft die Größen aus den USA einladet, mit Musik betreiben. Und mittlerweile Euch zu spielen. Erzählst Du uns, gibt es auch viele gute Blues Festivals wer das in diesem Jahr sein wird? hier. Und dadurch wächst und JM: In diesem Jahr machen wir den gedeiht die Szene! Ich weiß nicht, wie Trip unseres Lebens! Es ist unsere es in den 80er Jahren war. Und auch erste große Tour in den USA und von den 90ern hab ich nur wenig für uns ein Traum, der in Erfüllung Ahnung, aber ich glaube, durch das geht. Wir werden mit den Silver Internet-Zeitalter kann man den Kings aus Kalifornien spielen, mit Blues leichter entdecken, wenn man Jon Atkinson, Omar Coleman und es will. Das ist in Brasilien genauso. Rip Lee Pryor. Er wird eine Zeit des Ich kann sagen, dass wir großartige Lernens sein - und eine Zeit, unseren Musiker haben, die wirklich guten Blues noch besser zu machen! Blues spielen. Ich bin überzeugt, dass die brasilianische Leidenschaft für BK: Um zum Ende zu kommen: Wasser-Prawda | September 2014 Gibt es auch Pläne für Tourneen in Europa? JM: Ja, wir wollen eigentlich im nächsten Jahr in Europa touren. Aber bis jetzt ist da noch nichts engültig gerklärt. Hoffentlich wird das bald geschehen. BK: Joe, willst Du unseren Lesern noch irgend etwas mitteilen? JM: Ich will Dir nur für Deine Hilfe danken und für das Interview, Bernd! Und ich bin glücklich über das, was Du über unsere Band sagst. Wir lieben einfach den Blues und wollen ihn hier unten in Brasilien und in der ganzen Welt am Leben erhalten. BK: Vielen Dank, dass Du Dir für uns Zeit genommen hast, Joe! Viel Spaß bei der Tour. Und hoffentlich sehen wir Euch auch bald in Deutschland! MUSIK 19 SOUNDTRACK MEINER WENDE EINE PLAYLIST VON RAIMUND NITZSCHE E S G I BT I M M E R N O C H M E N S C H E N, D I E DAV I D HASSELHOFF FÜR EINEN HELDEN DER WENDE 1989 H A LT E N O D E R F Ü R D I E DAS PFEIFEN VON „WIND OF CHANGE“ DIE MAUER ZUM EINSTURZ GEBRACHT HAT. FÜR MICH WAREN ES ANDERE LIEDER, DIE ICH IN DEN SPÄTEN 80ER UND F R Ü H E N 90 E R J A H R E N IMMER WIEDER GEHÖRT HABE. SORTIERT HABE ICH SIE IN DER ZEITLICHEN REIHENFOLGE, WIE ICH SIE ENTDECKT HABE. DIE AUSWAHL HAB ICH DANACH G E T R O F F E N , WA S I C H AUCH HEUTE NOCH HÖRE WENN AUCH MIT ANDEREN OHREN. Wasser-Prawda | September 2014 20 MUSIK 1. Lift - Nach Süden Am Anfang ist die Sehnsucht. Die Sehnsucht nach Ferne irgendwo. Nach dem „Westen“ oder „Süden“. Nach irgendwo, wo ich nicht war und kaum hinkommen werde. Es ist 1984 und ich bin fast raus zu Hause - zumindest die meiste Zeit. Die musikalischen Helden der Schulzeit waren alle vom Westen. Besonders Udo Lindenberg und BAP zählten dazu. Doch der Traum, dass man sie würde mal live sehen können, schien schneller ausgeträumt, als er Realität zu werden schien. Da s Internat im „Ta l der Ahnungslosen“ schneidet brutal ab von den üblichen Möglichkeiten des Musikkonsums. Aber gleichzeitig eröffnet sich eine ganz neue Möglichkeit, musikalische Welten zu entdecken. Das eine sind die Plattensammlungen oder Tonbandmitschnitte, die Klassenkameraden mitbringen. Plötzlich höre ich zwischen der Musik der 60er und Punk, zwischen Jazzrock und Folk, Artrock und Ska Musiker, von deren Existenz ich noch nicht gehört hatte. Und natürlich gibt es nahe der Stadt Dresden auch die Chance, Konzerte zu besuchen. Ein Abend ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Normalerweise war ich nicht der Typ für den Kulturpalast. Aber da gab es ein Treffen verschiedenster Bands aus dem Dresdner Umland. Und so konnte man Gruppen wie Regenwiese oder Zwei Wege kennenlernen. Von beiden hört man zumindest hier im Norden seit Jahrzehnten nichts mehr. Headliner war an dem Abend allerdings Lift, mir bis dahin auch noch nicht bekannt. Und deren lyrische Popmusik mit jazzigen und sonstigen Einflüssen blieb im Kopf. Stücke wie „Nach Süden“ wurden zum Vehikel der jugendlichen Sehnsucht. Nein: die Mauer kam nicht vor im Text. Aber dafür der vielen gemeinsame Wunsch nach der Ferne, nach dem Aufbruch. 2. Renft - Nach der Schlacht Die Jahre gingen weiter. Die musik a lischen Entdeckungsreisen ebenso. Erstmals bekam ich hier Wasser-Prawda | September 2014 von Freunden Alben von Renft zu hören, die damals zu Höchstpreisen gehandelt wurden. Besonders die zweite Platte gehört für mich noch heute zum Besten, was die deutsche Rockmusik hervorgebracht hat. Denn da fehlt der später übliche pädagogische Zeigefinger - oder er richtet sich nicht nur gegen den Hörer, sondern vor allem auch gegen die Obrigkeit, die gnadenlos an ihren Idealen der Revolution gemessen werden. Die Schlacht, so war mir klar, wird viel länger sein. Auch wenn Renft heute es sich bequem eingerichtet haben im Dasein einer sich selbst reproduzierenden Oldiekapelle. Da fehlt die Revolte Und es passiert nichts neues mehr. 3. Slim Harpo - Rainin‘ In My Heart Irgendwann hatte das DDR-Label AMIGA begonnen, eine ausgezeichnete Reihe mit Bluesalben zu veröffentlichen. Doch als Sammler war man natürlich immer auf der Pirsch nach dem Unbekannten. Und eines Tages fand ich beim Stöbern in MUSIK einem Second Hand Laden tatsächlich eine amerikanische Bluesscheibe: Von Slim Harpo hatte ich bis dahin nur Songs in den Versionen der Rolling Stones zu hören bekommen. Doch diesel leise Melancholie packte mich sofort - das war der Blues für den liebeskranken Teenager ebenso wie für den Jugendlichen mit einer Sehnsucht nach Weite. 4. Die Skeptiker - 1933 Es dauerte eine Weile, bis die Punk- und Underground-Musik der DDR den Weg in meine Ohren fand. Doch eine Band fand ich schon auf ihrem ersten Demo gut. Die Skeptiker unterschieden sich vom Rest der Szene schon allein dadurch, dass von Anfang an eine gut und druckvoll spielende Band waren. Und ihre Texte schafften es, den Alltag in der Zone aufs Korn zu nehmen und gleichzeitig den Zensoren was anderes vorzutäuschen. Der Ruf „Spion im Cafe“ war deutlich, war voll auf die Zeit passend. Die allgegenwärtige Überwachung haben wir damals hingenommen, uns auch über sie lustig gemacht. Doch der Arm der Stasi reichte weit: Freundschaften mit Leuten im Westen zerbrachen, weil keine Briefe mehr durchkamen. Das Misstrauen wuchs auch gegenüber den Freunden. Wer notiert im Geiste die Bemerkungen? Wer wird mich verraten? Ich hab irgendwann begonnen, mir darüber keinen Kopf mehr zu machen. Wenn ich einmal meine Autobiografie schreiben sollte, werde ich auch die Stasiunterlagen einsehen. Vorher nicht. 5. Hans-Eckardt Wenzel Halb und halb Neben den Punks waren es vor allem die Liedermacher, die die Zustände im Land deutlicher aufs Korn nahmen. Da gab es die braveren Leute wie Pension Volkmann, die „vom Ausweis in der Tasche, der was zählt“ sangen. Oder es gab Rebellen wie Wenzel & Mensching. Besonders „Halb und halb“ von Wenzels zweitem Soloalbum ist so böse, wie es nur sein durfte. Die Mitte, das halbe Glück - und die Halbheiten würden bald ein Ende haben. Entstanden ist das Lied für die Hammer-Revue mit Mensching. Und darin gab es noch wesentlich deftigere Sachen. Aber die kursierten damals nur auf Bändern im Untergrund. Erfolgreicher - und auch wesentlich deutlicher - wurde damals nur noch Gerhard Schöne. Seine Lieder wie „Mit dem Gesicht zum Volke“ und wenig später „Das weiße Band“ waren damals absolute Mitsinghits. Heute aber wirken sie - wie so viele Songs, die sich auf aktuelle Ereignisse beziehen, wie historische Artefakte, die man bewundert und in die Sammlung einsortiert. Doch als Lieder funktionieren sie nicht mehr wirklich. 21 nicht im Gleichschritt“ bezog sich im Lied auf eine Beziehung - doch viele Fans sangen es als Ablehnung gegen die staatliche Uniformität. Oder ein Lied wie der „Narkose Blues“ vom Album „So oder So“ ist nicht nur ein Stück über das Erlebnis einer schweren Krankheit. Man könnte es auch als Lied über den Zustand des Landes allgemein hören. Scheinbar kafkaesk ist die Geschichte von Nr. 48: Wir sind auf einer endlosen Suche - auch wenn das Ziel offenbar einfach nicht existiert. Dennoch ist keine Chance, die Sache einfach aufzugeben. Wenige Jahre später wurden Engerling dann ganz direkt; Dylans „The Times They Are A-Changing“ wurde zu „Es kommen andere Zeiten“. Und auch das hat den Test der Jahre überstanden. Heute ist es kein Kommentar zu den Umwälzungen der Wende mehr, sondern ein Lied von der Sehnsucht, dass die offenbare Stagnation sich doch mal wieder auflösen möge. 7. Feeling B - Artig Da hatten die Verantwortlichen der FDJ-Hochschulleitung wohl nicht wirklich nachgedacht: Ein Konzert mit den im Untergrund angesagtesten Punkbands während der FDJStudententage? Klar, der Anfang war noch unverfänglich: Eine pol6. Engerling - Nr. 48 nische Band, die heftigen Bluesrock Keine Band aus dem Bluesumfeld im Stile von Led Zeppelin durch hat es in der DDR über die ganzen den Keller der Mensa dröhnen Jahre wie Engerling geschafft, ließ. Auch die irgendwie belanglose in ihren Texten die Sehnsüchte Band „Zuma“ störte den Frieden der Fans und Kritik an den nicht wirklich. „Pass auf, als nächsVerhältnissen derartig zu verpa- tes treten Freygang auf“, sagte mir cken, dass die Zensoren dennoch ein Kumpel, der die Musiker kannte. keine Chance hatten. „Wir laufen Freygang, die den Gerüchten nach Wasser-Prawda | September 2014 22 MUSIK bei Konzerten schon mal Fahnen verbrennen sollten? Haben die nicht mal wieder komplettes Auftrittsverbot? Darum scherten sie sich aber nicht, und damit begann die Verwandlung des Mensakellers in ein Inferno aus Alkoholmissbrauch und Pogo. Und keine Band konnte das in der Zeit so auf den Punkt bringen, wie Feeling B. Musikalisch primitiv, textlich oft kryptisch. Aber manchmal auch genial wie bei „Mix mir einen Drink“ oder eben bei „Artig“: Wir wolln immer artig sein, denn nur so hat man uns gerne. Das ist ein besoffener Kampfschrei gegen diesen Staat. Die Fans pogen, die leeren Bierflaschen fliegen durch die Luft. Und als danach auch noch Die Firma auftritt, sind die Punks im Himmel. So lange, bis die Partie vorbei ist, weil der Keller einfach nur noch ein lebensgefährliches Feld aus Glassplittern und Schnapsleichen ist. Wegen des Auftritts Freygang sollte der FDJ-Sekretär der Uni gerüchteweise zum Rücktritt gezwungen worden sein. Nach der Wende war es bald vorbei mit Feeling B. Auch Sandow, die Skeptiker und andere Undergroundbands zunächst schnell weg vom Fenster. Flake spielt inzwischen bei Rammstein seine Keyboards. Die Skeptiker sind seit einigen Jahren wieder aktiv, sind aber für die Punkszene noch immer zu intelligent. Andere Bands sind für immer in der Versenkung verschwunden. Und eigentlich vermisst Wasser-Prawda | September 2014 man sie auch nicht. 8. Duo Sonnenschirm - Der Tribünenheber 1989 waren die Zensoren wohl innerlich schon im Ruhestand. Plötzlich kamen Alben auf den Markt, wo die lyrische Verbrämung weggelassen wurde. Die Brachialromantiker des Dresdner Duos Sonnenschirm etwa sang in ihrem Siegfriedlied: Wo bleibt denn meine Strafe? Und im genialen „Lied vom Drüberstehen und Drunterliegen“ wird die ganze Manie mit den huldvoll winkenden Genossen auf den Tribünen aufs Korn genommen. Aber vielleicht wollte die Obrigkeit 89 einfach nur dem Volk etwas zum Abreagieren bieten, denn: „Wenn der Bürger MUSIK sitzt und flennt, vermisst er meist das Happy End. Drum serviere man zum Schluss ihm eine Schüssel Opti-Mus“. durch die Wende ihre Alben sofort bei einem westdeutschen MajorLabel erschienen. Und als sie schließlich auch das uralte „Kling Klang“ auf Platte pressten, kamen 9. Blankenfelder Boogie sie damit sogar ins gesamtdeutsche Musikfernsehen. Band - Heißer Sommer Was die FDJ geritten hatte, gerade Rio Reiser zu einem Konzert nach 11. Pankow - Langeweile Berlin einzuladen, ist mir noch Auch Pankow, die mit ihrem immer rätselhaft. Klar, er spielte in Rocknroll ja eh schon immer ganz der Seelenbinderhalle nicht „Macht im tristen Alltag zu Hause waren, kaputt, was Euch kaputt macht“. nahmen jetzt keine Blätter mehr Aber als er „Der Traum ist aus“ vor den Mund. „Aufruhr in den anstimmte, waren die Besucher mit Augen“ wurde ihr bestes und gleichihm ganz einer Meinung: So geht es zeitig ihr politischstes Album. Und hier nicht weiter. Und gemeinsam Langeweile, das Stück drüber, das mit Lutz Kerschowsky sang er dann man schon viel zu lange den alten als Zugabe noch dessen Bearbeitung Männern vertraut hat, ist eine wirkdes „Summer Time Blues“. Ein liche Hymne der Wende geworheißer Sommer steht bevor - und den. Ob die Tatsache, dass Gitarrist genau so kam es dann auch für die Jürgen Ehle IM bei der Stasi war und seinen Kollegen Andre Genossen. Herzberg bespitzelte, zur Nachsicht der Zensoren beitrug? Ich weiß es 10. Keimzeit - Irrenhaus Nicht nur in der Bluesszene hatten nicht. Nur dass Pankow nach der sich Keimzeit mit ihren Liedern zu Wende niemals wieder so gut werden dem Zeitpunkt längst eine einge- konnte, wie damals. schworene Fangemeinde erspielt. Gelegentliche Auftrittsverbote gehörten damals für die Bands einfach dazu. Heute kann man kaum verstehen, was die Zensoren an Stücken wie „Mama sag mir warum“ auszusetzen hatten. Stücke wie „Maggie“ waren da noch harmlos und verspielt. Doch dass plötzlich auch „Irrenhaus“ im Jugendradio lief, war ein deutliches Hoffnungszeichen. Klar, die Schlauen kamen letztlich doch nicht unbedingt ins Parlament. Aber das konnte man ja noch nicht ahnen. Keimzeit hatten das Glück, dass 23 12. DEKAdance - Alex goes to Hollywood Schon fast zu spät erschien 1989 auch das Debütalbum der Dresdner Spaß-Jazz-Funker DEK Adance. Für uns war das im Herbst die richtige Partymusik, wenn man grad mal keine Transparente für die nächste Demo malen musste oder auf wichtigen Treffen die nächsten Aktionen plante. Frech und ohne jegliche Scheuklappen wurden die Verhältnisse hier zum Tanzen gebracht. „Happy Birthday“, der Titelsong der Scheibe ist gleichzeitig ein wunderbar böses Geschenk zum 40. der DDR. Und mit der absurden Fluchtgeschichte von Alex, der unbedingt nach Hollowood wollte, und dort versehentlich von Indianern erschossen wurde, hatte man schon paar Monate vor dem Sommer die Massenflucht zum Thema gewählt. Wasser-Prawda | September 2014 24 MUSIK BLUES IN SEINER AKTUELLSTEN FORM JIMMY REITER BAND, HAUS AM WALDE BREMEN AM 29. AUGUST 2014. TORSTEN ROLFS, FOTOS: TORSTEN WEISS AM FREITAG, DEN 29.08.2014 VERSPRACH DAS WETTER WIEDER EINEN WUNDERBAREN OPENͳAIRͳ ABEND IM HAUS AM WALDE IN BREMEN. DIESE LOCATION IST SEIT JAHREN DAFÜR BEKANNT, IHREN GÄSTEN IM BIERGARTEN LIVEͳMUSIK VOM ALLERFEINSTEN ZU BIETEN. Wasser-Prawda | September 2014 Auch in diesem Jahr war das Programm wieder ausgesprochen gut und abwechslungsreich mit Soul-, Blues-, Singersongwriter- und Jazz- Interpreten gefüllt. Die Konzerte im Mai, Juni und Juli standen unter einem guten Wetterstern, nur im August musste man auch in Bremen um die Draußen-Konzerte bangen. Aus diesem Grund fiel mein Blick am 29.08. immer auf die entsprechende Applikation meines Handys. Ich freute mich sehr über den bevorstehenden Gig der Jimmy Reiter Band MUSIK aus Osnabrück. Das Wetter spielte also mit, der Biergarten füllte sich, an allen Tischen und Bänken saßen Menschen in gespannter Vorfreude. Und da kamen sie auf die Bühne und begannen ihr Programm mit einem groovigen Instrumental-Stück: Surf Chipmunk von der CD „High Priest Of Nothing“, mit der er nach ihrer Veröffentlichung Preisträger des Deutschen Schallplattenpreises 2011 wurde. Der gesamte Abend stand unter der Prämisse, Stücke dieser CD zu präsentieren. Und diese CD hat nicht ohne Grund Preise eingeheimst. Jimmy Reiter vermochte seine Zuhörer in seinen Bann zu ziehen, begeisterte mit seiner nicht aufdringlichen und entspannten Art, seinem Können an der Gibson ES 335, der er einen smoothy Ton entlockte. Die Band ist hochkarätig besetzt, das groovige Fundament bilden am Schlagzeug Björn Puls aus Hamburg, der mit seinem swingendem und stilübergreifenden Spiel hervorragend mit Jasper Mortier am Bass harmoniert. Dieser stammt aus Amsterdam und spielte an diesem Abend nur elektrischen Bass, aber stellte dabei unter Beweis, dass man auch einen E-Bass stilistisch wie einen Kontrabass spielen kann. Am E-Piano/ Orgel wurde die Band vom unglaublichen Moritz Mo Fuhrhop aus Osnabrück verstärkt. Ihn kennt man durch sein langjähriges Engagement in der Band von Henrik Freischlader. Und das ist ein unglaubliches Pfund, mit dem die Band wuchern kann. Dezentes Begleitspiel und expressive Soli prägen die Performance von Mo Fuhrhop. Hier wurde Blues in seiner aktuellsten Form zelebriert. Kein angestaubtes Historiengeplänkel und Wiederkauen ewig bekannter Themen, Grooves und Solis, sondern Blues im 21.Jahrhundert. Das reißt mit, überzeugt den Zuhörer, macht Lust mehr von dieser Musik zu genießen. Sehr erfrischend sind die überwiegend selbst geschriebenen Stücke. Seine Herkunft aus dem „sympathischen Unfallschwerpunkt an der A1“ wurde launig thematisiert, ebenso die Regenhäufigkeit seiner Heimatstadt im Stück „City of Rain“ Bereits nach der Veröffentlichung der CD schrieb die Wasser-Prawda, dass Jimmy Reiter einer der Bluesgitarristen sei, „die scheinbar gänzlich ohne Beeinflussung durch die Rockmusik auskommen. Stattdessen klingen seine Lieder wie eine Reminiszenz an die großen Zeiten der drei Kings, an die Zeit, als Blues und Soul fast austauschbare 25 Begriffe waren. Dazu singt seine Gitarre scheinbar schwerelos Linien, bei denen wirklich keine Note zu viel und keine zu wenig ist.“ Recht hat der Autor dieser Zeilen. Mit Jimmy´s Interpretation des Klassikers Mr.Watson von Johnny Guitar Watson und einem mitreißendem Boogie, bei dem das Publikum vor der Bühne den Abend tanzend beschloss, kochte die Stimmung bis zum Siedepunkt und man konnte beschwingt mit groovy-Melodien im Ohr nach Hause gehen. FOTOS Jimmy Reiter & Jasper Mortier Mo Fuhrhop & Jimmy Reiter Wasser-Prawda | September 2014 26 MUSIK Florian Zimmer (Foto: Jensen Zlotowicz) ZWISCHEN ALVIN LEE UND NIRVANA MATTHIAS SCHNEIDER ÜBER DEN GITARRISTEN FLORIAN ZIMMER FLORIAN ZIMMER, EINES DER GRÖSSTEN TALENTE AN DER GITARRE HIERZULANDE, IST GERADE 17 JAHRE GEWORDEN. ER BRINGT ALLES MIT WAS EIN ROCKSTAR SO BRAUCHT, LANGE MÄHNE UND VIRTUOSITÄT AUF DER GITARRE. WENN MAN IHN HEUTE SO SPIELEN SIEHT, VOR ALLEM DIE TITEL VON SEINEM IDOL ALVIN LEE, DANN HAT MAN DEN EINDRUCK, ALVIN LEE IST WIEDER DA. Mit 8 Jahren begann Flo Unterricht auf der Konzertgitarre an der Musikschule „Heinrich Schütz“ in Weißenfels zu nehmen. Bald entdeckte er seine Liebe zu Kurt Cobain und Nirvana. Schnell hatte er viele Titel seines Vorbildes drauf. Jetzt musste eine Band her. Ein Schlagzeuger war schnell gefunden. Fehlte noch der Bassist. Diese Rolle musste sein Vater, Roland Zimmer, übernehmen. Das Verrückte daran,: Der konnte gar keinen Bass spielen, musste es erst lernen. Wer wünschte Wasser-Prawda | September 2014 sich nicht so einen Vater … Florian Zimmer, Gitarre und einprägsame Gesangsstimme, Marko Stolz am Schlagzeug und Roland Zimmer am Bass sind ein Bandprojekt der besonderen Art: 2006 bildete sich die Band, um zur Abschlussveranstaltung der Sommerakademie 2006 der Kulturstiftung Hohenmölsen einen Beitrag zu leisten. Da war Florian erst acht Jahre alt „Flo & Co“ war geboren und ab und an live zu hören. Ende 2007 löste sich die Band auf. Doch schon im Januar 2008 waren Vater und Sohn wieder da, mit Marko am Schlagzeug, und nun als Band iNUTERO. Ihren ersten Auftritt hatten sie zur Rocknacht in MUSIK 27 Leo Lyons (Bass) & Florian Zimmer (Gitarre) Borau, und da prägte Nirvana den Schoolgirl“ waren nicht nur die bekannten Musikern wie PAUL Stil der neuen Gruppe.“* Fans begeistert, auch Leo Lyons war MILLNS(UK), MENA(A), Michael Florian entwickelte sich und sein angetan vom brillanten Spiel Floris. Katon(US), Flying Eyes(US), Piet Gitarrenspiel weiter und entdeckte Hier hätte ich gerne einmal Leos Botha (Südafrika)sowie Rob Tognoni seine Liebe zum Bluesrock. Hier hat Gedanken gelesen… (Australien). Mittlerweile gehören es ihm vor allem Alvin Lee angetan. Nicht nur,dass Florian seinem auch Hundred Seventy Split und Seitdem zeigt er auf vielen lokalen Vorbild in vielem ähnelt, wenn Canned Heat zu den Partnerbands Festivals sein Können und die Zahl man genau hinsieht erkennt man, bei Konzerten. der Fans wächst ständig. Vorläufiger dass er die baugleiche Gitarre, eine „Wenn Flo Zimmer TYA-Hymnen Höhepunkt seiner Karriere war Gibson ES 335 ohne technischen wie „Im Going Home“, „Love Like der gemeinsame Auftritt mit dem Schnickschnack, wie Alvin benutzt. a Man“ oder „One Of These Days“ Ten Years After Urgestein Leo Heute kann Florian mit seiner zum Besten gibt, ersteht Alvin Lee Lyons beim Winterblues-Festival Band iNUTERO schon auf zahl- scheinbar aus dem Grab, dann voll2013**. Bei „Good Morning Little reiche Open Air Konzerte und zieht sich ungeachtet des fehlenClub-Veranstaltungen zurückbli- den Keyboarders bei den Sachsen* http://www.interstage.de/inutero/13- cken. Dabei waren auch gemein- Anhaltinern die Reinkarnation 3_2009.htm same Auftritte mit international der britischen Supergruppe. Der * * h t t p s : // w w w. f a c e b o o k . c o m / 17-jährige Florian Zimmer ist dabei pa ges/ W IN TER BLU E S - FESTIVAL/553312551401278 Wasser-Prawda | September 2014 28 MUSIK der absolute Fixpunkt, technisch glänzend, versunken, inbrünstig, weltentrückt - nur er und die Musik. Spielerische Leichtigkeit gepaart mit Tiefgang. Er unternimmt eine Reise in eine musikalische Epoche, als er noch nicht mal Quark im Schaufenster war. Und doch spielt er diesen Bluesrock so ausgefeilt, als hätte er diese Musik und die Zeit mit der Muttermilch aufgesogen.“* Inzwischen hat sich die Band mal wieder umbesetzt. Neuer Schlagzeuger ist seit Ende Juli 2014 Bastian Jung. Und man kann gespannt sein, wie sich iNUTERO in nächster Zeit weiter entwickeln wird. Was ich mir für die Zukunft von Florian und seiner Band wünsche: 1. Die Herausgabe einer CD oder DVD. Es müssen ja noch keine eigenen Titel sein, ein Konzertmitschnitt wäre schon eine feine Sache. 2. Songs von Rory Gallagher würden gut in das Konzept passen und ich könnte mir vorstellen, dass das ankommt. *ht t p: //e i s e n a c h .t l z .d e /w e b/ lok a l / k u l t u r /d e t a i l /- /s p e c i f i c / F l o r i a n Zimmer-und-iNutero-in-Eisenach-imKonzert-184695099 Wasser-Prawda | September 2014 Musikempfehlungen 1. I‘m going home iNUTERO: https:// www.youtube.com/ watch?v=G6KGUY3bULY 2. Good morning little Schoolgirl - iNUTERO feat. Leo Lyons: https:// www.youtube.com/ watch?v=eealqn_vb3o MUSIK 29 BLUES & K E R A M I K HOWARD GLAZER: BLUES, VIEWS & NEWS FROM DETROIT #4 Emmanuel Young with Howard Glazer & the EL 34s mit, live spielte er unzählige Male mit Young, mit Harmonica Shah oder mit mir. Außerdem gehört er zu Karanji‘s Soulwater. Steve ist außerdem der Mensch, der mich zur Gitarre, zum Rock & Roll und zum Blues gebracht hat. Daher schulde ich Steve eine Menge, musikalisch und künstlerisch gesehen. Meine Brüder und ich wuchse auf umgeben von Musik und Kunst. Steve stellt nicht nur einige großar- Unsere Eltern waren beide Musitige Kunstwerke wer, er ist außer- ker, unsere Mutter unterrichtete dem Bass-Spieler. Er spielte bei zwei Musik an öffentlichen Schulen Stücken auf „Live in Detroit“ von HALLO, DAS IST DIE VIERTE AUSGABE VON BLUES NEWS & VIEWS AUS DETROIT. UND IN DIESEM MONAT MÖCHTE ICH ÜBER EINEN DETROITER KÜNSTLER UND MUSIKER SPRECHEN, MEINEN BRUDER STEVE GLAZER. Detroits. Und unser Vater war Profimusiker in einer Big Band (Don Pablo & His Orchestra) und gab außerdem Privatunterricht. Die Liebe zu allen Künsten, besonders zur Musik ist in uns allen tief verwurzelt. Steve hat mal gesagt, dass die liebsten Dinge, die er gern regelmäßig macht folgende seien: Kunst zu unterrichten, seine Kunstwerke zu erschaffen und Musik zu spielen. Wenn er gefragt würde, nur eine davon auszuwählen, würde ihm die Auswahl sehr schwer fallen … HG: Wodurch wurdest Du zuerst Wasser-Prawda | September 2014 30 MUSIK Steve & Howard Glazer an Musik interessiert? Mein Interesse begann, als ich den Bruder eines Mädchens sah, in die ich während der Junior Highschool verliebt war. Der trat mit seiner Band bei einem Schultanz auf. Live gespielten Rock & Roll zu sehen (auch wenn ich nicht wusste, was die überhaupt spielten), war ein Moment, der das Leben veränderte. Ich glaube, ich vergaß die junge Frau bald wieder, nachdem ich vom Rock & Roll infiziert war. HG: Was waren Deine ersten musikalischen Einflüsse? Die ersten Lieder, die ich hörte, waren ziemlicher Standard-Pop im Radio. Die erste Platte, die ich kaufte, war „Snoopy Vs. The Rad Baron“ von The Royal Gardsman, aber bald danach hörte ich Motown und frühe Psychedelic wie „I Had Too Much To Dream Last Night“ von The Electric Prunes. Nach einem Jahr oder so hörte ich dann „Kick Out The Jams“ von so ziemlich meinen ersten (und ausdauerndsten) musikalischen Helden, Wasser-Prawda | September 2014 von MC5 aus Detroit. HG: Wann hast Du den Blues entdeckt? Ungefähr zur gleichen Zeit, als ich die Rock & Roll-Szene von Detroit entdeckte, entdeckte ich auch den Blues. Ich fuhr gewöhnlich samstags mit einem Stadtbus nach Downtown und spazierte zwischen all den hohen Gebäuden. Und oft kam ich an einem blinden Gentleman vorbei, der an der Ecke eine Gasse beim alten Hudon‘s Store saß. akustische Gitarre spielte und den Blues sang. MUSIK Ich hab nie herausbekommen, wer das war, aber die Musik hat einen Akkord in meiner Seele zum Klingen gebracht, der ein Leben lang anhält. HG: Daran erinnere ich mich auch sehr deutlich, denn ich bin oft mit Dir losgezogen, hab den Bus nach Downtown genommen, wo es Plattenläden gab und den Bluesman bei Hudson‘s. Ich hab die gleiche Geschichte schon sehr oft erzählt. Was machst Du heute musikalisch? Mittlerweile spiele ich - und hab dem auch eine ganze Menge meiner privaten Zeit gewidmet. bei dem R&B/ Hiphop-Projekt Karanji‘s Soulwater. Daran glaube ich wirklich und ich liebe die Musik, die wir dort gemeinsam machen. Besonders genieße ich es, wenn ich mit Leuten wie Emmanuel Young, Harmonica Shah oder auch welchen von den weniger bekannten legendären Bluesmen Detrots spielen kann. Diese Leute sind Legenden, und mit ihnen zu spielen und sie in ihrer Kunst zu unterstützen ist eine solch unglaubliche Erfahrung, dass ich sie nicht in Worte fassen kann. und einen Master of Arts im Bereich Keramik an der Central Michigan University anzustreben. Eine zufällige Begegnung mit Dick Hay brachte mich für die nächsten drei Jahre an die Indiana State University (wo Hay 40 Jahre lang unterrichtete). Nachdem ich meinen Abschluss als MFA der Indiana State University bekommen hatte, begann meine Karriere als Lehrer und wurde schnell zu einer weiteren Leidenschaft. So wie ich das während meiner ganzen Karriere gemacht habe, fertige ich meine eigenen Arbeiten in der wenigen Zeit, die ich zwischen dem Unterricht und anderen schulischen Verpflichtungen finde. 31 gemacht haben. Wie die Masken ist auch Detroit voller Farben bei seinen Menschen und seiner Kultur, doch sie sind verwittert von den schwierigen Veränderungen in der Industrie, die entscheidend war für ihre Entstehung. Schließlich zeigt die menschliche Form der Motor City Griots Society den Weg vorwärts für Detroit, bewegt von den Herzen und Sinnen ihrer Bewohner. Steves Arbeiten kann man weltweit über die Internetseite http://artattheedge.com im „Shop Detroit Art“ erwerben. Dort muss man nach dem Künstler Steve Glazer suchen. Steves jüngste Ausstellung an der River‘s Edge Gallery in Wynadotte (Michigan) hat den Titel „The Motor City Giot Society Series“. Es ist eine Gruppe von Ton-Masken, die ihre Inspiration von den Griots der westafrikanischen Kultur beziehen. Die Griot wahren federführend bei der Weitergabe der mündlichen Geschichte ihrer Kulturen oder Stämmer. Aber sie hatten auch andere Rollen wie Entertainer, Musiker, Heiler, spirituelle oder HG: Was brachte Dich zur persönliche Ratgeber und soziale Keramik? Führe. Die Griot hatten Kräfte und Meine Liebe zum Ton begann, als Visionen, die über das Normale ich einen Lehrer sah, der einen Topf hinaus reichten. auf einer Töpferscheibe herstellte, Diese gleichen gegensätzlichen als ich in meinem Seniorjahr an der Kräfte treten zu Tage beim Leben Milford High School war. Von dem in Detroit, einer Stadt die heute Moment an war ich total begeis- geschmäht wird, die aber einst gefeitert. Ich begann, einen Bachelor in ert war. Die Masken reflektieren die Bildender Kunst mit Konzentration Menschen Detroits, ihren Geist und auf Keramik in Kombination mit ihre Körper, ebenso aber auch die einer Lehrbefährigung für Kunst Maschinen der Industrien, die sie eins an der Eastern Michigan University zum industriellen Kern Amerikas Wasser-Prawda | September 2014 32 MUSIK Mud Morganfield in Ronnie Scott‘s Jazz Club (Fotos: Benjamin Amure) ELVIS,MUD & RONNIE DARREN WEALES 11. BRIEF AUS DEM VEREINIGTEN KÖNIGREICH WELCOME TO THE LETTER FROM THE UNITED KINGDOM! werde ich ganz sicher einen Ort online finden, um ihn in Englisch zu veröffentlichen. Hier im UK jedenfalls begannen wahrscheinlich einige Die Geschichte des Blues im Vereinigten Königreich der wichtigsten Momente mit dem Jazz-Posaunisten ist sowohl lang als auch voll von wichtigen Künstlern und Bandleader Chris Barber, der Künstler wie Muddy und Überraschungen. Das ist wahrscheinlich auf für Waters und Big Bill Broonzy über den Atlantik holte. Deutschland zutreffen. In der Tat, wenn einer der Die Reise von ihrer Ankunft bis zur Adoption des ameLeser der Wasser-Prawda gerne einen Artikel über die rikanischen Blues durch Bands wie The Animals und Geschichte des Blues in Deutschland einreichen will, die Rolling Stones war keine lange, wenn man die Zahl Wasser-Prawda | September 2014 MUSIK der Jahre betrachtet. Viele Jahre später, wo durch zahlreiche weitere amerikanische Künstler auf Tour wie Buddy Whittington und Robert Cray die Lücke gefüllt wurde und britische Acts wie Cream, John Mayalls Bluesbreakers und Connie Lush bekannt wurden, ist die Liveszene des Blues noch immer sehr lebendig. Dennoch ist die Redewendung „keeping the blues alive“ sehr gebräuchtlich. Dabei war der Blues seit seinen Anfängen lebendig. Nur das Profil der Musik im Vergleich zu anderen Genres, die Zahl der Auftrittsorte und auftretenden Bands und paar andere Faktoren haben sich geändert. Im Oktober bringt das Royal Albert Blues Fest sehr viele britische und internationale Blueskünstler in die Royal Albert Hall, sowohl auf die Hauptbühne als auch in kleinere Räume überall im Gebäude. Das Festival hat eine hohe Glaubwürdigkeit mit Künstlern wie Paul Lamb and the Kingsnakes - Paul hat inzwischen so viele Preise gewonnen, dass bei ihm der Regalplatz knapp werden dürfte. Auch Mud Morganfield kommt - und man kann es kaum authentischer bekommen als bei diesem Sohn von Muddy Waters. Aber zu den Headlinern gehören Level 43, Elvis Costello und Sheryl Crow. Klar kann man verstehen, dass die Royal Albert Hall Künstler braucht, die die 5000 Plätze im Großen Saal füllen. Aber es ist eine Schande, dass sie keine bekannten Blueskünstler für die paar Nachte finden konnten. Das ist eine der Herausforderungen für den Blues in der Zukunft. Gary Clarke Jr. und Joe Bonamassa sind wahrscheinlich die größten Namen im Blues zur Zeit. Doch wenn der Blues lebendig sein soll, dann müssen diese Künstler eben nicht 33 nur die Royal Albert Hall sondern auch die Stadien dieser Welt füllen. Ein Laden hat es letztens richtig gemacht, und das war Ronnie Scott‘s Jazz Club in London. Das ist ein sehr kleiner aber geschichtsträchtiger Ort. Und als Mud Morganfield dort sein Debütkonzert gab, war der Club ausverkauft. BE PROSPEROUS AND ENJOY YOUR LIVE MUSIC AND ALL THAT IS GERMAN! Links Blues Fest - www.royalalberthall. com/tickets/bluesfest.aspx Mud Morganfield - www.mudmorganfieldblues.com Ronnie Scott’s - www.ronniescotts.co.uk Alistair Cooke - www.bbc.co.uk/ programmes/b00f6hbpwww.bbc. co.uk/programmes/b00f6hbp Fotos von Benjamin Amure http://www.benjaminamure.com Wasser-Prawda | September 2014 34 INTERVIEW Wasser-Prawda | September 2014 INTERVIEW 35 GIBT ES DEN KEB’ MO‘ STYLE? FRAGEN AN KEB‘ MO‘, UM SEIN NEUES ALBUM BLUESAMERICANA ZU VERSTEHEN. TEXT: MARIO BOLLINGER. FOTOS: CHRISTOPHE RASCLE Wie bereits berichtet, spielte Keb’Mo’ auf dem Stu garter Jazz Open 2014. Nach seinem Soundcheck befragten wir ihn zu seinem neuen Album „BluesAmericana“. JS: Hi, ich bin der Promotor, herzlich willkommen, Keb’ Mo‘. (Und an uns gerichtet) Hallo, was macht‘s Ihr? WP: Interview für ein Online Magazin für Blues Keb’Mo‘, Kevin Moore, Keb‘ oder wie sonst? KM: Die Menschen nennen mich Kevin oder Keb als Abkürzung. W P: Heute Abend haben wir mit James Hunter 6 und Sheila JS: Sauber! Danke, dass Ihre alle E und Dir ein sehr weit gefächerda seid‘s. tes Angebot. Kennst Du James KM: Danke, dass ich auf dem Hunter oder Sheila E? W P: Dürfen wir Dich beim schönen Festival sein darf und Du KM: James Hunter, nein kenne ich hast coole Schuhe an. nicht. Was macht er? Interview fotografieren? KM: Ihr meint, so mit Internet und JS LACHT: Zweckmäßig! WP: Schnelle jazzlastige R&B Veröffentlichen? Ich fühle mich grad Sachen. ein bissel blöd mit der MickeyMouse- Danach führten wir das Interview fort und knüpften bei Johnny KM: Und was spielt er? Kappe auf dem Kopf und so? Winter an. WP: Er spielt Gitarre und singt. WP: Wir wollen Dich wie im richKönnen wir heute Abend ein tigen Leben zeigen. Schau, wir WP: Hast Du mitbekommen, Jamming erwarten? hatten Johnny Winter, Leo Lyons, dass Johnny Winter gestorben ist? KM: Nein, gejammt habe ich, als ich die Tedeschi Trucks Band vor KM: Ja, ich habe Johnny Winter jung war. Ich liebe Jamming, aber einigen Wochen und wir hatten das erste Mal in den 70ern in einem heute haben wir praktisch keine auch The Blues Band und Zakyia Hotel in Hollywood getroffen. Zeit mehr dazu. Ich würde gerne Hooker. WP: Hast Du mit Johnny Winter mit Gitarristen jammen. Einfach KM lacht: Hattet Ihr mich auch zusammensitzen und spielen. gearbeitet? schon? KM: Ich habe nur einmal mit ihm auf dem Crossroads Festival gespielt. WP: So wie auf dem „Crossroads„ WP: Noch nicht! Bei dem Finale stand ich ganz nah mit Taj Mahal oder Stefan In diesem Moment betritt der bei ihm. Am Flughafen haben wir Grossman? Promoter des Jazz Open, Jürgen noch ein wenig geredet. Er war sehr, KM:Du hast das gesehen? Das ist es, Schlensog die Szene und begrüßt sehr nett, ein ganz ruhiger Mensch. was ich liebe! Keb’Mo‘ und fragt nach unseren Aktivitäten: WP: Wie reden Dich die Leute an? WP: Deine Alben „Keep it simple“ and „Suitcase“ klingen sehr Wasser-Prawda | September 2014 36 INTERVIEW ähnlich wie Deine neue Platte und fragten: Was macht der Kerl „BluesAmericana““. da? Leute, die mich noch nie gehört KM: Meinst Du? haben, mögen enthusiastisch reagiert haben. Es ist schön, wenn man W P: Wen n e s f ü r Dic h eine eingeschworene Fangemeinde Unterschiede gibt, erzähl es uns. hat, aber es schränkt ein. Es ist KM: Du solltest es mir erzählen. Für schwer, auch für andere Musiker mich klingt sie eigentlich anders. wie James Taylor oder Buddy Guy, WP: Gibt es einen Keb’ Mo’ style? sich zu weit zu entfernen. Ich liebe KM: Ja, es gibt einen Keb’Mo‘ Style alle meine CDs, ohne dass ich mir und bei meiner letzten CD habe ich bisher Gedanken gemacht habe, ihn etwas verlassen und die Leute ob die Leute sie mögen. Wir alle waren verwirrt. Das ist interes- stellen eine Marke dar. Aber jetzt sant. Die Leute haben eine gewisse bin ich wieder beim Keb’Mo‘ Stil Vorstellung, wer Du bist und was - wir sind halt alle nur Menschen. Du machst. Sie möchten nicht, dass Es gab negative Stimmen, aber auch Du Dich da zu weit entfernst. Bei Positives zu hören, je nachdem wo meiner letzten CD, die ich sehr gut man herkommt. fand, waren die Leute argwöhnisch WP: Was war der Antrieb für Wasser-Prawda | September 2014 „BluesAmericana“? KM: „BluesAmericana“ ist einfach eine Keb’ Mo’ CD, welche die Wahrheit sagt. Ich habe versucht, eine bessere Keb’ Mo‘ CD mit Spaß zu machen. Ich bin wirklich glücklich mit „BluesAmericana“ und es ist meine beste CD. WP: Welche Erfahrungen hast Du, wenn Du in Europa oder Deutschland spielst? KM: In Europa zu spielen heißt, eine andere Einstellung anzutreffen. Die Leute sehen die Musik anders und hören hier wirklich zu, sie zeigen Dir ihre Bewunderung. In USA zeigen sie Dir das körperlich. Hier spiele ich auf Musikfestivals, wo die Menschen zuhören und Dope rauchen. Es INTERVIEW erlaubt mir mehr, ich selbst zu sein. W P: Du bist 1951 geboren und gehörst damit zu jüngeren Generation der Blues Musikern. Wie möchtest Du Deinen Blues im Vergleich zu den Alten wie Buddy Guy oder Taj Mahal entwickeln? KM: Buddy Guy ist ein echter Chicago Blueser, der vom Mississippi kommt. Er ist da mit den Typen aufgewachsen und hat bei all den Jazzplatten gespielt Ich würde ihn einen Gentleman nennen, „a real blues guy“. Taj Mahal ist ein Blueser, der glaube ich aus Boston kommt. Seine Eltern stammen aus New York und Jamaika. Er hat also ein karibisches Erbe. Seine Wurzeln sind zweigeteilt und mit afroamerikanischem Background. Ich dagegen bin aus Kalifornien, meine Mutter ist vom Süden und ich habe, wie Taj Mahal, eine multikulturelle Erfahrung, die ich auch ausdrücken möchte. Ich spielte früher auch karibische Musik, als ich jung war und habe somit ähnliche Erfahrung wie Taj Mahal: Karibische Musik, Blues, afrikanische Musik! Meine Songschreiberei ist auch durch Countrymusik beeinflusst, durch Leute wie Hank Williams. Songs der letzten 50 Jahre, die aus Nashville kommen, haben phantastische lyrische Texte. Ich liebe das Schreiben aus der Countrymusik heraus aber ich liebe auch den Funk des Jazz von Duke Ellington und Nat King 37 Cole. Auch die musikalische Seite der Songs ist mir wichtig, um mich damit auszudrücken. WP: Würdest Du Dich als Singer/ Songwriter bezeichnen? KM: Ja WP: Mehr Singer/Songwriter als Bluesmusiker? KM: Ja WP: Ich bin auch Gitarrist und möchte Dich daher etwas über Deine Gitarren fragen. Welche Deiner Resonator Gitarren magst Du am meisten? KM: Ich habe eine National Reso Rocket, die ich am liebsten spiele. Ich habe 2 davon. Dann noch eine Wasser-Prawda | September 2014 38 INTERVIEW australische Beltona aus Neuseeland und eine Republic, die eine preisgünstige chinesische Variante ist. Ich hatte eine National aus den 90ern, die ich aber verschenkt habe. Hersteller von Resogitarren und es sie doch zauberhaft. Eine perfekte ist auch ein mehr experimentelles Frau könnte so gemein wie eine Modell, das ich von Dieter Gölsdorf Klapperschlange sein. bekommen habe. WP: Du spielst in Europa elf WP: Was sind die Themen Deiner Konzerte innerhalb von zwei WP: Vintage oder neue Modelle? Songs? Wochen. Bleibt da Zeit, um sich KM: Neuere Modelle. KM: Sie kommen von überall, das was anzuschauen? Leben ist chaotisch. KM: Prag war schön. Ich war das WP: Welche hast Du auf dem erste Mal in Prag – Mann, die hat WP: Wenn Du Songs wie „France“ schöne Beine! Vielleicht gehe ich in Crossroad Festival gespielt? KM: Da habe ich glaube ich die oder „ Shave yo‘ leg“ singt, über Deutschland mal in einen Biergarten wen singst Du da? Reso Rocket verwendet. oder gehe auf das Oktoberfest. KM lacht laut: … über jeden WP: Welche Pickups benutzt Du? Menschen auf der Welt. Weißt Du, WP: Da bist Du zu früh hier. KM: Ich benutze Highlander PU. Frauen (in dem Moment läuft eine Vielleicht kommst im Herbst Die sind am besten am Cone. Die Frau am Tisch vorbei: „Hallo, wie zurück? klingen auch auf der Mahagonie geht es Dir“) machen Sachen für KB: Ja, das sollte ich vielleicht Reso gut. Heute Abend benutze ich andere Frauen, sie ziehen sich nicht machen! erstmalig eine Düsenberg. Ich habe für uns Männer an. Es geht darum, sie schon 3 Jahre und es braucht eine Frauen so zu nehmen, wie sie sind. WP: Wie kam es, dass Du in 2 Zeit, bis Gitarren ihren Platz bei mir Selbst wenn sie nicht perfekt, sind Filmen mitgespielt hast? KM: Ich glaube, die haben mich finden. Düsenberg ist kein üblicher Wasser-Prawda | September 2014 INTERVIEW angerufen, weil sie einen wie mich großes Stück Kunst. Wenn man gebraucht haben. jung stirbt, stirbt man berühmt. Otis Redding starb früh, Jimi Hendrix WP: Möchtest Du einen neuen auch. Film machen, wenn man Dich WP: Ja, aber Robert Johnson war wieder anruft? KM: Hm, vielleicht eine tragende zu der Zeit nicht berühmt? Er Rolle in einen Actionfilm mit Halle wurde erst später entdeckt! Berry (und lacht). Nein, eigentlich KM: Immerhin hat er 5000 Platten nicht, weil das nicht mein Fokus ist. verkauft. Und ich glaube, ich bin nicht Halle WP: Aber sein Revival war erst Berrys Typ. in den 60er Jahren als die Songs WP: Denkst Du, dass alles über wieder aufgelegt wurden. Robert Johnson gesagt worden ist KM. Ja, vor allem die britischen oder gibt es noch Geheimnisse? Musiker haben ihn wieder entdeckt. KM: Das ist vieles Mysteriöses um Robert Johnson. Ich sprach viel mit WP: Die Stones haben ihn aber Robert Lockwood Jr. in Memphis. nicht mal als Autor auf ihren Ich saß mit ihm am Tisch und er Schallplatten erwähnt. war ein wenig angefressen über das, KM: Ich würde da nicht mal den was um Robert Johnson herum Stones einen Vorwurf machen. Das gesponnen wurde. Er kannte Robert ist mehr den Produzenten oder Johnson und er sagte, es gab keine Plattenfirmen anzukreiden. Das ist Crossroadserlebnis und es gab Business. keinen Teufel usw. Er war der beste WP: Letzter Punkt für heute – 3 Sänger, den wir kannten. Namen 3 Statements. Wer ist Taj WP: Ist es wahr, dass er anfäng- Mahal für Dich? KM: Taj Mahal ist der Oberbruder, lich ein lausiger Gitarrist war? KM: Das was offensichtlich wahr. der Stammesführer des Blues. Sun House hat das so bestätigt. Wenn wir ein großer Stamm Er saß damals zusammen mit Sun wären, dann wäre er der Häuptling House und Willie Brown. Sun mit dem großen Federschmuck des House war damals ein guter Sänger Blueshäuptlings, dann würden wir in sein Zelt wegen seinem uralten und Gitarrist. Material und wegen seiner Weisheit WP: Weißt Du, ob das 3. Bild von kommen. Er hat den kulturellen Robert Johnson existiert? Background dazu. Wir kommen alle KM: Wenn interessiert‘s? Das aus von afrikanischen Stämmen ab. sind nur Sammlerstücke, wo die Wir haben nach wie vor die Jäger, Leute ihre Finger drauf haben. Krieger und Handwerker in unseren Da kann man vielleicht ein paar Genen, auch wenn ich selbst noch Hundertausend Dollars bei einer nie in Afrika war. Wir gehören alle Versteigerung bekommen. Es ist, als zu einem Stamm und er ist der Chef wenn man einen Picasso besitzt – ein des Stammes. 39 WP: Robert Johnson? KM: Der Mann der Rätsel, er brachte das Geheimnis in den Blues. Er war ein Batman, ein mysteriöser Mann. WP: Maria Muldaur? KM: Wow, wow – ich habe sie in den 70ern getroffen. Eine ganz liebe Frau, sehr hübsch, sie war wie ein junger Popstar. Sie ist verlockend unerreichbare Frau und sie ist mittlerweile noch mehr „Frau“ geworden. Keb‘ Mo‘ bat mich kurz das Aufnahmegerät auszuschalten, um mir offline seine Begeisterung für Maria Muldaur darzulegen. Sie ist umwerfend und hat die Zeit gut überstanden. WP: Wie kam es, dass Du mit Ihr Musik gemacht hast? KM: Sie hat mal eine wichtige Platte namens „Midnight at the Oasis“ gemacht. Die Leute meinten, dass diese Platte ein bisschen kitschig war, aber da ist eines der besten Gitarrensolos drauf. Der Gitarrist hieß damals Garrett. WP: Wie bereitest Du Dich vor, wenn Du Shows wie Crossroads spielst? KM: Alles ist ziemlich festgelegt, es gibt einen Plan, alles ist festgelegt. Es ist überhaupt nicht spontan. W P: Vielen Dank für das Interview und viel Spaß bei der Show. Wasser-Prawda | September 2014 40 MUSIK n o i s s i M r e h c s i l a k i s u M f Au Wasser-Prawda | September 2014 MUSIK 41 TEIL 4: DER WEG ZU BLUES BROTHERS 2000 VON DARREN WEALE DIE BLUES BROTHERS BEGANNEN ALS RIESENHIT BEI DER AMERIKANISCHEN TVͳSHOW „SATURDAY NIGHT LIVE“. BALD WURDEN SIE AUCH MIT IHREN KONZERTEN ZUM SMASH HIT. DANN GING ES ERST RICHTIG LOS. DER ERSTE BLUES BROTHERS FILM, HEUTE EIN OFT GESPIELTER UND VIELGELIEBTER KULTKLASSIKER MACHTE SICH NICHT GUT AN DEN KINOKASSEN. ABER DIE BLUES BROTHERS BLIEBEN SEHR BELIEBT. NACH DEM ERSTEN FILM GING DIE TRUPPE AUF TOUR. Die Road To Ruin Tour führte die Band durch die Vereinigten Staaten. Üblicherweise hatten sie dabei eine sehr gute Zeit. Gewisse geistige Getränke nahm man zu sich. Vielleicht die einzige Ausnahme war Matt „Guitar“ Murphy, der die Erfahrung schätzte und sich entsprechend verhielt. „Schon allein in dieser Ära zu sein, an diesem Platz zu diesem Zeitpunkt, darum ging es mir. Ich hab nicht getrunken, geraucht oder Drogen genommen. Alles was ich machen wollte, war zu überleben und Musik zu spielen. Und ich hab es genossen.“ Murphy Dunne erinnert sich an einen Moment unmittelbar nach der Tour: „Nach der letzten Show im Universal begegnete ich Jack Nicholson. Wir waren alle in einem Bereich hinter der Bühne, und ich ging auf ihn zu , und erinnerte Jack, wo wir uns getroffen hatten, und an unsere gemeinsamen Freunde. Ich erwähnte, welch eine Inspiration seine Arbeit für mich war. Jack schüttelte meine Hand und sagte: Nun, Murph, ich danke Dir, dass Du Dir die Zeit genommen hast, mir das zu erzählen. Das war ganz klar ein Höhepunkt in meinem Leben.“ „Es gab eine große Party danach in einer sehr großen Villa. Michael McKeon war da, meine alten Bandkollegen von den Squigtones, Bette Midler, und Stevie Nicks, die eine alte Freundin ist. Es war eine der wenigen HollywoodPartys, wo ich mich wohl gefühlt habe. Viel Lachen, keine Ego-Trips und ein Zusammensein mit vielen Freunden.“ Die Blues Brothers hörten nach der Tour nicht auf, auch wenn bald das Schicksal zuschlug. Unerwartet starb John Belushi am 5. März 1982. Er war das Opfer einer Wasser-Prawda | September 2014 42 MUSIK Steve “The Cornel” Cropper und “Blue” Lou Marini auf der Bühne mit The Alain Hiot) Drogenüberdosis. Blue Lou Marini sechsmaliger Weltmeister. Ich hatte ist einer von den Menschen mit Sharif beim Boodle‘s Tournier in besonderen Erinnerungen an den New York ein paar Monate früher Mann, der auch Joliet Jake Blues spielen sehen. Wir stellten und vor war. und „Belushi war ein geborener Sportler und gleichzeitig ein Sänger. Als Sänger hatte er ein großartiges Gefühl für Rhythmus. Und er konnte Geschichten erzählen. Als Sportler war er stark und sehr wendig. Wir spielten in Denver, als Steve Jordan und ich im hoteleigenen Fitnessstudio Sharif Khan, dem Weltmeister im SquashRackets begegneten. Sharifs Vater Hashim, wohnhaft in England, war Wir waren in Denver und Steve Jordan spielen und ich lief in Sharif Khan, der Weltmeister SquashRackets-Spieler, in der hoteleigenen Fitnessstudio. Sharif Vater Hashim war sechs Mal Weltmeister in England. Ich hatte gesehen, Sharif spielen in Person an der Boodle Turnier in New York vor ein paar Monaten. Wir stellten uns vor, und er sagte, er und einige von seiner Familie würden zum Konzert in Wasser-Prawda | September 2014 Original Blues Brothers Band. (Foto Red Rock in der nächsten Nacht kommen. Wir luden ihn nach backstage ein. Und weil ich Handball-und Squashspieler war, fragte er mich, ob ich eine Trainingsstunde haben wolle. Yeah! Beim Konzert stellte er mir seinen Bruder Mohamed, die Cousin Aziz Gul und Schwester Yasmin vor. Belushi warf einen Blick auf sie und meinte: Sieht wie eine verdammte Terrorgruppe aus! Und Sharif fragte John, ob er auch eine Lektion haben wolle. So hatten wir beide am nächsten Morgen eine Trainingsstunde mit Sharif. Danach meinte Sharif zu mir: Der Typ ist ein Naturtalent! Dann sahen wir, MUSIK wie Vater und Sohn ein Drei-SatzSpiel gegeneinander machten. Jeder gewann einen Satz. Und beim dritten ging es bis zum Tie-Break, den Hashim gewann. Ein unglaubliches Spiel!“ Curtis Salgado, Johns Freund und Bluesmuse - etwas worauf er bis heute stolz ist - hat eine andere Geschichte zu erzählen: „Ich war auf Tour mit der Robert Cray Band in einem Kleinbus mit einer Schiebetür hinten. Wir schliefen nicht in Hotels, weil wir uns keines leisten konnten. Es war in Santa Cruz, Kalifornien. Wir schliefen in der Wohnung von Fans auf dem Boden. Das ist Teil des Showbusiness. Wir waren in Strandnähe in den Häusern von zwei Frauen. Ich pennte ein, Gesicht nach unten, im Van für das Equipment in meinem dreiteiligen Anzug nach der After-Show-Party. Es gab ein Hämmern an der Wand. Robert Cray weckte mich auf: John Belushi ist am Telefon. Ich geh zur Vordertür: John, wie hast Du mich gefunden? John knurrte: Ich hab meine Wege. Wir waren auf Tour im Haus von Fans. Keiner hatte eine Ahnung. Ich weiß noch immer nicht, wie er das gemacht hat.“ Murphy Dunne erinnert sich: „John sagte immer: I can‘t sing, but I can Soul the Blues. Wir hatten beide bei Second City gearbeitet. Hast Du davon schon was gehört? So traf ich John. Ich war die Zweitbesetzung für Peter Boyle. Wir kamen gut miteinander aus, wir mochten beide Joe Cocker. Ich kam ziemlich häufig nach Los Angeles, um 43 John zu besuchen. Und so hingen wir gemeinsam ab. Er war ein wunderbarer Typ. Wenn Du ihn zum Lachen brachtest, wollte er in Deiner Nähe sein.“ kommen rein und schon bald waren da dreißig und mehr reingekommen. Wir trennten uns. Das war ein Fenster zum Druck der Berühmtheit. Jeder liebte John, und es gab nicht die übliche Zurückhaltung der Johns Wittwe Judith überlegt: Menschen bei ihm, weil sie ihn so „John wäre warscheinlich sehr sehr liebten.“ stolz darauf, was mit den Blues Brothers geschehen ist. Er war Steve Jordan hatte eine ähnliche schon stolz darauf, damit begonnen Erfahrung: „Ich ging mit John ins zu haben. Andauernd großartige Kino, um Animal House zu sehen Rückmeldungen zu bekommen, all und saß neben ihm. Wir saßen die Geschichten, die mir Menschen hinten gemeinsam mit dem inzwierzählen, das berührt mein Herz. Es schen verstorbenen Gitarristen kann Spaß sein oder auch Frust. Und Hiram Bullock. Zum Schluss hatten es ist wie ein Bumerang.“ Und sie alle mitbekommen, dass John im fügt hinzu: „John war ein Mensch, Kino war und wir mussten raus der sich schnell irgendwo zu Hause rennen, genauso wie die Beatles fühlte. Er setzte sich auf eine Couch, oder so. Es war ein sehr surreales und ehe man sich versah, tat man Erlebnis.“ Dinge für ihn. Er war so ein Typ, der schnell fragte: Hast Du was Matt Murphy hat seine eigene dagegen, wenn ich schaue, was in Meinung: „John Belushi war total Deinem Kühlschrank ist? Er zögerte fertig. Er war ein wenig heißköpfig nicht lange, ganz er selbst zu sein.“ aber trotzdem ein guter Kerl, der dir sein letztes Hemd gegeben hätte.“ John Belushi stand zu der Zeit unter der Art von Druck, die für Nach einer Pause traten die Blues die berühmtesten Menschen reser- Brothers wieder auf und fügten viert ist. Steve Cropper war sich weitere hochklassige Musiker zur dessen sehr bewusst. „John war ein Tourband hinzu. Blue Lou erläutoller Kerl, er hielt seine Versprechen. tert es: „1987 kam ein italienischer Er war einer, der mit anderen teilte Promoter zu Matt [Murphy] und mir und auch geben konnte. Jeder wusste und wir verbrachten einen Monat in nach Saturday Night Live, wer er Europa, wo wir auch beim Festival war. Er konnte nirgendwo hinge- in Montreux spielten.“ Offiziell reformierte sich die Band 1988 für hen, ohne angehalten zu werden.“ eine Welt-Tour. Und seither sind sie Blue Lou stimmt zu: „Der Druck immer mal wieder als The Original unter dem er stand! Wir gingen Blues Brothers Band unterwegs. zum Tower Records Store in LA um ein Uhr morgens. Als wir dorthin Blue Lou liebt sein Leben mit den kamen, waren dort nur vier oder Original Blues Brothers. „Das ist fünf Leute drin, das Personal ein- mir äußerst wichtig, dieser Status geschlossen. Mehr und mehr Leute als Kultband. Seit 1987 touren wir: Wasser-Prawda | September 2014 44 MUSIK John Belushi Japan, Europa, Italien, Spanien, Indien, Thailand, Afrika. Steely Dan und andere haben nicht überall dort gespielt, wo wir waren. Wir können vor einem Publikum mit dreißigtausend Leuten spielen und dann auch wieder vor 250 in einem Club in einer Kleinstadt. Bürgermeister von Städten laden uns zu Dinners in Rathäusern ein und schenken uns regionalen Wein, Käse oder andere Produkte. Wir finden Freunde in aller Welt, wir haben Kathedralen gesehen, Parks und Galerien. Und noch immer geht es weiter… the band is smokin! Viele junge Musiker kommen und erzählen uns, dass Dan draußen mit seinem Vater war. sie durch unsere Filme zur Musik Er öffnete die Tür und da gab es ein gekommen sind.“ lautes Geflüster: Überraschung!“ Steve Cropper stimmt zu: „Ich nehme mir immer Zeit für die Blues Brothers Band. Wir haben dabei immer Spaß. Inzwischen arbeiten wir 25 Jahre mit der Band. Als wir mal eine Show bei einer Geburtstagsparty spielten, schauten Lou und ich uns an und sagten: Das ist einfach ein Riesenspaß, das müssen wir weitermachen! Die Party war für Dans vierzigsten Geburtstag, seine Frau Donna hatte es prima organisiert, uns herein zu schmuggeln, während Wasser-Prawda | September 2014 Blue Lous Kommentar: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Party vor dem Zeitpunkt war, als wir wieder zu touren begannen, das muss also 86 oder 87 gewesen sein. Vielleicht war es also nicht sein 40. Geburtstag. Aber es war ganz sicher der Katalysator für den Neustart. Und ich weiß, dass die erste Tour damals fünf oder sechs Konzerte im Spätwinter oder Frühlich 1987 in Italien umfasste.“ MUSIK 45 The Original Blues Brothers Band (Foto: Alain Hiot) Natürlich ging auch das „normale“ Leben für die Bandmitglieder weiter. Murphy Dunne erzählt ein paar Sachen aus der Zeit: „Ich konzentrierte mich mehr auf die Schauspielerei, komponierte aber auch etwas für ein Ballett auf der Grundlage des „Kleinen Prinzen“. Die Blues Brothers sah ich eher bei öffentlichen Anlässen … Duck und Blue immer auch dann, wenn sie mal in der Stadt waren. (Diese Woche etwa werde ich Blue gemeinsam mit James Taylor sehen.) Duck traf ich auch, als er mit Crosby Stills Nash & Young unterwegs war. Ich machte kleinere musikalische Projekte mit Waddy Wachtel und Van Dyke Parks. Ich führte Regie bei einem kurzen Stück namens „The Lawyer“ und machte eine One Man Show unter dem Titel „Nevertheless“ im The Globe in LA. Und dann gab es auch noch eine Menge Zeugs, die nichts mit den Blues Brothers zu tun haben. So bin ich etwa in den USA Sprecher für Huyndai. Ich wurde Vater, und meine Tochter Veronica gehört zur Stammbesetzung einer neuen Disney-Serie mit dem Titel „K.C. Undercover“. Gerade als die Band ohne John und Dan, der meistens mit anderen Projekten beschäftigt war, wieder auf Tour ging, dachte man über den nächsten Meilenstein in der Geschichte der Blues Brothers nach. Das war der zweite Film, gedreht 1998 und betitelt Blues Brothers 2000. Die Dreharbeiten begannen nach einer Verzögerung, weswegen Steve Croppers Haare viel länger lang bleiben mussten. Steve erinnert sich: „Nach Film eins schnitt ich Haare und Bart ab und war seither glattrasiert. Dann kommt Dan Aykroyd vorbei und sagt: Wir werden einen zweiten Film machen. Sofort begann ich, mir Haare und Bart wieder wachsen zu lassen. Nach sieben Jahren hatte ich sie immer noch lang! Ich weiß nicht, was den Film aufhielt. Ich musste mir einen Pferdeschwanz machen, um die Haare zurück zu halten. Ich kam aufs Set mit den Haaren zurückgebunden zum Pferdeschwanz und Regisseur Landis konnte es nicht sehen. Er meinte: Wo sind Deine Haare? Du hast mir fast einen Herzinfarkt beschert! Ich sagte: Wo? Hier hinten. Und ich zeigte es ihm. Dann meinte er: Wenn Du magst, kannst Du auch glatzköpfig gehen! Ich behielt den Pferdeschwanz und den Bart, schließlich hatte ich die Haare für den zweiten Film wachsen lassen.“ Wasser-Prawda | September 2014 46 A L B U M D E S M O N AT S J P SOAR S - F U L L MO O N NIGHT I N M E M P H I S ALBUM DES MONATS SEPTEMBER 2014 JP Soars‘ drittes Studioalbum „Full Moon Night In Memphis“ ist eines der erfreulichsten Alben, die ich in diesem Jahr gehört habe. Jeder Track ist einfach eine Freude, der mit verschiedenen Bluesstilen Soars fantastisches Gitarren-Können zeigt. Begleitet von einer exzellenten Gruppe von Musikern und Sängern spielt Soars eine Vielzahl von Gitarren und singt. Seine Stimme erinnert ein wenig an Ian Siegal, genau so rau wie nötig, immer interessant. Er ist ein intelligenter und geschickter Gitarrist, aber er ist dabei immer unterhaltend, bezaubernd und amüsant, also das ganze Gegenteil von nur technisch herausragend. Soars hat den Albert King Award für den Vielversprechendsten Gitarristen gewonnen. Und auf diesem Album kann man sehen warum, so wie er ohne Anstrengung und voller Geschmack uns seine Fähigkeiten auf elektrischen und akustischen, auf Resonator, Cigar Box und Lap Steel Gitarren vorführt. Die Songs sind alle grandios, bis auf zwei stammen sie alle von Soars. In „Makes No Sense“, das einfach cool daherkommt, tritt Soars‘ Sensibilität für den Jazz in den Vordergrund mit einer wirklich coolen Gitarre. „Mean Old World“ ist ein Song von T-Bone Walker, in dem Soars dem großen Mann Respekt zollt mit einem Gitarrenspiel im Stil von Walker. „Savin‘ All My Lovin“ ist klassischer Chicago Blues. Und „Reefer Man“ nimmt uns 50 oder 60 Jahre zurück in die Vergangenheit mit Saxophon, Trompete und Background Chor - ein großer Spaß, bei dem die Zehen mitwippen. Bei „Viper“ hören wir einige herrliche Klarinettentöne von Scott Ankrom. Es ist ein altmodischer Bluessong in Moll für verrauchte Bluesclubs und hat Anklänge an Gypsy Jazz drin, der auch zu Soars‘ Repertoire gehört - superb! „The Road Has Got Me Down“ ist eine altmodische CountryNummer, ein Duett mit Teresa James, bei dem Soars Wasser-Prawda | September 2014 auf der Lap Steel Gitarre spielt und Brandon Santini eine tolle Harmonika beisteuert. Wir bekommen sogar ein wenig Latin-Sound im Intrumental „Lil‘ Mamacita“ vorgesetzt, um die Mischung komplett zu machen: Hier mit schnell und wild gespielter spanischer Gitarre. Ich mag besonders das hart dahinziehende „Somethin‘ Ain‘t Right“, wo Soars zu glühender Bluesrockgitarre die Krankheiten der Welt besingt: Heimatlosigkeit, Armut, die amerikanische Innenpolitik - alle werden hier in den Blick genommen. “There’s got to be a better way, we can’t keep lookin’ the other way”, singt er. Wir müssen „ein wenig mehr geben, und weniger nehmen.“ Genau ins Schwarze getroffen, JP! Das ist ein Album der allerhöchsten Güte - und es ist eines, dass ich immer und immer wieder hören werde. Tu Dir einen Gefallen und besorg Dir JETZT ein Exemplar! Gary Burnett P L AT T E N 47 REZENSIO NEN A BIS Z A Annie Ross - To Lady With Love 44 Vanguard Jazz Orchestra OverTime: Music of Bob Brookmeyer 51 C Chase Walker Band - Unleashed 44 E Eric Clapton & Friends - The Breeze: An Appreciation of JJ Cale 45 J Jack J Hutchinson Band - Get It Back 46 Johnny Winter - Step Back 46 K Kaz Hawkins - Get Ready 47 M Mud Morganfield & Kim Wilson - For Pops (A Tribute to Muddy Waters) 48 R Red Dirt Skinners - Live In Aberdeen 50 Robert Plant - Lullaby and… The Ceaseless Roar 49 Roy Roberts - Strange Love 49 T The Vanguard Jazz Orchestra OverTime: Music of Bob Brookmeyer 44 Timo Gross - It‘s All About Love 50 Tom Gaebel - So Good To Be Me 51 V Wasser-Prawda | September 2014 48 P L AT T E N durch volle Arrangements zu verstellen: Die spartanischen aber gleichzeitig großartigen Gitarren von Vater und Sohn Pizzarelli scheinen sie gerade zu betonen. Herausgekommen ist eines der eindrücklichsten Gesangsalben im Jazz zur Zeit. Und das ganz unabhängig vom Alter der Sängerin oder des Sängers. Nathan Nörgel Annie Ross - To Lady With Love Berühmt wurde sie als Mitglied des Trios Lambert Hendricks & Ross. Doch von dem artistisch herausragenden vokalen Bebob ist Annie Ross heute weit entfernt. Ihr neues Studioalbum ist eine Hommage einer altgewordenen Sängerin an Billie Holiday. Begleitet wird sich von den Gitarren von Bucky und John Pizzarelli. Die letzten Alben von Johnny Cash waren eine fast brutale Darstellung eines alten Sängers in aller Brüchigkeit. Und Billie Holidays „Lady in Satin“ hat - trotz verheerender Kritiken zur Entstehungszeit einen ähnlichen Status. Schon seltsam, sich gerade letzteres Album als Inspiration für einen Tribut an Lady Day zu wählen. Doch letztlich ist das, was die über achtzigjährige Ross hier aufgenommen hat, nicht viel anders als die Aufnahmen ihrer Kollegin am Ende ihres Lebens: Die Stimme ist reduziert im Umfang, fast nur noch eine Sprechstimme. Doch sie ist voller Emotionen und Leidenschaft, voller Kraft jenseits der ehemaligen Brillanz. Und wo manch einer der Versuchung nachgegeben hätte, die Brüchigkeit Chase Walker Band Unleashed Teeniestars gab und gibt es immer wieder unabhängig von Genregrenzen. Die Kritik pendelt dann immer zwischen „The Next Big Thing“ und „Manche Musik braucht einfach ein bestimmtes Alter, bevor man sie wirklich spielen kann.“ Auch bei der Chase Walker Band aus Kalifornien kann man Argumente für beide Betrachtungsweisen finden. Man nehme: Drei Freunde, die verrückt genug sind, nach Erledigung der Hausaufgaben sich mit Blues zu beschäftigen und Eltern, die sich ganz darauf einlassen, ihre Sprösslinge in diesem unzeitgemäßen Streben zu unterstüt- Wasser-Prawda | September 2014 zen. Chase Walker ist ähnlich wie andere hochgelobte Jungspunde im Blues ein technisch versierter Gitarrist, der eine Menge Zeit in das Studium der Klassiker zwischen Stevie Ray Vaughn, der verschiedenen Kings und Bluesrockern wie Joe Bonamassa investiert hat. Und auch seine Freunde Randon Davitt (bg, voc) und Matt Fyke (dr, voc) haben ihrer Lektionen gelernt. Und sie haben einen Vorteil gegenüber altgedienten Heroen: Sie haben jede Menge Unbekümmertheit und Energie. Die springen einem schon beim Opener „Coming Clean“ entgegen. Man merkt: Hier sind einfach drei Jugendliche am Werke, die eine Menge Spaß dran haben, den Blues zu spielen. Auch andere Stücke zeichnet das aus, etwa die Single „Good Day for the Blues“, wo sich Walker und Davitt das Gesangsmikrofon teilen. Nur dass man hier doch erkennt, dass hier mehr das Erlernte als das selbst Erlebte und Erfühlte aus den Boxen dringt. Für ein Debüt äußerst bemerkensund lobenswert: Die Chase Walker Band hat mit Walker und Davitt gleich zwei Songwriter. Und so finden sich auf „Unleashed“ nicht nur Coverversionen sondern auch eigene Geschichten. Für „Too Many Days Ago“ hat Walker sogar schon einen Preis gewonnen. Und auch „Buffalo Bayou“ von Davitt oder Walkers Instrumentals wie „DIY“ machen neugierig darauf, wie sich diese Band in den nächsten Jahren noch entwickeln wird. „Unleashed“ ist ein bemerkenswertes Debüt, dessen Schwächen niemals P L AT T E N wirklich den Spaß beim Hören verhindern. Walker und seine Freunde machen deutlich, dass mit ihnen in den nächsten Jahren zu rechnen ist. Nathan Nörgel zu schaffen bis hin zur Blende am Schluss und bremst sich selbst unnötig aus. Viel besser ist das, was Tom Petty aus „Rock and Roll Records“ macht oder gar die Intensität, die Willie Nelson in „Starbound“ packt. Hier sind eigene Interpretationen, Würdigungen eines großartigen Songwriters zu hören. Auch Mark Knopflers typische Strat setzt bei „Train To Nowhere“ Akzente, die im Ohr bleiben. Clapton selbst bleibt als Gitarrist hier zu häufig einfach blass, scheint wie damals auf der Bühne hinter Cale zu rätseln, wie man denn die Songs wirklich spielen kann. So ist „The Breeze“ für mich ein zwiespältiges Album geworden: Eric Clapton & Friends - The Großartige Songs, teilweise hinreiBreeze: An Apprecia on of JJ ßende Beiträge von Freunden und Cale Seit dem Ende von Cream und ein blässlicher Star. Nathan Nörgel Blind Faith gehört die Musik von JJ Cale zu den großen Konstanten des Sounds von Eric Clapton. Mit „The Breeze“ und einer Menge von Freunden setzt er dem verstorbenen Freund ein Denkmal. In dem Film „To Tulsa and back“, einem Porträt von JJ Cale, gibt es einen bezeichnenden Moment. JJ Cale steht auf der Bühne und spielt einen seiner Hits. Und Eric Clapton versucht minutenlang, den richtigen Groove und die richtige Tonart zu finden. So wie Cale klingt eben nur Cale. Seinen entspannten Sound Half Deaf Clatch - The Blues kann eigentlich niemand kopie- Con nuum ren. Man kann sich ihm nur annä- Das ist das eines wirklich guten hern oder man versucht statt des- Slide-Gitarrenspielers aus England, sen, die Songs ganz auf eigene Weise ein wundervolles Album, das viel zu interpretieren. Auf „The Breeze“ zu leicht übersehen werden kann. findet man beides: Clapton ver- Das wäre aber ein tragischer Fehler, sucht bei „Cajun Moon“ eine Kopie weil diese CD von großer Qualität 49 ist und eine weite Verbreitung und große Aufmerksamkeit verdient, Half Deaf Clatch, ein Finalist bei den British Blues Awards 2014, schrieb die meisten Songs hier zusammen mit Red Burley. Die wirkt auch als Background-Sängerin mit. Das Album bekommt mittlerweile eine Menge Airplay bei Bluessendungen im Vereinigten Königreich, seit vor ein paar Wochen Promokopien verschickt wurden. Zwar gibt es im Mix klare Anklänge an Son House, aber das Album nicht nur ein weiteres von denen, auf denen diese alte Musik nur wiederholt wird - es ist weit davon entfernt. Nein, es ist ein fein gestaltetes Werk, das die musikalischen Traditionen neu erfindet. Vom fesselnden, klirrenden Slide-Spiel des ersten Songs „Bury My Bones“ bis zum Ende zehn Lieder später bietet „The Blues Continuum“ den idealen Showcase für Half Deaf Clatch‘s rauhe Stimme, sein Spiel voller Soul und die starken Fähigkeiten als Songschreiber. Dies ist eines von den viel zu seltenen Dingen: Ein einfach hervorragendes und knisterndes Stück Originalität . Mit den Wurzeln fest im tiefen Süden, aber produziert in England bringt „The Blues Continuum“ einen Hauch von neuem Blues mit neuen Songs zu einem breiteren Publikum. Track fünf mit dem Titel „Good Thing“ sagt eigentlich alles und macht klar, was wir hier erwarten können. Eine eindeutige Empfehlung! (Redpromotions) Iain Patience Wasser-Prawda | September 2014 50 P L AT T E N Jack J Hutchinson Band - Get It Back Erstens: Dies ist eher eine EP als eine voll aufgeblasene (oder überüberblasene) CD. Und ein großer Teil seiner deutlich erkennbaren Stärke liegt genau darin. Es wäre sehr einfach für Hutchinson gewesen, hier noch Füllmaterial hinzu zu fügen, vielleicht ein paar Cover oder was auch immer, um ein standardisiertes Album mit zehn oder zwölf Tracks zu bekommen. Statt dessen, und das kann man ihm zu Gute halten, hat er sich für sein Debüt auf sechs Stücke beschränkt. Alles sind gute, selbstgeschriebene Nummern. Vom Opener „Wake Up“ bis zum Ende mit „Hey Hey Hey“ ist das ein Album, das wirklich rockt, mit ein paar Änderungen von Tempo und Gangart und einer gefühlvollen Musikalität überall. „Get It Back“ ist ein tolles Werk, meist angeführt von Hutchinsons feiner Gitarre und seinem heißen Gesang. Hutchinson selbst meint, es sei ein Album, das laut gehört werden sollte und müsste. Und zweifellos hat er mit diesem Vorschlag Recht. Dreh es lauf auf und lass es krachen! Du wirst es nicht bereuen! typischer Winter-Manier durch Iain Patience „Can‘t Hold Out (Talk To Me Baby)“. Das ist wieder der klassische Texas-Blues Winters mit feinen Slide-Einlagen von allen drei Gitarristen. Auch beim Zusammenspiel mit Clapton bei „Don‘t Want No Woman“ herrschen die rauhen und rockigen Töne vor und beide haben gehörig Spaß dabei gehabt, sich die Ideen zuzuspielen. Mit Joe Bonamassa wird ein feiner Slow-Blues zelebriert, der dank Bläsern wie Blue Lou Marini und Tom Bones Malone noch das gewissen Extra erhält. Billy Gibbons, Joe Johnny Winter - Step Back Perry, Leslie West passen eher in die Nachdem „Roots“ für meine Ohren rockige Komfortzone Winters und nicht das erwartete großartige sorgen für unterhaltsame Nummern Album war, war ich ein wenig skepohne allerdings zu sehr zu überratisch, als er eine Fortsetzung dieses schen. Das gelingt Winter eher ohne Konzepts der Rückschau durch die Gästeschar, wenn er mit seiner letzBluesgeschichte mit musikalischen ten Tourband eine entspannt grooFreunden ankündigte. Doch „Step vende Fassung von „Killing Floor“ Back“ ist wirklich ein wundervolles spielt oder ohne Handbremse Abschiedswerk von Johnny Winter durch „Who Do You Love“ jagt. geworden. Als Gäste hatte er unter Wundervoll und gar nicht alltäganderem Eric Clapton, Ben Harper, lich ist das entspannte Grooven mit Billy Gibbons (ZZ Top), Dr. John, Dr. John bei „Blue Monday“ oder Joe Bonamassa und Brian Setzer der fetzige „Okie Dokie Stomp“ mit geladen. Brian Setzer und wiederum großDer Start lässt schon mal aufhorchen: artig aufgelegten Bläsern der Blues Ist Johnny Winter auf seine alten Brothers. Tage noch zu Joe Cocker mutiert? „Step Back“ ist ein sehr gutes Jedenfalls klingt seine Version von Album, das den Blues in seiner gan„Unchain My Heart“ vorangetriezen Bandbreite voller Spielfreude ben von der Horn-Section der Blues zelebriert. Schöner kann man Brothers verdächtig nach Cocker. Johnny Winter kaum in Erinnerung Aber genau so einen unerwarteten behalten! Beginn braucht „Step Back“, um Raimund Nitzsche sofort die Aufmerksamkeit zu fesseln. Winter singt hier voller Kraft und lässt keine Müdigkeit erkennen. Gemeinsam mit Ben Harper und Paul Nelson rockt er sich dann in Wasser-Prawda | September 2014 P L AT T E N Kaz Hawkins - Get Ready Kaz Hawkins’ neues Album ist inspirierend, ehrlich warum, voller Energie und einer ansteckenden Leidenschaft. Hier werden Blues und Gospel angerichtet mit einem Klacks Soud und R&B und serviert von einer exzellenten Band mit einer wirklich bemerkenswerten Sängerin. Kaz meint, sie höre Etta James, Sarah Vaughan, Big Mama Thornton und Janis Joplin - und man kann Anklänge an all diese großartigen Sängerinnen hören. Aber natürlich ist die Stimme von Kaz Hawkins ganz ihre eigene: kraftvoll, emotional, kratzig, leidenschaftlich, bluesig. Und ihre Musik kommt aus einem tiefen Quell persönlicher Erfahrungen, von Versuchen und Hoffnung für die Zukunft. Der erste Song „Hallelujah Happy People“ ist optimistisch, reizt dazu, mit den Zehen mitzuwippen, es steckt einen an und setzt den Ton für das ganze Album. „I Saw A Man“ wird von einem unaufhörlichen Drumbeat, der allein beginnt und dann von Akkorden von Klavier und Gitarre begleitet wird. Es ist die berührende Geschichte eines Mannes ohne Heim, der normalerweise bezahlt wurde, um zu spielen, der schon alles gesehen hat, der aber jetzt nur noch Straßenmusik machen kann und von den Passanten ignoriert wird. „Believe With Me“ ist eine Art säkulares Spiritual - Kaz schaut zurück zu „dunkleren Tagen, einsamen Tagen“, wo sie entdeckte, dass es nur einen Weg gibt, man selbst zu sein sich zu behaupten. Sie lernte dabei, eine Saat „tief in meine Seele“ zu säen. Und die nennt man Glauben. Da gibt es keinen Raum dafür, sich in Selbstmitleit zu suhlen - „reiß dich zusammen“, singt sie, „du musst Verwantwortung für Dich übernehmen“ und einfach glauben, gemeinsam mit ihr. Bei „Shake The Flavour“ wird es bluesiger und rockinger. Und das Lied gibt Raum für Kaz‘s kraftvolle Bluesstimme: kratzig und rauh an genau den richtigen Stellen. Der Titelsong „Get Ready“ folgt und nimmt das Tempo ein wenig heraus. Hawkins Stimme ist hier voller Soul und voller Emotionen. Einmal mehr gibt es die Botschaft von der persönlichen Verantwortung: „There‘s no coming back, think about your choices - stand up straight.“ Und wenn Du das kannst: „Get ready for peace and love.“ Bei „Can‘t Afford Me“ klingt die Stimme ein wenig trotzig und selbstbewusst. „You‘re a waste of space, you can‘t afford me … You say you love me, start paying your dues.“ Can’t Afford Me gives voice to a nice piece of defiant self-esteem: “You’re a waste of space, you can’t afford me…You say you love me, start pay- 51 ing your dues.” Und auch „Walking On My Own“ beginnt ähnlich: „I was a fool to love you… I’m walkin’ on my own, without you.” „Drink with the Devil“ erinnert an alte Bluessongs, ohne jemals traditionell zu klingen. Es ist ein ernüchternder Blick auf die Sinnlosigkeit des Trinkens: „Till you lose control, till you’re out of control, till you can’t see no more.” Das ist eine hervorragende Sammlung von Liedern: gut arrangiert, voller Ehrlichkeit und Dringlichkeit und mit einer äußerst optimistischen Stimmung. Das Album ist eine Feier des Lebens und seiner Möglichkeiten. Der Herausgeber des „Classic Rock Blues Magazine“ meinte, er sei von dem Album „blown away“. Und ich denke, das könnte auch auf Sie zutreffen. Gary Burnett Luke Nicholson - Mad Love Sommerlicher Pop mit einem prägnanten Piano: Der Kanadier Luke Nicholson hat für „Mad Love“ neun Lieder über die Zeit ab der Hochzeit geschrieben. Ok, die Verweise hat er sich Wasser-Prawda | September 2014 52 P L AT T E N verdient: Immer wieder wird Nicholson mit Ben Folds verglichen. Auch Verweise auf Elton John oder Billy Joel kann man zeitweise nachvollziehen. Denn es ist einfach die Kombination von hemmlungslos schönen Popmelodien mit dem Klavier, die diesen Musikern gemeinsam ist. Und Nicholson hat genau wie Folds es drauf, über Liebe und Gefühle zu singen, um in den Kitsch abzugleiten. Klar ist „Mad Love“ so eingängig und radiotauglich wie nur denkbar. Aber die Songs des mit 33 Minuten sehr kurzen Albums hätten einen Einsatz in diversen Radiosendern mehr als verdient. So geht perfekte Popmusik! Nathan Nörgel Mud Morganfield & Kim Wilson - For Pops (A Tribute to Muddy Waters) Mir ist es ziemlich egal, ob Muddy Waters in 1914 oder 1915 geboren wurde. Wichtig ist, daß er, neben seiner Karriere als einer der größten Bluesmusiker aller Zeiten, genügend Freiraum fand, seinen ältesten Sohn Larry Mud Morganfield zu zeugen. Mud ist vor einigen Jahren als Bluessänger angetreten und legt seitdem eine atemberau- bende Karriere vor. Es ist bekannt, daß er seinen Vater als großes Vorbild sieht. Neben der äußerlichen Ähnlichkeit sind auch beider Stimmen sehr ähnlich. Zu Muddy’s hundertstem Geburtstag hat Mud am 19. August das Album „For Pops (A Tribute to Muddy Waters)“ vorgelegt. Der Titel sagt, worum es ihm geht. Der Sohn setzt seinem Vater ein Denkmal. Das tut er nicht allein. David Earl, Chef von Severn Records, hat ihm mit Kim Wilson (harmonica), Billy Flynn (guit.), Rusty Zinn (guit.), Barrelhouse Chuck (piano), Steve Gomes (bass) und Robb Stupka (drums) Musiker zur Seite gestellt, die auf einer Skala von eins bis zehn wohl die Spitze erreichen. Kim Wilson hat besonderen Anteil am Schaffen der einzigartigen Stimmung des Albums – seine einfühlsames, teils unterstützendes teils treibendes Harmonikaspiel könnte wohl besser nicht sein. Zu Recht werden Mud Morganfield und Kim Wilson gemeinsam als Headliner des Albums genannt. Das Album wurde in vier Tagen eingespielt. Ganz bewußt verzichtete man darauf, ein Best of Muddy Waters Album zu produzieren. Mud und Kim haben ihre persönlichen Favoriten aus Muddy’s Werk herausgesucht. Neben sieben Kompositionen von Muddy Waters werden die restlichen Willie Dixon zugeschrieben. Es tut gut, dass sowohl „Mannish Boy“ als auch „Hoochie Coochie Man“ nicht vertreten sind. Neben „I just want to make love to you“, „I love the life I live“, „Trouble no Wasser-Prawda | September 2014 more“, „19 years old“ finden wir als Opener „Gone to Main Street“. Mud Morganfield ist das Kunststück gelungen, ein Tribute Album zu schaffen, daß Muddy’s Werk nicht nachsteht. Trotz aller Ähnlichkeiten mit seinem Vater, zeigt er, dass er Muddy’s Vermächtnis in unsere Zeit transferiert und als eigenständiger Musiker nicht im Schatten des Altmeisters steht. Für Liebhaber des klassischen zeitlosen Blues bester Qualität ist das Album ein absolutes Muß. Für alle anderen die Möglichkeit, die große Zeit des Chicago Blues hautnah und lebendig zu erleben. (Severn Records) Bernd Kreikmann Red Dirt Skinners - Live In Aberdeen Für Genre-Polizisten sind die Red Dirt Skinners eine Anfechtung: Ist das Blues, ist das Country oder Folk? Klare Antwort: Alles zusammen in einem überzeugenden Sound. Und Sarah und Rob Skinner sind noch dazu großartige Songwriter. Bei dem 2014 in Aberdeen mitgeschnittenen Konzert kann man ihre eigenen Songs ebenso hören, wie Cover von Bluesklassikern oder David Bowie. P L AT T E N Der Anfang ist vielversprechend und mitreißend: Auf Songs wie „Up All Night“, „Cornbread Peas and Black Molasses“ oder auch „Girl In A Truck“ war ich vorbereitet. Das sind Stücke zwischen Blues, Folkpop und Country. Tolle Songs, mirteißend dargeboten. Doch plötzlich erwische ich mich beim Grübeln: Wie verirrt sich Bowies Major Tom in diese Gefilde? Aber seltsame Überraschung: Diese Version von „Space Oddity“ funktioniert! So kann man mit der reduzierten Duo-Besetzung dennoch einen fast orchestralen Popsong machen. Gleich hinterher wird ein Countrysong wie „From Shrevenport To New Orleans“ durch das Sopransaxophon in Regionen zwischen Klezmer und Jazz entführt. Wenn die Red Dirt Skinners live immer so von überschäumender Spielfreude und Leidenschaft getrieben sind, dann darf man auf die erste Deutschland-Tour gespannt sein, die zur Zeit in der Planung ist! „Live in Aberdeen“ ist jedenfalls ein tolles Album geworden. Vorausgesetzt natürlich, man ist nicht Beamter der Bluespolizei. Nathan Nörgel 53 neues Soloalbum wirder eigene Songs geschrieben. Und die ergeben in der Gesamtheit einen psychedelischen Rausch jenseits sämtlicher Genregrenzen. Faszinierend! Raimund Nitzsche Robert Plant - Lullaby and… The Ceaseless Roar Bluesrock trifft auf keltischen Folk und afrikanische Rhythmen. Hinzu kommen elektronische Einsprengsel. Zusammengehalten wird das hauptsächlich von Robert Plants intensiver Stimme: „Lullaby and the ceaceless roar“ hat weniger mit Led Zeppelin zu tun als mit Plants unablässiger Suche nach der perfekten Musik an den diversen Crossroads dieser Welt. Dies ist kein Album mit dem überwältigenden Hitsong! Das ist eine Scheibe, die einen statt dessen auf eine Reise mitnehmen kann, wenn man bereit ist, sich von seinen vorgefassten Meinungen über Blues und Rock zu verabschieden und sich durch eine schier überwältigende Vielfalt von Ideen mitreißen zu lassen. Während Jimmy Page sich zur Zeit mehr mit der Pflege des Erbes von Led Zeppelin beschäftigt, ist Robert Plant noch immer bereit, sich musikalisch immer weiter zu entwickeln. Hatte er in den letzten Jahren vor allem durch aufregende Coverversionen auf sich aufmerksam gemacht, hat er für sein Roy Roberts - Strange Love Roy Roberts ist einer von diesen Oldtimern, ein Typ, der die meiste Zeit seines über siebzigjährigen Lebens in der Musikszene der amerikanischen Ostküste aktiv war. In der Zeit ist er immer unter dem Radar geblieben, war etwa Sideman oder Gitarrist bei vielen einflussreichen Giganten der populären Musik der USA. Das ist ein Musiker, der in den 60ern ein Soulmate von Otis Redding war, er zog umher mit Solomon Burke und Eddie Floyd, arbeitete mit Stevie Wonder (als der noch „Little Stevie“ war) und vielen anderen der Soul-Musik-Dynastie, während er seinen eigenen Sound entwickelte, der jetzt exzellent auf diesem Album mit seinen zehn Songs zu entdecken ist. „Stange Love“ hat diesen kompletten Stax-Sound: volle Bläser, knackiges Gitarrenspiel, nahtlos zusammengebracht mit soulful-rockigem Gesang. Roberts schrieb alle Songs Wasser-Prawda | September 2014 54 P L AT T E N hier. Und das ist ein Tribut an seine Fähigkeiten und sein zweifelsohne großes Talent. Mit „Strange Love“ zeigt Roy Roberts, dass er noch immer fest im tiefen Süden verwurzelt ist. Aber er hat sich selbst befreit von den Schatten seiner lang verstorbenen und viel erfolgreicheren musikalischen Kumpels. Eine ganz klare Empfehlung! Iain Patience Der Geist eines Hippies versetzt ins 21. Jahrhundert? Nein, ganz sicher nicht. Hier geht es nicht ums Händchenhalten oder um Blumenwiesen. Die Lieder von Gross sind rauh und kantig. es geht um harte Zeiten ebenso wie um den Spaß, um Wunden, die die Liebe schlägt und um Heilung. Dazu kommt die oft rauhe Gitarre von Gross und eine eingespielte Band (Dominik Rivinus - dr, Manuel Bastian - g, org und Maritz Grenzmann - b). Heraus kommt ein Album, dass sich nicht wirklich um Genregrenzen kümmert: Mal ist es Bluesrock, mal erinnert es an den relaxten Stil von JJ Cale, mal an zeitgemäßen Countryrock. Timo Gross mag zwar vom Blues herkommen. Aber hier hat er Songs eingespielt, die oft weit über die reine Lehre der Heiligen Zwölf Takte hinaus gehen. Und das ist auch gut so. „It‘s all about Love“ Timo Gross - It‘s All About ist ein Album, dass Gross als einLove Das Vorgängeralbum „Landmarks“ prägsamen Gitarristen ebenso wie war so etwas wie eine musikalische als einen der besten Songwriter zwiAutobiografie mit Bearbeitungen schen Blues und Rock präsentiert. fremder Hits. Auf seinem neuen (in-akustik) Raimund Nitzsche Album „It‘s All About Love“ erzählt Songwriter/Gitarrist Timo Gross wieder ganz eigene Geschichten. Und ob es sich bei den Songs um dreckig zupackenden Bluesrock oder um zurückhaltende Americana geht: Die Liebe ist das Thema, was alles zusammenhält. Letzlich geht es immer um die Liebe,meint Gross im Booklet zu seinem neuen Album. Sämtliche Probleme haben nährer oder weniger nah mit dem Fehlen derselben zu tun. Eine blauäugige Haltung? Wasser-Prawda | September 2014 Tom Gaebel - So Good To Be Me Swingender Pop geradewegs für die Showbühnen von Las Vegas? Tom Gaebel würde mit den Songs seines neuen Albums „So Good To Be Me“ dort sicherlich ebenso hinpassen wie in die große Samstagabendshow für die ganze Familie. Angefangen hat Tom Gaebel vor Jahren mit den Songs von Frank Sinatra. Und dieser Musik ist er eigentlich bis heute treu geblieben. Klar gibt es auch Anklänge an den Rest des Rat Packs oder auch an die alten Zeiten von Tom Jones: Das hier ist Swing ganz im Stile der 60er, Musik voller Eleganz und Coolness. Und vor allem: durchaus eigenständig und in keiner Minute peinlich oder gewollt. Die Stimme passt, die Begleitung des großen Orchesters und auch die Backgroundsängerinnen. Hier kann man dahinschmelzen und einfach gute Laune haben. „So Good To Be Me“ ist ein mitreißendes Swingalbum aus deutschen Landen. Und ihm fehlt jede Peinlichkeit, die für mich die Songs von Leuten wie Roger Cicero zuweilen auszeichnet. Nathan Nörgel P L AT T E N 55 bereits ihre fünfte Veröffentlichung „XYZ“ leben von diesen sich schnell entwickelnden musikalischen Ideen, ist. (Segue Records) Nathan Nörgel die von dem ganzen Orchester verfolgt werden. „OverTime“ ist ein Denkmal für einen großartigen Komponisten und Arrangeur und gleichzeitig ein mehr als hörenswertes Dokument des zeitgenössischen Bigband-Jazz. Raimund Nitzsche Vaneese Thomas - Blues For My Father Musikalische Familienbande können sich unterschiedlich auswirken. Wo ein Sänger wie Mud Morganfield bei seinem aktuellen Album sich damit beschäftigt, die Songs seines Vaters in die heutige Zeit zu transportieren, da setzt Vaneese Thomas ihrem Vater Rufus ein Denkmal mit einem Album voller eigener Songs zwischen Blues und Soul. Vom Country-Blues des Openers „Southern Central Blues“ über das funkige „Wrap Your Arms Around“ me mit voller Soulröhre bis hin zum Swamprock von „The Old Man Down The Road“ und dem akustischen „Blue Ridge Blues“: Hier ist eine Sängerin zu entdecken, die auch als Songwriterin faszinierend ist. Vaneese Thomas macht hier nicht auf ewig tanzenden Teenager wie Vater Rufus sondern erinnert eher ein wenig an die ältere Schwester Carla, die man hier auch im Background hören kann. „Blues For My Father Is“ ein überzeugendes Album geworden. Damit könnte sich sicherlich auch außerhalb von Memphis bekannter werden. Denn man hört an der Vielseitigkeit und Routine, dass das Vanguard Jazz Orchestra OverTime: Music of Bob Brookmeyer Am Anfang standen Trompeter Thad Jones und Schlagzeuger Mel Lewis. Doch mindestens ebensoviel hat das langlebige Vanguard Jazz Orchestra dem Posaunisten Bob Brookmeyer zu verdanken, der lange Jahre für die Arrangements zuständig war. 2008 wollte er nach Jahren in Europa wieder gemeinsam mit der Bigband aufnehmen. Doch vor der Fertigstellung starb Brookmeyer 2011. Auf OverTime finden sich so neue Kompositionen Brookmeyers neben Neubearbeitungen alter Arrangements. „ Su i t e Fo r T h r e e “ r ü c k t Altsaxophonist Dick Oatts, Trompeter Scott Wendholt und Tenorsaxophonist Rich Perry ins Zentrum der drei Sätze. At The Corner Of Ralph And Gary“ macht klar, warum das Orchester seit Jahrzehnten zu den besten großen Klangkörpern gehört: hier improvisiert das gesamte Orchester im Wechsel mit Solisten. Auch die Neuaufnahmen von „Skylark“ oder Wasser-Prawda | September 2014 56 BÜCHER MEH R AL S H O U N D D O G UN D B AL L & CH A I N MICHAEL SPÖRKE: BIG MAMA THORNTON. THE LIFE AND MUSIC Die Geschichte des Blues ist von Anfang an auch die Geschichte der Frauen im Blues. Auch auch als der Blues in den Städten elektrifiziert wurde, waren Frauen dabei. Big Mama Thornton (1926-1984) setzt als Sängerin nicht nur die Tradi on von Bessie Smith fort. Ähnlich wie Muddy Waters prägte ihre S mme ebenso wie Wasser-Prawda | September 2014 ihre Bluesharp den Blues der 50er Jahre. Michael Spörke hat 2014 die erste Biografie Thorntons veröffentlicht. Eine Rezension von Raimund Nitzsche. BÜCHER Es ist schon tragisch, wie die öffentliche Wahrnehmung das Werk vieler Künstler verkürzen kann. Big Mama Thornton etwa wird oft nur auf zwei Songs reduziert, die noch dazu in anderen Versionen wesentlich erfolgreicher waren: Mit der Originalversion von „Hound Dog“ lieferte sie Elvis Presley eine Steilvorlage. Bald war vergessen, dass sie mit der Komposition von Leiber & Stoller 1953 sieben Wochen lang auf Platz eins der R&B Charts stand. Und „Ball & Chain“ wurde durch Janis Joplin zu einem Meilenstein der Hippiemusik Kaliforniens. Janis Joplin aber hatte ganz anders als Elvis immer die Schöpferin des Songs gewürdigt und ihr in den späten 60ern damit ganz andere Zuhörergruppen gesichert. So konnte die Sängerin auch nach Abflauen der Blueswelle in den USA und neben den diversen Bluesfestivals in aller Welt aktiv bleiben. Dass bis 2014 allerdings noch keine Biografie der wegweisenden Sängerin vorhanden war, macht deutlich, wie schnell sie nach ihrem Tode nur noch ein Name für Fans und Fachleute war. Hier hat der deutsche Politikwissenschaftler und Musikautor Michael Spörke jetzt Abhilfe geschaffen. Seine im amerikanischen Verlag McFarland veröffentlichte Biografie „Big Mama Thornton. The Life and Music“ fußt auf ausführlichen Interviews, die er mit Freunden und Kollegen der Sängerin führte ebenso wie auf der Auswertung von Artikeln und Plattentexten, die zu ihren Lebzeiten veröffentlicht worden waren. Gerade aus den Interviews entsteht in dem Buch ein buntes Bild der Künstlerin, das sich in vielerlei Hinsicht von den vorgefassten Meinungen über sie unterscheidet. Öffentlich wurde sie immer als harte und schwierige Person geschildert, die irgendwann nur noch unter Alkoholeinfluss auftreten konnte. So wird etwa ihre Masche, auf der Bühne Mitglieder ihrer jeweiligen Band lautstark zu kritisieren, wird als Teil ihrer von Humor geprägten Performance erkennbar. Spannend ist für mich vor allem auch die Schilderung von Thorntons Wirken innerhalb der Hippiekreise Kaliforniens, wo sie nicht nur mit Janis Joplin, sondern auch bei Konzerten von Grateful Dead und anderen Stars der Tage auftrat. Dieses Kapitel ihres Lebens war mir bislang noch unbekannt - im Gegensatz zur Karriere in den 50ern und ihren Auftritten in Europa bei den American Folk Blues Festivals. Allein schon wegen der verarbeiteten Fakten ist das ein Buch, das eine Menge Leser verdient hat. Natürlich hat diese Biografie auch Schwächen. Doch liegen diese für mich im oft sehr trockenen Stil Spörkes. Er stellt oftmals die verschiedenen Daten unkommentiert in einen chronologischen Zusammenhang und enthält sich im Wesentlichen einer Wertung oder Einordnung. Da hätte man sich als Bluesfan doch eine etwas lebendigere und leidenschaftlichere Schreibe gewünscht. Aber das ist vielleicht nur mein Eindruck. Was für mich allerdings absolut unverständlich ist, warum das Buch lediglich in einer englischen Fassung in einem amerikanischen Verlag 57 erschienen ist. Gibt es hierzulande so wenig Interesse an Themen der Popmusikgeschichte, dass eine Veröffentlichung sich nicht lohnen würde? Spörkes erstes Musikbuch, eine Biografie der Band Big Brother & The Holding Company war 2003 noch auf Deutsch erschienen. Michael Spörke: Big Mama Thornton. The Life and Music McFarland & Co. 2014 188 Seiten (Softcover) ISBN: 978-0786477593 Euro 26,10 Ebook (Kindle): 13,91 Euro Wasser-Prawda | September 2014 58 SPRACHRAUM s tellp l a t z p r o b l e m e JÜRGEN LANDT ich hörte schon das signal. wollte nach links vom NORMA-parkplatz auf die straße fahren, sah weiter rechts die blaublinkende feuerwehr in meine richtung über die kreuzug jagen und dachte: vor dem teil mußt du noch schnell die 150 meter bis zur einbahnstraße vor deinem wohnblock kommen. „du schaffst das!“ feuerte meine neben mir sitzende frau mich an. und ich schaffte es. doch vor dem wohnblock, direkt vor unserer haustür, stand bereits eine fahrzeugkolonne aus rettungswagen, notarztauto, polizei und schon einem feuerwehrauto. „scheiße, direkt vor unserer haustür. wie soll ich denn da jetzt einparken?“ fragte ich meine frau. „du schaffst das schon.“ antwortete sie mir. tatsächlich, trotz der fahrzeuge manövrierte ich mich ein paar mal vor, zurück, vor, zurück auf unseren bezahlten stellplatz. „da haben die leute hier wieder schön was zu gucken.“ sagte ich zu meiner frau. und im wohnblock gegenüber lehnten sie auch schon aus den fenstern, einige hatten kissen auf die fensterbretter gelegt, um es sich bequem zu machen, einige standen auf ihren balkonen, manche stützten sich auf der brüstung ab, andere standen wie wache haltend mit verschränkten armen vor der brust. „das bier lassen wir jetzt mal im auto und das wasser auch.“ „ich glaub, die gehen im aufgang nebenan rein, nee, jetzt kommen sie wieder zurück, gehen in unseren aufgang. oh, da stehen aber schon viele.“ hörte ich meine frau. ich schnappte mir kraftlos die einkaufstüten, und wir schlängelten uns an einem mit der polizei gestikulierenden, als notarzt gekennzeichneten mann vorbei durch die haustür. „hallo.“ sagte ich, bekam aber keine antwort. verständlich bei dem streß den die haben, da haben die auch keinen bock mehr, mich abzugrüßen. wer weiß, wen’s hier erwischt hat. ich dachte an den über uns wohnenden Wasser-Prawda | September 2014 nachbarn und an eine junge blondine unterm dach, daß sie vielleicht durchgedreht sei. wir gingen zwei treppensteigen empor, als wir auf die dritte bogen, schlug uns staub wie auf einer baustelle entgegen, und es sah vor unserer tür zwischen all den uniformierten menschen aus, als hätte eine bombe eingeschlagen. feuer in unserer wohnung? wie denn? hatte ich vorhin vor dem verlassen der wohnung, vor dem michzum-einkauf-verschleppen durch meine frau, gedankenlos in meinem psychisch weggetretenen zustand einen kippen einfach auf den teppich geworfen? „das ist aber schön, so viel besuch heute.“ hörte ich meine frau zwischen all den leuten und dem staub sagen. „was ist denn hier los?“ fragte ich beladen und mit unter dem arm geklemmten toilettenpapierrollen. „sind sie herr landt?“ ja, klar, bin ich. wieso, was ist los hier?“ ich schaute in unsere aufgelochte, türlose wohnung und sah die wohnungstür platt zwischen herausgebrochenem mauerwerk und türrahmensplittern im korridor liegen, tapetenfetzen ringsum, abgerissene fernsprechund klingelanlage, die auf dem korridor aufgereihten schuhe unter der tür und all dem dreck verschwunden… „lassen sie mich mal durch, ich muß pinkeln.“ „sie sind jürgen landt?“ „ja, was ist denn? lassen sie mich jetzt mal durch, ich muß pinkeln.“ wiederholte ich und balancierte auf der wippenden tür zwischen all dem mauerschutt und staub in richtung klo, ließ die schweren einkaufstüten fallen und machte, daß ich vors klobecken kam, doch es tropfte mir schon etwas in die hose. ich hörte stimmengewirr zwischen meinem restlichen strahl, ließ die immernoch zwischen achselhöhle und linken oberarm eingeklemmte zehnerpackung klorollen fallen und taumelte aus dem bad heraus durch den staubigen flur ins menschenvollgestellte wohnzimmer. SPRACHRAUM „sie haben angerufen, daß sie sich umbringen wollen.“ schlug es mir entgegen. „ich? ich hab doch nicht angerufen. ich doch nicht. ich hab nicht angerufen. cornelia, ich hab doch nicht angerufen. stimmt doch, cornelia, ich hab doch gar nicht angerufen.“ „die rettungsleitstelle hat unsere dienstelle angerufen und gesagt, daß sie dort angerufen haben, weil sie sich umbringen wollen.“ sagte der mann der polizei zu mir. „gar nicht wahr! ich hab da nicht angerufen. ich habe die schwester in der ambulanz der odebrecht-stiftung angerufen. ich habe zu ihr gesagt, daß ich heute einen termin beim oberarzt habe, daß ich mich aber so kraftlos fühle, mich so kraftlos fühle, daß ich den heutigen termin bei ihm nicht wahrnehmen kann, und daß sie bitte dem arzt bescheid sagen soll, daß ich heute nicht zum termin kommen kann, sie solle es ihm sagen, damit er mich nicht, in anführungszeichen, vermissen tut, also in anführungszeichen vermißt. und sie hat ist gut gesagt, und dann hat sie aufgelegt. und ich saß hier komplett kraftlos mit dem hörer in der hand und hab geheult, und meine frau wollte brot holen gehen, hatte sich schon geld gegriffen, ist dann aber so nach gut einer oder dreiviertel stunde zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob wir das nicht lieber gemeinsam machen wollen. und ich hab ja gesagt, und hab mich dann mit ihr zusammen hier rausgeschleppt. war doch so, oder nicht, cornelia, du hast mich doch irgendwie motiviert, mich hier in meinem zustand rausentführt, ich hab doch nichts weiter gesagt, als daß ich keine kraft habe, den termin heute wahrzunehmen, stimmt doch, oder nicht, cornelia?“ „das stimmt, so hat es mein mann am telefon gesagt. ich war ja hier, ich hab’s ja mit angehört.“ sagte sie dem beamten der polizei. der notarzt vernahm mich. schrieb ein protokoll über die ereignisse, sagte, „ich konnte nicht auf die feuerwehr warten, die zeit verstrich zusehends, und wenn sie schon gehangen hätten, wäre es zu spät gewesen, noch auf die feuerwehr zu warten, also hab ich veranlaßt, die tür gewaltsam zu öffnen, wir konnten nicht auf das türschloßöffnen der feuerwehr warten.“ ich wußte wo der sessel stand und ließ mich ohne rückzublicken in das teil fallen und rauchte eine nach der 59 anderen, bückte mich nach jeder zigarette etwas nach vorne und ließ die kippen in dem seitlich auf dem teppich stehenden trinkglas mit wasser verzischen und wartete ab. mir gegenüber machte es sich ein polizist mit einer seiner dicken arschbacken auf einer kleinen freien ecke unserer kommode bequem. seine knarre baumelte nur etwa einen meter vor mir, und kurz verspürte ich den impuls aufzuspringen und ihm die pistole abzunehmen, war aber bereits sekunden später in einer empfindung, die mich in mir hören ließ: gut, daß du das nicht getan hast!, und der notarzt schrieb eine volle stunde lang einen bericht, legte die seiten auf unserem teppich aus und lichtete sie noch einmal mit seinem handy ab. zwischendurch schauten ständig irgendwelche gesichter ins zimmer und verschwanden wieder, gesichter von einsatzleuten und noch mehr einsatzleuten in leuchtfarbenen westen und einfarbigen uniformen. „wir waren vor der feuerwehr da, ich mußte so handeln.“ erklärte der notarzt noch einmal, „man kann einen hängenden nicht länger als fünfzehn minuten hängen lassen, dann kriegt man ihn nicht mehr zurück.“ „wieso? ich war doch noch ’ne stunde hier, bevor wir los sind.“ leierte ich hervor. „wär doch eh zu spät gewesen.“ „stimmt, was er sagt. ich kann bestätigen, was der doktor sagt.“ bestätigte der bulle auf dem kommodenecksitz. „der notarzt hat schon mit den füßen getrampelt und ständig auf die uhr geschaut. ich muß rein, hat er gesagt, wir können nicht länger auf die feuerwehr warten, damit die das schloß aufbohren, und da hab ich das abgenickt und dann haben wir die tür eingetreten.“ er zeigte auf seinen kollegen. „aber ich kenn sie irgendwoher, wir beide hatten doch schon mal das vergnügen, ihr gesicht kommt mir bekannt vor.“ „wie lange bist du denn schon dabei?“ fragte ich ihn. „über dreißig jahre.“ antwortete er mir. „na, dann kann das vielleicht hinhauen. kann sein, daß wir uns schon mal begegnet sind.“ sagte ich und steckte mir eine nächste zigarette an. „jetzt mal einen moment nicht rauchen.“ unterbrach mich der notarzt. „sagen sie mir erstmal, ob sie suizidale gedanken haben. wir haben im keller nach ihnen gesucht, unterm bett und im schrank. sind sie suizidal? wollen sie sich umbringen? was haben sie für gedanken, suizidale?“ Wasser-Prawda | September 2014 60 SPRACHRAUM „ja, hab ich immer wieder. ist doch klar in so einer langen und anhaltenden erkrankung, so einer pausenlosen depression.“ „haben sie schon mal versucht, sich umzubringen?“ „nein.“ „hatten sie schon mal einen selbstmordversuch?“ „nein, hab ich doch eben gesagt.“ „noch nie?“ „nein.“ „und sich auch noch nie selbstverletzt?“ „nein.“ der polizeibeamte schaltete sich ein: „das machen sie auch nicht. das leben ist viel zu schön. und dann haben sie noch so eine hübsche frau.“, er scannte mit seinen blicken meine frau ab. „ja, kann man gar nicht machen, das leben ist viel zu schön.“ bestätigte ich ihm. „ja, das leben ist viel zu schön.“, wandte er seinen blick von meiner frau ab und fügte hinzu: „und wer sich umbringen will, ruft vorher auch nicht an. ich hab gleich gesehen, als ich hier reinkam, daß alles so aufgeräumt ist. und dann haben sie noch solch eine schöne frau.“ er klebte wieder mit seinen augen an meiner frau. „wir haben auch gleich noch in den schrank geguckt und unter die betten und im keller nachgeschaut. wohnen sie auch hier?“ fragte der notarzt meine frau. „ja.“ sagte sie. „ja klar, wohnt sie hier.“ schmiß ich meinen kippen ins trinkglas. „wie lange haben sie das schon, die krankheit?“ fragte der polizist. „fünf jahre.“ antwortete ich. „einfach so gekommen?“ fragte er nach. „einfach so gekommen.“ sagte ich und steckte mir, den kopf hängen lassend, eine weitere zigarette an. „gut, daß du dich nicht aufgeregt hast, sonst hätten die dich noch mitgenommen, und ich hätte in die klinik zur geschlossenen station gemußt, um dich zu besuchen, und wer weiß, ob die mich da überhaupt so ohne weiteres zu dir reingelassen hätten, oder die hätten mich auch noch mitgenommen und in einer zelle bei der polizei verwahrt.“ sagte meine frau immernoch aufgeregt zu mir, nachdem die nun eingangstürlose wohnung von all Wasser-Prawda | September 2014 den buntuniformierten rettungskräften entvölkert war. ich hatte die ganze zeit einfach nur dagesessen und geraucht, ab und an war ich ein paar meter zwischen den leuten auf und ab gelaufen, hatte mir ein neues glas wasser für die kippen geholt, weil ich das alte einfach übersah, irgendwie nicht mehr fand. auf die idee mir stattdessen einen aschenbecher zu holen, kam ich nicht. ich konnte mich nichteinmal aufregen, es ging in meinem zustand nicht. die depression lähmte mich zusehends, so, als wenn ich mit einer lähmenden flüssigkeit aufgespritzt worden wäre, die sich von minute zu minute mehr in mir ausbreitete. dann ging es wieder halbwegs einen augenblick, bis eine neue imaginäre injektion mich lähmend heimsuchte, im hirn, im körper, überall. in mir hätte sich nicht einmal eine reaktion breitgemacht, wenn ein aufgeschlitzter mensch bei mir im wohnzimmer gelegen hätte. ich kannte das. es war genauso, als wenn ich mir in dieser mich schon so lange heimsuchden depression eine möse anschauen würde, libidokabel gekappt, butter wie margarine, möse wie radiergummi, ich konnte nichts mehr damit anfangen, weder radieren noch reagieren. verdammt, ich saß da, die bude war wieder leer, aber mir war immernoch so, als wenn vereinzelt leute durch die bude huschten, mich hin und wieder verharrend anstierten, keiner wollte mehr wirklich etwas von mir, aber dennoch waren sie da. sie waren da, die alten gedankenspiralen drehten sich in meinem kopf, bohrend und zwingend, spiralten sich drehend, schlängelten sich durch mein hirn hindurch wie durch die löcher eines fleischwolfes gezwängt, genudelte hirnbandwürmer, spiralschlängelnde schlangen im hirnfleischwolf, um mich dann wie immer, die immer gleichen unverrückbaren feststellungen treffen zu lassen, mich denkend wortlos sagen zu lassen, daß, in welchem augenblick oder welcher situation auch immer, kein unterschied bestehen würde, ob eine möse ein- oder ausgepackt vor mir war. ich empfand nur butter oder margarine, margarine wie butter, wenn ich auf eine möse schaute, wußte zwar, daß margarine nicht dasselbe war wie butter, konnte aber keinen unterschied empfinden. warum ließ mir das gerade jetzt keine ruhe, ich hatte doch ständig noch unzählige andere zwangsgedanken, warum machten mir gerade diese jetzt auch noch zusätzlich so zu schaffen? was für eine bescheuerte und SPRACHRAUM widerliche, mich um mein leben betrügende erkrankung. was hatte es mich am frühen nachmittag kraft gekostet, bei der sprechstundenhilfe in der ambulanz anzurufen, um mich beim arzt abzumelden. die arme waren nicht zu bewegen gewesen, ich hatte zusammengefallen dagesessen, in tiefster erschöpfung und unter quälenster depressionssymptomatik vor mich hin gejammert und in einem heulenden sprechgesang zu meiner frau gesagt: „laßt mich doch einfach alle in ruhe!“ der telefonhörer hatte neben mir gelegen, sechsmal war besetzt gewesen, noch ein weiterer kraftüberfordernder anlauf, wieder besetzt, erneut letzte kräfte mobilisiert, den antrieb ähnlich einem reservekraftakt bündelnd, nochmals anrufen: „tag, hier ist jürgen landt, ich habe heute einen termin beim doktor. ich fühle mich aber zu kraftlos um den termin heute wahrnehmen zu können. sind sie so nett und sagen ihm bitte bescheid, daß ich heute nicht komme, damit er mich in anführungszeichen nicht vermißt?“ „mach ich.“ hatte sie geantwortet und aufgelegt, und meine frau hatte es tatsächlich geschafft, daß ich mit zum einkauf stolperte, mich am einkaufswagen und jeder regelreihe festhielt, beim gehen in zeitlupe erstarrt und im supermarkt im zerspringen meines kopfes und in brechreizen zwischen wortfetzen würgend gejammert hatte… butter wie margarine, die leute in unserer wohnung. stundenlang, butter wie margarine. die tür im flur samt rahmen und mauerwerk, tapetenfetzen, wolken aus kalkstaub, abgerissene wechselsprechanlage… ’sonja’-bratenfett, butter wie margarine, nur die französische butter mit den salzklumpen drin wie kristallzucker sah ich überhaupt nicht zwischen all dem fett. und die mindesthaltbarkeitsdauer der noch nicht geöffneten salzbutter in unserem kühlschrank war bestimmt auch schon lange überschritten… würde heute abend noch ein tischler kommen und die tür vor unsere wohnung stellen, irgendwie provisorisch befestigen? und wann würden die maurer kommen, die maler, der elektriker, der tischler mit einer neuen tür? als ich die noch immer im flur liegende tür anhob, sah ich unsere zermatschten schuhe darunter. leute über leute waren über die tür und unsere darunterliegenden schuhe gelatscht und hatten sie regelrecht zertreten. ich zog zwei schuhe jeweils von einem paar hervor, beulte 61 an ihnen rum, versuchte sie zurückzubeulen, dann einen von meiner frau, der absatz war verschwunden und eine tiefe steinharte beule an ihrem schuh ließ sich nicht mehr herausdrücken, die ränder der schuhe waren keine ränder mehr, zu sehr weggedrückt und eingerissen. an all die anderen drunterliegenden schuhe kam ich gar nicht ran, zu schwer die tür für mich, um sie alleine aufzurichten. und wohin auch mit dem ding? „hier blinkt ja die rote lampe am anrufbeantworter.“ entdeckte ein paar stunden später meine frau. „soll ich mal abhören?“ „von mir aus.“ sagte ich. „und welchen knopf soll ich drücken?“ „weiß nicht. irgendwas mit einem pfeil.“ eine frauenstimme meldete sich: „drei alte nachrichten. nachricht eins. dienstag neunter juli fünfzehn uhr siebenunddreißig.“ dann eine männerstimme: „hallo herr landt, felgenhauer hier, melden sie sich doch mal bei mir. ich will mal mit ihnen den nächsten termin besprechen gerne. wiederhören.“ dann wieder die frauenstimme: „nachricht zwei. dienstag, neunter juli fünfzehn uhr vierzig.“ danach nichts, nur rauschen zu hören. dann erneut die frauenstimme: „nachricht drei. dienstag neunter juli fünfzehn uhr siebenundfünfzig. abermals die männerstimme. „herr landt, äh, ich möchte sie bitten mich dringend zurückzurufen ist ganz wichtig. und zwar unter der nummer 876 786. wiederhören.“ „das war er doch, das war mein arzt. aber da waren wir doch schon lange losgefahren, waren brot holen und einkaufen.“ stellte ich in meinem dichten und von innen zugepreßten kopf fest. als meine frau am nächsten tag die tageszeitung hochholte, hörte ich: „hier, das gibt es doch gar nicht, stell dir mal vor, was hier steht! hör dir das mal an. was die hier über uns in der zeitung schreiben.“ und sie las vor: Großeinsatz in der Feldstraße Greifswald – Zwei Feuerwehren, Kranken- und Notarztwagen sorgWasser-Prawda | September 2014 62 SPRACHRAUM ten gestern am späten Nachmittag in der Feldstraße für Aufregung bei Bürgern. Wie die Leitstelle auf Nachfrage der OZ informierte, erfolgte der Großeinsatz wegen des Verdachts auf Suizid. Ein Mann sei nicht ans Telefon gegangen und habe nicht die Tür geöffnet. In so einem Fall würden immer Notarzt, Polizei und Feuerwehr zum Einsatz kommen. mir ging es nicht anders als am tag zuvor. ich konnte einfach nicht mehr. die depression schlug mir die beine unterm rumpf weg, ließ mich beinlosgefühlt nicht laufen können. dennoch konnte ich aus meinem zugeleimten und dichtgeschraubten hirn hervorbringen: „das geht so nicht, ich muß da anrufen, so geht das doch nicht.“ meine frau drückte mir sofort das telefon in die hand und nannte mir die einzutippende nummer. es meldete sich jemand von der ostsee-zeitung. sätze formierten sich aus meinem kopf ins telefon: „ich muß das hier mal klarstellen. ich bin der von gestern aus der feldstraße, über den sie heute berichten. dieser großeinsatz. und sie berichten über die aufregung bei den bürgern. ich war und bin aber nicht suizidal. und hab mich auch nicht umgebracht. ich hatte meinen arzttermin abgesagt, weil ich mich zu kraftlos fühlte, um ihn wahrnehmen zu können. hatte ich alles der schwester im ambulanten institut, also in der institutsambulanz, telefonisch mitgeteilt, und auch, daß sie das bitte dem arzt mitteilen soll, damit er mich in anführungszeichen nicht vermißt. dann hat mich aber meine frau motiviert, mit zum einkaufen zu kommen, so etwa eine stunde nach meinem anruf. und dann sind wir los, und der arzt hat versucht mich anzurufen, auch so nach einer stunde, wir waren aber noch unterwegs, und als wir mit den einkaufstüten wieder eintrafen, war die tür schon eingetreten, samt rahmen und mauerwerk, lag alles in der wohnung, tapetenfetzen, abgerissene wechselsprechanlage, und die ganzen leute hier in der wohnung, alles ein mißverständnis. wär nicht schlecht, wenn sie das nochmal richtigstellen.“ „das ist ja interessant, so geht das ja wirklich nicht.“ hörte ich eine männliche stimme. Wasser-Prawda | September 2014 und einen weiteren morgen darauf las meine frau mir vor: Missverständnis löst Einsatz aus – Mann hegt keine Suizidgedanken Greifswald – Der Großeinsatz von Polizei, Feuerwehr und Notarzt in der Feldstraße am Dienstag ist auf ein Missverständnis zurückzuführen. Die Rettungskräfte rückten aus, weil sie den Auftrag bekamen, einen angeblichen Selbstmord zu verhindern (die OZ berichtete). Allerdings hegte und hegt der Mieter, dessen Wohnungstür im Zuge des Einsatzes aufgebrochen wurde, keinerlei Selbstmordgedanken, wie er der OZ versicherte. Am Dienstag hatte der Mann eigenen Angaben nach einen Arzttermin abgesagt, weil er sich an jenem Tag zu kraftlos fühlte. Wörtlich sagte er der Assistentin: „Sagen Sie dem Arzt Bescheid, damit er mich nicht vermisst.“ Danach motivierte ihn seine Frau, trotzdem zum Einkaufen mitzukommen. In dieser Zeit muss wohl der Arzt versucht haben, den Mann anzurufen. Weil sich am Telefon niemand meldete, wurde die Leitstelle informiert und der Einsatz ausgelöst. Als der Mann mit seiner Frau später die Einkaufstüten hochtrug, waren die Rettungskräfte schon wieder abgezogen. Die Tür lag in der Wohnung, Tapete und Mauerwerk sind beschädigt und müssen nun instandgesetzt werden. nun gut, die tür wurde nicht aufgebrochen sondern samt rahmen und mauerwerk eingetreten, die wechselsprechanlage und tapeten runtergerissen, ich hatte nicht SPRACHRAUM nur einkaufstüten in den händen sondern auch noch klorollen unterm arm, die rettungskräfte und polizei waren noch über eine stund da, und die assistentin war keine assistentin, sondern die schwester im anmeldebüro der klinikambulanz, die dem arzt die patientenakten auf einen stapel legt, „scheiß drauf, aber beinah alles richtig.“ durchschaute ich und hörte mein brennen im kopf und in sämtlichen knochen dieses schädels als seien es geräusche. der arzt meldete sich weder am nächsten tag und auch in den nächsten tagen nicht mehr bei mir, und als ich einen termin bei seiner sekretärin vereinbarte, sagte sie: „das muß schnell gehen, nicht wahr?“ „ja.“ sagte ich erschöpft. „dann kommen sie morgen um 14.00 uhr.“ „danke.“ japste ich. doch am nächsten morgen rief sie an und gab mir einen termin zum ende des monats. „aber das ist doch noch so lange?“ „in vierzehn tagen.“ sagte sie, und vor erschöpfung fiel mir der hörer aus den händen. der arzt bestrafte mich. hatte er doch oftmals gesagt: „wenn was ist, wenn was sein sollte, wenn es ihnen nicht gut geht, rufen sie meine sekretärin an und sie sagt mir umgehend bescheid, sie können dann sofort oder so schnell wie möglich zu mir kommen.“ doch es gab seit fünf jahren keinen einzigen tag mehr, an dem ich nicht den schlimmen symptomatiken und zuständen unterlag, und wenn ich zu ihm ging, dann kam in aller regel: „soll ich sie einweisen? ich weise sie ein! dann können sie sich mal aus allem rausnehmen und zur ruhe kommen.“ „nein, nicht einweisen. in der psychiatrie kommt man doch nicht zur ruhe. und ich kann mich doch nicht aus mir selbst herausnehmen. das ist doch in mir. ich, ich bin doch in mir, wie soll ich mich denn rausnehmen. und stationäre psychiatrie, das ist doch der pure stress.“ und jedesmal seine frage: „haben sie suizidale gedanken?“ und einmal hatte er mir erklärt, daß das einen guten psychiater ausmache, daß ein guter psychiater seinen patienten jedesmal und unbedingt nach seinen suizidalen gedanken zu befragen hätte. doch was hätte es genützt, ihm meine schwere suizidalität 63 jedesmal zu bejahen. es hätte einen aufenthalt auf der geschlossenen station eingebracht und nach jeder entlassung aufgrund der ständigen suizidalität die nächste einlieferung auf die geschlossene station, und die nächste, und die nächste und eine weitere, und weitere, und weitere… nachdem ich mich am monatsende zur sprechstunde geschleppt hatte, sprach er am ende des gespräches, bereits im aufstehen begriffen, die aktion an. „keiner hat schuld.“ hechelte ich. „doch, sie haben schuld, daß das passiert ist. wir haben ein abkommen.“ „ja, wir haben gesagt, wenn ich den suizidalen schüben, der suizidalität nicht mehr herr werde, das nicht mehr aushalte, komme ich her. und ich habe die sprechstundenhilfe angerufen und mich abgemeldet, zu ihr gesagt, daß ich mich kraftlos fühle und den termin heute nicht wahrnehmen kann, sie ihnen bescheid sagen soll, damit sie mich in anführungszeichen nicht vermissen.“ „da sehen sie, wie sie sich verhalten haben, ich ruf sie dann auch noch an und sie gehen nicht ans telefon, da muß ich dann als guter arzt so handeln. was meinen sie, wie man mich als arzt wahrnehmen würde, wenn sie dann da gehangen und ich nichts unternommen hätte.“ „meine frau hat mich irgendwann motiviert, zum einkauf mitzukommen, mich mitgenommen, wie auch immer, und dann müssen wir uns um ein paar minuten verpaßt haben, ich war ja noch fast eine stunde zuhause, saß kraftlos erstarrt auf dem hocker vor dem telefon. keiner hat schuld.“ keuchte ich und hörte noch einmal: „sie haben schuld. was wäre ich denn für ein arzt, wenn ich am nächsten tag höre, sie haben sich suizidiert, und es kommt raus, daß sie vorher hier bei mir angerufen und gesagt haben, daß sie keine kraft mehr hätten.“ zehn tage lang rückten frühmorgens die handwerker an. manchmal schlief ich trotz ’zopiclon’-’tavor’- und ’faustan’-cocktail erst gegen fünf uhr morgens ein, die handwerker betraten gegen 7 uhr den korridor, schwangen ihre maurerkellen, sägen und pinsel, irgendwann hatten wir eine neue tür und eine neue wechselsprechanlage, die aber schon nach drei tagen nicht mehr funktionierte. die zerquetschten schuhe schmiß ich weg. Wasser-Prawda | September 2014 64 SPRACHRAUM DIE VESTALINNEN Eine Reise um die Erde. Abenteuer zu Wasser und zu Lande. Erzählt nach eigenen Erlebnissen. Band 1. Von Robert KraŌ 15. DAS GERICHT IN DER WÜSTE Vor dem Zelte Mustaphas drängten sich die Beduinen und harrten gespannt der kommenden Enthüllungen. Schon gestern abend hatten einige von ihnen den Auftrag bekommen, Hassan, der jetzt noch arglos schlief, scharf zu beobachten und seine etwaige Entfernung aus dem Lager zu verhüten. Desgleichen waren andere damit beschäftigt, über das Treiben Dahabs zu wachen. Hassan lag noch träumend auf seinem weichen Teppich, als plötzlich der Vorhang des Zeltes zurückgeschlagen wurde und ihm jemand den herrischen Befehl gab, sofort aufzustehen und zum Scheich zu kommen. »Was soll‘s?« rief Hassan, sich die Augen reibend. »Können diese reisenden Franken ihren Weg nicht allein finden? Soll Hassan ihnen wieder einmal als Wegweiser dienen?« »Gehorche und komme!« sagte drohend der Beduine. Jetzt ward Hassan stutzig. Er sah, daß vor dem Eingange seines Zeltes mehrere Mäuner standen, bereit, ihn in Empfang zu nehmen. Sein böses Gewissen machte das Herz schneller schlagen. Eiligst stand er auf, schlug den Burnus um die Schultern und trat aus dem Zelt. Sofort nahmen ihn zwei Männer in die Mitte, führten ihn nach dem Zelt des Scheichs, und Hassans Gesicht entfärbte sich, als er sah, daß ein Gericht abgehalten werden sollte, und daß er der zu Verhörende sei. Wasser-Prawda | Juni 2014 Mustapha saß mit gekreuzten Beinen auf einem Teppich; neben ihm stand eine der Damen, welche gestern gekommen waren, und sprach in einer fremden Zunge zu dem sie begleitenden Neger. Rings um diese Gruppe scharten sich die Stammesgehörigen, aber nur die Männer, die Weiber durften an derartigen Versammlungen nicht teilnehmen. Auf der einen Seite standen die männlichen Gäste, auf der anderen die Damen. Diese verfluchten Franken! Was führte sie hierher, ein Gericht zu veranlassen? Hatte er sie betrogen? Hatte er ihnen schlechte Pferde verkauft? Nein, er kannte sie gar nicht! Sein Auge schweifte unwillkürlich über die Versammlung hinweg. Wie gewöhnlich, so standen die Pferde der Gastfreunde auch hier um das große Zelt des Scheichs, die Zügel nur leicht über eingerammte Pflöcke geworfen. Zwischen ihnen erkannte Hassan auch das dem Dahab gehörige. Sofort suchte er diesen unter den Zuschauern, und bald hatte er ihn herausgefunden. Auch Dahabs Gewissen schien nicht ganz rein, denn es gelang ihm nur schwer, seine Aufregung zu verbergen. Die Arme übereinandergeschlagen, die schmalen Lippen fest zusammengepreßt, starrte er finster vor sich hin und würdigte seine Umgebung keines Blickes. Da begegneten seine Augen denen Hassans, und dieser bemerkte, SPRACHRAUM wie jener leicht zusammenzuckte. Neben ihm stand sein Vater, der Scheich eines Stammes der Bauiti, ein ehrwürdiger, guter und allgemein beliebter Mann. Jetzt trat Hassan vor Mustapha. Er hatte seine Fassung wiedergewonnen; beweisen konnte man ihm nichts, er hatte die Fremdlinge noch nie gesehen, Salim war noch nicht zurück – es war zweifelhaft, ob er überhaupt je wiederkam – und so mußte die Versammlung sicher verschoben werden. Aber er wollte nicht warten, sondern sobald wie möglich für immer verschwinden; der Boden fing an, ihm unter den Füßen zu brennen. Frech blickte er dem alten Scheich ins Gesicht. Die Einleitung zu der Verhandlung mußte schon vor seiner Vorführung begonnen haben, denn Mustapha erhob sofort die Anklage gegen ihn. »Vor sechs Monaten,« begann er mit vor Erregung zitternder Stimme, »wurden mein einziges Kind, Sulima, und ein anderes Mädchen, Seddah, mit Gewalt von fremden Räubern entführt, welche sich als Reisende ausgaben und meine Gastfreundschaft beanspruchten. Durch List gelang es ihnen, unsere jungen Männer aus dem Lager zu entfernen, dann führten sie ihren verruchten Plan aus. Ist dir dies bewußt?« »Ja,« entgegnete Hassan, »und ich ...« Der Scheich winkte ihm zu schweigen. »Diese edle Dame hier,« er wies dabei auf die neben ihm stehende Ellen, »kommt weit aus dem Abendlande her, um dich, Hassan-ben-Tomar, zu beschuldigen, du habest jene Räuber angeworben.« Hatte man erwartet, diese offene Anklage würde Hassan niederschmettern, so war man jetzt enttäuscht, daß sie nicht den geringsten Eindruck auf den abgefeimten Spitzbuben machte. »Mich?« rief er erstaunt aus. »Wo ist Seddah, daß sie bezeuge, wie gerade ich es gewesen bin, der alle seine Kräfte aufgeboten hat, um die Mädchen wiederzubekommen, und daß es mir auch gelungen ist, sie zu befreien, oder doch wenigstens die eine.« Er warf einen Blick um sich, als suche er Seddah, sah aber dabei Dahab an, der ihn mit drohenden Augen anstierte. Hassan hatte geahnt, daß diese Anklage gegen ihn erhoben würde, jedenfalls waren diese Fremdlinge der verkauften Sulima irgendwo begegnet, und diese, welche ihm nie günstig gestimmt gewesen war, hatte die 65 Vermutung ausgesprochen, daß er bei ihrer Entführung die Hand im Spiele gehabt habe. Aber die Sache war nicht so schlimm; denn Beweise konnten nicht gebracht werden, selbst wenn Sulima plötzlich wieder erschienen wäre. Ebenso dachte Dahab, er fühlte sich vollkommen sicher. »Wo ist Seddah?« fragte er wieder. »Wir kennen ihre Geschichte genügend, als daß wir sie noch einmal anhören müßten,« entgegnete der Scheich, »aber wir kennen auch deine Schlauheit, mit der du uns schon oft hintergangen.« »Beweise,« rief Hassan trotzig. »Sie sollen dir werden.« Der Scheich winkte, und Salim trat hinter dem Zeltvorhang hervor. Ein Gemurmel ging durch die Reihen der Beduinen, Hassan zuckte unmerklich zusammen, wechselte einen Blick mit Dahab und sah, wie dieser die Farbe verlor. »Dieser ist es,« rief Salim und deutete auf Hassan, »der die Räuber gedungen, er hat Sulima verkauft, und weil er für die pockennarbige Seddah keinen Käufer fand sich dann den Anschein gegeben, als hätte er dieselbe befreit.« Doch Hassan blieb ungerührt, er lächelte höhnisch. »Mein Sohn,« redete der Scheich Salim an, »bedenke, was du sprichst! Du urteilst über Leben und Tod eines unserer Stammesgenossen. »Es ist so,« rief aber Salim. »Ich kam in ein Hafenstädtchen und erfuhr dort, daß ein Mann, dessen Beschreibung auf Hassan paßte, vor kurzem mit einem Türken Verhandlungen angeknüpft habe. Dieser aber war in jener Stadt unter den Arabern allgemein als Sklavenhändler bekannt, der sich hauptsächlich mit Mädchenkäufen abgab. In derselben Nacht noch, als Hassan mit diesem gesehen worden ist, wurde aus einem Hause ein Mädchen geholt und an Bord des Sklavenschiffes gebracht, während einige Tage später aus demselben Hause eine andere – es war Seddah – nach einer Stadt, welche etwa zwei Tagereisen weiter südlich liegt, geschleppt wurde. Hier erschien bald darauf Hassan abermals und will, wie er erzählt, Seddah mit Hilfe von geworbenen Helfern durch Gewalt ihren Entführern entrissen haben.« Wasser-Prawda | Juni 2014 66 SPRACHRAUM »Ist dies nicht wahr?« rief Hassan triumphierend. »Ruft Seddah, daß sie es bestätigt!« »Was aber sagst du zu dem ersten Teil der Beschuldigung?« fragte der Scheich streng. »Er ist erlogen,« entgegnete der Heuchler entrüstet. »Es giebt noch andere Leute, welche so aussehen, wie ich. Eine Ungerechtigkeit ist es, daß auf die leere Aussage fremder Personen ein Unschuldiger auch nur des Verbrechens verdächtigt wird.« »Ist dir auch dies eine fremde Person?« fragte der Scheich und wies dabei auf den Eingang des Zeltes, in welchem in diesem Augenblick Sulima erschien. Ein allgemeiner Freudenschrei der Beduinen bewillkommnete die Wiedergefundene. Mustapha, wie auch Ellen, beobachteten den Delinquenten scharf, aber dieser hatte seine Züge so in der Gewalt, daß in ihnen eher ein freudiges Erstaunen, als Schrecken zu lesen war. »Sulima!« rief er in herzlichem Tone. »Wie mich das freut, daß du gerettet worden bist!« Ellen wurde unruhig; sie hatte erwartet, daß diese Begegnung mit Sulima einen anderen Eindruck bei Hassan hervorrufen würde. Sulima deutete mit ausgestreckter Hand auf Hassan. »Diesen Mann dort habe ich vom Fenster des Zimmers, in dem ich gefangen gehalten wurde, dabei beobachtet, wie er von einem Türken Goldstücke ausgezahlt bekommen hat.« »Wie willst du mich erkannt haben, wenn es Nacht gewesen ist?« unterbrach sie Hassan, verlor aber doch für eine Sekunde seine Fassung, als er sich der Unklugheit bewußt wurde, die er eben begangen. Aber es war zu spät, den Sinn des Satzes zu ändern. Mustapha war aufgestanden und maß den Menschen der eine solche Entrüstung heucheln konnte, mit drohenden Augen. »Wenn es Nacht gewesen ist?« wiederholte er langsam, Wort für Wort eigentümlich betonend. »Woher weißt du denn, Hassan, daß der Handel zwischen dem Türken und dem Betreffenden, der dir so ähnlich sah, des Nachts abgeschlossen wurde?« Hassan hatte schnell seine Frechheit wieder gefunden. »Nun, hat dir‘s Sulima nicht vorhin selbst gesagt?« fragte er die anderen Zuhörer. Wasser-Prawda | Juni 2014 Er warf dabei einen Blick auf Dahab, als hoffe er, daß dieser die Behauptung bejahen würde, aber derselbe preßte die Lippen fest zusammen und beobachtete mit glühenden Augen den Angeschuldigten. Von ihm hatte er also keine Unterstützung zu erwarten. Ein drohendes Murmeln ging durch die Reihen der Beduinen. »Du siehst, daß du dich selbst gefangen hast. Gestehe die Wahrheit, gieb deine Mitschuldigen an, und deine Bestrafung soll eine mildere sein!« Wieder streiften Hassans scheue Augen Dahab. Fast war es, als ob dieser sprechen wollte, aber er schwieg. »Du beharrst beim Leugnen? Gut so –« »Wo sind Beweise?« unterbrach ihn aber Hassan trotzig. »Ich bin ein Beni Suef, zwei Zeugen verlange ich, die mich gesehen haben wollen und wider mich auftreten.« »Bursche,« entgegnete der Scheich drohend, »wir kennen deinen tückischen, dir vom Teufel eingegebenen Geist. Seit Jahren hast du uns betrogen und unseren Gewinn geschmälert. Dein Geiz, deine Habsucht sind zu bekannt, um dir nicht auch einen Raub an unseren eigenen Jungfrauen zuzutrauen.« »Beweise,« beharrte Hassan, dessen einzige Hoffnung noch darauf beruhte, daß solche nicht gebracht werden konnten; denn Sulimas Aussage genügte umsoweniger, als sie ein Weib war, welches bei den Muhamedanern eine untergeordnete Stellung einnimmt. »Wir werden deine Zunge gelenk zu machen wissen,« rief der Scheich jetzt erregt, »du weißt, es steht mir die Macht zu, dich zum Geständnis zu zwingen.« »Nicht einen unseres Stammes,« stammelte Hassan erschrocken. »Du bist wohl zum Scheich erwählt, aber deine Herrschaft hat Grenzen.« »Elender Wicht,« donnerte der Scheich, »auch deiner Frechheit ist ein Ziel gesetzt. Wisse aber, nicht ich richte dich, sondern die Männer der Beni-Suef, und sie sind damit einverstanden, daß du die Bastonnade erhältst, bis du gestehst.« Sofort fühlte sich Hassan von hinten umfaßt und zu Boden geworfen. Das war zuviel für den dreisten, aber feigen Beduinen. Schon wurden ihm die Sandalen von den Füßen gerissen, er wollte noch einen hilfesuchenden Blick auf den jungen Scheich der Bauitis richten, aber SPRACHRAUM 67 Wasser-Prawda | Juni 2014 68 SPRACHRAUM dessen Platz war leer. Da gellte es entsetzt von seinen Lippen: »Gnade! Nicht ich bin der Urheber des Streiches, Dahab hat mich dafür bezahlt.« »Dahab!« schallte es wie ein Echo ringsum. »Dahab! Ich dachte es mir,« flüsterte dessen Vater, mit der Hand nach dem Herzen fahrend. »Haltet Dahab, er will f liehen,« heulte wieder Hassans vor Angst heisere Stimme; er fühlte schon in Gedanken die Schläge des Rohres, das bei jedem Hieb die Fußsohlen blutig reißt. Da vernahm man plötzlich auf dem weißen Sande, fast unhörbar, die Galoppsprünge eines Pferdes, das durch die Zeltgasse jagte, aber an der Menge erst vorüber mußte. Im nächsten Moment sauste ein braunes Roß vorbei, und auf seinem Rücken saß Dahab, der das Tier in Carriere rücksichtslos durch die überraschten Beduinen trieb. »Haltet ihn! Er ist der Schuldige!« brüllte Hassan, der ihn sah. »Haltet ihn!« schrieen jetzt auch die übrigen Männer, aber es war fast zu spät, der Schurke hatte den Ausgang der Zeltgasse erreicht. Schon war er im Freien, als zwei Araber von beiden Seiten hinzusprangen, um dem Pferde in die Zügel zu fallen. Doch da blitzte es links und rechts zu gleicher Zeit auf, ein Krachen erscholl, und lautlos sanken die beiden Beduinen in den Sand. Dahab ließ zwei Leichen hinter sich. Noch standen alle vor Schrecken über dieses neue Verbrechen im Lager wie erstarrt, als wieder der Hufschlag eines flüchtigen Pferdes gehört wurde. Ein Grauschimmel schoß an ihnen vorbei, aber kein Mann saß im Sattel, sondern ein Weib. »Ellen!« schrie Harrlington aus. »Ist dieses Mädchen wahnsinnig? Ihr nach!« Alle Männer stürzten jetzt nach den Pferden, schwangen sich auf und setzten den beiden nach, aber Lord Harrlington, allen anderen voran, sah sofort, daß Ellen kein Beistand zu leisten war, denn ebenso wie der edle Vollbluthengst Dahabs, so übertraf auch ihr prächtiger Grauschimmel alle übrigen Pferde bedeutend an Wasser-Prawda | Juni 2014 Schnelligkeit. Schon hatten sie einen großen Vorsprung, eine Kugel hätte den Flüchtigen nicht mehr erreicht, während Ellen von Dahab nur etwa dreißig Meter entfernt war und sich ihm immer mehr und mehr näherte. Dennoch stürmte Harrlington beiden nach, ihm zur Seite Salim, der vor Wut mit den Zähnen knirschte. Plötzlich stieß der Lord einen Schreckensruf aus. Deutlich konnte er wahrnehmen, wie Dahab die Zügel seines jagenden Rosses fahren ließ und sich mit dem Laden seiner Pistole beschäftigte, aber zugleich zeigte auch Ellen ein sonderbares Benehmen. Auch sie ließ dem Grauschimmel freien Lauf und schien, vornübergebeugt, mit irgendetwas beschäftigt. Harrlington stöhnte auf und drückte dem Tiere verzweifelt die Sporen in die Weichen. Immer weiter hatten sich die beiden entfernt, aber doch konnte er noch deutlich wahrnehmen, wie sich jetzt Dahab im Sattel wendete und auf Ellen anschlug. Doch was war das? Warum erhob sie ihre Hand und schien dem Flüchtling zu winken? Sie hätte ihn doch vom Pferde schießen können? Der Lord wußte, daß Ellen stets einen Revolver bei sich führte. Eben hob Dahab den Arm zum sicheren Schuß, da riß plötzlich Ellen ihr Pferd zurück, und gleichzeitig wurde der Beduine wie durch Zauberkraft aus dem Sattel geschleudert. Ellen lenkte um, hinter sich den Körper Dahabs nachschleppend. Jetzt verstand Harrlington die Handlung des Mädchens. Ellen hatte einen Lasso bei sich gehabt, jenen geflochtenen Ledergurt, und er erinnerte sich auch, daß sie bei den Cow-boys aufgewachsen war und von diesen wahrscheinlich den Gebrauch der Wurfschlinge gelernt hatte. Aber ein solches Geschick und solche Kaltblütigkeit, im letzten Augenblick den Flüchtling zu Boden zu werfen, hätte er ihr nicht zugetraut. »Sie sind diesmal mit mir zufrieden, Lord?« fragte sie lachend, als er sie erreicht hatte. »Sie stürzen sich in unnütze Gefahren, Miß Petersen,« antwortete dieser. »Was kümmerte es sie, ob Dahab entkam oder nicht?« »Wer so wie ich viele Jahre unter Cow-boys gelebt und mit ihnen stets verkehrt hat, dem geht diese Lust am wilden Jagen ins Blut. Außerdem war für mich durchaus SPRACHRAUM keine Gefahr vorhanden, ich konnte den Flüchtling jederzeit vom Pferde holen; meine Lehrmeister würden mich allerdings, wenn sie Zuschauer gewesen wären, getadelt haben, daß ich nicht gleichzeitig das Tier mit gefangen habe. Sie sehen, ich passe besser in die Wüste oder in die Prärie als in große Städte; hier würde es nicht so schwer sein, mich zu überwältigen. Doch was macht mein Gefangener? Ihm wird während meines Trabes übel mitgespielt worden sein.« Das war allerdings der Fall. Der Lasso hatte die Arme Dahabs fest an dessen Seiten geschnürt, sodaß er sich nicht hatte aufrichten können, sondern wehrlos nachgeschleift worden war. Hätte der Boden nicht aus weichem Sand bestanden, so würde er wohl noch anders zugerichtet gewesen sein, aber auch so zeigte sein Gesicht blutende Streifen. Die Beduinen umringten den Gefangenen und nahmen ihm die Lederschleife ab; an Flucht war jetzt nicht mehr zu denken. Die Augen stier zu Boden geheftet, so schritt er stumm und den Kopf gesenkt, nach dem Lager zurück. Als er an dem Scheich der Bauitis vorbeigeführt wurde, hob er den Kopf, doch sein Vater wandte sich um und spuckte verächtlich vor dem Mädchenräuber aus. Also auch sein Vater verurteilte ihn. So hatte er keine Hoffnung mehr. Unter den Beduinen Arabiens und Nordafrikas herrscht ein äußerst ritterlicher Sinn. Wohl berauben und plündern sie Karawanen, welche den Durchgangszoll durch das Gebiet der einzelnen Stämme verweigern, und geben die gefangenen Männer und Frauen nur gegen ein Lösegeld heraus, wohl führen sie einer Kleinigkeit willen blutige Kriege gegen einen Nachbarstaat und, wenn dieser besiegt ist und einen an Vieh und Geld geforderten Betrag nicht geben will, vernichten sie ihn, die erbeuteten Frauen und Mädchen als Eigentum in Beschlag nehmend, aber dies alles nennen sie keinen Raub, sondern ihr Recht. Die That hingegen, die Dahab ausgeführt hatte, ein Mädchen von einem befreundeten Stamme, mit dem die Bauitis in Frieden und Tauschhandel leben, durch List, Gewalt oder gar durch bezahlte Wüstenräuber entführen zu lassen, das war eine für einen Beduinen über alle Begriffe schmachvolle Handlung. Hätte Dahab sein Leben aufs Spiel gesetzt, um sich in den Besitz des Mädchens zu bringen, welches 69 er liebte, so wäre er weniger hart beurteilt worden. Unterdes hatte Sulima noch erzählt, wie sie einst nur durch Salims Dazwischenkunft vor Dahabs Frechheit bewahrt geblieben sei, was vollends den Ausschlag gab. Desgleichen schilderte nun Hassan, wie Dahab ihm zehn Goldstücke gegeben und ihm die doppelte Summe versprochen habe, wenn er Sulima in seine Gewalt bringe, alle Unkosten würde er extra zurückerstatten. Er, Hassan, habe nun Wüstenräuber, wie sie immer in der Nähe von Städten käuflich sind, gedungen, Sulima zu entführen, und, um gleich mehr Profit von dem Geschäfte zu erlangen, auch noch eine andere rauben lassen. In jenem Hafen aber, den die Räuber zuerst erreichten, und wohin er bald nachfolgte, hatte ihm ein türkischer Mädchenhändler für Sulima eine sehr hohe Summe geboten, sodaß er beschloß, Dahab um die Beute zu prellen. Er verkaufte sie, spiegelte Dahab vor, Sulima sei ihm von anderen mit Gewalt abgenommen worden, und ließ Seddah nach einer abgelegenen Stadt bringen, wo er sie dann, dem Anscheine nach, befreite, um so einen etwaigen Verdacht von sich abzulenken. Dahab hatte ihm zwar nie recht geglaubt, aber er fühlte sich als Mitschuldiger, vielmehr als Veranlasser zu dem Mädchendiebstahl und hätte ihn in Ruhe gelassen, hoffend, daß alles in Dunkel gehüllt bliebe. Hassan habe immer vermieden, mit Dahab unter vier Augen zusammenzutreffen; denn er kannte dessen tückischen Charakter und wußte, daß derselbe nur auf eine Gelegenheit lauerte, den Mitwisser seiner Schuld für immer stumm zu machen. Als die Verfolger zurückgekommen waren, teilte Salim auch noch den Ueberfall unterwegs durch die fremden Araber mit, und Hassan gestand, daß er von Dahab beauftragt worden wäre, Salim aus der Welt zu schaffen, da er doch etwas von Dahabs Plänen erfahren haben könnte, und außerdem, weil dieser den Jüngling wegen jener Züchtigung glühend haßte. Die ganze Schlechtigkeit Dahabs schien heute mit einem Male an den Tag zu kommen; die Entrüstung der Beduinen war aufs höchste gestiegen. Der alte Scheich der Bauitis verließ mit seinen Begleitern das Lager, er wollte dem Gericht über Dahab nicht beiwohnen – er hatte keinen Sohn mehr. »So führt Dahab vor,« rief jetzt Mustapha, »er ist uns Wasser-Prawda | Juni 2014 70 SPRACHRAUM zur Verurteilung überlassen.« Der Scheich hatte denselben einstweilen binden lassen und in Obhut einiger seiner Leute gegeben. Sofort sah man, wie zwei Männer in einem Zelt verschwanden und bald darauf den Körper Dahabs heraustrugen, ihn stumm zu den Füßen des Scheichs hinlegend. Kaum hatte dieser ihn erblickt, als er von seinem Teppich aufsprang und im Tone des Unwillens ausrief: »Wer hat das gethan? Wer hat den Befehl dazu gegeben?« »Wir haben es gethan,« sagte einer der Beduinen, welche Dahab getragen hatten, finster, »wir sind die Brüder der beiden Ermordeten; unser ist das Recht, ihn zu töten.« Schaudernd wandten sich die Damen ab, es graute ihnen vor dem Anblick, der sich ihnen bot; das Gewand des am Boden liegenden war über und über mit Blut bedeckt, seine Brust zeigte unzählige Dolchstiche. Der Tod, der Dahab beschieden, war schneller an ihn herangetreten, als der Scheich gewollt hatte. Aber durch die Reihen der umstehenden Beduinen ging ein beifälliges Gemurmel– die vier Männer hatten recht gehandelt. Dahab hatte ihre Brüder ermordet, und das Gesetz der Wüste, die Blutrache fordert, daß sie sich keine Gelegenheit entgehen ließen, die Seele des Mörders denen der Getöteten nachzuschicken. Ihre Handlungsweise mußte selbst der Richter billigen. Ellen ging durch die Zeltstraße, um Johanna zu suchen, welche schon seit einiger Zeit den Richtplatz verlassen hatte. Sie traf das Mädchen, als es eben mit Sulima aus einem Zelte trat, ein Buch in der Hand. »Tod und Mord,« fagte sie, »wohin man sieht, es ist selbst für meine Nerven zuviel. Ich bereue bitter, Dahab wieder eingefangen zu haben.« »Thun Sie dies nicht,« bat Sulima, »er wäre weder den Bluträchern, noch Salim entgangen. Aber mir ist es unsäglich leid, daß Sie meinetwegen Zeugin dieser Szene geworden sind. Wie soll ich Ihnen danken?« Ellen wehrte Sulima freundlich ab. »Was haben Sie einstweilen ausgeforscht, liebe Jane?« fragte sie Johanna, »Sie sind gewiß abermals auf einer neuen Spur.« »Allerdings,« lächelte Johanna, »Sulima zeigte mir Wasser-Prawda | Juni 2014 die Andenken an Salims Mutter, und da habe ich verschiedenes Wichtige gefunden. So zum Beispiel verrät die Bibel, daß Karo-hissar eine Deutsche war, denn das Buch ist in deutschen Lettern gedruckt. Ferner steht eine Widmung darin, welche auf ihren Vornamen schließen läßt. Auch eine Photographie, aber nicht ihre, und einige Briefe mit Daten, Nennung von Städten und Unterschriften habe ich gefunden, alles sehr wichtig, um auf die Spur von Karo-hissars Abstammung zu kommen. Ich werde die Nachforschungen vielleicht später selbst betreiben,« fügte sie nachdenklich hinzu. »Sie haben eine richtige Spürnase, Miß Lind,« lachte Ellen. »Wissen Sie, wenn Sie ein Mann wären, so müßten Sie Detektiv werden.« Johanna wandte sich etwas verlegen ab. »Nun, ich scherze ja nur,« fuhr Ellen schnell fort. »Es ist ein elendes Handwerk, als Spion bezahlt zu werden.« »Von Salim selbst habe ich nicht das mindeste über SPRACHRAUM seine Mutter erfahren können, nur ihr Aussehen konnte er mir sehr genau beschreiben. Man interessiert sich doch auch für die Eltern derer, denen man Teilnahme gezeigt hat.« »Gewiß,« bestätigte Ellen. »Wann gedenken Sie das Lager wieder zu verlassen?« »So bald wie möglich. Am liebsten möchte ich noch heute aufbrechen, doch die Sonne beginnt schon sich zu neigen. Aber morgen mit Tagesanbruch sollen unsere Pferde gesattelt sein – bis dahin wird uns wohl der Scheich noch Gastfreundschaft gewähren.« »So lange Sie wollen,« rief Sulima, »ein jeder Tag, den Sie und Ihre Freunde in unserem Zelte weilen, soll uns ein Tag der Freude sein. Wie können Sie nur so fragen!« Jetzt erschollen Jammertöne von dem Richtplatz aus. »Was wird das Schicksal Hassans sein?« fragte Ellen das Beduinenmädchen. »Ich weiß es noch nicht, aber getötet muß er werden. 71 Mädchenraub wird mit dem Tode bestraft, man ist dies schon mir und Salim schuldig. Er wird unter vielen Qualen sterben müssen.« »Wann wirst du mit Salim vereinigt werden?« »Wann es mein Vater will,« entgegnete das Mädchen mit einem glücklichen Lächeln. »Diesmal wird Allah nicht wieder unsere Freude stören.« »Wir wollen es hoffen.« Die anderen Damen näherten sich der Gruppe. »Es ist entsetzlich,« sagte eine, »jetzt wird Hassan draußen in der Wüste eingegraben, so daß nur der Kopf aus dem Sande hervorragt. Ueber Nacht kommen die Schakale und Hyänen, fressen erst ...« »Malen Sie diese Schrecknisse nicht aus,« unterbrach sie Ellen, sich schüttelnd. »Es giebt noch härtere Strafen für solche Verbrechen,« meinte Sulima. Wasser-Prawda | Juni 2014 72 ENGLISH The Headcutters: Blues in Brazil BY BERND KREIKMANN THE WORLD CUP IS GONE, THE HOLIDAYS ARE OVER IT‘S TIME FOR GOOD MUSIC. MANY OF US WERE IN BRAZIL AND FOLLOWED THE SOCCER FESTIVAL. I once noticed that some of my highly appreciated musicians - such as the unfortunately deceased Lynwood Slim, Dave Riley and many others - seem to love playing and touring Brazil regularly. Blues in Brazil? The real Blues fan may know Igor The country is full of music, the Prado or the harper Luciano Bocca. beautiful women dancing more or Then I stumbled across Joe Marhofer less clothed all day Samba on the and his Headcutters and I was simply streets, the sun is shining and eve- amazed. ryone in Germany is wearing leather Not too long ago I discovered that pants. Brazil is a large country with there is a lot of Blues Music in Brazil. ancient traditions. It is a country of I am happy that the frontman of the contrasts whose problems cannot be leading brazilian Blues Band The solved with a football. Wasser-Prawda | September 2014 Headcutters took his time to talk with us. Joe Marhofer is the harpplayer and frontman of the brazilian Blues Band The Headcutters. They play (international) blues festivals and toured with the likes of Phil Guy, Eddie C. Campbell, Billy Branch, Kim Wilson, Billy Flynn, Lynwood Slim, Magic Slim, Mitch Kashmar, Kenny Neal, Dave Riley and many others. Nineteen years young, Joe discovered the harp and then he formed the band The Headcutters. He says that his style was influenced by Little Walter, Sonny Boy Williamson, Big Walter Horton and ENGLISH 73 Muddy Waters. The Headcutters live the blues of the 40s and 50s. So far, there are two albums „Back to the 50‘s“ (2009) and ‚Shake that Thing“ (2013). 2011 the DVD „Sweet Home Blues“ was published. The band will take a large U.S. tour starting in the end of September 2014. They will play the famous King Biscuit Festival in Helena Arkansas. JM: Yeah…Brazil has a lot of music can find your way!! style. I can’t tell you why, the Blues BK: Please tell us about the catches us!! LOL! Headcutters. The name of the BK: So how did you find your way band sounds dangerous. to the Blues Joe? JM: hehehe!! Sound dangerous, but JM: Listening and playing a lot...and it is not!! We have chosen this name don’t forget the times we played over in tribute to the Headhunters band here with great Bluesman from the of Muddy Waters, Little Walter and USA that made us learn a lot too!! Jimmy Rogers. We are four friends who live in the BK: Why are you playing the same neighborhood since our childmusic of the 40’s and 50’s? An Interview With Joe Mar- JM: I think it was the best time the hood. We love the post war Blues. We like to record our music using hofer Blues ever had. The musicians at that analog vintage equipment including BK: Pleasure to meeting you Joe, time were very very creative and the a tape roll. This makes our sound how are you doing today? tone was awesome, different than unique and different from the most JM: Thank you Bernd I’m fine!! before or today. actual blues recordings. BK: As you know we are from BK: Isn’t it hard to live from Our first CD released “Back to 50’s” (2009) has been recorded in three Germany. We expect to get Samba, playing the Blues in Brazil? Bossa Nova and some Jazz from JM: Yeah….It’s a hard way, but if dawns in the History Museum of Brazil, not the Blues. you love to do what you do….you Itajaí (Brazil). The DVD “Sweet Wasser-Prawda | September 2014 74 ENGLISH Home Blues” (2011) captured with Full HD images has been done in an environment where the band meets regularily. It is called the “Attic Blues” and located in the Catuto’s home. The last job released was the CD “Shake That Thing” (2013) which includes the participation of some artists like Igor Prado (BRA), Omar Coleman (USA) and Richard “Rip Lee” Pryor (USA) son of legendary harmonica player Snooky Pryor. our people love the Blues. Even not all of them understand the lyrics they feel the spirit! That’s why the Blues developed to be a good business here! BK: End of September 2014 the Headcutters will tour the U.S. It is known that you love to invite U.S. greats to accompany you. Will you tell us, who it is this year? JM: This year we gonna make the trip of our lifes! It is our first great tour in BK: Well I agree Joe. When I USA and it will be a dream coming watched the totally relaxed „Sweet true!! We are gonna play with the Home Blues“ (BTW I love that Silver Kings from California, with DVD) I could not imagine the Jon Atkinson, with Omar Coleman musicians to be dangerous in a and Rip Lee Pryor (Snooky Pryor’s physical manner. son). It will be the time to learn and JM: Yeah….I learnt from the late make our Blues even better!!! great Willie Dixon …”you can’t judge a book by looking at the BK: Finally Joe, do you have any plans to tour Europe? cover…” JM: Yes, we are looking for touring BK: To be serious Joe. How would Europe next year, but nothing is you describe the Brazilian Blues settled right now. Hopefully it will scene? In our country we may meet work soon. Blues musicians like Igor Prado, I know that Luciano Boca is a great BK: Anything else you want to tell our readers Joe? harpplayer. That’s it. JM: Yeah…Brazil has a great Blues JM: I just want to say thank you for scene!! There are a lot of good musi- the help and the interview Bernd! cians doing some serious music. And I’m glad for your words about And meanwhile we have a lot of the band, We just love the Blues and good Blues Festivals here too…This we will keep it alive down here in makes the scene growing up!! I don’t Brazil and in the whole world!!! know how it was in the 80’s and I BK: Thank you so much for your know just a little bit of the 90’s, but time Joe, have a great tour. I hope I think this “internet age” makes we will meet in Germany one day the blues easier to find if you want soon. to. In Brazil it’s the same. I can say that we have great artists playing a real good Blues. I am convinced that the Brazilian passion about music fits with the Blues. More and more of Wasser-Prawda | September 2014 Review In Itajai (the Americans would say it is located in the neighborhood of Sao Paulo) has Joe Marhofer - his grandparents are from Germany - founded the Headcutters. It is a four-man Blues Band, which is bound to the blues of the forties and fifties. The band has so far submitted two CDs („Back to 50‘s“ and „Shake that Thing“) and a DVD (Sweet Home Blues“). Guests are inter alia the aforementioned Igor Prado and Richard ‘Rip Lee’ Pryor. The tidbit „Back to 50‘s“ was recorded live and includes covers of Little Walter, Sonny Boy Williamson, Jimmy Rogers as well as „T-Bonin ‚„ Headcutters composition. The current CD ‚Shake that Thing“ contains besides Igor Prado‘s „Omar‘s Nap“ nothing but own compositions. With its unique, sometimes extremely cool and casual style The Headcutters clearly stick out of the mass of retro bands. The musicians hold any international comparison. There is some addition agent in the sound of the Headcutters that is difficult to describe. Deep inside you feel the flows of the south american temperament. There are no good or bad songs or interpretations to find on the CDs. You will find thrilling, rousing blues without containing a moment of boredom – listening to it will bring you in good mood. The really big treat is the DVD „Sweet Home Blues“ originated from 2011. The recordings happened in a rooftop studio. The four bandmates are so cool and have so much fun when doing the recordings that the spark gets you immediately. Such an impressive chamber blues gig I haven’t ever experienced before. The band clearly is an insiders tip. I hope that - perhaps due to the upcoming big U.S. tour - a promoter will bring the band to Europe. Our audience would be excited. ENGLISH 75 B LUE S & C E R A M I CS HOWARD GLAZER: BLUES, VIEWS & NEWS FROM DETROIT #4 HELLO THIS IS MY 4TH INSTALLMENT OF BLUES NEWS & VIEWS AND THIS MONTH I WOULD LIKE TO TALK ABOUT A DETROIT ARTIST & MUSICIAN, MY BROTHER STEVE GLAZER. NOT ONLY IS STEVE PRODUCING SOME INCREDIBLE ART BUT HE IS A BASS PLAYER. He played on 2 tracks of “Live In Detroit” by Emanuel Young w/ Howard Glazer & the EL 34s, has played live many times with Emanuel Young, Harmonica Shah and with me, he also plays in Karanji‘s Soulwater . Steve is also the person that turned me on to guitar, rock n’ roll and the blues. So that being said I owe a lot to him musically and artistically. My brothers and I grew up immersed in music and art, both of our parents were musicians our mother taught music in the Detroit Public Schools and our father was a professional musician working in a big band (Don Pablo & his Orchestra) and also taught lessons privately. A love of all arts, but especially music was ingrained in all of us. Steve has stated that his favorite things to do on a regular basis are teaching art, making his art and playing music. Wasser-Prawda | September 2014 76 ENGLISH If asked to pick only one, it would be really hard... HG: What first got you interested in music? SG : My interest started when seeing the brother of a girl I had a Jr. High crush on, perform with his band at a school dance. Watching live Rock and Roll being performed, even if I didn‘t know what they were playing, was a live changing moment. I think I pretty much forgot about the young lady, as I was bitten by the rock and roll bug. HG: What were your first musical influences? SG: The first songs I listened to were pretty standard pop radio. The first record I purchased was „Snoopy Vs. The Red Baron“ by The Royal Guardsman, but soon after I was listening to Motown and early psychedelia, such as „I Had Too Much To Dream Last Night“ by The Electric Prunes. Within a year or so, I heard „Kick Out The Jams“ by one of my first, and lasting, musical hero‘s, Detroit‘s MC5. HG: When did you discover the blues? SG: At about the same time I discovered the Detroit rock n roll scene, I discovered the blues. I used to take a city bus downtown on Saturdays and walk amongst the tall buildings, and often came across a blind gentleman, sitting at the edge of an alley, alongside the old Hudson‘s store, playing acoustic guitar, and singing the blues. I never learned who it was, but the music struck a chord in my soul that has lasting a lifetime. HG: I remember that very clearly myself because I used to tag along with you and take the bus downtown. My favorite things downtown were record stores and the bluesman by Hudson’s. I’ve told the same story many times! What are you doing now musically? SG: While I play with, and have committed a lot of personal time, to an original music, R&B/hip hop project, Karanji‘s Soulwater, that I really believe in and love the music we make together, I get a special high whenever I get to perform with the likes of Emanuel Young, Harmonica Shah, or even the lesser known of Detroit‘s legendary blues statesmen. These guys are legends, and being able to play behind them, and support their art, is such an incredible experience that I can‘t translate it into words. HG: W hat brought you to ceramics? SG: My love for clay began when I saw a student teacher throw a pot on a potter’s wheel during my senior year at Milford High School. From that moment on, I was hooked. I went on to pursue a Bachelors of Fine Arts degree with a concentration in ceramics along with K-12 teaching certification in Art from Eastern Michigan University and a Masters of Arts with a concentration in ceramics from Central Michigan University. A chance meeting with Dick Hay led me to Indiana State University (where Hay taught for 40 years) for the next three years. After receiving my MFA degree from Indiana State University, my teaching career began and quickly Wasser-Prawda | September 2014 became another passion. As I have done throughout my career, I continue to pursue my own work in the bit of time I find around and between teaching and other school related responsibilities. Steve’s recent show at the River’s Edge Gallery in Wyandotte, MI (http://artattheedge.com/steve-glazer/) entitled “the Motor City Griot Society Series.” Is a group of clay masks that draws their inspiration from the Griot from west African culture. The Griot was charged with maintaining the oral history of their culture/tribe but also had other roles such as entertainer/ musician, healer, spiritual or personal advice and a social leader, the Griot has powers and visions that go beyond the norm. These same opposing forces are informed by the experience of living in Detroit, a city that is as maligned now, as it was once celebrated. The masks reflect the people of Detroit, their spirit and their bodies, as well as the engine of industry that made her the mechanistic core of America. Like the masks, Detroit is full of color, in its people and its culture, but weathered from difficult changes in the industry she was instrumental in creating. Ultimately, the human form of the Motor City Griot Society points the way forward for Detroit, moving with the hearts and minds of its people.” Steve’s work is available worldwide at http://artattheedge.com go to „Shop Detroit Art“, pull up „By Artist“, pull up „A-J“, click on „Steve Glazer“ ENGLISH 77 Mud Morganfields live @ Roonie Scott‘s Jazz Club (Foto by: Benjamin Amure) Elvis, Mud & Ronnie LETTER FROM THE UK 11 BY DARREN WEALE Willkommen zum Brief aus dem Vereinigten arrival to the adoption of American Blues by bands like The Animals and The Rolling Stones was not a long one Königreich. in terms of years. The history of the Blues in the United Kingdom is both Many years on, with the gap filled by numerous further long and full of interest and surprises. That is probably visiting American artists like Buddy Whittington and true of Germany as well. In fact, if a Wasser-Prawda Robert Cray, and the rise of British acts like Cream, John reader would like to send in an article on the history of Mayall’s Bluesbreakers, and Connie Lush, the Blues the Blues in Germany, I will find somewhere online to music live scene is still very much alive. Yet the phrase ‘keeping the Blues alive’ is very common. The Blues has publish it in English. Here in the UK, some of the most significant moments always been alive since it began. It is just the profile of started, probably, with the Jazz trombonist and band- the music against other genres, the amount of venues to leader Chris Barber bringing over US artists like Muddy performing bands, and other factors that have changed. Waters and Big Bill Broonzy. The journey from their In October, the Royal Albert Blues Fest brings many, Wasser-Prawda | September 2014 78 ENGLISH Links Blues Fest - www.royalalberthall. com/tickets/bluesfest.aspx Mud Morganfield - www.mudmorganfieldblues.com Ronnie Scott’s - www.ronniescotts.co.uk many British and international Blues acts to the Royal Albert Hall, both the main stage and smaller rooms across the building. The festival has plenty of credibility with acts such as Paul Lamb and the Kingsnakes – Paul has won so many awards now he must be running out of shelf room. Also Mud Morganfield. You don’t get much more authentic than this son of Muddy Waters. Yet headliners include Level 42, Elvis Costello and Sheryl Crow. Now, it is understandable that the Royal Albert Hall needs artists who fill the 5000 seats of the main auditorium, but it is a shame they couldn’t find more recognisable Blues acts for a couple of nights. That is one of the challenges of the Blues for the future. Gary Clarke Jr and Joe Bonamassa are perhaps the biggest names in contemporary Blues. Yet for the Blues to be truly alive those lights need to shine lighter and fill not just the Royal Albert Hall, but stadiums. One venue got it right the recently, and that was Ronnie Scott’s Jazz Club in London. A very small, but historic venue. Mud Morganfield made his debut and filled that place. Seid glücklich und erfreut Euch an Eurer Live-Musik und allem was Deutsch ist! Wasser-Prawda | September 2014 Alistair Cooke - www.bbc.co.uk/ programmes/b00f6hbpwww.bbc. co.uk/programmes/b00f6hbp ENGLISH Reviews picking and strong song-writing skills. This is one of those all too rare things: a simply cracking, crackling bit of originality. With roots firmly in the Deep South but produced in England, ‚The Blues Continuum‘ brings a flavor of new blues with new songs and sounds to a wider audience. Track five, entitled ‚Good Thing‘, says it all and fittingly hints at what to expect here. Positively recommended. (Redpromotions) Iain Patience 79 and pace and some sensitive, soulful musicianship clearly evident. ‚Get It Back‘ is a roaring bit of work, mostly led by Hutchinson‘s fine guitar work and scorching vocals. Hutchinson himself says it‘s an album that should or must be played loudly. And there‘s no doubt he‘s correct in this suggestion. Crank it up high and let it rip. You won‘t regret it! Iain Patience Half Deaf Clatch - The Blues Con nuum This is the third release from a mighty fine slide blues picker from England, a wonderful album that could all too easily be overlooked. Which would be a tragic mistake, because this CD has many excellent qualities and deserves widespread exposure and recognition. HDC, a British Blues Award 2014 fi nalist, wrote most of the material here, together with Red Burley. Who features on backing vocals. The album has been gaining airplay with blues shows across the UK since pre-release promo copies were made available a few weeks ago. There are clear shades of Son House in the mix but this album is not just another of those old music replayed affairs; far from it. It‘s a finely crafted work of traditional sounding musical reinvention and much more. From the gripping, jangling slide work on the intro to the first track, ‚Bury My Bones‘, to the close, ten tracks later, ‚The Blues Continuum‘ serves as an engaging showcase for Half Deaf Clatch‘s gravel vocals, soulful JP Soars - Full Moon Night In Memphis Jack J Hutchinson Band - Get It Back Firstly, this is an EP rather than a full-blown (or overblown) CD. And much of its clear strength no doubt lies in this fact. It would have been all too easy for Hutchinson to add padding here, maybe some covers or whatever, to turn out a standard ten or twelve track album. Instead, to his credit, he kept this debut release pared down to six tracks. All good, self-written efforts. From the opener, ‚Wake Up‘ to the close of play with ‚Hey Hey Hey‘, this is an album that really rocks along nicely with a few changes of tempo J P Soars’ third studio release, Full Moon Night in Memphis is one of the most enjoyable albums I’ve listened to this year. Every track is simply a joy, with divergent blues styles which show off Soars’ fabulous guitar chops. Backed by an excellent set of musicians and vocalists, Soars plays a variety of guitars and sings throughout. His voice is a little reminiscent of Ian Siegal, just on the right side of gritty, always interesting. He is an intelligent, skilled blues guitarist, but yet is always entertaining, engaging and enjoyable, as opposed to just technical. Soars has won the Albert King Wasser-Prawda | September 2014 80 ENGLISH Award for Most Promising Guitarist and on this release you can see why, as he effortlessly and tastefully treats us to his skill on electric, acoustic, resonator, Cigar Box and Lap Steel guitars. The songs are all terrific, with all but one of 14 songs by Soars. In Makes No Sense, which just oozes cool, Soars’ jazz sensibilities come to the fore with some very cool guitar work indeed. Mean Old World is a T-Bone Walker song in which Soars pays homage to the great man with some nice Walker-eque guitar work. Savin’ All My Lovin’ is in a classic Chicago blues style and Reefer Man takes us back in time 50 or 60 years, with sax and trumpet and backing chorus – just great toe-tapping fun. Viper features some delicious clarinet by Scott Ankrom. It’s a minor key, old- fashioned, smokey blues club song with hints of the gypsy jazz that is in Soars’ repertoire – superb. The Road has Got Me Down is an old-fashioned country number, a duet with Teresa James, with Soars on lap steel and some lovely harmonica from Brandon Santini. We even get some Latin flavour thrown in for good measure on the instrumental Lil’ Mamacita, complete with fast and furious Spanish guitar work. I especially like the hard driving Somethin’ Ain’t Right, where Soars lets rip with some blisterin’ blues rock guitar– the ills of the world, homelessness, poverty, American domestic policy all are in his sights here. “There’s got to be a better way, we can’t keep lookin’ the other way,” he sings. We need to “give a bit more and take less.” Right on the money, JP. This is an album from the top drawer – and it’s one I will be listening to again and again. Do yourself a favour – go get a copy NOW! Gary Burnett Kaz Hawkins - Get Ready Kaz Hawkins’ new album, Get Ready, is inspirational, honest, warm, full of energy and infectious passion. Blues and gospel with a dollop of soul and R&B served up by an excellent band and a truly remarkable singer. Kaz says she listens to Etta James, Sarah Vaughan, Big Mama Thornton and Janis Joplin, and you can hear echoes of all these great female vocalists, but of course, Kaz Hawkins’ voice is her own – powerful, emotional, rasping, passionate, bluesy. And her music comes from a deep well of personal experience, trial and hope for the future. The first song, Hallelujah Happy People is upbeat, toe-tapping and infectious and sets the tone for the album. I Saw a Man is driven by incessant drum beat which starts out alone and then is joined by piano and guitar chords. It’s the touching story of a “man without a home,” who Wasser-Prawda | September 2014 used to be “paid to play,” has “seen it all before”, but is now reduced to busking and ignored by those that pass by. Believe with Me is a kind of secular spiritual – Kaz looks back to “darker days, lonely days” where she discovered that there’s “only one way to be yourself – hold your ground.” She learned to plant “a seed way deep in my soul – it’s called believe.” There’s no room for wallowing in self-pity here – “pull yourself together,” she sings, you’ve got to take responsibility for yourself and “just believe,” along with her. In Shake the flavour becomes more bluesy, more rockin’and the song gives an opportunity for Kaz’s powerful blues voice, raspy and raw in all the right places. The title track, Get Ready, follows and takes the pace down a notch. Hawkin’s voice here is full of emotion, soulful. Once more there’s the message of personal responsibility “There’s no coming back, think about your choices – stand up straight.” And if you can do that – “Get ready for peace and love.” Can’t Afford Me gives voice to a nice piece of defiant self-esteem: “You’re a waste of space, you can’t afford me… You say you love me, start paying your dues.” As does Walking on My Own which asserts “I was a fool to love you… I’m walkin’ on my own, without you.” Drink with the Devil recalls old blues songs, without ever sounding traditional and is a sobering take on the futility of drinking “Till you lose control, till you’re out of control, till you can’t see no more.” This is a terrific set of songs, well ENGLISH arranged, full of honesty and urgency and with a hugely upbeat vibe. The album is a celebration of life and possibility. The editor of Classic Rock Blues Magazine said he was “blown away” by this album and I reckon you will be too. Gary Burnett Mud Morganfield & Kim Wilson, For Pops (A Tribute to Muddy Waters) I do not really care whether Muddy Waters was born in 1914 or in 1915. It is important that, in addition to his career as one of the greatest blues musicians of all time, he found enough space to conceive his eldest son Larry Mud Morganfield. Mud started several years ago as a blues singer and places a stunning career. It is known that he sees his father as his role model. In addition to the external resemblance of both, their voices are very similar. To Muddy‘s hundredth birthday Mud submitted on August 19, the album „For Pops (A Tribute to Muddy Waters)“. The title says what it is about for him. The son raises his father a monument. He got some good help for this. David Earl, head of Severn Records, supported him with Kim Wilson (harmonica), Billy Flynn (guit.), Rusty Zinn (guit.), Barrelhouse Chuck (piano), Steve Gomes (bass) and Robb Stupka (drums). These musicians reach on a scale of one to ten the top. Kim Wilson has special share in the creation of the unique mood of the album - his sensitive, supportive and driving Harmonica play could not be better. Rightly Mud Morganfield and Kim Wilson are named as headliners of the album. The album was recorded in four days. They refused to produce a „Best of Muddy Waters“ album. Mud and Kim have picked their personal favorites from Muddy‘s work. In addition to seven Muddy Waters compositions we find Willie Dixon compositions. It‘s good that both „Mannish Boys“ and „Hoochie Coochie Man“ are not represented. Besides „I just want to make love to you“, „I love the life I live“, „Trouble no more“, „19 years old“ we see as the opener ‚Gone to main Street“. Mud Morganfield created a tribute album that does not inferior to Muddy‘s work. Despite all the similarities with the great Muddy Waters, Mud shows that he transferred Muddy‘s legacy to our time and that he, as an independent musician of his own, is not standing in the shadow of the Grand Master. For lovers of best quality classic timeless blues, the album is an absolute must. For all the others it is the opportunity, to experience the heyday of Chicago blues alive. 81 (Severn CD 0064) Bernd Kreikmann Roy Roberts - Strange Love Roy Roberts is one of those oldtimers, a guy who‘s been around the East Coast US music scene most of his seventy-year plus life. In that time, he‘s remained below the radar yet been sideman and guitarist with many influential giants of US popular music. This is a guy who was a soulmate of Otis Redding in the 60s; he shimmied with Solomon Burke and Eddie Floyd; worked with Stevie Wonder (when he was still ‚Little Stevie‘) and many of the soul music dynasty while developing his own sound, reflected in this excellent ten track album. ‚Strange Love‘ has that full-on Stax sound: rounded Horns; crisp guitar work seamlessly merged with soulful, rocking vocals. Roberts wrote all of the material here, and it is a tribute to his ability and undoubted talent. With ‚Strange Love‘, Roy Roberts shows he is still firmly rooted in the Deep South but has shaken himself free of his long passed and more successful musical buddies to emerge triumphantly from the shadows. Recommended for sure. Iain Patience Wasser-Prawda | September 2014