Rechtsextreme Gewalt

Transcription

Rechtsextreme Gewalt
29.06.2013
IKG
Institut für interdisziplinäre
Konflikt- und Gewaltforschung
Rechtsextreme Gewalt
Prof. Dr. Andreas Zick
Forensische Psychiatrie
5. Internationales Symposium
Zürich 15.‐17. Mai 2013
1
Terror,
Abwertung und Ausgrenzung
Hate Crimes,
Wahlen, Stigma,
Hass Kriminalität Stigma
Individuelle Diskriminierung
Populismus, Hate
Rechtsextreme Gruppierungen
Institutionelle Diskriminierung
p
Extremismus
Speech,
Wahlergebnisse
Rechtsprechung
Rechtspopulismus in
Regeln von Institutionen
Politik & Medien
MenschenZugang zu Bildung,
Arbeit,
feindliche Einstellungen
Gesundheit,
Mentalitäten, in der Bevölkerung
Wohnraum
Emotionen
Stereotype
2
2
1
29.06.2013
Bindeglieder der Gewalt in Einstellungen, Verhaltensweisen und Kommunikationsmuster
Gewaltausübung
• Gewaltausübung, ‐billigung und/oder ‐bereitschaft
• Ideologie der Ungleichwertigkeit
Rechtsextreme Gewalt
Gewaltwelten
Ursachen und Prozess
Kontexte
4
2
29.06.2013
Dimensionen (Möller, 1993, S. 3)
• Gewaltbereitschaft, tatsächliche G
Gewalttätigkeit
lttäti k it
• Billigung fremdausgeübter Gewalt
• Überzeugung der unabänderlichen Existenz und Tolerierung von Gewalt als ‚normales‘ Konfliktlösungsmittel
Gewaltdefinition
• kriminologisch, strafrechtlich: absichtsvolle oder erfolgte physischen Verletzung, also der körperlichen Schädigung einer Person durch eine andere Person (physisch, psychisch); auch Beschädigung von Symbolen und Sachen; Verstöße gegen Sprengstoffgesetz (Beschädigung/violation) [minimalistische Konzeption von Gewalt]
• sozialwissenschaftlich: auch als Kraft
Aggressionsneigung; Ideologie, kollektive Identität und Selbstpräsentation;
p
;
erlebnisorientiert
• Kulturell, historisch: sub‐kulturelle Aushandlungsform; sozial organisiert und institutionalisiert
• . . . 3
29.06.2013
Rechtsmotivierte Straftaten und Gewalttaten D
(Quelle: BKA)
Straftaten
Gewalttaten
20000
18000
16000
14000
12000
10000
8000
6000
4000
2000
0
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
4
29.06.2013
Verletzte Personen in D 2012 60
50
40
30
20
10
0
Jan
Feb März April
Mai
Juni
Juli
Aug
Sept
Okt
Nov
Dez
Rechtsextreme Vorfälle und Mitglieder CH
(Quelle: Bericht innere Sicherheit)
5
29.06.2013
Rechtsmotivierte Übergriffe CH 1992‐2012 (Quelle: GRA Schweiz)
160
140
120
100
80
60
40
20
0
1994
2011
Rechtsextreme Gewalt
Gewaltwelten
Ursachen und Prozess
Kontexte
12
6
29.06.2013
Facetten der Gewalt
• kriminologisch, strafrechtlich: absichtsvolle oder erfolgte physischen Verletzung, also der körperlichen Schädigung einer Person durch eine andere Person (physisch, psychisch); auch Beschädigung von Symbolen und Sachen; Verstöße gegen Sprengstoffgesetz (Beschädigung/violation) [minimalistische Konzeption von Gewalt]
• sozialwissenschaftlich: auch als Kraft (force)
Aggressionsneigung; Ideologie, kollektive Identität und Selbstpräsentation;
p
;
erlebnisorientierte Gewalt
• Kulturell, historisch: sub‐kulturelle Aushandlungsform; sozial organisiert und institutionalisiert
• . . . Äußerungsformen der Gewalt
• offen gewaltaffin: Skinheads, Kameradschaften, Autonome Nationalisten, Gangs & Gruppen …
,
g
pp
• versteckt gewaltaffin: neue Rechte und Ökologische Bewegung (NPD), ‚Neonazis in Nadelstreifen‘
• populistisch gewaltaffin:Rechtspopulismus
• menschenfeindlich in Mentalitäten
in
in Parteien & Wahlkampforganisationen / Parteien
& Wahlkampforganisationen /
Begegnungsorganisation & Aktionsgruppen /
Subkulturelle Milieus
7
29.06.2013
IKG
Internationale Netzwerke…
15
IKG
Überregionale Kooperationen …
16
8
29.06.2013
Musik
Werbung von Label56 für Definite Hate
Scheinbare Kritik, Satire
9
29.06.2013
Netz
19
Rechtsextreme Gewalt
Gewaltwelten
Ursachen und Prozess
Kontexte
20
10
29.06.2013
Kultur & Kontext
Gruppen & Ideologien
Dispositionen
Person
Dispositionen
Person
11
29.06.2013
Dispositionen
Sibley& Duckitt (2008) Metaanalyse 71 Studien, 22.000 Probanden Traits und menschenfeindlichen Einstellungen
 Geringe Offenheit
g
für Erfahrung + Verträglichkeit
g
g
 Effekte moderiert
‐ Offenheit durch rechtsgerichteten Autoritarismus
‐ Verträglichkeit durch Soziale Dominanzorientierung
Sozialisationsumgebung bedeutsamer als Dispositionen
Empathie, Perspektivenübernahme
„Mitte‐Studie“ (Friedrich‐Ebert Stiftung)
Lebenszufriedenheit
geringer Selbstwert, Misstrauen, Verschlossenheit
Eindruck, bei anderen nicht sehr beliebt und geachtet zu sein
 Motiv‐Befriedigung
Gruppen & Ideologien
Person
12
29.06.2013
Soziale Motive (Fiske, Björgo et al.)
Zugehörigkeit
(Ersatzfamilie)
Verstehen
Kontrolle
(Gruppe fängt
(Einfluss, hier
Provokation auf, auch Waffen;
kanalisiert
Status Identität)
Status,
Ärger; bietet
Ideologie,
Propaganda an)
Selbststärkung
Vertrauen
(rituelle
Gruppenaktivitäten
aktivitäten,
Anerkennungssysteme)
(Gemeinschaft,
Feindschaftsverhältnisse
verhältnisse,
Misstrauenspuffer …)
Neue Hategroups bilden sich online…
13
29.06.2013
Kultur & Kontext
Person
Gesellschaftlicher Kontext
Relative Deprivation bei ökonomischem Stress
Propagandaanfälligkeit bei Ökonomisierung sozialen Verhältnisse und Beziehungen
Geringes Ausmaß an demokratischer Wert‐ und Normorientierung in Umwelt
Normorientierung in Umwelt
Leitkultur ‚Homogenität‘
Verankerung des Rechtsextremismus in Alltagskultur
14
29.06.2013
Fokus Prozess: Wie erfolgt Radikalisierung?
• Kollektive (Selbst‐) R dik li i
Radikalisierung
• Menschenfeindliche Umwelten
Fokus Prozess
• Kollektive (Selbst‐) R dik li i
Radikalisierung
15
29.06.2013
Idealtypologie der Radikalisierung nach Grumke (2013), in Anlehnung an Sprinzak (1995)
Vertrauenskrise
Legaler Protest
Rechtsextre‐
Rechtsextre
mistische
Propaganda
Legitimationskonflikt
Offene Konfrontation, vereinzelte Gewalt
Legitimationskrise
Dehumanisierung des g
, p
Gegners, Depersonali‐
sierung
Systematischer Gewalt‐ bzw. Terrorakt
• Kollektive (Selbst‐) R dik li i
Radikalisierung
• Menschenfeindliche Umwelten
16
29.06.2013
Rechtsextreme Gewalt
Gewaltwelten
Ursachen und Prozess
Kontexte
33
‚Norm(al)bevölkerung‘
Vorurteilsbelastete und V
t il b l t t
d
gewaltaffine Meinungen
Tolerierende Einstellungen
Tolerierende Einstellungen
17
29.06.2013
Rechtsextreme affine Meinungen und Ausmaß an Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
Autoritarismus
Nationalismus
Demokratiezweifel
Demokratiemissachtungg
Diktaturbefürwortung
1
1.5
2
GMF hoch
2.5
3
3.5
4
GMF niedrig
CH 2004 (n = 3.055) und D 2005 (n = 1.925)
4
3,5
Sh i
Schweiz
D
3
2,5
2
1,5
1
an
ti I
m
an
Se
an
An
ti h
ti o
xis
t is
e
o
mu
bd
mi
mo
mi
a
s
t
gra
ism
ch
se
los
x.
nt
us
18
29.06.2013
IKG
Entwicklung Rechtspopulismus 2002 – 2011 (Mittelwertvergleich)
2.5
2.3
2.1
1.9
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Gewaltbilligung (GMF‐Survey 2011)
Billigung
• Wenn sich andere bei uns breit machen, muss man ihnen unter Umständen unter Anwendung ih
t U tä d
t A
d
von Gewalt zeigen, wer Herr im Hause ist. 19%
• Durch Anwendung von Gewalt können klare Verhältnisse geschaffen werden. 9%
Bereitschaft
• Wenn mich jemand beleidigt, kann es ihm i hj
d b l idi k
ih
passieren, dass er sich eine fängt. • Manchmal muss ich Gewalt einsetzen, um nicht den Kürzeren zu ziehen. 14%
11%
38
19
29.06.2013
IKG
Gewalt, Survey 2002‐2011
2
1.5
Gewaltbilligung
g g
Gewaltbereitschaft
1
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Quelle: GMF‐Survey 2002‐2011; Mittelwerte, Skala 1‐4
IKG
Altersunterschiede
2
1.5
Gewaltbilligung
Gewaltbereitschaft
1
16‐21 Jahre
22‐34 Jahre
35‐49 Jahre
50‐64 Jahre
ab 65 Jahre
Quelle: GMF‐Survey 2002‐2011; Mittelwerte, Skala 1‐4
20
29.06.2013
IKG
Gewaltbereitschaft & Rechtspopulismus
Zustimmung zu der Aussage „Manchmal muss ich Gewalt einsetzen, um nicht den Kürzeren zu ziehen“ in Prozent.
Rechtspopulistisches Potential
Andere
50
40
29
30
25.1
23.2
18 9
18.9
20
10
15.7
12.4
8.1
8.8
7.9
2005
2007
2009
9.6
0
2003
2011
Quelle: GMF‐Survey 2009/2011
‚Norm(al)bevölkerung‘
Menschenfeindliche und M
h f i dli h
d
gewaltaffine Meinungen
Tolerierende Einstellungen
Tolerierende Einstellungen
21
29.06.2013
Wahrnehmung des Rechtsextremismus
2008
Wahrnehmung
Ich habe schon häufig von rechtsextremen Vorfällen gehört.
I h fi d
Ich finde es bedrohlich, wenn der Rechtsextremismus zunimmt.
b d hli h
d R h
i
i
Appell
Gegen den Rechtsextremismus muss man dringend etwas unternehmen.
Ich bin bereit, etwas gegen Rechtsextremismus zu tun.
Interpretation
Der Rechtsextremismus wird in den Medien hochgekocht.
Üb d R h
Über den Rechtsextremismus wird viel zu viel geredet.
i
id i l
i l
d
Verantwortung
Damit sollen sich Experten beschäftigen.
Strategie
Es ist am besten, die Rechten gar nicht zu beachten.
Ich wüsste nicht, was man gegen den Rechtsextremismus tun sollte.
83%
92%
91%
80%
53%
39%
54%
29%
36%
Reaktionstypen Zick & Hövermann (2013)
Einstellungscluster zum Rechtsextremismus
ermittelt bei 1.400 Befragten in Regionen mit stabilen rechtsextremen Gruppen
aktive Gegner passiv Besorgte hilflose Ignoranten selbstbewusste Beobachter ängstlich Überforderte (n=368)
(n=216)
(n=128)
(n=237)
(n=206)
überzeugt Rechtsaffine (n=202)
22
29.06.2013
Rechtsextreme Gewalt
Gewaltwelten
Ursachen und Prozess
Kontexte
45
Radikalisierung in Krisenregionen
23
29.06.2013
Zivilcourage nach Umgebung
Über den Rechtsextremismus wird viel zu
viel geredet**
Es ist am besten, die Rechten gar nicht zu
beachten*
Gegen den Rechtsextremismus muß man
dringend etwas unternehmen*
Ich bin bereit, etwas gegen den
Rechtsextremismus zu tun*
2
2,5
NPD unter 5%
3
3,5
4
NPD 5% oder mehr
Normalisierungen
Gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit***
Normalisierung der
NPD**
1
1,4
NPD unter 5%
1,8
2,2
2,6
NPD 5% oder mehr
„Die NPD ist eine Partei wie jede andere auch.“ 13% Zustimmung
„Die NPD ist auch nicht schlechter als andere Parteien“. 15% Zustimmung
24
29.06.2013
Entscheidungen ökonomischer und politischer Eliten
(1)
Desintegrationsrelevante Folgeentscheidungen/ Erfahrungen und subjektive Verarbeitungen von Desintegration
g
Öffentliche Diskurse von Eliten/Produktion von Bildern durch Medien
(2)
(3)
Initiierung von Identitäts‐
kampagnen
Populistisches Aufgreifen von Stimmungen
(4)
„Vervielfältigung“; Kanalisierung von Themen
Mentalitäten in der Bevölkerung
„Schweigespirale“
(5)
Komplexe Interaktionen, um Etablierung rechtsextremer Strukturen
Strukturen zu verstehen.
Ältere Generation/ (6)
Normalisierung von Abwertung und Ausgrenzung
Eltern
Intergenerationale Sozialisation, Rolle der Bezugsgruppe
Jugendliche
Legitimations‐
beschaffung für Abwertung und Ausgrenzung
(8)
(7)
Wahlangebote
Organisationsangebote/ Anerkennungspotential
Austausch‐
Organisierte Gruppen/Parteien prozeß
des rechtsextremen Spektrums
Unterstützung/ Übernahme von Positionen
Herzlichen Dank
für die Aufmerksamkeit und Geduld!
www.uni‐bielefeld.de/ikg
IKG
Institut für interdisziplinäre
Konflikt- und Gewaltforschung
25