Marktausblick zur Lebensversicherung 2016/2017
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Marktausblick zur Lebensversicherung 2016/2017
Marktausblick zur Lebensversicherung 2016/2017 Eine Untersuchung der ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur GmbH Juni 2016 Versicherungswirtschaft als Spielball der europäischen Geldpolitik und Regulatorik Die wirtschaftliche Lage der deutschen Versicherungswirtschaft ist weiterhin maßgeblich von der Zinssituation an den Rentenmärkten und somit insbesondere von den geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) bestimmt. Um ihrem originären Ziel der Preisstabilität nachzukommen, hat die EZB im März 2016 eine Reihe von vermeintlich inflationsfördernden Maßnahmen beschlossen, die jedoch weiter auf das Zinsniveau drücken. Zum einen wurde das im März 2015 gestartete Ankaufprogramm für Wertpapiere (Quantitative Easing) weiter ausgedehnt. Waren bis dahin monatlich europäische Staatsanleihen in Höhe von 60 Mrd. € aufgekauft worden, erhöhte sich dieses Volumen auf nunmehr 80 Mrd. €. Zum anderen wurde der Strafzins für Geschäftsbanken, die Liquidität über Nacht bei der EZB parken möchten, von -0,3 % auf -0,4 % verschärft. Die dritte und zugleich spürbarste Maßnahme der Zentralbank war jedoch eine weitere Senkung des Leitzinses auf 0,00 %. In Summe soll dieses Maßnahmenbündel die Wirtschaft stimulieren und desinflationäre Tendenzen aufhalten bzw. umkehren. Eine Ausdehnung der Anleihekäufe sowie die Verschärfung des Einlagenzinses für Geschäftsbanken waren im Vorfeld bereits von einer Reihe von Marktteilnehmern erwartet worden. Das Aufkaufprogramm europäischer Staatsanleihen, die im Wesentlichen von Finanzinstituten und -dienstleistern gehalten werden, soll den Banken Liquidität verschaffen. Diese soll im Idealfall in Form von Krediten an Unternehmen und Investoren weitergegeben werden. Eine Verschärfung des Einlagenzinses unterstützt diese Zielsetzung, da es nun für die Geschäftsbanken teurer wird, überschüssige Liquidität bei der EZB zu parken. Den Banken allein die Schuld für die Kreditklemme in die Schuhe zu schieben, greift jedoch zu kurz, da insbesondere Großkonzerne in Deutschland Liquidität zu horten scheinen und kaum Kredite nachfragen. Mit einigem Erstaunen und deutlich kritischer haben Ökonomen und spe- ziell Vertreter der Versicherungswirtschaft hingegen die Senkung des Leitzinses auf 0,00 % aufgenommen. Einzelne Marktteilnehmer sprechen von einer Abschaffung des Zinses sowie einer Enteignung der Sparer im Rahmen einer Verzweiflungstat der EZB. Ferner trügen die ergriffenen Maßnahmen nicht zu dringend notwendigen Strukturreformen in der europäischen Peripherie bei, sondern konterkarierten diese sogar. Dies führe dazu, dass das wirtschaftliche Gefälle zwischen Nord- und Südeuropa weiter ansteige. Eine mögliche Konsequenz dessen wäre sogar der Austritt einzelner Staaten aus der Eurozone. Wurde in dem Zusammenhang im vergangenen Jahr vor allen Dingen das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone diskutiert, rückt dieses Jahr ein möglicher Austritt Großbritanniens in den Fokus. Im Gegensatz zu den Finanzkrisen der jüngeren Vergangenheit erwartet Assekurata in einem solchen Szenario vor allem temporär wirkende Marktturbulenzen. Mit Blick auf die jüngeren Kapitalmarktentwicklungen wurde der 2015 noch leicht positive Trend bei den Risikoprämien (Credit Spreads) über sämtliche Asset- und Risikoklassen bereits im ersten Quartal 2016 fast vollständig wieder aufgezehrt. Somit werden höhere Bonitätsrisiken derzeit kaum noch über den Spread entlohnt. In Kombination mit den ergriffenen Maßnahmen der EZB führt dies zu Umlaufrenditen, die in etwa auf dem Niveau des Vorjahres liegen. Deutsche Staatsanleihen rentieren in den Laufzeiten bis fünf Jahre sogar weiterhin negativ – mit fallender Tendenz. Auch wenn sich das historisch niedrige Zinsniveau positiv auf die HGB-Bewertungsreserven der Versicherungsgesellschaften auswirkt, die in der Lebensversicherung mittlerweile von fast allen Gesellschaften zur Finanzierung der Zinszusatzreserve herangezogen werden, stellt es insbesondere die Personenversicherer in der Neuanlage vor immense Herausforderungen. Folglich entwickeln sich die Einstandsrenditen der Versicherer für Neu- und Wiederanlagen im Rentenbereich weiter rückläufig und bewegen sich nach Einschätzung von Assekurata derzeit in einem Korridor von durchschnittlich 1,30 % bis 2,20 %. 2 Renditeentwicklung deutscher Staatsanleihen 5,00% 4,50% 4,00% 3,50% 3,00% 2,50% 2,00% 1,50% 1,00% 0,50% 0,00% -0,50% -1,00% 2008 2009 Schatz 3M 2010 Schatz 2Y 2011 Bobl 5Y 2013 2012 Bund 10Y Bund 30Y 2014 2015 2016 Hauptrefinanzierungssatz EZB Quelle: Deutsche Bundesbank Verschärfend kommen die seit dem 01.01.2016 geltenden neuen Solvenzregeln unter Solvency II hinzu, die maßgeblich die Kapitalanlagestrategien der Gesellschaften beeinflussen. Die neuen Regelungen sind auch ein Grund dafür, dass Versicherer nur bedingt an einer möglichen starken Aktienmarktentwicklung partizipieren können, da Aktieninvestitionen im Standardmodell mit umfangreichen Eigenmitteln unterlegt werden müssen. Als mögliche Investitionsalternativen werden in der Branche vermehrt Immobilien sowie Infrastrukturanlagen diskutiert. Allerdings wirkt sich vor allen Dingen die Sorge vor einer Blasenbildung oder einer Überhitzung des Immobilienmarkts infolge des niedrigen Zinsniveaus limitierend aus. Zudem erschweren das begrenzte Angebot sowie die unzureichend differenzierte Risikobetrachtung unter Solvency II eine stärkere Fokussierung auf diese Anlageformen. So müssen im Standardmodell Wohn- und Gewerbeimmobilien trotz unterschiedlicher inhärenter Risiken gleichermaßen mit Kapital hinterlegt werden. Im Bereich Infrastruktur hat die Aufsicht zwar durch eine Lockerung der Kapitalhinterlegungsvorschriften unter Solvency II einen Investitionsanreiz geschaffen, hier fehlt jedoch einem Großteil der Akteure am Markt einerseits das nötige Know-how, andererseits ist auch in diesem Segment das tatsächlich vorhandene Angebot attraktiver Anlageobjekte eher knapp. Assekurata rechnet deshalb nicht damit, dass 2016 sowohl in der Immobilien- als auch in der Infrastrukturanlage auf breiter Linie ein signifikanter Ausbau innerhalb der Portfolios stattfinden wird. Aufgrund der aktuellen Konjunkturlage und der weiterhin niedrigen Inflation in der Eurozone geht Assekurata im Verlauf des Jahres 2016 nicht von einem signifikanten Zinsanstieg aus. Stattdessen dürfte die EZB erst dann eine moderate Zinserhöhung in Erwägung ziehen, wenn ihre ergriffenen Maßnahmen das Vertrauen in das europäische Finanzsystem nachhaltig wiederhergestellt haben und zu einer stabilen Inflationsrate nahe des avisierten Ziels von knapp 2 % führen, oder aber – was aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich erscheint – einen vorzeitigen Strategiewechsel ihrer geldpolitischen Extrempolitik beschließt. Optimierung des „Return On Solvency Capital“ rückt in den Fokus im Asset Management der Lebensversicherung Ungeachtet der widrigen Umstände auf dem Rentenmarkt ist Assekurata unverändert der Auffassung, dass die Unternehmen ihre Kapitalanlagepolitik an der individuellen Verpflichtungsstruktur der Passivseite ausrichten sollten („Liability Driven Investment“), anstatt anlagestrategisch auf eine eigene und womöglich spekulativ geprägte Zinsmeinung zu bauen. Insbesondere für Lebensversicherer mit signifikanten Beständen an hohen konventionellen Garantien stehen hier vor immensen Herausforderungen. Dies bringt nach Überzeugung von Assekurata hohe Anforderungen an ein dynamisches Asset-Liability-Management (ALM) mit sich, das auch unter Solvency II eine essenzielle Steuerungsfunktion einnimmt. Als Reaktion auf die Niedrigzinsphase sind die Lebensversicherer im 3 Asset Management verstärkt dazu gezwungen, nach nicht-traditionellen Anlagealternativen zu suchen und systematische Maßnahmen zu ergreifen. Dies sollte aus Sicht von Assekurata jedoch stets unter Berücksichtigung der individuellen Risikotragfähigkeit sowie gleichzeitiger Beibehaltung der Stabilität der Kapitalanlageportfolien erfolgen. Diese Vorgehensweise scheint gerade auch vor dem Hintergrund einer ausreichenden Bedeckung unter Solvency II alternativlos. Asset Allocation von Lebensversicherern (in % nach Marktwerten) per 31.12.2015 Festverzinsliche Anlagen Aktien 3,4% 4,6% Immobilien 1,0% 0,9% 0,3% Alternative Investments 89,8% Beteiligungen Sonstiges Quelle: Assekurata Relative Veränderung der Asset Allocation zum Vorjahr 0,9% 0,7% 0,2% 0,4% -0,1% -2,1% Festverzinsliche Anlagen Aktien Immobilien Alternative Investments Beteiligungen Sonstiges Quelle: Assekurata Die beschriebenen Restriktionen führen dazu, dass die Asset Allocation der deutschen Lebensversicherer im Zeitverlauf von einer geringen Dynamik geprägt ist. So dominierten zum Jahresende 2015 festverzinsliche Anlagen mit knapp 90 % weiterhin die typische Portfoliostruktur in der deutschen Lebensversicherung und stellten nach wie vor den wesentlichen Treiber des Kapitalanlageergebnisses dar. Dass diese in der relativen Betrachtung im Vergleich zum Vorjahr und zu den anderen Assetklassen (vgl. Abbildung) sanken, liegt im verstärkten Bemühen der Kapitalanleger begründet, realwertorientierte Anlageformen wie Aktien, Immobilien oder Alternative Investments unter Korrelations- und Ertragsaspekten beizumischen. Darüber hinaus spielen in diesem Zusammenhang Marktwerteffekte aufgrund des im mittleren Laufzeitband gestiegenen Zinsniveaus zum Bewertungsstichtag ebenfalls eine Rolle. 4 Aufteilung der festverzinslichen Anlagen nach Bonitäten (in %) Rating AAA 2012 2013 2014 2015 35,70 34,37 34,35 35,86 AA 27,59 26,22 26,41 28,20 A 18,53 19,65 20,30 16,32 BBB 9,11 10,25 11,17 12,25 High Yield 1,79 2,33 2,24 2,12 Non Rated 0,25 0,32 0,46 0,50 Hypotheken und Policendarlehen 5,35 4,93 4,07 3,76 Termingelder & Bareinlagen 1,68 1,92 1,00 0,98 100,00 100,00 100,00 100,00 Rentenportfolio gesamt Quelle: Assekurata Obwohl es auf den Rentenmärkten zunehmend anspruchsvoller wird, Renditen oberhalb der Garantieverpflichtungen zu erwirtschaften, erkennt man 2015 branchenweit eine leichte Erhöhung der Kreditqualität, insbesondere in den obersten Bonitätsklassen AAA und AA. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Spreads stark zusammengelaufen sind, so dass sich eine Investition in die vermeintlich schlechtere Bonität in Abwägung mit der geforderten Kapitalunterlegung unter Solvency II nicht mehr rentiert. Das so genannte „Return On Solvency Capital“ rückt somit stärker in den Fokus der Gesellschaften. Demgegenüber versuchen andere Lebensversicherer, das Kreditrisiko moderat zu erhöhen und eine stärkere Diversifikation des Rentenbestandes zu erzielen, indem sie vermehrt Investitionen in Unternehmens- oder Staatsanleihen niedrigerer Bonitäten tätigen, was sich im steigenden Anteil des BBB-Bereichs niederschlägt. Minimierung des Duration-Gap zunehmend herausfordernder Für die festverzinslichen Anlagen sind die Gesellschaften nach Beobachtungen von Assekurata ferner bestrebt, die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer (Duration) der Aktivseite über Neuanlagen in Papiere längerer Laufzeiten weiter zu erhöhen bzw. zumindest auf dem Vorjahresniveau zu halten. Dies ist maßgeblich auch durch das Solvency-II-Regelwerk motiviert. Lebensversicherer sind dort dazu angehalten, die Duration ihrer Kapitalanlagen der Duration ihrer Verpflichtungsseite anzunähern, um das so genannte „Duration-Gap“ zu schließen. Da die Verpflichtungsseite in der Regel eine längere Kapitalbindungsdauer als die Investmentseite aufweist, führt dies zu dem Anliegen, die Duration der Aktivseite auszubauen. Dies wird typischerweise in der Branche über Staatsanleihen bester Bonität mit langer Laufzeit angestrebt, wie sich auch in den folgenden Grafiken erkennen lässt. Geratete Lebensversicherer - Duration nach Emittenten/Sektoren (in %, exkl. Liquidität) Assetklasse PBV L Modifizierte Duration 2012 2013 2014 2015 Staats-, Länder- und Kommunanleihen 12,16 11,92 12,75 13,67 Pfandbriefe (i.w.S.) 7,86 8,08 8,31 8,88 Schuldverschreibungen von KI 7,49 7,97 7,93 8,53 Unternehmensanleihen 8,07 8,43 9,07 9,58 Asset Backed Securities (i.w.S.) 3,48 3,11 6,39 5,95 Hypotheken- und Policendarlehen 2,98 4,86 5,01 4,89 Rentenportfolio 8,59 8,94 9,52 10,18 Quelle: Assekurata 5 Geratete Lebensversicherer - Duration nach Bonitäten (in %, exkl. Liquidität) Rating PBV L Modifizierte Duration 2012 2013 2014 2015 AAA 9,82 9,98 10,17 11,08 AA 9,63 10,38 11,95 12,32 A 7,06 7,72 8,05 8,52 BBB 7,36 6,62 7,22 7,60 High Yield 6,19 6,20 4,54 4,50 Non Rated 12,80 11,25 7,41 6,89 Hypotheken und Policendarlehen 2,98 4,86 5,01 4,89 Rentenportfolio 8,59 8,94 9,52 10,18 Quelle: Assekurata Problematisch in der praktischen Umsetzung ist jedoch unter anderem die Tatsache, dass geeignete langlaufende Staatsanleihen aus dem europäischen Wirtschaftsraum zwar im Standardmodell unter Solvency II nicht mit Solvenzkapital unterlegt werden müssen, in der Regel jedoch keine auskömmlichen Renditen versprechen. Risikobehaftetere Papiere längerer Laufzeit, wie beispielsweise Unternehmensanleihen, rentieren zwar auf einem höheren Niveau, kosten jedoch verstärkt Unterlegung mit Eigenkapital, so dass die höhere Rendite an dieser Stelle konterkariert wird. Infolgedessen rücken vermehrt laufzeitabhängige Kombinationen risikoarmer und risikobehafteter festverzinslicher Anlagen in den Fokus. Eine mögliche Variante ist zum Beispiel eine sogenannte Barbell-Strategie, in der Bonitätsrisiken mit kurzen Laufzeiten gekauft werden, um einen moderaten Spread zu erwirtschaften, und gleichzeitig in langlaufende Staatsanleihen investiert wird, um die Duration der Kapitalanlagen insgesamt zu verlängern. Hierdurch werden zwar die aktuell niedrigen Kupons auf längere Frist ins Portfolio aufgenommen, gleichwohl kann dies auch unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine plausible Vorgehensweise sein, sofern die Gesellschaften ihre Kapitalanlage bereits in der Vergangenheit konsequent auf die Passivseite ausgerichtet haben. Lebensversicherer mit einem hohen Anteil an klassischen Garantieprodukten, die erst spät begonnen haben, die Durationslücke zu schließen, werden im Gegenzug einen Wettbewerbsnachteil haben, der bei anhaltenden Niedrigzinsen nur schwer aufzuholen sein wird und sich perspektivisch in einer angespannteren Solvenzsituation niederschlägt. Aufsicht fordert transparente Berichterstattung unter Solvency II In Anbetracht der beschriebenen Kapitalmarktverhältnisse wird die angestrebte Schließung des Duration-Gap für Lebensversicherungsunternehmen zunehmend herausfordernder. Gerade vor dem Hintergrund der Garantiezinsverpflichtungen der Vergangenheit scheint dies zudem ökonomisch nur begrenzt sinnvoll, da lang laufende Anleihen, die die Laufzeiten der Verpflichtungen auf der Passivseite geeignet abbilden, keine adäquaten Renditen erwirtschaften. Insbesondere Unternehmen, die in der Vergangenheit kein konsequentes ALM-Matching betrieben haben, stehen hier vor großen Schwierigkeiten. Wurde dagegen die Kapitalanlage in der Vergangenheit konsequent auf die Passivseite ausgerichtet, können auch langlaufende niedrigere Kupons im Bestand verkraftet werden. Unter den seit 1. Januar 2016 geltenden Regulierungsvorschriften Solvency II führt jedoch gerade ein Duration-Mismatch zu einem hohen Kapitalbedarf. Dieser Solvenzkapitalbedarf (SCR = Solvency Capital Requirement) für das Zinsrisiko führt bei Zinsbewegungen zu einer ausgeprägten Volatilität der Eigenmittel, welche durch eine Verringerung des Duration-Gap abgemildert werden kann. Die unter Solvency II berechnete Solvenzquote signalisiert, ob Versicherungsunternehmen unter ökonomischen Marktwertbetrachtungen auch in Extremszenarien genügend Eigenmittel zur Bedeckung ihrer Risiken haben. Dabei werden zur Berechnung des SCR für Lebensversicherer Risikoszenarien wie extreme Kurseinbrüche auf den Kapitalmärkten sowie schnelle Veränderungen der Lebenserwartung oder des Stornoverhaltens der Versicherungsnehmer berücksichtigt. Der SCR reflektiert somit die Verringerung der Eigenmittel 6 in einem über verschiedenste Risikokategorien modellierten Stressfall, den es mit ausreichend Solvenzkapital zu unterlegen gilt. Bei der Ermittlung des Risikokapitals für Versicherungsprodukte mit langfristigen Garantien können Lebensversicherer Erleichterungsmaßnahmen anwenden. Hierzu zählen neben dem Volatility Adjustment auch Übergangsmaßnahmen (Transitionals) bei der Bewertung der versicherungstechnischen Bestände, die für die Frist von 16 Jahren in Anspruch genommen werden können. Diesen Zeitraum sollen die Unternehmen nutzen, um eine ausreichende Solvenzvorsorge zu betreiben und zudem weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Solvenzlage zu ergreifen. Diese umfassen unter anderem die Senkung der Überschussbeteiligung, die Reduktion von Provisionen und sonstigen Kosten sowie vor allem die Änderung der Produktstrategie. Im Neugeschäft müssen nämlich die strengen Solvency-IIBewertungsregeln sofort angewendet werden, so dass die Unternehmen gezwungen sind, ertragreiche und solvenzschonende Produkte zu entwickeln. Für die erstmalige offizielle Berechnung der Solvency-Daten, die mittlerweile von allen Anbietern an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemeldet werden mussten, hatten nahezu alle Lebensversicherer bei der BaFin vorsorglich eine oder mehrere Erleichterungsmaßnahme(n) beantragt. Assekurata geht davon aus, dass im Ergebnis die weit überwiegende Mehrheit der Lebensversicherer über ausreichende Eigenmittel verfügt und per Jahresultimo 2015 eine Solvenzquote von über 100 % erzielt hat. Allerdings dürfte dies bei einer Reihe von Versicherern nur durch die Anwendung der zulässigen Erleichterungsmaßnahmen möglich gewesen sein. Laut Angaben der BaFin hatten den Unternehmen im Ergebnis der letzten Vollerhebung mit Stichtag 31. Dezember 2014 branchenweit insgesamt Eigenmittel in Höhe von rund 12 Mrd. € gefehlt. Allerdings waren bei dieser Erhebung die Übergangsmaßnahmen unberücksichtigt geblieben. Um mögliche Schwachstellen der aktuellen Vorschriften zu identifizieren, wird aktuell ein neuer Stresstest der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA mit Stichtag 1. Januar 2016 durchgeführt, bei dem das gegenwärtige Niedrigzinsumfeld und das daraus folgende Szenario des „Double-Hit“ (niedrige Zinsen bei einem gleichzeitigen abrupten Marktwert- rückgang auf Kapitalanlagen) im Fokus stehen. Eine anonymisierte Veröffentlichung der Testergebnisse ist für Dezember 2016 angekündigt. Als große Herausforderung für die Lebensversicherungsbranche sieht Assekurata neben der eigentlichen Sicherstellung einer ausreichenden Solvenzkapitalaustattung insbesondere die zielgerichtete Information und Kommunikation der Solvenzquoten ab dem kommenden Jahr. Im Mai 2017 sind Versicherungsunternehmen erstmalig dazu verpflichtet, die Solvency-II-Ergebnisse auch der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Ziel der zugrunde liegenden dritten Säule von Solvency II ist es, durch ein aussagekräftiges Reporting die Transparenz am Markt zu erhöhen. Zwar wird sich dadurch der Detaillierungsgrad öffentlich verfügbarer Daten zur Finanz- und Solvenzlage weiter verbessern, jedoch nimmt gleichzeitig die Komplexität erheblich zu. Nach dem Willen der Aufsicht soll zukünftig gerade auch der nicht fachkundige Leser die Inhalte des Berichts zur Solvenz- und Finanzlage (SFCR = Solvency and Financial Condition Report) erfassen können, was aus Sicht von Assekurata für Versicherungsunternehmen sowie für Finanzintermediäre eine große Herausforderung sein wird. Neben einer qualitativen Darstellung der Lage des Versicherers sind auch quantitative Daten sowie genutzte Modelle und dahinter liegende Prozesse zu beschreiben. Assekurata vertritt die Ansicht, dass die Interpretation des Berichts und insbesondere der Solvenzquoten allerdings ohne Fachwissen kaum möglich sein wird, was neben der schieren Informationsmenge auch dem hohen Komplexitätsgrad von Solvency II geschuldet ist. Zudem kann die Anwendung von Transitionals, Adjustments und (partiell) internen Modellen mitsamt den unterschiedlichen Berechnungsvarianten erhebliche Auswirkungen auf die Solvenzquote haben, die sich im Extremfall vervielfachen kann. Somit birgt ein einfacher Vergleich von Solvenzquoten das Risiko substanzieller Fehlinterpretationen. Denn ein der Höhe nach gleicher SCR reflektiert nicht automatisch eine identische Risikolage und eine Solvenzquote, zu deren Berechnung sämtliche Erleichterungsmaßnahmen herangezogen wurden, impliziert nicht unbedingt eine höhere Finanz- und Sicherheitslage. Darüber hinaus ist zu beachten, dass selbst bei einer Quote von unter 100 % die finanziellen Mittel für sämtliche Leistungen an die 7 Versicherungsnehmer unter handelsrechtlichen Aspekten weiterhin vorhanden sein können, da diese bilanziell über die versicherungstechnischen Rückstellungen abgebildet werden. Allerdings wäre der Sicherheitspuffer für extreme Krisenszenarien innerhalb der Solvency-II-Modellage nicht mehr ausreichend aufgefüllt. Insoweit können die stichtagsbezogenen Solvenzquoten als Frühwarnindikatoren für die Unternehmenslage dienen, welche auch die Aufsichtsbehörde genau im Blick behält, um bei einer absehbaren Solvenzgefährdung regulierend einzugreifen. Aufgrund der komplexen Berechnungsmethodik, mit einer Projektionsdauer von bis zu 100 Jahren, können bestimmte Annahmen dabei eine große Hebelwirkung entfalten, und kurzfristige Schwankungen in Marktparametern können selbst quartalsweise zu stark volatilen Solvenzquoten führen. Im Fokus der Betrachtung liegen insbesondere schwankende Zinsentwicklungen am Kapitalmarkt, die einen immensen Einfluss auf die Solvency-II-Quoten ausüben. Diese Schwankungen sind für Lebensversicherer mit zinsabhängigem Geschäft in gewissem Maße systemimmanent und dürfen isoliert nicht als negatives Signal gedeutet werden. Vielmehr ist es wichtig, Entwicklungen zu beobachten und Tendenzen zu erkennen, die Assekurata im Rahmen der bestehenden Ratings bereits intensiv beleuchtet. Ungeachtet der schwierigen Interpretierbarkeit von Solvency-II-Quoten erwartet Assekurata, dass sich der SCR-Deckungsgrad zukünftig als bedeutender Wettbewerbsfaktor am Markt etablieren wird. Vor dem Hintergrund der hohen Solvency-IIAnforderungen und des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes kann es für Lebensversicherer eine Option sein, zumindest teilweise aus dem Neugeschäft auszusteigen oder die stark zinsfordernden Bestände gar zu verkaufen. Run-Off-Gesellschaften haben sich auf dieses Geschäft fokussiert. Sie versuchen sich – neben anderen Faktoren – durch geringere Kosten und eine höhere Prozesseffizienz von klassischen Lebensversicherern abzugrenzen und das Ankaufmodell betriebswirtschaftlich zu fundieren. Diese Kostenvorteile sind unter ande- rem möglich, weil Run-Off-Gesellschaften ohne Vertrieb agieren und zudem aufgrund des fehlenden Wettbewerbs keine neuartigen Produkte entwickeln müssen. Dabei ist zu beachten, dass die Bestandszusammenführung zunächst aufwändig ist und die erhofften Größenvorteile mit Unsicherheit behaftet sind. Die Konsolidierung von Beständen muss zudem durch die BaFin genehmigt werden, wobei die Interessen der Versicherungsnehmer gewahrt bleiben sollen. Im Grundsatz dürfen diese nicht schlechter gestellt werden und im Idealfall sind sie an den entstehenden Run-Off-Vorteilen zu beteiligen. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an die übernehmenden Run-Off-Gesellschaften. Denn mit der Übernahme von Beständen mit hohen Zinsanforderungen gehen tendenziell höhere Solvabilitätsanforderungen einher. Assekurata geht davon aus, dass die Komplexität der Anforderungen an die übernehmenden RunOff-Gesellschaften dazu führen wird, dass sich vermutlich nur wenige Marktakteure in diesem Geschäftsfeld durchsetzen werden. Für diese wird sich aber ein wachsener Markt herauskristallisieren, der perspektivisch zu einer Konsolidierung der Lebensversicherungsbranche beiträgt. Solvency-I-Deckungsgrad sinkt nur noch geringfügig Im Gegensatz zu Solvency II sind die bisherigen Aufsichtsregularien unter Solvency I nicht risikobasiert, so dass eine erhebliche Abweichung der Quoten zwischen den beiden Aufsichtsregimes zu erwarten ist. Da Solvency I bis Ende 2015 noch offiziell Bestand hatte, gehen wir an dieser Stelle auch darauf kurz ein. In qualitativer Hinsicht ist die Solvabilitätsausstattung der Lebensversicherer bereits seit 2007 rückläufig und liegt laut vorläufigen Angaben der BaFin 2015 im Branchendurchschnitt nur geringfügig unterhalb des Vorjahreswerts von rund 162 %, dabei reicht die Spannweite laut map-Report von rund 108,8 % bis 299,5 %. Der langjährige Rückgang der Solvabilitätsquote ist jedoch nicht als eine Verringerung der Eigenmittel zu interpretieren, sondern vielmehr als ein Anstieg der Kapitalanforderungen. 8 Solvabilitätsausstattung im deutschen Lebensversicherungsmarkt (Solvency I) % Mrd. € 250,00 200,0 225,00 180,0 200,00 160,0 175,00 140,0 150,00 120,0 125,00 100,0 100,00 80,0 75,00 60,0 50,00 40,0 25,00 20,0 0,00 0,0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015* Solvabilitätsspanne/Soll-Anforderung (Mrd. €) Eigenmittel-Überdeckung der Solvabilitätsspanne (Mrd. €) Solvabilitätsdeckungsgrad (%) Quelle: BaFin; * = Assekurata-Schätzung Der Trend der marktweit abnehmenden Solvabilitätsquote basiert im Wesentlichen darauf, dass die regulatorische Sicherheitsmittelanforderung (Solvabilitätsspanne) insbesondere für das traditionelle deutsche Lebensversicherungsgeschäft zunimmt. Dies ist unter anderem auf die seit 2011 zu bildende Zinszusatzreserve zurückzuführen, die der Deckungsrückstellung zugeführt wird und somit solvenzfordernd wirkt. Aus Sicht von Assekurata ist dieser Effekt ökonomisch widersprüchlich, da die Zinszusatzreserve ihrerseits eine Form der Bilanzvorsorge darstellt und eine entlastende Wirkung auf die Verpflichtungen zur Folge hat. Ferner sinken im aktuellen Niedrigzinsumfeld die Kapitalanlageergebnisse, was mit abnehmenden Unternehmensgewinnen einhergeht. Demzufolge können nicht in adäquatem Umfang Mittel für die Bildung von Eigenkapital thesauriert werden. gestrichelte Linie signalisiert Mindestanforderung Versicherungstechnik trägt nach wie vor zu Stabilisierung der Ertragslage bei Die Zerlegung des Rohüberschusses der deutschen Lebensversicherer in seine Ergebnisquellen verdeutlicht ebenfalls, dass der Anteil des Kapitalanlageergebnisses, gemessen an den in der Branche verdienten Prämien, seit der Finanzmarktkrise 2008 an relativer Bedeutung verloren hat. Demgegenüber liefern die Ergebnisse aus der Versicherungstechnik einen stabilen Beitrag, wobei sich das Risikoergebnis in den vergangenen Jahren als bedeutendste Ergebnisquelle herausgebildet hat. Während auf das Risikoergebnis rund 7 % der Prämieneinnahmen entfallen, ist der Anteil des Kapitalanlageergebnisses mittlerweile auf unter 5 % gesunken. Vor dem Hintergrund der schwierigen Kapitalmarktbedingungen dürfte sich dieser Trend tendenziell fortsetzen. 9 40% 35% 13.754 Mio. € Anteile am Rohüberschuss (% der verd. Prämien) 30% 11.819 Mio. € 12.159 Mio. € 10.282 Mio. € 9.675 Mio. € 11.671 Mio. € 11.096 Mio. € 10.800 Mio. € 4,46% 4,27% 6.815 Mio. € 25% Rohüberschuss (Mio. €) Branchen-Rohüberschuss gesamt und Zerlegung nach Ergebnisträgern 20% 15% 11,40% 6,70% 5% 0% 7,57% 5,42% 1,20% 10% 5,43% 6,52% 8,50% 8,50% 8,00% 7,45% 7,88% 6,85% 7,17% 7,03% 7,32% 1,20% -2,10% 1,00% -1,30% 1,40% -1,00% 1,31% -1,89% 1,43% -1,98% 1,66% -2,21% 1,83% -1,87% 1,74% -0,62% 1,72% -0,69% 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015* -5% Kostenergebnis Risikoergebnis Kapitalanlageergebnis Rückversicherungsergebnis Sonstiges Ergebnis Quelle: BaFin, bezogen auf den Rohüberschuss nach Direktgutschrift; * = Assekurata-Schätzung Seit Inkrafttreten des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) im Jahr 2014 sind die Versicherungsnehmer nun mit jeweils 90 % am Risiko- und Kapitalanlageergebnis sowie mit 50 % am übrigen Ergebnis zu beteiligen. Während die Versicherungsnehmer infolge dieser Regelung insgesamt besser gestellt werden, sind nur noch 10 % der bedeutendsten Ergebnisquellen der Versicherersphäre zurechenbar. Als Kompensation hat der Gesetzgeber den Lebensversicherern mit dem LVRG allerdings die Möglichkeit eröffnet, ein negatives Kapitalanlageergebnis mit einer positiven anderen Ergebnisquelle zu subventionieren, was sich stabilisierend auf die Risikotragfähigkeit der Anbieter auswirkt. Zwar fiel in der Vergangenheit das Kapitalanlageergebnis in der Breite der Anbieter noch positiv aus, jedoch ist zu berücksichtigen, dass das reine Zinsergebnis der Gesamtbranche im Geschäftsjahr 2014 bereits deutlich negativ war und nur durch hohe außerordentliche Kapitalanlageerträge im Rahmen des übrigen Kapitalanlageergebnisses ausgeglichen werden konnte. Mögliche Verluste in dem Risiko- oder dem übrigen Ergebnis hat der Versicherer hingegen in voller Höhe selbst zu tragen. Die genaue Beteiligung der überschussberechtigten Verträge an den verschiedenen Ergebnisquel1 len ist in der Mindestzuführungsverordnung (MindZV) geregelt. Gemäß § 15 MindZV sind Lebensversicherer seit dem Geschäftsjahr 2014 zu einem einigermaßen detaillierten Ertragsausweis verpflichtet, der eine Analyse der Ergebnisträger (anzurechnende) Kapitalerträge, Risikoergebnis (soweit positiv) und übriges Ergebnis (soweit positiv) zur Rechnungszinsbedeckung ermöglicht. Werden diese Ergebnisquellen dem Rechnungszins gegenüber gestellt, zeigt sich erneut die gestiegene Bedeutung des Risikoergebnisses. Die Kapitalanlageerträge alleine, die definitionsgemäß hier den zinstragenden Passiva der Kunden zuzurechnen sind, reichten nach Erkenntnissen von Assekurata bereits 2014 nicht bei allen Lebensversicherern aus, um die Verpflichtungen der Garantien aus dem Bestand inklusive der Zinszusatzreserve zu bedienen. Um einen insgesamt negativen Rohüberschussbeitrag aus dem Kapitalanlageergebnis zu vermeiden, müssten dann zusätzlich auch die nicht anzurechnenden Kapitalerträge herangezogen werden, die bilanztechnisch nicht den Kundenverpflichtungen zuzuordnen sind. Sollten auch diese nicht ausreichen, rückt eine Saldierung mit anderen Ergebnisquellen in den Fokus. Aufgrund der stabilen Erträge liegt hier eine 1 Querverrechnung mit dem Risikoergebnis nahe. Zu den negativen Folgewirkungen aus einer Querverrechnung insbesondere für BU-Versicherte siehe ausführlich Assekurata-Studie „Finanzkraft in der Berufsunfähigkeitsversicherung – Relevante Einflussfaktoren erkennen, messen und bewerten“ vom 24.02.2016, die auch zahlreiche Analysen auf Einzelunternehmensebene enthält. 10 Unter dessen Berücksichtigung wird marktweit eine ausreichende Rechnungszinsbedeckung erreicht, wenngleich über die Branche hinweg eine deutliche Spreizung des vorhandenen Puffers festzustellen ist. Die folgende Abbildung verdeut- licht, dass im Marktdurchschnitt die anzurechnenden Kapitalerträge insgesamt gerade noch ausreichen, um den Rechnungszins zu bedienen. Aufteilung der Erträge gemäß § 15 MindZV vs. Rechnungszins (2014) 8,00 Kapitalerträge, Risikoergebnis und Übriges Ergebnis in % der Deckungsrückstellung (ohne FLVGeschäft) vs. Rechnungszins 6,00 0,75 0,26 4,00 4,92 2,00 0,00 Markt Anzurechnende Kapitalerträge (MindZV) in % Risikoergebnis (MindZV) in % Übriges Ergebnis (MindZV) in % Rechnungszinsanforderung Quelle: Assekurata Höchstrechnungszins verliert weiter an Bedeutung Aufgrund des anhaltenden Tiefzinsumfeldes und mit dem Ziel, die Lebensversicherungsbranche durch verschiedene Reformmaßnahmen zu stabilisieren, wurde im Rahmen des LVRG der Höchstrechnungszins zum 1. Januar 2015 von 1,75 % auf 1,25 % gesenkt. Auf Basis der risikobasierten Sicht von Solvency II erwog der Gesetzgeber im vergangenen Jahr, den Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung sogar ganz abzuschaffen. Diese Sichtweise konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Insbesondere das Risiko, dass bei wieder steigenden Marktzinsen ein massiver Wettbewerb über Zinsgarantien einsetzt, schien zu gravierend. Letztlich hat das Bundesministerium für Finanzen entschieden, weiterhin am Rechnungszins festzuhalten und diesen zum 1. Januar 2017 auf 0,90 % erneut abzusenken. Nach Aussage des BaFinPräsidenten Felix Hufeld soll 2018 die Notwendigkeit eines Garantiezinses wieder auf den Prüfstand 2 gestellt werden. Zwar erkennen sowohl der Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV) als auch die Deutsche Aktuar Vereinigung (DAV) die Entscheidung zur weiteren Höchstrechnungszinsabsenkung als unter Vorsichtsmotiven geboten und zukunftsorientiert an, allerdings kritisiert die Branche den hohen 2 Zeitdruck, unter welchem dies vonstattengehen soll. Denn mit der Rechnungszinsabsenkung geht nicht nur eine Überarbeitung der Tarifwerke und Prüfung der Kalkulation einher, gleichzeitig wird auch eine Umsetzung in die IT notwendig. Da zum 1. Januar 2017 auch weitere regulatorische Änderungen – wie die neuen Produktinformationsblätter für zertifizierte Altersvorsorgeprodukte (AVPIB) und die neu geschaffenen BasisinformationsBlätter entsprechend der PRIIPS-Verordnung – umzusetzen sind, wünscht sich die Branche mehr Vorlauf. Bei Entscheidungen zur Veränderung des Rechnungszinses stützt sich das Ministerium regelmäßig auf Berechnungen der DAV und auf Empfehlungen der BaFin, ist daran aber nicht gebunden. In diesem Fall hatte die DAV empfohlen, den Höchstrechnungszins erst ab 2018 auf 1,0 % zu senken. Gleichzeitig gibt es auch deutliche Kritik an der weiteren Absenkung des Höchstrechnungszinses. So mahnt der Bund der Versicherten (BdV), dass es lediglich zu einer weiteren Schwächung der Garantien komme, ohne dass ein echter Effekt auf die Stabilität der Unternehmen erzielt werde. Denn durch die notwendige Neutarifierung und Umstellung der Software würden Einsparungen direkt aufgezehrt. Auch auf politischer Ebene wird bisweilen bemängelt, dass die Lebensversicherung ihre Funktion als wirksames Instrument der Altersvor- Vgl. Hufeld: Abschaffung des Garantiezinses wird 2018 überprüft; versicherungswirtschaft-heute.de/politics/hufeld-abschaffung-des-garantiezinseswird-2018-uberpruft/; abgerufen am 15.06.2016 11 sorge verlöre, was zu einer zunehmenden Verunsicherung der Bevölkerung und wachsender Angst vor Altersarmut führen könne. Nach Einschätzungen einiger Branchenvertreter hat eine geplante Garantiezinsabsenkung jedoch kaum noch Auswirkungen auf die Unternehmen, da im Neugeschäft ohnehin eine Abkehr von klassischen Garantieprodukten zur privaten Altersvorsorge zu beobachten sei. Diese wird aus Sicht von Assekurata mit der neuerlichen Absenkung des Höchstrechnungszinses weiter befeuert werden. werden muss. Potenzielle Beitragserhöhungen in der BU-Versicherung kommen aber zur Unzeit, da dies eines der wenigen attraktiven Wachstumsfelder ist, auf das sich die Lebensversicherer zunehmend fokussieren. Dabei ist auch zu beobachten, dass von den vorhandenen Risikoüberschüssen ein immer größerer Anteil als Sofortgutschrift an die Kunden fließt. Damit verringern sich die Margen im sich verschärfenden Preiswettbewerb. Auswirkungen auf die Preisgestaltung sind daher auch von dieser Seite nicht auszuschließen. Die Absenkung des Höchstrechnungszinses hat aber nicht nur Auswirkungen auf konventionelle Rentenversicherungen, bei denen die garantierte Rente sinkt, sondern auch auf Risikoversicherungen. Hier kommt es bei Sterbegeld, Risikolebensund vor allem auch bei BU-Versicherungen zu Beitragserhöhungen. Die mit dem Garantiezins kalkulierte Deckungsrückstellung dient nämlich in diesen Produkten dazu, bei einem konstanten Beitrag die Altersabhängigkeit des Risikoeintritts im Zeitverlauf auszugleichen. Mit Rückgang des Höchstrechnungszinses steigt der Deckungsrückstellungsbedarf an, was durch höhere Beiträge ausgeglichen Die folgende Grafik verdeutlicht anhand einer Gegenüberstellung von jeweils geltendem Höchstrechnungszins und (hier beispielhaft) der Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen, dass eine mittelfristige Absenkung folgerichtig erscheint. Denn während in der Vergangenheit allein die Rendite der Staatsanleihen zur Erwirtschaftung der Garantien ausgereicht hätte, liegen diese seit 2012 kontinuierlich unterhalb des Höchstrechnungszinses, zumal die Berechnungslogik zur Ermittlung des Höchstrechnungszinses noch einen Sicherheitsabschlag vorsieht. Höchstrechnungszins vs. Rendite 10-jähriger Staatsanleihen 9,00% 8,00% 7,00% 6,00% 5,00% 4,00% 3,00% 2,00% 1,00% 0,00% 1995 1997 1999 2001 2003 Höchstrechnungszins (Neugeschäft) 2005 2007 2009 2011 2013 2015 Rendite Bundesanleihen (10 Jahre) Quellen: Assekurata, Deutsche Bundesbank Ungeachtet des tatsächlichen Rechnungszinsniveaus hält es die DAV für sinnvoll, keine starren Grenzen der Bilanzierung auf Basis von Höchst- rechnungszinsen mehr vorzusehen. Klassische Lebensversicherungsprodukte könnten so zwar weiter mit einem Höchstrechnungszins bewertet 12 werden, allerdings sollte dieser zweistufig gestaltet sein. Auf Basis des bei Vertragsabschluss herrschenden Zinsumfeldes könne so in der ersten Stufe ein Rechnungszins für die ersten 15 Vertragsjahre festgelegt werden. Dieser würde auf die zu erwirtschaftenden Zinsen einen Sicherheitsabschlag berücksichtigen und läge 2016 bei 1,25 %. Für die zweite Stufe würde dann ein vorsichtigerer Wert festgelegt, der die langfristige volkswirtschaftliche Entwicklung Europas zugrunde legt, ebenfalls unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags. Als ein Orientierungspunkt zur Höhe des Höchstrechnungszinses der zweiten Stufe könnte hierbei die Ultimate Forward Rate (UFR) unter Solvency II dienen. Aus Sicht von Assekurata trägt die erneute Absenkung des Höchstrechnungszinses im Neugeschäft nur wenig zur Entlastung der Unternehmen bei, denn die Nachfrage nach Produkten mit klassischen Garantien ist ohnehin gering. Ein zweistufiger Rechnungszins scheint demnach sowohl aus Verbrauchersicht als auch aus Vorsichtsmotiven zweckmäßig. cherer gewähren ihren Kunden weitere Verzinsungen in Form von jährlichen Überschussbeteiligungen und Schlussgewinnanteilen. In einem möglichen Szenario steigender Zinsen können sich diese auch bei niedrigen Höchstrechnungszinsen wieder erholen, wenngleich mit einem gewissen zeitlichen Nachhang und abhängig von der Deklarationspolitik der Anbieter. Bereits im Vorjahr hat Assekurata die Wirkung des LVRG auf die Komponenten der Überschussbeteili3 gung analysiert. Die Entwicklungen des Deklarationsjahres 2015 bestätigen sich auch 2016: So zeigt sich erneut die Wirkung des Sicherungsbedarfs in einer geringen Ausschüttung endfälliger Reserven in Höhe von lediglich 0,06 %. Die Mindestbeteiligung (Sockelbeteiligung) an den Bewertungsreserven trägt hingegen noch zu 0,21 % zur Gesamtverzinsung bei. Zwar hatte die Neuregelung zur geringeren Ausschüttung von Bewertungsreserven für einzelne Kunden einen durchaus spürbaren Einschnitt der Leistung zur Folge, gleichzeitig wird jedoch die im Kollektiv verbleibende Gemeinschaft gestärkt. Gleichwohl liegt 2016 die Summe aus Garantiezins und laufender Überschussbeteiligung im Neugeschäft mit 2,86 % erstmals in der Historie unterhalb der durchschnittlichen Garantieverzinsung im Gesamtbestand (2,97 %). Das heißt, dass die Unternehmen für Bestandskunden eine höhere Garantieverzinsung aufbringen müssen als die Überschüsse, welche sie für Neukunden erwirtschaften. Weiterhin Belastung der Überschussbeteiligung durch Kapitalmarktumfeld und Anforderung der Zinszusatzreserve Die Betrachtung des Höchstrechnungszinses als nominelle Garantierendite vor Kosten sollte jedoch nicht als alleiniges Kriterium zur Beurteilung der Rendite eines konventionellen Lebensversicherungsvertrages herangezogen werden, denn VersiÜberschussbeteiligung: Arithmetische Marktdurchschnittswerte am Beispiel der privaten Rentenversicherung Neugeschäft 2016 Neugeschäft 2015 Neugeschäft 2014 Neugeschäft 2013 Neugeschäft 2012 Neugeschäft 2011 Neugeschäft 2010 Garantiezins 1,25% 1,25% 1,75% 1,75% 1,75% 2,25% 2,25% Laufender (Zins-) Überschuss 1,61% 1,91% 1,65% 1,86% 2,16% 1,82% 1,95% Konventioneller Schlussüberschuss 0,41% 0,42% 0,31% 0,36% 0,40% 0,43% 0,54% Sockelbeteiligung 0,21% 0,22% 0,33% 0,28% 0,26% 0,21% 0,10% Sonstige Gewinnanteile (Kosten- und Risikoüberschuss) 0,04% 0,06% 0,06% 0,06% 0,07% 0,06% 0,05% Endfällige bestimmte Bewertungsreserven 0,06% 0,03% 0,21% 0,36% 0,10% 0,26% 0,10% Quelle: Assekurata-Überschussstudie 2016 Die weitreichenden Auswirkungen des Kapitalmarktumfeldes und der damit einhergehenden niedrigen Zinsen in der Neuanlage zeigen sich zunehmend in einem verminderten laufenden Durchschnittsertrag in den Kapitalanlageportfolios der Lebensversicherer. Dies verdeutlicht die nachfolgende Abbildung anhand der laufenden Durchschnittsverzinsung, die als Indikator für das ordentliche Kapitalanlageergebnis auf externer Bilanzbasis dient. Daneben ist die Nettoverzinsung abgebil3 Vgl. Assekurata-Marktausblick zur Lebensversicherung 2015/2016 vom 08.06.2015. det, die jedoch stark durch außerordentliche Effekte beeinflusst wird. Insbesondere die Verkäufe festverzinslicher Anlagen zur Finanzierung der Zinszusatzreserve haben in der jüngeren Vergangenheit dazu geführt, dass die laufende Durchschnittsverzinsung gegenüber der Nettoverzinsung geringer ausfällt, was ihre Aussagekraft einschränkt. Die Kapitalanlagerenditen sind der durchschnittlichen Garantiezinsanforderung aus den Beständen (unter Berücksichtigung des entlas13 tenden Effekts der Zinszusatzreserve) gegenübergestellt, die in den vergangenen Jahren unterhalb und weitgehend parallel zur laufenden Durchschnittsverzinsung verläuft. Es zeigt sich somit, dass die Zinsanforderungen im Branchenmittel derzeit noch aus dem laufenden Kapitalanlageertrag finanziert werden können, wenngleich der Puffer anbieterindividuell stark variiert und weitere Zuführungen zur Zinszusatzreserve noch nicht berücksichtigt sind. Zudem ist bei der Interpretation zu berücksichtigen, dass die Vertragsverpflichtungen eine längere Laufzeit als die Kapitalanlagen aufweisen, so dass typischerweise davon auszugehen ist, dass die laufenden Zinserträge der Aktivseite einen schnelleren Rückgang zeigen werden als die passivseitigen Leistungszusagen an die Kunden (siehe auch oben: Duration-Gap). Kapitalanlagerenditen und Zinsanforderungen im Lebensversicherungsmarkt % 6,00 5,50 5,17 5,00 4,87 4,78 4,50 4,71 4,74 4,69 4,66 4,27 4,50 4,32 4,28 4,60 4,69 4,06 4,06 4,62 4,55 4,23 4,20 4,00 4,15 4,13 3,54 3,96 3,80 3,50 3,00 2,50 2,00 2004 2005 2006 2007 2008 Garantiezins Bestand nach Zinszusatzreserve 2009 2010 2011 Lauf ende Durchschnittsverzinsung 2012 2013 2014 2015* Nominale Nettoverzinsung Quelle: Assekurata; * = Schätzung Gleichmäßigere Zuführungen zur Zinszusatzreserve würden zu Entlastung der Unternehmen beitragen Mit der seit dem Geschäftsjahr 2011 verbindlichen Zinszusatzreserve (ZZR) müssen Lebensversicherer möglichen zukünftigen Finanzierungslücken bei der Erfüllung der hohen Garantiezinsversprechen der Vergangenheit bilanziell entgegenwirken. Insoweit ist die ZZR als handelsrechtliche Korrekturmaßnahme in Zeiten extrem niedriger Zinsen zu interpretieren. So wurden seit 2011 insgesamt etwa 32,0 Mrd. € der ZZR zugeführt, wobei die bisherige Höchstzuführung mit rund 10,0 Mrd. € im Bilanzjahr 2015 erfolgte. Durch die Zuführungen in diesen Reservetopf stärken die Versicherer sowohl die langfristige Erfüllbarkeit ihrer Garantiezinsversprechen der Vergangenheit als auch ihre bilanzielle Widerstandsfähigkeit. Gleichzeitig wird jedoch der zu verteilende Rohüberschuss belastet und damit der Spielraum für höhere Überschussbeteiligungen weiter eingegrenzt, was wiederum den Produktshift in Richtung neuer Altersvorsorge forciert. Gemäß ihrer Bestimmung reduziert die ZZR die Garantiezinsanforderung in den Beständen der Versicherer. Die folgende Tabelle zeigt, dass der Garantiezins unter Berücksichtigung der ZZR im arithmetischen Durchschnitt mittlerweile von 2,97 % auf 2,59 % reduziert werden konnte. Parallel dazu kann ein natürlicher Rückgang der Garantiezinsanforderung durch Abläufe, Storni und Neuverträge mit einem geringeren oder ganz ohne Rechnungszins erzielt werden. 14 Vor Zinszusatzreserve Durchschnittliche Garantieverzinsung im Bestand Nach Zinszusatzreserve 2015 2014 2015 57 58 57 59 Marktanteil der betrachteten VU 79,42% 77,61% 79,42% 82,64% Garantieverzinsung (arithmetischer Durchschnitt) 2,97% 3,05% 2,59% 2,80% Garantieverzinsung (gewichteter Durchschnitt) 3,01% 3,07% 2,61% 2,81% Höchster beobachteter Wert 3,37% 3,40% 2,90% 3,10% Niedrigster beobachteter Wert 2,14% 2,32% 2,10% 2,25% Anzahl der betrachteten VU 2014 Quelle: Assekurata-Überschussstudie 2016 Auf Basis der zugrunde liegenden Berechnungsmethodik wird die ZZR auch künftig zu einem hohen Nachreservierungsbedarf führen, deren Finanzierung die Branche weiterhin vor große Herausforderungen stellen dürfte. Auf Grundlage des aktuellen Niveaus des Bezugszinses (zehnjähriger NullKupon-Euro-Zinsswapsatz) in den ersten Monaten 2016 von rund 0,67 % würde sich der Referenzzins für dieses Jahr bei 2,56 % einpendeln. Assekurata schätzt auf dieser Basis das Nachreservierungsvolumen für 2016 auf rund 14 bis 15 Mrd. €4, was eine erneute Höchstzuführung bedeuten würde. Eine Abschwächung des Nachreservierungsbedarfs ist in den kommenden Jahren nicht zu erwarten. Daher hat Assekurata einige modellhafte Projektionen für die Entwicklungen der ZZR vorgenommen, die jeweils unterschiedliche Zinsverläufe zugrunde- legen. Dabei beziehen sich die simulierten Zinssätze sowie einbezogenen Rechnungszinsgenerationen auf die linke Skala, während der sich approximativ ergebende Gesamtbestand an ZZR in Mrd. € in Form der grau unterlegten Fläche an der Sekundärskala (rechts) abgebildet ist. Im ersten Szenario, dem Basisszenario, geht Assekurata von einem anhaltenden Niedrigzinsniveau mit leicht schwankenden Zinsen aus. Dies führt zu einem nachhaltigen Absinken des Referenzzinses, der bereits im Jahr 2022 auch die ab 2017 geltende Rechnungszinsgeneration von 0,90 % betreffen würde. In diesem Szenario ist bis zum Jahr 2025 mit einem kumulierten Nachreservierungsbedarf von knapp 175 Mrd. € zu rechnen. Projektion des Referenzzinses für die Zinszusatzreserve gem. § 5 Abs. 3 DeckRV - Szenario 1: Seitwärtsbewegung der Zinsen - Zins / Ref erenzzins Bestand Zinszusatzreserve (jahresbezogen) 4,00% (kumuliert) 400 Mrd. € 3,92% 3,75% 3,64% 3,50% 3,25% 350 Mrd. € 3,41% 3,13% 3,14% 3,15% 300 Mrd. € 3,00% 2,88% 2,75% 250 Mrd. € 2,50% 2,25% 2,14% 2,00% 200 Mrd. € 1,96% 1,75% 1,50% 150 Mrd. € 1,42% 1,25% 100 Mrd. € 1,00% 0,85% 0,75% 50 Mrd. € 0,50% 0,25% 0,00% 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 Bestand Zinszusatzreserve (Schätzung) Zinsgenerationen (Rechnungszins) Ref erenzzins Null-Kupon-Euro-Zinsswapsatz 2024 0 Mrd. € 2025 Quelle: ECB Statistical Data Warehouse, Deutsche Bundesbank, Assekurata-Berechnungen 4 Die etwas höhere Prognose gegenüber der Darstellung in der Assekurata-Überschussstudie aus Januar 2016 trägt dem seither nochmals gesunkenen Marktzinsniveau Rechnung. Vgl. hierzu Assekurata-Marktstudie zur Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung, „Die klassische Lebensversicherung zwischen Tradition und Moderne“, Januar 2016. 15 Demgegenüber geht Assekurata in Szenario 2 von einem noch weiteren Absinken des Bezugszinses aus, der im Jahr 2025 seinen Tiefstand mit 0,00 % erreicht. Der daraus resultierende Referenzzins würde bereits im Jahr 2021 die Verträge mit einem Rechnungszins von 0,90 % betreffen und 2025 zu einer kumulierten Zinszusatzreserve von rund 225 Mrd. € führen. Projektion des Referenzzinses für die Zinszusatzreserve gem. § 5 Abs. 3 DeckRV - Szenario 2: fallende Zinsen - Zins / Ref erenzzins Bestand Zinszusatzreserve (jahresbezogen) 4,00% (kumuliert) 400 Mrd. € 3,92% 3,75% 3,64% 3,50% 3,25% 350 Mrd. € 3,41% 3,13% 3,14% 3,15% 300 Mrd. € 3,00% 2,88% 2,75% 250 Mrd. € 2,50% 2,25% 2,14% 2,00% 200 Mrd. € 1,96% 1,75% 1,50% 150 Mrd. € 1,42% 1,25% 100 Mrd. € 1,00% 0,85% 0,75% 50 Mrd. € 0,50% 0,25% 0,00% 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 Bestand Zinszusatzreserve (Schätzung) Zinsgenerationen (Rechnungszins) Ref erenzzins Null-Kupon-Euro-Zinsswapsatz 2024 0 Mrd. € 2025 Quelle: ECB Statistical Data Warehouse, Deutsche Bundesbank, Assekurata-Berechnungen Im folgenden Szenario 3 steigt der Bezugszins ab 2017 treppenförmig an und erreicht bis 2025 ein Niveau von 1,90 %. In diesem Szenario läge der Referenzzins im Jahr 2023 auf seinem Tiefstand von 1,15 % und würde somit die kommende Rechnungszinsgeneration mit einem Garantiezins von 0,90 % nicht mehr betreffen. 2023 würde der Bestand der Zinszusatzreserve seinen Höchststand erreichen und ab diesem Wendepunkt träte eine allmähliche Entlastung des Zinsreservebestandes ein, was zu einer Auflösung der Zinszusatzreserve und damit einhergehenden Erträgen führen würde. Gleichzeitig würde ein Anstieg der Zinsen zu einem Abschmelzen der Bewertungsreserven führen, die somit nicht mehr zur Finanzierung von Zinszusatzreserven zur Verfügung stünden. 16 Projektion des Referenzzinses für die Zinszusatzreserve gem. § 5 Abs. 3 DeckRV - Szenario 3: Steigende Zinsen, treppenartig - Zins / Ref erenzzins Bestand Zinszusatzreserve (jahresbezogen) 4,00% (kumuliert) 400 Mrd. € 3,92% 3,75% 3,64% 3,50% 3,25% 350 Mrd. € 3,41% 3,13% 3,14% 3,15% 300 Mrd. € 3,00% 2,88% 2,75% 250 Mrd. € 2,50% 2,25% 2,14% 2,00% 200 Mrd. € 1,96% 1,75% 1,50% 150 Mrd. € 1,42% 1,25% 100 Mrd. € 1,00% 0,85% 0,75% 50 Mrd. € 0,50% 0,25% 0,00% 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 Bestand Zinszusatzreserve (Schätzung) Zinsgenerationen (Rechnungszins) Ref erenzzins Null-Kupon-Euro-Zinsswapsatz 2024 0 Mrd. € 2025 Quelle: ECB Statistical Data Warehouse, Deutsche Bundesbank, Assekurata-Berechnungen In allen drei Szenarien ist abzusehen, dass die Zinszusatzreserve bis in die Jahre nach 2020 weiterhin deutlich ansteigen wird, auch wenn die genaue Höhe – neben den unternehmensindividuellen Bestandsfaktoren – letztlich stark zinsabhängig ist. Angesichts der massiven Zuführungen erscheinen die 12,0 Mrd. €, welche laut der letzten BaFinVollerhebung (siehe oben) branchenweit an Eigenmitteln zur Erfüllung der Kapitalanforderungen unter Solvency II fehlten, beinahe überschaubar. Insbesondere noch recht junge Versicherer leiden unter der zu stellenden ZZR, da sie derzeit vergleichsweise hohe Bestände mit langen Vertragslaufzeiten haben, bei gleichzeitig wenigen Bewertungsreserven aufgrund der verhältnismäßig geringen Durchschnittskupons. Grundsätzlich erachtet Assekurata die ZZR ökonomisch als wirkungsvolles und elementares Instrument, welches eine stabilisierende Wirkung auf die Lebensversicherungsbranche entfaltet. Gleichwohl verdeutlicht der massive Zuführungsbedarf der kommenden Jahre, dass die Berechnung der Zuführungen erneut auf den Prüfstand zu stellen ist. Zwar hat die BaFin Mitte Oktober 2015 bereits Erleichterungen auf den Weg gebracht, indem Lebensversicherer bei der Berechnung der ZZR nunmehr Storno- und Kapitalwahlwahrscheinlichkeiten berücksichtigen dürfen, wodurch die Berechnung besser der Bestandsrealität angenähert werden kann, dennoch äußert die DAV weiterhin erhebliche Kritik an dem Kalkulationsverfahren, was Assekurata aufgrund der oben skizzierten Effekte nachvollziehen kann. Die zugrundeliegende Berechnungsmethodik wurde in Zeiten eines zinsfreundlicheren Kapitalmarktumfeldes entwickelt und ist den neuen Rahmenbedingungen anzupassen. So scheint zwar eine grundsätzliche Änderung der insgesamt zu stellenden ZZR nicht zielführend, jedoch sollte die Geschwindigkeit, mit der dieses Niveau erreicht wird, gleichmäßiger und abgemilderter erfolgen. Zudem kann die allgemeingültige Berechnungsvorgabe der ZZR, die von allen Unternehmen nach pauschaler Methodik anzuwenden ist, ein funktionierendes Asset-Liability-Management konterkarieren. Insbesondere auf lang laufende Anleihen mit einem hohen Kupon sind die Bewertungsreserven derzeit hoch, so dass auf den ersten Blick gerade deren Realisierung zielführend erscheint. Bei einer Neuanlage der frei werdenden Mittel ist jedoch davon auszugehen, dass kein annähernd hoher Durchschnittskupon erzielt werden kann, zumal die Durationsstruktur der Kapital17 anlagen mit dem Verkauf beeinträchtigt werden kann. Legt man die Annahme zugrunde, dass aktuell auf die Buchwerte der beschriebenen Anlagen marktweit stille Reserven von rund 25,0 % bestehen, so müssten zur Finanzierung der ZZR von etwa 15 Mrd. € rechnerisch Kapitalanlagen mit einem Buchwert von etwa 60 Mrd. € veräußert werden, sofern keine weiteren Erträge zur Verfügung stehen. Dies zöge neben dem Kupon-Verlust nicht zuletzt auch entsprechende Transaktionskosten für die Wertpapierverkäufe nach sich. Aus Sicht von Assekurata ist daher dringender Handlungsbedarf bei der Berechnung der Zinszusatzreserve geboten. So kann es eine Alternative sein, statt eines Rückgriffs auf einen „risikofreien“ Zins einen realistischeren Referenzsatz zugrundezulegen, der auf den tatsächlichen Neuanlagerenditen der Lebensversicherer basiert. Dadurch würde das Absinken des Referenzzinses verlangsamt. Dieser Effekt könnte verstärkt werden, wenn statt eines zehnjährigen Durchschnitts ein längerer Zeitraum als Berechnungsbasis dient. Die ZZR würde somit weiterhin ihre grundsätzliche Wirkung entfalten, gleichzeitig die Lebensversicherungsbranche jedoch zielführend entlasten, so dass die Unternehmen eine realistischere Chance hätten, sowohl die Anforderungen unter Solvency II als auch die der ZZR zu erfüllen. Lebensversicherer begegnen Herausforderungen mit Innovationen in der Produktlandschaft Vor dem Hintergrund der niedrigen Zinsen und der hohen Kapitalanforderung im Solvency-IIStandardmodell für Produkte mit langfristigen klassischen Garantien gehen Lebensversicherer, neben einer Fokussierung auf Biometrieprodukte, verstärkt dazu über, ihr Angebot an Altersvorsorgeprodukten mit einer flexiblen oder ganz ohne Garantieverzinsung auszubauen. Dabei ist zu beachten, dass im Kontext von Solvency II Garantieprodukte unter der Voraussetzung einer hinreichenden Kapitalunterlegung durchaus weiterhin angeboten werden können. Denn durch das neue Aufsichtsregime sollen lediglich Mängel in der Bepreisung der Produkte offen gelegt werden. Insgesamt ist die Auswirkung der Niedrigzinspolitik der EZB auf die Produktpalette der Lebensversicherer aus Kundensicht differenziert zu betrachten. Einerseits kann argumentiert werden, dass der Sparer und damit seine Altersvorsorge geschädigt wird. Andererseits ist in diesem Zusammenhang jedoch positiv zu bewerten, dass die Anbieter durch die niedrigen Zinsen und den damit verbundenen rückläufigen Kapitalanlageerträgen gezwungen sind, effizienter im Bereich der Produktgestaltung zu agieren. Dies führt dazu, dass die neu eingeführten Produkte oftmals kostengünstiger sind und aufgrund der niedrigeren Zinsgarantien langfristig rentabler ausfallen können. Da die Lebensversicherer am Kapitalmarkt faktisch kaum mehr die Garantiezinsen im Bestand erwirtschaften können, suchen die Anbieter nach Möglichkeiten, Mittel aus dem laufenden Geschäft zu generieren, um die Auszahlung der teuren Altverträge sicherzustellen. Eine Absenkung des durchschnittlichen Garantiezinses im Bestand erzielen die Unternehmen am effizientesten mit dem Vertrieb von deckungsstockgebundenen Verträgen ohne oder mit verminderter klassischer Garantiekomponente, weil dadurch bei entsprechenden Absatzerfolgen eine Durchmischung des Bestands erreicht wird. Hierbei stehen die Gesellschaften jedoch vor der großen Herausforderung, dem Kunden ein attraktives Produkt ohne – oder nur mit verminderter Garantie – anzubieten, bei der dieser jedoch eine realistische Chance besitzt, in hohem Maße an positiven Kapitalmarktentwicklungen zu partizipieren. Andererseits ist es für risikoaverse Kunden erforderlich, zumindest eine Beitragsgarantie auf einem vorab definierten Niveau anzubieten. Für Lebensversicherer stellt die Absenkung des Höchstrechnungszinses zum 1. Januar 2017 in diesem Kontext eine weitere Herausforderung dar, da auch der Erhalt der Bruttobeiträge im Sicherungsvermögen zunehmend schwieriger und nur bei langen Vertragslaufzeiten zu garantieren ist. Einige Anbieter streben zunehmend auch Produkte an, deren Garantien sich möglichst reibungslos an das jeweils aktuelle Kapitalmarktumfeld anpassen. Am Markt sind in dieser Hinsicht mehrere Ausgestaltungsvarianten zu beobachten, die jedoch kaum miteinander vergleichbar sind, da die Wirkungsweisen, beispielsweise der Kapitalmarktpartizipation oder möglicher vorhandener Garantieelemente, mitunter stark voneinander abweichen. Mehrere Lebensversicherer haben sich komplett von klassischen Garantiekonzepten verabschiedet, 18 investieren die Kundengelder aber auch bei den neuen Produktkonzepten vollständig oder teilweise im Sicherungsvermögen.5 Andere Gesellschaften ziehen sich zugunsten rein investmentorientierter Produkte komplett aus dem deckungsstockgebundenen Sparen zurück. Ebenfalls angeboten werden dynamische Konzepte, bei denen Kunden Fonds selektieren, deren Volatilität von Fondsmanagern regelmäßig kontrolliert wird. Bei Überschreitung eines definierten Grenzwerts erfolgt eine Umschichtung von Teilen des Fondsguthabens in einen Sicherungsfonds. Ungeachtet der konkreten Produktgestaltung fürchtet Assekurata, dass die Vielzahl der angebotenen Produkte und Produktvarianten nicht nur die Vertriebspartner der Lebensversicherer, sondern aufgrund der eingeschränkten Vergleichbarkeit und mitunter hohen Komplexität auch die Endkunden überfordern wird. Somit kommen Altersvorsorgesparer nicht umhin, sich bei der Auswahl den besonderen Produktmerkmalen zu widmen. Dabei dürften insbesondere die weniger investmentaffinen Kunden auf eine qualifizierte Beratung angewiesen sein. Die neuartigen Verträge weisen ganz spezifische, im Detail aber auch sehr unterschiedliche Eigenschaften auf, für die sich ein unmittelbarer Produktvergleich anhand nur eines bestimmten Kriteriums verbietet. Nicht zuletzt ist diese Einschränkung ein Ausdruck der objektiven Schwierigkeit, Lebensversicherungsprodukte nach neuer Machart einem einfachen und stichhaltigen Beurteilungsmaßstab zu unterziehen. Hoffnung auf Besserung verspricht hier die Initiative der Produktinformationsstelle Altersvorsorge GmbH (PIA), die an einem einheitlichen und verbindlichen Standard zur Ermittlung von ChancenRisiko-Profilen und zur Berechnung der Effektivkosten arbeitet. Sofern sich dieser auf breiter Linie über alle Schichten der Altersvorsorge durchsetzt, dürfte er dazu beitragen, die Produkte besser einordnen und vergleichen sowie deren Leistungsniveau passgenauer mit dem individuellen Risikoprofil eines Kunden abstimmen zu können. PIA soll eine wichtige Funktion zur Stärkung des Verbraucherschutzes zukommen, um die Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit von Altersvorsorgeprodukten zu erhöhen. So müssen Anbieter von Riester- und Basisrenten ab 1. Januar 2017 bei Abschluss eines Vertrages ein normiertes Produktinformationsblatt verwenden und die Kun5 den damit in standardisierter Form über die wesentlichen Produktmerkmale informieren. Sie müssen dabei die Chancen-Risiko-Klasse der eigenen Altersvorsorgeprodukte durch die PIA testieren lassen und diese in den Produktinformationsblättern ausweisen. Darüber hinaus soll die PIA eine Methodik zur Berechnung der Effektivkosten vorgeben, die von allen Anbietern einheitlich anzuwenden ist. Die neuen Standards gelten zunächst nur für staatlich geförderte private Altersvorsorgeprodukte. Im Sinne der Transparenz wäre es aus Sicht von Assekurata zu begrüßen, wenn die Vorgaben auf alle versicherungsförmigen Altersvorsorgeprodukte ausstrahlen und sich damit zu einem einheitlichen Vergleichsmaßstab entwickeln würden. Mit der anstehenden Rechnungszinssenkung und der damit verbundenen Herausforderung, die Beitragsgarantie sicherzustellen, dürfte die Anzahl der Anbieter geförderter Produkte – speziell Riesterrenten – weiter zurückgehen. Für die Durchsetzung eines Transparenzstandards sind dies keine guten Startbedingungen. Im Marktausblick 2015 hatte Assekurata bereits den möglichen Einfluss des LVRG auf die Kalkulation der Abschlusskosten ausführlich thematisiert. Ziel der gesetzlichen Reduzierung des HöchstZillmersatzes von 40 auf 25 Promille der Beitragssumme ist eine stärkere Fokussierung auf laufzeitabhängige Vergütungsmodelle bei gleichzeitiger Reduktion der Abschlussprovisionen. Dabei hat der Gesetzgeber mit der Anknüpfung an den Zillmersatz die Möglichkeit geschaffen, dass kein rechtlicher Zwang zur Änderung besteht, sondern es den Anbietern vielmehr offen steht, an den bisherigen Provisionssystemen festzuhalten. Produktentwickler sehen sich demnach vor der Herausforderung, nicht nur Produkte mit neuen Garantiemodellen zu kreieren, sondern gleichzeitig auch tragfähige Provisionssysteme zu berücksichtigen. Dabei ist die Verlagerung der Vergütung von Vertragsbeginn auf die Laufzeit nicht das alleinige Allheilmittel. Am Markt zu beobachten sind auch Anpassungen in Bezug auf die Haftungsdauer des Vertriebspartners. Es zeigen sich erste Tendenzen, dass Provisionen und Courtagen in Zeiten des LVRG abnehmen. So spiegeln Analysen eine Verlagerung von Abschluss- zu Bestandsprovisionen wider. Laut der Studie „Mehr Transparenz, weniger Kosten? Vgl. auch Assekurata-Studie zur Überschussbeteiligung 2016, in der neben der der Klassik auch Produkte der Neuen Klassik und Indexpolicen untersucht wurden. 19 Was hat das Lebensversicherungs-Reformgesetz gebracht?“ des Instituts für Transparenz GmbH (ITA) aus dem Mai 2015 ist insgesamt ein Rückgang der einmaligen Abschlusskosten bei klassischen privaten Rentenversicherungen und RiesterRenten im Durchschnitt um über 25,0 % zu verzeichnen, während zugleich die laufenden Kosten steigen. In Summe dürfte die Branche hier jedoch noch nicht alle (politischen) Hausaufgaben erledigt haben. Stagnierendes Branchenwachstum Die sinkenden Erträge für Zinsanlagen in Verbindung mit den günstigen Finanzierungsmöglichkeiten für Wohnimmobilien schlagen sich auch im Vorsorgeverhalten der potenziellen Versicherungsnehmer von Lebensversicherungsverträgen nieder. Untersuchungen haben gezeigt, dass rund die Hälfte der berufstätigen Bundesbürger zu der Einschätzung gelangt, dass sich Anlagen, wie Spareinlagen oder private Renten- und Lebensversicherungen, nicht mehr rentieren. Ein Großteil derjenigen, die weiterhin Vorsorge betreiben möchten, fokussiert sich daher auf den Erwerb von Immobilien, um damit das Auskommen im Alter abzusichern. Dieser Trend sowie der kontinuierlich sinkende Höchstrechnungszins stellt die Branche vor die Aufgabe, auch in einem schwierigen Umfeld weiterhin Wachstum zu generieren. Nach Ansicht von Assekurata ist dies durch die Entwicklung innovativer Produkte mit alternativen Garantiekonzepten möglich, gleichzeitig könnten die politischen Entwicklungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung (bAV) zu einem weiteren Absinken der Nachfrage führen. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Umsetzung der bAV einfacher und unbürokratischer zu gestalten und die Verbreitung der bAV gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Geringverdienern zu fördern. Derzeit verhindern komplexe Rahmenbedingungen und damit verbundene Informationsdefizite auf Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite sowie Fehlanreize im Steuerund Sozialversicherungsrecht den Ausbau der beruflichen Vorsorge. Bereits seit Ende 2014 wird das Sozialpartnermodell Betriebsrente (auch „Nahles-Rente“) diskutiert, welches eine einfache und kostengünstige Alternative zur bisherigen bAV bieten soll. Auch ein vom Bundesarbeitsministerium beauftragtes Gut- achten kommt zu dem Schluss, dass die Betriebsrente grundsätzlich geeignet scheint, jedoch durch gezielte Maßnahmen weiterentwickelt werden sollte. So stellen beispielsweise die Förderung der Betriebsrente durch Steuervorteile und Zuschüsse für Geringverdiener zielführende Ergänzungen dar. Zudem sollten über tarifliche Regelungen mehr Betriebe dazu gebracht werden, ihren Mitarbeitern eine Betriebsrente anzubieten. Eine Möglichkeit stellt das beispielsweise in den USA bereits erfolgreiche Optionssystem (Opting-out-Modell) dar, welches dort zu einer stärkeren Ausbreitung der Entgeltumwandlung führt. Es ist daher zu erwarten, dass eine Reform der bAV die Nachfrage nach Produkten der privatwirtschaftlichen Lebensversicherer weiter einschränken dürfte. Mit Blick auf das zurückliegende Geschäftsjahr 2015 ist das Branchenwachstum nach Angaben des GDV rückläufig. Insgesamt ist das Beitragsaufkommen in der Lebensversicherung (inklusive Pensionskassen und Pensionsfonds) um 1,10 % zurückgegangen. Dabei entwickelte sich das Geschäft mit laufenden Beiträgen weitgehend stabil, während das Einmalbeitragsgeschäft 2015 um rund 8,80 % sank, was neben einem zurückhaltenden Zeichnungsverhalten vieler Anbieter auf ein vergleichsweise schwaches Jahresendgeschäft zurückzuführen ist. Gleichwohl lag das Prämienvolumen der Einmalbeiträge mit 26,2 Mrd. € und einem Anteil von etwa 29,8 % am gesamten Beitragseinkommen auf dem zweithöchsten jemals gemessenen Wert. Assekurata rechnet für 2016, ähnlich wie 2015, mit einem Rückgang des gesamten Beitragsaufkommens im geringen einstelligen %-Bereich, wobei die Prognose auf einer verringerten Sparneigung sowie dem weiter anhaltenden Niedrigzinsumfeld basiert. Zudem sind 2016 die so genannten 5+7Verträge größtenteils aus den Beständen herausgewachsen, die Ende 2004 aus einer steuerlichen Motivation heraus recht zahlreich abgeschlossen wurden. Gegenläufig wirkt die anhaltend gute wirtschaftliche Lage der privaten Haushalte. In Relation zum vorhandenen Bestand geht Assekurata 2015 von einem leichten Rückgang der laufenden Beiträge aus neu eingelösten Versicherungsscheinen (Brutto-Neugeschäftsquote nach laufenden Beiträgen) auf 6,00 % aus, wie in nachstehender Abbildung eingezeichnet. Bei der Stornoquote ist bereits seit einigen Jahren eine Tendenz nach unten zu verzeichnen, was vornehmlich 20 darauf zurückzuführen ist, dass tendenziell weniger Kunden ihre Verträge vorzeitig kündigen. Dies spricht für die hohe Werthaltigkeit der hochver- zinsten Altverträge, deren Kündigung im Niedrigzinsumfeld ökonomisch nicht sinnvoll ist. Brutto-Neugeschäftsquote und Stornoquote im Lebensversicherungsmarkt % 10,00 9,00 7,63 8,00 7,20 6,90 7,00 5,85 6,16 6,00 4,76 4,60 2014 2015* 6,00 5,00 5,37 5,13 5,13 4,99 4,00 3,00 2,00 1,00 0,00 2010 2011 2012 2013 Eingelöste Versicherungsscheine in % des Beitragsbestands (laufende Beiträge) Stornoquote in % (laufende Beiträge) Quelle: Assekurata; * = Schätzung Lebensversicherer nur gering von Trend zur Digitalisierung betroffen Branchenweit wird neben den Herausforderungen des Niedrigzinsumfeldes und der zunehmenden regulatorischen Anforderungen auch die Digitalisierung als wesentliche Hauptaufgabe der Zukunft gesehen. Dabei betrifft Digitalisierung nicht nur Vermarktung, Service und Vertrieb. Hohe Bedeutung wird den digitalen Möglichkeiten insbesondere auch bei der Organisation in Verwaltung und Betrieb zugemessen. Kunden fordern zunehmend, die Kommunikation auch auf digitale Kanäle zu erweitern. Dass dies Versicherern, aber auch ihren Vertrieben, noch nicht auf breiter Fläche mit hoher Servicequalität gelingt, belegen zahlreiche Studien. So fehle es im Speziellen an einem geplanten, strategischen Informations- und Datenmanagement, zudem geschehen die Umwandlungsprozesse zu langsam. Als große Hürde erweisen sich Lücken in der technischen Sicherheit sowie unklare personelle Verantwortlichkeiten. Dabei bietet gerade die zunehmende digitale Vernetzung aus Sicht von Assekurata die Möglichkeit einer kunden- und zukunftsorientierteren Betreuung. Auch ermögli- chen neue Wege der Datenerfassung und -nutzung die Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen. Zur Verbesserung der Datensicherheit hat die Versicherungswirtschaft die freiwillige Selbstverpflichtung zum Datenschutz abgeschlossen. Dieser Code Of Conduct präzisiert die allgemeinen Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes für die Branche und wird mit dem Ziel weiterentwickelt, eine Anpassung an das europaeinheitliche Datenschutzrecht zu erreichen. Assekurata sieht die Chancen und Herausforderungen der zunehmenden Digitalisierung in der Lebensversicherungsbranche weniger im möglichen Vertrieb von Produkten, sondern vielmehr in der effizienteren Gestaltung von Prozessen über digitale Kommunikationskanäle. Gelingt es der Branche, gesicherte Kommunikationswege, beispielsweise über Kundenportale, zu etablieren, können sich neben einer kundenorientierten Kommunikation über digitale Medien auch Kostenvorteile ergeben. Zudem besteht ein hohes Potenzial, Kunden bei der Risikoreduktion und -prävention zu unterstützen und risikominderndes Verhalten über entsprechende Vertragsboni zu belohnen. 21 Assekurata-Ratings (Stand Juni 2016) Unternehmensrating (Lebensversicherer) Bonitätsrating (Lebensversicherer) Alte Leipziger Leben A+ ALTE LEIPZIGER Leben A+ Cosmos Leben A++ Canada Life AA- Debeka Leben A++ INTER Leben A Hannoversche Leben A++ VGH Provinzial Leben Hannover A+ HUK-COBURG Leben A+ IDEAL Leben A+ LVM Leben A+ Neue Bayerische Beamten Leben A+ neue leben A+ PB Leben A TARGO Leben A+ Nicht freigegebene Unternehmensratings Lebensversicherer: Nicht freigegebene Bonitätsratings: 7 mit Ergebnissen von A+ bis B+ (Stand Juni 2016) 2 mit Ergebnissen von A bis BBB+ (Stand Juni 2016) 22 Disclaimer Copyright Die in dieser Untersuchung verwendeten Daten wurden sorgfältig recherchiert. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Untersuchungsinhalte sowie für zwischen-zeitliche Änderungen übernimmt die ASSEKURATA Assekuranz RatingAgentur GmbH keine Gewähr. Die Untersuchung ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit schriftlicher Zustimmung der ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur GmbH, Köln, zulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur GmbH haftet nicht für unsachgemäße Weiterverwendung der Informationen. Nachdruck und Vervielfältigung nur mit schriftlicher Genehmigung der ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur GmbH. Das gilt auch für die Aufnahme in öffentlich zugängliche Datenbanken und Vervielfältigungen auf CD-Rom oder ähnlichen Datenträgern. Kontakt ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur GmbH Venloer Str. 301-303 50823 Köln Telefon: 0221 27221-0 Telefax: 0221 27221-77 E-Mail: info@assekurata.de Internet: www.assekurata.de 23