Link
Transcription
Link
Fachhochschule Hannover Fachbereich Wirtschaft Axel Will Regionalisierungs- und Integrationsversuche in Europa, Afrika, Asien und auf dem amerikanischen Kontinent. Darstellung und Bewertung Diplomarbeit Hrsg. von Dipl. Volkswirt Prof. Dr. Inse Cornelssen Arbeitspapier Nr.63/01 des Fachbereichs Wirtschaft der FH-Hannover ISSN Nr. 1436-1035 (print) ISSN Nr. 1436-1507 (internet) Axel Will Regionalisierungs- und Integrationsversuche in Europa, Afrika, Asien und auf dem amerikanischen Kontinent. Darstellung und Bewertung Diplomarbeit herausgegeben von Prof. Dr. Inse Cornelssen Hannover 2001 Vorwort der Herausgeberin Axel Will kam im Frühjahr 2001 in Stockholm ums Leben, als er nach Abschluss seiner – hier vorliegenden - Diplomarbeit zum Studierende einen Auslandsaufenthalt in Skandinavien absolvierte. Er war ein intellektuell überdurchschnittlich anspruchsvoller und vielversprechender junger Mann, der gerne bereit war, seine Fähigkeiten in den Dienst einer makroökonomisch hochinteressanten und bei entsprechendem Ergebnis politisch wichtigen Analyse zu stellen, obwohl daraus lediglich der Schritt in die Promotion, nicht aber der Absprung in ein aussichtsreiches Berufsleben resultieren konnte. Seine Diplomarbeit ist von beiden Prüfern als weit über dem Durchschnitt liegend bewertet worden und erscheint nicht nur geeignet, als Diplomarbeit in Form Grauer Literatur öffentlich zugänglich gemacht zu werden, denn die Analyse, die hier vorgelegt wird, zeichnet sich aus durch die klare Herausarbeitung von Merkmalen für erfolgreiche bzw. weniger erfolgversprechende Regionalisierungsanstrengungen, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung gewinnen, da die fortschreitende Globalisierung derartige Schutzreaktionen von Ländergruppen nachgerade provoziert. Bisher gab es keine derartige Untersuchung. Axel Will hat mit der Frage nach der Prognostizierbarkeit des Erfolgs oder Misserfolgs von Regionalisierungsbemühungen Neuland betreten. Er tat dies zurückhaltend, wie es seine Art war, vermied sorgfältig Formulierungen, die prahlend das eine oder andere Kriterium herausstreichen, und lässt dem Leser Raum für eigene weiterführende Überlegungen, Erkenntnisse und Schlussfolgerungen, bietet ihm hierfür einen exzellenten und höchst selten aufzufindenden Überblick über sehr bekannte, aber auch weniger bekannte Kooperationen auf und zwischen allen fünf Kontinenten und – vielleicht ist dies sein ungewolltes Vermächtnis, für das wir ihm besonders dankbar sein dürfen, macht damit Mut, die Zukunft unserer Welt nicht pessimistisch zu sehen, auch nicht einem kleinkrämerischen Nutzen-Kalkül zu folgen, sondern Visionen zu entwickeln, die langfristig geeignet sind, Lebensbedingungen eigenverantwortlich positiv zu gestalten. Hannover, im September 2001 Inse Cornelssen II Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeberin Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Anlagenverzeichnis II III XI XII XIII XVII Einführung 1 Erster Teil: Internationale Vereinbarungen Regionalisierung und Integration 2 1. Grundbegriffe wirtschaftlicher Integration 2 1.1. 1.2. 1.3. 1.4. 1.5. 1.6. Präferenzzone Freihandelszone Zollunion Gemeinsamer Markt Wirtschafts- und Währungsunion Vollständige Integration 2 3 3 4 4 4 2. Europa 6 2.1. Erste Ansätze europäischer Zusammenarbeit nach dem zweiten Weltkrieg Die Montanunion NATO und Warschauer Pakt Die Europäische Gemeinschaft Die EFTA 6 7 8 8 9 2.1.1. 2.1.2. 2.1.3. 2.1.4. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit durch Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft seit 1969 Der erste Beitritt von EFTA-Staaten zur EG Die Gemeinschaft als Handelsblock und internationaler Vertragspartner Die Süderweiterung 10 10 11 12 III 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.4. 2.4.1. 2.4.2. 2.4.3. 2.4.4. 2.4.5. 2.5. 3. 3.1. 3.1.1. 3.1.1.1. 3.1.1.2. 3.1.1.2.1. 3.1.1.2.2. 3.1.2. 3.1.2.1. 3.1.2.2. 3.1.2.3. 3.1.2.4. 3.1.2.5. 3.2. Vollendung der europäischen Zusammenarbeit durch den europäischen Binnenmarkt und die politische Einheit Der Europäische Binnenmarkt Die politische Union 12 13 14 Perspektiven der europäischen Zusammenarbeit seit 1990 Die innere Integration Die Osterweiterung Die CEFTA EFTA und EWR Die zukünftige Region Europa 15 15 17 19 20 20 Zusammenfassung und Ausblick: “Europa – 50 Jahre danach” 21 Afrika Ansätze afrikanischer Integration Integrationsversuche über politische Zusammenarbeit Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) Die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft ( SADC) Die Vorgängerin SADCC Ansätze zur Regionalisierung durch die SADC Integrationsversuche über wirtschaftliche Zusammenarbeit Die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) Die Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) Die Wirtschaftsgemeinschaft der Zentralafrikanischen Staaten (CEEAC) Die Zentralafrikanische Zoll- und Wirtschaftsunion (UDEAC) Die Wirtschaftsgemeinschaft der Länder der Großen Seen (CEPLG) Ausblick und Zusammenfassung: “Afrika den Afrikanern” 23 24 25 25 26 27 28 28 28 29 30 30 31 31 IV 4. Naher und Mittlerer Osten 4.1. Ansätze regionaler Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten Die Arabische Idee als Grundlage für Regionalisierung Die Arabische Liga Der Arabische Gemeinsame Markt Die Arabische Maghreb Union Der Schutz der Bodenschätze als Grundlage für Zusammenarbeit Der Golfkooperationsrat (GCC) Die Economic Cooperation Organization (ECO) 4.1.1. 4.1.1.1. 4.1.1.2. 4.1.1.3. 4.1.2. 4.1.2.1. 4.1.2.2. 4.2. 32 33 33 34 35 35 36 36 38 Ausblick und Zusammenfassung: “Region ohne Regionalisierung” 39 5. Amerika 41 5.1. Ansätze regionaler Zusammenarbeit in Nordamerika Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) Die wirtschaftliche Bedeutung der NAFTA Die Intentionen der Länder für den Abschluss des Abkommens Die neue handelspolitische Orientierung der USA 5.1.1. 5.1.1.1. 5.1.1.2. 5.1.1.3. 5.2. 5.2.1. 5.2.2. 41 41 41 43 45 Regionalisierungsversuche in Mittelamerika Die Karibische Gemeinschaft (CARICOM) Der Zentralamerikanische Gemeinsame Markt (MCCA) Das Zentralamerikanische Integrationssystem (SICA) 45 45 49 5.3.3. Integrationsgedanken in Südamerika Die Lateinamerikanische Integrationsassoziation (ALADI) Der Gemeinsame Markt des Ganzen Südens (MERCOSUR) Die Andengruppe 5.4. 5.4.1. 5.4.2. 5.4.3. Die Regionalisierung des gesamten Kontinents Die Gruppe der Drei (G-3) Die Freihandelszone Alaska-Feuerland (FTAA) Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) 53 53 53 54 5.2.3. 5.3. 5.3.1. 5.3.2. 48 49 49 51 52 V 5.5. Zusammenfassung und Ausblick: ”Von Alaska bis Feuerland- Ein Amerika” 54 6. Asien-Pazifik 57 6.1. Regionale Kooperation in Australien: Das Australien-Neuseeland-Handelsabkommen (ANZCERTA) 57 6.2. 6.2.2. 6.2.3. Regionale Kooperationen im asiatisch-pazifischem Raum Der Verband südostasiatischer Staaten (ASEAN) Die schwierige Aufnahme neuer Staaten Das Gemeinschaftsbewusstsein der ASEAN-Staaten Wirtschaftliche Bedeutung der ASEAN und die AFTA-Zone Die Asiatic Pacific Economic Cooperation (APEC) Die Südasiatische Regionalkooperation (SAARC) 6.3. Die Black Sea Economic Cooperation Zone 65 6.4. Ausblick und Zusammenfassung: “Asien: Regionund bald Weltmacht? 65 Zwischenbilanz: Regionalisierung oder “Regionalitis“? 68 Zweiter Teil: Inhalte, Vertragsstrukturen und Erfolgsaussichten ausgewählter regionaler Kooperationen 70 8. Die Verträge der Europäischen Union 70 8.1. Die Vision „Vereintes Europa“ 70 8.2. Die einzelnen Regelungen über die europäische Zusammenarbeit Die wirtschaftspolitischen Bestimmungen des Vertrages Freier Handelsverkehr und Gemeinsame Handelspolitik 6.2.1. 6.2.1.1. 6.2.1.2. 6.2.1.3. 7. 8.2.1. 8.2.1.1. 57 58 58 59 61 62 64 71 72 72 VI 8.2.1.2. Freier Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr Freier Personenverkehr Freier Dienstleistungsverkehr Freier Kapitalverkehr Die rahmenpolitischen Inhalte des Vertrages Der Umweltschutz Umweltschutz und regionale Kooperation Umweltschutz in der EG Die Gemeinsame Verkehrspolitik Der Weg zu einer Gemeinsamen Verkehrspolitik Verkehrssicherheit Umweltschutz und Verkehr Wettbewerbsverzerrungen Forschung und Entwicklung 73 73 75 75 77 77 77 77 79 79 80 81 81 82 Die zentralistische Komponente der EG: Die Landwirtschaft Gründe für die zentralistische Politik Die Gestaltung einer gemeinsamen Agrarpolitik Finanzielle Solidarität Die Einheit des Marktes Das Prinzip der Gemeinschaftspräferenz Die Zukunft der Landwirtschaft 83 84 85 85 85 87 87 8.2.4.1. 8.2.4.2. Die rechtspolitischen Probleme der Integration im EUVertrag Die Angleichung von Rechtsvorschriften Die Wirtschafts- und Währungsunion 89 89 89 8.2.5. Die wichtigsten Institutionen der EU 90 8.2.6. 8.2.6.1. 8.2.6.2. Die unionspolitische Aufgabe des EU-Vertrages Das „Gemeinschafts“- Konzept der EU Die politische Union Europas 90 90 91 8.3. Schlussbemerkungen 93 9. AFRIKA: Der Vertrag zur Gründung der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) 95 9.1. Die Vision der SADC 95 9.2. Inhalte des SADC-Vertrages 96 8.2.1.2.1. 8.2.1.2.2. 8.2.1.2.3. 8.2.2. 8.2.2.1. 8.2.2.1.1. 8.2.2.1.2. 8.2.2.2. 8.2.2.2.1. 8.2.2.2.2. 8.2.2.2.3. 8.2.2.2.4. 8.2.2.3. 8.2.3. 8.2.3.1. 8.2.3.2. 8.2.3.2.1. 8.2.3.2.2. 8.2.3.2.3. 8.2.3.3. 8.2.4. VII 9.2.1. 9.2.2. Grundprinzipien der SADC Die Institutionen der SADC 96 96 9.3. 9.3.1. 9.3.2. 9.3.3. Die wirtschaftlichen Aussichten der SADC Die Freihandelszone Die Grundprobleme der SADC-Staaten Korruption in den SADC-Staaten 97 97 98 98 9.4. 9.4.1. 9.4.1.1. 9.4.1.2. Die politischen Aussichten der SADC Vermittlung bei Konflikten Angola und Mosambik Die Demokratische Republik Kongo 100 100 100 101 9.4.2. Konflikte zwischen den SADC-Staaten 102 9.5. Schlussbemerkungen 103 10. Die Deklaration des Verbandes südostasiatischer Staaten (Association of South East Asian Nations, ASEAN) 104 10.1. Die Visionen der ASEAN Staaten 105 10.2. Institutionen der ASEAN 107 10.3. 10.3.1. 10.3.2. Konflikte innerhalb der ASEAN-Staaten Der Sabah-Disput Die Spratly-Inseln 107 108 109 10.4. Die wirtschaftliche Kooperation 110 10.5. Schlussbemerkungen 111 11. Der Vertrag zur Errichtung eines Gemeinsamen Marktes des Ganzen Südens (MERCOSUR) 112 11.1. Die Vision des MERCOSUR 113 11.2. 11.2.1. 11.2.2. Inhalte des MERCOSUR-Vertrages Organe des Mercosur Die Rechtsordnung des MERCOSUR 114 114 115 11.3. 11.3.1. Die wirtschaftlichen Aussichten des Mercosur Planung einer Freihandelszone 116 117 VIII 11.3.2. 11.3.3. 11.3.4. Handel Arbeitsmarkt und soziale Absicherung Integrationsfortschritte 117 118 119 11.4. Die politischen Aussichten des MERCOSUR 119 11.4.1. 11.4.1.1. 11.4.1.2. Der Beitritt Chiles Chiles Beitrittsziele Erwartete Vorteile für Chile 119 120 120 11.4.2. Die politische Funktion des MERCOSUR 121 11.5. 11.5.1. 11.5.2. Der Gegensatz zwischen Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung im Mercosur Die Wasserstraße Paraná-Paraguay Umweltschutz in den Mercosur-Staaten 121 122 124 11.6. Schlussbemerkungen 125 12. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) 126 12.1. Besitzstandswahrung als Motor der NAFTA 126 12.2 12.2.1. 12.2.1.1. 12.2.1.2. Inhalte des NAFTA-Hauptvertrages Vertragsidee und Warenhandel Zölle Ursprungsregelungen 127 127 127 128 12.2.2. 12.2.2.1. 12.2.2.2. Die umstrittenen Sektoren Der Energiesektor Der Agrarsektor 129 129 131 12.2.3. 12.2.3.1. 12.2.3.2. 12.2.3.3. Schaffung der Voraussetzungen eines freien Handels Technische Handelshemmnisse Investitionen und Dienstleistungen Wettbewerbspolitik 132 133 134 136 12.2.4. 12.2.5. Der Schutz des geistigen Eigentums Schlussbestimmungen 136 137 12.3. Institutionelle Bestimmungen des NAFTA-Vertrages 137 12.4. Die NAFTA-Nebenabkommen 138 IX 12.4.1. 12.4.2. Das Umweltschutzabkommen Das Arbeitsabkommen 138 139 12.5. Die Auswirkungen des NAFTA-Abkommens 140 12.6. Schlussbemerkungen 142 13. Der Vertrag über den Golfkooperationsrat (GCC) 144 13.1. 13.1.1. 13.1.2. 13.1.3. 13.2. Besitzstandswahrung als Grundlage des GCC Erdölreichtum Das Prinzip der Selbstverteidigung Die neue Sicherheitsdoktrin des GCC Inhalt des Kooperationsvertrages 144 144 145 146 147 13.3. 13.3.1. 13.3.1.1. 13.3.1.2. Die innenpolitische Situation des Golfkooperationsrats Konflikte zwischen den GCC-Mitgliedern Katar und Saudi-Arabien Bahrain und Katar 148 148 149 149 13.3.2. Das Verhältnis zu Israel 150 13.4. Schlussbemerkungen 150 Schlusswort 152 Schrifttumsverzeichnis 153 X Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Partner der EG (AKP-Staaten) 11 Abb. 2: Die Europäische Union und die Länder, mit denen Beitrittsverhandlungen geführt werden 16 Abb. 3: Die 4 CEFTA-Staaten 19 Abb. 4: Karte der afrikanischen Staaten 23 Abb. 5: Die Staaten der SADC 26 Abb. 6: Die Mitglieder der Arabischen Liga 34 Abb. 7: Die Mitglieder der AMU 35 Abb. 8: Der Golf-Kooperationsrat (GCC) 37 Abb. 9: Die Staaten der NAFTA 42 Abb. 10: Die Mitglieder von Caricom und SICA (ohne das kürzlich der Caricom beigetretene Surinam) 46 Abb. 11: Die Mitglieder des Mercosur 51 Abb. 12: Die ASEAN-Staaten 58 Abb. 13: Die APEC-Staaten (ohne die kürzlich beigetretenen Länder Peru, Russland und Vietnam) 63 Abb. 14: Malaysia mit der Provinz Sabah 108 Abb. 15: Das Südchinesische Meer mit den Spratly-Inseln 109 Abb. 16: Die Wasserstraße Paraná-Paraguay 123 XI Tabellenverzeichnis Tab. 1: Haushaltsausgaben der Europäischen Gemeinschaften 92 Tab. 2 Finanzierung der EU bis 2006 93 Tab, 3: Entwicklung der Ausgaben des EAGFL, 94 Tab. 4: Korruptionsindex 99 Tab. 5: Reale Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts in den NAFTA-Staaten von 1992 bis 1999 142 XII Abkürzungsverzeichnis ACM ACS AFTA AKP ALADI AMC AMM AMU ANZCERTA APEC ASEAN Arab Common Market Association of Caribbean States Asean Free Trade Area Afrika-Karibik-Pazifk-Staaten Associatiòn Latinoamericana de Integracion Arab Common Market Asian Ministerial Meeting Arab Maghreb Union Australia New Zealand Closer Economic Relation Trade Agreement Asiatic Pacific Economic Cooperation Association of South East Asian Nations BGBl BIP BSECZ Bundesgesetzblatt Bruttoinlandsprodukt Black Sea Economic Cooperation Zone CAEU CARICOM CARIFTA CBI CEEAC CPLG CUFTA Council of Arab Economic Communtiy Caribbean Community and Common Market Caribbean Free Trade Area Caribbean Basin Initiative Comunauté Economique des Etats de l‘ Afrique Centrale Communauté Economique de l‘ Afrique de L‘ Ouest Central European Free Trade Agreement Comité Europeen de Normalisation Comité Europeen de Normalisation Electrique Conseil Europeenne pour la recherche Cooperation européenne dans la domaine Scientifique Technique Communité Economique des Pays des Grandes Lacs Canada-USA Free Trade Agreement DDR Deutsche Demokratische Republik EAG EAGFL Europäische Atomgemeinschaft Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft CEAO CEFTA CEN CENELEC CERN COST XIII ECO ECU ECOWAS EEA EFRE EFTA EG EGKS EGV ERP ESA EU EUFGL EuGH EURATOM EUREKA EUV EVG EWG EWR Economic Cooperation Organization European Currency Unit Economic Community of West African States Einheitliche Europäische Akte Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Recovery Program European Space Agency Europäische Union Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft Europäischer Gerichtshof Europäische Atomgemeinschaft European Research Koordination Agency Vertrag über die Europäische Union. Europäische Verteidigungsgemeinschaft Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum FAO FAZ FOA FTA FTAA Food and Agriculture Organization of the UN Frankfurter Allgemeine Zeitung Foreign Operations Administrations Free Trade Agreement Free Trade Area of the Americans GAP GASP GATT GCC GMC Gemeinsame Agrarpolitik Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik General Agreement on Tarifs and Trade Gulf Cooperation Council Grupo do Mercado Comun HWWA Hamburger Weltwirtschaftsarchiv ICA ITU IWF International Cooperation Administration International Telecommunication Union Internationaler Währungsfonds LAFTA Latino American Free Trade Agreement XIV LDC Less Developed Countries MCCA MDC MERCOSUR MSA Mercado Comùn Centroamericano More Developed Countries Mercado Comùn del Cono Sur Mutual Security Agency NAFTA NAFTA NATO North American Free Trade Agreement New Zealand – Australia Free Trade Agreement North Atlantic Treaty Organization OAU OAS ODECA OECD Organization for African Unity Organization of American States Organization for the Development of Central America Organization for Economic Cooperation and Development Organization for European Economic Cooperation Organ für Politik, Verteidigung und Sicherheit der SADC OEEC OPVS PHARE PMC PTA Pologne & Hongrie Assistance a la Reconstruction des Economic Post-Ministerial Conference Preferential Trade Agreement RCD REMA RGW Rn. Regional Cooperation for Development Reuniao Especilizado de Meio Ambiente Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe Randnote SAARC SADC SADCC SICA SEANWFZ SLORC South Asian Association for Regional Cooperation Southern African Development Community Southern African Development Coordination Conference System of Central American Integration Southeast Asia Nuclear Weapon Free Zone State Law and Order Restoration Council TÜV Technischer Überwachungsverein XV UDEAC UEMOA UMA Union Douaniere et Economique des Pays des Grands Lacs Union Economique et Monetaire Ouest Africaine Union du Maghreb Arabique WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (Wertpapiermitteilungen) ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zone of Peace, Freedom and Neutrality ZOPFAN XVI Anlagenverzeichnis Anlage 1: Treaty of the Southern African Development Community 162 Fundort: Institut für Afrika-Kunde, Hamburg. Anlage 2: The ASEAN Declaration (Bangkok Declaration) 186 Fundort: http://www.aseansec.org/ Anlage 3: Vertrag zur Errichtung eines Gemeinsamen Marktes zwischen der Republik Argentinien, der Föderation Republik Brasilien, der Republik Paraguay und der Republik Uruguay (Vertrag von Asunción) 190 Fundort: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht: Rechtsquellen des Mercosur. Anlage 4: Zusatzprotokoll zum Vertrag von Asuncion über die Institutionelle Struktur des MERCOSUR (Protokoll von Ouro Preto) 198 Fundort: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht: Rechtsquellen des Mercosur. Anlage 5: I. Dokumente: Charter of The Cooperation Council For The Arab States of The Gulf 214 Fundort: http://www.gcc-sg.org/Charter.html XVII Regionalisierungs- und Integrationsversuche in Europa, Afrika, Asien und auf dem amerikanischen Kontinent. Darstellung und Bewertung Einführung Die vorliegende Arbeit befasst sich mit regionalen Zusammenschlüssen von Staaten auf allen Kontinenten. Neben der Europäischen Union werden in den folgenden Kapiteln auch eine Reihe weniger bekannter regionaler staatlicher Verbindungen nähergebracht. Bei der Vielzahl regionaler Zusammenschlüsse musste die Arbeit eine Auswahl treffen. Vorrangig berücksichtigt wurden solche Zusammenschlüsse, die bei ihrer Gründung zumindest auch wirtschaftliche Vorteile im Blick hatten oder später zu Wirtschaftskooperationen geführt haben, so wie die Regionalisierung auch in der Literatur als eine in erster Linie geographisch abgegrenzte Verdichtung wirtschaftlicher Aktivitäten verstanden wird1. Die ausgewählten Verbindungen sollen jedoch nicht nur hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung untersucht, sondern - soweit dies angebracht ist - auch ihre Eigenheiten in rechtlicher, politischer, ethnischer, geschichtlicher oder sonstiger Hinsicht angesprochen werden. Der erste Teil soll viele der weltweit bestehenden regionalen Kooperationen näher vorstellen, der zweite Teil einige dieser Verbünde vertiefend auf ihre Visionen, Gegebenheiten bei ihrer Entstehung und den Inhalt ihrer getroffenen Vereinbarungen hin beleuchten. 1 Vgl. Borrmann, Axel: Vorwort zu "Regionalismustendenzen im Welthandel", S. 5. 1 Erster Teil: Internationale Vereinbarungen zur Regionalisierung und Integration Im ersten Teil der Arbeit werden viele der weltweit existierenden regionalen Kooperations- und Integrationsversuche vorgestellt. Vorher ist es jedoch erforderlich, Grundbegriffe verschiedener Stufen wirtschaftlicher regionaler Integration zu klären. 1. Grundbegriffe wirtschaftlicher Integration Der Begriff "Integration" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "Herstellung einer Gesamtheit"2. Wenn im Zusammenhang mit internationalen Wirtschaftsbeziehungen von Integration gesprochen wird, so bedeutet dies die Überwindung nationalstaatlicher Grenzen, um mehrere Volkswirtschaften zu einem bedeutenden Wirtschaftsraum zusammenzuschließen.3 Nach dem Grad der Integration unterscheidet man zwischen - Präferenzzone, - Freihandelszone, - Zollunion, - Gemeinsamem Markt, - Wirtschaftsunion und - Vollständiger Integration. 1.1. Präferenzzone Eine Präferenzzone ist die schwächste Integrationsform. Sie entsteht durch bilateral (d. h. von zwei Staaten) oder multilateral (von mehreren Staaten) geschlossene Vereinbarungen zwischen den Mitgliedsländern zur Einräumung von Vorzugsbedingungen, um den Handel mit bestimmten 2 3 Duden, Konrad: Fremdwörterlexikon, S. 354 unter dem Stichwort "Integration". Vgl. Kasten, Hans: Die europäische Wirtschaftsintegration, S. 11. 2 Gütern zu verbessern4. Bei Präferenzzonen gibt es keine insgesamt einheitlichen Binnen- oder Außenzölle5, sondern die Binnenzölle werden für bestimmte Produkte ganz oder teilweise abgebaut6. 1.2. Freihandelszone Von Freihandelszone spricht man, wenn der gegenseitige Außenhandel zwischen den Mitgliedsländern der Freihandelszone nicht durch Zölle oder ähnliche Barrieren beschränkt wird7. Ein wichtiges Merkmal einer Freihandelszone wie etwa der EFTA (European Free Trade Agreement) ist, dass zwischen den einzelnen Mitgliedsländern der Freihandelszone keine gemeinsame Handels- und Zollpolitik vereinbart wird, sondern jedes Mitgliedsland gegenüber Drittländern souverän agieren kann8. 1.3. Zollunion Unter einer Zollunion versteht man den Zusammenschluss mehrerer selbständiger Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiet9. Die Zollunion geht wesentlich weiter als die Freihandelszone. Denn neben fehlenden Beschränkungen des Außenhandels der Mitgliedsstaaten untereinander betreiben die beteiligten Staaten auch eine gemeinsame Zollpolitik gegenüber Drittländern; normalerweise werden dabei gemeinsame Außenzölle und Beschränkungen für Importe aus Drittländern 4 Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83 (71). 5 Vgl. El-Agraa: The Economics of the European Community, S. 12. 6 Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83 (71). 7 Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83 (71). 8 Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83 (72). 9 Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83 (73). 3 ausgehandelt10. Das wichtigste Beispiel einer Zollunion ist die Europäische Union, die inzwischen allerdings auf dem Weg zur Wirtschaftsunion ist. 1.4. Gemeinsamer Markt Der Gemeinsame Markt stellt eine sehr hohe Stufe der Integration dar. Beim Gemeinsamen Markt wie dem Europäischen Binnenmarkt gelten zwischen den einzelnen Mitgliedsländern die Grundsätze der Zollunion und der Freihandelszone. Zudem herrscht zwischen den Ländern freie Beweglichkeit von Arbeitskräften und Kapital. Um den Bestand des Gemeinsamen Marktes dauerhaft zu sichern, müssen die Mitgliedsländer allmählich das Steuersystem harmonisieren und einen gemeinsamen Ordnungsrahmen schaffen11. 1.5. Wirtschafts- und Währungsunion Eine noch intensivere Form der regionalen Integration als der Gemeinsame Markt ist die Wirtschafts- und Währungsunion. Bei dieser Form internationaler Beziehungen soll der Gemeinsame Markt dahingehend erweitert werden, dass die Mitgliedsländer eine gemeinsame Währung und dementsprechend eine angeglichene Wirtschafts-, Finanz- und Fiskalpolitik anstreben; langfristig ist dafür eine supranationale Instanz vorgesehen, die die gemeinsame Binnenwirtschaftspolitik kontrolliert12. 1.6. Vollständige Integration Von vollständiger Integration kann erst dann gesprochen werden, wenn die einzelnen souveränen Staaten zu einem einheitlichen Gebilde verschmelzen, etwa in Form der "Vereinigten Staaten von Europa". Dazu ist 10 11 12 Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83 (73). Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83 (73). Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83 (73). 4 sowohl eine wirtschaftliche als auch eine politische und verwaltungstechnische Integration mit einem einheitlichen Parlament erforderlich, dessen Beschlüsse für die Mitglieder verbindlich sind. Diese totale Integration bedeutet für die Mitgliedsstaaten den Verlust ihrer Souveränität in vielen Bereichen. 5 2. Europa Europa hat weltweit die bisher weiteste wirtschaftliche und politische regionale Integration. Der regionale Integrationsgedanke ist aber auch in Europa keine Selbstverständlichkeit gewesen. Denn der Gedanke der Integration kam in Europa erst auf, nachdem sich die Staaten Europas untereinander jahrhundertelang bekämpft hatten und nach dem Zweiten Weltkrieg schwer zerstört waren. Demzufolge gab es die ersten Impulse zur regionalen Integration in Westeuropa in der Nachkriegszeit. 2.1. Erste Ansätze europäischer Zusammenarbeit nach dem zweiten Weltkrieg Im kriegszerstörten Europa zeichnete sich früh ab, dass eine dauerhafte Integration nur dann erfolgreich sein könnte, wenn neben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auch die politische Integration vorangebracht werden würde. Denn am Ende des 2. Weltkrieges zeichnete sich in Europa eine Blockbildung ab, als sich die Kriegspartnerschaft der Siegermächte USA und Sowjetunion in eine Feindschaft wandelte. Um Westeuropa nicht unter sowjetischen Einfluss fallen zu lassen, sondern durch wirtschaftlichen Aufschwung ein Bollwerk gegen die Sowjetmacht zu schaffen, formulierte der amerikanische General George C. Marshall 1947 den ab April 1948 verwirklichten nach ihm benannten Marshall-Plan. Mit diesem Plan sollten unter Inanspruchnahme von 13 Millionen Dollar aus bis 1951 von den USA gewährten Subventionen und langfristigen Krediten im Rahmen des European Recovery Program (ERP) vor allem der Wiederaufbau der zerstörten deutschen Produktionsstätten forciert werden13. Für die Verwaltung des Europäischen Wiederaufbauprogramms wurde die Economic Cooperation Administration ins Leben gerufen, deren Aufgaben 1952 der Mutual Security Agency (MSA), 1953 die Foreign Operations Administrations (FOA) und 1955 die ICA (International Cooperation Administration) übernahm. Zur Forcierung der durch das ERP-Programm bereitgestellten Mittel wurde 1948 die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) gegründet. 1961 wurde die OEEC zur OECD14. 13 14 Großes Lexikon in Wort und Bild, Bd. 8, S. 3336 unter dem Stichwort "Marshall, George". Großes Lexikon in Wort und Bild, Bd. 8, S. 3336 unter dem Stichwort "Marshall, George". 6 Während also versucht wurde, insbesondere durch finanzielle Aufbauhilfen Westeuropa wieder in die Weltwirtschaft zu integrieren, wurde der weltweite Handel durch die Gründung der multilateralen Handels- und Währungsinstitutionen GATT (1947) und IWF (Internationaler Währungsfonds, 1945) liberalisiert. In diesem Falle kann man den Regionalismus in Westeuropa bereits als Schrittmacher für den Multilateralismus bezeichnen15. 2.1.1. Die Montanunion Am 18.4.1951 kam es mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS = Montanunion) zur ersten wirtschaftlichen Integration in Westeuropa, als sich Frankreich, Italien, die Bundesrepublik Deutschland und die Beneluxstaaten mit dem Ziel zusammenschlossen, einen gemeinsamen Markt für Kohle, Stahl, Schrott und Eisen zu bilden. Dieser erste wirtschaftliche Zusammenschluss hatte jedoch auch eine politische Komponente. Denn die ursprünglichen Gedanken der Siegermächte, Deutschland die Kontrolle über die kriegswichtige Montanindustrie (Kohle, Koks, Stahl) zu nehmen, indem entweder nach französischen Vorstellungen Deutschland das Rheinland und das Ruhrgebiet verlieren sollte bzw. das Ruhrgebiet der Viermächtekontrolle unterliegen könnte, wie es die Sowjetunion wollte, wurden durch diesen Zusammenschluss ad acta gelegt16 und Deutschland als gleichwertiger Vertragspartner behandelt. Eine langfristige, beständige und funktionsfähige Partnerschaft zwischen diesen Staaten würde sich jedoch nur dann entwickeln können, wenn es vor allem gelänge, die Erzfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich zu überwinden. Die Montanunion war der erste supranationale Zusammenschluss, bei dem die Partnerstaaten bestimmte Hoheitsbefugnisse für die Dauer ihrer Mitgliedschaft an eine übernationale Organisation abtraten. Damit war die Montanunion von ihrer organisatorischen Struktur her das Modell für alle weiteren Zusammenschlüsse in anderen Bereichen, die zusammen zu 15 16 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 50. Als "Multilateralismus" ist dabei ein "System einer vielfach verknüpften Weltwirtschaft mit allseitig geöffneten Märkten zu verstehen" (so z.B. die Definition in Duden, Konrad: Fremdwörterlexikon, unter dem Stichwort "Multilateralismus"). Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (7). 7 einem vereinten Europa führen konnten. Bis dahin war der Weg allerdings noch weit. 2.1.2. NATO und Warschauer Pakt Um Westeuropa auch militärisch gegen die Sowjetunion und ihre Verbündeten zu schützen, schlossen die meisten nicht-kommunistischen Staaten Westeuropas sowie die USA und Kanada 1949 ein Verteidigungsbündnis, die NATO, dem später auch Deutschland beitreten durfte. Die NATO war die erste vollendete Integration Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie betraf den militärisch-politischen Bereich und stellte die Integrationsfähigkeit dieses ersten "Europas" auf eine harte Probe. Denn mit der Gründung des Warschauer Pakts 1955 war die Welt "endgültig" in zwei Blöcke geteilt. Die sich wegen des Koreakrieges und den damit verschärfenden Spannungen im Ost-West-Verhältnis anbietende Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), bei der die Streitkräfte aller beteiligten Länder gemeinschaftlich kontrolliert worden wären, wurde wegen der erheblichen Einschränkung der nationalen Souveränität insbesondere von Frankreich abgelehnt17 . 2.1.3. Die Europäische Gemeinschaft Die wirtschaftliche Integration schritt jedoch schnell voran. Auf Anregung der Beneluxstaaten auf der Konferenz in Messina 1955 kam es 1957 zur Unterzeichnung der Römischen Verträge über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG oder EURATOM), die 1967 zusammen mit der Montanunion zur Europäischen Gemeinschaft verschmolzen18. Da der Aufbau der Europäischen Gemeinschaft Ende der 1950er Jahre sehr zügig vonstatten ging, änderte sich das Bild Gesamteuropas entscheidend. Neben der Ost-West-Blockbildung, die die gesamte Welt in zwei Teile zu trennen begann, grenzten sich wirtschaftlich die Länder der Europäischen Gemeinschaft von den anderen Ländern Westeuropas ab, woraufhin diese 17 Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (7). 18 EG-Lexikon, S. 64 unter dem Stichwort "Europäische Gemeinschaft" für Kohle und Stahl. 8 ins Hintertreffen zu geraten drohten19. Für die Nicht-EWG-Länder stellte sich daher die Frage des Beitritts oder Nichtbeitritts. 2.1.4. Die EFTA Großbritannien war zunächst gegen eine Mitgliedschaft in der EGKS, da man bei einer Mitgliedschaft die Schließung britischer Montanunternehmen fürchtete20 und nicht an den Erfolg der Integrationsbemühungen glaubte. Daher dachte Großbritannien erst daran, der Staatengemeinschaft beizutreten, nachdem sich ohne britische Mitwirkung bereits die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft herausgebildet hatte. Da Großbritannien jedoch keine Souveränitätsrechte an die Gemeinschaft abtreten, sondern die Schaffung einer umfassenden westeuropäischen Freihandelszone ohne Souveränitätsabtretungen initiieren wollte, und Frankreich befürchtete, auf diese Weise England zu stärken und sich selbst zu schwächen, wurden 1958 schließlich die Verhandlungen über einen Beitritt Großbritanniens abgebrochen21. Daraufhin gründeten auf Drängen Großbritanniens die Nicht-EWG-Länder Großbritannien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Schweiz und Portugal die EFTA (European Free Trade Agreement) als Gegengewicht zur EWG, um ihre Handelsinteressen gegenüber der EWG zu schützen22. Rechtliche Grundlage für die EFTA ist die Stockholmer Konvention von 1960. Diese Konvention ist in erster Linie ein Rahmenabkommen von Zielen und Grundsätzen; genau geregelt ist lediglich der Abbau der internen Zölle und Beschränkungen unter den Mitgliedsstaaten. Damit ist die EFTA im Wesentlichen eine Freihandelszone, zumindest für Industriegüter. Agrargüter sind vom Freihandel ausgeschlossen23. Typisch ist dabei, dass die EFTA keine Bestimmungen über die freie Ortswahl der Arbeitnehmer und den freien Kapitalverkehr vorsieht. Anders als die EG hat die EFTA keine länderübergreifenden Kompetenzen, sondern ist vor allem ein Konsultations- und Kooperationsorgan für die Mitgliedsstaaten24. 19 Vgl. Cornelssen, Inse: Vom Bipolarismus zum Multipolarismus, S. 6. Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (10). 21 Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (11). 22 Vgl. Cornelssen, Inse: Vom Bipolarismus zum Multipolarismus, S. 6. 23 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 53 f. 24 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 54. 20 9 2.2. Vertiefung der europäischen Zusammen arbeit durch Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft seit 1969 Ihr zügiges Wachstum machte die EG weiterhin für andere Staaten attraktiv. Für die Gemeinschaft war eine Erweiterung seit der Haager Gipfelkonferenz 1969 zu einem festen Ziel geworden25, um nicht in die Stagnation zu geraten. Erforderlich für eine Erweiterung waren jedoch eine Reihe interner Maßnahmen wie etwa die Intensivierung der gemeinsamen Agrarpolitik, bei der Großbritannien andere Vorstellungen hatte, und die Notwendigkeit der EG, sich eigene Einnahmen zu sichern, um nicht von den Mitgliedsstaaten abhängig zu sein. Zu diesem Zweck wurden die Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments gestärkt26. 2.2.1. Der erste Beitritt von EFTA-Staaten zur EG Zu einem Beitritt Großbritanniens und anderer EFTA-Staaten zur EG, die vor allem mit dem Widerstand Frankreichs zu kämpfen hatten, kam es erst durch den Wechsel der französischen Regierung von Charles de Gaulle zu Georges Pompidou. Ein Grund für diese Wende war Frankreichs Sorge, Deutschland könne durch die neue Ostpolitik stärker werden27 und die Hoffnung, Großbritannien könne dafür ein Gegengewicht schaffen. 1973 wurden Dänemark, Großbritannien und Irland denn auch offizielle Mitglieder der EG; Norwegen sprach sich in einer Volksabstimmung gegen den Beitritt aus28. 25 "Triebkraft der regionalen Integration" (Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 65). 26 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 65. 27 Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (11). 28 Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (12). 10 2.2.2. Die Gemeinschaft als Handelsblock und internationaler Vertragspartner Die siebziger und achtziger Jahre sind durch eine zunehmende Vertiefung der Europäischen Gemeinschaft geprägt. Die Gemeinschaft entwickelte sich allmählich zum Handelsblock. Gleichzeitig festigte die EG auch ihre inneren Strukturen. Dies hatte zur Folge, dass die EG zum "Verwaltungsstaat" wurde, der bereits Mitte der 1980er Jahre 20.000 Beamtenstellen aufwies, während die EFTA mit 67 Vollzeitstellen auskam29. Auch die Beziehungen zwischen der EG und der EFTA wurden erweitert. 1973 schlossen beide Institutionen das Freihandelsabkommen und vereinbarten untereinander eine Freihandelszone30. Abb. 1: Partner der EG (AKP-Staaten) Quelle: Zürrer, Werner: Politische, wirtschaftliche, militärische Zusammenschlüsse und Pakte der Welt, S. 56. 29 30 Vgl. Cornelssen, Inse: Vom Bipolarismus zum Multipolarismus, S. 7. Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 54. 11 Aber auch weltweit wird die Gemeinschaft immer mehr zum mächtigen Handelsriesen, der nach außen geschlossen auftritt, einen Teil der Welt durch Abkommen bindet und Produzenten anderer Länder den Zugang zu diesen Märkten erschwert31. 1971 vereinbarte die Gemeinschaft mit 91 Entwicklungsländern Zollpräferenzen, und 1975 wurde das LoméAbkommen mit 69 Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKPStaaten)32 abgeschlossen. 2.2.3. Die Süderweiterung Verständlicherweise weckte die zunehmende Größe und Handelsmacht der Gemeinschaft bei weiteren Staaten Beitrittswünsche. Folglich bereitete die EG einen weiteren Schritt zur Integration von neuer Qualität vor: Die Süderweiterung. Für die wirtschaftliche Integration der Gemeinschaft bedeutete die Süderweiterung eine erhebliche Belastung, da mit Griechenland, Portugal und Spanien Mitglieder beitreten wollten, deren wirtschaftlicher Entwicklungsstand wesentlich niedriger war als der der Gemeinschaft. Diese Bedenken wurden jedoch aus politischen Gründen zurückgestellt, da in den betreffenden Ländern gerade diktatorische Regime überwunden und demokratische Regierungsformen eingeführt worden waren33. Um den neuen Mitgliedsstaaten finanziell unter die Arme zu greifen, erhöhte die Gemeinschaft ihre Unterstützungshilfen aus dem sog. Europäischen Regionalfonds34. 2.3. Vollendung der europäischen Zusammenarbeit durch den europäischen Binnenmarkt und die politische Einheit In den achtziger Jahren war die EG bereits ein festes und etabliertes System geworden, das sein Wachstum bewusst steuern und seine neuen Bewerber sorgsam auswählen konnte35. Der nächste Schritt zur Integration 31 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 66. Vgl. Abb. 1: Partner der EG. 33 Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (18). 34 Zu diesem "Europäischen Fonds für regionale Entwicklung" siehe EG-ABC, S. 81 f. 35 Vgl. Cornelssen, Inse: Vom Bipolarismus zum Multipolarismus, S. 7. 32 12 Europas sollte die Vollendung des Binnenmarktes und die politische Einheit sein. 2.3.1. Der Europäische Binnenmarkt Die Vollendung des Binnenmarktes wurde im Januar 1985 durch den Kommissionspräsidenten Jacques Delors initiiert, der die Vollendung des Binnenmarktes bis 1992 ankündigte; 1989 nahm der Europäische Rat, d. h. die Vertretung der einzelnen Mitgliedsstaaten, einen Stufenplan zur Die Errichtung einer Wirtschaftsund Währungsunion an36. Binnenmarktkonzeption sollte Stagnation und Fehlentwicklungen im Integrationsprozess überwinden. Der Binnenmarkt könnte für die europäische Wirtschaft einen großen, mit den USA vergleichbaren einheitlichen Markt schaffen und Produktion und Beschäftigung erheblich beschleunigen37. Augenblicklich besteht das wirtschaftliche Integrationskonzept Europas in der Vollendung des unvollkommenen Binnenmarktes. Darunter ist ein Binnenmarkt zu verstehen, der durch den Fortbestand von Rechtsunterschieden und daraus entstehenden Hindernissen für den zwischenstaatlichen Verkehr gekennzeichnet ist. Ein vollkommener Binnenmarkt entsteht erst dann, wenn die Rechtstatbestände vollständig vereinheitlicht sind38. Damit verbunden sind jedoch auch zunehmende Befürchtungen im Ausland. Denn eine rechtliche und technische Harmonisierung untereinander sowie die gegenseitige Anerkennung nationaler Standards können Drittländer diskriminieren. Auch wird der EG seit den achtziger Jahren zunehmend vorgeworfen, einen protektionistischen Kurs einzuschlagen. Immerhin wurde durch eine Reihe von Verordnungen, wie etwa die mehrfache Verschärfung der Antidumping- und Antisubventionsverordnung, der Handel in der Gemeinschaft gegen Handelspraktiken von Drittländern verteidigt39, so dass die Kritiken nicht ganz unberechtigt erscheinen. 36 37 38 39 Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (19). Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 70. Nach dem sog. Cecchini-Bericht war immerhin mit einem Produktions- und Einkommenszuwachs von 4,5% sowie einem Beschäftigungszuwachs von 1,8 Millionen und einem Rückgang des Preisniveaus von 6% zu rechnen. Vgl. Steindorff, Ernst: Unvollkommener Binnenmarkt, in: Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (ZHR) 1994, S. 149-169 (160). Ähnlich Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 71. 13 2.3.2. Die politische Union Insbesondere die achtziger Jahre rückten auch die politische Einheit in Europa immer stärker in den Vordergrund. Während EGKS, EWG und EAG vor allem die wirtschaftliche Einigung Europas vorantreiben sollten, stellte schon begrifflich die Formulierung des neuen Gebildes "Europäische Union" einen Hinweis auf eine vorgesehene intensivere politische Zusammenarbeit dar40. Schon 1961 erarbeitete die EG unter dem Namen "Fouchet-Pläne" zwei Entwürfe zur internationalen Zusammenarbeit; im Oktober 1972 wurde dann in Paris die Europäische "Union" die offizielle Zielvorgabe für Europa41. 1981 legten der deutsche Außenminister Genscher und der italienische Außenminister Colombo dem Europäischen Rat einen Plan zur Schaffung der Europäischen Union und zur Stärkung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit vor. 1984 verabschiedete das Europäische Parlament schließlich den Entwurf der Verfassung einer Europäischen Union42. Mit der im Februar 1986 unterzeichneten Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) bestätigten die Mitgliedsstaaten der EG ihren Willen, "die Europäische Union auf der Grundlage der nach ihren eigenen Regeln funktionierenden Gemeinschaften einerseits und der europäischen Zusammenarbeit zwischen den Unterzeichnerstaaten in der Außenpolitik andererseits, zu verwirklichen und diese Union mit den erforderlichen Aktionsmitteln auszustatten." Grundlage für eine politische Union, die die ökonomische Gemeinschaft ergänzt, müsste also u. a. eine untereinander abgestimmte Außen- und Sicherheitspolitik sein. Zu diesem Zweck fand 1990 eine Regierungskonferenz statt, die die Elemente für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) schaffen sollte. Diese Regierungskonferenz stand unter dem äußeren Druck der dramatischen Veränderungen in Osteuropa, die die Öffnung des "Eisernen Vorhangs" mit sich brachte. Die befürchtete Stärke eines wiedervereinten Deutschlands, der Zerfall der Sowjetunion und die Unsicherheit über die politische und wirtschaftliche Zukunft der Länder Osteuropas förderten die internationale Bereitschaft zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik43. 40 41 42 43 Vgl. Hitzler, Gerhard: Die Europäische Union in: Röttinger, Moritz (Hrsg.): Handbuch der europäischen Integration: Strategie-Struktur-Politik der Europäischen Union, S. 19-42 (19). Vgl. Hitzler, Gerhard: Die Europäische Union in: Röttinger, Moritz (Hrsg.): Handbuch der europäischen Integration: Strategie-Struktur-Politik der Europäischen Union, S. 19-42 (19). Vgl. Hitzler, Gerhard: Die Europäische Union in: Röttinger, Moritz (Hg): Handbuch der europäischen Integration: Strategie-Struktur-Politik der Europäischen Union, S. 19-42 (26). Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (19). 14 Das Ergebnis der Bemühungen war das Maastricht- Abkommen von 1992, in dem die Europäische Gemeinschaft erweitert wurde zur Europäischen Union mit den drei Säulen EG-Vertrag, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik. 2.4. Perspektiven der europäischen Zusammenarbeit seit 1990 Bereits seit den 1970er und 1980er Jahren und vor allem seit dem Abkommen von Maastricht ist das Regionalisierungskonzept der Gemeinschaft zunehmend auch interner Kritik ausgesetzt. Denn obwohl die wirtschaftliche Integration schon weitgehend vollzogen ist und die politische Integration langsam voranschreitet, gibt es in der Gemeinschaft noch einen Nachholbedarf an innerer Integration. 2.4.1. Die innere Integration Die europäische Integration ist nach wie vor kein Selbstläufer. Aufgabe für die Zukunft der Union wird es zunehmend sein, die Identifikation der Bürger mit dem Integrationsprozess zu fördern. Bereits der Kampf um das Maastricht-Abkommen, die Volksabstimmung der Dänen und Franzosen sowie die rege und teilweise berechtigte Diskussion zeigen die Probleme der Integration auf; Maastricht war für viele eine "Brücke zu weit"44. Nur die Lösung der politischen und wirtschaftlichen Probleme, wie vor allem der Arbeitslosigkeit, kann die innere Integration dauerhaft festigen, die politische Glaubwürdigkeit stärken und die Politikverdrossenheit, von der die EU genauso wie alle anderen Institutionen betroffen ist, eindämmen. Wie schwierig es zudem ist, eine gemeinsame Regionalisierungspolitik zu betreiben, zeigte sich beim Balkankonflikt im ehemaligen Jugoslawien, wo fehlende Mittel, unterschiedliche Interessen und mangelnde Entschlossenheit die Europäische Gemeinschaft daran gehindert haben, rechtzeitig einzugreifen45. 44 Vgl. dazu Fitzmaurice, John: Die EG auf dem Weg ins nächste Jahrhundert, in: Röttinger, Moritz (Hrsg.): Handbuch der europäischen Integration: Strategie-Struktur-Politik, S. 357369 (357). 45 Vgl. Strohmeier, Rudolf: Die Europäische Union, S. 101. 15 Abb. 2: Die Europäische Union und die Länder, mit denen Beitrittsverhandlungen geführt werden. Quelle: Focus-Fakten: Der Euro, S. 30. 16 2.4.2. Die Osterweiterung Trotz dieser inneren Schwierigkeiten hat die EG bzw. EU nichts von ihrer Anziehungskraft für andere Länder verloren. Neben der süd-, west- und nordeuropäischen Integration wollen seit der Öffnung des Eisernen Vorhangs auch immer mehr osteuropäische Länder der EU beitreten. So wurden in den neunziger Jahren von Ungarn, Polen, Rumänien, Slowakei, Lettland, Estland, Litauen, Bulgarien und Tschechien Beitrittsanträge an die EU gestellt. Augenblicklich (Stand 1.1.2001) besteht die Europäische Union aus folgenden 15 Staaten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien46. Die Union ist also von ursprünglich 6 auf 15 Staaten gewachsen. Rechtlich ist der Beitritt grundsätzlich kein Problem, da gemäß Art. 49 EU-Vertrag jeder europäische Staat beantragen kann, Mitglied der Gemeinschaft zu werden. Die Aufnahmebedingungen werden dabei durch ein Abkommen zwischen den Mitgliedsstaaten und dem antragstellenden Staat geregelt, wobei der Rat Beitrittsanträge auch ablehnen oder zurückstellen kann, wie es etwa im Falle des Beitrittsantrages der Türkei vom 14. April 1987 im Februar 1990 geschehen ist47. Mit den Beitrittsverhandlungen dieser neuen Länder wird die EU vor eine neue Belastungsprobe gestellt. Zu Zeiten des Kalten Krieges waren diese Länder sozialistisch geprägt; dabei wurde ihre Wirtschaftskraft mitunter soweit heruntergefahren, dass es in Ungarn zum Volksaufstand kam, in der damaligen Tschechoslowakei der "Prager Frühling" einzog und in Polen seit den 1980er Jahren stetig Unruhe herrschte. Seit der Öffnung des Eisernen Vorhangs hat in diesen Ländern jedoch ein Umbruch in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft begonnen, der zwar unterschiedlich schnell vonstatten geht48, aber durch wirtschaftliche Hilfen der EU beschleunigt werden könnte, wenn das Land Mitglied werden würde. Ansätze, die osteuropäischen Länder an die EG heranzuführen, unternahm die Europäische Gemeinschaft bereits in den achtziger Jahren. Ende 1988 nahm die EG offizielle Beziehungen zu dem 1949 gegründeten und 1991 aufgelösten Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) auf und schloss mit den mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten Sowjetunion, Bulgarien, DDR, Polen, Rumänien, CSSR und Ungarn Abkommen über den Abbau von 46 47 48 Vgl. Abb. 2: Die Europäische Union und die Länder, mit denen Beitrittsverhandlungen geführt werden. Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.) u. a.: Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 27, Anm. 21. Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (29). 17 Einfuhrbeschränkungen, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Bedingungen für Auslandsinvestitionen in den RGW-Staaten49. bessere Nach dem Umbruch im Ostblock verstärkte die EG ihre Hilfe für das sog. PHARE-Programm von 1989 (Phare = Pologne & Hongrie Assistance à la Reconstruction des Economies). Dieses Hilfsprogramm wurde beim Weltwirtschaftsgipfel 1988 in Paris für Polen und Ungarn konzipiert. Später wurden fast alle Länder Mittel- und Osteuropas sowie des Baltikums in das PHARE-Programm einbezogen. Zunächst wurde durch das PHAREProgramm kurzfristig Hilfe gewährt, inzwischen werden jedoch auch längerfristige Programme finanziert, um die Länder an die Gemeinschaft heranzuführen und ihre Rechtsvorschriften an das Gemeinschaftsrecht anzupassen; der Gesamtbetrag der bereitgestellten Mittel betrug 1995 nach der damaligen Rechnungseinheit rund 1 Mrd. ECU (European Currency Unit)50. Grundlage der Beziehungen der mittel- und osteuropäischen Länder sind die Europa-Abkommen. Dabei handelt es sich formal um Assoziationsabkommen nach Art. 310 EG-Vertrag, die erst nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments und der Ratifizierung durch alle Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft sowie des zu assoziierenden Staates in Kraft treten können51. Da mit diesem Verfahren ein erheblicher Zeitbedarf verbunden sein kann, wurden Interimsabkommen geschlossen, die nur die in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallenden Teile enthalten und in einem abgekürzten Verfahren in Kraft treten konnten. Mit den Europa-Abkommen soll neben der Schaffung einer Freihandelszone der Beitritt der assoziierten Länder vorbereitet werden, wenn diese Länder dauerhaft die wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen dafür erfüllen. Für die Reformländer Osteuropas sind die Europa-Abkommen eine außenpolitische Absicherung ihrer gerade erzwungenen Unabhängigkeit von Russland und könnten einen weiteren Schritt zur Einbindung in das westliche Bündnissystem bedeuten. Hinzu kommt, dass nur der vertraglich mit der EU gesicherte Zugang die Investoren das Risiko eingehen lässt, sich in den wirtschaftlich zurückgebliebenen Ländern Osteuropas zu engagieren und dort die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben52. 49 Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (29). 50 Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (30). 51 Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 31, Anm. 31. 52 Ähnlich Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 74. 18 2.4.3. Die CEFTA Auch die osteuropäischen Länder unter sich befinden sich in einem wirtschaftlichen Integrationsprozess, der sich seiner Struktur nach eng an Abb. 3: Die 4 CEFTA-Staaten. Quelle: Baratta, Mario von: Fischer Almanach der internationalen Organisationen 1995, S. 104. die EG und die EFTA anlehnt. 1993 schlossen Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei das Mitteleuropäische Freihandelsabkommen (CEFTA)53. Das Mitteleuropäische Freihandelsabkommen sieht den Abbau der Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen im gegenseitigen Handel mit Industriegütern bis 2001 vor. 53 Vgl. Abb. 3: Die 4 CEFTA-/ Visegrad-Staaten. 19 2.4.4. EFTA und EWR Auch west- und nordeuropäische Länder der EFTA streben in die EU. Da die EU für die meisten EFTA-Länder der wichtigste Handelspartner ist, wurde bereits 1991 das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verabschiedet, in dem alle Handelshemmnisse zwischen den Mitgliedsstaaten der EG und der EFTA abgebaut werden sollten54. Die Zukunft des EWR ist jedoch ungewiss, da 1995 Finnland, Österreich und Schweden die EFTA verlassen haben und der EU beigetreten sind, während in Norwegen das Volk 1994 erneut einen Beitritt ablehnte. Aus Sicht der EG ist eine Verbindung mit den hochentwickelten und finanzkräftigen EFTAStaaten durch den EWR wirtschaftsfördernd. Zudem hatte der Kommissionspräsident Jacques Delors die Vorstellung, durch die Einführung des EWR die Mitgliedschaft der EFTA-Staaten in der EG durch eine "strukturierte Partnerschaft" überflüssig werden zu lassen55. Da die EG jedoch nichts von ihrer Entscheidungsgewalt über den Binnenmarkt an die EFTA-Länder abgeben wollte, kam es nicht zu einer solchen Partnerschaft, sondern führte zu den bereits angesprochenen Beitritten, so dass sich die EFTA allmählich auflöst. Damit gehören noch Island, Liechtenstein (seit 1991), Norwegen und die Schweiz zur EFTA. 2.4.5. Die zukünftige Region Europa Sollte der Trend des "expandierenden Regionalismus"56 der letzten Jahre so anhalten, wird Europa bald fast vollständig durch die EU dominiert werden. Aus der Europäischen Regionalisierung könnte danach bald die Region Europa werden, wobei diese Region "Europa" in der Zukunft nicht identisch sein muss mit der geografischen Zone Europa. Mit der Türkei hat bereits ein Land einen Beitrittsantrag gestellt, das zu einem Teil zu Asien gehört. Israel hat kürzlich erneut seinen Willen bekräftigt, der EU beitreten zu wollen, und sollte Russland einmal Mitglied der EU werden, würde Europa vom Atlantik bis zum Pazifik reichen. Außereuropäische gesellschaftliche und kulturelle Einflüsse existieren bereits in Europa z.B. durch Moslems aus der Türkei. Den inneren Frieden Europas auch bei einer kontinentalübergreifenden Regionalisierung zu erhalten, wird in Zukunft eine Herausforderung sein. 54 Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (28). 55 Dazu Weidenfeld, Werner / Wessels, Wolfgang: Europa von A-Z, S. 105 unter dem Stichwort "EFTA". 56 Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 73. 20 2.5. Zusammenfassung und Ausblick: "Europa - 50 Jahre danach" Streit um die EU-Osterweiterung, Demonstrationen gegen die österreichische Regierungsbildung, endlose Diskussionen um den Vertrag von Maastricht und ein schwacher Euro: Europa ist in die Diskussion geraten - wieder einmal. Es ist wie Ironie des Schicksals, dass gerade das fast ganz zerstörte und nur durch ein "Wirtschaftswunder" wieder auferstandene Europa die meisten Probleme offensichtlich mit sich selbst hat. Vor 55 Jahren war dies anders. Als Europa und insbesondere Deutschland schwer zerstört waren und am Boden lagen, nahm man dankend die Hilfe der USA durch den Marshall-Plan an und errichtete in nur wenigen Jahrzehnten eine Europäische "Gemeinschaft", die zwar nach wie vor auch von nationalen Sichtweisen geprägt ist, sich in dieser Zeit aber zu einem weltweit anerkannten und erfolgreichen Wirtschaftsriesen entwickelte, der sogar Vorbild für andere "Regionalisierungstendenzen" wurde. Selbst anfangs der EU ablehnend gegenüberstehende Staaten wie etwa Großbritannien, die sich folgerichtig zur EFTA zusammenschlossen, strebten später eine Mitgliedschaft in der EU an. Da auch die osteuropäischen Länder in die EU eintreten wollen, gehört bald fast jedes europäisches Land zur Europäischen Union. Dabei sind die Hilfen der EU für die neu hinzutretenden Länder vor allem Hilfen zur Selbsthilfe. Sie stützen die demokratische und politische Stabilität dieser Länder und stellen daher Meilensteine für eine friedliches und wohlhabendes Europa dar. Trotzdem oder gerade deshalb wird es eine der Hauptaufgaben der EU bleiben, die innere Integration zu fördern. Der "Europäer", den die EU gerne als Symbol für die Überwindung nationalstaatlicher Tradition nimmt, darf sich nicht als Zwangseuropäer fühlen, der die Vorgaben der EU nur aus Ohnmacht mitträgt. Die EU wird darüber nachdenken müssen, ob ihre Strukturen basisdemokratisch genug sind, um beim Bürger akzeptiert zu werden. Bedenkt man, wie die Verträge von Maastricht über die Wirtschaftsund Währungsunion zustande gekommen sind, bei denen die Bürger vollends übergangen wurden und sich bei Referenden in Dänemark, Norwegen oder Frankreich bereits Protest breit machte, so wird deutlich, dass auch die Bürger Anteil nehmen wollen an "ihrem" Europa. Dabei sind auch die dramatischen Veränderungen nicht zu vergessen, die der Fall des Eisernen Vorhangs mit sich gebracht hat. Auch für einen Großteil "mauergeprägter" Bürger sind die neuen Realitäten eines "freien" und grenzenlosen Europas noch fremd. Politisch und wirtschaftlich wird sich 21 erst noch zeigen, ob das Regionalisierungskonzept Europa im Wettbewerb mit Asien und den Vereinigten Staaten von Amerika mithalten kann. Die "Vereinigten Staaten von Europa" jedenfalls werden noch einige Jahre brauchen, bis sie sich zu Recht als Pendant ihrer berühmten transatlantischen Schwester bezeichnen können. Bis dahin bleibt den Europakritikern nur die Hoffnung auf Besserung der inneren Strukturen, während sich die Europabefürworter weiter auf Aristide Briand und Gustav Stresemann berufen können: "Europa muss sich vereinigen, sonst wird es untergehen". 22 3. Afrika Im Vergleich zu anderen Weltregionen hat Afrika die größte Anzahl von Integrationsvereinbarungen. Dies beruht auch darauf, dass sich in Folge des Strebens der afrikanischen Staaten nach Unabhängigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg viele neue Staaten mit neuen Ländernamen gebildet haben57. Abb. 4: Karte der afrikanischen Staaten Quelle: Jahrbuch Aktuell 2001 der Harenberg Kommunikation, S. 461. 57 Vgl. Abb. 4: Karte der afrikanischen Staaten. 23 Bislang hatte Afrika den geringsten Erfolg mit seinen Integrationsvereinbarungen58. Erst in letzter Zeit sind bei einigen afrikanischen Regionalkooperationen Fortschritte zu verzeichnen, die der afrikanischen Integrationsbewegung Hoffnung verleihen. 3.1. Ansätze afrikanischer Integration Anfangs sollten die afrikanischen Integrationsversuche vor allem den einsetzenden Nationalismus eindämmen, der in Afrika aufgekommen war, nachdem sich in den letzten Jahrzehnten ein afrikanisches Land nach dem anderen von der Kolonialherrschaft befreit hatte. Daher sollte durch den Versuch einer regionalen Integration vor allem das Ziel verfolgt werden, kollektiv eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung als Gegengewicht zu den ökonomischen Großmächten zu erreichen. Ebenso war es nach der politischen Befreiung der afrikanischen Staaten von den Kolonialherren wichtig für die Länder, die früheren wirtschaftlichen Bindungen aus der Kolonialzeit wiederherzustellen. Schließlich kam es im südlichen Afrika bei einigen Ländern zu Integrationsbestrebungen, um sich von der wirtschaftlichen Abhängigkeit zur Republik Südafrika zu lösen59. Mit dem Lagos Plan of Action von 1980 hat man versucht, für die vielen Integrationsbemühungen und -abkommen in Afrika einen Rahmen zu schaffen. Wie schwierig dieses Unterfangen war und ist, zeigt sich jedoch schon darin, dass 16 afrikanische Länder drei oder mehr subregionalen Zusammenschlüssen mit zum Teil widersprüchlichen Regelungen angehören, wobei es z.B. Niger auf die stattliche Anzahl von sieben verschiedenen Mitgliedschaften bringt60. Zwar ist auch ein weiterer Versuch, durch den Vertrag von Abuja 1991 die sehr zersplitterte afrikanische Integrationsbewegung doch noch zu vereinheitlichen, ohne Erfolg geblieben, doch gibt es seit den 90er Jahren auch positive Entwicklungen auf regionaler Ebene, etwa bei Zusammenschlüssen wie der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft oder der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten. Diese und einige andere Ansätze, die stellvertretend für die Schwierigkeiten des afrikanischen Kontinents stehen, sollen im folgenden angesprochen werden. 58 59 60 Dazu ausführlich Langhammer, Rolf / Hiemenz, Ulrich: Regional Integration Among Developing Countries. Opportunities, Obstacles and Options, S. 34-51. Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 88. Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 88. 24 3.1.1. Integrationsversuche über politische Zusammenarbeit Einige afrikanische Kooperationen versuchen, wie nachfolgend erläutert, über politische Zusammenarbeit die gesamte Integration voranzubringen. 3.1.1.1. Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) Die Organisation für Afrikanische Einheit (Organization for African Unity, OAU) ist ein Zusammenschluss in Afrika, der eine innerafrikanische Zusammenarbeit in Politik, Kultur und Wirtschaft sowie die Einheit und Souveränität der afrikanischen Staaten fördern soll. Einer der Hauptziele dieser 1963 in Addis Abeba gegründeten Organisation ist die Schaffung von Sicherheit und Frieden in Afrika, also einer Pax Africana61. Derzeit sind 54 afrikanische Staaten Mitglieder der OAU. Die OAU ist auch im Ausland populär und hat dadurch auch international Bedeutung, weil die OAU für die Staaten Afrikas insgesamt sprechen kann. Für Streitigkeiten unter den Mitgliedsländern gibt es seit 1964 eine Schiedskommission, mit der die Streitfälle ohne äußere Einmischung geklärt werden sollen. Die OAU konnte bisher zwar nur selten die einzelnen Konflikte in Afrika dauerhaft lösen, hat aber einige Erfolge dadurch erzielt, dass sie die Konflikte eingedämmt und damit einen Beitrag zur Reduzierung des zwischenstaatlichen Konfliktpotentials geleistet hat62. Zudem gelang es der OAU vor allem in den siebziger Jahren, durch eine konstruktive Zusammenarbeit mit einigen führenden afrikanischen Politikern, afrikainterne Streitigkeiten zu lösen, als etwa der sambische Präsident Kaunda den fünf Jahre dauernden Grenzkonflikt zwischen Somalia und Kenia beendete oder der äthiopische Herrscher Haile Selassie zwischen Algerien und Marokko vermitteln konnte63. Aktuell bemüht sich die OAU besonders um eine Lösung im Eritrea-Konflikt. Ferner stimmte die 36. Gipfelkonferenz der OAU im Juli 2000 der Schaffung einer Afrikanischen Union mit eigenem Parlament und Gerichtshof zu, die vom libyschen Staatspräsidenten Gaddafi initiiert wurde64. 61 Dazu ausführlich Matthies, Volker: Die friedenspolitische Rolle der Organisation der Afrikanischen Einheit, in: Afrika Jahrbuch 1996, S. 49-62 (52). 62 Vgl. Matthies, Volker: Die friedenspolitische Rolle der Organisation der Afrikanischen Einheit, in: Afrika Jahrbuch 1996, S. 49-62 (53). 63 Zu dieser Zusammenarbeit s. Kiplagat, Bethuel: Konfliktmanagement in Afrika, in: Internationale Politik Nr. 3, 1998, S. 16-22 (17). 64 Vgl. Fischer Weltalmanach 2001, S. 991 unter dem Stichwort "OAU". 25 3.1.1.2. Die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (SADC) Ein weiterer regionaler Zusammenschluss in Afrika, der über politische Zusammenarbeit die Integration zu verbessern versucht, ist auch die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (Southern-African Development Community, SADC) mit den Staaten Angola, Botswana, Lesotho, Malawi, Mauritius, Mosambik, Namibia, Südafrika, Swasiland, Tansania, Sambia, Simbabwe, der Demokratischen Republik Kongo und den Seychellen65. Abb. 5: Die Staaten der SADC Quelle: Investitionsführer Südliches Afrika 2000, S. 13. Die Ziele der SADC sind langfristig eine weitreichende intensive Zusammenarbeit der beteiligten Staaten auf politischen und wirtschaftlichen Gebieten. Die SADC ist das Ergebnis eines gestiegenen Selbstbewusst65 Vgl. Abb. 5: Die Staaten der SADC. 26 seins und eines erhöhten Gemeinschaftsgefühls der ehemals unter Kolonialherrschaft stehenden Mitglieder. 3.1.1.2.1. Die Vorgängerin SADCC Bereits die Vorgängerin SADCC (Southern African Development Community) wurde vor dem Hintergrund der Ablösung des weißen rhodesischen Siedlerregimes durch eine schwarzafrikanische Regierung gegründet66. Während das heutige Mitglied Südafrika Ende der siebziger Jahre noch versuchte, unter seinen Nachbarstaaten die "Constellation of Southern African States" zu bilden, schlossen sich Angola, Botswana, Mosambik, Tansania und Sambia zusammen, um die SADCC zu gründen. Sieht man die Lusaka-Deklaration von 1980 als Grundlage der SADCC an67, so waren die wichtigsten Ziele der SADCC die Verringerung der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Südafrika, echte regionale Integration, Konzentrierung der Mittel für innerstaatliche Projekte sowie eine konzertierte Aktion zur wirtschaftlichen Befreiung. Antriebskraft für das SADCC-Bündnis war zu diesem Zeitpunkt noch das gespannte Verhältnis und die Abhängigkeit der Mitgliedsstaaten zum damaligen Apartheidstaat Südafrika. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Mitgliedsstaaten lag deutlich unter 1000 US-Dollar pro Jahr, und Botswana, Lesotho und Swasiland waren im Handelsverkehr fast völlig von Südafrika abhängig68. Hinderlich für ein Funktionieren des SADCC-Bundes waren vor allem die politischen und ideologischen Unterschiede der Mitgliedsstaaten und ihre mangelnde Stabilität. Angola und Mosambik befanden sich in jahrelangem Bürgerkrieg, unterhielten Freundschaftsverträge mit der Sowjetunion, während Malawi und Botswana eine privatwirtschaftliche Ordnung favorisierten. Aus diesem Grund war eine innere Integration der Staaten untereinander von Anfang an nur eine vage Hoffnung. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verschwanden die wirtschaftlichen und ideologischen Gegensätze zwischen den Mitgliedsstaaten und 1994 wurde sogar der einstige Gegner Südafrika Mitglied der 1992 neu gegründeten SADC. 66 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 102. 67 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 102. 68 Vgl. Lang, Winfried in: Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 103. 27 3.1.1.2.2. Ansätze zur Regionalisierung durch die SADC Der Regionalisierungsprozess in dieser Region hat seit der Gründung der SADC erhebliche Fortschritte gemacht69, weil vor allem der innerregionale Handel für einige SADC-Staaten bedeutsam zugenommen hat, der inzwischen z.B. für Malawi 66%, Mosambik 53% und Simbabwe 35% beträgt und ein 1996 unterzeichnetes Handelsprotokoll weitere Verbesserungen beim wirtschaftlichen Austausch erhoffen lässt70. Ferner denkt die SADC im Hinblick auf die Erfolge, die andere regionale Zusammenschlüsse durch gemeinsames Handeln auf politischer Ebene erreichen, allmählich daran, einen Sicherheitsmechanismus einzuführen und sich damit von dem noch aus der Zeit der Frontstaaten stammenden Prinzip der Nichteinmischung zu lösen71. 3.1.2. Integrationsversuche über wirtschaftliche Zusammenarbeit Andere Regionalkooperationen in Afrika versuchen, vorwiegend über wirtschaftliche Zusammenarbeit den Integrationsprozess zu fördern, indem sie beispielsweise Zollunionen bilden. 3.1.2.1. Die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) Die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (Economic Community of West African States, ECOWAS) wurde 1975 in Lagos gegründet und hat derzeit die Mitglieder Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Liberia, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone und Togo. Wichtigste Ziele der ECOWAS sind die Anhebung des allgemeinen Lebensstandards und die wirtschaftliche Zusammenarbeit in vielen Bereichen. Nach dem 69 So auch Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 200 unter dem Stichwort "SADC". 70 Vgl. van den Boom, Dirk: Zögerliche Regionalkooperationen in Afrika, in: Jahrbuch Dritte Welt 1999, S. 173-182 (177). 71 Vgl. van den Boom, Dirk: Zögerliche Regionalkooperationen in Afrika, in: Jahrbuch Dritte Welt 1999, S. 173-182 (178). 28 Vorbild der EG sollen eine Zollunion und ein gemeinsamer Markt entstehen sowie militärische Konflikte in der Region vermieden werden72. Die Integration der ECOWAS-Staaten leidet insbesondere an der Heterogenität der Mitgliedsstaaten. Denn im Gegensatz zu anderen Zusammenschlüssen hatten die Mitglieder der ECOWAS Länder keine identischen Kolonialherren, sondern waren entweder englische, französische oder portugiesische Kolonien. Hinzu kommt, dass Westafrika nach der Aufteilung durch die Kolonialherren England und Frankreich weitgehend französisch-, Ostafrika vorwiegend englischsprachig wurde. Diese Aufteilung hatte jedoch eine wesentliche Ausnahme: Nigeria. Das westafrikanische Land blieb englischsprachig und hatte wegen der Größe und Bevölkerungszahl eine beherrschende Stellung. Erst als es Nigeria gelang, Bedenken gegen seine Vormachtstellung zu zerstreuen, was auch daran lag, dass sich Nigeria bei den Neuverhandlungen mit der EG als Sprecher afrikanischer Interessen profilieren konnte, kam es zur Entstehung von ECOWAS73. Diese unterschiedliche koloniale Vergangenheit ist bis heute ein Hindernis für die Integration geblieben, hinzu kommt die riesige Schuldenlast der ECOWAS-Mitglieder, so dass die wirtschaftlichen Probleme der Mitgliedsländer eine erfolgreiche Zusammenarbeit der ECOWAS erheblich erschweren. Immerhin kann jedoch die ECOWAS in den letzten Jahren neben langsam besser werdender wirtschaftlicher Zusammenarbeit wenigstens einige aktuelle Einzelerfolge für sich verbuchen, so z.B. ein nach mehrfachen Rückschlägen getroffenes Friedensabkommen für das bürgerkriegsbelastete Liberia74. 3.1.2.2. Die Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) Die Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (Union Economique et Monetaire Ouest Africaine, UEMOA) hat die Mitglieder Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Mali, Niger, Senegal und Togo und ist die Nachfolgeorganisation der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft CEAO, die 1994 aufgelöst wurde. Hauptziel der UEMOA ist eine Koordinierung der staatlichen Maßnahmen u.a. in den Bereichen 72 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 275 unter dem Stichwort "ECOWAS". 73 Vgl. Lang, Winfried, in: Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 90 f. 74 Vgl. Van den Boom, Dirk: Zögerliche Regionalkooperationen in Afrika, in: Jahrbuch Afrika 1999, S. 173 -182 . 29 Telekommunikation, Umwelt und Landwirtschaft. Die Bedeutung der UEMOA ist jedoch sehr gering, da sie, wie schon die Vorgängerin CEAO, überlagert wird durch die ECOWAS75. 3.1.2.3. Die Wirtschaftsgemeinschaft der Zentralafrikanischen Staaten (CEEAC) Auch die Wirtschaftsgemeinschaft der Zentralafrikanischen Staaten (Communauté Economique des Etats de l`Afrique Centrale, CEEAC) soll eine harmonische Zusammenarbeit in allen wirtschaftlichen Bereichen unter den Mitgliedern schaffen. Zu den beteiligten Staaten gehören Angola, Äquatorial-Guinea, Burundi, Gabun, Kamerun, Kongo, Ruanda, Sao Tomé und Principe, Tschad und Zentralafrikanische Republik. Die CEEAC hat bislang wenig Bedeutung. Bemerkenswert ist allerdings, dass diese Gemeinschaft noch existiert, obwohl sich z.B. Burundi und Ruanda erheblich bekämpfen76. 3.1.2.4. Die Zentralafrikanische Zoll- und Wirtschaftsunion (UDEAC) Harmonisierung der Wirtschaftspolitik und gemeinsame Außenzölle sind auch das Ziel der Zentralafrikanischen Zoll- und Wirtschaftsunion (Union Douanière et Economique de L`Afrique Central). Um Schäden auszugleichen, die durch Zollmindereinnahmen entstehen, haben die Mitgliedsstaaten einen Solidaritätsfonds eingerichtet77. Zu den Staaten der UDEAC zählen Gabun, Kongo, Kamerun, Tschad, Zentralafrikanische Republik und Äquatorialguinea. Die UDEAC hat ein "einheitliches Produktionssteuersystem" entwickelt, bei dem Industriebetriebe, die in andere Mitgliedsstaaten exportieren wollen, einheitliche Abgaben zahlen müssen, um die Ausfälle für fehlende Importzölle auszugleichen. Da somit "Quasi-Binnenzölle" entstehen, ist die 75 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 271 unter dem Stichwort "UEMOA". 76 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 272 unter dem Stichwort "Wirtschaftsgemeinschaft der zentralafrikanischen Staaten". 77 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 295 unter dem Stichwort "UDEAC". 30 UDEAC keine Zollunion und auch keine Freihandelszone78. Wird dieses System nicht geändert, dann scheitert dieser Integrationsversuch. 3.1.2.5. Die Wirtschaftsgemeinschaft der Länder der Großen Seen (CEPLG) Die Wirtschaftsgemeinschaft der Länder der Großen Seen (Communité Economique des Pays des Grands Lacs, CEPLG) von 1976 ist sowohl eine Wirtschafts- als auch eine Sicherheitsgemeinschaft zwischen Burundi, Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo. Der Name dieser Gemeinschaft rührt von den beiden großen Seen Tanganjika und Kiwu her, die zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Burundi bzw. Ruanda liegen. Neben der Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen sollen die Mitgliedsländer vor allem bei Flüchtlingsproblemen und ethnischen Konflikten unterstützt werden. Wegen der jüngsten Kämpfe zwischen Burundi und Ruanda sowie des Zerfalls von Zaire ist die CEPLG wirtschaftlich zusammengebrochen und hat ohne die Lösung der politischen Probleme keine Chance79. 3.2. Ausblick und Zusammenfassung: "Afrika den Afrikanern" Dieses Motto der 1963 gegründeten und seither um afrikanische Einheit und Interessen bemühten Organization for African Unity (OAU) kennzeichnet wie kein anderes das neue Bewusstsein der afrikanischen Staaten, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, und ihre Konflikte selbst zu lösen. Mit der Befreiung von den Kolonialherren, den immerhin in Ansätzen zunehmenden Tendenzen zur Demokratisierung sowie dem Ende der Apartheid in Südafrika ändert sich langsam das Bild Afrikas. Allmählich macht auch die regionale Kooperation, die jahrzehntelang kaum Erfolge brachte, seit Beginn der 90er Jahre Fortschritte. Neben der OAU, die sich insbesondere für den Frieden in Afrika einsetzt, sind es vor allem Regionalkooperationen wie die ECOWAS und die SADC, die erste Erfolge erzielen. 78 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 296 unter "UDEAC". 79 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 274 unter dem Stichwort "Wirtschaftsgemeinschaft der Länder der Großen Seen". 31 Mit Hilfe dieser langsam zunehmenden regionalen Zusammenarbeit führt Afrika einen bedeutsamen Modernisierungsprozess herbei. Zwar sieht es augenblicklich so aus, als ob die meisten regionalen Zusammenschlüsse wie etwa die CEEAC oder CEPLG auch in absehbarer Zeit wenig Erfolg haben werden, doch vollzieht sich in Afrika bereits auf manchen Ebenen ein Wandlungsprozess, der die Integration des Kontinents voran bringen kann. So versucht sich Afrika neben verstärkten Bemühungen um die Bekämpfung von Seuchen wie AIDS oder Malaria sowie der Bevölkerungsexplosion, auch in Sachen Demokratisierung zu ändern. Allein zwischen April 1994 und April 1995 haben in fünf südafrikanischen Staaten (Südafrika, Malawi, Botswana, Mosambik und Simbabwe) Mehrparteienwahlen stattgefunden. In anderen Staaten waren sie bereits vorher abgehalten worden (Sambia, Angola, Lesotho)80. Für den Wandlungsprozess ist es ferner hilfreich, dass der Gedanke einer wirtschaftlichen Integration weiter aufrechterhalten wird. Wenn auch die Versuche einer umfassenden afrikanischen Integration bisher gescheitert sind, so ist es doch wichtig, das Bewusstsein dahingehend zu schärfen, dass eine wirtschaftliche Zersplitterung Afrikas den einzelnen Ländern eher schadet als nutzt. Für ihre nutzbringende Beteiligung am Welthandel wäre es daher auch vorteilhafter, möglichst viele grundlegende wirtschaftliche Faktoren übereinstimmend zu beschließen. Sowohl für den Handel innerhalb der Länder als auch multilateral hätte dies Stabilisierungstendenzen. Auch wenn zu beachten ist, dass es innerhalb der afrikanischen Länder sehr große Unterschiede gibt, in Bezug auf klimatische und gesundheitliche Bedingungen, außerdem die Rohstoffvorkommen für die Wirtschaft sehr unterschiedlich sind, wäre es für die Welthandelspartner der Länder von Vorteil, mit möglichst einheitlichen Grundbedingungen zu arbeiten. Diese Erfahrung hat sich auch in Westeuropa seit langem gefestigt. Bis Afrika eine wirtschaftlich konkurrenzfähige Einheit besitzt, ist es jedoch noch ein weiter Weg. Denn auch hier gilt für die regionale Kooperation, dass Erfolge nur mit kleinen Schritten zu erreichen sind. Eifersüchteleien und nationale Engstirnigkeit beherrschen auch bei der hoffnungsvollen SADCKooperation die Szene, so etwa bei den 1997 zwischen Namibia und Botswana wieder aufgeflammten Grenzstreit um die Insel Situnga, die wieder einmal beide Länder für sich beanspruchen81. Doch bleibt insgesamt festzuhalten, dass die regionale Integration in Afrika allmählich erste erfolgversprechende Ansätze zeigt und sich der "vergessene Kontinent" möglicherweise bald als erfolgreicher Regionalkooperationspartner in Erinnerung bringt. 80 Vgl. Meyns, Peter: Das Südliche Afrika - eine Region verändert ihr Gesicht, in: Jahrbuch Dritte Welt 1996, S. 130-146 (132 f.). 81 van den Boom, Dirk: Zögerliche Regionalkooperationen in Afrika, in: Jahrbuch Dritte Welt 1999, S. 173-182 (178). 32 4. Naher und Mittlerer Osten Im Nahen und Mittleren Osten ist regionale Kooperation besonders schwierig. Eine allgemeine Regionalisierung oder Integration liegt hier in ferner Zukunft, denn diese Region ist noch mehr als andere Gebiete in der Welt gekennzeichnet durch militärische Konflikte, instabile politische Systeme, jahrhundertelange religiöse und ethnische Probleme sowie erhebliche Entwicklungsunterschiede. Hinzu kommt, dass einige dieser Länder besonders gute Beziehungen zu großen Industrieländern haben und diese guten Verbindungen aufrechterhalten und ausbauen, sich aber nicht regional zusammenschließen wollen82. 4.1. Ansätze regionaler Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten Trotzdem hat es auch im Nahen und Mittleren Osten einige Ansätze zur regionalen Zusammenarbeit gegeben. Zu diesen regionalen Ansätzen gehören u.a. - die Arabische Liga (League of Arab States), - der Arabische Gemeinsame Markt (Arab Common Market, AMC), - die Arabische Maghreb Union (Arab Maghreb Union, AMU), - die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (Economic Cooperation Organization, ECO) und - der Golfkooperationsrat (Gulf Cooperation Council, GCC). 4.1.1. Die Arabische Idee als Grundlage für Regionalisierung Ein Ansatzpunkt für regionale Zusammenarbeit in diesem Gebiet ist die Arabische Idee, also der Gedanke einer arabischen Nation. In diesem Zusammenhang gab es bisher schon eine Reihe von Versuchen, untereinander zu kooperieren, von denen hier einige genannt werden sollen. 82 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 127. 33 4.1.1.1. Die Arabische Liga Die Arabische Liga, gegründet am 22.3.1945 in Kairo, sollte Wegbereiter der arabischen Einheit sein und die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen aller arabischen Staaten bündeln. Gründungsmitglieder waren Ägypten, Irak, Südjemen, Jordanien, Saudi-Arabien und Syrien, später kamen Algerien, Dschibuti, Komoren, Libyen, Marokko, Mauretanien, Somalia, Sudan und Tunesien aus Afrika hinzu und aus Asien Bahrain, Nordjemen, Katar, Kuwait, Libanon, Oman, Palästina und die Vereinigten Arabischen Emirate.83 Abb. 6: Die Mitglieder der Arabischen Liga. Quelle: Fischer Almanach der internationalen Organisationen, S. 57. Bis heute ist es aber nicht gelungen, eine arabische Solidarität unter den Staaten zu erreichen, wie sie noch 1996 auf dem Sondergipfel in Kairo gefordert wurde. Es gelang zum Beispiel nicht, eine einheitliche Haltung zur Rückgabe der besetzen Gebiete gegenüber Israel zu erreichen84. Die Vorstellung einer arabischen Nation wird daher bis auf weiteres ein "Märchen"85bleiben. 83 Vgl. Abb. 6: Die Mitglieder der Arabischen Liga. Fischer Weltalmanach 2001, S. 965 unter dem Stichwort "Arabische Liga". 85 So der Kuwaiti Abdulla Bishara während des Kuwait-Krieges, zitiert nach: Kistenfeger, Hartmut: Maghreb.Union und Golfrat: Regionale Kooperation in der arabischen Welt, S. 6. 84 34 4.1.1.2. Der Arabische Gemeinsame Markt Der Arabische Gemeinsame Markt (Arab Common Market, ACM) kam 1964 durch eine Resolution des Council of Arab Economic Community (CAEU) zustande und wurde 1968 durch Ägypten, Irak, Jordanien und Syrien, später vom Jemen (von 1982-1990 Demokratische Volksrepublik Jemen, seitdem Vereinigtes Jemen), Libyen und Mauretanien ratifiziert. Der Gemeinsame Arabische Markt sollte langfristig ähnlich wie die EG eine Zollunion zwischen den arabischen Staaten schaffen, doch kam es lediglich in den ersten Jahren nach der Ratifizierung zu einem Zollabbau der Staaten untereinander, aber zu weiteren Integrationsmaßnahmen kam es nicht86. Der gemeinsame Arabische Markt ist vollständig gescheitert. Da mehrere arabische Staaten am gemeinsamen Markt nicht teilnehmen, fehlt es geografisch an einem zusammenhängenden Wirtschaftsraum und wichtigen Absatzmärkten; weil darüber hinaus politische Konflikte der beteiligten Staaten den Zusammenhalt des ACM insgesamt gefährden, wird dieser Markt in absehbarer Zeit bedeutungslos bleiben87. 4.1.1.3. Die Arabische Maghreb Union Die Union des Arabischen Maghreb (UMA oder AMU) wurde am 17.2.1989 im marokkanischen Marrakesch gegründet und sollte vor allem die politi- Abb. 7: Die Mitglieder der AMU Quelle: Fischer Almanach der internationalen Organisationen, S. 528. 86 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 11 unter dem Stichwort "ACM". 87 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 12 unter dem Stichwort "ACM". 35 sche Versöhnung der arabischen Staaten vom Atlantischen Ozean (Marokko) bis zum Mittelmeer (Tunesien, Libyen) erreichen88. Diese Union des arabischen Westens (Maghreb = Westen) war erst möglich geworden, nachdem es 1987 sowohl zwischen Marokko und Algerien als auch zwischen Tunesien und Libyen sowie Algerien und Libyen zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen gekommen war89. Auch die Arabische Maghreb Union hatte die EG zum Vorbild. Vor allem eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit nach dem Muster des EGBinnenmarktes wollte sich die AMU vornehmen. Zwar ist es bisher nicht gelungen, die unterschiedlichen Interessenlagen der einzelnen Länder zu vereinheitlichen, so dass die AMU noch keine besondere wirtschaftliche und politische Bedeutung hat, doch wird am Ziel der AMU festgehalten und sogar eine größere Union unter Einschluss aller arabischen Staaten in Afrika angestrebt90. 4.1.2. Der Schutz der Bodenschätze als Grundlage für Zusammenarbeit Viele arabische Staaten sind reich an Ölvorkommen, die somit auch die wichtigste Einnahmequelle für diese Länder darstellen. Um diesen Reichtum zu sichern, haben einige Staaten Kooperationsabkommen geschlossen. 4.1.2.1. Der Golfkooperationsrat (GCC) Der Golfkooperationsrat (Gulf Cooperation Council, GCC) ist ein regionaler Zusammenschluss ölexportierender Staaten, der durch äußere Gefahren möglich wurde. Mitglieder des Golf-Kooperationsrates sind die Staaten Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate91. 88 Vgl. Abb. 7: Die Mitglieder der AMU. Vgl. Baratta, Mario von: Fischer Almanach 1995, S. 529 f. unter dem Stichwort "UMA". 90 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 247 unter dem Stichwort "UMA". 91 Vgl. Abb. 8: Der Golf-Kooperationsrat (GCC). 89 36 Abb. 8: Der Golf-Kooperationsrat (GCC) Quelle: Fischer Weltalmanach 2001, S. 976. Die Gründung des Golf-Kooperationsrates am 14.2.1981 war eine Reaktion auf die Revolution im Iran, also den Sturz des Schahs durch das KhomeiniRegime, den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan und den Beginn des Golfkriegs zwischen dem Irak und dem Iran92. Unter dem Eindruck der iranischen Revolution und der Kriege rundherum standen auch die Ziele des GCC, nämlich die gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten zur Sicherung der eigenen Erzeugnisse, vor allem des Erdöls, und der Erhalt der Sicherheit und Stabilität der Golfregion etwa durch gemeinsame Abwehr von Terroraktionen93. 1984 hat die GCC eine gemeinsame Sicherheitstruppe unter saudiarabischer Führung aufgestellt. In der Außenpolitik unterstützte die GCC im ersten Golfkrieg den Irak gegen den Iran. Wirtschaftspolitisch orientiert sich die GCC weitgehend an der EG. Bereits 1983 wurde nach diesem Vorbild Zollfreiheit für landwirtschaftliche und industrielle Güter sowie Gleichberechtigung der Bürger in vielen Bereichen eingeführt94. 1988 wurde mit der EG sogar selbst kooperiert und ein Rahmenabkommen abgeschlossen. Im November 1999 beschlossen die Teilnehmerstaaten die Schaffung einer Zollunion95. Seit 1991 haben die meisten Mitglieder Sicherheitsabkommen mit NATO-Staaten. Ein positiver Aspekt des GCC ist, dass die Teilnehmerstaaten in kritischen Phasen wie den Golfkriegen zusammengestanden haben und eine Gemeinschaft insgesamt entstanden ist. Gemeinsam wurde auch einigen Staaten in der Golfregion wie etwa Irak, Jemen und Iran die Mitgliedschaft bisher verweigert96. 92 Vgl. Baratta, Mario von, Fischer Almanach 1995, S. 269 unter dem Stichwort "GCC". Vgl. Baratta, Mario von, Fischer Almanach, S. 270 unter dem Stichwort "GCC". 94 Vgl. Baratta, Mario von: Internationale Organisationen, S. 223 f. unter dem Stichwort "GCC". 95 Fischer Weltalmanach 2001, S. 976 unter dem Stichwort "GCC". 96 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 133 unter dem Stichwort "GCC". 93 37 Das gemeinsame Zusammenstehen darf allerdings auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass durch die Kuwait-Krise das arabische Lager tief gespalten ist, weil die Idee der arabischen Einheit durch die unterschiedliche Haltung gegenüber dem Irak während der Krise weiter "diskreditiert" wurde97, auch der GCC von dieser Spaltung mit betroffen ist und sich in einer "Identitätskrise" befindet98. Aufgrund der bisherigen Erfolge und der Zusammenarbeit ist jedoch am Fortbestand des GCC kaum zu zweifeln. 4.1.2.2. Die Economic Cooperation Organization (ECO) Eine weitere erwähnenswerte regionale Zusammenarbeit, bei der es inzwischen vor allem um die Erschließung und Nutzung der Bodenschätze geht, ist die Economic Cooperation Organization (ECO) von 1985 mit den Mitgliedern Afghanistan, Aserbaidschan, Iran, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Türkei, Turkmenistan, Tadschikistan, Usbekistan und Nordzypern. Einige dieser Staaten wie Iran, Kasachstan oder Usbekistan gehören zu den erdöl- und erdgasreichsten Ländern der Welt, Kasachstan und Tadschikistan besitzen riesige Mengen von Gold, Silber und Uran99. Die ECO ist eine Wiederbelebung der Wirtschaftsgemeinschaft der Regional Cooperation for Development (RCD) von 1964, die bis zum Sturz des Schahs 1979 existierte, aber in dieser Zeit nur wenige wirtschaftsfördernde Projekte voranbrachte100. Ursprünglich bestand die ECO nur aus den drei Gründungsmitgliedern Iran, Pakistan und Türkei. Inzwischen ist die Mitgliederzahl auf elf angestiegen. Trotz sehr unterschiedlicher und untereinander zum Teil verfeindeter Teilnehmerstaaten ist bisher noch kein Mitglied aus dem Verbund ausgetreten, was bereits ein erster Erfolg dieses Zusammenschlusses ist. Was die Zusammenarbeit der ECO-Länder insgesamt angeht, so ist sie andererseits wegen der extrem schwierigen politischen und ethnischen Probleme in den Teilnehmerländern bisher kaum über die alte RCD hinausgekommen, hat aber bemerkenswerte Ergebnisse auf subregionaler und kultureller Ebene, wie etwa die militärische und wirtschaftliche Union von Kasachstan, Usbekistan und Kirgistan von 1994101 und die 97 Vgl. Koszinowski, Thomas: Neue Allianzen im Nahen Osten? in: Jahrbuch Dritte Welt 1997, S. 276-285 (276). 98 Vgl. Baratta, Mario von, Fischer Almanach 1995, S. 27 unter dem Stichwort "GCC". 99 Zu den Bodenschätzen Alkazaz, Aziz: Economic Cooperation Organiza-tion (ECO): Strukturen eines neuen Wirtschaftsraumes, in: Jahrbuch Dritte Welt 1996, S. 249-258 (251 f.) 100 Vgl. Baratta, Mario von, Fischer Almanach, S. 190 unter dem Stichwort "ECO". 101 Vgl. Alkazaz, Aziz: Economic Cooperation Organisation (ECO): Strukturen eines neuen Wirtschaftsraumes, in: Jahrbuch Dritte Welt 1996, S. 249-258 (253). 38 Zusammenarbeit bei Transport, Verkehr und Verbindungswesen zwischen den Gründerstaaten Türkei, Iran und Pakistan. 4.2. Ausblick und Zusammenfassung "Region ohne Regionalisierung" Die Region Naher und Mittlerer Osten kennt keine Regionalisierung. Hier auch nur im Entferntesten an dauernde Verständigung oder gar Integration zu denken hieße, die Wirklichkeit zu verkennen. Doch auch dieses krisengeschüttelte Gebiet ändert sich. Eine dauerhafte umfassende Integration im Nahen und Mittleren Osten ist zwar nach wie vor in weiter Ferne, doch geben die inzwischen zunehmend erfolgreichen regionalen Integrationsansätze Anlass zur Hoffnung. Nach dem Scheitern des Gemeinsamen Arabischen Marktes und dem tiefen Riss in der arabischen Welt nach der Kuwait-Krise hat die Arabische Idee zwar schwere Rückschläge erlitten, der Nahe und Mittlere Osten entwickelt sich aber nunmehr zu einem Gebiet, in dem immer mehr auf regionaler und bilateraler Ebene kooperiert wird. Gedanken der Versöhnung sowie Sorgen und Ängste üben hier offensichtlich einen Zwang aus, der die Staaten langsam dazu bringt, alten Hass zurückzustellen und vorsichtig zu beginnen, einzeln zu kooperieren. Die Einsicht, dass es ohne Versöhnung keinen Aufschwung und keine friedliche Zukunft geben kann, führte bereits zur Gründung der Arabischen Maghreb Union, jenem vom Atlantik bis zum Mittelmeer reichenden Zusammenschluss, dessen Bund aus Staaten besteht, die sich von jeher mit Misstrauen und Verachtung betrachteten. Auch die Gemeinschaft der ölexportierenden Staaten, die sich nach ihrer geographischen Lage Golf-Kooperationsrat nennt, hat ja ihren Ursprung in der gemeinschaftlichen Sorge um die Sicherheit der Region, die nach dem Sturz des Schah und der darauffolgenden fundamentalistischen Regierung des Khomeini-Regimes sowie der Golfkriege, die diese Staaten als QuasiAugenzeugen erlebten, in einem solchen Maße bedroht war, dass die Staaten gemeinsam handeln mussten. Sogar Israel, das jahrzehntelang isoliert war, strebt neben der Mitgliedschaft in der EU neuerdings auch erste Kooperationen mit islamischen Staaten an. Seit Saddam Hussein durch den Kuwait-Angriff nicht nur Israel, sondern auch die arabische Welt in Aufruhr gebracht hat, hat Israel auch bei den arabischen Staaten bessere Karten. Mit den Golfstaaten und dem Jemen haben bereits einige Länder signalisiert, mit Israel Frieden schließen zu 39 wollen, zudem wurden mit dem Oman Handelsvertretungen vereinbart, und auch Katar hat sich bereit erklärt, Erdgas nach Israel zu liefern102. Nachdem bereits Jordanien und die PLO mit Israel über Frieden verhandeln, scheint für Israel nur noch der Konflikt mit Syrien wirklich von Bedeutung zu sein, wenn der Friedensprozess nicht vollends scheitert103. Auch wenn ein Ende der Auseinandersetzungen mit dem nördlichen Nachbarstaat nicht in Sicht ist, so zeichnet sich auch hier ab, dass die Karten neu gemischt werden. Hinzu kommt, dass Israel durch sein neues Bündnis mit der Türkei einen Trumpf in der Hand hat. Gleichzeitig ist diese israelisch-türkische Annäherung, die bereits zu militärischer Zusammenarbeit geführt hat, eine neue Bedrohung für den Friedensprozess. Nicht nur, dass nun all jene Mächte, die selbst eine Vormachtrolle in der Region spielen wollen, die Annäherung zwischen Israel und der Türkei fürchten, wie der wegen seines radikalen islamischen Fundamentalismus gefürchtete Iran oder auch Ägypten104. Gerade ist ein neuer Konflikt zwischen Syrien und der Türkei wieder aufgeflammt, der Konflikt um das Euphratwasser, also um die Ressource, um die es in den nächsten Jahren die wohl häufigsten örtlichen Konflikte geben wird 105. Durch alle diese neuen Allianzen und Änderungen der bisherigen Koalitionen bekommt die Regionalisierungsentwicklung im Nahen Osten ihre Eigendynamik. Einerseits gelingt es nun Ländern wie Israel, endlich aus der Isolation zu treten und Partnerschaften einzugehen, andererseits verstärken diese neuen Koalitionen auch das allgemeine Misstrauen in diesem Gebiet, so dass diese Gegend unruhig bleibt und daher an eine umfassende Integration in dieser Krisenregion in naher Zukunft nicht zu denken ist. 102 Vgl. Koszinowski, Thomas: 1997, S. 276-285 (278 f.). 103 Vgl. Koszinowski, Thomas: 1997, S. 276-285 (279). 104 Vgl. Koszinowski, Thomas: 1997, S. 276-285 (282). 105 Vgl. Koszinowski, Thomas: 1997, S. 276-285 (281). Neue Allianzen im Nahen Osten? in: Jahrbuch Dritte Welt Neue Allianzen im Nahen Osten? in: Jahrbuch Dritte Welt Neue Allianzen im Nahen Osten? in: Jahrbuch Dritte Welt Neue Allianzen im Nahen Osten? in: Jahrbuch Dritte Welt 40 5. Amerika Auch auf dem amerikanischen Kontinent gibt es eine Reihe bedeutsamer Regionalisierungsversuche, von denen einige aktuelle Zusammenschlüsse im Folgenden näher dargelegt werden. 5.1. Ansätze regionaler Zusammenarbeit in Nordamerika Die Regionalisierung Nordamerikas wird dominiert durch das Nordamerikanische Freihandelsabkommen, das deshalb zunächst behandelt wird. 5.1.1. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) Das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA (North American Free Trade Agreement) vom 17.11.1993 hat die Mitglieder Kanada, die USA und Mexiko106; vorher hatten sich bereits die USA und Kanada zu einem Freihandelsabkommen (CUFTA) zusammengeschlossen107. 5.1.1.1. Die wirtschaftliche Bedeutung der NAFTA Neben dem Europäischen Wirtschaftsraum EWR ist die NAFTA die größte Freihandelszone der Welt108. Zwischen den USA, Mexiko und Kanada bestehen enge wirtschaftliche Beziehungen, denn Kanada führt allein etwa 78% seiner Exporte in die USA aus und bezieht von dort 66% seiner Importe, während Mexiko etwa 76% der Exporte in die USA ausführt und 106 Vgl. Abb. 9: Die Staaten der NAFTA. Zur Entstehung von CUFTA und NAFTA s. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 82. 108 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 148 unter dem Stichwort "NAFTA". 107 41 70% der Importe aus den USA stammen109. Mit etwa 370 Millionen Menschen und einem Bruttosozialprodukt von rund 6500 Mrd. US-Dollar entsteht mit der NAFTA ein größerer Markt als die EG. Man schätzt die Gewinne durch die NAFTA für Mexiko und die USA auf etwa 15 Mrd. USDollar pro Jahr110. Abb. 9: Die Staaten der NAFTA Quelle: Fischer Almanach der internationalen Organisationen, S. 423. Daher ist wohl auch der hohe Zufluss von Auslandskapital in Höhe von 30 Mrd. Dollar seit dem Regierungsantritt Salinas Ende 1988 als eine vorweggenommene Reaktion auf den durch die NAFTA zu erwartenden Modernisierungsschub in Mexiko anzusehen111. Ein wesentlicher Unterschied der NAFTA im Vergleich zu anderen Freihandelszonen wie etwa der EG besteht vor allem darin, dass es sich um ein Abkommen zwischen zwei fortgeschrittenen Industrieländern und einem eher noch unterentwickelten Schwellenland handelt. In dieser Tatsache sind wohl auch die Gründe zu suchen, weshalb es bereits bei der Ratifizierung des NAFTA-Abkommens zu Problemen kam. 109 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 148 unter dem Stichwort "NAFTA". 110 Vgl. Hufbauer, Gary / Schott, Jeffrey: Free Trade Areas, the Enterprise for the Americans Initiative, and the Multilateral Trading System, in: Bradford, Colin: Strategic Options for Latin America in the 1990s, S. 249 f. 111 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 85. 42 Denn neben anderen Organisationen drängten ein Teil der amerikanischen Kongressabgeordneten und Gewerkschaften auf sozialund um besonders arbeitspolitische Verbesserungen im Vertrag112, Sozialdumping wegen des Lohn- und Arbeitsgefälles zwischen Mexiko und den USA zu verhindern. Deshalb wurden Zusatzabkommen zur NAFTA abgeschlossen, in denen Mexiko verpflichtet wurde, die nationalen Mindeststandards streng einzuhalten und zu kontrollieren und dafür zu sorgen, dass die Arbeitsschutzbestimmungen verbessert werden113. 5.1.1.2. Die Intentionen der Länder für den Abschluss des Abkommens Die wichtigsten Ziele des NAFTA-Abkommens sind der Abbau von Zöllen innerhalb von 10 Jahren, die Einführung von Schlichtungsverfahren für Streitigkeiten über Straf- und Antidumpingzölle sowie weitere Bestimmungen und Ausnahmeregelungen für bestimmte Bereiche wie Landwirtschaft, Dienstleistungen114 und Personenkraftwagen115. Diese Maßnahmen konnten weitgehend termingerecht umgesetzt werden116. Die Ziele der einzelnen Staaten für dieses Abkommen waren jedoch sehr unterschiedlich: Mexiko erwartete vom NAFTA-Abkommen vor allem eine Steigerung des Realeinkommens um 5% und hoffte mit einigem Erfolg darauf, die Kapitalflucht aus Mexiko einzudämmen117 . Für Kanada stand offiziell an allererster Stelle ein besserer Zugang zum amerikanischen Markt118 sowie die Verbesserung der Absatzchancen in Mexiko, einem bisher relativ kleinen Exportmarkt119. Allerdings dürfte das Ziel des Abbaus von Zöllen dabei nur ein vorgeschobenes Argument für das Abkommen gewesen sein, da zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schon 70% der kanadischen Exporte 112 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 150. unter dem Stichwort "NAFTA". 113 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 150 unter dem Stichwort "NAFTA". 114 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 82. 115 Dazu ausführlich Frontzkowski, Katja: Die Probleme des kanadischen Außenhandels unter Berücksichtigung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens, S. 20 ff. 116 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 150 unter dem Stichwort "NAFTA". 117 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 150 unter "NAFTA". 118 Vgl. Helstelä, Pekka: Risikominderung durch wirtschaftliche Integration: Freihandelsabkommen in Nordamerika, S. 43 m. w. N. 119 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 85. 43 zollfreien Zugang zu den USA hatten und nur 4%-5% der Waren mehr als 5% an Zöllen zu tragen hatten120. Daher ging es den Kanadiern wohl weniger um einen "besseren" Zugang zum amerikanischen Markt als vielmehr um einen "sicheren"121, also vor allem um Schutz vor zukünftigen Protektionsmaßnahmen der USA122. Treibende Kraft des NAFTA-Abkommens ist jedoch nach wie vor die USA, die sich durch das Abkommen mehrere Verbesserungen versprach. Zunächst einmal war für die USA die Stabilisierung der Wirtschaft und der Politik Mexikos wichtig. Das Verhältnis zu Mexiko, welches in der Vergangenheit immer wieder mit Konflikten behaftet war, sollte durch das Abkommen reformiert werden123. Außerdem hoffte man in den USA, dass sich die wirtschaftliche Lage Mexikos durch das Abkommen stark verbessern würde und vor allem die hohe illegale Einwanderung von Mexikanern in die USA, die an der Grenze zu Kalifornien bereits zum "Mauerbau" geführt hat, erheblich vermindert werden könnte. Diese Hoffnung hat sich allerdings nicht erfüllt. Denn durch den Aufschwung der mexikanischen Wirtschaft hat sich in Mexiko die Kluft zwischen dem relativ reichen Norden und dem armen Süden weiter vergrößert, die Migrationswelle innerhalb Mexikos verschärft und die Zahl der illegalen Einwanderer in die USA bisher nicht abgenommen124. Eine weitere Hoffnung der USA war, dass durch die Stabilisierung Mexikos durch das NAFTAAbkommen der Drogenhandel in Mexiko eingedämmt werden könnte125. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, wird man erst in ein paar Jahren sagen können. 120 Vgl. Rotstein, Abraham: Hidden Costs of Free Trade in International Perspectives, S. 3 ff. 121 Vgl. Helstelä, Pekka: Risikominderung durch wirtschaftliche Integration: Freihandelsabkommen in Nordamerika, S. 43 m. w. N. 122 Dazu Rotstein, Abraham: Hidden Costs of Free Trade in international perspectives, S. 3 ff. 123 Vgl. Lange, Joachim: Die politische Ökonomie des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA, S. 196. 124 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 150 unter "NAFTA". 125 Dazu Lange, Joachim: Die politische Ökonomie des Nordamerik. Freihandelsabkommens NAFTA, S. 201 f. 44 5.1.2. Die neue handelspolitische Orientierung der USA Eine der schwierigsten und in der Literatur umstrittensten Fragen126 ist die, ob die Einführung der NAFTA eine neue handelspolitische und gesamtwirtschaftliche Orientierung der USA darstellt. Da sich die Handelsbilanz der USA seit 1950 bis in die achtziger Jahre stetig verschlechtert hatte, interpretierten viele Autoren diesen Umstand als Zeichen schwächerer internationaler Wettbewerbsfähigkeit der USA und eine Art "Hegemonieverfall"127. Die Gründung der NAFTA an sich hatte, wie oben dargelegt, viele Gründe. Dabei muss man jedoch auch die sich neu entwickelnde Weltkarte betrachten. Die EG war 50 Jahre nach Kriegsende ein starker Wirtschaftsblock geworden, während mit Asien und Japan und den dortigen Tigerstaaten weitere weltweite Konkurrenz durch regionale Zusammenarbeit aufkam. Daher war es nur folgerichtig, dass die USA bei diesen Regionalisierungstrends mitmachen bzw. gegensteuern musste, um den Anschluss nicht zu verpassen, z.B. dadurch, dass sich mögliche Partnerstaaten anderweitig zusammenschließen. 5.2. Regionalisierungsversuche in MittelAmerika Mittelamerika versucht sehr intensiv, eine Zusammenarbeit unter den Staaten zu erreichen, hat aber mit schweren politischen und sozialen Problemen zu kämpfen. 5.2.1. Die Karibische Gemeinschaft (CARICOM) Die Karibische Gemeinschaft (CARICOM) wurde 1973 gegründet. Folgende Staaten gehören ihr derzeit als Mitglieder an: Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Dominica, Grenada, Guyana, Jamaika, Montserrat, St. Kitts-Nevis, St. Lucia, Surinam, St. Vincent & the Grenadines sowie Trinidad und Tobago. 126 Siehe dazu Lange, Joachim: Die politische Ökonomie des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens, S. 202 ff. m. w. N. 127 Vgl. Lange, Joachim: Die politische Ökonomie des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens, S. 203 m. w. N. 45 Abb. 10: Die Mitglieder von Caricom und SICA (ohne das kürzlich der Caricom beigetretene Surinam) Quelle: Fischer Almanach der internationalen Organisationen, S. 511. Der Gedanke einer Karibischen Gemeinschaft entstand Mitte der sechziger Jahre, als sich abzeichnete, dass Großbritannien der EG beitreten werde und damit der traditionelle Markt für die bis dahin unter britischer Herrschaft stehenden Inselstaaten entfallen könnte128. Somit wurde 1967 nach dem Vorbild der EFTA die Karibische Freihandelszone (CARIFTA) gegründet129. Für die industrialisierten Staaten Barbados, Guyana, Jamaika, Trinidad und Tobago bedeutete dieser Zusammenschluss einen schnellen wirtschaftlichen Aufschwung, während die weniger entwickelten Staaten nicht profitieren konnten, aber die gleiche Verteilung der Gewinne verlangten130. Kritisch wurde es, als die besser entwickelten Staaten die Umwandlung der Freihandelszone in eine Zollunion mit gemeinsamem Außenzoll erreichen wollten und die weniger entwickelten Länder aus Angst vor Benachteiligung 128 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 131. 129 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 131. 130 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried; Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 131. 46 die Verhandlungen blockierten131. Nach langen, schwierigen Verhandlungen konnten sich die Staaten einigen und im Vertrag von Chaguaranamas 1973 die CARICOM bilden. Im Gegensatz zur Vorgängerin CARIFTA stellt die CARICOM eine Zollunion dar. Nach einer Konferenz der Regierungschefs der Karibischen Gemeinschaft sollte diese Zollunion bis zum 1.1.1998 verwirklicht werden, was auch gelungen ist132, da bereits Mitte des Jahres 1993 alle regionalen Handelsbarrieren abgeschafft worden sind. Ein weiteres Ziel der Staaten der CARICOM ist die Schaffung der Voraussetzungen für Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit und der Schutz vorhandener Ressourcen in der Region133. 1994 wurden die Mitgliedsländer der CARICOM auch Mitglieder der Vereinigung Karibischer Staaten (Association of Carribean States, ACS). Wirtschaftlich bedeutsam für die CARICOM-Staaten ist die "Carribbean Basin Initiative (CBI)". Die CBI war eine Idee Ronald Reagans, mit der den karibischen Staaten dadurch Entwicklungshilfe zuteil werden sollte, dass Erzeugnisse aus der Gegend zollfrei nach Amerika eingeführt werden und mit Hilfe von Steuersubventionen US-amerikanische Firmen stärker in der Karibik investieren sollten134. Hinzu kommen jährliche Finanzhilfen und Unterstützungsleistungen für die technische Ausbildung135. Die Möglichkeit, bestimmte Produkte zollfrei in die USA einführen zu dürfen, war ein beachtlicher Wettbewerbsvorteil für die CARICOM-Staaten gegenüber anderen Staaten. Durch die Eingliederung Mexikos in die NAFTA haben die CARICOM-Staaten diesen Vorteil verloren. Trotz der damit verbundenen Probleme wollen die CARICOM-Staaten dennoch nicht der NAFTA beitreten, sondern lieber ihre Privilegien für den US-Markt wiederbekommen. Dazu ist die US-Regierung jedoch schon allein deshalb nicht bereit, weil sich die CARICOM-Staaten bemühen, Kuba zu integrieren, indem sie die Aufnahme des Castro-Staates in die ACS befürworten136. Auch wenn über die aktuellen wirtschaftlichen Sorgen der einzelnen Mitgliedsstaaten nicht hinweggesehen werden kann, ist dennoch zu konstatieren, dass die Regionalisierungsansätze in der Karibik recht weit fortgeschritten sind, wenn man die Schwierigkeiten bei der Bildung der 131 Vgl. Lang, Winfried in: Esterbauer, Fried / Lang, Winfried; Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 131. 132 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 26 unter dem Stichwort "CARICOM". 133 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 27 unter "CARICOM". 134 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 86. 135 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 27 unter dem Stichwort "CARICOM". 136 Ähnlich Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 27 unter dem Stichwort "CARICOM". 47 CARICOM und die sehr unterschiedlichen ökonomischen Voraussetzungen der Staaten bedenkt, selbst wenn der Handel noch nicht sehr intensiv ist. 5.2.2. Der Zentralamerikanische Gemeinsame Markt (MCCA) Der Zentralamerikanische Gemeinsame Markt ist der älteste Integrationsversuch Mittelamerikas. 1960 wurde dieser "Mercado Comùn Centroamericano" (MCCA) zwischen Guatemala, Nicaragua, Costa Rica und Honduras geschlossen. Dass es überhaupt zum Vertragsschluss kam, lag daran, dass die USA ihre Wirtschaftshilfe davon abhängig machte, dass die einzelnen Regierungen die Einigung der Region forcierten137. Immerhin hat der Vertrag den Integrationsprozess soweit gefördert, dass 1966 bereits der Freihandel zu 94% verwirklicht und die Industrialisierung in dieser Region vorangebracht worden war138. Ein endgültiger dauerhafter Regionalisierungserfolg war jedoch durch immer wiederkehrende kriegerische Auseinandersetzungen, beispielsweise zwischen Honduras und EL Salvador oder Nicaragua, ausgeschlossen. Honduras schied nach dem Krieg gegen El Salvador ganz aus dem Gemeinsamen Markt aus139. Nach der Revolution in Nicaragua 1979 war die Hoffnung auf Wiederbelebung dieses Marktes auf lange Sicht gesunken140 und Mitte der achtziger Jahre kam es praktisch zum Zusammenbruch der Integrationsbemühungen, bis es 1990 auf einem Gipfeltreffen in Antigua in Guatemala zu einem Neubeginn des MCCA kam. Das wichtigste Ziel dieses neuen MCCA ist ein gemeinsames Zollsystem141. Ob dieser Neubeginn des MCCA jedoch erfolgreich sein wird, ist zu bezweifeln. Denn die bisherigen Integrationsbemühungen beseitigten nicht die tieferen Ursachen der Probleme dieser Region, insbesondere soziale und ethnische Konflikte wie z.B. ein hoher Grad an Analphabetismus und vor allem die politische Instabilität dieser Region142. 137 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 110. 138 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 110. 139 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 110. 140 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 111. 141 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 299 unter dem Stichwort "Zentralamerikanischer Markt". 142 Ähnlich Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtachaftsorganisationen, S. 299 unter dem Stichwort "MCCA". 48 5.2.3. Das Zentralamerikanische Integrationssystem (SICA) Ein weiterer Versuch, die gewaltigen politischen und sozialen Spannungen in Lateinamerika abzubauen, ist das Zentralamerikanische Integrations143 system (System of Central American Integration, SICA) von 1993 , welches die Mitglieder Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama hat. Die SICA ist eine Neuauflage der Organisation der Zentralamerikanischen Staaten (ODECA). Die SICA will langfristig aus Zentralamerika eine demokratische, freie und wirtschaftlich interessante Region machen; die ersten Ansätze dazu bilden die Schaffung einer Zollunion und die Einführung des freien Personenverkehrs144. 5.3. Integrationsgedanken in Südamerika Südamerika hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie Mittelamerika und war deswegen bei seinen bisherigen Integrationsversuchen ebenfalls wenig erfolgreich, wie im Folgenden zu erkennen ist. 5.3.1. Die Lateinamerikanische Integrationsassoziation (ALADI) Die Lateinamerikanische Integrationsassoziation (ALADI = Asociatiòn Latinoamericana de Integraciòn) wurde 1980 in Montevideo gegründet und ist die geografisch umfassendste Verbindung lateinamerikanischer Staaten. Mitglieder der ALADI sind Argentinien, Brasilien, Mexiko, Chile, Kolumbien, Peru, Uruguay, Venezuela, Bolivien, Ecuador und Paraguay. Die ALADI hat sich langfristig zum Ziel gesetzt, in Lateinamerika und Mexiko einen Gemeinsamen Markt zu errichten145, indem die Staaten untereinander einen Präferenzrahmen schaffen, in dem sich die Staaten je nach der 143 Vgl. Abb. 10 auf S. 43: Die Mitglieder von Caricom und SICA. Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 201 unter dem Stichwort "SICA". 145 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 1 unter dem Stichwort "ALADI". 144 49 wirtschaftlichen Entwicklung Konzessionen einräumen. des Handelspartnerlandes gegenseitig Im Unterschied zur gescheiterten Vorgängerinstitution LAFTA (Latino American Free Trade Agreement), die eine Freihandelszone schaffen sollte, bei der allen Mitgliedern alle Konzessionen zugute kamen, versucht die ALADI Fortschritte zu erzielen, indem die Konzessionen weitgehend bilateral, also zwischen den Vertragspartnern, ausgehandelt werden und auch nur dem Verhandlungspartner zustehen, wobei es allerdings seit 1984 wenigstens Minimalpräferenzen für die gesamte Assoziation gibt. Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist auch die sog. Meistbegünstigungsklausel, nach der die Mitgliedsstaaten der ALADI Konzessionen, die sie Drittländern einräumen, auch den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft zu gewähren haben146. Seit 1991 gibt es mit der EG ein Übereinkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit, das für die Integration in der Zukunft bedeutsam sein kann147. Dass diese Region insgesamt überhaupt integrationsfähig ist, wird oft bezweifelt, da sie seit jeher große innere Unterschiede aufweist148 und daher auch das regionale Bewusstsein in dieser Region nur sehr begrenzt vorhanden sei. Dies liegt allerdings auch an der politischen Situation in dieser Region. Obwohl demokratische Systeme allmählich zunehmen, sind auch Militärdiktaturen wie in Paraguay nach wie vor präsent. Immerhin hat der regionale Handel seit Gründung der Organisation zugenommen, auch deshalb, weil z.B. Argentinien, Bolivien, Chile Paraguay und Uruguay untereinander wichtige Märkte darstellen149. 146 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 92. Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 3 unter dem Stichwort "ALADI". 148 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 142. 149 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 143. 147 50 5.3.2. Der Gemeinsame Markt des ganzen Südens (MERCOSUR) 150 Der Gemeinsame Markt des ganzen Südens (Mercado Comùn del Cono Sur, MERCOSUR) wurde 1991 in Asuncion in Paraguay zwischen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay geschlossen, um unter diesen Mitgliedern einen gemeinsamen Markt mit freiem Dienstleistungs- und Produktionsverkehr zu schaffen und eine einheitliche Wirtschaftspolitik und Gesetzgebung zu erreichen151. Seit dem Jahre 2000 ist auch Chile Vollmitglied. Abb. 11: Die Mitglieder des Mercosur (Chile ist seit dem Jahre 2000 Vollmitglied) Quelle: Fischer Weltalmanach 2001, S. 983. 150 Vgl. Abb. 11: Die Mitglieder des Mercosur. Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 144 unter dem Stichwort "MERCOSUR". 151 51 Derzeit gilt der MERCOSUR in Lateinamerika trotz erheblicher politischer und wirtschaftlicher Schwierigkeiten als der hoffnungsvollste Integrationsversuch152. 5.3.3. Die Andengruppe Ein weiterer Regionalisierungsversuch in Lateinamerika ist die Andengruppe (oder der Andenpakt) mit Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela, die 1969 durch das Abkommen von Cartagena in Kolumbien gegründet wurde. Die ersten zwei Jahrzehnte brachten jedoch nicht die gewünschten Erfolge. Einheitliche Außenzölle, die bis 1975 errichtet werden sollten, wurden nicht erreicht. Seit 1990/91 soll eine Freihandelszone errichtet werden, und für später ist die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes vorgesehen153. Bisher hatte die Andengruppe keinen Erfolg. Von Anfang an sprach auch alles dagegen, dass es hier zu einer dauerhaften Integration kommen könnte. Politische Probleme verhinderten den Erfolg der Organisation. Das ursprünglich beteiligte Chile schied 1976 aus dem Verband aus, und Venezuela konnte erst 1973 nach internen Problemen dazustoßen. Seit 1992 lässt Peru die Mitgliedschaft ruhen; es kann somit angenommen werden, dass dieses Land - politische Kontinuität vorausgesetzt - in absehbarer Zeit die Mitgliedschaft endgültig kündigen wird154. Auch die wirtschaftlichen und politischen Strukturen machen wenig Hoffnung. Die Hauptprodukte Erdöl und Kaffee sind stark exportabhängig. Insbesondere Kolumbien und Bolivien sind durch den Einfluss mächtiger Drogensyndikate innenpolitisch unter Druck geraten. Als ein pluralistischdemokratisches System könnte man allenfalls Venezuela bezeichnen155. Aber gerade dieser Staat machte jüngst Schlagzeilen wegen angeblicher Korruption und Veruntreuung von Staatseinnahmen. Die Konsequenz aus all den bisherigen Missständen ist, dass dieser Regionalisierungsversuch als gescheitert anzusehen ist und sich bald auflösen könnte156. 152 Dazu ausführlich das Sonderheft Lateinamerika der Zeitschrift "AußenWirtschaft" 1995, insbesondere die Abhandlung auf den Seiten 4-5: Ein Markt, an dem man nicht vorbeigehen kann. 153 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 6 unter dem Stichwort"Andenpakt". 154 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 6 unter dem Stichwort "Andenpakt". 155 Vgl. Lang, Winfried in: Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 126. 156 So auch Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 7 unter dem Stichwort "Andenpakt". 52 5.4. Die Regionalisierung des gesamten Kontinents Neben den geografisch begrenzten Verbindungen in Nord-, Mittel- und Südamerika gibt es auch Ansätze zu gesamten kontinentalen Zusammenschlüssen, die nachfolgend behandelt werden. 5.4.1. Die Gruppe der Drei (G-3) Unter der Gruppe der Drei ist der Zusammenschluss der erdölfördernden Länder Kolumbien, Venezuela und Mexiko zu verstehen, um die wirtschaftliche und politische Integration ihrer Länder durch eine Freihandelszone zu fördern. Dabei sollen schrittweise die Handelszölle abgebaut werden. Weil Mexiko Mitglied ist, bedeutet dieser Zusammenschluss für Kolumbien und Venezuela den Zugang zur nordamerikanischen Freihandelszone, während Mexiko durch die Vereinbarung sich Handelsvergünstigungen mit den Staaten der Andengruppe erhoffen kann157. 5.4.2. Die Freihandelszone Alaska-Feuerland (FTAA) Ein aktuelles globales Integrationsprojekt stellt die Freihandelszone AlaskaFeuerland (Free Trade Area of the Americans) dar. Nach dieser Idee soll es als Gegengewicht zur EU und Südasien eine westliche Freihandelszone von Alaska bis Feuerland geben. Damit entstünde der weltweit größte Binnenmarkt, wenn es gelänge, alle noch existierenden Zölle abzubauen und demokratische Systeme in allen Mitgliedsstaaten einzuführen158. 157 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 94. Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 83 unter dem Stichwort "FTAA". 158 53 5.4.3. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Die Organisation amerikanischer Staaten (Organization of American States, OAS) ist ein Zusammenschluss von derzeit 35 amerikanischen Staaten, der sich an der Charta der Vereinten Nationen orientiert und sich daher ursprünglich insbesondere um den Frieden auf dem amerikanischen Kontinent kümmerte. Daneben ist inzwischen der Aufgabenbereich ausgedehnt worden und Umweltschutz, Drogenbekämpfung und wirtschaftliche Unterstützung hinzugekommen. Das Hauptgewicht in der OAS haben die Vereinigten Staaten. Daher sind die Ziele der OAS häufig identisch mit denen der USA. Augenblicklich unterstützt die USA die OAS ganz besonders, da die OAS sowohl von Nordamerika als auch von den lateinamerikanischen Staaten als Verhandlungsinstitution akzeptiert wird und die USA die lateinamerikanische Haltung zur Freihandelszone AlaskaFeuerland so in ihrem Sinne zu verändern versucht159. 5.5. Zusammenfassung und Ausblick: "Von Alaska bis FeuerlandEin Amerika" 500 Jahre nach Kolumbus wird Amerika wieder entdeckt. Die Region Amerika soll eins werden -zumindest wirtschaftlich. Geht es nach den Vorstellungen der US-Regierung, so soll es bis zum Jahre 2005 "über alle politischen und ideologischen Grenzen hinweg" von Alaska bis Feuerland einen einheitlichen zollfreien Wirtschaftsraum (FTAA) geben, dessen riesiger Umfang bereits daraus abzuleiten ist, dass er mit der NAFTA die neben dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) weltweit größte Freihandelszone beinhalten und zusammen mit den mittel- und südamerikanischen Staaten ein Gebiet mit ca. 850 Millionen Menschen umschließen soll160. Dabei stehen die Zeichen für diese Integration alles andere als gut. Um eine solche Riesenregion zu "regionalisieren", muss man über regionale Unterschiede entweder ganz hinwegsehen oder sie als gegeben hinnehmen. Bei der jetzt geplanten Freihandelszone FTAA sollen jedoch Regionen integriert werden, die von ihrer inneren und äußeren Struktur her in ihrer Unterschiedlichkeit Extreme aufweisen. 159 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 155 unter dem Stichwort "OAS". 160 Vgl. die Abhandlung: Ein Markt, an dem niemand vorbeigehen kann, in: Zeitschrift AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 4-6 (4). 54 Auf der einen Seite stehen die hochentwickelten und politisch stabilen Länder wie die USA, die sich von der Zollfreiheit vor allem einen besseren Zugang zu dem mittel- und südamerikanischen Märkten erhofft, um die eigene Weltmarktstellung noch zu erweitern; sie profitieren von dem Zusammenschluss. Auf der anderen Seite stehen die Länder Mittel- und Südamerikas. Ein Ruf eilt dieser Region voraus: Lateinamerika muss mit dem Image kämpfen, Hochburg für Drogen, Korruption, ungleiche Eigentumsverhältnisse und Brutstätte für Terror und Gewalt zu sein. Fast logischerweise sind in dieser unsicheren Gegend alle bisherigen Integrationsversuche wie etwa die Bildung eines gemeinsamen Marktes (MCCA) oder eine Zusammenarbeit der Andenstaaten im Andenpakt fehlgeschlagen. Nach den bisherigen Erfahrungen sind Zweifel sicherlich erlaubt, ob sich diese Region überhaupt integrieren lässt. Doch diese Region zeichnet eine Besonderheit aus, die sie für Investoren und als Integrationspartner interessant macht und daher die große Freihandelszone nicht mehr utopisch erscheinen lässt: ihre bemerkenswerte Widersprüchlichkeit. Zu diesen Widersprüchlichkeiten der Region passt neben dem Umstand, dass es in dem von Kriminalität gebeutelten Brasilien als einem der ganz wenigen Länder der Welt keine Probleme mit Rassentrennung gibt, auch die Tatsache, dass insbesondere das heute politisch gewaltsam unterdrückte Land Chile lange für Toleranz stand und sich als Zufluchtsort für Andersdenkende, Künstler und politisch Verfolgte internationale Bedeutung erworben hatte. Gerade auch diesem Umstand verdankt die Region nun einen für die Zukunft nicht zu unterschätzenden Standortvorteil, der gerade den MERCOSUR für Investoren besonders interessant machen könnte: der Anteil an Einwanderern z.B. aus Europa, vor allem Deutschland. So wird etwa der Anteil der deutschstämmigen Bevölkerung in dieser Region auf etwa 5 Millionen Menschen geschätzt161 ein Umstand, der diese Gegend für zukünftige deutsche Investitionen zusätzlich attraktiv macht. Deutschland ist inzwischen mit den Branchen Fahrzeugbau, Chemie, Elektrotechnik bereits sehr stark in Lateinamerika vertreten. Sao Paulo ist inzwischen einer der wichtigsten deutschen Industriestandorte außerhalb Deutschlands162 . Aber auch seine Rohstoffe sowie die klimatischen Verhältnisse und günstige Kostenstrukturen machen Lateinamerika zu einem interessanten Investitionsstandort. Auf diese Weise ist es tatsächlich vorstellbar, dass sich ausgerechnet in dieser eher lebens- und integrationsfeindlich anmutenden 161 Vgl. die Abhandlung: Markt mit großer Zukunftsperspektive, in: Zeitschrift AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 12-16 (14). 162 Vgl. die Abhandlung: Lateinamerika-Markt mit großer Zukunftsperspektive, in: Zeitschrift AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 12-16 (14). 55 Region bald der viertgrößte Wirtschaftsblock entwickeln könnte - als solcher gilt nämlich unter Insidern inzwischen der MERCOSUR163. Dass Lateinamerika durchaus interessant werden könnte, hat in zunehmenden Maße auch die EG erkannt, deren Verhalten allerdings genauso zwiespältig ist wie die Region. Einerseits unterstützt sie die Regionalisierungsbemühungen durch mehrere Kooperationsverträge wie etwa die mit dem Andenpakt, wobei sie traditionsgemäß Wert legt auf die Beachtung von Menschenrechten164, bedroht aber andererseits z.B. durch die umstrittene Bananenmarktverordnung die Existenz hunderttausender Bananenpflanzer165. Wahrscheinlich muss man diese Region aber mit der ihr immanenten Widersprüchlichkeit behandeln, um ihr gerecht zu werden und Erfolg zu haben. Somit müssen mitunter auch persönliche Widerstände gebrochen werden, um die Region voranzubringen. Einerseits muss man sich mit autoritären Regimen arrangieren, andererseits jedoch die Bildung demokratischer Strukturen fördern und unterstützen. Einerseits hilft der Analphabetismus, die Staatsgewalt an der Macht zu halten, andererseits setzt dauerhafter wirtschaftlicher Aufschwung und Wohlstand für alle voraus, dass insbesondere das Bildungswesen gefördert wird. Veränderungen in der Region sind notwendig, ohne Änderung ist die Freihandelszone FTAA zum Scheitern verurteilt. Wer diese Region verändern will, braucht Idealismus und Standfestigkeit, um Gefahren begegnen zu können. Wenn sich genügend einsatzbereite Personen für diese Aufgabe finden, besteht auch für diese Region Lateinamerikas Hoffnung. Lateinamerika, dieses instabile und gewalttätige Gebiet, bald eine freie, demokratische und wirtschaftlich interessante Region? Nichts ist unmöglich - vielleicht! 163 Vgl. die Abhandlung: Ein Markt, an dem niemand vorbeigehen kann, in: Zeitschrift AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 4-5 (4). 164 Vgl. die Abhandlung: Brüssel setzt auf Ausbau der Beziehungen, in: Zeitschrift AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 15-17 (15). 165 Vgl. die Abhandlung: Markt mit großer Zukunftsperspektive, in: Zeitschrift AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 12-16 (14). 56 6. Asien-Pazifik Auch im asiatisch-pazifischen Raum hat es in der Vergangenheit eine Reihe von Versuchen regionaler Zusammenarbeit gegeben166. Heute existieren noch die ANZCERTA, die ASEAN, die APEC, die SAARC sowie in Eurasien die BSECZ. 6.1. Regionale Kooperation in Australien: Das Australien-NeuseelandHandelsabkommen (ANZCERTA) Das Australien-Neuseeland-Handelsabkommen (Australia New Zealand Closer Economic Relation Trade Agreement, ANZCERTA) ist ein 1982 unterzeichnetes Abkommen zwischen Australien und Neuseeland. Mit diesem Abkommen sollten schrittweise alle Handelsschranken zwischen beiden Ländern abgebaut werden. Die ANZCERTA löste die NAFTA (New Zealand-Australia Free Trade Agreement) von 1966 ab. International spielt das ANZCERTA-Abkommen zwar kaum eine Rolle, jedoch haben die Staaten im Juli 1990 alle Hemmnisse im Warenverkehr abgebaut und damit die Freihandelszone realisiert und den erhofften Regionalisierungserfolg bewirkt167. 6.2. Regionale Kooperationen im asiatischpazifischem Raum Einer der weltweit wichtigsten und erfolgreichsten Regionalisierungsversuche ist der Verband südostasiatischer Staaten (Association of South East Asian Nations, ASEAN), der zum Ziel die Förderung der regionalen Zusammenarbeit auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet zur Festigung des Friedens hat168. 166 Dazu Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, Tabelle III.13, S. 103. Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 112. 168 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 14 unter dem Stichwort "ASEAN". 167 57 6.2.1. Der Verband südostasiatischer Staaten (ASEAN) Die ASEAN wurde am 18. August 1967 in Bangkok gegründet. Derzeit besteht die ASEAN aus folgenden Mitgliedern: Brunei, Daressalam, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar (das ehemalige Birma), Philippinen, Singapur, Thailand, und Vietnam169. 6.2.1.1. Die schwierige Aufnahme neuer Staaten Die Aufnahme der beiden Staaten Myanmar und Vietnam enthielt erheblichen politischen Zündstoff: Im Falle Myanmars hatte die führende Oppositionspolitikerin San Suu Kyi in mehreren öffentlichen Appellen dafür Abb. 12: Die ASEAN-Staaten Quelle: http://www.asean.or.id 169 Vgl. Abb. 12: Die ASEAN-Staaten. 58 geworben, bis zum Rücktritt der regierenden Militärjunta Myanmar die Aufnahme in die ASEAN zu verweigern; dennoch wurde Myanmar im Juli 1997 Mitglied der ASEAN170. Noch brisanter war die Aufnahme Vietnams im Jahre 1995. Denn bisher war seit Gründung der ASEAN ein gemeinsamer Grundsatz aller Mitgliedsstaaten die Ablehnung des Kommunismus. Die Aufnahme des kommunistischen Vietnam war vor allem deshalb möglich geworden, weil Vietnam sich bereit erklärte, vietnamesische Flüchtlinge von anderen südostasiatischen Staaten zurückzunehmen und mit der ASEAN gegen das immer stärker werdende China zusammenzuarbeiten171. Auch wenn sich die ASEAN schon länger um gute Beziehungen zu Vietnam bemüht hatte, so stellte die Aufnahme Vietnams in die ASEAN dennoch eine Zäsur dar. Möglicherweise spielte bei den Überlegungen, Vietnam die Aufnahme in die ASEAN zu ermöglichen, auch ein Blick auf die ohnehin der ASEAN häufig als Vorbild dienende EG eine Rolle. Auch die EG ist bereit, in der Hoffnung auf wachsende Stärke Länder aus Osteuropa aufzunehmen, die auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs starke sozialistische Kräfte aufweisen. Vietnam hat für die ASEAN-Runde zudem eine starke symbolische Bedeutung. Der ASEAN-Zusammenschluss war eine Antwort auf die äußere Bedrohung, die die Mitgliedsstaaten durch den Vietnamkrieg spürten. Mit der Aufnahme von Vietnam deckt die ASEAN die Region fast vollständig ab und zeigt damit, dass sie im Laufe der 30 bestehenden Jahre ein so starker Zusammenschluss geworden ist, dass auch die Aufnahme eines ideologisch anders ausgerichteten Staates ihren Zusammenhalt nicht mehr gefährden kann. 6.2.1.2. Das Gemeinschaftsbewusstsein der ASEAN-Staaten Der Regionalisierungsversuch der ASEAN kann insgesamt als Erfolg betrachtet werden. Unter den Mitgliedsstaaten ist seit Mitte der siebziger Jahre, als die Mitgliedsstaaten nach außen hin gemeinsam bei der UNO oder dem GATT oder anderen Regionalorganisationen aufgetreten sind, auch im Inneren ein Gemeinschaftsbewusstsein gewachsen. Ähnlich wie bei der EG ist die Gemeinschaft der ASEAN-Staaten von Anfang an dadurch gekennzeichnet, dass sich die teilnehmenden Staaten darüber klar waren, in einer gefährdeten Zone zu leben und sich zusammenschließen zu müssen, auch wenn sie untereinander völlig unterschiedlich 170 171 Dazu: Wirtschaftshandbuch Asien-Pazifik 1997/98, S. 375. Wirtschaftshandbuch Asien-Pazifik, S. 554. 59 und zum Teil sogar gegensätzlich waren172. Die Bangkok-Deklaration von 1967, mit der die ASEAN formal, aber ohne Vertragswerk, gegründet wurde, sollte Stabilität und Sicherheit schaffen und ausländische Militärbasen für eine bestimmte Zeit zulassen173. Die "gefährliche Zone" ist insbesondere die Nähe zum Vietnamkrieg gewesen, dessen Folgen auch für die nachbarschaftlichen ASEAN-Staaten unabsehbar waren.174 Zusätzlich wurde das Gemeinschaftsbewusstsein der Staaten auch dadurch gestärkt, dass die meisten ASEAN-Staaten sowohl die Probleme kolonialer Abhängigkeiten kannten als auch die Besetzung durch Japan im 2. Weltkrieg miterlebt hatten175. Dennoch brauchte es viel Zeit, bis sich das innere gemeinschaftliche Bewusstsein der ASEAN-Staaten gebildet hatte. Zu Beginn des ASEANZusammenschlusses bestand nämlich zwischen den Ländern noch ein starkes Misstrauen wegen eventueller territorialer Ansprüche und des Verdachts der Unterstützung von Untergrundorganisationen, so etwa die angebliche Unterstützung moslemischer Aufständischer auf den Philippinen durch Malaysia176. Somit mussten auch in dieser Region die einzelnen Staaten erst langsam zueinander finden. Einen bedeutenden Schritt für die Regionalisierung stellt die Kuala-LumpurErklärung der ASEAN vom 27.11.1971 dar. Mit ihr sollten die Beziehungen zu China normalisiert und eine neutrale Zone geschaffen ("Zone of Peace, Freedom and Neutrality", ZOPFAN) sowie die Region Südasien frei von der Einmischung äußerer Mächte gehalten werden177. 172 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd. S. 59. 173 Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 60. 174 Die vietnamesischen Nachbarstaaten Kambodscha und Laos wurden später in den Krieg hineingezogen. 175 Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 60. 176 Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 66. 177 Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 60. 60 6.2.1.3. Wirtschaftliche Bedeutung der ASEAN und die AFTA-Zone Wirtschaftlich ist die ASEAN seit 1973 interessant, als die Mitgliedsstaaten gemeinsame Verhandlungen mit Japan und der EG aufnahmen178. Mit der EG wurde 1980 sogar ein Kooperationsvertrag abgeschlossen. 1976 wurde der ASEAN-Verbund auf der Konferenz in Bali unmittelbar nach der Wiedervereinigung Vietnams unter kommunistischer Führung vertraglich festgelegt179. Darin wurde die ASEAN-Region als Freihandelszone und Wirtschaftssektor deklariert. 1999 wurde auf der Gipfelkonferenz der Regierungschefs in Manila beschlossen, einen gemeinsamen Markt mit einer einheitlichen Währung ähnlich wie in Europa zu schaffen180 Höchstes Gremium der ASEAN ist die Staatsministerkonferenz der Mitgliedsländer, die unregelmäßig zusammentritt und in der die strategische Richtung beschlossen wird181. Aktuell hat sich die ASEAN als eine Hauptaufgabe gestellt, bis zum Jahre 2003 (ursprünglich war das Jahr 2008 vorgesehen) eine Freihandelszone zumindest für industrielle Güter zu errichten, die sog. AFTA (ASEAN Free Trade Area)182. Nach einem Rahmenvertrag von 1992 sollen dadurch 90% der bisher von Importzöllen betroffenen Güter von der Zolllast befreit werden; die Landwirtschaft betrifft der Vertrag zwar nicht, doch dürfen die einzelnen Länder ihre Grenze auch für landwirtschaftliche Produkte öffnen183. Ein Hauptgrund für die Schaffung der Freihandelszone war, dass die ASEAN bei der Ausweitung des internen Außenhandels zwischen den Mitgliedsstaaten keine Fortschritte erzielen konnte184. Der Austausch von Waren und Dienstleistungen war in diesem Gebiet immer schon ein Hauptproblem für die Regionalisierung wegen unzureichender Infrastruktur und zu ähnlicher Exportartikel. Deshalb war auch in der Vergangenheit der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten relativ gering. Zur Erhöhung dieses Anteils sollen wenigstens die Zölle unter den Mitgliedsstaaten gelockert werden. 178 Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 60. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 60. 180 Fischer Weltalmanach 2001, S. 968 unter dem Stichwort "ASEAN". 181 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 15 unter "ASEAN". 182 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 16. Unter dem Stichwort "ASEAN". 183 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 16 unter dem Stichwort "ASEAN". 184 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 116. 179 61 Gleichzeitig erhoffen sich die ASEAN-Staaten von der Umsetzung der Freihandelszone AFTA vor allem Investitionen in dieser Region. Die bisherigen Erfolge in Südasien geben den Staaten auch Anlass zu der Hoffnung, dass sich diese Region positiv weiter entwickelt. Die Region Südasien hatte jahrelang eine der höchsten Wirtschaftswachstumsraten der Welt (z.B. 7,7% im Jahre 1995)185. Die Südostasien-Krise 1997/98 ließ allerdings auch Zweifel daran aufkommen, dass diese Regionen ein dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum garantieren können. 6.2.2. Die Asiatic Pacific Economic Cooperation (APEC) Einer der am weitesten fortgeschrittenen Regionalisierungsversuche im asiatisch-pazifischen Raum ist die Asiatic Pacific Economic Cooperation (APEC). Die APEC wurde 1989 in Canberra auf Initiative Australiens gegründet und hat derzeit die Mitglieder Australien, Brunei, Chile, China, Hongkong, Indonesien, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Papua-Neuguinea Peru, Philippinen, Republik Korea, Russland, Singapur, Taiwan, Thailand, USA, Vietnam186. Schon durch die Gründung der APEC entstand eine pazifische Kooperation mit einem Anteil am Welthandelsvolumen von über 30% und am Weltsozialprodukt von über 50%. Daher war es erforderlich, eine wirtschaftliche Integration von solchem Ausmaß auch politisch abzusichern187. Die APEC ist eine Antwort auf die Schaffung des europäischen Binnenmarktes und des amerikanisch-kanadischen Freihandelsabkommens CUFTA, später erweitert zur NAFTA188. Die stark exportabhängigen asiatisch-pazifischen Staaten fürchteten das damalige starke Handelsbilanzdefizit der USA und damit um ihre Absatzchancen sowie die Abschottung der europäischen Industrieländer durch den gemeinsamen 185 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 1 unter dem Stichwort "AFTA". 186 Vgl. Abb. 13: Die APEC-Staaten (ohne die kürzlich beigetretenen Länder Peru, Russland und Vietnam). 187 Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 1. 188 Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 1. 62 Abb. 13: Die APEC-Staaten (ohne die kürzlich beigetretenen Länder Peru, Russland und Vietnam) Quelle: Fischer Almanach der internationalen Organisationen, S. 55. europäischen Binnenmarkt189. Die APEC sieht sich selbst jedoch nicht als neuen Wirtschaftsblock190, sondern eher als asiatisch-pazifische OECD191. Die APEC ist ein loses informelles Forum, welches vor allem die Liberalisierung des Handels, die Wirtschaftsbeziehungen und den Technologietransfer zum Ziel hat192. Die asiatisch-pazifische Region ist der wachstumsstärkste Wirtschaftsraum der Welt. Hohe Wachstumsraten der Produktion, steigender Anteil am Welthandel, schnelle Industrialisierung sowie die Fähigkeit zum raschen strukturellen Wandel sind seine Kennzeichen193. Symptomatisch für den raschen strukturellen Wandel in dieser Region ("Flexibilität") ist, dass es möglich war, das Problem des Platzmangels im Stadtstaat Singapur dadurch 189 Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 2. 190 Dies wäre schon aufgrund der extrem unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsländer nicht denkbar, s. Hilpert, S. 2 f. 191 So Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 9 unter dem Stichwort "APEC". 192 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 9 unter dem Stichwort "APEC". 193 Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 5. 63 zu lösen, dass ein Großteil der Industrien in Nachbarländer ausgelagert und Singapur selbst zu einem Dienstleistungszentrum wurde 194. Bisher besteht die Hauptarbeit der APEC aus der Sammlung und Aufbereitung von Daten sowie der Kooperation in den Bereichen Handel, Technologie, Energie, Telekommunikation, Fischerei und Meeresschutz195. Noch ist die APEC kein Handelsabkommen wie etwa das GATT; einige Mitgliedsländer wie Australien oder die USA haben mehrfach versucht, ein solches Handelsabkommen durchzusetzen, sind jedoch bislang am Widerstand derjenigen asiatischen APEC-Staaten gescheitert, die zugleich auch dem ASEAN-Zusammenschluss angehören; diese Länder wollen verhindern, dass die hoch industrialisierten Länder in der APEC das Übergewicht gewinnen196. Wenn es bisher auch nicht zu einem umfangreichen Handelsabkommen gekommen ist, so konnte die APEC dennoch 1994 immerhin eine Freihandels- und Investitionszone beschließen, die für die besser entwickelten Mitgliedsstaaten bis 2010 und für die weniger entwickelten Staaten bis 2020 errichtet werden soll197. Eine politische oder gar sicherheitspolitische Zusammenarbeit der APECStaaten steht zwar augenblicklich nicht im Vordergrund, erscheint jedoch auf lange Sicht durchaus möglich, denn immerhin hatte bereits die dritte APECKonferenz 1992 in Seoul entsprechenden Charakter198. 6.2.3. Die Südasiatische Regionalkooperation (SAARC) In Südasien ist der einzig nennenswerte Versuch einer Regionalisierung die Südasiatische Regionalkooperation (South Asian Association for Regional Cooperation, SAARC) von 1980 mit den "blockfreien" Mitgliedsstaaten Bangladesch, Bhutan, Indien, Malediven, Nepal, Pakistan und Sri Lanka. Die ursprünglichen Ziele der SAARC waren vor allem die Kooperation auf wirtschaftlichem und technischem Gebiet. Eine politische Integration zwischen diesen Staaten war von Anfang an nicht vorgesehen. Die 194 Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 5. 195 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 9 unter dem Stichwort "APEC". 196 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 9 unter dem Stichwort "APEC". 197 Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 10 unter dem Stichwort "APEC". 198 Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 258. 64 immensen politischen Spannungen zwischen den beteiligten Ländern, insbesondere Indien und Pakistan, haben eine Kooperation bisher verhindert. Ohne Besserung der politischen Verhältnisse dürfte dieser Regionalisierungsversuch scheitern199. 6.3. Die Black Sea Economic Cooperation Zone In Eurasien gibt es bisher erst einen regionalen Zusammenschluss, der durch die veränderten Verhältnisse in Osteuropa entstanden ist, die Black Sea Economic Cooperation Zone (BSECZ) mit den Mitgliedern Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bulgarien, Georgien, Griechenland, Moldawien, Rumänien, Russland, Türkei und Ukraine. Dieser Zusammenschluss wurde auf Betreiben der Türkei gegründet und dient ihr vor allem dazu, die eigene politische und wirtschaftliche Position zu stärken200. 6.4. Ausblick und Zusammenfassung: "Asien: Region - und bald Weltmacht?" In dieser Region geht die Sonne auf - nicht nur meteorologisch, sondern auch wirtschaftlich. Ost- und Südostasien gehören zu den wachstumsstärksten Regionen der Welt, auch die Regionalisierung in Asien ist weit fortgeschritten. Neben Europa kann Asien für sich in Anspruch nehmen, den am weitesten fortgeschrittenen Integrationsprozess vorweisen zu können. Nimmt man als Beispiel die ASEAN, so steht diese ihrem selbsternannten Vorbild EU in mancher Hinsicht wenig nach. Zwar ist der Handel zwischen den Staaten nach wie vor relativ gering, doch ist der politische Bund der ASEAN-Staaten in 30 Jahren seit seiner Gründung sehr gewachsen und hat ähnlich wie die EU nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs mit Vietnam auch ein kommunistisches Land mit aufgenommen. Mit der APEC hat sich zudem ein geografisch riesiges Gebiet der Zusammenarbeit entwickelt, das bald zu einer Freihandelszone werden kann. 199 200 Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 127. Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 128. 65 Doch auch die bisherigen beachtlichen Erfolge bei der Integration von Staaten, die in der Vergangenheit oft misstrauisch einander gegenüberstanden, können durch Zusammenschlüsse wie die APEC oder ASEAN nicht darüber hinwegtäuschen, dass von einer echten Integration dieser Region erst dann gesprochen werden kann, wenn China in diesem Integrationsprozess voll eingebunden ist. China zu integrieren wird jedoch auch in Zukunft schwierig sein. China ist zwar Mitglied des weitgehend informellen Forums APEC, doch misstraut China grundsätzlich den anhaltenden weltweiten Einbindungen in kollektive Sicherheitsstrukturen201. Für China ist der Multilateralismus vor allem dazu da, aufstrebende Großmächte klein zu halten202. Passend dazu legte sich Staatspräsident Jiang Zemin Anfang 1996 fest, als er den "feindlichen Kräften im Westen" vorhielt, China zu "verwestlichen" und zu "zersetzen"203. Doch zersetzen könnte sich China allenfalls irgendwann selbst. Der Drache speit Feuer - nicht nur aus seinen riesigen Waffenlagern, die ihn zu einem der fünf größten Waffenexporteure und zur drittgrößten Nuklearmacht machen204. Auch das riesige Menschenpotential, der Rohstoffreichtum sowie eine politische Führung, die den Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft zu kontrollieren versucht, könnte das "Reich der Mitte" bald zum "Reich der Mittel" machen. China könnte im 21. Jahrhundert zu einem gewaltigen Koloss werden. Sollte es jedoch tatsächlich irgendwann gelingen, China fest in den Integrationsprozess Asiens einzubeziehen, dann wird diese Region womöglich einmal die stärkste der Welt sein. Dass Asien schrittweise regionalisiert werden kann, scheint nach den bisherigen Integrationsversuchen gut möglich. Denn ähnlich wie in Europa ist es auch in Asien gelungen, funktionsfähige Partnerschaften zwischen Staaten zu schließen, die sich bis dahin immer bekämpft hatten, und auch in Asien wie in Europa sind diese Zusammenschlüsse teilweise nur durch äußere Bedrohung möglich geworden. Häufig lassen sich unterschiedliche und konkurrierende Staaten erst dann zur Einheit bekehren, wenn es gegen einen gemeinsamen äußeren Feind geht. Auf diese Weise kann es allerdings dann auch zu nationalistischen Tendenzen kommen, die zu Konflikten mit anderen führen. Um solche Tendenzen einzudämmen, kann eine interkontinentale Kooperation hilfreich sein. Die APEC stellt ein Beispiel dar, wie so eine 201 Vgl. Heilmann, Sebastian: Der Ritt auf dem Tiger: Innerer Umbruch und internationaler Aufstieg der Volksrepublik China, Jahrbuch Dritte Welt 1997, S. 184-199 (192). 202 Vgl. Heilmann, Sebastian: Der Ritt auf dem Tiger: Innerer Umbruch und internationaler Aufstieg der Volksrepublik China, Jahrbuch Dritte Welt 1997, S. 184-199 (192). 203 Vgl. Heilmann, Sebastian: Der Ritt auf dem Tiger: Innerer Umbruch und internationaler Aufstieg der Volksrepublik China, Jahrbuch Dritte Welt 1997, S. 184-199 (192). 204 Vgl. Heilmann, Sebastian: Der Ritt auf dem Tiger: Innerer Umbruch und internationaler Aufstieg der Volksrepublik China, Jahrbuch Dritte Welt 1997, S. 184-199 (196). 66 weitläufige Zusammenarbeit aussehen kann. Sollte sich der ganze Kontinent Asien zusammenschließen, ist es vor allem wichtig, dass es in Asien nicht zu einem kontinentalen Nationalismus kommt, der den Weltfrieden bedrohen könnte. 67 7. Zwischenbilanz: Regionalisierung oder "Regionalitis"? Regionalisierungen sind im Trend. Das Schlagwort "Gemeinsam sind wir stark" kennzeichnet wohl am besten das Ziel, den eigenen wirtschaftlichen Wohlstand durch Zusammenschlüsse zu verbessern. "Größer, höher, weiter" heißt auch hier die Devise. Wie Unternehmen verschmelzen ganze Regionen zu riesigen Handelszonen, bei denen sich die Teilnehmerstaaten untereinander Vorteile gewähren, die sie gegenüber anderen verteidigen. Nimmt man den Globus zur Hand, so sind in der Welt möglicherweise bald drei riesige Regionalzonen bestimmend: Amerika mit der FTAA, Europa mit der EU und Asien vorwiegend mit der ASEAN. Wie bei Unternehmen einer Branche könnte man auch hier von den "großen Drei" sprechen205. Dabei muss großzügig darüber hinweggesehen werden, dass Größe nicht automatisch immer gleich Stärke ist und die Partner mancher Regionalisierungen dem ersten Anschein nach kaum zueinander passen. Ein wichtiges Kriterium der meisten erfolgreichen Regionalisierungsversuche besteht ohne Zweifel darin, dass sie ursprünglich nicht freiwillig zustandegekommen sind, sondern unter innerem und äußerem Druck und sich langsam zu festen und etablierten Wirtschaftssystemen entwickelt haben. Solange Zusammenschlüsse den wirtschaftlichen Wohlstand heben und den dauerhaften Frieden sichern, sind solche Regionalisierungen fördernswert. Daraus allein aber schließen zu wollen, dass Regionalisierungen immer nur vorteilhaft sind, wäre verfehlt. Beispielsweise sind die Vorteile einer engeren Süd-Süd-Kooperation wie in Lateinamerika begrenzt. Zwar können durch Markterweiterung die Gewinne gesteigert und neue Markterfahrung gesammelt werden, mit der die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöht wird. Probleme gibt es jedoch für solche peripheren Länder mit strukturellen Problemen, die unter einer dauerhaft schwachen Währung leiden; denn diese Länder können Kapitalzuflüsse, Steuereinnahmen und Arbeitsplätze nicht langfristig sichern206. Die regionale Süd-Süd-Kooperation kann den Zufluss von Hartwährungen nicht ersetzen, die zur Stärkung der eigenen Währung und der Erfüllung internationaler Verpflichtungen erforderlich sind. Um im Falle einer Krise die Gefahr einer dauerhaften Verschuldung einzudämmen, müssen diese Länder nicht nur am Weltmarkt konkurrieren, 205 Vgl. Fritz, Barbara: Der MERCOSUR: Zwei Schritte vor, einer zurück, in: Jahrbuch Dritte Welt 1996, S. 243-248 (248). 206 Vgl. Fritz, Barbara: Der MERCOSUR: Zwei Schritte vor, einer zurück, in: Jahrbuch Dritte Welt 1996, S. 243-248 (248). 68 sondern auch untereinander, was zur Folge haben kann, dass der Integrationsprozess Schaden nimmt207. Doch diese einzelnen Probleme und Rückschläge sollten nicht entmutigen. Im Allgemeinen kann festgestellt werden, dass Regionalisierungen dazu führen können, das betreffende Gebiet friedlicher und lebenswerter zu machen und dazu beizutragen, politische, ethnische und religiöse Konflikte einzudämmen. Wenn Regionalisierungsversuche nicht zu einer krankhaften "Regionalitis" werden, sondern sachlich und vorausschauend durchgeführt werden, haben Regionalisierungen weiterhin Zukunft. 207 Vgl. Fritz, Barbara: Der MERCOSUR: Zwei Schritte vor, einer zurück, in: Jahrbuch Dritte Welt 1996, S. 243-248 (248). 69 Zweiter Teil: Inhalte, Vertragsstrukturen und Erfolgsaussichten ausgewählter regionaler Kooperationen Der zweite Teil der Arbeit soll die Dokumente, Eigenheiten der Entstehung und Erfolgsfaktoren einiger angesprochener Zusammenschlüsse näher analysieren. Die Reihenfolge der Prüfung wird dabei durch die Visionen der besprochenen Kooperationen bestimmt. Sie beginnt mit den starken Visionen der EU, ASEAN und der SADC, darauf folgen die Hoffnungen des MERCOSUR und endet mit den weniger visionären, mehr auf Besitzstandswahrung ausgerichteten Zusammenschlüssen NAFTA und GCC. 8. Die Verträge der Europäischen Union Die Europäische Union ist das Ergebnis einer Vision, die nach den Erfahrungen zweier Weltkriege vor 50 Jahren den damaligen Gegebenheiten entsprechend nur eine ideelle Vorstellung sein konnte: das Vereinte Europa. 8.1. Die Vision "Vereintes Europa" Um die Vision des Vereinten Europa Wirklichkeit werden zu lassen, haben die Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft im Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (Vertrag von Maastricht) - jetzt in seiner konsolidierten Fassung, beruhend auf Art. 12 des sog. Amsterdamer Vertrages vom 2. Oktober 1997208 - beschlossen, feste Grundlagen für die Gestalt des zukünftigen Europa zu schaffen und eine Europäische Union zu gründen (Präambel). Aufgabe der Union ist es, die Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten sowie zwischen ihren Völkern solidarisch zu gestalten (Art. 3 Abs. 3 EUV) in einem "System offener Märkte" (Art. 4 EGV). 208 BGBl. 1999 II, S. 416. 70 Dies ist jedoch - wie im ersten Teil beschrieben - das bisherige Ergebnis einer langen Kette von Bemühungen zur zunächst rein wirtschaftlichen Kooperation westeuropäischer Staaten. Gemäß Art. 47 des EU-Vertrages bleiben die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGVertrag u.a.) in ihrer zur Zeit geltenden - z.T. durch den EU-Vertrag geänderten - Fassung bestehen. In der Erwartung, dass über gemeinsame Erfahrungen auf wirtschaftlichtechnischen Gebieten allmählich auch politische Fragen gemeinsam gelöst werden könnten209, strebte der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.3.1957 zunächst einen wirtschaftlichen Zusammenschluss an. Mit der stetigen Vertiefung der Gemeinschaft, dem Fall des Eisernen Vorhanges sowie der zunehmenden globalen Bedeutung Europas sind inzwischen die Voraussetzungen geschaffen worden, mit denen nun auch eine politische Einheit (Union) Europas näher rückt. Diesem Zweck dienen auch die Einführung der "Unionsbürgerschaft" in der Präambel des EUV und die Art. 17 ff. EGV, ergänzend zur bisherigen jeweiligen Staatsbürgerschaft. 8.2. Die einzelnen Regelungen über die europäische Zusammenarbeit Die Europäischen Verträge gehören zu den komplexesten Verträgen regionaler Kooperation. Allein der EG-Vertrag hat über 300 Artikel. Im folgenden werden die Bereiche der europäischen Einigung unterteilt in -wirtschaftspolitische, -rahmenpolitische, -zentralistische, -rechtspolitische, -institutionelle und -unionspolitische Inhalte der Verträge. 209 Vgl. Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Präambel, Rn. 3. 71 8.2.1. Die wirtschaftspolitischen Bestimmungen des Vertrages Eine der Hauptvorgaben der Präambel des Vertrages zur Europäischen Union ist nach wie vor die wirtschaftliche Einigung Europas durch die Europäischen Gemeinschaften. Diese besteht vorwiegend in der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes durch die Schaffung eines freien Handelsverkehrs und Durchführung einer Gemeinsamen Handelspolitik, weitgehende Ermöglichung persönlicher Bewegungsfreiheit innerhalb des Gemeinschaftsraumes sowie eines freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs. 8.2.1.1. Freier Handelsverkehr und Gemeinsame Handelspolitik Um die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes voranzutreiben, ist vor allem ein freier Handelsverkehr erforderlich. Darum verzichten die Mitgliedsstaaten nach Art. 23 ff. des EG-Vertrages (EGV)210 auf Zölle und ähnliche Abgaben. Ebenso sind nach Artikel 28 und 29 mengenmäßige Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren zwischen den Mitgliedsstaaten grundsätzlich verboten. Somit gibt es für die meisten Waren einen weitgehend freien Handelsverkehr. Je mehr der freie Handelsverkehr unter den Mitgliedsstaaten verwirklicht ist, desto mehr ist es naheliegend, gegenüber Nicht-EU-Ländern eine gemeinsame Handelspolitik zu betreiben. Unter gemeinsamer Handelspolitik (geregelt in Art. 131-134 des EG-Vertrages) versteht die Gemeinschaft in der Praxis vor allem, gegenüber Drittländern Zollsätze nur gemeinsam festzulegen und zu ändern und sich gegen Dumpingversuche und aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Subventionen der Wirtschaft in diesen Ländern kollektiv zu wehren. Was die Zollsätze anbetrifft, so hat die Gemeinschaft einer Reihe von Entwicklungsländern Zollpräferenzen gewährt, was zwar wegen der Meistbegünstigungsklausel des GATT 1994 nur eingeschränkt zulässig, aber bei Entwicklungsländern nach Art. XXXVI GATT möglich ist211. Gegen 210 Die in den folgenden Kapiteln angegebenen Artikelnummern des EU- bzw. EG-Vertrages beziehen sich auf die Nummern der sog. "konsolidierten Fassung" mit den Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam vom 02.10.1997. Eine Übereinstimmungstabelle der alten und neuen Artikelnummern findet sich bei Lenz, EG-Vertrag: Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, S. 71-82. 211 Vgl. Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 133, Rn. 13. 72 Dumpinglieferungen aus Billiglohnländern wehrt sich die EG vor allem mit sog. Anti-Dumping-Zöllen. Dumping liegt vor, wenn der Einfuhrpreis in die EG geringer ist als der "Normalwert" einer Ware, wobei die Preise so ermittelt werden müssen, dass sie vergleichbar sind212. Ob Zölle auf solche Dumpinglieferungen wirtschaftlich sinnvoll sind, ist sehr fraglich, weil viele Länder von Billigeinfuhren auch profitieren, etwa bei Rohstoffen.213 Daher ist es schon eine notwendige Voraussetzung für die Verhängung von AntiDumping-Zöllen, dass die jeweilige Dumpingpraxis zu einer Schädigung in der EG selbst führt214. Der Gemeinschaft wird bei diesen Anti-Dumping-Zöllen gerne vorgeworfen, sie würde auf diese Weise Protektionismus betreiben, also andere Länder vom Markt ausschließen wollen. Diese Sichtweise ist jedoch zu einseitig. Billigimporte aus Drittländern können dazu führen, dass durch starken Preisdruck innerhalb der EG die "moralischen" Werte des Warenverkehrs verloren gehen, indem arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen in zunehmendem Maße umgangen werden, der Gesundheits- und Verbraucherschutz missachtet wird oder sogar durch falsche Kennzeichnung billige fremde Waren als eigene deklariert werden. Damit es nicht zu solchen Auswüchsen kommt, kann es daher geboten sein, die billigen Importe durch Zölle zu verteuern. 8.2.1.2. Freier Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr Um das Regionalisierungskonzept eines freien Handels zu verwirklichen, muss weiter ein freier Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr ermöglicht werden. Diese Aspekte werden nachfolgend behandelt. 8.2.1.2.1. Freier Personenverkehr Freier Personenverkehr bedeutet, dass sich jede Person im Gemeinschaftsgebiet frei bewegen kann. Diese freie Bewegungsmöglichkeit gehört zu den wichtigsten Grundrechten der Unionsbürger und betrifft einen sehr persönlichen Bereich, nämlich den Willen, selbst entscheiden zu können, wohin man geht und wie lange man dort bleibt. So 212 Im Einzelnen: Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 133, Rn. 17. Zur gesamten Problematik: Nicolaysen, Gert: Zum Anti-Dumping-Recht der EWG, in: Zeitschrift Europarecht 1991, S. 224-235 (224). 214 Dies fordert auch Art. 3 des Antidumping-Kodex des GATT 1994. 213 73 selbstverständlich dieses Grundrecht für EU-Bürger allmählich auch wird, so zeigt sich die Wichtigkeit dieses Grundrechts doch besonders plastisch am Beispiel eines Landes, das von seiner geografischen, wirtschaftlichen und kulturellen Struktur her eigentlich zu EU gehören müsste, sich aber mehrheitlich noch nicht zum Beitritt durchringen konnte: Die Schweiz. Für die Schweizer, die wie Robinson auf seiner Insel umgeben sind vom "Europäischen Ozean", gab es bislang erhebliche Probleme in den EUStaaten, die erst jetzt durch das sog. "Personenverkehrsabkommen"215, dem die Schweizer Bürger per Referendum am 21. Juni 2000 zugestimmt haben, entschärft worden sind. Vorher hatten Schweizerinnen und Schweizer, die im Ausland eine Ausbildung machen oder einer beruflichen Tätigkeit nachgehen wollten, als "Ausländer" erhebliche Nachteile, mussten sich um Aufenthaltsgenehmigungen bemühen und drohten im europäischen Vergleich zu Menschen zweiter Klasse zu werden. Dieselben Probleme hatten dementsprechend auch Schweizer Unternehmen, die schweizerische Mitarbeiter in ihre EU-Niederlassungen entsenden wollten 216. Mit dem Personenverkehrsabkommen sind immerhin wesentliche Erleichterungen im Grenzverkehr zwischen der Schweiz und der EU erreicht worden217. Die freie Bewegungsmöglichkeit von Personen innerhalb der Gemeinschaft funktioniert reibungslos jedoch nur dann, wenn zwischen den Staaten die Grenzkontrollen abgebaut werden. Im Schengener Abkommen vom 14. Juni 1985 hat die EU den schrittweisen Abbau der innergemeinschaftlichen Grenzkontrollen beschlossen. Um dadurch die innere Sicherheit nicht zu gefährden, müssen allerdings die Außengrenzen stärker gegen illegale Einwanderung, Kriminalität und Schleppertum gesichert werden. Deshalb ist eine engere internationale Zusammenarbeit von Justiz, Polizei und Vollzugsbehörden erforderlich. 215 Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999. Dieses Abkommen ist eines von insgesamt sieben bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU, die mit der Annahme des Referendums durch das Schweizer Volk nun Gültigkeit besitzen. Die Abkommen sind im Internet unter http://www.europa.admin.ch veröffentlicht. 216 Vgl. Hauser, Heinz / Zimmermann, Thomas: Zum wirtschaftlichen und integrationspolitischen Stellenwert der bilateralen Verträge Schweiz-EU, in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen 1999, S. 463-479 (475). 217 Näheres dazu auch bei Kellenberger, Jakob: Zur wirtschaftspolitischen Bedeutung der bilateralen Verträge Schweiz-EU, in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen 1999, S. 7-21 (13 ff.). 74 8.2.1.2.2. Freier Dienstleistungsverkehr Obwohl aus diesen Gründen die unbegrenzte Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft auch Probleme mit sich bringt, ist sie eine elementare Grundlage für die Integration Europas. Dazu gehört auch ein freier Dienstleistungsverkehr. Mögliche Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit kann es entweder dadurch geben, dass der Dienstleistungserbringer diskriminiert wird, weil er eine andere Staatsangehörigkeit besitzt bzw. in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig ist als dem, in dem die Dienstleistung erbracht wird, oder weil es Beschränkungen aufgrund innerstaatlicher Vorschriften oder Praktiken gibt, die für alle Dienstleister gelten, aber denjenigen benachteiligen, der aus einem anderen Mitgliedsstaat kommt. Für diese Fälle sind die Artikel 49 und 50 des EG-Vertrages einschlägig, nach denen Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs gegenüber Angehörigen aus anderen Mitgliedsstaaten verboten sind. Eine dritte Möglichkeit, die Dienstleistungsfreiheit zu beschränken, besteht darin, Zugangserfordernisse für einzelne Berufe und Tätigkeiten zu errichten, etwa im gewerblichen Bereich wie dem Handwerk oder vor allem in reglementierten Berufen wie z.B. für Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten und Steuerberater. Für diese Berufe erlässt der Rat nach den Artikeln 47 und 55 EGV Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise. Auch für Arbeitnehmer ist inzwischen die Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet. Damit soll in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen jede unterschiedliche Behandlung, die nur auf der anderen Staatsangehörigkeit beruht, ausgeschlossen sein, es sei denn, der Arbeitnehmer dient in der öffentlichen Verwaltung (Art. 39 Abs. 2, Abs. 4). Was für die abhängig Beschäftigten gilt, muss entsprechend auch für die Selbständigen und die Unternehmen gelten. Deshalb gewährt die Gemeinschaft diesen Berufsgruppen in Art. 43 EGV unbeschränkt das sog. Niederlassungsrecht, mit dem der Unternehmer den Standort seines Unternehmens innerhalb der Gemeinschaft frei wählen kann. 8.2.1.2.3. Freier Kapitalverkehr Je mehr eine Gemeinschaft mehrerer Staaten zusammenwächst, desto enger sind auch die Kapital- und Zahlungsströme miteinander verflochten. Der EG-Vertrag verbietet daher in Artikel 56 auch in diesem Bereich alle Beschränkungen zwischen den Mitgliedsstaaten. Allerdings ist ein 75 integrierter europäischer Kapitalmarkt derzeit noch nicht in Sicht, da das Kapital in seiner europäischen Bewegungsfreiheit noch durch unterschiedliche gesetzliche und verwaltungstechnische Regelungen behindert wird218. Vor allem die verschiedenen Steuervorschriften, insbesondere die unterschiedliche Besteuerung der Kapitalerträge wie Zinsen und Dividenden in den Mitgliedsstaaten und die unterschiedliche Verpflichtung der Banken, Kontrollmitteilungen zu machen, führen zu Verzerrungen im grenzüberschreitenden Kapitalverkehr und haben bisher zu einer innereuropäischen Kapitalflucht vor allem nach Luxemburg geführt. Änderungen mögen hier zwar einerseits gewünscht sein, so wie die EUFinanzminister am 27. November 2000 beschlossen haben, dass auch Luxemburg ab 2003 Kontroll-mitteilungen über Zinserträge mit anderen EULändern austauschen soll219, doch ist hierbei zu bedenken, dass eine Harmonisierung im Eurosteuerland zu Disharmonien in den einzelnen Mitgliedsstaaten führt, da auf diese Weise auch ein Anreiz geschaffen wird, Kapital aus Euroland in ferne, exotische Sonnen- und Urlaubsländer - wie die Bahamas - zu transferieren. Steuern sind zudem ein sehr plastisches Beispiel dafür, wie schwierig der Spagat zwischen Harmonisierung und Integration einerseits und den nationalen Interessen andererseits ist. Denn zur Erreichung einer echten Wirtschaftsgemeinschaft ist eine Steuerharmonisierung erforderlich220. Für das Steuerrecht gilt aber nach wie vor der Artikel 5 des EG-Vertrages, nach dem die Mitgliedsstaaten in der Ausgestaltung ihrer nationalen Steuergesetze souverän bleiben, sofern es keine messbaren Wettbewerbsverzerrungen gibt221. Beim Geld verstehen die einzelnen Regierungen eben keinen Spaß. Die einzelnen Länder ziehen es vor, sich die Steuereinnahmen selbst zu sichern; denn wenn es um das eigene Geld geht, vertraut man lieber mehr den eigenen Institutionen als einer der Gemeinschaft. Auch deshalb wird die Harmonisierung des Steuerbereichs in der Gemeinschaft wohl noch lange dauern222. 218 Vgl. Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 56, Rn. 26. Vgl. dazu Capital 26/2000: Vor dem Zinstribunal, S. 10-12. 220 Vgl. Grabitz, Eberhard / Hilf, Meinhard: Das Recht der Europäischen Union. Loseblattkommentar, Vorbem. zu Art. 95, Rn. 15. 221 Vgl. Lenz, Carl Otto: EG-Kommentar, Vorbem. Art. 90-93, Rn. 20. 222 Dazu Lenz, Carl Otto: EG-Vertrag, Vorbem. Art. 90-93, Rn. 27. 219 76 8.2.2. Die rahmenpolitischen Inhalte des Vertrages Neben der Verwirklichung des Binnenmarktes muss die EU auch geeignete Rahmenbedingungen für Bereiche schaffen, die eine engere Verbindung der Staaten automatisch mit sich bringt, wie etwa Transport und Verkehr, den ohnehin grenzüberschreitenden Umweltschutz oder die Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung. 8.2.2.1. Der Umweltschutz Ein schwieriges und zuweilen heikles Thema bei regionalen Kooperationen ist das Thema Umwelt und Umweltschutz und damit der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Denn die Frage, ob der Zusammenhalt einer Regionalkooperation dadurch gefördert wird, dass gerade im Umweltbereich zusammengearbeitet wird, lässt sich nicht ohne weiteres bejahen. 8.2.2.1.1. Umweltschutz und regionale Kooperation Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist schon ein Bereich, der grenzüberschreitend bedeutsam ist und daher internationaler Regelungen und Zusammenarbeit bedarf. Das Thema Umwelt kann jedoch bei regionalen Zusammenschlüssen auch ein großes Konfliktpotential beinhalten. Da die Mitgliedsländer untereinander auch Konkurrenten um Industriestandorte sind, werden Umweltschutzaspekte gerne erst einmal zurückgedrängt. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass einige Mitgliedsstaaten eher bereit sind, aus dem Verbund ganz auszutreten als den eigenen Industriestandort durch regionale Umweltschutzmaßnahmen zu gefährden. 8.2.2.1.2. Umweltschutz in der EG Dass der Bestand der EG insgesamt trotz des Konkurrenzdenkens um nationale Standorte durch die Umweltfrage nie ernsthaft gefährdet gewesen ist, liegt zum einen an der zunehmenden Sensibilität der Öffentlichkeit, die durch moderne Kommunikationsmittel immer mehr und immer schneller von Umweltvergehen und ihren Gefahren erfährt, und zum anderen an der wachsenden Einsicht , dass die Natur keine Landesgrenzen kennt und damit 77 etwa die Luft- und Wasserverschmutzung im Nachbarland unweigerlich auch das eigene Land betreffen. Das Spannungsverhältnis zwischen Industrie und Umweltschutz ist ein wesentlicher Grund dafür, dass erst 1987 in der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) ein spezifisches Umweltkapitel in den Unionsvertrag eingearbeitet worden223 ist, auch wenn die EG bereits seit Anfang der 1970er Jahre im Rahmen einer extensiv ausgelegten Annexkompetenz zum Gemeinsamen Markt nach Art. 95 ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage europäisches Umweltrecht in die Römischen Verträge eingebaut hat224. Wie schwierig das Spannungsverhältnis zwischen Industrie und Umwelt tatsächlich ist, lässt sich schon daraus ersehen, dass noch bei der Unterzeichnung der Schlussakte der EEA die Regierungsvertreter der einzelnen Mitgliedsstaaten deutlich erklärten, dass sich die Tätigkeit der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes nicht störend auf die einzelstaatliche Politik der Nutzung der Energieressourcen auswirken darf225. Inzwischen hat sich allerdings der Umweltgedanke so weit durchgesetzt, dass im Amsterdamer Vertrag von 1997 sogar die Grundvorschrift des Art. 2 des EWG-Vertrages dahin geändert worden ist, dass es nunmehr die Aufgabe der Gemeinschaft ist, ein hohes Maß an Umweltschutz zu fördern226. Die Präambel des Vertrages über die Europäische Union sieht ebenfalls die Stärkung des Umweltschutzes vor. Auch bekommt die Umweltpolitik durch Art. 6 des EG-Vertrages mit der sog. "Querschnittsklausel" einen besonderen Stellenwert. Danach müssen die Erfordernisse des Umweltschutzes bei allen Gemeinschaftspolitiken miteinbezogen werden. Zwar ist die Rechtsnatur dieser Klausel nach wie vor ungeklärt227, doch ist sie vom Wortlaut her mehr als ein politischer Programmsatz, und hat den Charakter eines verbindlichen Rechtssatzes228. Sie ist somit zumindest eine Stützungsnorm für die Ziele der Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaft nach Art. 174 EGV, also die Erhaltung und den Schutz der Umwelt sowie die Verbesserung ihrer Qualität, der Schutz der menschlichen Gesundheit, umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen sowie die Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme. Nach Art. 175 Abs. 1 EGV beschließt der Rat darüber, ob die Gemeinschaft tätig werden soll. 223 Vgl. Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 130, Rn. 1. Vgl. Lenz, Carl Otto: Vorbem. Art. 174-176, Rn. 1. 225 So Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 130, Rn. 1. 226 Hierzu Hailbronner, Kay / Klein, Eckart: Handkommentar zum Vertrag über die Europäische Union, Art. 130, Rn. 30. 227 Dazu eingehend: Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 6, Rn. 1. 228 Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 6, Rn. 8. 224 78 Das europäische Umweltrecht hat inzwischen extreme Ausmaße angenommen. Zu Schutz und Erhaltung der Umwelt wurden in den letzten dreißig Jahren einige hundert Rechtsakte erlassen, wie z.B. Luftreinhaltung, Gewässerschutz, Abfallwirtschaft, Chemikaliensicherheit oder Naturschutz229. Ferner ist die EG Vertragspartner von mehreren internationalen Umweltschutzverträgen, die gemäß Art. 300 EGV abgeschlossen wurden. 8.2.2.2. Die Gemeinsame Verkehrspolitik Für eine erfolgreiche, harmonische und ausgewogene Entwicklung des innergemeinschaftlichen Wirtschaftslebens ist auch eine gemeinsame Verkehrspolitik erforderlich. Die Verkehrspolitik ist eine der Grundlagen eines Gemeinsamen Marktes überhaupt, da die gemeinsame Nutzung der vorhandenen Verkehrswege einen umfassenden zwischenstaatlichen Handel erst möglich macht. Aus diesem Grund fordert der EG-Vertrag in Artikel 70 ausdrücklich eine gemeinsame Verkehrspolitik, für die nach Art. 71 der Rat die Rechtsetzungskompetenz hat. Solange bis der Rat gemeinsame Regeln für den Verkehr zwischen den Mitgliedsstaaten aufgestellt hat, müssen sich die Mitgliedsstaaten an die sog. "Stillhalteverpflichtung" nach Artikel 72 EGV halten, nach der Verkehrsunternehmen aus einem anderen Mitgliedsstaat nicht schlechter behandelt werden dürfen als die inländischen. 8.2.2.2.1. Der Weg zu einer Gemeinsamen Verkehrspolitik Der Weg zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik in Europa war in der Vergangenheit allerdings äußerst schwierig. Noch bis 1985 gab es kaum Erfolge bei der Verwirklichung einer gemeinsamen Verkehrspolitik. Grund dafür waren vor allem die "unüberbrückbaren" Gegensätze zwischen den Mitgliedsstaaten, die den Verkehr schon immer stark reglementiert haben, wie etwa Deutschland, Frankreich und Italien, und den Mitgliedsstaaten, die dem Verkehr schon immer mehr freien Lauf ließen. Einigungsversuche über gemeinsame Regelungen des Verkehrs wurden zudem dadurch erschwert, dass bis 1986 hier noch das sog. Konsensprinzip praktiziert wurde, nach dem bei Entscheidungen alle Mitgliedsstaaten zustimmen mussten. 229 Ein vollständiger Überblick über die wichtigsten Rechtsakte der EG und die völkerrechtlichen Umweltverträge finden sich bei Storm, Peter Christoph / Lohse, Siegbert: EG-Umweltrecht, systematische und ergänzbare Sammlung der Verordnungen, Richtlinien und sonstigen Rechtsakte der EU zum Schutz der Umwelt, 3 Bände, Stand: 31. Erg.Lieferung, August 1998. 79 Außerdem besteht der Eindruck, dass in der Gemeinschaft bis dahin die Verkehrspolitik für nicht so wichtig genommen wurde230. Erst das sog. "Untätigkeitsurteil" des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 22.5.1985231 weckte die Gemeinschaft auf. Die Mailänder Beschlüsse des Rates im Juni 1985 und die seit 1987 zunehmende Praktizierung der Mehrheitsregel232 brachten dann endlich entscheidende Fortschritte in der Verkehrspolitik. Seitdem hat der Rat die Verkehrspolitik förmlich an sich gerissen und versucht nun, gleiche Wettbewerbsbedingungen bei den Verkehrsabgaben zu schaffen, die Verkehrssicherheit zu verbessern, den Umweltschutz im Verkehr mit zu berücksichtigen sowie den gemeinsamen Binnenmarkt im Verkehr zu verwirklichen. 8.2.2.2.2. Verkehrssicherheit Bei der Verkehrssicherheit sind nicht zuletzt wegen des zunehmenden öffentlichen Drucks Fortschritte erzielt worden. Im EG-Vertrag ist ein neuer Art. 71 Abs. 1 lit. c eingeführt worden, mit dem der Rat Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit erlassen kann. Damit hat die Gemeinschaft ein Instrument in die Hand bekommen, mit dem sie ihre eigenen Vorstellungen von Verkehrssicherheit durchsetzen kann. Es ist allerdings anzunehmen, dass in Sachen Verkehrssicherheit auch weiterhin Vieles erst einmal auf nationaler Ebene geregelt wird, einfach um den unterschiedlichen Verkehrsgewohnheiten in den Mitgliedsstaaten gerecht werden zu können. Es hat jedoch auch schon vor der Einführung der eigenständigen Ermächtigungsgrundlage des Art. 71 Abs. 1 lit. c einige wesentliche gemeinschaftliche Rechtsakte der EG gegeben wie die Angleichung der TÜV-Regeln233 oder die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen234. 230 Siehe bei Lenz, Carl Otto: Vorbem. Art. 70 ff. EG-Vertrag, Rn. 11. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, Rs 13/83, abgedruckt und rezensiert von Erdmenger, Jürgen in: Zeitschrift Europarecht 1985, S. 75-405. 232 Lenz, Carl Otto: Vorbem. Art. 70 ff, Rn. 12. 233 Richtlinie des Rates Nr. 96/96/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die technische Überwachung der Kraftfahrzeuge und Anhänger v. 20.12.1996. 234 Richtlinie des Rates Nr. 91/671/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen mit einem Gewicht von weniger als 3,5 t vom 16.12.1991. 231 80 8.2.2.2.3. Umweltschutz und Verkehr Der Umweltschutz spielt im Verkehr ohnehin eine zentrale Rolle. Die Verunreinigung der Luft ist zu einem großen Teil auf Abgase von Kraftfahrzeugmotoren zurückzuführen. In den letzten Jahren sind durch technische Verbesserungen wie die Einführung von Katalysatoren die individuellen Emissionen von PKWs und LKWs reduziert worden. 1991 hat ferner die EG eine Richtlinie235 erlassen, nach der neuen PKWs nur dann eine Betriebserlaubnis erteilt werden darf, wenn sie bestimmte Emissionsgrenzwerte einhalten. Auch für LKW, Busse, Zwei- und Dreiräder wurden per Richtlinie Grenzwerte festgelegt. Die zukünftige Aufgabe im Umweltschutz wird ohnehin weniger sein, umweltschützende Regelungen aufzustellen - es gibt inzwischen viele Einzelregelungen von Grenzwerten sondern vielmehr, das Bewusstsein für Umweltschutz so zu schärfen, dass die Grenzwerte nicht aus Angst vor Sanktionen, sondern aus eigener Überzeugung eingehalten werden. 8.2.2.2.4. Wettbewerbsverzerrungen Zu Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Abgaben in den einzelnen Mitgliedsstaaten kam es in der Vergangenheit u.a. durch unterschiedlich hohe Kraftfahrzeugsteuersätze und die oft willkürliche Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren insbesondere für Autobahnen. Eine inzwischen wegen mangelnder Beteiligung des Europäischen Parlamentes für nichtig erklärte Richtlinie des Rates von 1993 sah niedrige Mindestsätze für die Kraftfahrzeugsteuer in allen Mitgliedsländern vor und gab den Mitgliedsstaaten ausdrücklich das Recht, entfernungs- oder zeitabhängige Autobahngebühren zu erheben, wobei die zeitabhängige Autobahngebühr 1250 Euro jährlich nicht überschreiten durfte. Trotz der Nichtigkeitserklärung gilt die Richtlinie weiter bis eine neue Richtlinie erlassen ist, wobei die Neufassung lediglich geänderte Höchstsätze vorsieht236. Da es also offensichtlich den einzelnen Mitgliedsstaaten immer noch möglich ist, Maut- und Benutzungsgebühren auf ihren Inlandsstrecken zu erheben, dürfte der Streit um die Mautgebühren unvermindert weitergehen, der aktuell zusätzlich noch durch hohe Treibstoffpreise angeheizt wird. Die derzeitigen Streiks und Blockaden etwa in Frankreich zeigen zudem die Schwierigkeiten auf, die auch eine europäische Zentralregierung hätte. 235 236 Richtlinie 91/441/EWG vom 26.6.1991 (Euro I für PKW). Näheres bei Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 71, Rn. 18. 81 Da das Transportgewerbe für volle Supermärkte, Warenhäuser und Einzelhandelsgeschäfte sorgt, sichert es die Versorgung der Bevölkerung und kann daher enormen Druck auf die jeweilige Regierung ausüben. Solche starken Einzelinteressen und Lobbyismus sind jedoch Gift für eine gemeinsame europäische Politik. Trotzdem setzt das Ziel eines gemeinsamen Binnenmarktes langfristig eine insgesamt gemeinsame Verkehrspolitik voraus. Eine solche gemeinsame Verkehrspolitik einzurichten, hat sich die Europäische Gemeinschaft auch zur Aufgabe gemacht237. Dazu sind gemeinsame Regeln für den internationalen Verkehr erforderlich. Für den sog. "Wechselverkehr, d.h. den Verkehr aus oder in das Hoheitsgebiet eines EG-Mitgliedsstaates und den sog. "Transitverkehr", also den Verkehr durch einen Mitgliedsstaat, ist dieser Auftrag auch schon weitgehend erfüllt238. 8.2.2.3. Forschung und Entwicklung Damit die Gemeinschaft international wettbewerbsfähig bleiben kann, bietet sich auch eine Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung an. Deswegen unterstützt die Gemeinschaft Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen vor allem in der Weise, dass sie Forschungsprogramme mit Unternehmen und Hochschulen durchführt, die Forschungsausbildung fördert sowie die Zusammenarbeit mit dritten Ländern verstärkt (Art. 163, 164 EGV). Zu den bekanntesten Kooperationsinitiativen gehören die EUREKA und die COST. Die EUREKA-Initiative (European Research Koordination Agency) kam 1985 auf Anregung Frankreichs zustande und umfasst inzwischen 25 Staaten, zu denen neben den EU-Staaten auch Norwegen, Schweiz, Island, Türkei und mehrere Staaten aus Osteuropa gehören239. EUREKA hat die Aufgabe, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Hochtechnologieforschung zu fördern. Die Initiative COST ("Coopération europeénne dans le domaine de la recherche Scientifique et Technique") - Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung - umfasst heute sogar 28 europäische Staaten, darunter auch Malta und Kroatien. COST ist kein Forschungsprogramm der EU, sondern hilft bei der Begleichung der hierbei anfallenden Kosten, z.B. Seminaren und Reisekosten240. 237 Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 74, Rn. 1. Dazu ausführlich Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 71, Rn. 8. 239 Vgl. Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 164, Rn. 13. 240 Vgl. Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 164, Rn. 17. 238 82 Bekannte internationale Organisationen, mit denen die EU bei Forschung und Entwicklung kooperiert, sind z.B. in Europa die ESA (European Space Agency, Europäische Weltraumagentur), die CERN (Europäische Organisation für Kernforschung) sowie im globalen Bereich die OECD. Für die wissenschaftlichen und technologischen Ziele stellt der Rat ferner nach Art. 166 Abs. 1 EGV ein mehrjähriges Rahmenprogramm auf. Für eine erfolgreiche regionale Zusammenarbeit ist es ferner erforderlich, dass die Gemeinschaft zukunftsorientiert arbeitet. Dazu gehört bei vorwiegend rohstoffarmen Industriestaaten wie den zentraleuropäischen Ländern insbesondere eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung und technologischen Entwicklungen. Zur Erreichung dieses Zieles unterstützt die Gemeinschaft Forschungszentren und Hochschulen und versucht den Binnenmarkt für die Zusammenarbeit untereinander zu öffnen, vor allem durch die Beseitigung von rechtlichen und steuerlichen Hindernissen. Ferner sollen insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen unterstützt werden. Problematisch kann in diesem Zusammenhang allerdings eine Konzentration von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sein. In diesen Fällen sollte versucht werden, einen Ausgleich zu erzielen. 8.2.3. Die zentralistische Komponente der EG: Die Landwirtschaft Ein Kapitel für sich ist die Landwirtschaft der EG. Wenn auch für die allermeisten Waren der freie Warenverkehr innerhalb der EG weitgehend verwirklicht worden ist, so gilt dies nicht für die Landwirtschaft. Damit ist "das" Thema der EG der letzten 30 Jahre schlechthin angesprochen. Die Landwirtschaft ist seit dem Beginn der EG einer der heikelsten und umstrittensten Bereiche. Während sich in den anderen Bereichen die Gemeinschaft zunächst darauf konzentrierte, die Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher Ebene zu fördern und die Politik zunächst weitgehend noch den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen bleiben sollte, wollte die Gemeinschaft bei der Landwirtschaft von Beginn an auch eine gemeinsame Politik betreiben. Daher ist die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) lange schon ein Beispiel für zentralistische Politik der EG, die aus Brüssel die gesamte Landwirtschaft der Mitgliedsländer regelt. Seitdem gibt es in der EG kaum einen Bereich, der für so wichtig befunden wird wie die Landwirtschaft, was leicht einleuchtet, wenn man bedenkt, dass der weitaus größte Teil des Gemeinschaftshaushalts durch Ausgaben auf dem Gebiet der Landwirtschaft gebunden wird241. 1994 kostete die 241 Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 38, Rn. 7. 83 Landwirtschaft beispielsweise Gesamtausgaben entsprach242. 36 Milliarden ECU, was 52,4% der Auf der anderen Seite war es gerade die Landwirtschaftspolitik, mit der die EG beinahe ihre Existenz aufs Spiel setzte, als es ihretwegen insbesondere in den siebziger und achtziger Jahren zu heftigen Bauernprotesten und schweren inneren Konflikten zwischen den Mitgliedsstaaten kam. Auch neuerdings zeigt sich anlässlich der sog. BSE-Krise, dass notwendige Maßnahmen, die die Landwirtschaft betreffen, im Bereich der Koordinierung zwischen "Brüssel" und den Mitgliedsstaaten Schwierigkeiten bereiten. 8.2.3.1. Gründe für die zentralistische Politik Warum sich die EG ausgerechnet für eine zentralistische Gemeinsame Agrarpolitik entschieden hat und trotz dieser immensen Streitereien immer an ihr festhielt, erscheint im ersten Moment verwunderlich, doch dafür gibt es handfeste Gründe. Denn für eine gemeinsame Landwirtschaftspolitik spricht die immense Bedeutung der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ist in fast allen Staaten die traditionelle Wirtschaftsform, prägt ihre Kulturen und Strukturen und ist damit auch ein Stück Identität. Außerdem nutzt die Landwirtschaft die Natur in ihrem ursprünglichem Zustand und hat daher auch eine landschaftspflegende und damit umweltschützende Aufgabe. Besondere Bedeutung hat die Landwirtschaft jedoch deshalb, weil sie die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sichert und damit verantwortlich ist für den elementarsten Bereich der Existenzsicherung. Da die Gefahr von Unruhen und Umstürzen in einem Staat besonders hoch ist, wenn die Grundversorgung der Bevölkerung nicht gesichert ist, hat der Staat ein eigenes Interesse daran, die eigene Bevölkerung zu möglichst geringen Preisen in ausreichendem Maße zu versorgen. Auf der anderen Seite haben die landwirtschaftlichen Betriebe jedoch ein Interesse daran, möglichst viele ihrer Produkte zu möglichst hohen Preisen abzusetzen. Freie Marktwirtschaft bei landwirtschaftlichen Produkten birgt daher die Gefahr, dass sich die Betriebe Preiskämpfe liefern, rationalisieren müssen und am Ende viele kleinere Betriebe schließen müssen. Schließlich könnte sogar ein Monopolbetrieb übrig bleiben, der kleinere Betriebe aufgekauft hat und seine hohen Investitionen durch Höchstpreise für Grundnahrungsmittel auszugleichen versucht. Solche extrem hohen Preise könnten dann sogar die Grundversorgung der Bevölkerung gefährden. 242 Zahlen bei Baßeler, Ulrich: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, S. 605. 84 Auf der anderen Seite lässt sich die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten nur schwer steigern, auch wenn sich die Einkommen der Konsumenten erhöhen, was sich leicht daraus ersehen lässt, dass der Konsument nicht beliebig viele Schnitzel täglich verzehren kann243. Daher würden hohe Produktionssteigerungen in der Landwirtschaft zu einem kräftigen Preisverfall bei den Agrarprodukten führen und die Existenz vieler Betriebe gefährden. 8.2.3.2. Die Gestaltung einer gemeinsamen Agrarpolitik Aus all diesen Gründen ist es angebracht, die Landwirtschaft nicht allein marktwirtschaftlichen Regeln zu überlassen. Für diesen Weg hat sich auch die EG entschieden. Das Konzept, das sich schließlich herausbildete, hatte als Hauptziele der gemeinsamen Agrarpolitik die Förderung der Landwirtschaft durch Steigerung des technischen Fortschrittes und Rationalisierung, die Stabilisierung der Märkte und die Versorgung und Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen (Art. 33 EG-Vertrag) und wird in Art. 32 Abs. 4 mit "Gestaltung einer gemeinsamen Agrarpolitik" umschrieben. Die Eckpfeiler dieser Politik sind seitdem die Einheit des Marktes, Gemeinschaftspräferenz und finanzielle Solidarität. 8.2.3.2.1. Finanzielle Solidarität Der Grundsatz der finanziellen Solidarität stellt klar, dass die Kosten des Gemeinsamen Agrarmarktes von allen Mitgliedsstaaten gemeinsam zu tragen sind. Seit 1962 existiert für die Aufbringung und Verteilung der erforderlichen Mittel der "Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL)244. 8.2.3.2.2. Die Einheit des Marktes Um die Einheit des Marktes zu gewährleisten, musste für den freien Warenverkehr mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen ein Binnenmarkt 243 Landwirtschaftliche Produkte gelten als Güter mit geringer Einkommenselastizität der Nachfrage, d. h. die Nachfrage steigt bei steigendem Einkommen nur noch wenig, vgl. Baßeler, Ulrich: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 606 f. 244 Zu diesem Fonds ausführlich Lenz, Carl Otto: EG-Kommentar, Art. 87-100. 85 geschaffen werden, in dem Zölle und ähnliche Hemmnisse abgeschafft werden und die EG ein gemeinsames Agrarpreissystem und gemeinsame Wettbewerbsregeln einführte. Ferner kann ein gemeinsamer Binnenmarkt bei landwirtschaftlichen Produkten nur dann reibungslos funktionieren, wenn auch die verwaltungs- und gesundheitsrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedsstaaten angeglichen sowie ein gemeinschaftlicher Außenschutz für die Ein- und Ausfuhr landwirtschaftlicher Produkte geschaffen wird. Die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik, nämlich Produktivitätssteigerung, Einkommenssicherheit für die Landbevölkerung, Stabilisierung der Märkte und Versorgung der Verbraucher zu angemessenen Preisen sind in Art. 33 EGV festgelegt. Zur Erreichung dieser Ziele wird nach Art. 34 EGV eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte geschaffen, und zwar durch drei abschließende Formen, entweder durch gemeinsame Wettbewerbsregeln, wie sie etwa zur Koordinierung der nationalen Beihilfepolitiken nach Art. 36 EGV geschaffen werden, oder durch Koordinierung der Regelungen der einzelstaatlichen Marktordnungen (bei Kartoffeln und Honig) oder der wichtigsten Organisationsform, der Errichtung europäischer Marktordnungen. Diese europäischen Marktordnungen haben mehrere Elemente herausgebildet: Das Preis- und Interventionssystem, das System des Außenschutzes, die Beihilfensysteme und Maßnahmen zur Regelung der landwirtschaftlichen Überschusserzeugung. Das Preis- und Interventionssystem soll das einheitliche Preisniveau auf dem Binnenmarkt und gegenüber Drittländern sichern. Jedes Jahr wird für jedes Erzeugnis ein sog. Richtpreis festgesetzt. Dieser Preis ist der angestrebte Marktpreis des jeweiligen Erzeugnisses und soll die Einnahmen der Landwirte sichern. Dieser Preis ist lediglich ein "politischer Preis", hat somit aber für die Marktbeteiligten keinerlei Bindungswirkung245. Wird dieser Preis allerdings unterschritten, dann interveniert die EG, indem die zuständigen Interventionsstellen der Mitgliedsländer (in Deutschland die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) landwirtschaftliche Erzeugnisse ankauft. Die Interventionsstellen sind zu diesem Ankauf verpflichtet. Anfänglich war diese Ankaufsverpflichtung sogar unbegrenzt, so dass sich dieses System zu einem eigenen Absatzweg entwickeln konnte, später wurde diese kostspielige Intervention ganz abgeschafft (z.B. bei Schweinefleisch) oder eingeschränkt (z.B. bei Rindfleisch oder Milch). Ein weiteres eigenständiges Stützungsinstrument sind die sog. Einkommensbeihilfen, die dann gezahlt werden, wenn für den Verbraucher ein möglichst niedriger Marktpreis erzielt werden soll und die Landwirte für ihre Einkommensverluste entschädigt werden sollen. Dabei wird ein sog. "Orientierungspreis" festgelegt, der das vom Erzeuger zu erzielende 245 Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 34, Rn. 9. 86 Einkommen vorgibt. Die Differenz zwischen Orientierungspreis und tatsächlich niedrigerem Marktpreis wird den Erzeugern als Einkommensbeihilfen gezahlt246 . Die Stützungsmaßnahmen haben in allen landwirtschaftlichen Bereichen zur Überproduktion geführt und die Kosten für die Überschussverwertung durch Ausfuhrerstattungen, Lagerhaltung oder Vernichtung ein solches Ausmaß erreicht, dass die Finanzierbarkeit an sich in Frage gestellt war247. Mit Nichtvermarktungs-, Stillegungs-, Umstellungs- und Aufgabeprämien sowie direkten Eingriffen in die Produktion durch Senkung der Ankaufpreise, Erhebung von Mitverantwortungsabgaben oder der Einführung von Quotensystemen 248 wurde dieser Finanzierungskrise bisher begegnet. 8.2.3.2.3. Das Prinzip der Gemeinschaftspräferenz Das Prinzip der Gemeinschaftspräferenz schützt die Bevorzugung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse der EG gegenüber Agrarprodukten aus Drittländern. Dazu entwickelte die EG das System der sog. Agrarabschöpfungen, also bestimmten Zöllen, die an der Gemeinschaftsgrenze erhoben wurden, um die Unterschiede auszugleichen zwischen dem jeweiligen billigen Einfuhrpreis und dem vom Rat festgesetzten Schwellenpreis249. Diese Einfuhrabschöpfungen existierten bis 1995. Dann wurden sie als ein Ergebnis der Uruguay-Runde des GATT abgeschafft und durch feste Zölle für Agrarprodukte ersetzt250. Nach wie vor gibt es jedoch die Ausfuhrabschöpfungen, die als Ausfuhrabgaben erhoben werden dürfen, wenn der Weltmarktpreis höher ist als der Marktpreis im EG-Raum, um zu hohe Ausfuhren zu verhindern und die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. 8.2.3.3. Die Zukunft der Landwirtschaft Schon dieser Abriss der Probleme der EG zeigt, wie schwierig eine gemeinsame landwirtschaftliche Politik ist und wie künstlich geschaffen sie im Rahmen einer Regionalkooperation wirkt. Andererseits hat sich jede Kooperation aber auch zur eigenen Landwirtschaft zu bekennen, da nur sie die Versorgung der eigenen Bevölkerung sichern kann. 246 Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 34, Rn. 31. Lenz, Carl Otto: Art. 34, Rn. 34. 248 Dazu ausführlich: Lenz, Carl Otto: EG-Vertrag, Art. 34, Rn. 37 ff. 249 Ähnlich Baßeler, Ulrich, Grundprobleme der Volkswirtschaftslehre, S. 608. 250 Dazu VO (EG) Nr. 3290/94 des Rates vom 22.12.1994. 247 87 Um die europäische Landwirtschaft reif für das nächste Jahrtausend zu machen, hat die Kommission 1997/98 weit reichende Vorschläge für eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik gemacht. Mit dieser sog. "Agenda 2000" soll durch eine stärker marktorientierte Preispolitik die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft erhöht und die agrarpolitischen Voraussetzungen für den baldigen Eintritt der mittel- und osteuropäischen Staaten geschaffen werden. Ziele der Agenda 2000 sind eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft mit umweltgerechten Produktionsverfahren, die Erhaltung der traditionellen Landwirtschaft, eine einfache, verständliche Agrarpolitik und eine Agrarpolitik, die die hohen Ausgaben rechtfertigt251. Die Wettbewerbsfähigkeit soll dabei durch Preissenkungen bei den wichtigsten Waren erreicht werden, wobei die Einkommenseinbußen durch Ausgleichszahlungen beglichen werden sollen. Dieser Ausgleich soll neu geregelt werden, indem die Mitgliedsstaaten die Unterstützungsleistungen nach eigenem Ermessen verteilen können und Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden sollen. Ferner sollen direkte Beihilfen davon abhängig werden, dass die Umweltvorschriften eingehalten und die Rechtsvorschriften vereinfacht werden. Auch ist vorgesehen, eine Reihe komplizierter und teilweise zusammenhangloser Rechtsvorschriften aufzuheben252. Ferner sollen Ungerechtigkeiten beseitigt werden, indem Beihilfen nur solchen Personen zukommen, die auch tatsächlich eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Auf diese Weise soll es möglich werden, die seit 1992 zu beobachtenden Missbräuche zu unterbinden, die dadurch entstehen, dass durch juristische Kunstgriffe auch Personen Auszahlungen beziehen, die keinen landwirtschaftlichen Beruf ausüben253. Bestimmte Aspekte, die alle gemeinsamen Marktorganisationen mit Direktzahlungen betreffen, sind darüber hinaus in einer horizontalen Verordnung zusammengefasst worden254. Die wichtigsten Herausforderungen für die Landwirtschaft sind nach wie vor die Bekämpfung der Überproduktion, der Schutz der Gesundheit der Verbraucher255, der Erhalt der Landwirtschaft durch finanzielle Sicherung, die Dezentralisierung der Verwaltung und die Vereinfachung der Rechtsvorschriften. 251 Zur Agenda 2000 grundlegend Europäische Kommission: Politische Gesetzgebungsinitiativen 1998, in: Die Lage der Landwirtschaft in der Europäischen Union: Bericht 1998, S. 25-33 (26f.). 252 Zu dieser Neuorientierung Europäische Kommission: Politische Gesetzgebungsinitiativen, in: Die Lage der Landwirtschaft in der Europäischen Union: Bericht 1998, S. 2533 (26 f.). 253 Vgl. Lenz, Carl Otto: EG-Vertrag, Rn. 53 (S. 153 unten). 254 Dazu Lenz, Carl Otto: EG-Vertrag, Art. 34, Rn. 54. 255 Die aktuelle BSE-Krise zeigt die Bedeutung dieser Aufgabe sehr deutlich. 88 8.2.4. Die rechtspolitischen Probleme der Integration im EU-Vertrag Wenn Europa zusammenwächst, wachsen auch Recht und Politik zusammen. Alles, was bisher die einzelnen Staaten geregelt haben, wird allmählich übergeordnet durch gemeinschaftliche Instanzen entschieden. 8.2.4.1. Die Angleichung von Rechtsvorschriften Die gesamte Problematik von Integration und nationaler Souveränität spiegelt sich bei der Angleichung der Rechtsvorschriften wider. So lange, bis es ein einheitliches "Europa-Recht" gibt, erlässt der Rat nach Art. 94 EGVertrag Richtlinien für die Angleichung. Ähnliches gilt auch auf dem privatwirtschaftlichen Sektor für alle wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und Verhaltensweisen von international agierenden Unternehmen, die untersagt werden müssen, wenn sie den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen (Art. 81 EGV). Ebenso müssen staatliche Beihilfen, die den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigen, verboten werden (Art. 87 EGV). 8.2.4.2. Die Wirtschafts- und Währungsunion Wenn das langfristige Ziel europäischer Integration die Ablösung nationaler Aufgaben durch zentrale gemeinschaftliche Institutionen ist, so hat dafür der EG-Vertrag schon die ersten Anfänge gemacht. Eine wesentliche "Vergemeinschaftung" ist die Vorgabe einer gemeinschaftlichen Wirtschaftsund Währungspolitik als Eckpfeiler einer Währungsverfassung (geregelt in Art. 98-124)256. Schon jetzt ist die Kompetenz für geld- und währungspolitische Entscheidungen auf die Europäische Zentralbank teilweise übergegangen. Ähnlich wie ihr Vorbild Deutsche Bundesbank soll diese Institution in Zukunft eine ähnlich starke und stabile Währungspolitik betreiben. 256 Vgl. Lenz, Carl Otto: EG-Vertrag, Vorbem. Art. 98, Rn. 2. 89 8.2.5. Die wichtigsten Institutionen der EU Die wichtigsten Institutionen der EU sind die Europäische Kommission, der Ministerrat, der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs, das Europäische Parlament und der Europäische Gerichtshof. Der Europäische Kommission (Art. 211 ff. EGV), die aus 20 Mitgliedern besteht und von einem Präsidenten geleitet wird, obliegt vor allem die Sicherstellung des Funktionierens und der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes. Der Ministerrat (auch kurz "Rat" genannt, Art. 202 ff. EGV), setzt sich aus den jeweiligen Fachministern zusammen (dazu auch Art. 23 Abs. 6 GG, Art. 203 EGV). Er ist das zentrale Entscheidungsorgan der EU. Seit Anfang der 70er Jahre gibt es auch den "Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs" - nunmehr in Art. 4 des EU-Vertrages verankert. Er hat die Aufgabe, über die Entwicklung der Politik der Gemeinschaft zu entscheiden. Das Europäische Parlament (Art. 189 ff. EGV) wird seit 1979 von den Völkern der Gemeinschaft direkt gewählt (Art. 189 EGV), trotzdem muss es noch um jede Kompetenz ringen. Schließlich ist noch der Europäische Gerichtshof zu nennen (Art. 220 EGV), der sich aus 15 Richtern zusammensetzt und dem die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge obliegt. Seit 1989 ist dem EuGH das Europäische Gericht (EuG) erster Instanz beigeordnet. 8.2.6. Die unionspolitische Aufgabe des EUVertrages Die Europäische Union soll auch eine politische Union werden. Dazu sind ein innerer Zusammenhalt der Staaten und erste Schritte zu einem vereinten Europa erforderlich. 8.2.6.1. Das "Gemeinschafts"- Konzept der EU Der Erfolg einer Partnerschaft zwischen verschiedenen Staaten, gleich welcher formalen Natur diese auch sein mag, hängt zu einem großen Teil davon ab, dass die Partnerstaaten dauerhaft zusammen und in Konfliktfällen "konsensfähig" bleiben. 90 In der Vergangenheit scheiterten viele Regionalisierungsversuche - z.B. in Südamerika oder in Afrika - auch daran, dass durch ständige Austritte von Ländern ein dauerhafter Zusammenhalt nicht möglich war. Daher muss jede Regionalkooperation Maßnahmen ergreifen, um den inneren Zusammenhalt zu stärken und das Ausscheren einzelner Länder in kritischen Situationen zu verhindern. Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um die Mitglieder zusammenzuhalten, ist es, für wirtschaftliche und soziale Ausgewogenheit zu sorgen. Dazu hat sich die Gemeinschaft nach Art. 158 EGV als Ziel gesetzt, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und die Rückstände der am stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern. Zwar ist dieses Ziel zunächst nur eine wirtschaftliche Vorgabe, doch gibt es einige Ansätze zur politischen Umsetzung, wie z.B. den sog. Kohäsionsfonds nach Art. 155, 161 EGV, mit dem die Schaffung transeuropäischer Verkehrswege und umweltschützende Maßnahmen finanziell unterstützt werden, wobei die Leistungen aus diesem Fonds gerade den Mitgliedsstaaten zugute kommen sollen, deren Bruttosozialprodukt pro Kopf weniger als 90% des Gemeinschaftsdurchschnitts beträgt257. Erwähnenswert ist ferner der Europäische Fonds für regionale Entwicklung. Gemäß Art. 160 EGV hat der Europäische Fonds für regionale Entwicklung die Funktion, durch Beteiligung an der Entwicklung und an der strukturellen Anpassung der rückständigen Gebiete und an der Umstellung der Industriegebiete mit rückläufiger Entwicklung zum Ausgleich der wichtigsten regionalen Ungleichgewichte in der Gemeinschaft beizutragen. Der EFRE wurde 1975 errichtet. Die Mittel für den Fonds sind im allgemeinen Haushaltsplan der Gemeinschaft enthalten. 8.2.6.2. Die politische Union Europas Mit dem Vertrag von Maastricht ist auch die politische Union Europas ein Stück näher gerückt. Der Unionsvertrag enthält mehrere gemeinsame Politiken und Formen der Zusammenarbeit der einzelnen Regierungen, die eine noch engere Allianz unter den Staaten erzielen sollen. Ein Vereintes Europa als Staat an sich gibt es noch nicht. Denn bei den Verhandlungen über die Einheitliche Europäische Akte waren die Mitgliedsstaaten nicht bereit, diesen entscheidenden Schritt zu gehen, 257 Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 130 d, Rn. 13. 91 sondern beschränkten sich darauf, die Verwirklichung der Europäischen Union als Ziel festzulegen258. Daher bleibt es zunächst dabei, dass die europäische Einigung sich langsam durch eine immer engere Zusammenarbeit vollzieht. Ein Meilenstein zur politischen Einigung wäre es, wenn die Europäische Union tatsächlich eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik betreiben würde. Denn dies würde bedeuten, dass Europa nach außen hin mit einer Stimme sprechen würde. Doch so weit ist es noch nicht. Augenblicklich werden lediglich Politikressorts wie die Justiz- und Innenpolitik sowie die Außen- und Sicherheitspolitik angenähert. Trotzdem ist zu vermerken, wie sehr eine weit vorangekommene wirtschaftliche Integration auch politische Einigungsschritte nach sich ziehen kann. Dies zeigten in Deutschland vor allem die Änderungen des Grundgesetzes in den Artikeln 23, 24 und 88 EGV: die Möglichkeit zur Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen und die Übertragung von Befugnissen der Deutschen Bundesbank auf die Europäische Zentralbank. Tab. 1: Haushaltsausgaben der Europäischen Gemeinschaften 1958-1998 In Mio RE / ERE / ECU* Gesamtaus davon EAGFL gaben 1958 1960 1970 1980 1990 1998 8,6 28,3 5 448,4 5 228,3 16 057,1 11 596,3 45 504,6 27 233,8 83 529,2 40 397,0 Sozialfond Regionalfon Industrie Verwaltung Sonstiges s ds u.a.** 64,0 502,0 3 212,0 6 807,8´´ 751,8 4 554,1 12 045,3`` 212,8 1 738,7 3 062,7 8,6 23,4 114,7 938,3 2 298,1 4 354,4 4,9 41,4 2 056,1 7 567,9 16 862,0 * RE (=Rechnungseinheit) bis 1970; ERE 1980; ECU ab 1990 ** 1980 und 1990: Industrie, Energieforschung; 1998: "Mittel (Zahlungen)" ´´ Strukturfonds insgesamt; 25 643,2 (darin neben Sozial- und Regionalfonds: EAGFL, Abt. Ausrichtung : 3 521,5; Gemeinschaftsinitiativen: 2 588,8 Darin: Kohäsionsfonds: 2 648,8; Außenpolitische Maßnahmen (ohne GASP): 4 315,0 `` Quellen: Kommission der EG, Jahreswirtschaftsbericht; Amtsblatt der EG I. 44 vom 16.2.1998; zitiert nach: Mickel, Wolfgang (Hrsg.): Handlexikon der Europäischen Union, 1998, S. 295. 258 Von der Groeben, Hans / Thiesing, Jochen / Ehlermann, Claus-Dieter: Handbuch des Europäischen Rechts: Systematische Sammlung mit Erläuterungen, Kommentar zu Artikel A des Vertrages zur Europäischen Union, Rn. 1. 92 8.3. Schlussbemerkungen Das Vereinte Europa - die Europäische Union - entwickelt sich langsam aber stetig. Diese regionale Kooperation ist damit zum Vorbild für andere Zusammenschlüsse geworden. Schwierigkeiten, die sich gezeigt haben, etwa betreffend die teilweise Abgabe nationaler Souveränitätsrechte in vielen Einzelbereichen (z.B. Steuerwesen, Landwirtschaft) sind auch anderswo kritische Punkte. Ihre Überwindung im Konsens ist für andere Zusammenschlüsse beispielhaft. Die beabsichtigte Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Mitgliedsstaaten, vor allem den bisher benachteiligten (z.B. Portugal), ist erreicht worden; ein Antriebsfaktor für manche beitrittswilligen Länder. Ein Problem bleibt die Finanzierung des Tab. 2: Finanzierung der EU bis 2006 ("Finanzielle Vorausschau") in Mio Euro Jahr Landwirt Struktur- Interne Externe Verwal- Reserschaft fonds Politikbe- Politik- tung ven reiche bereiche Gesamtverpflichtungen 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 46 050 46 920 47 820 48 730 49 670 50 630 51 610 36 640 37 470 36 640 35 600 34 450 33 410 32 470 6 390 6 710 8 880 7 050 7 230 7 410 7 600 6 870 7 070 7 250 7 430 7 610 7 790 7 900 4 730 4 820 4 910 5 010 5 100 5 200 5 300 850 850 600 350 350 350 350 101 530 103 840 104 100 104 170 104 170 104 790 105 230 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Zahlungen98 800 Zahlungen1,24 in % des BSP Obergrenz 1,27 e BSP 2006 101 650 102 930 103 520 103 810 104 170 104 560 1,24 1,22 1,20 1,18 1,15 1,13 1,27 1,27 1,27 1,27 1,27 1,27 Quelle: EU-Nachrichten - Dokumentation Nr. 2 vom 19.3.1998, zitiert nach: Mickel, Wolfgang (Hrsg.): Handlexikon der Europäischen Union, 1998, S. 295. 93 Tab. 3: Entwicklung der Ausgaben des EAGFL, Abt. Garantie, 1975-1998 Jahr In Mio ECU In % des Gesamthaushalts 1975 1980 1985 1990 1998 4 336,4 11 485,5 19 859,0 26 522,0 40 937,0 70,5 71,5 69,8 56,9 49,0 * 1975: RE; 1980: ERE; 1994 ohne Währungsreserve (1 Mrd. ECU) Quelle: Kommission der EG, div. Gesamtberichte; für 1998 Abl, der EG I. 44 vom 16. 2. 1998; zitiert nach: Mickel, Wolfgang (Hrsg.): Handlexikon der Europäischen Union, 1998, S. 295. EG-Haushalts, der in den letzten Jahrzehnten und Jahren gewaltig gewachsen ist und - wenn die Prognosen eintreten - bis 2006 die schwindelerregende Summe von 105 230 Millionen Euro betragen wird259. 259 Vgl. Tab. 1: Haushaltsausgaben der Europäischen Gemeinschaft zwischen1958-1998, sowie Tab. 2: Finanzierung der EU bis 2006 ("Finanzielle Vorausschau") und Tab. 3: Entwicklung der Ausgaben des EAGFL, Abt. Garantie, 1975-1998 94 9. AFRIKA: Der Vertrag zur Gründung der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) In Afrika sind Regionalisierungsversuche häufig gescheitert. Zu den hoffnungsvollen Kooperationen gehört jedoch die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (SADC), die derzeit die Mitglieder Angola, Botswana, Demokratische Republik Kongo, Lesotho, Malawi, Mauritius, Mosambik, Namibia, Südafrika, Swasiland, Tansania, Sambia, die Seychellen sowie Simbabwe hat und deren Hauptquartier sich in Gaborone (Botswana) befindet260. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit, die gezeigt haben, dass eine Regionalisierung in Afrika mit rein wirtschaftlichen Zusammenschlüssen schwer zu erreichen ist, da die politischen Verhältnisse eine intensivere Zusammenarbeit oft verhinderten261, war die Gründung der Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft SADC ebenso wie schon ihre Vorgängerin, die SADCC, von Anfang an mehr politisch ausgerichtet und sollte über politische Annäherung den einzelnen Staaten zunehmend auch wirtschaftliche Vorteile einbringen. 9.1. Die Vision der SADC Untersucht man den Vertrag der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft daraufhin, ob auch diese Staatenverbindung eine Vision hat, so weisen einige Andeutungen auf eine sehr afrikanische Vision hin. In der Präambel des "Treaty of the Southern African Development Community"262 bekennen sich die Staaten dazu, dass in einer immer mehr unabhängigen Welt gegenseitiges Verständnis, gute Nachbarschaft und bedeutungsvolle Kooperation unentbehrlich sind für die Realisierung dieser SADC-Idee. Die Formulierung "immer mehr unabhängige Welt" ("increasingly independent world") ist eine Anspielung auf die Befreiung der afrikanischen Staaten von den Kolonialherren und das Ende der Apartheid und soll den Staaten die Chancen aufzeigen, die diese Kooperation gerade auch dafür bietet, ohne fremden Einfluss handeln zu können. Damit umschreibt die Präambel die Vision, dass Afrika einmal den Afrikanern gehören könnte263. 260 Vgl. Abb. 5. Vgl. Meyns, Peter: Die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika nach der Apartheid - neue Ziele, alte Probleme, in: Verfassung und Recht in Übersee (VRÜ) 1998, S. 171-195 (171). 262 So der offizielle Name des SADC-Vertrages, abgedruckt in der Anlage 1. 263 s.o. Seite *?*, unter 3.2. 261 95 9.2. Inhalte des SADC-Vertrages Der Vertrag der SADC orientiert sich an bekannten international anerkannten und erfolgreichen Regionalkooperationen wie der EU. Nach Artikel 3 des Vertrages ist die SADC eine internationale Organisation mit eigenen Rechten und Pflichten, die selbst klagen oder auch verklagt werden kann. 9.2.1. Grundprinzipien der SADC Die Grundprinzipien der SADC ergeben sich aus Artikel 4 des Vertrages. Danach sind alle Mitgliedsstaaten gleichberechtigt, pflegen untereinander Solidarität und Frieden, schützen Menschenrechte, Demokratie und Recht, ziehen alle den gleichen Nutzen und bemühen sich, Konflikte friedlich beizulegen. Mag dieser Artikel auch wie die übliche feierliche Einleitung einer Deklaration klingen, so werden hier jedoch genau die Dinge angesprochen, woran Kooperationen in Afrika bisher regelmäßig gescheitert sind ("Frieden", "Menschenrechte", "Solidarität", "Demokratie"). Um so wichtiger wird es für den Erfolg der SADC sein, dass diese Prinzipien eingehalten werden und nicht nur leere Worte bleiben. 9.2.2. Die Institutionen der SADC Zur Koordinierung und Überwachung der SADC-Kooperation und ihrer Erfolge hat die SADC Institutionen eingerichtet (Art. 9). Die höchste Ebene ("Summit") der SADC sind die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten mit einem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter aus ihren Reihen. Hinzu kommt ein Rat mit jeweils einem Minister der Mitgliedsstaaten, der sich mindestens einmal im Jahr trifft und dessen Entscheidungen einstimmig zu treffen sind. Unterstützt wird der Rat von einem Ständigen Ausschuss nach Artikel 13. Der Ständige Ausschuss besteht aus je einem Offiziellen aus jedem Mitgliedsstaat, vorzugsweise aus dem Wirtschafts- oder Finanzministerium. Der Ständige Ausschuss soll eine Art technisch beratender Ausschuss für den Rat sein. Auch für Entscheidungen des Ständigen Ausschusses gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Ferner werden nach Artikel 12 Kommissionen gebildet, um die Kooperations- und Integrationspolitik in bestimmten Bereichen durchzusetzen. 96 Verantwortlich für die strategische Planung der Programme der SADC und die Aus- und Durchführung der Entscheidungen des Summits und des Rats ist das Sekretariat. Dieses organisiert auch die Treffen der SADC-Mitglieder, verwaltet die Finanzen und die allgemeinen Belange und untersteht dem Exekutivsekretariat. Das Exekutivsekretariat ist verantwortlich für die Konsultierung und Koordination der einzelnen Regierungen der Mitgliedsstaaten untereinander. Es steht dem Sekretariat vor und beruft dieses. Das Exekutivsekretariat wird für 4 Jahre berufen und kann dann für weitere Perioden gewählt werden. Um die Befolgung des Vertrages zu sichern, setzt die SADC einen Gerichtshof ("Tribunal") ein. Die Mitglieder für den Gerichtshof werden für eine bestimmte Periode ernannt. Die Entscheidungen des Gerichtshofes sind endgültig und verbindlich. Jeglicher Streit über den SADC-Vertrag, der nicht freundschaftlich beigelegt werden kann, soll vor den Gerichtshof kommen. Die SADC finanziert sich vorwiegend aus den Beiträgen der Mitgliedsstaaten. Zur Rechnungsprüfung bestellt der Rat jedes Jahr externe Prüfer. Grundsätzlich ist die SADC offen für die Aufnahme weiterer Mitglieder (Art. 8). Andererseits kann jedes Mitgliedsland auch beantragen, aus der SADC auszutreten. 9.3. Die wirtschaftlichen Aussichten der SADC Die SADC hat sich inzwischen zu einer bemerkenswerten regionalen Wirtschaftsgemeinschaft mit rund 190 Millionen Einwohnern und einem Bruttoinlandsprodukt von umgerechnet knapp 170 Mrd. US-Dollar entwickelt, was allein schon 60% der Wirtschaftsleistung der gesamten Region SubSahara-Afrika entspricht264. Der Zusammenhalt der SADC-Staaten wird auch dadurch gefördert, dass die einzelnen Staaten der SADC wie Mosambik, Botswana und Tansania in den letzten Jahren für afrikanische Verhältnisse überdurchschnittliche Wirtschaftswachstumsraten hatten. 9.3.1. Die Freihandelszone Im Rahmen des "SADC Free Trade Protocol" haben die SADC-Staaten nun vereinbart, eine Freihandelszone zu errichten. Dieses Freihandels- 264 Einzelne Daten hierzu in: Investitionsführer Südliches Afrika 2000 des FAZ-Instituts für Management-, Markt- und Medieninformationen, S. 10. 97 abkommen ist seit dem 1.9.2000 in Kraft. Ferner wurde auf dem Gipfeltreffen der SADC im August 2000 eine Zollunion beschlossen, die 2008 errichtet sein soll265. Mit der Freihandelszone und der Zollunion könnte der Wirtschaftsraum "Südliches Afrika" zu einer Einheit zusammenwachsen und international konkurrenzfähig werden266. Über die Durchführung der einzelnen Schritte besteht jedoch noch keine Übereinstimmung, so dass noch nicht alle Staaten die Vereinbarung ratifiziert haben267. Auch wenn es in Detailfragen noch "Abstimmungsprobleme" zwischen den einzelnen Staaten gibt, könnte in absehbarer Zeit die SADC einer der wenigen regionalen Kooperationen in Afrika werden, die auch auf wirtschaftlichem Gebiet erfolgreich ist. 9.3.2. Die Grundprobleme der SADC-Staaten Trotz dieser beachtlichen ersten wirtschaftlichen Erfolge, die die regionale Kooperation der SADC einer Reihe von Mitgliedsstaaten gebracht hat, ist nicht zu verkennen, dass einige SADC-Staaten Länder sind, die zu den ärmsten der Welt zählen (Mosambik), ihre Bewohner an Hunger und Krankheiten wie Aids oder Ebola leiden (Malawi), Kriegs- und Flüchtlingselend zu ertragen haben (Angola), stark übervölkert und wirtschaftlich teilweise völlig unterentwickelt sind. Eine der wichtigsten und grundlegendsten Aufgaben für eine erfolgreiche und dauerhafte SADC-Kooperation wird es sein, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Um diese Länder wirtschaftlich voranzubringen, sind inländische, vor allem aber ausländische Investitionen dringend erforderlich. 9.3.3. Korruption in den SADC-Staaten Einer der wesentlichen Faktoren, der Unternehmen von Investitionen in den SADC-Staaten abhalten kann und damit die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt behindert, ist Korruption. An sich ist Korruption überall auf der Welt zu einem Problem geworden, wird aber öffentlich besonders gern mit afrikanischen Staaten in Verbindung gebracht268. 265 Fischer Weltalmanach 2001, S. 1041. Investitionsführer Südliches Afrika 2000 des FAZ-Instituts für Management-, Markt- und Medieninformationen, S. 10. 267 Investitionsführer Südliches Afrika 2000 des FAZ-Instituts für Management-, Markt- und Medieninformationen, S. 11. 268 Dazu eingehend: Investitionsführer Südliches Afrika 2000 des FAZ-Instituts für Management-, Markt- und Medieninformationen, S. 20. 266 98 Tab. 4: Korruptionsindex: Corruption Perceptions Index 1999 (Punkte von 1 = starke Korruption bis 10 = nahezu korruptionsfrei) Ranking Land 24 29 34 36 45 56 56 93 Botswana Namibia Südafrika Mauritius Malawi Simbabwe Mosambik Sambia Bewertung 6,1 5,3 5,0 4,9 4,1 4,1 3,5 3,5 1,9 Zum Vergleich 1 14 25 38 82 90 99 Dänemark Deutschland Japan Italien Russland Kenia Kamerun 10,0 8,0 6,0 4,7 2,4 2,0 1,5 Quelle: Transparency International, in: Investitionsführer Südliches Afrika 2000 des FAZ- Instituts für Management-, Markt- und Medieninformationen, S. 21. Eine Studie von Transparency International, einer Nichtregierungsorganisation, die sich dem weltweiten Kampf gegen die Korruption verschrieben hat und 1999 auf der Grundlage einer Befragung von Geschäftsleuten 99 Staaten auf Korruption untersucht und daraufhin eine Korruptionstabelle269 erstellt hat, kann dies nicht bestätigen. In dieser Korruptionsliga stehen die einzelnen SADC-Staaten im Vergleich zu anderen Ländern der Welt sehr unterschiedlich dar. Botswana etwa hat besser abgeschnitten als Japan, Belgien oder Italien. Aber auch Namibia, Südafrika und Mauritius kommen in Sachen Korruption hierbei besser weg als das EU-Land Italien. Etwas mehr betroffen von der Korruption sind Malawi, Simbabwe und Mosambik. Auf dem Index steht allerdings Tansania. Dieser Staat gilt als einer der korruptesten Staaten der Welt. Dennoch ist gerade diese Korruptionstabelle ein Beleg dafür, dass die Korruption in 269 Vgl. Tab. 4: Korruptionsindex: Corruption Perceptions Index 1999. 99 Afrika nicht grundsätzlich schlimmer ist als in vergleichbaren anderen Zonen der Welt. 9.4. Die politischen Aussichten der SADC Ob die SADC langfristig erfolgreich sein wird, hängt vor allem von einer wirtschaftlichen und politischen Gesamtverbesserung in den einzelnen Mitgliedsstaaten ab. Der erste entscheidende Erfolgsfaktor für die SADCKooperation ist die politische Zusammenarbeit der einzelnen Staaten insbesondere bei der Beilegung von Konflikten. 9.4.1. Vermittlung bei Konflikten Die Vermittlung und Hilfe bei der Lösung militärischer und anderer Konflikte unter den Mitgliedsstaaten ist die wichtigste und schwierigste Aufgabe für die SADC. Denn über einigen Staaten scheint ein militärischer Fluch zu liegen. 9.4.1.1. Angola und Mosambik Angola und Mosambik waren jahrzehntelang in blutige Befreiungskämpfe gegen ihre ehemaligen Kolonialherren verstrickt. Nach dem Ende des Befreiungskampfes ging er in beiden Staaten nahtlos über in einen ebenso grausamen Bürgerkrieg. Während in Mosambik inzwischen mehrere tausend UNO-Soldaten einen unsicheren Frieden überwachen, geht in Angola der Krieg unvermindert weiter. Da alle Kriegsparteien in Angola zudem wegen des riesigen Rohstoffreichtums Angolas (vor allem Erdöl und Diamanten) den Krieg finanzieren können, wollen diese die Machtfrage in Angola militärisch entscheiden270. 270 Kühne, Winrich: Kriege und Konfliktursachen im subsaharischen Afrika, in: Jahrbuch Dritte Welt 2000, S. 115-131 (120). 100 9.4.1.2. Die Demokratische Republik Kongo Die SADC steht oft vor der Entscheidung, militärisch einzugreifen oder auf diplomatischem Wege zu verfahren. Besonders heikel wird die Situation dann, wenn die diplomatischen Versuche erfolglos bleiben, wie im Falle der Demokratischen Republik Kongo, die den gesamten SADC-Verbund mit in den Krieg zog. Die Aufnahme des inzwischen wieder Kongo genannten ehemaligen Zaire im Jahre 1997 in den SADC-Verbund war von Anfang an eine Entscheidung, die weniger von der Vernunft getragen wurde als vielmehr von der Aussicht auf eine Ausweitung der Region in einen bisher abgeschotteten Wirtschaftsraum271. Die SADC-Staaten wussten von Beginn an um die angespannte Lage im Kongo, die jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen führen konnte. Trotzdem entschlossen sich nach Ausbruch des Bürgerkriegs im Jahre 1998 und vergeblichen diplomatischen Vermittlungsversuchen mehrere SADC-Länder, Truppen in den Kongo zu entsenden. Als sich die Kongo-Rebellen auf dem Vormarsch auf die Hauptstadt Kinshasa befanden, eilte Kongos Präsident Kabila nach Luanda, wo er Angola und Namibia dringend um Militärhilfe bat. Sofort wurde ein Treffen der Verteidigungsminister der SADC-Staaten nach Harare einberufen, auf dem Mosambik, Namibia, Sambia, Simbabwe, Angola, Botswana, Südafrika und Tansania vertreten waren, während die anderen fünf SADC-Mitglieder fehlten272. Offiziell einigten sich die Teilnehmerstaaten darauf, Kabila jede Hilfe zu gewähren, um Ruhe und Ordnung im Kongo wiederherzustellen. Nach dem Fall einer Garnisonsstadt 80 km vor Kinshasa schickten Simbabwe, Angola und Namibia Truppen in den Kongo273. Damit waren die Würfel gefallen und die SADC in einen militärischen Konflikt in einem Mitgliedsstaat verwickelt, den man nach dem SADC-Vertrag eigentlich friedlich beilegen sollte. Dabei muss allerdings klargestellt werden, dass ein militärisches Eingreifen nicht grundsätzlich den SADC-Vorstellungen widerspricht. Denn nach einer Vereinbarung der SADC-Staaten im Rahmen eines Abkommens über die Gründung eines Organs für Politik, Verteidigung und Sicherheit der SADC (OPVS) 1996 waren - wenig konkretisierte Strafmaßnahmen bei einem Scheitern der Diplomatie möglich274. Auf dem folgenden SADC-Gipfel wurde die Truppenentsendung der drei Staaten zum Schutz von Kinshasa noch einmal gutgeheißen, auch wenn Südafrikas Bemühungen um Waffenstillstand, Einstellen der Truppenbewegungen und Anerkennung der Regierung Kabila unterstützt wurden. 271 Afrika Jahrbuch 1998, S. 324. Afrika Jahrbuch 1998, S. 326. 273 Afrika Jahrbuch 1998, S. 326. 274 Afrika Jahrbuch 1998, S. 327. 272 101 Zu einem Waffenstillstand kam es jedoch nicht. Im Gegenteil, als die Rebellen die Stadt Kindu einnahmen, also die Einstellung der Truppenbewegungen missachteten, uferte der Krieg erst richtig aus. Simbabwe, Angola, Namibia und immer mehr Staaten außerhalb der SADC verstärkten ihre Truppenbewegungen in die Konfliktregion. Diplomatische Beilegungsversuche der SADC blieben weiter erfolglos. Die SADC hat im Falle der Demokratischen Republik Kongo also genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie ursprünglich erreichen wollte. Mit der Einbindung in den SADC-Verbund wollte sich die SADC flächenmäßig vergrößern und außenpolitisch stärken. Das Ergebnis dieser Aktion ist ein inzwischen unübersehbarer Krieg in der Republik Kongo275 und ein Schlag gegen die regionale Integration in der Region Südafrika276. Dennoch hat die SADC die Regionalisierung in dieser traditionell konfliktreichen Umgebung vorangebracht, denn die Beziehungen unter den SADC-Staaten haben sich merklich verbessert. Das Beispiel Kongo zeigt allerdings auch, wie schwierig die vertragliche Vorgabe, Konflikte friedlich beizulegen, tatsächlich umzusetzen ist. 9.4.2. Konflikte zwischen den SADC-Staaten Untereinander sind die SADC-Staaten ebenfalls nicht frei von Konflikten. Grenzstreitigkeiten und Wasserknappheit sind typische Probleme dieser Region, die ein großes Konfliktpotential enthalten und daher auch in Zukunft häufig auftreten werden. Zwischen Botswana und Namibia, zwei der stabilsten Staaten der SADC, wäre es 1998 deswegen beinahe zu einem bewaffneten Konflikt gekommen. In "guter Tradition" hatte Botswana 1992 von Kanada bereits 13 Kampfflugzeuge gekauft, weil es einen "Krieg um Wasser" fürchtete, und das chronisch wasserarme Namibia schaute sich schon mal nach russischen Waffen um277. Wasser ist Grundlage des Lebens und jeder Wirtschaftstätigkeit. Botswana und Namibia stritten sich darüber, ob Namibia berechtigt ist, Wasser aus dem Grenzfluss Chobe zu entnehmen. Da der Chobe viel Wasser aus dem Kavango-Delta in Botswana transportiert, sein eigener Wasserstand und Verlauf sich jedoch ständig ändert, hängt die 275 Zur Zeit stellt sich die Lage wie folgt dar: Kabila hatte Mobuto vertrieben, die Macht an sich gerissen, wurde jedoch im Januar 2001 von einem Leibwächter erschossen. Daraufhin hat sein Sohn die Nachfolge angetreten. Die Kämpfe im Kongo halten unvermindert an. 276 Dazu Afrika Jahrbuch 1998, S. 328. 277 Kühne, Winrich: Kriege und Konfliktursachen im subsaharischen Afrika, in: Jahrbuch Dritte Welt 2000, S. 115-125 (120). 102 Berechtigung zur Wasserentnahme davon ab, wo die Grenze zwischen den beiden Staaten zu ziehen ist. Bei dieser konkreten Auseinandersetzung zwischen Botswana und Namibia konnte ein Waffengang gerade noch abgewendet und Friedensverhandlungen aufgenommen werden. Da ähnliche Konflikte jedoch auch in Zukunft zu befürchten sind, muss sich erst noch zeigen, wie eng der Zusammenhalt der SADC tatsächlich ist. 9.5. Schlussbemerkungen Die SADC hat sich viel vorgenommen, wenn sie Unabhängigkeit, gute Nachbarschaft, Verständnis und Kooperation erreichen will. Der KongoKonflikt darf kein Rückfall in alte Zeiten werden, in denen Konflikte ausschließlich militärisch gelöst wurden und dauerhafte Kooperationen in Afrika verhinderten. Immerhin hat der Konflikt im Kongo trotz unterschiedlicher Auffassungen der einzelnen Staaten den Bestand der SADC bisher nicht gefährdet. Das ist wichtig, denn sie ist nach wie vor eine hoffnungsvolle Kooperation für die südafrikanische Region, die bei einigen Staaten schon zu wirtschaftlichem Aufschwung geführt und die innere Stabilität gefördert hat. 103 10. Die Deklaration des Verbandes südostasiatischer Staaten (Association of South East Asian Nations, ASEAN) Die ASEAN ist heute die erfolgreichste Regionalkooperation auf dem asiatischen Kontinent. Doch auch die ASEAN ist ein klassisches Beispiel dafür, dass oftmals äußerer Zwang zur Zusammenarbeit von Staaten führt. 1967 war auf dem asiatischen Kontinent der Krieg zwischen den USA und dem damaligen Nord-Vietnam (Vietnamkrieg) ausgebrochen. Für die Anrainerstaaten Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailand hatte sich damit die äußere Lage bedrohlich verändert und jeder dieser Staaten musste von diesem Zeitpunkt an um seine Zukunft und Sicherheit fürchten, da niemand voraussagen konnte, welche Folgen der Vietnamkrieg noch haben würde. In dieser beängstigenden Situation war es für diese damals völlig verschiedenen und untereinander sogar verfeindeten Staaten (besonders Indonesien und Malaysia) im wahrsten Sinne des Wortes eine Frage des Überlebens, ob sie wenigstens bei dieser, jeden Einzelnen betreffenden unmittelbaren Bedrohung in der Lage sein würden, gemeinsam zu handeln. Allen Beteiligten war dabei klar, dass der Krisenherd Vietnam einen Flächenbrand verursachen konnte, wenn auch noch seine unmittelbaren Nachbarn in Streit gerieten. Daher mussten militärische Auseinandersetzungen zwischen den Staaten unbedingt vermieden werden - bei den damaligen Feindschaften einiger Staaten untereinander alles andere als eine leichte Aufgabe. Gleichzeitig war auch das Solidaritätsgefühl der Mitgliedsstaaten noch nicht sehr ausgeprägt, sondern jedes Land fürchtete in erster Linie um die eigene Sicherheit und wollte eine gemeinschaftliche Organisation, die vor allem die eigene Souveränität schützen sollte278. Fraglich war nur, wie solch eine Zusammenarbeit möglich sein konnte, ohne die Sicherheit der Region noch mehr zu gefährden. Eine Militärallianz zwischen den Staaten hatte wenig Aussicht auf Erfolg. Denn die eigenen Militärpotentiale hätten kaum ausgereicht, um potentielle Aggressoren abzuschrecken und damit eine engere Zusammenarbeit mit den USA erforderlich gemacht279. Auf diese Weise jedoch hätten sich die Staaten aus der Sicht der kommunistischen Widerstandskämpfer als Feinde 278 279 Vgl. Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 144. Vgl. Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 150. 104 dargestellt, somit die Spannungen verschärft und möglicherweise hineingezogen werden können. Zudem hätte eine Militärallianz im Falle einer bewaffneten Aggression gegen ein Mitgliedsland eine gegenseitige Beistandsverpflichtung durch alle Mitgliedsstaaten bedeutet, die wegen der feindseligen Haltung einiger Länder untereinander nur schwer zu garantieren war280. Aus diesen Gründen musste die angestrebte Kooperation zumindest offiziell auf eine andere Grundlage gestellt werden. Da nach asiatischer Auffassung das größte Bedrohungspotential für die nationale Sicherheit politische Instabilitäten sind, die von anderen Mächten ausgenutzt werden können, wirtschaftliches Wachstum jedoch die Gefahr dieser Instabilitäten vermindert281, war es einerseits sicherheitspolitisch geboten, die geplante Kooperation auf eine gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung hin auszurichten, andererseits bot sich auf diese Weise eine Chance, Sicherheitsfragen, die der eigentliche Anstoß zur Zusammenarbeit waren, im Gründungsdokument weitgehend auslassen zu können. Anders als bei anderen internationalen Organisationen wurde das Gründungsdokument der ASEAN kein Vertrag, sondern eine Deklaration. Zwar spielt es völkerrechtlich kaum eine Rolle, ob es sich um einen Vertrag oder eine Deklaration handelt, da die einzelnen Bestimmungen gleichermaßen bindend sind. Entscheidend ist jedoch der politische Hintergrund dieses "kleinen Unterschieds". Mit der Benennung des Dokuments als Deklaration sollte sein unverbindlicher Charakter hervorgehoben werden282. Damit konnten die Mitgliedstaaten deutlich machen, dass sie ihre nationale Souveränität nicht an eine übergeordnete Organisation abgeben wollten. 10.1. Die Visionen der ASEAN Staaten Die wesentlichen Grundlagen ihrer Zusammenarbeit haben die ASEANStaaten in der Bangkok-Deklaration vom 8. August 1967283 niedergelegt. In der Präambel werden als Ziele an erster Stelle die Sicherung des Friedens und der Stabilität genannt. Erst am Ende der Präambel werden auch sicherheitspolitische Aspekte erwähnt. So erklären die Staaten, dass die ausländischen Militärstützpunkte nur zeitlich begrenzt vorgesehen seien. Hier klingen also die Wunschvorstellungen der ASEAN-Staaten an. Eine spezifische Vision brauchte der ASEAN-Bund nicht zu haben, da mit dem 280 So Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 151. Vgl. Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 143 f. 282 Dazu Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 142. 283 Vgl. Anlage 2. 281 105 Beginn des Vietnamkrieges die Sicherung des Friedens in der Region über allem stand. In Südostasien war allerdings schon lange die Vision einer neutralen Zone lebendig. Wie schwierig diese Vision zu "leben" war, zeigt sich darin, dass die ASEAN-Staaten andererseits die ausländischen Militärbasen immer begrüßt haben, weil sie die Staaten vor dem Zugriff anderer Mächte schützten. Diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit begleitet Südostasien seit dem Ende des zweiten Weltkrieges. 1954, nach dem Ende des Indochinakrieges, unterstützte die Genfer Friedenskonferenz eine "implizite Neutralität" Indochinas, indem sie Kambodscha nach dessen Verfassung offiziell neutral werden ließ ebenso wie Laos 1962. Wie bedeutungslos diese Erklärungen angesichts der späteren Verwicklungen dieser Staaten in den Vietnamkrieg waren, zeigt das Dilemma dieser Region284. Doch der Wunsch nach Neutralität in der Region blieb. In der ASEANGründungsurkunde wurde der Wunsch noch nicht ausdrücklich angesprochen. 1970 forderte dann Malaysia offen, ganz Südostasien für neutral zu erklären, wofür die Großmächte garantieren sollten. Die Neutralität sollte verhindern, dass die Regionalstaaten in die Konfrontation der Großmächte mit einbezogen würden. Auch innerhalb der ASEANStaaten selbst wurde der malaysische Vorschlag abgelehnt, weil vor allem Indonesien befürchtete, Malaysia wolle eine gemeinsame Annäherung der Regionalstaaten an China erreichen285. Daran erkennt man, dass die ASEAN-Staaten selbst nie glaubten, neutral bleiben zu können und sich dementsprechend verhielten. Somit war auch die Erklärung von Kuala Lumpur 1971, mit der eine "Zone des Friedens und der Neutralität (ZOPFAN)" erreicht werden sollte, nur ein Hilferuf mitten im Vietnamkrieg, mit dem die Staaten sich und der Welt ihre Sehnsucht nach einem friedlichen und freien Südostasien zum Ausdruck brachten, und das zu einer Zeit, als mehr Bomben286 auf Vietnam fielen als während des gesamten Zweiten Weltkriegs auf Europa. Trotzdem hielten die ASEAN-Staaten am ZOPFAN-Konzept fest und bestätigten nach dem Ende des Vietnamkriegs 1976 ihre Ziele. Auch wenn es damals noch nicht gelang, Vietnam einzubinden, so gaben die ASEANStaaten ihre Vision der Zone des Friedens und Neutralität nie auf, bis das Ende des Kalten Krieges auch die Eiszeit mit Vietnam beendete. Seit 1995 gehört Vietnam zur ASEAN dazu und im Dezember 1995 unterzeichneten die heutigen ASEAN-Staaten den Vertrag über eine nuklearwaffenfreie Zone in Südostasien (Southeast Asia Nuclear Weapon Free Zone, SEANWFZ). 284 Vgl. Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East-Asia, S. 158 Ergänzend Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 159 f. 286 Meilensteine des 20. Jahrhunderts, S. 467. 285 106 So ist für die ASEAN-Staaten wenigstens offiziell ein Teil ihrer Vision in Erfüllung gegangen. 10.2. Institutionen der ASEAN Das höchste Gremium der ASEAN ist das Gipfeltreffen. Hierbei wird vor allem über programmatische Grundsatzentscheidungen beraten. Dazu kommen die informellen Gipfeltreffen, die zum offenen Gedankenaustausch einberufen werden und unverbindlichen Konsultationen dienen. Ferner gibt es die Ministertreffen, bei denen die jeweiligen Ressortminister der ASEAN-Staaten jährlich zusammenkommen. Bei diesen Treffen werden die Richtlinien der Politik bestimmt und die verschiedenen Tätigkeiten der ASEAN aufeinander abgestimmt. Zur Koordinierung der sektorübergreifenden Politik gibt es die Gemeinsamen Ministertreffen. Die Außenminister der ASEAN-Staaten treffen sich jährlich auf dem ASEAN-Ministerial Meeting (AMM). Die Koordination zwischen ASEAN und AMM regelt das Ständige Komitee. Auf Empfehlung des AMM ernennen die Regierungschefs der ASEAN den Generalsekretär287. Das ASEAN-Sekretariat befindet sich in Djakarta / Indonesien. Die ASEAN Post-Ministerial Conference (PMC) ist eine Zusammenkunft der Außenminister nach ihrem jährlichen Treffen mit Vertretern ihrer weltweiten Partner wie der Europäischen Gemeinschaft oder den Vereinigten Staaten288. 10.3. Konflikte innerhalb der ASEAN-Staaten Seit der Gründung der ASEAN 1967 gab es zwischen den fünf Gründerstaaten sowie Brunei keine militärischen Auseinandersetzungen. Die regionale Kooperation der ASEAN-Staaten hat somit zumindest ihr eigenes Gebiet zu einer 30-jährigen Friedenszone gemacht, womit sich dieser Teil ihrer Vision erfüllt hat, obwohl zwischen den Staaten nach wie vor eine Reihe Konfliktfelder ungelöst sind289. Ernsthaft bedroht wurde der 287 Seit 1997 ist Rodolfo Certeza Severino von den Philippinen Generalsekretär. Vgl. Feske, Susanne: Der ASEAN-Staatenbund, in: Dahm, Bernhard / Ptak, Roderich (Hrsg.): Südostasien-Handbuch: Geschichte, Gesellschaft. Politik, Wirtschaft, Kultur, S. 541-561 (547 f.). 289 Zu den Konflikten im Einzelnen s. Dosch, Jörn: ASEAN - Bilanz eines Erfolges, S. 132145. 288 107 ASEAN-Verbund durch die inneren Konflikte nicht. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen: Der Sabah-Disput und der Dauerstreit um die Spratly-Inseln. 10.3.1. Der Sabah-Disput Der Streit um die malaysische Provinz Sabah290 zwischen Malaysia und den Philippinen war bereits 1969 die große Bewährungsprobe für die ASEAN, als die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern abgebrochen wurden, nachdem die Philippinen auf ihren Anspruch auf die Provinz beharrt hatten291. Seitdem liegen Malaysia und die Philippinen im Dauerstreit über Sabah. Versuche, den Streit zu beenden, wie etwa durch den philippinischen Präsidenten Fidel Ramos, blieben erfolglos. Abb. 14: Malaysia mit der Provinz Sabah Quelle: Seibert / Wendelberger: Großes Lexikon in Wort und Bild, Bd. 8, S. 3285. Beiden Seiten könnte zudem an einem offenen Konflikt gelegen sein. Die philippinische Regierung meint, in Sabah würden die islamischen Separatisten der philippinischen Provinz Mindanao bewaffnet und ausgebildet, während Malaysia Probleme mit der Bevölkerung Sabahs hat, die immer 290 291 Vgl. Abb. 14: Malaysia mit der Provinz Sabah. Vgl. Dosch, Jörn: ASEAN - Bilanz eines Erfolges, S. 138. 108 mehr Autonomie fordert292. Der Streit um Sabah bleibt daher auch mittelfristig eine schwere Belastung für die ASEAN. 10.3.2. Die Spratly-Inseln Das Tauziehen um die Spratly-Inseln ist der zweite gefährliche Konflikt, der die ASEAN begleitet. Die Spratlys sind 400 kleine Riffe und Sandbänke im Südchinesischen Meer293. Mit den ASEAN-Staaten Philippinen, Brunei, Abb. 15: Das Südchinesische Meer mit den Spratly-Inseln. Quelle: Internationale Politik, Nr. 10/95, S. 18. 292 293 Dazu Dosch, Jörn: ASEAN - Bilanz eines Erfolges, S. 139. Vgl. Abb. 15: Das Südchinesische Meer mit den Spratly-Inseln. 109 Vietnam und Malaysia sowie den Küstenanrainern Taiwan und China erheben gleich sechs Länder Ansprüche auf die Spratly-Inseln. Die Spratlys wurden im 2. Weltkrieg von Japan besetzt. Nach dem Krieg haben die anspruchstellenden Staaten (außer Brunei) jeweils einige Inseln besetzt, aber keiner dieser Staaten hat bisher alle Inseln kontrolliert. Die größte Gefahr geht in diesem Konflikt von China aus, das militärisch mit Abstand am stärksten gerüstet ist und wiederholt betont hat, das gesamte Südchinesische Meer sei sein Territorium294. Die Drohgebärden haben ihren Grund: Die Spratly-Inseln sollen reich an Öl. Gas, Fischbeständen und anderen Ressourcen sein, die China und die anderen umliegenden Staaten dringend brauchen295. Eine dauerhafte Lösung des Spratly-Problems ist derzeit nicht in Sicht und wird die ASEAN noch weiter begleiten. 10.4. Die wirtschaftliche Kooperation In den dreißig Jahren ihres Bestehens hat sich die ASEAN auch zu einer beachtenswerten Wirtschaftskooperation entwickelt. Vorbild für die ASEAN ist die Europäische Gemeinschaft. In der ASEAN-Deklaration war ohnehin die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ein wesentlicher Punkt. Doch erst mit dem Ende des Vietnamkriegs hatten die ASEAN-Staaten genügend Ruhe und Sicherheit in der Region, um beim Bali-Gipfel 1976 und ein Jahr später in Kuala Lumpur die schon lange angeregte Freihandelszone mit einigen Abkommen zur Reduzierung der Außenzölle zu beginnen, die sie bis zur Übereinkunft der AFTA-Freihandelszone (AFTA: Asian Free Trade Agreement) 1992 schrittweise erweiterten296. Parallel dazu vereinbarten die ASEAN-Staaten das Preferential Trade Agreement (PTA), mit dem die Staaten untereinander viele Handelshemmnisse abbauen wollten. Bis zum AFTA-Beschluss gelang es auf diese Weise, bei rund 16.000 Produkten Präferenzen von 25 bis 50 Prozent zu gewähren. Zwar betraf das PTA-Abkommen nur einen sehr geringen Prozentsatz des gesamten internen ASEAN-Handels, doch konnte dieses Abkommen die Mauern durchbrechen, die bis dahin insbesondere von Indonesien und Malaysia gegen jegliche Änderungen von Zolltarifen aufgebaut worden waren297. 294 Zu den einzelnen Ansprüchen s. Makinda, Samuel: Das Tauziehen um die SpratlyInseln, in: Internationale Politik (Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik e.V.), 1995, Nr. 10, S. 16-22 (17). 295 Vgl. Makinda, Samuel, a.a.O., S. 19. 296 Vgl. Dosch, Jörn: ASEAN - Bilanz eines Erfolges, S. 229 f. 297 Näheres bei Dosch, Jörn: ASEAN - Bilanz eines Erfolges, S. 230. 110 Mitte des Jahres 2002 könnte die AFTA bereits verwirklicht sein. Auch die AFTA sehen viele Beobachter als eine Antwort auf die Binnenmärkte in Europa (EG) und in Nordamerika (NAFTA) an, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern298. Hier wird der Wandel deutlich, den die ASEAN inzwischen vollzogen hat. Aus der Sicherheitskooperation ASEAN ist die Wirtschafts- und Sicherheitskooperation ASEAN geworden. Beim Gipfeltreffen Ende November 1999 in Manila beschlossen die ASEAN-Staaten nach dem Vorbild Europa einen gemeinsamen Markt mit gemeinsamer Währung. An diesem Treffen nahmen auch Vertreter von China, Japan und Südkorea teil. Gemeinsam wollen diese 13 ostasiatischen Staaten mit einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit für Sicherheit und Wohlstand in der Region sorgen299. Somit ist abzusehen, dass die gesamte Region Ostasien in Zukunft näher zusammenrücken wird. 10.5. Schlussbemerkungen Die ASEAN zeigt, wie es sich lohnt, auch in schwierigen Zeiten an Visionen festzuhalten. Als eine Notgemeinschaft gegründet, die ums blanke Überleben alte Feindschaften hintanstellen musste, wurde der Wunsch nach Frieden und Neutralität zum gemeinsamen Band der Staaten gerade zu einem Zeitpunkt, an dem an Frieden in der Region am allerwenigsten zu denken war. 30 Jahre später lässt sich resümieren, dass es die ASEAN-Staaten trotz aller inneren Differenzen geschafft haben, ein Übergreifen des Vietnamkrieges zu verhindern und ihr Gebiet zu einer Zone von Frieden und relativem Wohlstand zu machen. Mit dem geplanten Gemeinsamen Markt wird die ASEAN-Kooperation auch in wirtschaftlicher Hinsicht ihrem Vorbild Europa näherkommen. 298 Vgl. Feske, Susanne: Der ASEAN-Staatenbund, in: Dahm, Bernhard / Ptak, Roderich (Hrsg.): Südostasien-Handbuch: Geschichte, Gesellschaft. Politik, Wirtschaft, Kultur, S. 541-561 (549). 299 Vgl. Fischer Weltalmanach 2001, S. 968 unter dem Stichwort "ASEAN". 111 11. Der Vertrag zur Errichtung eines Gemeinsamen Marktes des Ganzen Südens (MERCOSUR) Südamerika ist für Regionalisierungsversuche bisher ein extrem schwieriges Pflaster gewesen. Nach vielen erfolglosen Integrationsversuchen der Vergangenheit stellt der 1991 zwischen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay geschlossene "Vertrag zur Errichtung eines Gemeinsamen Marktes des Ganzen Südens" (Mercosur) nach langer Zeit wieder einen hoffnungsvollen Versuch dar, wenigstens einen Teil von Lateinamerika endlich zu vereinigen. Nach einem "verlorenen Jahrzehnt" mit harten wirtschaftlichen und sozialen Tiefschlägen in den 80er Jahren unternimmt der Mercosur-Vertrag einen neuen Versuch, die Ziele der traditionsreichen Lateinamerikanischen Integrationsbewegung (ALADI) umzusetzen300. Die gefährlichen Wirtschaftskrisen der achtziger Jahre, aber auch die Ablösung der diktatorischen Regime durch junge Demokratien haben in Lateinamerika die Einsicht genährt, zusammen stärker sein zu können und die Integrationsphantasien für diese Region wieder gestärkt. Damit nicht auch dieses Mal alle Einigungsversuche im Sande verlaufen, konzentriert sich die Integrationsbewegung jetzt erst einmal auf die Annäherung von wenigen Ländern, nachdem in den sechziger Jahren die gleichzeitige Integration vieler Länder misslungen ist. Vorbild für den Mercosur ist die Europäische Gemeinschaft. Sollte der Mercosur einmal anstreben, wie diese eine supranationale Gemeinschaft mit einem staatenübergreifenden Gemeinschaftsrecht zu werden, würde dies bei einigen Staaten allerdings Verfassungsänderungen notwendig machen. Zwar erlauben sowohl die Artikel 31 und 75 der argentinischen als auch die Artikel 137, 141 und 145 der paraguayischen Verfassung den Beitritt zu internationalen Organisationen, in Brasilien und Uruguay sieht die jeweilige Verfassung diese Möglichkeit jedoch nicht vor. Der Fall Uruguay ist dabei zudem sehr kompliziert. Erst 1996 hat das uruguayische Volk in einer Abstimmung eine Verfassung angenommen, die keinerlei Abgabe nationaler Souveränitätsrechte an supranationale Organisationen vorsieht. Sieht man diese Volksabstimmung als "unausgesprochenen Ausdruck eines politischen Willens, der sich gegen jede Form von gesetzlich geregelter 300 Ähnlich Schonebohm, Dieter: Auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Markt? Der Mercosur und seine Institutionen, in: Reihe Lateinamerika. Analysen-DatenDokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 11 (15). 112 Übertragung nationaler Hoheitsrechte" 301 richtet, so könnte ausgerechnet die Einrichtung einer internationalen Organisation als Ausdruck der Missachtung des demokratisch geäußerten Willens des uruguayischen Volkes verstanden werden und den ersten vorsichtigen demokratischen Gehversuchen in dieser Region schaden - ein weiteres Beispiel von vielen, für die Region typischen Widersprüchlichkeiten. 11.1. Die Vision des MERCOSUR Das eben genannte Beispiel zeigt, wie sensibel der Regionalisierungsversuch MERCOSUR behandelt werden muss, um nicht, wie in der Vergangenheit bei anderen regionalen Kooperationsversuchen in Lateinamerika, zu enttäuschenden Ergebnissen zu führen. Dementsprechend wird im MERCOSUR-Vertrag abgesehen von der allgemeinen Hoffnung auf Frieden und Wohlstand auch keine spezifische Vision ausdrücklich angesprochen. Stillschweigend klingt beim Mercosur jedoch die visionäre Vorstellung durch, wenigstens ansatzweise so erfolgreich wie das große Vorbild in Europa zu werden302. Als erster Schritt zur Verwirklichung dieser Vision wurde 1991 in Asunción zwischen Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay zunächst ein provisorischer Vertrag geschlossen, mit dem bis zum 31. Dezember 1994 ein freier Warenverkehr, die Beseitigung von Zöllen, eine gemeinsame Außenpolitik, angemessene Wettbewerbsbedingungen und eine Harmonisierung der Gesetzgebung erreicht werden sollten (Art. 1). Auch diese Ziele lassen erkennen, wie sehr sich der Mercosur von Anfang an am EG-Vertrag orientieren wollte. Mit dem Protokoll von Ouro Preto vom 17. Dezember 1994, das am 15. Dezember 1995 formell in Kraft getreten ist, ist die Übergangszeit des Vertrages von Asunción vorbei und hat der Südamerikanische Gemeinsame Markt (Mercosur) nunmehr seine endgültige institutionelle Struktur erhalten. 301 So Schonebohm, Dieter: Auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Markt? Der Mercosur und seine Institutionen in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 11(18). 302 Vielleicht könnte die Vision heißen "MERCOSUR: Das Europa des Südens". 113 11.2. Inhalte des MERCOSUR-Vertrages Mit dieser Festschreibung ist der Südamerikanische Gemeinsame Markt gegenüber anderen Wirtschaftsräumen eine rechtsfähige und einheitlich handelnde Organisation mit einheitlichem Außenzolltarif (Art. 34) geworden. Dies hat zur Folge, dass der Mercosur insbesondere Verträge abschließen, Güter erwerben und veräußern sowie Vermögen verwalten kann. Daher war es u.a. auch 1995 möglich, zwischen dem Mercosur als Rechtsperson und der Europäischen Gemeinschaft in Madrid ein Rahmenabkommen zu schließen. Was die Zölle zwischen den Mitgliedsstaaten angeht, so ist die ursprüngliche Absicht des Vertrages von Asunción, einen gemeinsamen Außenzolltarif einzuführen, für die meisten Waren verwirklicht303. 11.2.1. Organe des Mercosur Die wichtigsten Organe des Mercosur wurden bereits in der Übergangszeit errichtet, danach in der vereinbarten Weise beibehalten und ihre Kompetenzen genauer umschrieben. Nach Artikel 2 des Protokolls von Ouro Preto haben Entscheidungsgewalt der Rat des Gemeinsamen Marktes, die Gruppe Gemeinsamer Markt und die Handelskommission des Mercosur, die in der endgültigen institutionellen Struktur neu hinzugekommen ist. Oberstes Organ des Mercosur ist der Rat des Gemeinsamen Marktes, der sich aus den Außenministern und aus den Wirtschaftsministern zusammensetzt, die Integration politisch steuern soll und die Verantwortung für die Durchsetzung der Ziele hat (Art. 3-7). Die Aufgaben des Rates im Einzelnen sind in Art. 8 festgelegt. Seine Entscheidungen sind nach Art. 9 für alle Vertragsstaaten verbindlich. Das Exekutivorgan des Mercosur ist nach Art. 10 die Gruppe Gemeinsamer Markt. Ihre Aufgaben sind in Art. 14 festgelegt. Danach obliegt ihr vor allem die Vorbereitung sowie die Ausführung der Entscheidungen des Rates, der sie auch mit der Außenvertretung beauftragen kann. Die von der Gruppe gefassten Beschlüsse sind ebenfalls für die Vertragsstaaten verbindlich (Art. 15 des Protokolls). Im Protokoll von Ouro Preto ist als ein weiteres Organ die Handelskommission hinzugekommen, die ihre Arbeit allerdings vorher schon aufgenommen hatte. Sie soll die gemeinsame Handelspolitik der Mitgliedsstaaten und die Verhältnisse zu Drittstaaten koordinieren. Ihre 303 Vgl. Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt. (MERCOSUR) und seine neue Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1996, S. 1997-2005 (1997). 114 Aufgaben im Einzelnen ergeben sich aus Art. 19 des Protokolls. Als Maßnahmen kann die Handelskommission "Richtlinien" oder "Vorschläge" erlassen, von denen jedoch nur die Richtlinien für die Vertragsstaaten bindend sind (Art. 20). Hilfsorgane des Rates ohne eigene Entscheidungsgewalt sind die Fachministertreffen, die Gemeinsame Parlamentarische Kommission und das Beratungsforum für Wirtschafts- und Sozialfragen. Die Fachministertreffen werden periodisch im halbjährlichen Rhythmus oder nach Bedarf von der Gruppe organisiert. Ihre Ergebnisse werden in Form von "Übereinkünften" niedergelegt, die nach Art. 8 Nr. VI des Protokolls zu ihrer Wirksamkeit der Bestätigung des Rates bedürfen. Die "Gemeinsame Parlamentarische Kommission" ist ebenfalls neu in die jetzige Verfassung eingefügt worden. Nach Art. 22 ist sie das Vertretungsorgan der Parlamente und soll die Verfahren und die Harmonisierung der Gesetzgebung beschleunigen (Art. 23-25). Das Beratungsforum für Wirtschafts- und Sozialfragen (Art. 28-30) besteht aus Vertretern von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen aus den Mitgliedsstaaten und unterstützt mit Empfehlungen die Vorgaben des Rates. Mit dem Protokoll von Ouro Preto hat der Mercosur auch eine eigene Verwaltungsstruktur erhalten. Es gibt nun ein in Art. 31 beschriebenes Verwaltungssekretariat, deren Tätigkeiten - z.B. die Veröffentlichung der Rechtsnormen - in Art. 32 des Protokolls festgelegt sind. 11.2.2. Die Rechtsordnung des MERCOSUR In diesem Protokoll wird 1995 auch erstmalig die Rechtsordnung näher umschrieben, die der Mercosur erhalten soll. Nach Art. 41 Nr. 1 des Protokolls ist die wichtigste Rechtsquelle der Vertrag von Asunción, dessen Vorschriften weiter Bestand haben, soweit sie nicht den Bestimmungen des Protokolls oder einer Ratsentscheidung während der Übergangszeit widersprechen. Ferner gehören auch die im Rahmen des Vertrages von Asunción geschlossenen Abkommen und Protokolle mit zum Mercosur (Art. 41 Nr. II). Da diese Abkommen formell als Entscheidungen des Rates ergehen und erst danach von den Vertragsstaaten unterzeichnet werden, gehören sie zum Gemeinschaftsrecht. Damit genügt schon die Unterzeichnung von nur zwei Mitgliedsstaaten, um das Abkommen zwischen diesen Staaten als Abkommen des Mercosur in Kraft zu setzen304. 304 Vgl. Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt (MERCOSUR) und seine neue Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1996, S. 19972005 (2003). 115 Ferner gehören zu den Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts nach Art. 41 Nr. III des Protokolls von Ouro Preto die "Entscheidungen" des Rates, die "Beschlüsse" der Gruppe und die "Richtlinien" der Handelskommission. Im Vergleich zur europäischen Nomenklatur ist zu beachten, dass die unterschiedliche Bezeichnung dieser Akte nicht ihre rechtliche Qualität, sondern allein die Zuordnung zu einem bestimmten Organ betrifft305. Die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in nationales Recht ist grundsätzlich den Mitgliedsstaaten überlassen. Diese sind nach Art. 38 des Protokolls verpflichtet, für die innerstaatliche Durchsetzung zu sorgen und das Verwaltungssekretariat darüber zu informieren. Um das gleichzeitige Inkrafttreten im gesamten Vertragsgebiet zu sichern, sieht Art. 40 des Protokolls ein umständliches Verfahren vor. Ob sich das Gemeinschaftsrecht gegenüber den nationalen Rechtsordnungen durchsetzen wird, ist - abgesehen von den bereits angesprochenen verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten - eine für die künftige Entwicklung des Mercosur zentrale Frage. Einerseits existieren gerade in lateinamerikanischen Staaten traditionell sehr ausgeprägte Souveränitätsvorstellungen, die die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in den einzelnen Staaten erschweren, andererseits könnte aber gerade die Orientierung an Europa, dessen Staaten ja auch nur Schritt für Schritt bereit sind, ihre Souveränitätsrechte abzutreten, den Integrationsprozess in Lateinamerika fördern. Auch hier sei jedoch vor zu hohen Erwartungen gewarnt; wenn es tatsächlich zu einem dauerhaften Integrationsprozess kommt, so ist dies schon ein großer Erfolg für Lateinamerika. Hoffnung auf eine solche einsetzende Integration machen immerhin einige Fortschritte auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet. 11.3. Die wirtschaftlichen Aussichten des Mercosur Was die Regionalisierung in dieser Zone angeht, so soll der Südamerikanische Gemeinsame Markt Ausgangspunkt eines fortschreitenden Integrationsprozesses sein. 305 Vgl. Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt (MERCOSUR) und seine neue Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1996, S. 19972005 (2004). 116 11.3.1. Planung einer Freihandelszone Wichtigstes Anliegen dieses Verbundes ist die Einrichtung einer Freihandelszone, die zu einer Zollunion weiterentwickelt werden soll306. Zwar gibt es seit dem 1. Januar 1995 zwischen den Staaten keine Binnenzölle mehr und besteht gegenüber Drittländern ein gemeinsamer Außenzolltarif, doch ist ein Gemeinsamer Markt noch nicht verwirklicht, da es noch immer einige Zölle und Handelshemmnisse gibt. Ferner sind kaum Ansätze für einen freien Dienstleistungsverkehr erkennbar und es gibt auch keine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für Arbeitnehmer. Diese ist zwar für die Zukunft vorgesehen, doch existiert für Arbeitnehmer zumindest bis 2005 noch Visumspflicht und die Notwendigkeit der Einholung von Arbeitsgenehmigungen307. 11.3.2. Handel Auf wirtschaftlicher Ebene hat der Zusammenschluss des Mercosur für die beteiligten Staaten bisher schon Vorteile gebracht. Insgesamt stieg der Handel der Mercosur-Staaten untereinander seit 1991 um mehr als das Dreifache, ihr Handel mit dem Rest der Welt knapp um das Doppelte. In den ersten Jahren profitierte besonders Brasilien vom Mercosur, dessen Industrie bis 1994 einen gewaltigen Handelsbilanzüberschuss erwirtschaftete und von außen viel Kapital erhielt. Allerdings haben die wirtschaftliche Stabilisierung und die dadurch bedingte relative Aufwertung des brasilianischen Real schon in den folgenden Jahren 1995 und 1996 erneut zu Defiziten in der brasilianischen Handelsbilanz geführt. Daher musste die Regierung bereits mehrmals Gegenmaßnahmen ergreifen, so etwa Anfang 1997, als sie die Kreditlinien für Importeure aus den Mitgliedsstaaten sperrte. Diese Maßnahme belastete das Verhältnis zwischen den Mercosur-Partnern schwer, zumal die Bestimmungen auch nach Protesten und Gesprächen auf Ministerebene nur wenig gelockert wurden308. 306 Vgl. Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt (MERCOSUR) und seine neue Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1996, S. 19972005 (1997). 307 Hierzu Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt (MERCOSUR) und seine neue Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1996, S. 1997-2005 (S. 2003, Anm. 94). 308 Eingehend dazu: Klein, Wolfram: Lernprozess Integration: Unternehmer und Gewerkschaften im Mercosur, in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation 1997, S. 73-88 (76). 117 Wenn auch der intraregionale Handel erheblich angestiegen ist, so muss dabei doch bedacht werden, dass sich das Wachstum auf einige dynamische Branchen konzentriert hat, vor allem dem Auto, den Nahrungsmitteln und dem petrochemischen Sektor, während es in anderen Sektoren wenig Bewegung gab. Auch die kleinen und mittleren Unternehmen konnten den Integrationsprozess bislang nur wenig für sich nutzen. 1999 ist der Warenverkehr innerhalb des Mercosur durch eine aktuelle Krise um fast 30% zurückgegangen 309. 11.3.3. Arbeitsmarkt und soziale Absicherung Problematisch ist auch die Arbeitsmarktlage und die soziale Absicherung vieler Bevölkerungsteile. Die Region teilt das Schicksal vieler anderer Wachstumsregionen. Die schnell wachsende Wirtschaft hat einerseits neue Arbeitsplätze geschaffen, dafür jedoch durch Rationalisierung andere vernichtet. Als Beispiel sei nur Uruguay erwähnt, dessen Industrieproduktivität zwischen 1985 und 1995 um 78% stieg, während sich zugleich die Anzahl der Arbeitsplätze halbierte310. Dieser hohe Anstieg vor allem in Argentinien und Uruguay verdeutlicht die Probleme einer Region, die einerseits den Anschluss an die Industrieländer finden will, andererseits die "soziale Gerechtigkeit" explizit zum Ziel des Integrationsprozesses erklärt hat311. Trotz dieser negativen Begleiterscheinungen muss aber hervorgehoben werden, dass die Ursache für solche bedenklichen Entwicklungen nicht darin zu finden ist, dass die Staaten versuchen, sich zusammenzuschließen, weil sich langfristig die Länder nur gemeinsam aus der Rückständigkeit befreien und Anschluss an die Weltwirtschaft finden können. Diese Erscheinungen zeigen lediglich, dass weder der Integrationsprozess an sich noch das durch ihn vorangetriebene wirtschaftliche Wachstum für einen dauerhaften industriellen Aufschwung und die Linderung der sozialen Probleme ausreichen. Ohne den Mercosur wäre die Lage dort mit Sicherheit noch schlimmer312. 309 Fischer Weltalmanach 2001, S. 983 unter dem Stichwort "Mercosur". Vgl. Klein, Wolfram: Lernprozess Integration: Unternehmer und Gewerkschaften im Mercosur, in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation 1997, S. 73-88 (76). 311 So auch Klein, Wolfram: Lernprozess Integration: Unternehmer und Gewerkschaften im Mercosur, in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation 1997, S. 73-88 (76). 312 So im Ergebnis auch Klein, Wolfram: Lernprozess Integration: Unternehmer und Gewerkschaften im Mercosur, in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation 1997, S. 73-88 (77). 310 118 11.3.4. Integrationsfortschritte Allerdings hat der Mercosur-Zusammenschluss auf vielen Gebieten auch schon Fortschritte bei der Integration gebracht. Mit den im August 1995 unterzeichneten Protokollen über den gewerblichen Rechtsschutz und die gegenseitige Anerkennung von Hoch- und Fachhochschulabschlüssen sind wesentliche Hindernisse unter den Mitgliedsstaaten aus dem Weg geräumt worden. Das Jahr 2000 ist für den Mercosur zudem politisch sehr erfolgreich gewesen. 11.4. Die politischen Aussichten des MERCOSUR Ein Hauptanliegen des Mercosur-Zusammenschlusses ist es, auch die politischen Beziehungen zwischen den Staaten Südamerikas zu verbessern, was sich am Beispiel Chiles zeigen lässt. 11.4.1. Der Beitritt Chiles Im Jahr 2000 konnte der Mercosur einen seiner ersten größeren Erfolge feiern; denn Chile ist dem Vertrag beitreten. Mit dem Beitritt Chiles rückt ein wichtiges Ziel dieses neuen Integrationsgebildes, die Aufnahme weiterer Staaten, näher. Auch dieser erste Erfolg wurde erst möglich, nachdem einige Hindernisse überwunden werden konnten. Denn zunächst hatte sich Chile nach der Gründung des Mercosur trotz heftigen Werbens der Mitgliedsländer drei Jahre lang auf eine distanzierte bis ablehnende Beobachterposition beschränkt. Erst ab 1994 setzte sich durch politische Einflussnahme eine allmähliche Annäherung an den Mercosur durch. Sie wurde am 25. Juni 1996 mit der Unterzeichnung eines "Acuerdo de Complementación Económica" abgeschlossen. Dass es überhaupt möglich wurde, dass Chile so schnell dem Mercosur beitreten konnte, lag an einer wesentlichen Änderung gegenüber der früheren ALADI. Die dort bis dahin geltende fünfjährige Sperrfrist für Beitrittsverhandlungen wurde nämlich gestrichen313. 313 Vgl. Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt (MERCOSUR) und seine Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1996, S. 1997-2005 (1998), Rn. 20 m. w. N. 119 11.4.1.1. Chiles Beitrittsziele Wichtigstes Ziel für Chile bei diesem Zusammenschluss ist, das eigene wirtschaftliche Wachstum durch Öffnung nach außen zu steigern, da Chile selbst nur einen begrenzten Binnenmarkt hat und große Teile der Bevölkerung nur eine geringe Kaufkraft aufweisen. Ein wichtiger Vorteil für Chile ist dabei, dass Devisen aufgrund der Stärke der Währung, des hohen Zuflusses an Auslandskapital und einer aktiven Wechselkurspolitik seit Ende der achtziger Jahre kein Engpass mehr sind. Allerdings ist die Handelsbilanz Chiles mit dem Mercosur und den anderen potentiellen Beitrittskandidaten, von Venezuela und Mexiko abgesehen, bisher negativ314. 11.4.1.2. Erwartete Vorteile für Chile Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Wirtschaftsbeziehungen mit den Mercosurstaaten vertiefen, die chilenischen Ausfuhren dadurch erhöhen und damit das Handelsbilanzdefizit abnimmt. Sorgen bereiten der chilenischen Wirtschaft indes die Preisschwankungen von Kupfer und Zellulose und ihrem einstigen Exportschlager Salpeter. Die übermäßige Ausbeutung der Ressourcen belastet zudem den Boden und die Vegetation sowie das Wasser und die Luft 315. Chile hat seit 1991 eine relativ stabile Wirtschaftsentwicklung. Mit hohen Wachstumsraten, geringer Auslandsverschuldung und Inflation sowie wachsender Modernisierung steht Chile im Vergleich etwa zu Argentinien und Brasilien auf verhältnismäßig solider Grundlage. Auf der anderen Seite ist Chile ein kleines Land mit wenig Bevölkerung, starker Einkommenskonzentration, zentralistischem Aufbau, geringer Industrialisierung und hohem Rohstoffexport. Mit dem Beitritt Chiles zum Mercosur werden sich vor allem die wirtschaftlichen Beziehungen Chiles zu den wesentlich mehr industrialisierten Ländern Argentinien und Brasilien vertiefen. Daher waren die vorsichtigen Annäherungsversuche zwischen Chile und Brasilien in den letzten Jahren besonders wichtig. Sogar die traditionell schwierigen Beziehungen zwischen Chile und Bolivien, das 1997 auch bereits assoziiertes Mitglied des Mercosur geworden ist, haben sich infolge einer langsam zunehmenden wirtschaftlichen Zusammen314 Vgl. Minkner, Mechthild: Mercosur - die strategische Option Chiles in Lateinamerika, in: Reihe Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 39-63 (42). 315 Vgl. Minkner, Mechthild: Mercosur - die strategische Option in Lateinamerika, in: Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 39-63 (44). 120 arbeit auch auf politischer Ebene ansatzweise verbessert. Chile unterstützt Bolivien bei dessen Exportabwicklung am Pazifik316. 11.4.2. Die politische Funktion des MERCOSUR Die wirtschaftliche Zusammenarbeit hat unter den Staaten auch zu einer vorsichtigen politischen Annäherung geführt. Diese ist auch notwendig, weil sich ohne politische Zusammenarbeit weder der vorsichtige wirtschaftliche Aufschwung fortsetzen lässt noch Zukunftsprobleme wie Umweltschutz und Globalisierung in Angriff genommen werden können. 11.5. Der Gegensatz zwischen Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung im Mercosur So erfreulich die Belebung der internationalen Handelsbeziehungen im Mercosur nach dem Vertrag von Asunción auch war, so stieß die praktische Umsetzung schnell an ihre Grenzen, da es zu wenig Verkehrswege für den Warenaustausch gab und daher der Kollaps drohte. Jahrzehntelang betrieben die Mercosurstaaten eine Politik des Isolationismus, kämpften insbesondere Argentinien und Brasilien um die Vorherrschaft und verhinderten so ein grenzüberschreitendes Netz von Verkehrswegen317. Dass es zu wenig Transportwege in oftmals auch noch schlechtem Zustand gibt, ist in zweifacher Hinsicht problematisch. Die Verbesserung des Transportwegenetzes bedeutet erstens teure Investitionen in den weiteren Ausbau der Straßen und zweitens eine erhebliche Mehrbelastung für die Umwelt. Dieses Problem betrifft alle Verkehrswege zu Lande, zu Wasser und in der Luft. 316 Näher dazu Minkner, Mechthild: Mercosur - die strategische Option Chiles in Lateinamerika, in: Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 3963 (44). 317 Vgl. Happe, Barbara: Mercosur und Umweltpolitik am Beispiel der Wasserstraße ParanáParaguay, in: Reihe Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 89-100 (93). 121 11.5.1. Die Wasserstraße Paraná-Paraguay Südamerika ist nur ein Beispiel dafür, wie sehr Fortschritt und Industrialisierung das Gesicht einer Landschaft verändern können. Gerade die Region am Amazonas bietet noch weite Teile von wilder, nahezu unberührter Natur, deren Ursprünglichkeit durch Waldrodungen und Industrialisierung bereits erste Risse bekommen hat. Es ist abzusehen, dass Investoren nur dann in die Mercosur-Region kommen werden, wenn Verkehrswege, Versorgung und der Gesamteindruck dem gewünschten Standard entsprechen. Was dies für die Gebiete bedeutet, lässt sich am Beispiel des Ausbaus der Wasserstraße ParanáParaguay (Hidrovia Paraná-Paraguay-HPP) erahnen318. Die Wasserstraße Paraná-Paraguay ist eine Verbindung des brasilianischen Hinterlandes mit den Häfen Buenos Aires in Argentinien und Nueva Palmira in Uruguay319. Umweltpolitisch besonders bedenklich bei der Planung des Ausbaus ist die Einbeziehung auch des Oberlaufs des Rio Paraguay. Denn dieser führt mitten durch den sog. Pantanal. Der Pantanal ist ein riesiges Naturschutzgebiet und hochsensibles Ökosystem im Dreiländereck Brasilien, Bolivien, Paraguay, wobei der Hauptteil in Brasilien liegt320. Der Pantanal speichert das Wasser in der Regenzeit, welches in der Trockenzeit knapp wird und sichert damit eine weitgehend gleichmäßige Wasserversorgung. Ohne diesen Ausgleich käme es zu krassen jahreszeitlichen Schwankungen. Überschwemmungen und Perioden mit Niedrigwasser würden sich abwechseln, ein Problem, um das (im Gebiet der EU) an Rhein und Rhone seit langem gerungen wird, wo als Folge von Flussbegradigungen Hochwasserkatastrophen häufig zu Millionenschäden führen.321 Sollte der Ausbau der Wasserstraße tatsächlich so vorgenommen werden wie geplant, so könnte Ähnliches auf das Gebiet des Pantanal zukommen. 318 Dieses Beispiel kann als stellvertretend für viele Infrastrukturprojekte in dieser Region angesehen werden. Ausführlich wird dieses Projekt besprochen bei Happe, Barbara: Mercosur und Umweltpolitik am Beispiel der Wasserstraße Paraná-Paraguay, in: Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 89-100. 319 Vgl. Abb. 16: Die Wasserstraße Paraná-Paraguay. 320 Siehe Karte bei Happe, Barbara: Mercosur und Umweltpolitik am Beispiel, der Wasserstraße Paraná-Paraguay, in: Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 89-100 (93). 321 Ähnlich Happe, Barbara: Mercosur und Umweltpolitik am Beispiel der Wasserstraße Paraná-Paraguay, in: Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 89-100 (96). 122 Abb. 16: Die Wasserstraße Paraná-Paraguay Quelle: Lateinamerika, Daten-Analysen-Dokumentation 1997, S. 93. 123 11.5.2. Umweltschutz in den Mercosur-Staaten Der Gegensatz von infrastrukturellem Fortschritt und Umweltschutz wird den Mercosur in den folgenden Jahren ständig begleiten. Denn auch in Südamerika kann der Fortschritt die natürlich gewachsene Umwelt bedrohen. Somit wird hier auch Umweltpolitik immer bedeutsamer. Im Vorfeld des Vertrages von Asunción spielte die Umweltpolitik allerdings nur eine geringe Rolle. Immerhin findet sich in der Präambel des Vertrages ein Verweis auf den Schutz der Umwelt. Erst die UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 und der sich stetig verstärkende Druck seitens nichtstaatlicher Umweltorganisationen und der Regierungen der Grenzregionen führten zu einer allmählichen Einbindung umweltpolitischer Fragestellungen in den Mercosur-Verhandlungsprozess. 1992 verabschiedete der "Grupo do Mercado Comun (GMC) in Las Lenas die Resolution 22/92, in der die Gründung einer spezifischen Umweltkommission "Reuniao Especializado de Meio Ambiente (REMA) beschlossen wurde. Die REMA soll die gültige Umweltgesetzgebung der Mitgliedsstaaten überprüfen und über Vorschläge eines gemeinschaftlichen Umweltrechts beraten. Ferner gibt es jährlich eine Umweltkonferenz von Regierungsververtretern aus den Grenzregionen unter Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen, die gemeinsame Wege finden wollen, auch die umweltpolitischen Fragestellungen mit in den Mercosur-Entscheidungsprozess einfließen zu lassen. Dabei geht es in erster Linie um aktuelle Umweltprobleme in der Region, zu denen häufig saurer Regen, Versandung der Flüsse durch Abholzung oder Verschmutzung und die Verseuchung des Wassers infolge fehlender Kanalisation in den Städten oder der immer noch zu intensive Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft gehören. Die Erfolge der Umweltkonferenz sind jedoch bisher gering. Zwar wächst die grundsätzliche Bereitschaft zwischen den MercosurStaaten, bei grenzüberschreitenden Umweltproblemen mit den Nachbarländern in Einzelfällen über eine Harmonisierung von Umweltnormen zu verhandeln, doch gilt grundsätzlich nach wie vor die Maxime, dass den Nationalstaaten möglichst wenig Befugnisse zu entziehen sind. Auch fehlt es an einer Regionalpolitik, der ein ökologisches und sozial abgestimmtes Raumordnungskonzept zugrunde liegt. Eine Koordinierung der Infrastrukturpolitiken findet auf Mercosur-Ebene ebenfalls nicht statt. 124 11.6. Schlussbemerkungen Der MERCOSUR bleibt trotz aller Probleme Lateinamerikas hoffnungsvollster Regionalisierungsversuch. Der Mercosur ist der viertgrößte Wirtschaftsblock der Welt, leidet allerdings an geringer Kaufkraft der Bewohner, extrem unterschiedlichen sozialen und schwierigen politischen Verhältnissen. Die politischen Beziehungen der MERCOSUR-Staaten, die jahrzehntelang eine intensive Zusammenarbeit verhindert haben, verbessern sich merklich und der Beitritt Chiles ist hier ein erster gemeinschaftlicher Erfolg. Ferner ist der Handel unter den Mercosur-Staaten seit seiner Einrichtung deutlich angestiegen und die lange blockierte gemeinsame Schaffung von Verkehrswegen ist der erste Schritt zu einem regionalen Wirtschaftsraum. Auch wenn der Traum eines Europas des Südens noch lange nicht in Erfüllung gehen wird, so ist der Mercosur für die gesamte Region Lateinamerika dennoch eine große Chance. 125 12. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) Die NAFTA ist der wichtigste Regionalverbund in Nordamerika. Die Geburt des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens war äußerst schwer. In Kanada führte die Befürwortung des Freihandelsabkommens für die Konservative Partei zu einem Verlust von 150 (!) von 154 Parlamentssitzen, in den USA konnte erst der neugewählte Präsident Clinton Ende 1992 eine Abstimmungsmehrheit für das Abkommen erreichen und Mexikos Präsident Salinas brachte die NAFTA-Vorlage erst vor sein Parlament, nachdem die USA und Kanada bereits zugestimmt hatten322. Der langfristige Erfolg der NAFTA wird davon abhängen, ob die beteiligten Staaten in der Lage sind, ihre traditionelle Außenhandelspolitik neu auszurichten. Für die USA bedeutet dies ein weiteres Abrücken von den protektionistischen Tendenzen der letzten Jahrzehnte und für Kanada und Mexiko die Überwindung ihrer Angst, in die Abhängigkeit der USA zu geraten323. 12.1. Besitzstandswahrung als Motor der NAFTA Die NAFTA ist von den USA als Antwort auf die Europäische Gemeinschaft und die starke asiatische Konkurrenz ins Leben gerufen worden in der Hoffnung, dadurch ihre starke Stellung behalten und ausbauen zu können. Die dominierende Rolle in der NAFTA beansprucht deswegen auch die USA. Der Vertrag über die Nordamerikanische Freihandelszone vom 17.11.1993324 enthält einen Hauptvertrag, zwei Nebenabkommen über Umweltschutz- und Arbeitsmarktfragen sowie zwei bilaterale Agrarabkommen zwischen den USA und Mexiko beziehungsweise zwischen Kanada und Mexiko. 322 Zu diesen "Geburtswehen" eingehend Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 22 f. 323 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 25. 324 In Deutschland steht das umfangreiche Vertragswerk z.B. im Hamburger Institut für Weltwirtschaft (HWWA) zur Einsichtnahme zur Verfügung. 126 12.2. Inhalte des NAFTA-Hauptvertrages Der Hauptvertrag des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens besteht aus folgenden Teilen: - Vertragsidee und Warenhandel mit vertiefenden Zoll- und Ursprungsregelungen, - Spezielle Bestimmungen zu Energie- und Agrarprodukten, - Technische Handelshemmnisse, - Investitionen und Dienstleistungen, - Schutz des geistigen Eigentums, - Institutionelle Fragen, - Schlussbestimmungen. 12.2.1. Vertragsidee und Warenhandel Die Hauptidee der NAFTA ist eine Freihandelszone, also die Schaffung eines möglichst freien Handels von Waren und faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Staaten USA, Kanada und Mexiko. Freier Handel ist nur sinnvoll, wenn zwischen den Staaten allmählich die Zollschranken fallen. 12.2.1.1. Zölle Für die meisten Güter sieht der NAFTA-Vertrag vor, innerhalb von 15 Jahren nach dem Inkrafttreten des Vertrages am 1. Januar 1994 die Zollschranken abzubauen. Im Anhang 302.2 des NAFTA-Vertrages werden die Güter in 5 Produktkategorien A, B, C, C+ , D eingeteilt, für die es jeweils einen bestimmten Zeitpunkt für den Zollabbau gibt325. Bereits am 1. Januar 1994 begann der Zollabbau der Kategorie A, die bereits rund ein Drittel aller Produkte enthält, u.a. chemische Produkte, Papier und Schuhwaren. Die Zölle der Kategorie B (Düngemittel, Mineralien, Gummiprodukte) sind bis zum 1. Januar 1998 abgebaut worden. Die "Zoll-Deadline" der Kategorie C (Möbel, Spielwaren, Plastik) ist der 1. Januar 2003. Bis zum 1. Januar 2008 sind auch die Zölle der Kategorie C+, zu der einzelne Agrarerzeugnisse wie 325 Dazu Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 44 f. 127 Geflügelfleisch gehören, abzubauen326. Kategorie D schließlich besteht aus den Gütern, die vor dem Abkommen bereits zollfrei gewesen sind und weiter zollfrei bleiben sollen. Die festgeschriebenen Zollreduktionen sind das Ergebnis von schwierigen Verhandlungen und Kompromissen, die deswegen teilweise nur schwer erklärbare Ergebnisse haben. Nach der Position 76.07 des kanadischen Tarifs ist zum Beispiel der Import von "unbedruckten" Aluminiumfolien in Kanada ab 1. Januar 1994 zollfrei, jedoch der Zoll von Aluminium"produkten", wie beispielsweise Verpackungen, erst nach fünf Jahren und der Zoll auf "bedruckten Folien" nach zehn Jahren327. Besonders problematisch ist unter den Ländern der Handel mit Autos und Autobestandteilen. In diesem Markt herrschten vor der NAFTA völlig ungleiche Ausgangsbedingungen. Die großen Autohersteller Chrysler, Ford, General Motors, Nissan und Volkswagen haben schon lange Produktionsstätten in Mexiko aufgebaut und können von dort aus ihre Fahrzeuge in die offenen Märkte USA und Kanada exportieren. Dagegen war der mexikanische Markt für US-amerikanische und kanadische Autos fast vollständig geschlossen. Durch den NAFTA-Vertrag musste Mexiko nun seinen Markt öffnen und für alle drei Handelspartner gleiche Marktbedingungen schaffen328. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits erfolgt. Die Zölle auf Personen- und Lieferwagen wurden zum 1. Januar 1994 schon zu 50 Prozent gesenkt, der Rest soll bei Personenwagen innerhalb der nächsten zehn Jahre folgen, bei Lieferwagen schon binnen fünf Jahren. Alle Importrestriktionen sollen zudem innerhalb der nächsten Jahre abgebaut sein. 12.2.1.2. Ursprungsregelungen Die im NAFTA-Vertrag vereinbarten Zollsenkungen beziehen sich ausschließlich auf Produkte, die ihren Ursprung in den Vertragspartnerstaaten haben. Ein Ursprungsprodukt liegt vor, wenn das Gut in seiner Gesamtheit aus einem der Vertragspartnerländer stammt oder in ihm ausreichend beoder verarbeitet worden ist. Detailfragen und Anwendungen der Ursprungsberechnung werden in Kapitel 4 und 5 des NAFTA-Abkommens besprochen sowie in Anhang 401. Ferner können die Vertragsparteien bei importierten Gütern die Anbringung der Ursprungsbezeichnung verlangen. Ausnahmen von diesem Erfordernis gelten allerdings für Rohprodukte und 326 Die meisten Agrargüter fallen nicht unter den Zollabbau; sie werden deshalb in Kapitel 7 des NAFTA-Vertrages gesondert behandelt. 327 Beispiel bei Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 43 f. 328 Senti, Richard: NAFTA. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen, S. 47. 128 wenn die Etikettierung technisch unmöglich ist oder das Produkt beschädigt werden würde, wobei die USA und Mexiko von diesen Ausnahmen häufig Gebrauch machen.329 Vollständige Ursprungsprodukte sind nach Kapitel 4 und 5 des NAFTAVertrages unter anderem Erze und Mineralien aus den Partnerstaaten, Früchte, Obst und Gemüse, die im NAFTA-Raum geerntet wurden, lebende Tiere, die in diesen Ländern geboren und aufgezogen worden sind, sowie Wild und Fische aus den Vertragsländern. Vorprodukte mit Ursprung aus einem Partnerland sind wie ursprungseigene Produkte zu betrachten. Weiter kann ein Nicht-Ursprungsland aus einem Drittland durch ausreichende Be- und Verarbeitung in einem Partnerstaat zu einem Ursprungsprodukt werden. Die Berechnung des Inlandsanteiles kann nach der Verkehrswertmethode (Transaction Value Method) oder der Nettokostenmethode (Net Cost Method) berechnet werden, wobei es dem Importeur, soweit nichts anderes bestimmt ist, freisteht, welche Berechnungsart er wählt330. Produkte mit einem Fremdanteil von weniger als sieben Prozent des Verkehrswertes gelten laut Vertrag immer als Ursprungsprodukte. Komplizierte Ursprungsvorschriften bestehen außerdem u.a. für Milchprodukte, Tabakwaren, Bier, Zucker, Öl, Kaffee, bei denen allmählich eine Vereinfachung der Ursprungsregeln vorgenommen werden soll. Betrachtet man das Kapitel Zölle und Ursprungsregeln insgesamt, so ist ein schneller und möglichst vollständiger Abbau der Zölle und eine Vereinfachung des gesamten Zoll- und Ursprungssystems zu empfehlen. 12.2.2. Die umstrittenen Sektoren Die durch den NAFTA-Vertrag geplante Liberalisierung zwischen Kanada, USA und Mexiko ist besonders schwierig in einigen sensiblen Bereichen wie Energie und Landwirtschaft. 12.2.2.1. Der Energiesektor Der Energiesektor war immer schon ein wunder Punkt in diesen Ländern, da alle drei Staaten in der Förderung und Verarbeitung von Energieträgern tätig sind und dieser Bereich in diesen Ländern nicht nur wirtschaftliche, sondern auch außerordentliche sicherheits- und sozialpolitische Funktion hat. 329 330 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 46. Art. 402 des NAFTA-Vertrages erläutert die Berechnungsmethoden. 129 Die extreme Bedeutung der Energiewirtschaft für die Staaten lässt sich am besten am Beispiel der Erdölwirtschaft von Mexiko zeigen. Erdöl ist in Mexiko nicht nur ein entscheidender Wirtschaftsfaktor, sondern seit jeher ein Politikum. Gelang es im 19. Jahrhundert britischen und nordamerikanischen Gesellschaften, in Mexiko erfolgreich Öl zu fördern und wurden sie dafür 1901 von dem damaligen Präsidenten Porfirio Diaz mit einem Gesetz belohnt, nach dem ausländische Gesellschaften alle Rechte an der Mineralölgewinnung und eine mehrjährige Steuerfreiheit erhielten, so erklärte die Verfassung von 1917 die Bodenschätze Mexikos zum nationalen Eigentum. Seitdem benötigen Gesellschaften, die in Mexiko Öl fördern wollen, eine Konzession331. Konnte Mexiko bis Anfang der zwanziger Jahre sogar zweitgrößter Ölproduzent der Welt werden, so schauten sich die ausländischen Gesellschaften nach der Verstaatlichung nach Alternativen um und gingen vorwiegend nach Venezuela, wodurch Mexikos Ölförderung rapide sank. 1938 kam die gesamte Erdölwirtschaft des Landes in die Hände der staatlichen Gesellschaft PEMEX, deren Erdölförderung erst 1974 den Stand von 1921/22 wieder erreichen konnte332. Immerhin ist es unter großem finanziellen Aufwand inzwischen gelungen, neue Ölfelder zu erschließen, wobei Mexiko ohnehin als eines der Länder mit den größten Erdölreserven der Welt gilt 333. Die Verstaatlichung der mexikanischen Ölwirtschaft schützt zwar die Mexikaner vor ausländischen Konzernen, hat aber auch ihre Schattenseite. Die PEMEX wirkt wie ein Staat im Staate334, denn sechs der elf Vorstandsmitglieder werden direkt durch den Staatspräsidenten bestimmt335. Diese innenpolitische Situation in Mexiko musste auch der NAFTA-Vertrag berücksichtigen. Die Vertragsparteien respektieren deshalb unbedingt die Verfassungsrechte der einzelnen Partnerstaaten, auch wenn der freie Handel dadurch beeinträchtigt wird. Um die gesamten Verhandlungen nicht scheitern zu lassen, mussten die USA und Kanada mehrfach betonen, das mexikanische Verfassungsrecht nicht in Frage stellen zu wollen. Weiter verpflichten sich die Vertragspartner, in allen vertraglich nicht geregelten Bereichen das GATT-Abkommen anzuwenden. Danach dürfen z.B. außer für Antidumping- und Ausgleichsabgaben keine Minimal- oder 331 Gormsen, Erdmann: Mexiko: Land der Gegensätze und Hoffnungen. Fakten-ZahlenÜbersichten, S. 175 332 Gormsen, Erdmann, Mexiko: Land der Gegensätze und Hoffnungen. Fakten-ZahlenÜbersichten, S. 176. 333 1991 ca. 6979 Mrd. Tonnen, s. Gormsen, Erdmann: Mexiko: Land der Gegensätze und Hoffnungen. Fakten-Zahlen-Übersichten, S. 117. 334 Gormsen, Erdmann: Mexiko: Land der Gegensätze und Hoffnungen. Fakten-ZahlenÜbersichten, S. 177. 335 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 55. 130 Maximalpreisvorschriften erlassen werden336. Kanada hatte bis dahin die Höhe der Stromexportpreise nach den Preisen für Alternativenergie ausgerichtet337 und muss nun auf diese staatliche Strompreisfestsetzung verzichten. Das Energiekapitel 6 des NAFTA-Vertrages lehnt sich eng an das Free Trade Agreement zwischen Kanada und den USA an. Zusätzlich erlaubt der 5. Abschnitt des Energiekapitels, angelehnt an das GATT-Abkommen, allgemeine Schutzmaßnahmen, so etwa, vorübergehend Ausfuhrverbote und Ausfuhrbeschränkungen zu erlassen, um einen kritischen Mangel an wichtigen Produkten zu verhüten. Ausfuhrsteuern auf Energie sind allerdings verboten, wenn sie nicht von allen Staaten gleichmäßig erhoben werden. Was Dienstleistungen und Investitionen im Energiebereich angeht, so hat der NAFTA-Vertrag die bestehenden Regelungen nur unwesentlich verändert. In den USA können Ausländer problemlos im Energiesektor investieren, in Kanada ist dies mit staatlicher Einwilligung genauso möglich, in Mexiko sind ausländische Beteiligungen normalerweise nicht erlaubt. Immerhin hat Mexiko 1993 ein Gesetz über ausländische Investitionen verabschiedet, das unter der Oberaufsicht des Staates vereinzelt private Energieproduzenten und ausländische Beteiligungen zulässt, - vielleicht ist dies ein Zeichen Mexikos für eine gewisse Öffnung gegenüber den Partnerstaaten338. 12.2.2.2. Der Agrarsektor Neben dem Energiebereich ist auch der Agrarsektor ein heißes Eisen unter den Partnerstaaten, was allein schon daran liegt, dass etwa in Mexiko ein Fünftel der arbeitenden Gesamtbevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist. Dort fühlte man sich durch die wachsende Konkurrenz der USA und Kanadas bedroht. Umgekehrt fürchteten Kanada und die USA Billigimporte aus Mexiko, wenn der Agrarmarkt untereinander zu sehr geöffnet wird. Zwischen Kanada und den USA bietet traditionell der Handel mit Weizen heftigen Diskussionsstoff. Aus all diesen Gründen haben es die Vertragspartner in Kapitel 7 des NAFTA-Vertrages bei der Erklärung belassen, die Märkte allmählich gegenseitig öffnen zu wollen339. Nach dem Agrarabkommen sind die nichttariffären Handelshemmnisse bis zum 1. Januar 1994 aufzuheben. In Anlehnung an die WTO unterscheidet 336 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 55. Näher zu dieser Strompreispolitik: Hufbauer, Gary / Schott, Jeffrey: North American Free Trade: Issues and Recommendations, S. 205. 338 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 56 f. 339 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 58. 337 131 das Abkommen zwischen inländischen Produktionssubventionen und Exportsubventionen. Inländische Produktionssubventionen sind in dem Ausmaß erlaubt, als sie den Außenhandel nicht oder nur minimal stören und mit den Vorschriften der WTO übereinstimmen. Der Agrarhandel zwischen den USA und Kanada ist im Free Trade Agreement (FTA) festgelegt. Das Kernstück der Vereinbarung ist ebenfalls die Abschaffung beziehungsweise die Reduktion der Exportsubventionen, die den Handel zwischen den beiden Ländern stören. Die Vereinigten Staaten haben allerdings das Recht, den Import von Zucker mengenmäßig zu begrenzen, während Kanada auf den Import von Gerste, Hafer und Weizen eine begrenzte Abgabe erheben darf340. Konflikte zwischen den USA und Kanada gab es in den letzten Jahren neben dem Dauerthema Weizen auch bei Milchprodukten und Geflügel. Von den USA unter Druck gesetzt, erklärte sich Kanada 1994 bereit, die Weizenexporte in die USA auf 1,5 Mio Tonnen zu beschränken. 1995 wurde diese Selbstbeschränkung jedoch wieder aufgehoben. Insgesamt ist festzuhalten, dass es einen vollständig freien Agrarmarkt weder durch den NAFTA-Vertrag noch durch die bilateralen Abkommen geben wird, da die einzelnen Länder weder willens noch in der Lage sind, ihre traditionelle Agrarpolitik aufzugeben und ihre Landwirtschaft einer weltoffenen Konkurrenzwirtschaft auszusetzen. Trotzdem wird durch die Verträge der Agrarhandel zwischen den NAFTA-Partnern insgesamt liberaler. 12.2.3. Schaffung der Voraussetzungen eines freien Handels Damit der freie Handel unter den Staaten auch funktioniert, müssen einige Voraussetzungen geschaffen werden wie ungehinderter Kapital- und Dienstleistungsverkehr, eine Wettbewerbsordnung sowie der Abbau technischer Handelshemmnisse. 340 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 60. 132 12.2.3.1. Technische Handelshemmnisse Um die Liberalisierung des Handels zu verwirklichen, muss ferner alles getan werden, um technische Handelshemmnisse zwischen den Staaten abzubauen. Technische Handelshemmnisse zwischen den Staaten entstehen vor allem mangels einheitlicher technischer Normen. Die Vereinheitlichung von Normen ("Standardisierung") ist im internationalen Handel für eine funktionierende Logistik und Absatzwirtschaft unbedingt erforderlich. Insbesondere für den Vertrieb und die Verteilung von Waren im internationalen Verkehr müssen Normen fast in allen Bereichen vereinheitlicht werden. Ohne eine solche Normenvereinheitlichung ist ein Absatz vieler Waren überhaupt nicht möglich. Wenn beispielsweise in Frankreich hergestellte Füllfederhalterpatronen wegen anderer Länge, Breite oder Dicke nicht in deutsche Füllfederhalter passen, so sind diese französischen Patronen in Deutschland nicht absetzbar. Infolgedessen besteht seit langem ein internationales Bemühen, die unterschiedlichen Normen zu standardisieren. Der Begriff Standardisierung umfasst dabei die Erarbeitung, Formulierung, Veröffentlichung und unterstützende Anwendung von Normen. Standardisierung ist der Weg, um einen Standard zu erreichen341. Gegenstände der Standardisierung können bestimmte Erzeugnisse, Verfahren oder Dienstleistungen sein. Vor allem bestimmte Werkstoffe, Bauteile und Methoden kommen als Normungsgegenstand in Frage342. Ziel der Normung ist es, die Gebrauchstauglichkeit der entsprechenden Dinge zu verbessern. Normen haben zwar im allgemeinen keinen rechtlichen Verbindlichkeits-, sondern mehr Empfehlungscharakter, werden aber häufig zu Industriestandards entwickelt und dann von den meisten Marktteilnehmern anerkannt. Für die Angleichung der Normen innerhalb der EG sind das Comité Europeen de Normalisation (CEN und das CENELEC) zuständig, deren Mitglieder die EU- und EFTA-Staaten sind343. Ähnliche Einrichtungen sind auch für den NAFTA-Zusammenschluss zu empfehlen, um die Einheitlichkeit technischer Normen zu schaffen. International gibt es verschiedene Vereinbarungen zur Vereinheitlichung: Der Kodex über Technische Handelshemmnisse des GATT beziehungsweise der Vertrag über Technische Handelshemmnisse der WTO sowie die Vereinbarungen im Rahmen der Internationalen Organisation für 341 Tröster, Norbert: Euro-Normen für Transportverpackungen, in: Dynamik im Handel 5/97, S. 20-26 (20). 342 Tröster, Norbert: Euro-Normen für Transportverpackungen, in: Dynamik im Handel 5/97, S. 20-26 (20 f). 343 Tröster, Norbert: Euro-Normen für Transportverpackungen, in: Dynamik im Handel 5/97, S. 20-26 (24). 133 Standardisierung (ISO), der Internationalen Telekommunikation (ITU) und der Food and Agriculture Organization (FAO). Die NAFTA-Partnerstaaten bekräftigen ausdrücklich ihren Willen, die in diesen Vereinbarungen eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten344. Darüber hinaus enthält der NAFTA-Vertrag drei Schwerpunkte: Erstens soll das Inländergleichbehandlungsprinzip gelten, wonach ausländische Güter und Dienstleistungen nicht schlechter behandelt werden sollen als einheimische. Zweitens gilt das Meistbegünstigungsprinzip, nach dem alle Vorteile und Vorrechte, die ein NAFTA-Staat einem anderen Staat gewährt, sofort auch allen weiteren NAFTA-Partnern zu gewähren ist. Das NAFTA-Abkommen an sich strebt keine Harmonisierung der Schutzund Sicherheitsbestimmungen an, sondern eine gegenseitige Rechtsanerkennung und Gleichwertigkeit. Werden technische Vorschriften neu geschaffen oder geändert, verlangt der Vertrag eine vorherige Benachrichtigung der davon betroffenen Partnerländer für allgemeine Güter binnen 30 Tagen. Den Partnerstaaten ist das Recht der Stellungnahme einzuräumen. 12.2.3.2. Investitionen und Dienstleistungen Die zunehmende Globalisierung erfordert nicht nur einen freieren Güterhandel, sondern auch einen ungehinderteren Zahlungs-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr sowie eine einheitliche Wettbewerbsordnung. Die einzelnen Länder sind daran interessiert, dass Investoren und Handelsleute ausländisches Kapital ungehindert ins Inland zur Schaffung von Arbeitsplätzen und inländisches Kapital ungehindert ins Ausland verbringen können. Um Kapital für Investitionen anzulocken, dürfen ausländische Investoren nicht ungünstiger behandelt werden als inländische und müssen die Vorteile, die ein NAFTA-Staat einem anderen Staat gibt, auch allen NAFTA-Partnern gewährt werden. Auch der NAFTA-Vertrag befolgt das Prinzip, innerhalb eines Staatenverbundes Benachteiligungen bei Investitionen zu verhindern. Der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr ist zwischen den Staaten weitgehend liberalisiert, einige Dienstleistungen sind jedoch aus verschiedenen Gründen von der Liberalisierung im NAFTA-Raum ausgenommen345. Ausnahmen ergeben sich aus drei Anhängen zu den Vereinbarungen und aus dem Investitionsgesetz von Mexiko aus dem Jahr 1993, das viele Dienstleistungen, etwa in der Energiewirtschaft, Telekommunikation und Tourismus nur einheimischen Bürgern und Unternehmen erlaubt und 344 345 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 69. Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 81. 134 ausländische Beteiligungen ausschließt, während sie in anderen Bereichen begrenzt möglich sind, so etwa bei Banken bis zu 30% und Verlagen bis zu 40%. Kapitel 14 des NAFTA-Vertrages befasst sich mit den Finanzdienstleistungen. Dabei wurde aus der FTA-Vereinbarung die sog. Glass-SteagallRegel übernommen, nach der die übliche Trennung zwischen den üblichen Bankgeschäften und dem Handel mit Staatspapieren nicht gilt. Damit haben die staatlich anerkannten Banken der USA und Kanadas in beiden Ländern das Recht, neben ihren Bankgeschäften auch den Handel mit Staatspapieren zu betreiben. Kritiker betrachten diesen Teil des Vertrages allerdings weniger als einen Akt der Liberalisierung, sondern eher als cleveren Schachzug, um Staatspapiere im Börsenhandel der USA und Kanada optimal plazieren zu können346. Zudem gewährt die Übernahme der FTA-Bestimmungen den Kanadiern die Sicherheit, dass die USA auf Änderungen der Bankengesetzgebung verzichten, die eine Schlechterstellung der kanadischen gegenüber den USamerikanischen Banken zur Folge hätte . Im Bereich Finanzdienstleistungen hat der NAFTA-Vertrag drei Schwerpunkte. Zunächst wird das Recht garantiert, im ganzen Freihandelsraum Finanzinstitute zu gründen, danach dürfen diese Finanzinstitute grenzüberschreitend ihre Dienstleistungen erbringen, soweit keine Ausnahmen bestehen. In Wirklichkeit bestehen hier so viele Ausnahmen, dass der einzige Erfolg der NAFTA-Vereinbarung ist, dass die vorher bestehenden Restriktionen nicht verschärft worden sind. Mexiko etwa verbietet das grenzüberschreitende Versicherungsgeschäft überhaupt347. Ferner soll der NAFTA-Vertrag einen gemeinsamen Telekommunikationsmarkt mit einheitlichen Standards für die technische Ausrüstung der Telekommunikationsnetze sowie der End- und Zusatzgeräte schaffen, die allen Personen und Firmen der Vertragspartner zu gleichen Bedingungen offenstehen. Dafür sollen innerhalb von zehn Jahren alle Zölle und Handelshemmnisse abgebaut werden, allen Personen Nordamerikas eine uneingeschränkte Nutzung der Telekommunikationsnetze und -dienste gewährt werden und die Lizenzvergaben fair erfolgen. Zudem haben die Vertragspartner dafür zu sorgen, dass eventuell bestehende Monopolstellungen von Telekommunikationsunternehmen in einem Land nicht zu Wettbewerbsverzerrungen im Gesamtgebiet führen . 346 347 Dazu Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 86. Näheres Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 83 ff. 135 12.2.3.3. Wettbewerbspolitik Ein weiteres Ziel des NAFTA-Vertrages ist die Schaffung von fairem Wettbewerb. Mit dem Ergebnis der Verhandlungen über die Wettbewerbsbestimmungen, die zwischen den Ländern gelten sollen, sind alle Staaten jedoch bisher unzufrieden. Da jedes Land in erster Linie daran interessiert ist, seine eigenen Industrien zu schützen bzw. seine eigene Wirtschaft zu stärken, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern. Grundsätzlich verpflichten sich die Vertragspartner zwar in Kapitel 15 des NAFTA-Vertrages, den Wettbewerb nicht zu verfälschen, doch ist entgegen der ursprünglich geäußerten Absicht nicht einmal ein gemeinsames Schiedsgericht zur Einigung bei Wettbewerbsstreitigkeiten entstanden, sondern jedes Land hat seine eigene Wettbewerbsbehörde348. Ähnliches gilt auch für Maßnahmen, mit denen sich die Länder vor den Folgen des NAFTA-Vertrages schützen wollen. Obwohl der NAFTA-Vertrag ein Freihandelsabkommen ist, das sich die Liberalisierung des Handels zwischen den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko auf die Fahnen geschrieben hat, haben sich die Länder vorsichtshalber ein Kapitel im NAFTA-Vertrag reservieren lassen, das ihnen die Möglichkeit gibt, gegen eine vertragliche Abmachung, z.B. Zollabbau oder mehr Marktöffnung, "Schutzmaßnahmen" zu ergreifen, wenn durch diesen etwaigen Zollabbau die Einfuhrmenge dermaßen zunimmt, dass die eigene Wirtschaft bedroht ist oder auch, wenn die USA und Kanada durch das Lohngefälle gegenüber Mexiko zu sehr unter Druck geraten. 12.2.4. Der Schutz des geistigen Eigentums Weltweit sind bereits unzählige Raubkopien aller Art aufgetaucht, vor allem in China, aber auch in Südamerika, so dass für Industriebetriebe der Schutz vor geistigem Diebstahl immer wichtiger wird. Im NAFTA-Vertrag befasst sich das Kapitel 17 mit dem Schutz der geistigen Eigentumsrechte. Anerkannt werden die bestehenden internationalen Konventionen, zu denen die Genfer Konvention vom Jahr 1971 zum Schutz der Hersteller von Tonträgern vor unerlaubtem Kopieren, die Pariser Konvention vom Jahr 1971 zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (revidiert 1979), die Pariser Konvention vom Jahr 1883 über den Schutz des gewerblichen Eigentums (1979) und die Internationale Konvention vom Jahr 1978 zum Schutz neuer Pflanzenarten gehören. 348 In den USA z. B. das Department of Justice oder in Kanada das Bureau of Competiton Policy 136 Für die Einzelbestimmungen des Abkommens gilt das Prinzip der Inländergleichbehandlung, nach dem Angehörige aus Vertragspartnerstaaten in bezug auf den Schutz der geistigen Eigentumsrechte nicht ungünstiger behandelt werden dürfen als eigene Staatsangehörige349. Ziel der Vereinbarung über den Schutz des geistigen Eigentums ist es, Eigentumsverletzungen in allen Partnerstaaten verfolgen zu können und durch gegenseitige Rechtshilfe weitere Zuwiderhandlungen zu verhindern. In den USA und Kanada gibt es bereits Zivil- und Strafverfahrensordnungen, die dieses vorsehen350. 12.2.5. Schlussbestimmungen In den Schlussbestimmungen des Kapitels 21 sind noch einige Ausnahmen des gemeinsamen Güter- und Dienstleistungsmarktes geregelt. Dazu gehört u.a. die Unterhaltungsindustrie. Von der Einhaltung des Urheberrechts und dem Abbau von Zöllen auf Produkte der Unterhaltungsindustrie (Musikinstrumente) abgesehen, kann jedes Land seine Unterhaltungsindustrie frei gestalten351. Ferner beharren die Vertragsparteien darauf, ihre Steuerhoheit beizubehalten. 12.3. Institutionelle Bestimmungen des NAFTA-Vertrages Die zunehmend engere Verflechtung zwischen den Partnerstaaten macht ohnehin gemeinschaftliche Institutionen erforderlich. Die Kapitel 18 bis 20 befassen sich daher mit institutionellen Fragen, während Kapitel 22 sich mit den Beitrittsmöglichkeiten für weitere Länder befasst. Wichtige Institutionen des NAFTA-Abkommens sind die Kommission und das Sekretariat. Die Kommission setzt sich aus Vertretern auf Ministerebene zusammen und trifft sich jährlich wenigstens einmal. Sie ist für die Verwirklichung und die Weiterentwicklung des Vertrages verantwortlich und überwacht die Arbeit der Ausschüsse, Unterausschüsse und Arbeitsgruppen, die sie zur Erfüllung einzelner Aufgaben in eigener Kompetenz einsetzen kann. Beschlüsse der Kommission erfordern Einstimmigkeit. Den Vorsitz der Kommission übernimmt in regelmäßiger Folge eines der Vertragsländer. Der Kommission steht ein Sekretariat zur Erledigung der laufenden Geschäfte zur Verfügung. 349 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 90 f. Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 96. 351 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 109. 350 137 Außerdem haben die jahrelangen Differenzen zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada über die kanadischen Subventionen im Handel mit Fischen, Schweinefleisch und Holz dazu geführt, ein Streitschlichtungsverfahren im FTA einzuführen, das weitgehend in die NAFTA übernommen worden ist. Ferner sind Beitrittsverhandlungen nach Kapitel 22 des NAFTAVertrages grundsätzlich mit jedem Land möglich, das willens und in der Lage ist, die mit der NAFTA-Kommission ausgehandelten Bedingungen zu akzeptieren. 12.4. Die NAFTA-Nebenabkommen Im Laufe der Verhandlungen über das Nordamerikanische Freihandelsabkommen tauchten immer mehr Befürchtungen auf, die zunehmende Liberalisierung des Marktes könnte das Umweltschutzniveau in den USA und Kanada weiter absenken und zu einer weiteren Verlagerung von Arbeitsplätzen in das Niedriglohnland Mexiko führen. Aus diesen Gründen wurde zwischen den Staaten um spezielle Regelungen in den Bereichen Umwelt und Arbeit gerungen. Die Umweltverhandlungen waren zwar lang und hart, mündeten aber am 12. August 1993 in einem gemeinsamen Nebenabkommen, das am 1. Januar 1994 in Kraft trat. Zum Schutz ihrer Arbeitskräfte schlossen die USA am 23. Mai 1991 und Kanada am 4. Mai 1992 zunächst jeweils einen bilateralen Vertrag mit Mexiko. Da jedoch diese bilateralen Verhandlungen allgemein als nicht ausreichend beurteilt wurden, kam es unter dem Einfluss des damaligen Präsidentschaftskandidaten Bill Clinton 1993 zwischen den USA und Mexiko zu einem NAFTA-Zusatzabkommen über Arbeitsmarktfragen, das zusammen mit den anderen NAFTA-Verträgen am 1. Januar 1994 in Kraft getreten ist352. 12.4.1. Das Umweltschutzabkommen Das Umweltschutzabkommen fordert in seiner Präambel die Vertragsparteien auf, die Handelsvereinbarungen in Übereinstimmung mit dem Schutz und der Erhaltung der Umwelt anzuwenden sowie für eine nachhaltige Entwicklung und Durchsetzung des Umweltschutzes einzutreten. Im Nahrungsmittelbereich können die Vertragspartner jedoch nach Kapitel 7 ihre nationalen Standardvorschriften beibehalten. Bei Unvereinbarkeit zwischen dem NAFTA-Vertrag und internationalen Umwelt352 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 112. 138 schutzvereinbarungen haben nach Kapitel 1 letztere Vorrang. Diese Bestimmung kam auf Druck der Umweltschutzorganisationen in den Vertrag, um sicherzustellen, dass der NAFTA-Vertrag in jedem Fall die internationalen Verpflichtungen im Umweltbereich einhält353. Sanktionen bei Nichteinhaltung sieht der Vertrag jedoch nicht vor. Das Zusatzabkommen behandelt im wesentlichen vier Themen: Die Verbesserung der gegenseitigen Information zur Erreichung der im Vertrag festgehaltenen Umweltschutzziele, die Einführung neuer Rechtsverfahren, die Einrichtung einer Streitschlichtungsstelle sowie die Schaffung einer Kommission für Umweltfragen zur Überwachung und Durchsetzung des Vertragswerks. Dieses Abkommen verpflichtet die Vertragsparteien über die nationalen Umweltschutzmaßnahmen zu berichten, Maßnahmen zu Bekämpfung von Umweltkatastrophen zu erarbeiten, die eigene Umweltgesetzgebung zu optimieren und den Export von verbotenen Pestiziden und Giftstoffen zu verhindern. Außerdem soll Privatpersonen rechtliches Gehör gewährt werden. Privatpersonen mit rechtlich zugesicherten Interessen ("with a legally recognized interest) sollen sogar das Recht haben, auf Schadensersatz zu klagen und den Staat zu entsprechenden Maßnahmen zu verpflichten. Ferner hat jedes Vertragspartnerland das Recht auf eine Streitschlichtung. Zur Überwachung des Umweltschutzabkommens ist eine Kommission vorgesehen mit einem Rat, einem Sekretariat und beratenden Ausschüssen. 12.4.2. Das Arbeitsabkommen Im Gegensatz zum Umweltabkommen, das den NAFTA-Vertrag ergänzt und erweitert, ist das Arbeitsabkommen ein eigenständiger Vertrag, mit dem die Arbeitsbedingungen und der Lebensstandard in den Partnerstaaten verbessert werden sollen. Ein solches Extraabkommen war nötig, weil die NAFTA-Staaten nicht dazu bereit waren, den Arbeitsmarkt zu vereinheitlichen. Nach wie vor kann jedes Partnerland seinen Arbeitsmarkt selbständig gestalten und sich gegen den Zustrom von Arbeitskräften aus den Nachbarstaaten mit Arbeitsbewilligungs- und Einreisevorschriften schützen. Im NAFTA-Vertrag selbst gibt es daher nur ein Kapitel über den Arbeitsmarkt (Kapitel 16), das vorsieht, für einige Berufsgruppen wie Marketingagenten, Monteure und Händler das Einreise- und Aufenthaltsverfahren zu erleichtern. Zudem gibt es im Anhang 1603.04 der NAFTA noch ein Zusatzabkommen zwischen den USA und Mexiko, nach dem zehn 353 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 114. 139 Jahre lang jährlich 5.500 Mexikanern eine zeitlich befristete Aufenthaltsbewilligung gewährt wird. Mehr enthält der NAFTA-Vertrag über den Arbeitsmarkt nicht. Andere wichtige Themen wie Organisationsfreiheit, Streikrecht, Kinderarbeit, Diskriminierungen, Versorgung und Mindestlöhne behandelt daher das zusätzliche Arbeitsabkommen. Wichtigste Ziele des Arbeitsabkommens sind gegenseitige Information über den jeweiligen Arbeitsmarkt, Harmonisierung des Arbeitsrechts sowie die Lösung von Arbeitskonflikten innerhalb der Partnerstaaten. Auch für die Umsetzung des Arbeitsabkommens ist eine Kommission zuständig mit einem Rat, der aus den einzelnen Arbeitsministern besteht, und einem Sekretariat. Die Anwendung des Arbeitsabkommens im konkreten Einzelfall ist kompliziert, da die nationalen arbeitsrechtlichen Vorschriften sehr voneinander abweichen. Klagen amerikanischer oder mexikanischer Arbeiter in Kanada werden durch das Arbeitsabkommens meist gar nicht berührt, weil in Kanada 80 % bis 90 % der Arbeitsplätze unter das Recht der kanadischen Provinzen fallen und somit das NAFTA-Abkommen nur 10 % bis 20 % der kanadischen Arbeitskräfte betrifft, da in Kanada der Bundesstaat nach seiner Verfassung nicht in das Recht der Provinzen eingreifen darf354. 12.5. Die Auswirkungen des NAFTAAbkommens Nach 7 Jahren NAFTA-Abkommen können die Auswirkungen und Erfolgsaussichten des Abkommens noch nicht endgültig beurteilt werden, doch zeichnen sich bereits einige Trends ab. Der Abbau der Zölle zwischen den Staaten verläuft planmäßig ebenso wie die Liberalisierung des Kapitalverkehrs, während es im Bereich der zwischenstaatlichen Investitionen nach wie vor Schwierigkeiten unter den Staaten gibt. Für die USA ist der Schutz der geistigen Eigentumsrechte nach wie vor ein Problem, da die meisten Eigentumsverletzungen durch Straßenhandel begangen werden, der kaum kontrolliert werden kann355. Die einzelnen Staaten haben vom NAFTA-Abkommen auf unterschiedliche Weise profitiert. Mexiko hätte ohne die NAFTA erhebliche Schwierigkeiten bekommen. Die mexikanische Finanzkrise der Jahre 1994 und 1995 wäre ohne die NAFTA für Mexiko nicht so leicht zu beheben gewesen. Die 354 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 120. Zum Ganzen: Preusse, Heinz Gert: Sechs Jahre Nordamerikanisches Freihandelsabkommen (NAFTA) - Eine Bestandsaufnahme, in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen 2000, S. 333-370 (336 ff.). 355 140 äußerst hohe Auslandsverschuldung des Landes sowie das punktuell besonders schwierige wirtschaftliche Gesamtumfeld zwang die Regierung Mexikos im Dezember 1994, die Dollarbindung des Neuen Mexikanischen Pesos aufzugeben. Die anschließende Abwertung des Pesos, gepaart mit den ausbrechenden Unruhen in Mexikos "Armenhaus Chiapas" und die Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Luis Donaldo Colosio und des Generalsekretärs Ruiz brachten das Land in große wirtschaftliche und politische Schwierigkeiten. Um aus dieser Krise herauszukommen, hat Mexiko von den USA eine Kredithilfe von rund 20 Milliarden US-Dollar erhalten, zu denen noch rund 18 Milliarden US-Dollar vom Internationalen Währungsfonds kamen, obwohl Finanzhilfen im NAFTA-Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehen sind356. Durch diese Hilfe geriet Mexikos Volkswirtschaft zwar in eine starke Abhängigkeit von den USA, auch weil fast 90 % seiner Exporte dorthin gehen357. Die Finanzhilfen der USA und des Internationalen Währungsfonds halfen Mexiko aber bei der Inflationsbekämpfung. Die Teuerungsrate fiel nach 16 % im Jahre 1997 und 19 % im Folgejahr 1998 auf schätzungsweise 13 % für das Jahr 2000358. Nach der letzten Statistik der OECD359 zeigt sich weiterhin die positive Wirkung mit einer für das Jahr 2001 erwarteten Inflationsrate von 6,5 %, nachdem sie im vergangenen Jahr mit 9,5 % schon so niedrig wie schon lange nicht mehr gewesen ist. Zudem lag das Wirtschaftswachstum 2000 bei 7 %, wobei der Außenhandel 30 % zum mexikanischen Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Mehr als 80 % des Außenhandels wickelt Mexiko mit seinem Vertragspartner USA ab. Allerdings ist das Ziel, die grundsätzliche Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung, noch längst nicht erreicht, da im zweitgrößten Land Lateinamerikas die Zahl der Armen, besonders in den südlichen Bundesstaaten, noch immer extrem hoch ist360. Daher sorgt die starke Zuwanderung mexikanischer Arbeiter in die USA weiter für Spannungen zwischen beiden Staaten, wie sich auch beim aktuellen ersten Treffen des neuen US-Präsidenten George W. Bush mit seinem mexikanischen Amtskollegen Vicente Fox zeigt, dass nach wie vor Hunderttausende Mexikaner in die USA flüchten361. Kanada und die USA befanden sich zu Beginn der neunziger Jahre in einer schweren Rezession, der ab 1992 in den USA und in Kanada ein 356 Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 152. Munzingers Archiv, IH-Länder aktuell, Nr. 7/2000, Wirtschaft, unter dem Stichwort "Mexiko", S. 1. 358 Munzingers Archiv, IH-Länder aktuell, Nr. 7/2000, Wirtschaft, unter dem Stichwort "Mexiko", S. 1. 359 Abgedruckt in: HAZ vom 11. Januar 2001, S. 14. 360 "Mexikos Inflationsrate erstmals seit Pesokrise wieder einstellig", in: HAZ vom 11. Januar 2001, S. 14. 361 Zu dem Treffen: Wachsende Bedeutung Mexikos, in FAZ vom 16.02.2001, S. 7. 357 141 Wirtschaftsboom folgte, wie die nachstehende Tabelle362 zeigt. Der einheitliche Wirtschaftsraum der NAFTA hat Anteil daran, dass Kanada am Wirtschaftsaufschwung der USA so stark wie noch nie profitieren konnte Tab. 5: Reale Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den NAFTA-Staaten von 1992 bis 1999 Jahr USA Kanada Mexiko 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2,3 3,5 2,3 3,4 3,9 3,9 3,9 4,1 0,8 2,3 4,1 2,1 1,8 3,7 3,0 3,7 3,7 2,0 4,5 6,2 5,2 7,0 4,8 3,5 Quelle: Preusse, Heinz Gert: Sechs Jahre Nordamerikanisches Freihandelsabkommen (NAFTA) - Eine Bestandsaufnahme, in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen 2000, S. 341. 12.6. Schlussbemerkungen Abschließend sei noch angemerkt, wie sich nach 7 Jahren das NAFTAAbkommen aus Sicht der USA darstellt, die ursprünglich das Abkommen angeregt hat. In der Öffentlichkeit wird in den USA das NAFTA-Abkommen nach wie vor skeptisch beurteilt363. Trotzdem sind und bleiben die USA schon aufgrund ihrer Stärke der Motor der NAFTA, auch wenn sie einer Weiterentwicklung der NAFTA noch nicht zugestimmt haben364 und profitieren auch davon. 362 Vgl. Tab. 5: Reale Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der NAFTA-Staaten von 1992 bis 1999. 363 So Preusse, Heinz Gert: Sechs Jahre Nordamerikanisches Freihandelsabkommen (NAFTA) - Eine Bestandsaufnahme, in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen 2000, S. 333-370 (359). 364 So Preusse, Heinz Gert: Sechs Jahre Nordamerikanisches Freihandelsabkommen (NAFTA) - Eine Bestandsaufnahme, in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen 2000, S. 333-370 (362). 142 Erstens sind Kanada und Mexiko wichtige Handelspartner für die USA und sehr wichtige Absatzmärkte. Zweitens sind das FTA und der NAFTA-Vertrag auch eine US-Reaktion auf die Integrationsbestrebungen in Europa und die Ausweitung und Erstarkung der EG. Darum wollten die USA ein handelspolitisches Gegengewicht zu Europa. Hinzu kommt die spezifische sicherheitspolitische Bedeutung der NAFTA für die USA. Für die Vereinigten Staaten muss die Förderung und Erhaltung der politischen Stabilität in den Ländern, mit denen sie im Norden wie im Süden nicht weniger als mehrere tausend Meilen gemeinsame Grenze teilen, lieb und selbstverständlich, auch teuer sein angesichts der politischen Situation in Kuba, Nicaragua, Panama und Grenada. 143 13. Der Vertrag über den Golfkooperationsrat (GCC) Im Nahen und Mittleren Osten erfolgreiche Kooperationen zu finden, ist nicht leicht. Zu den erfolgreichen Kooperationen gehört der Golfkooperationsrat (Gulf Cooperation Council (GCC)) von 1981, der zwischen den Golfstaaten Kuwait, Bahrain, Saudi-Arabien, Katar, Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten geschlossen wurde365. 13.1. Besitzstandswahrung als Grundlage des GCC Im Mai 1981 gründeten Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman den Golfkooperationsrat. Von Anfang an ergab sich eine gewisse Solidarität zwischen den bis dahin nicht immer harmonisch nebeneinander existierenden Staaten durch die gemeinsame Furcht vor den starken und aggressiven Nachbarn Irak und Iran, die die Führungsrolle am Golf anstrebten und gegenüber einigen Emiraten sogar territoriale Ansprüche geltend machten. Den entscheidenden Impuls für die Gründung des Golfkooperationsrates lieferte schließlich der Krieg zwischen Iran und Irak. Auch wenn Untersuchungen sehr unterschiedliche Erfolgsfaktoren herausfinden, führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass die Basis des für diese oft unruhige Gegend bemerkenswerten Kooperationserfolges die erstklassige wirtschaftliche Situation in diesen reichen Golfstaaten ist. Der Golfkooperationsrat hatte deswegen von Anfang an auch nicht zum Ziel, wirtschaftlichen Aufbau zu fördern, sondern eher den vorhandenen reichen Bestand zu sichern. 13.1.1. Erdölreichtum Der Reichtum dieser Region rund um den Persischen Golf hat diesen Teil der Welt zu einem der Zentren der Weltwirtschaft gemacht. Weit mehr als 365 Vgl. Anlage 5. 144 die Hälfte aller weltweiten Erdölreserven lagern in der Golfregion366. Immer wieder bekommen die westlichen Industrieländer schmerzhaft ihre Abhängigkeit von den Erdölreserven des Mittleren Ostens zu spüren, so besonders während der Ölkrise 1973/74, aber auch in diesen Tagen, in denen schon die erhebliche Verteuerung der Rohölimporte die Industrieländer "nervös" macht. Daher ist es leicht verständlich, dass die großen Industriestaaten auch ein strategisches Interesse daran haben, den Zugriff auf die dortigen Ölreserven zu sichern und gegebenenfalls auch militärisch einzugreifen. 13.1.2. Das Prinzip der Selbstverteidigung Genau diese Einmischung anderer Mächte wollte der Golfkooperationsrat allerdings ursprünglich verhindern. Bei der Gründung des Golfkooperationsrates 1981 erklärte der Oberste Rat, das höchste Gremium, noch deutlich, dass die Sicherheit des Golfes in der eigenen Verantwortung seiner Staaten läge. Auch wenn kaum anzunehmen ist, dass die GCC-Staaten angesichts der großen militärischen Überlegenheit der beiden Nachbarn Irak und Iran ernsthaft geglaubt haben, die Golfregion verteidigen zu können, so zeigte der Rat doch öffentlich Widerstand gegen die Versuche der Supermächte, sich in die Angelegenheiten der Region einzumischen367. Aus Stolz und Nationalbewusstsein glaubten die Golfanrainer wohl durch ein kollektives Sicherheitssystem ihre Region selbst schützen die Bewahrung der Herrschaftssysteme und die nationale Souveränität jedes Landes gewährleisten zu können368. Dadurch konnte sich nach der Bildung des Kooperationsrats ein Verständnis für die Notwendigkeit einer gemeinsamen Sicherheitsanstrengung entwickeln. Innere Gefährdungen wie beispielsweise ein Umsturzversuch in Bahrain im Dezember 1981 stärkten dieses Bewusstsein noch zusätzlich. Ausdrücklich wurde deswegen 1982 die gemeinschaftliche Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit in der Weise betont, jede Aggression gegen irgendein GCC-Mitglied als einen Angriff gegen alle Mitglieder anzusehen369. Jahre später zeigte die Besetzung des GCC-Mitglieds Kuwait durch den Irak dem Golfkooperationsrat - im wahrsten Sinne des Wortes - seine Grenzen auf und zerstörte den Traum von der kollektiven Selbstverteidigung. 366 Siehe Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in arabischen Welt, S. 119. 367 Siehe Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in arabischen Welt, S. 115. 368 Ähnlich Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in arabischen Welt, S. 106. 369 Vgl. Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation in arabischen Welt, S. 115. 145 der der der der Gnadenlos wurde den GCC-Staaten nun klargemacht, dass sie trotz gewaltiger Waffenkäufe während des ersten Jahrzehnts des Bestehens des Golfkooperationsrates nicht in der Lage waren, dem Irak, also auch nur einem ihrer von Beginn an gefürchteten Nachbarn, ein militärisch abschreckendes Potential entgegenzusetzen370. Die endgültige Abkehr von der Doktrin der Selbstverteidigung vollzog der GCC im August 1990 mit dem Einverständnis des saudischen Königs Fahd, amerikanische Truppen in sein Land zu lassen, um es vor dem Irak zu schützen. Allerdings hatte das Prinzip der Selbstverteidigung bereits vorher schon Risse bekommen. Als der Iran 1986 immer mehr Öltanker im Golf angriff, suchte Kuwait Schutz bei den USA und der Sowjetunion. Kuwait konnte sich damals an beide Großmächte wenden, da es sich durch seine betont neutrale Außenpolitik im Ost-West-Konflikt das Wohlwollen beider Staaten erworben hatte und der einzige GCC-Staat war, der überhaupt diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion unterhielt371. Für die USA war Kuwait dagegen ein ganz wichtiger Öllieferant, so dass sie den Kuwaitis gerne erlaubten, ihre Öltanker unter amerikanischer Flagge fahren zu lassen. Von der Sowjetunion durften die Kuwaitis drei sowjetische Öltanker chartern372, die die Iraker nicht wagten, anzugreifen. 13.1.3. Die neue Sicherheitsdoktrin des GCC Als der Irak Kuwait überfiel und die Amerikaner Kriegsschiffe in den Golf sandten, schmolz der Widerstand der GCC-Staaten gegen fremde Hilfe. Von Anfang an widersetzte sich der Golfrat einer Lösung, die nur arabische Staaten betraf, sondern setzte auf den UN-Sicherheitsrat373. Für die antiirakische Koalition leisteten die GCC-Mitglieder organisatorische und finanzielle Hilfe und sandten auch selbst einige Truppenkontingente. Somit verkehrte sich die ursprüngliche Sicherheitsdoktrin des GCC allmählich ins Gegenteil. Wollten die Golfstaaten anfänglich gerade verhindern, dass ihre Ölvorkommen die Großmächte auf den Plan rufen und sich in die inneren Angelegenheiten der Emirate einmischen könnten, so ist 370 Vgl. Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation arabischen Welt, S. 116. 371 Dazu Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation arabischen Welt, S. 116. 372 Vgl. Kistenfeger, Hartmut. Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation arabischen Welt, S. 116 373 Vgl. Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation arabischen Welt, S. 118. in der in der in der in der 146 der Ölreichtum nun die Sicherheitsgarantie der Staaten374. Da der zweite Golfkrieg gezeigt hat, dass nur militärische Stärke oder starke Bündnispartner den Bestand des eigenen Landes wirklich sichern können, schloss Kuwait nach dem Ende der Golfkrise ein umfangreiches Militärabkommen mit den USA, ließ Bahrain für die US-Armee ein Hauptquartier einrichten und schlossen die GCC-Staaten mit Großbritannien und Frankreich weitere Abkommen375. 13.2. Inhalt des Kooperationsvertrages Formal ähnelt der Vertrag über den Golfkooperationsrat anderen Regionalverträgen. Das erste und wichtigste Organ des Golfkooperationsrates ist der Oberste Rat, der sich aus den Staatschefs der sechs Staaten zusammensetzt, deren Präsidenten im Rotationsverfahren wechseln und der einmal im Jahr zusammentritt. Beschlussfähig ist der Rat, wenn mindestens zwei Drittel der Mitglieder anwesend sind, wobei das Konsensprinzip, also Einstimmigkeit, gilt376. Der Ministerrat erarbeitet Vorschläge für den Obersten Rat und legt ihm diese vor. Seine Hauptaufgabe liegt darin, in Zusammenarbeit mit den einzelnen Fachministerien der Mitgliedsstaaten die Vertiefung der Kooperation zu begleiten. Das Generalsekretariat in Riad, dessen Generalsekretär vom Obersten Rat jeweils auf drei Jahre ernannt wird, soll Pläne zur Koordination und Integration auf allen Gebieten erarbeiten, wobei es vorwiegend auf Weisung des Obersten Rates und des Ministerrates handelt. Der Stab des Generalsekretariats soll dabei seine Aufgaben unabhängig von nationalen Weisungen und Erwägungen durchführen377. Ferner gibt es eine Schlichtungskommission, die bei Streitigkeiten von Mitgliedsstaaten über die Auslegung der Charta zusammentritt. Sie erarbeitet einen Lösungsvorschlag und legt ihn dem Obersten Rat vor378. Eine Besonderheit der GCC-Charta im Vergleich zu anderen vergleichbaren Regionalisierungsverträgen besteht darin, dass eine Erweiterung der 374 So auch Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in der arabischen Welt, S. 118. 375 Siehe dazu Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in der arabischen Welt, S. 121. 376 Vgl. Ursula Braun: Der Kooperationsrat arabischer Staaten am Golf: Eine neue Kraft? Regionale Integration als Stabilitätsfaktor, S. 35 f. 377 Vgl. Braun, Ursula: Der Kooperationsrat arabischer Staaten am Golf: Eine neue Kraft? Regionale Integration als Stabilitätsfaktor, S. 36 f. 378 Vgl. Braun, Ursula: Der Kooperationsrat arabischer Staaten am Golf. Eine neue Kraft? Regionale Integration als Stabilitätsfaktor, S. 38. 147 Organisation durch andere Staaten nicht vorgesehen ist, es sei denn, die Charta wird durch Beschluss des Obersten Rates geändert379. Dieser Vertrag betont damit in besonderer Weise den regionalen (begrenzten) Charakter dieser Kooperation. Dennoch hat es immer wieder Versuche und Überlegungen gegeben, andere Staaten einzubeziehen. Irak, Nord- bzw. Südjemen und Jordanien waren zum Beispiel als Kandidaten im Gespräch, doch haben sich die Verhandlungen über eine Aufnahme jeweils zerschlagen. 13.3. Die innenpolitische Situation des Golfkooperationsrats Nach außen hin gelang es dem Golfkooperationsrat auch bei schwierigen Prüfungen wie den beiden Golfkriegen weitgehend, gemeinsam zu handeln und ihre Existenzgrundlage, die Ölvorkommen der Golfregion, zu schützen. Innenpolitisch hat der GCC jedoch auch mit erheblichen Problemen zu kämpfen. 13.3.1. Konflikte zwischen den GCC-Mitgliedern Auch wenn sich der Golfkooperationsrat allmählich zu einer Gemeinschaft entwickelte, so gelang es im ersten Jahrzehnt seines Bestehens doch nicht ganz, eine Atmosphäre aus Stabilität, Vertrauen und Sicherheit unter den GCC-Mitgliedern zu schaffen, was sich beispielsweise aus dem Umstand ersehen lässt, dass in den Vorkriegstagen vom Juli 1990 in Kuwait kaum geringeres Misstrauen gegenüber Saudi-Arabien herrschte als gegenüber dem Irak. Erst nach dem zweiten Golfkrieg soll sich zwischen den beiden Ländern ein besseres Verhältnis entwickelt haben380. Hauptgrund für die Konflikte beider Staaten ist die unklare Grenzziehung. 379 Vgl. Braun, Ursula: Der Kooperationsrat arabischer Staaten am Golf: Eine neue Kraft?, Regionale Integration als Stabilisierungsfaktor, S. 47. 380 Siehe dazu Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in der arabischen Welt, S. 133. 148 13.3.1.1. Katar und Saudi-Arabien Allgemein sind Grenzkonflikte das größte Problem unter den GCC-Staaten und stellen daher das Hauptrisiko für den Bestand des Regionalverbundes dar. Zu den gefährlichsten Grenzkonflikten gehörte dabei der Streit zwischen Katar und Saudi-Arabien. Katar kündigte am 1. Oktober 1992 den Grenzvertrag mit Saudi-Arabien von 1965, nachdem es im Grenzgebiet beider Staaten zu einer Schießerei gekommen war. Katar warf SaudiArabien vor, den Grenzposten Khafus angegriffen zu haben. Saudi-Arabien wiederum entgegnete, dieser Grenzposten sei zur Irritierung der Öffentlichkeit während des zweiten Golfkrieges 14 Kilometer tief in saudischem Gebiet aufgestellt worden und nach dem Ort Khafus in Katar benannt worden. Es habe sich bei dem Schusswechsel lediglich um eine Auseinandersetzung unter Beduinen gehandelt381. 13.3.1.2. Bahrain und Katar Ebenfalls schwer belastend für den GCC ist der ewige Konflikt zwischen den Emiraten Bahrain und Katar. Eigentlich ist es ein Streit zwischen den Herrscherfamilien Al-Thani und Al-Khalifa, die sich beide ursprünglich im 18. Jahrhundert auf der katarischen Halbinsel niederließen, sich dann aber zerstritten. Die Al-Khalifa mussten sich nach Bahrain zurückziehen, sehen aber heute noch Katar als ihr Gebiet an382. Die Auseinandersetzung zwischen beiden Staaten steigerte sich, als Bahrain für Erdölbohrungen die Hawar-Inseln und das Korallenriff Fascht adDibal beanspruchte, die ganz nahe bei Katar liegen. Unterstützung erhielt Bahrain von der damaligen britischen Schutzmacht und nach deren Abzug vom neuen Vermittler Saudi-Arabien, doch Katar gab sich mit diesem Ergebnis nicht zufrieden, und so war es nur eine Frage der Zeit, wann es zu militärischer Gewalt zwischen den Staaten kommen würde. 1938 war es dann so weit, als Bahrain auf dem Korallenriff eine Bohrinsel errichten wollte. Kampfhubschrauber aus Katar griffen das Korallenriff an und nahmen die dortigen Arbeiter vorübergehend fest, woraufhin Bahrain seine Streitkräfte auf den Hawar-Inseln verstärkte. Saudi-Arabien konnte bei dieser Eskalation noch erfolgreich vermitteln, doch ist der Konflikt immer noch ungelöst und flackert immer wieder auf, zuletzt 1991 als ein 381 Näheres zu dem Konflikt bei Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in der arabischen Welt, S. 135f. 382 Einzelheiten zu dem Familienstreit bei Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in der arabischen Welt, S. 136. 149 bewaffnetes katarisches Schnellboot in bahrainisches Gebiet fuhr383. Nach wie vor stehen sich auch die beiden Herrscherfamilien nahezu unversöhnlich gegenüber. Für die Regionalisierung der Golfregion ist der seit über hundert Jahren bestehende Streit zwischen Katar und Bahrain ein ständiger, schwieriger Begleiter. Besonders problematisch gerade auch für den Verbund des Golfkooperationsrates ist dabei die Tatsache, dass beide Seiten nicht einmal diplomatische Beziehungen miteinander unterhalten384. Trotzdem gibt es derzeit keine Anzeichen dafür, dass der Golfkooperationsrat an der katarisch-bahrainischen Fehde oder anderen bestehenden Differenzen insgesamt scheitern könnte. Gerade die letzten zwanzig Jahre mit zwei Golfkriegen, dem Ende des Ost-West-Konflikts sowie der Globalisierung der Weltwirtschaft haben den Staaten der Golfregion gezeigt, wie wichtig der Zusammenhalt der Ölscheichtümer geworden ist. 13.3.2. Das Verhältnis zu Israel Ein Sonderproblem ist das Verhältnis der GCC-Staaten zu Israel. Die GCCStaaten sind allesamt Gegner Israels. Israel ist jedoch nach wie vor der wichtigste Verbündete der USA im Nahen Osten. Zwar hat sich das Verhältnis einiger Staaten zu Israel leicht gebessert, doch schwächt die Fixierung der GCC-Staaten auf den Schutz durch die USA ihre Verhandlungsposition im Nahost-Konflikt. Im Zweifel ist nach den bisherigen Erfahrungen des GCC mit den arabischen "Brüdern" davon auszugehen, dass er sich in kritischen Situationen auf die Seite der USA stellen wird, so wie er es auch während der Kuwait-Krise getan hat. 13.4. Schlussbemerkungen Der Golfkooperationsrat gibt ein Beispiel, dass auch schwerwiegende, sehr alte Fehden einem regionalen Zusammenschluss nicht den Erfolg verwehren können. Letztlich überwiegen die sich für alle Mitglieder aus der Kooperation ergebenden Vorteile, hier vor allem die gemeinsame Förderung des Ölreichtums und die gemeinsame Konfliktbewältigung bei äußeren und inneren Streitigkeiten. Hier ist auch besonders deutlich erkennbar, wie sich 383 Dazu Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation in der arabischen Welt, S. 137 . 384 Vgl. Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation in der arabischen Welt, S. 137. 150 bei den regionalen Zusammenschlüssen wirtschaftliche und politische Erfolge gegenseitig bedingen. Der Erfolg des Golfkooperationsrates lässt sich aktuell am besten damit belegen, dass in der Neujahrsnacht 2000/2001 die Meldung veröffentlicht wurde, dass die GCC-Staaten zum ersten Mal in der Geschichte dieser Region einen Verteidigungspakt mit einer gemeinsamen Eingreiftruppe beschlossen haben. An eine baldige Auflösung des Golfkooperationsrats ist daher nicht zu denken. 151 Schlusswort Regionalisierungs- und Integrationsversuche haben auf jedem Kontinent ihre spezifische Geschichte. Die Schwierigkeiten und Erfolgsfaktoren sind oft ein Spiegelbild der jeweiligen Region. Daher verläuft die Integration auch sehr unterschiedlich. In einigen Fällen wird insbesondere Wert auf wirtschaftliche Integration gelegt, in anderen steht die politische Integration im Vordergrund. Was die wirtschaftliche Integration angeht, ist weiterhin anzumerken, dass sich auch die Weltwirtschaft in einem starken Konzentrationsprozess befindet, so wie sich im Augenblick abzeichnet, dass sich der amerikanische Kontinent zusammenschließt und die Welt bald aus drei riesigen kontinentalen Wirtschaftsblöcken bestehen wird. 152 Schrifttumsverzeichnis Albrecht, Ulrich / Volger, Helmut: Lexikon der internationalen Politik 1. Aufl., Oldenburg Verlag, München 1997. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen 1. Aufl., Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1998. Alkazaz, Aziz: Economic Cooperation Organization (ECO): Strukturen eines neuen Wirtschaftsraumes in: Jahrbuch Dritte Welt 1996, C. H. Beck Verlag, München 1995, S. 249-258. Baratta, Mario von / Clauß, Jan Ulrich: Internationale Organisationen. Ein Handbuch 1. Aufl., Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1991. Baratta, Mario von: Fischer Taschenbuch der internationalen Organisationen 1. Aufl., Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1995. Baßeler, Ulrich / Heinrich, Jürgen / Koch, Walter A. S.: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaftslehre 14. Aufl., Wirtschaftsverlag Bachem, Köln 1995. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel: Erscheinungsformen, Ursachen und Bedeutung für Richtung und Struktur des internationalen Handels 1. Aufl., Nomos Verlag Baden-Baden 1995 (Veröffentlichungen des HWWA-Instituts für Wirtschaftsforschung Hamburg, Band 15). Braun, Ursula: Der Kooperationsrat arabischer Staaten am Golf: Eine neue Kraft? Regionale Integration als Stabilitätsfaktor 1. Aufl., Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1986. Capital (Zeitschrift für den Anleger): Vor dem Zinstribunal in: Capital 2000, Nr. 26, S. 10-12. 153 Cornelssen, Inse: Vom Bipolarismus zum Multipolarismus: Die EG als Katalysator weltweiter Regionalisierungstendenzen hrsg. von Marin Trenk und Dieter Weiss, Reihe: Diskussionspapiere der Freien Universität Berlin, Nr. 29, Berlin 1995. Demirelli, Tiraje: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus Freihandel) in: Dorner, Klaus / Meyer-Thamer, Gisela / Paape, Björn / Verny, Arsene: Aspekte der europäischen Integration 1. Aufl., Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden 1998, S. 71-83. Dosch, Jörn: Die ASEAN: Bilanz eines Erfolges. Akteure, Interessenlagen, Kooperationsbeziehungen 1. Aufl., Abera Verlag, Hamburg 1997. Duden, Konrad: Das Fremdwörterbuch 5. Aufl., Bibliographisches Institut (Duden Verlag), Mannheim 1990. El-Agraa, Ali: The Economics of the European Community 4th ed., Harvester Wheatsheaf, New York 1994. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd 1. Aufl., Frankfurt am Main / New York 1988. Europäische Kommission: Die Lage der Landwirtschaft in der Europäischen Union. Bericht 1998. Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaft, 1. Aufl., Luxemburg 1999. Feske, Susanne: Der ASEAN-Staatenbund in: Dahm, Bernhard / Ptak, Roderich (Hrsg.): Südostasien-Handbuch: Geschichte, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur 1. Aufl., C. H. Beck Verlag, München 1999, S. 541-561. Fischer Taschenbuch Verlag GmbH (Hrsg.): Fischer Weltalmanach 2001 1. Aufl., Fischer Taschenbuch Verlag GmbH 2000. 154 Fitzmaurice, John: Die EG auf dem Weg ins nächste Jahrhundert in: Röttinger, Moritz / Weyringer, Claudia: Handbuch der europäischen Integration 2. Aufl., Manz Verlag, Wien 1996, S. 357-369. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Investitionsführer Südliches Afrika des Instituts für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH 1. Aufl., Frankfurt am Main 2000. Fritz, Barbara: Der MERCOSUR: Zwei Schritte vor, einer zurück in: Jahrbuch Dritte Welt 1996, C. H. Beck Verlag, München 1995, S. 243-248. Frontzkowski, Katja: Die Probleme des kanadischen Außenhandels unter Berücksichtigung der potentiellen Auswirkungen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens in: Europäische Hochschulschriften: Reihe 5: Volks- und Betriebswirtschaft, 1. Aufl., Frankfurt 1994. Geiger, Rudolf: EG-Vertrag: Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften 2. Aufl., C. H. Beck Verlag, München 1995. Gormsen, Erdmann: Mexiko: Land der Gegensätze und Hoffnungen. Fakten-ZahlenÜbersichten 1. Aufl., Justus Perthes Verlag, Gotha 1995. Grabitz, Eberhard / Hilf, Meinhard: Das Recht der Europäischen Union Loseblattkommentar, 15. Ergänzungslieferung, C. H. Beck Verlag, München 2000. Harenberg Lexikon Verlag (Hrsg.): Jahrbuch Aktuell 2001 der Harenberg Komunikation 1.Aufl., Harenberg Verlags- und Medien GmbH & Co. KG, Dortmund 2000. Hailbronner, Kay / Klein, Eckart: Handkommentar zum Vertrag über die Europäische Union Loseblattsammlung, 6. Lieferung, Carl Heymanns Verlag, Köln 1997. 155 Hannoversche Allgemeine Zeitung: Mexikos Inflationsrate erstmals seit Pesokrise wieder einstellig in: HAZ vom 11.01.2001, S. 14. Happe, Barbara: Mercosur und Umweltpolitik am Beispiel der Wasserstraße ParanaParaguay in: Reihe Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation. 1. Aufl., Iberoamerikanisches Institut Hamburg 1997, S. 89-100. Hauser, Heinz / Zimmermann, Thomas: Zum wirtschaftlichen und integrationspolitischen Stellenwert der bilateralen Verträge Schweiz-EU in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen 1990, S. 463-479. Heilmann, Sebastian: Der Ritt auf dem Tiger. Innerer Umbruch und internationaler Aufstieg der Volksrepublik China in: Jahrbuch Dritte Welt 1997, 1. Aufl., C. H. Beck Verlag, München 1996, S. 184-189. Helstelä, Pekka: Risikominderung durch wirtschaftliche Integration: abkommen in Nordamerika 1. Aufl., Duncker & Humblot Verlag, Berlin 1997. Freihandels- Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatisch-pazifischen Raum IFO-Institut für Wirtschaftsforschung e. V. München (IFO-Studien zur Japanforschung: 5), 1. Aufl., IFO-Verlag, München 1992. Hitzler, Gerhard: Die Europäische Union in: Röttinger, Moritz / Weyringer, Claudia: Handbuch der europäischen Integration: Strategie-Struktur-Politik der Europäischen Union, 2. Aufl., Manz Verlag, Wien 1996, S. 19-42. Hufbauer, Gary / Schott, Jeffrey: Free Trade Areas, the Enterprise for the Americans Initiative, and the Multilateral Trading System in: Bradford, Colin (Ed.): Strategic Options for Latin America in the 1990s, First Ed., Paris 1994. 156 Hufbauer, Gary / Schott, Jeffrey: North American Free Trade: Issues and recommendations Institute for International Economics First ed., Washington DC 1992. Kasten, Hans: Die europäische Wirtschaftsintegration 1. Aufl., Finken Verlag, München 1978. Kellenberger, Jakob: Zur wirtschaftlichen Bedeutung der bilateralen Verträge Schweiz - EU in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen 1999, S. 7-21. Kiplagat, Bethuel: Zivilgesellschaft und Konfliktmanagement in Afrika in: Internationale Politik (Zeitschrift der Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V.) 1998, Nr. 3, S. 16-22. Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in der arabischen Welt Reihe Arbeitspapiere zur internationalen Politik des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V., Nr. 89, 1. Aufl., Europa Union Verlag, Bonn 1994. Klein, Wolfram: Lernprozess Integration: Unternehmer und Gewerkschaften im Mercosur in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation, 1. Aufl., Iberoamerikanisches Institut, Hamburg 1997, S. 73-88. Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch Europäische Wirtschaftspolitik 1. Aufl., Vahlen Verlag, München 1998. Koszinowski, Thomas: Neue Allianzen im Nahen Osten? in: Jahrbuch Dritte Welt 1999, C. H. Beck Verlag, München 1998, S. 276-285. Krenzler, Horst Günther: Der Europäische Wirtschaftsraum als Teil einer gesamteuropäischen Architektur in: Zeitschrift Integration 1992, S. 47-51. 157 Kühne, Winrich: Kriege und Konfliktursachen im subsaharischen Afrika in: Jahrbuch Dritte Welt 2000 C. H. Beck Verlag München 1999, S. 115-131. Lange, Joachim: Die Politische Ökonomie des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA: Erwartete wirtschaftliche Auswirkungen, Interessengruppen und der handelspolitische Entscheidungsprozess 1. Aufl., IKO-Verlag für interkulturelle Kommunikation, Frankfurt am Main 1998. Lange, Klaus: Reihe Focus-Fakten: Der Euro: Das Lexikon zur neuen Währung 1. Aufl., Meyers Lexikon Verlag, München 2000 Langhammer, Rolf / Hiemenz, Ulrich Regional Integration Among Developing Countries. Opportunities, Obstacles and Options Kieler Studien Nr. 232, 1. Aufl., Mohr Verlag, Tübingen 1990. Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia First ed., Routledge, London 1989. Lenz, Carl Otto (Hrsg.): EG-Vertrag: Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften 2. Aufl., Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft, Köln 1999. Makinda, Samuel: Das Tauziehen um die Spratly-Inseln in: Internationale Politik (Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V.) 10/95, S. 16-22. Matthies, Volker: Die friedenspolitische Rolle der Organisation der Afrikanischen Einheit in: Jahrbuch Afrika 1996, C. H. Beck Verlag, München 1995, S. 130-146. Meyns, Peter: Das Südliche Afrika - eine Region verändert ihr Gesicht in: Jahrbuch Dritte Welt 1996, 1. Aufl., C. H. Beck Verlag, München 1995, S. 130-146. 158 Meyns, Peter: Die "Entwicklungsgemeinschaft" des Südlichen Afrika nach der Apartheid - neue Ziele, alte Probleme in: Verfassung und Recht in Übersee (VRÜ) 1998, S. 171-195. Mickel, Wolfgang (Hrsg.): Handlexikon der Europäischen Union 2. Aufl., Omnia-Verlag, Köln 1998. Minkner-Bünjer, Mechthild: Mercosur - die strategische Option Chiles in Lateinamerika in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation, 1. Aufl., Iberoamerikanisches Institut, Hamburg 1997, S. 39-63. Munzinger, Ludwig: Munzingers Archiv für publizistische Arbeit. Internationales Handbuch. Staaten der Welt von A-Z. Internationale Zusammenschlüsse und Organisationen Loseblattsammlung, Munzingers Archiv GmbH, Ravensburg ab 1989. Nicolaysen, Gert: Zum Anti-Dumping-Recht der EWG in: Zeitschrift Europarecht 1991, S. 224-235. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, 1. Aufl., Vahlen Verlag, München 1998, S. 5-139. Ostasiatischer Verein e. V.: Wirtschaftshandbuch Asien-Pazifik 1997/98 Eine Publikation des Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, 42. Ausgabe, Hannover / Hamburg 1997. Preusse, Heinz Gert: Sechs Jahre Nordamerikanisches Freihandelsabkommen (NAFTA) Eine Bestandsaufnahme in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen 2000, S. 333-370. Reader's Digest Associations Inc.: Meilensteine des 20. Jahrhunderts 1. Aufl., Verlag DAS BESTE GmbH, Stuttgart 1977. 159 Rotstein, Abraham: Hidden Costs of Free Trade in International Perspectives 1st ed., New York Juli / August 1985, S. 3-7. Samtleben, Jürgen / Calixto Salomao Filho: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt. - Eine rechtliche Analyse des Mercosur in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1992, Teil I, S. 1345-1352, Teil II, S. 1385-1391. Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt (MERCOSUR) und seine neue Verfassung in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1996, S. 1997-2005. Schonebohm, Dieter: Auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Markt? Der Mercosur und seine Institutionen in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation, Iberoamerikanisches Institut Hamburg 1997, S. 11-28. Seibert, Gerd / Wendelberger, Erhard: Großes Lexikon in Wort und Bild (Band 8) 1. Aufl., Wissen Verlag, Hersching 1979. Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone 1. Aufl., Schulthess Polygraphischer Verlag, Zürich 1996. Steindorff, Ernst: Unvollkommener Binnenmarkt in: Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (ZHR) 1994, S 149-169. Strohmeier, Rudolf: Die Europäische Union: Ein Kompendium aus deutscher Sicht 1. Aufl., Opladen Verlag, Wiesbaden 1994. Tröster, Norbert Euro-Normen für Transportverpackungen in: Zeitschrift Dynamik im Handel 5/98, S. 20-26. 160 Van den Boom, Dirk: Zögerliche Regionalkooperationen in Afrika in: Jahrbuch Dritte Welt 1999 C. H. Beck Verlag, München 1998, S. 173-182. Von der Groeben, Hans / Thiesing, Jochen / Ehlermann, Claus-Dieter: Kommentar zum EU/EG-Vertrag, Band 1 5. Aufl., Nomos Verlagsgesellschaft, Baden Baden 1997 Weber, Stefan / Bohr, Sebastian: Der Binnenmarkt und die Grundfreiheiten in: Handbuch der europäischen Integration: Strategie-Struktur-Politik der Europäischen Union, 2. Aufl., Manz Verlag, Wien 1996, S. 315 -356. Weidenfeld, Werner / Wessels, Wolfgang Europa von A-Z. Taschenbuch der europäischen Integration des Instituts für Europäische Politik 1. Aufl., Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1991. Wisdorff, Eberhard / Haupt, Sabine (Hrsg.): EG-Lexikon [Handelsblatt-Wirtschaftsbuch] 1. Aufl., Schäfer-Pöschel Verlag, Stuttgart 1993 Zürrer, Werner: Politische, wirtschaftliche, militärische Zusammenschlüsse und Pakte der Welt 13. Aufl., Siegler Verlag für Zeitarchive, Sankt Augustin 1987. 161 Anlage 11 Treaty of the Southern African Development Community Treaty adopted at the SADC Summit, Windhoek, Namibia, August 1992 162 Preamble We, the Heads of State or Government of: The People's Republic of Angola The Republic of Botswana The Kingdom of Lesotho The Republic of Malawi The Republic of Mozambique The Republic of Namibia The Kingdom of Swaziland The United Republic of Tanzania The Republic of Zambia The Republic of Zimbabwe HAVING REGARD to the objectives set forth in "Southern Africa Toward Economic Liberation - A Declaration by the Governments of independent States of Southern Africa, made at Lusaka, on the 1st April, 1980"; IN PURSUANCE of the principles of "Towards a Southern African Development Community - A Declaration made by the Heads of State or Government of Southern Africa at Windhoek, in August, 1992," which affirms our commitment to establish a Development Community in the Region; DETERMINED to ensure, through common action, the progress well-being of the peoples of Southern Africa; and CONVINCED of the need to mobilise our own and international resources to promote the implementation of national, interstate and regional policies, programmes and projects within framework for economic integration; DEDICATED to secure, by concerted action, international understanding, support and cooperation; MINDFUL of the need to involve the peoples of the Region centrally in the process of development and integration, particularly through the guarantee of democratic rights, observance of human rights and the rule of law; RECOGNISING that, in an increasingly interdependent world, mutual understanding, good neighbourliness, and meaningful cooperation among the countries of the Region are indispensable to the realisation of these ideas; 163 TAKING INTO ACCOUNT the Lagos Plan of Action and the Final Act of Lagos of April 1980, and the Treaty establishing the African Economic Community signed at Abuja, on the 3rd of June, 1991; BEARING IN MIND the principles of international law governing relations between States; HAVE DECIDED TO ESTABLISH AN INTERNATIONAL ORGANISATION TO BE KNOWN AS THE SOUTHERN AFRICAN DEVELOPMENT COMMUNITY (SADC), AND HEREBY AGREE AS FOLLOWS: Chapter 1 Article 1: Definitions In this Treaty, unless the context otherwise requires: 1. "Treaty" means this Treaty establishing SADC; 2. "Protocol" means an instrument of implementation of this Treaty, having the same legal force as this Treaty; 3. "Community" means the organisation established by Article 2 of this Treaty; for economic integration 4. "Region" means the geographical area of the Member States of SADC; 5. „Summit“ means the Summit of the Heads of State or Government of SADC established by Article 9 of this Treaty; 6. "High Contracting Parties” means States, herein represented by Heads of State or Government or their duly authorised representatives for purposes of the establishment of the Community; 8. "Council" means the Council of Ministers of SADC established by Article 9 of this Treaty; 9. "Secretariat" means the Secretariat of SADC established by Article 9 of this Treaty; 164 10. „Executive Secretary“ means the chief executive officer of SADC appointed under Article 10 (7) of this Treaty; 11. "Commission" means a commission of SADC established by Article 9 of this Treaty; 12. “Tribunal" means the tribunal of the Community established by Article 9 of this Treaty; 13. "Sectoral Committee" means a committee referred to in Article 38 of this Treaty; 14. "Sector Coordinating Unit" means a unit referred to in Article 38 of this Treaty; 15. “Standing Committee” means the Standing Committee of Officials established by Article 9 of this Treaty; 16. "Fund" means resources available at any given time for application to programmes, projects and activities of SADC as provided by Article 26 of this Treaty. Chapter Two Establishment and Legal Status Article 2: Establishment 1. By this Treaty, the High Contracting Parties establish the Southern African Development Community (hereinafter referred to as SADC). 2. The Headquaters of SADC shall be at Gabarone, Republic of Botswana. Article 3 1. SADC shall be an international organisation, and shall have legal personality with capacity and power to enter into contract, acquire, own or dispose of moveable or immovable property and to sue and be sued. 165 2. In the territory of each Member State, SADC shall, pursuant to paragraph 1 of this Article, have such legal capacity as is necessary for the proper exercise of its functions. Chapter Three Principles, Objectives and General Undertakings Article 4: Principles SADC and its Member States shall act in accordance with the following principles: (a) sovereign equality of all Member States; (b) solidarity, peace and security; (c) human rights, democracy, and the rule of law; (d) equity, balance and mutual benefit; (e) peaceful settlement of disputes. Article 5: Objectives 1. The objectives of SADC shall be to: (a) achieve development and economic growth, alleviate poverty, enhance the standard and quality of life of the peoples of Southern Africa and support the socially disadvantaged through regional integration; (b) evolve common political values, systems and institutions; (c) promote and defend peace and security; (d) promote self-sustaining development on the basis of collective self -reliance, and the interdependence of Member States; (e) achieve complementarity between national and regional strategies and programmes; (f) promote and maximise productive employment and utilisation of resources of the Region; (g) achieve sustainable utilisation of natural resources and effective protection of the environment; 166 (h) strengthen and consolidate the longstanding historical, social and cultural affinities and links among the peoples of the Region. 2. In order to achieve the objectives set out in paragraph 1 of this Article, SADC shall: (a) harmonise political and socio-economic policies and plans of Member States; (b) encourage the peoples of the Region and their institutions to take initiatives to develop economic, social and cultural ties across the Region, and to participate fully in the implementation of the programmes and projects of SADC; (c) create appropriate institutions and mechanisms for the mobilisation of requisite resources for the implementation of programs and operations of SADC and its Institutions; (d) develop policies aimed at the progressive elimination of obstacles to the free movement of capital and labour, goods and services, and of the peoples of the Region generally, among Member States; (e) promote the development of human resources; (f) promote the development, transfer and mastery of technology; (g) improve economic management and performance through regional cooperation; (h) promote the coordination and harmonisation of the international relations of Member States-, (i) secure international understanding, cooperation and support, and mobilise the inflow of public and private resources into the Region; (j) develop such other activities as Member States may decide in furtherance of the objectives of this Treaty. Article 6: General Undertakings 1. Member States undertake to adopt adequate measures to promote the achievement of the objectives of SADC, and shall refrain from taking any measure likely to jeopardise the sustenance of its principles, the achievement of its objectives and the implementation of the provisions of this Treaty. 2. SADC and Member States shall not discriminate against any person on grounds of gender, religion, political views, race, ethnic origin, culture or disability. 3. SADC shall not discriminate against any Member State. 167 4. Member States shall take all steps necessary to ensure the uniform application of this Treaty. 5. Member States shall take all necessary steps to accord this Treaty the force of national law. 6. Member States shall cooperate with and assist institutions of SADC in the performance of their duties. Chapter Four Membership Article 7: Membership States listed in the Preamble hereto shall, upon signature and ratification of this Treaty, be members of SADC. Article 8: Admission of New Members 1. Any state not listed in the Preamble to this Treaty may become a member of SADC upon being admitted by the existing members and acceding to this Treaty. 2. The admission of any such state to membership of SADC effected by a unanimous decision of the Summit. shall be 3. The Summit shall determine the procedures for the admission of new members and for accession to this Treaty by such members. 4. Membership of SADC shall not be subject to any reservations. 168 Chapter Five Institutions Article 9: Establishment of Institutions 1. The following Institutions are hereby established: (a) (b) (c) (d) (e) (f) The Summit of Heads of State or Government; The Council of Ministers; Commissions, The Standing Committee of Officials; The Secretariat; and The Tribunal. 2. Other institutions may be established as necessary. Article 10: The Summit 1. The Summit shall consist of the Heads of State or Government of all Member States, and shall be the supreme policy-making institution of SADC. 2. The Summit shall be responsible for the overall policy direction and control of the functions of SADC. 3. The Summit shall adopt legal instruments for the implementation of the provisions of this Treaty; provided that the Summit may delegate this authority to the Council or any other institution of SADC as the Summit may deem appropriate. 4. The Summit shall elect a Chairman and a Vice-Chairman of SADC from among its members for an agreed period, on the basis of rotation. 5. The Summit shall meet at least once a year. 6. The Summit shall decide on the creation of Commissions, other institutions, committees and organs as the need arises. 169 7. The Summit shall appoint the Executive Secretary and the Deputy Executive Secretary, on the recommendation of Council. 8. Unless otherwise provided in this Treaty, the decisions of shall be by consensus and shall be binding. the Summit Article 11: The Council 1. The Council shall consist of one Minister from each Member State, preferably a Minister responsible for economic planning or finance. 2. It shall be the responsibility of the Council to: (a) oversee the functioning and development of SADC; (b) oversee the implementation of the policies of SADC and the proper execution of its programmes; (c) advise the Summit on matters of overall policy and efficient and harmonious functioning and development of SADC; (d) approve policies, strategies and work programmes of SADC; (e) direct, coordinate and supervise the operations of the institutions of SADC subordinate to it; (f) define sectoral areas of cooperation and allocate to Member States responsibility for coordinating sectoral activities, or reallocate such responsibilities; (g) create its own committees as necessary; (h) recommend to the Summit persons for appointment to the posts of Executive Secretary and Deputy Executive Secretary; (i) determine the Terms and Conditions of Service of the staff of the institutions of SADC; (j) convene conferences and other meetings as appropriate, for purposes of promoting the objectives and programmes of SADC; and (k) perform such other duties as maybe assigned to it by the Summit or this Treaty. 3. The Chairman and Vice-Chairman of the Council shall be appointed by the Member States holding the Chairmanship and the Vice-Chairmanship of SADC respectively. 4. The Council shall meet at least once a year. 5. The Council shall report and be responsible to the Summit, 6. Decisions of the Council shall be by consensus. 170 Article 12: Commissions 1. Commissions shall be constituted to guide and coordinate cooperation and integration policies and programmes in designated sectional areas. 2. The composition, powers, functions, procedures and other matters related to each Commission shall be prescribed by an appropriate protocol approved by the Summit 3. The Commissions shall work closely with the Secretariat. 4. Commissions shall be responsible and report to the Council. Article 13: The Standing Committee of Officials 1. The Standing Committee shall consist of one permanent secretary or an official of equivalent rank from each Member State, preferably from a ministry responsible for economic planning or finance. 2. The Standing Committee shall be a technical advisory committee to the Council. 3. The Standing Committee shall be responsible and report to the Council. 4. The Chairman and Vice-Chairman of the Standing Committee shall be appointed from the Member States holding the Chairmanship and the Vice-Chairmanship, respectively, of the Council. 5. The Standing Committee shall meet at least once a year. 6. Decisions Oft the Standing Committee shall be by consensus. Article 14: The Secretariat 1. The Secretariat shall be the principle executive institution of SADC, and shall be responsible for: (a) strategic planning and management of the programmes of SADC; (b) implementation of decisions of the Summit and of the Council; (c) organisation and management of SADC meetings; 171 (d) financial and general administration; (e) representation and promotion of SADC; and (f) coordination and harmonisation of the policies and strategies of Member States. 2. The Secretariat shall be headed by the Executive Secretary. 3. The Secretariat shall have such other staff as may be determined by the Council from time to time. Article 15: The Executive Secretary 1. The Executive Secretary shall be responsible to the Council for the following: (a) consultation and coordination with the Governments and other institutions of Member States; (b) pursuant to the direction of Council or Summit, or on his/ her own initiative, undertaking measures aimed at promoting the objectives of SADC and enhancing its performance; (c) promotion of cooperation with other organisations for the furtherance of the objectives of SADC; (d) organising and servicing meetings of the Summit, the Council, the Standing Committee and any other meetings convened on the direction of the Summit or the Council; (e) custodianship of the property of SADC; (f) appointment of the staff of the Secretariat, in accordance with procedures, and under Terms and Conditions of Service determined by the Council; (g) administration and finances of the Secretariat; (h) preparation of Annual Reports on the activities of SADC and its institutions; (i) preparation of the Budget and Audited Accounts of SADC for submission to the Council; (j) diplomatic and other representations of SADC; (k) public relations and promotion of SADC; (l) such other functions as may, from time to time, be determined by the Summit and Council. 3. The Executive Secretary shall liaise closely with Commissions, and other institutions, guide, support and monitor the performance of SADC in the various sectors to ensure conformity and harmony with agreed policies, strategies, programmes and projects. 172 4. The Executive Secretary shall be appointed for four years, and be eligible for appointment for another period not exeding four years. Article 16: The Tribunal 1. The Tribunal shall be constituted to ensure adherence to and the proper interpretation of the provisions of this Treaty and subsidiary instruments and to adjudicate upon such disputes as may be referred to it. 2. The composition, powers, functions, procedures and other related matters governing the Tribunal shall be prescribed in a Protocol adopted by the Summit. 3. Members of the Tribunal shall be appointed for a specified period. 4. The Tribunal shall give advisory opinions on such matters as the Summit or the Council may refer to it. 5. The decisions of the Tribunal shall be final and binding. Article 17: Specific Undertakings 1. Member States shall respect the international character and responsibilities of SADC, the Executive Secretary and other staff of SADC, and shall not seek to influence them in the discharge of their functions. 2. In the performance of their duties, the members of the Tribunal, the Executive Secretary and the other staff of SADC shall be committed to the international character of SADC, and shall not seek or receive instructions from any Member States, or from any authority external to SADC. They shall refrain from any action incompatible with their positions as international staff responsible only to SADC. 173 Chapter Six Meetings Article 18: Quorum The quorum for all meetings of the Institutions of SADC shall be two-thirds of its Members. Article 19: Decisions Except as otherwise provided in this Treaty, decisions of the Institutions of SADC shall be taken by consensus. Article 20: Procedure Except as otherwise provided in this Treaty, the Institutions of SADC shall determine their own rules of procedure. Chapter Seven Cooperation Article 21: Areas of Cooperation 1. Member States shall cooperate in all areas necessary to foster regional development and integration on the basis of balance, equity, and mutual benefit. 174 2. Member States shall, through appropriate institutions of SADC, coordinate, rationalise, and harmonise their overall macro-economic and sectoral policies and strategies, programmes and projects in the areas of cooperation. 3. In accordance with the provisions of this Treaty, Member States to co-operate in the areas of: agree (a) food security, land and agriculture; (b) infrastructure and services; (c) industry, trade, investment and finance; (d) human resources development, science and technology, (e) natural resources and environment; (f) social welfare, information and culture; and (g) politics, diplomacy, international relations, peace and security. 4. Additional areas of cooperation may be decided upon by the Council. Article 22: Protocols 1. Member States shall conclude such Protocols as may be necessary in each area of cooperation, which shall spell out the objectives and scope of, and institutional mechanisms for, cooperation and integration. 2. Each Protocol shall be approved by the summit on the recommendation of the Council, and shall thereafter become an integral part of this Treaty. 3. Each Protocol shall be subject to signature and ratification by the parties thereto. Article 23: Non-Governmental Organisations 1. In pursuance of the objectives of this Treaty, SADC shall seek to involve fully, the peoples of the Region and nongovernmental organisations in the process of regional integration. 2. SADC shall cooperate with, and support, the initiatives of the peoples of the Region and non-governmental organisations, contributing to the objectives of this Treaty in the areas of cooperation in order to foster 175 closer relations among the communities, associations and peoples of the Region. Chapter Eight Relations with Other States, Regional and International Organisations Article 24 1 . Subject to the provisions of Article 6(1), Member States and SADC shall maintain good working relations and other forms of cooperation, and may enter into agreements with other states, regional and international organisations, whose objectives are compatible with the objectives of SADC and the provisions of this Treaty. 2. Conferences and other meetings may be held between Member States and other Governments and organisations associated with the development efforts of SADC to review policies and strategies and evaluate the performance of SADC in the implementation of its programmes and projects, identify and agree on future plans of cooperation. Chapter Nine Resources, Funds and Assets Article 25: Resources 1. SADC shall be responsible for the mobilisation of its own and other resources required for the implementation of its programmes and projects. 176 2. SADC shall create such institutions as may be necessary for the effective mobilisation and efficient application of resources for regional development. 3. Resources acquired by SADC by way of contributions, loans, grants or gifts, shall be the property of SADC. 4. The resources of SADC maybe made available to Member States in pursuance of the objectives of this Treaty, on terms and conditions mutually agreed between SADC and the Member States involved. 5. Resources of SADC shall be utilised in the most efficient and equitable manner. Article 26: Fund The Fund of SADC shall consist of contributions of Member States, income from SADC enterprises and receipts from regional and non-regional sources. Article 27: Assets 1. Property, both movable and immovable, acquired by or on behalf of SADC shall constitute the assets of SADC, irrespective of their location. 2. Property acquired by Member States, under the auspices of SADC, shall belong to the Member States concerned, subject to provisions of paragraph 3 of this Article, and Articles 25 and 34 of this Treaty. 3. Assets acquired by Member States under the auspices of SADC shall be accessible to all Member States on an equitable basis. 177 Chapter Ten Financial Provisions Article 28: The Budget 1. The budget of SADC shall be funded by contributions made by Member States, and such other sources as may be determined by the Council. 2. Member States shall contribute to the budget of SADC in proportions agreed upon by the Council. 3. The Executive Secretary shall cause to be prepared, estimates of revenue and expenditure for the Secretariat and Commissions, and submit them to the Council, not less than three months before the beginning of the financial year. 4. The Council shall approve the estimates of revenue and expenditure before the beginning of the financial year. 5. The financial year of SADC shall be determined by the Council. Article 29: External Audit 1. The Council shall appoint external auditors and shall fix their fees and remuneration at the beginning of each financial year. 2. The Executive Secretary shall cause to be prepared and audited annual statements of accounts for the Secretariat and Commissions, and submit them to the Council for approval. 178 Article 30: Financial Regulations The Executive Secretary shall prepare and submit to the Council for approval financial regulations, standing orders and rules for the management of the affairs of SADC. Chapter Eleven Immunities and Privileges Article 31 1. SADC, its Institutions and staff shall, in the territory of each Member State, have such immunities and privileges as are necessary for the proper performance of their functions under this Treaty, and which shall be similar to those accorded to comparable international organisations. 2. The immunities and privileges conferred by this Article shall be prescribed in a Protocol. Chapter Twelve Settlement of Disputes Article 32 Any dispute arising from the interpretation or application of this Treaty, which cannot be settled amicably, shall be referred to the Tribunal. 179 Chapter Thirteen Sanctions, Withdrawal and Dissolution Article 33: Sanctions 1. Sanctions may be imposed against any Member State that: (a) persistently fails, without good reason, to fulfil obligations assumed under this Treaty; (b) implements policies which undermine the principles and objectives of SADC; or (c) is in arrears for more than one year in the payment of contributions to SADC, for reasons other than those caused by natural calamity or exceptional circumstances that gravely affect its economy, and has not secured the dispensation of the Summit. 2. The sanctions shall be determined by the Summit on a case-by-case basis. Article 34: Withdrawal 1. A Member State wishing to withdraw from SADC shall serve notice of its intention in writing, a year in advance, to the Chairman of SADC, who shall inform other Member States accordingly. 2. At the expiration of the period of notice, the Member State shall, unless the notice is withdrawn, cease to be a member of SADC. 3. During the one year period of notice referred to in paragraph 1 of this Article, the Member State wishing to extent that it is not inconsistent with the provisions of this Treaty, continue to subsist, operate or bind Member States or SADC as if it were established or undertaken under this Treaty, until the Council or Summit determines otherwise withdraw from SADC shall comply with the provisions of this Treaty, and shall continue to be bound by its obligations. 4. A Member State which has withdrawn shall not be entitled to claim any property or rights until the dissolution of SADC. 180 5. Assets of SADC situated in the territory of a Member State which has withdrawn, shall continue to be the property of SADC and be available for its use. 6. The obligations assumed by Member States under this Treaty shall, to the extent necessary to fulfil such obligations, survive the termination of membership by any State. Article 35: Dissolution 1. The Summit may decide by a resolution supported by three quarters of all members to dissolve SADC or any of its Institutions, and determine the terms and conditions of dealing with its liabilities and disposal of its assets. 2. A proposal for the dissolution of SADC may be made to the Council by any Member State, for preliminary consideration, provided, however, that such a proposal shall not be submitted for the decision of the Summit until all Member States have been duly notified of it and a period of twelve months has elapsed after the submission to the Council. Chapter Fourteen Amendment of the Treaty Article 36 1. An amendment of this Treaty shall be adopted by a decision of three quarters of all the Members of the Summit 2. A proposal for the amendment of this Treaty may be made to the Executive Secretary by any Member State for preliminary consideration by the Council, provided, however, that the proposed amendment shall not be submitted to the Council for preliminary consideration until all Member States have been duly notified of it, and a period of three months has elapsed after such notification. 181 Chapter Fifteen Language Article 37 The working languages of the SADC shall be English and Portuguese, and such other languages as the Council may determine. Chapter Sixteen Saving Provisions Article 38 A Sectoral Committee, Sector Coordinating Unit or any other institution, obligation or arrangement of the Southern African Development Coordination Conference which exists immediately before the coming into force of this Treaty, shall to the Chapter Seventeen Signature, Ratification, Entry into Force, Accession, and Depositary Article 39: Signature This Treaty shall be signed by the High Contracting Parties. 182 Article 40: Ratification This Treaty shall be ratified by the signatory States in accordance with their constitutional procedures. Article 41: Entry into Force This Treaty shall enter into force thirty (30) days after the deposit of the instruments of ratification by two thirds of the States listed in the Preamble. Article 42: Accession This Treaty shall remain open for accession by any State subject to Article 8 of this Treaty. Article 43: Depositary 1. The original texts of this Treaty and protocols And all instruments of ratification and accession shall, be deposited with the Executive Secretary of SADC, who shall transmit certified copies to all Member States. 2. The Executive Secretary shall register this Treaty with the Secretaries of the United Nations Organisation and the Organisation of African Unity. 183 Chapter Eighteen Termination of the Memorandum of Understanding Article 44 This Treaty replaces the Memorandum of Understanding on the Institutions of the Southern African Development Coordination Conference dated 20th July 1981. IN WITNESS WHEREOF, WE, the Heads of State or Government have signed this Treaty. DONE AT WINDHOEK, on this day of August, 1992, in two (2) original texts in the English and Portugese languages, both texts being equally authentic. Signed: People's Republic of Angola Republic of Botswana Kingdom of Lesotho Republic of Malawi Republic of Mozambique Republic of Namibia Kingdom of Swaziland United Republic of Tanzania Republic of Zambia Republic of Zimbabwe Remark 1) Kopie des Exemplars der Bibliothek des Instituts für Afrika-Kunde, Hamburg. 184 Anlage 21 The ASEAN Declaration (Bangkok Declaration) 185 The ASEAN Declaration (Bangkok Declaration) Thailand, 8 August 1967 The Presidium Minister for Political Affairs/ Minister for Foreign Affairs of Indonesia, the Deputy Prime Minister of Malaysia, the Secretary of Foreign Affairs of the Philippines, the Minister for Foreign Affairs of Singapore and the Minister of Foreign Affairs of Thailand: MINDFUL of the existence of mutual interests and common problems among countries of South East Asia and convinced of the need to strengthen further the existing bonds of regional solidarity and cooperation; DESIRING to establish a firm foundation for common action to promote regional cooperation in South-East Asia in the spirit of equality and partnership and thereby contribute towards peace, progress and prosperity in the region; CONSCIOUS that in an increasingly interdependent world, the cherished ideals of peace, freedom, social justice and economic well-being are best attained by fostering good understanding, good neighbourliness and meaningful cooperation among the countries of the region already bound together by ties of history and culture; CONSIDERING that the countries of South-East Asia share a primary responsibility for strengthening the economic and social stability of the region and ensuring their peaceful and progressive national development, and that they are determined to ensure their stability and security from external interference in any form or manifestation in order to preserve their national identities in accordance with the ideals and aspirations of their peoples; AFFIRMING that all foreign bases are temporary and remain only with the expressed concurrence of the countries concerned and are not intended to be used directly or indirectly to subvert the national independence and freedom of States in the area or prejudice the orderly processes of their national development; DO HEREBY DECLARE: FIRST, the establishment of an Association for Regional Cooperation among the countries of South-East Asia to be known as the Association of South-East Asian Nations (ASEAN). 186 SECOND, that the aims and purposes of the Association shall be: 1. To accelerate the economic growth, social progress and cultural development in the region through joint endeavours in the spirit of equality and partnership in order to strengthen the foundation for a prosperous and peaceful community of South-East Asian Nations; 2. To promote regional peace and stability through abiding respect for justice and the rule of law in the relationship among countries of the region and adherence to the principles of the United Nations Charter; 3. To promote active collaboration and mutual assistance on matters of common interest in the economic, social, cultural, technical, scientific and administrative fields; 4. To provide assistance to each other in the form of training and research facilities in the educational, professional, technical and administrative spheres; 5. To collaborate more effectively for the greater utilization of their agriculture and industries, the expansion of their trade, including the study of the problems of international commodity trade, the improvement of their transportation and communications facilities and the raising of the living standards of their peoples; 6. To promote South-East Asian studies; 7. To maintain close and beneficial cooperation with existing international and regional organizations with similar aims and purposes, and explore all avenues for even closer cooperation among themselves. THIRD, that to carry out these aims and purposes, the following machinery shall be established: (a) Annual Meeting of Foreign Ministers, which shall be by rotation and referred to as ASEAN Ministerial Meeting. Special Meetings of Foreign Ministers may be convened as required. (b) A Standing committee, under the chairmanship of the Foreign Minister of the host country or his representative and having as its members the accredited Ambassadors of the other member countries, to carry on the work of the Association in between Meetings of Foreign Ministers. (c) Ad-Hoc Committees and Permanent Committees of specialists and officials on specific subjects. 187 (d) A National Secretariat in each member country to carry out the work of the Association on behalf of that country and to service the Annual or Special Meetings of Foreign Ministers, the Standing Committee and such other committees as may hereafter be established. FOURTH, that the Association is open for participation to all States in the South-East Asian Region subscribing to the aforementioned aims, principles and purposes. FIFTH, that the Association represents the collective will of the nations of South-East Asia to bind themselves together in friendship and cooperation and, through joint efforts and sacrifices, secure for their peoples and for posterity the blessings of peace, freedom and prosperity. DONE in Bangkok on the Eighth Day of August in the Year One Thousand Nine Hundred and Sixty-Seven. Remark 1) Fundort: http://www.aseansec.org/ 188 Anlage 3 Vertrag von Asunción (26 März 1991)6 Vertrag zur Errichtung eines Gemeinsamen Marktes zwischen der Republik Argentinien, der Föderativen Republik Brasilien, der Republik Paraguay und der Republik Uruguay 189 Die Republik Argentinien, die Föderative Republik Brasilien, die Republik Paraguay und die Republik Uruguay, im weiteren als “Vertragsstaaten" bezeichnet; IN DER ERWÄGUNG, daß die Erweiterung der derzeitigen Dimensionen ihrer nationalen Märkte im Wege der Integration eine grundlegende Bedingung dafür darstellt, ihre Prozesse der wirtschaftlichen Entwicklung bei [gleichzeitiger] sozialer Gerechtigkeit zu beschleunigen; IN DEM VERSTÄNDNIS, daß diese Zielsetzung erreicht werden soll mittels der wirksamsten Ausnutzung der verfügbaren Ressourcen, der Erhaltung der Umwelt, der Verbesserung der Infrastruktur, der Koordinierung der makroökonomischen Politiken und der Ergänzung der verschiedenen Wirtschaftssektoren, auf der Grundlage der Prinzipien der Gradualität, der Flexibilität und des Gleichgewichts; I. - Institutionelle Grundlagen UNTER BERÜCKSICHTIGUNG der Entwicklung der internationalen Ereignisse, insbesondere der Festigung der großen Wirtschaftsräume und der Wichtigkeit eine angemessene internationale Einbindung ihrer Länder zu erreichen; BEKUNDEND, daß dieser Integrationsprozeß eine angemessene Antwort auf jene Ereignisse darstellt; IN DEM BEWUSSTSEIN, daß der vorliegende Vertrag als ein neuer Ansatz angesehen werden muß in dem Bemühen um die fortschreitende Entwicklung der Integration von Lateinamerika, gemäß der Zielsetzung des Vertrages von Montevideo von 1980; ÜBERZEUGT von der Notwendigkeit, die wissenschaftliche und technologische Entwicklung der Vertragsstaaten zu fördern und ihre Wirtschaften zu modernisieren, um das Angebot und die Qualität der verfügbaren Güter und Dienstleistungen zu vergrößern mit dem Ziel, die Lebensbedingungen ihrer Einwohner zu verbessern; ÜBERZEUGT von der Notwendigkeit, die wissenschaftliche und technologische Entwicklung der Vertragsstaaten zu fördern und ihre Wirtschaften zu modernisieren, um das Angebot und die Qualität der verfügbaren Güter und Dienstleistungen zu vergrößern mit dem Ziel, die Lebensbedingungen ihrer Einwohner zu verbessern 190 UNTER BEKRÄFTIGUNG ihres politischen Willens, die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluß zwischen ihren Völkern zu errichten in dem Bestreben, die oben erwähnten Zielsetzungen zu erreichen, VEREINBAREN; Kapitel I - Vorhaben, Grundsätze und Instrumente Art. 1 - Die Vertragsstaaten entscheiden sich, einen Gemeinsamen Markt zu errichten, der bis zum 31. Dezember 1994 gebildet sein soll, welcher sich „Gemeinsamer Markt des Südens" (MERCOSUR) nennen wird. Dieser Gemeinsame Markt umfaßt: den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Produktionsfaktoren zwischen den Ländern, unter anderem, im Wege der Beseitigung der Zollabgaben und nicht-tarifären Hemmnisse des Warenverkehrs und jedweder anderen gleichwertigen Maßnahme7; die Aufstellung eines gemeinsamen Außenzolls und die Annahme einer gemeinsamen Handelspolitik gegenüber dritten Staaten oder Staatenverbindungen und die Koordination der Positionen in regionalen und internationalen handelswirtschaftlichen Foren die Koordination der makroökonomischen und sektoralen Politiken8 zwischen den \Vertragsstaaten die Außenhandels-, Landwirtschafts-, Industrie-. Finanz-, Geld-, Wechsel- und Kapital-, Dienstleistungs-, Zoll-, Transport- und Kommunikationspolitik und andere, die vereinbart werden, um angemessene Wettbewerbsbedingungen zwischen den Staaten sicherzustellen; die Verpflichtung der Vertragsstaaten, ihre Gesetzgebungen auf den einschlägigen Gebieten zu harmonisieren, um die Stärkung des Integrationsprozesses zu erreichen. ,Art. 2 - Der Gemeinsame Markt wird auf der Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten zwischen den Vertragsstaaten beruhen. Art. 3 - Während der Übergangszeit, die sich von dem Inkrafttreten des vorliegenden Vertrages bis zum 31. Dezember 1994 erstrecken wird, und um die Errichtung des Gemeinsamen Marktes zu erleichtern, beschließen die Vertragsstaaten eine Allgemeine Ursprungsregelung, ein System der Streitbeilegung und Klauseln über Schutzmaßnahmen, die sich in den Anhängen II, III und IV des vorliegenden Vertrages finden. 191 Art. 4 - In den Beziehungen mit dritten Ländern gewährleisten die Vertragsstaaten faire Handelsbedingungen. Zu diesem Zweck wenden sie ihre nationalen Gesetzgebungen an, um Importe zu verhindern, deren Preise durch Subventionen, Dumping oder irgendwelche anderen unlauteren Praktiken beeinflußt sind. Gleichzeitig koordinieren die Vertragsstaaten ihre entsprechenden nationalen Politiken mit dem Ziel, gemeinsame Normen über Handelswettbewerb auszuarbeiten. Art. 5 - Während der Übergangszeit sind die Hauptinstrumente zur Errichtung des Gemeinsamen Marktes a) ein Programm der Handelsliberalisierung, das in fortschreitenden, linearen und automatischen Zollsenkungen besteht, welche durch die Beseitigung von nicht-tarifären Hemmnissen oder Maßnahmen gleicher Wirkung begleitet werden, sowie anderer Beschränkungen des Handels zwischen den Vertragsstaaten, um am 31. Dezember 1994 einen Zoll von Null zu erreichen, ohne nicht-tarifäre Hindernisse im gesamten Zollbereich (Anhang I); b) die Koordination der makroökonomischen Politiken, die sich schrittweise und in Übereinstimmung mit den Programmen des Zollabbaus und der Beseitigung, der im vorherigen Buchstaben bezeichneten nicht-tarifären Handelshemmnisse vollziehen wird; c) ein gemeinsamer Außenzoll, der die Vertragsstaaten im Außenhandel fördert; Wettbewerbsfähigkeit der d) der Abschluß von sektoralen Abkommen mit dem Ziel, den Einsatz und die Mobilität der Produktionsfaktoren zu optimieren und effiziente, funktionsfähige Größenordnungen zu erreichen. Art. 6 – Die Vertragsstaaten erkennen einzelne Abweichungen im [Übergangs-] Rhythmus für die Republik Paraguay und für die Republik Uruguay an, die sich aus dem Programm der Handelsliberalisierung (Anhang I) ergeben. Art. 7 - Im Bereich von Steuern, Abgaben und anderen internen Belastungen genießen die Produkte mit Ursprung aus dem Gebiet eines Vertragsstaats in den anderen Vertragsstaaten die gleiche Behandlung, die dem nationalen Produkt zukommt. Art. 8 - Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die bis zum Datum der Abschlusses des vorliegenden Vertrages eingegangenen Verpflich-tungen, einschließlich der im Rahmen von ALADI geschlossenen Abkommen aufrechtzuerhalten und ihre Positionen bei den auswärtigen Verhandlungen 192 über Handelsfragen zu koordinieren, die sie während der Übergangszeit unternehmen. Dazu: a) vermeiden sie, die Interessen der Vertragsstaaten bei den Verhandlungen über Handelsfragen, die sie [einzeln] untereinander bis zum 31. Dezember 1994 führen, zu beeinträchtigen; b) vermeiden sie, die Interessen der anderen oder die Ziele des Gemeinsamen Marktes in Abkommen, die sie mit anderen Mitgliedsländern von ALADI während der Übergangszeit führen, zu beeinträchtigen, c) werden sie sich untereinander konsultieren, sofern sie über weitreichende Pläne eines Zollabbaus, gerichtet auf die Bildung von Freihandelszonen, mit den Mitgliedsländern von ALADI verhandeln, d) erweitern sie automatisch auf die übrigen Vertragsstaaten jedweden Vorteil, Vergünstigung, Freiheit, Befreiung oder Vorrecht, die sie einem Produkt gewähren, das seinen Ursprung, in dritten Ländern, die von nicht Mitglieder von ALADI sind, hat oder für solche bestimmt ist. Kapitel II – Organstruktur Art. 9 – Die Verwaltung und Durchführung, des vorliegenden Vertrages und der besonderen Abkommen und Entscheidungen, die in dem rechtlichen Rahmen, den dieser für die Übergangszeit festlegt , angenommen werden, steht in der Verantwortung der folgenden Organe: a) b) Rat des Gemeinsamen Marktes Gruppe Gemeinsamer Markt. Art. 10 - Der Rat ist das oberste Organ des Gemeinsamen Marktes, dem die politische Führung desselben zusteht und dem es zukommt, Entscheidungen zu treffen, um die Einhaltung der Zielsetzungen und Fristen sicherzustellen, die zur endgültigen Errichtung des Gemeinsamen Marktes festgelegt worden sind. Art. 11 - Der Rat besteht aus den Außenministern und den Wirtschaftsministern der Vertragsstaaten. Er tagt, sooft es für angebracht gehalten wird, und mindestens einmal im Jahr unter Beteiligung der Präsidenten der Vertragsstaaten. 193 Art, 12 – Die Präsidentschaft des Rates wird im Wege der Rotation der Vertragsstaaten und in alphabetischer Reihenfolge für Zeiträume von sechs Monaten ausgeübt. Die Tagungen des Rates werden von den Außenministern koordiniert, und andere Minister oder Amtsträger auf Ministerebene können zur Teilnahme an ihnen eingeladen werden9. Art. 13 – Die Gruppe Gemeinsamer Markt ist das Exekutivorgan des Gemeinsamen Marktes und wird von den Außenministern koordiniert. Die Gruppe Gemeinsamer Markt hat das Initiativrecht. Ihre Aufgaben sind die folgenden: - über die Einhaltung des Vertrages zu wachen; - die Vorkehrungen zu treffen, die zur Erfüllung der vom Rat angenommenen Entscheidungen notwendig sind; - konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, gerichtet auf die Anwendung des Programms der Handelsliberalisierung, die Koordination der makroökonomischen Politiken und die Aushandlung von Abkommen mit Dritten; - das Arbeitsprogramm festzulegen, das den Fortschritt hin zur Errichtung des Gemeinsamen Marktes sichert. Die Gruppe Gemeinsamer Markt kann die Untergruppen einrichten, die zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen notwendig sind. Anfänglich stehen ihr die in Anhang V erwähnten Unter[arbeits]gruppen zu Verfügung. Die Gruppe Gemeinsamer Markt stellt ihre Geschäftsordnung innerhalb 60 Tagen nach ihrer Einsetzung auf10 Art. 14 – Die Gruppe Gemeinsamer Markt besteht aus vier ordentlichen Mitgliedern und vier stellvertretenden Mitgliedern je Land, welche die folgenden öffentlichen Stellen vertreten: - Außenministerium; - Wirtschaftsministerium oder seine Entsprechungen (Bereiche Industrie, Außenhandel und/oder Wirtschaftskoordination); - Zentralbank. 194 Beim Ausarbeiten und Formulieren von konkreten Maßnahmen im Verlauf ihrer Arbeiten bis zum 31. Dezember 1994 kann die Gruppe Gemeinsamer Markt, wenn sie es für angemessen hält, Vertreter anderer Stellen der öffentlichen Verwaltung und des privaten Sektors hinzuziehen. Art. 15 – Der Gruppe Gemeinsamer Markt steht ein Verwaltungs-sekretariat zur Verfügung, dessen Hauptaufgaben in der Aufbewahrung der Dokumente und Verbreitung der Aktivitäten jener bestehen. Es hat seinen Sitz in der Stadt Montevideo. Art. 16 – Während der Übergangszeit werden die Entscheidungen des Rates des Gemeinsamen Marktes und der Gruppe Gemeinsamer Markt im Einvernehmen und in Anwesenheit aller Vertragsstaaten getroffen. Art. 17 – Die offiziellen Sprachen des Gemeinsamen Marktes sind Spanisch und Portugiesisch und die offizielle Fassung der Arbeitsdokumente ist die Sprache des Sitzlandes einer jeder Tagung. Art. 18 – Vor der Errichtung des Gemeinsamen Marktes am 31. Dezember 1994 berufen die Vertragsstaaten eine außerordentliche Tagung ein mit dem Ziel, die endgültige institutionelle Struktur der Verwaltungsorgane des Gemeinsamen Marktes festzulegen, ebenso wie die besonderen Befugnisse eines jeden von ihnen und sein Entscheidungsverfahren. Kapitel III - Geltung Art. 19 – der vorliegende Vertrag hat eine unbestimmte Dauer und tritt 30 Tage nach dem Datum der Hinterlegung der dritten Ratifikationsurkunde in Kraft. Die Ratifikationsurkunden werden bei der Regierung der Republik Paraguay hinterlegt, welche das Hinterlegungsdatum den Regierungen der übrigen Vertragsstaaten mitteilt. Die Regierung der Republik Paraguay notifiziert der Regierung eines jeden der übrigen Vertragsstaaten das Datum des Inkrafttretens des vorliegenden Vertrages. Kapitel IV - Beitritt Art. 20 – Der vorliegende Vertrag steht den übrigen Mitgliedsländern von ALADI zum Beitritt mittels Verhandlungen offen, deren Anträge durch die 195 Verhandlungsstaaten nach fünf Jahren der Geltung dieses Vertrages behandelt werden können. Doch können vor der besagten Frist die Anträge von Mitgliedsländern von ALADI berücksichtigt werden, die nicht Teil eines subregionalen Integrationsvorhabens oder einer außerregionalen Vereinigung sind. Die Aufnahme der Anträge erfolgt durch einstimmige Entscheidung der Vertragsstaaten. Kapitel V - Kündigung Art. 21 – Der Vertragsstaat, der sich von dem vorliegenden Vertrag lösen möchte, muß diese Absicht den übrigen Vertragsstaaten ausdrücklich und förmlich mitteilen, wobei er innerhalb von sechzig (60) Tagen die Übergabe des Kündigungsschreibens an den Außenminister der Republik Paraguay vornehmen muß, welcher es an die übrigen Vertragsstaaten verteilt. Art. 22 – Mit der förmlichen Kündigung enden für den kündigenden Staat die Rechte und Pflichten, die seiner Stellung als Vertragsstaat entsprechen, wobei [jedoch] an denjenigen festgehalten wird, die sich aus dem Liberalisierungsprogramm des vorliegenden Vertrages und aufgrund anderer Aspekte ergeben, welche die Vertragsstaaten gemeinsam mit dem kündigenden Staat innerhalb von sechzig (60) Tagen nach der förmlichen Kündigung vereinbaren. Diese rechte und Pflichten des kündigenden Staates bleiben für eine Zeit von zwei (2) Jahren ab dem Datum der erwähnten förmlichen Kündigung bestehen. Kapitel VI – Allgemeine Bestimmungen Art. 23 – Der vorliegende Vertrag wird „Vertrag von Asunción“ genannt. Art. 24 – Mit dem Ziel, die Bildung des Gemeinsamen Marktes zu erleichtern, wird eine Gemeinsame Parlamentarische Kommission des MERCOSUR eingerichtet. Die Exekutiven der Vertragsstaaten halten die entsprechenden Legislativen unterrichtet über die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes, der Gegenstand des vorliegenden Vertrages ist. GESCHEHEN in der Stadt Asunción, am sechsundzwanzigsten März des Jahres neunzehnhunderteinundneunzig, in einem Original in den Sprachen 196 Spanisch und Portugiesisch, wobei beide Texte gleichermaßen authentisch sind. Die Regierung der Republik Paraguay ist der Depositar des vorliegenden Vertrages und übersendet den Regierungen der übrigen unterzeichnenden und beitretenden Staaten ordnungsgemäß beglaubigte Abschriften desselben. Anmerkungen 6) Übersetzung: Jan Kleinheisterkamp und Jürgen Samtleben. Eine englische Übersetzung des Vertrages ist abgedruckt in International Legal Materials 30 (1991) 1041 ff. 7) Nach dem portugiesischen Text: „Maßnahme gleicher Wirkung“ (s.o. Fn. 2). 8) Die Entscheidung Nr. 6 des Rates des Gemeinsamen Marktes vom 15. 6. 1999 (CMC/Dez. 6/99) betrifft die Koordination der makroökonomischen Politiken. 9) CMC/Dec.2/98 (Boletin Oficial MERCOSUR II/7 p-15); Geschäftsordnung des Rates des Gemeinsamen Marktes . 10) CMC/Dec. 4/91 (Dromi II I 144): Geschäftsordnung der Gruppe Gemeinsamer Markt. 197 Anlage 4 Protokoll von Ouro Preto (17. Dezember 1994)14 Zusatzprotokoll zum Vertrag von Asunción über die Institutionelle Struktur des MERCOSUR 198 Die Republik Argentinien, die Föderative Republik Brasilien, die Republik Paraguay und die Republik Uruguay, im weiteren als „Vertragsstaaten“ bezeichnet; IN ERFÜLLUNG der Bestimmungen des Artikels 18 des Vertrages von Asunción vom 26. März 1991; IM BEWUSSTSEIN der Bedeutung der erreichten Fortschritte und der Inkraftsetzung der Zollunion als Etappe zum Aufbau des Gemeinsamen Markts UNTER BEKRÄFTIGUNG der Grundsätze und Zielsetzungen des Vertrages von Asunción und im Hinblick auf die Notwendigkeit einer besonderen Aufmerksamkeit für die weniger entwickelten Länder und Regionen des MERCOSUR; IM HINBLICK auf die dem gesamten Integrationsprozeß eigene Dynamik und die daraus folgende Notwendigkeit, die institutionelle Struktur des MERCOSUR an die geschehenen Veränderungen anzupassen; VEREINBAREN: Kapitel I – Struktur des MERCOSUR Art. 1 – Die institutionelle Struktur des MERCOSUR verfügt über die folgenden Organe: I. Den Rat des Gemeinsamen Marktes (CMC) [Consejo del Mercado Común]; II. Die Gruppe Gemeinsamer Markt (GMC) [Grupo Mercado Común]; III. Die Handelskommission des MERCOSUR (CCM) [Comisión de Comercio del MERCOSUR]; IV. Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission (CPC) [Comisión Parlamentaria Conjuta]; V. Das Beratungsforum aus Wirtschaft und Gesellschaft (FCES) [Foro de Consulta Económico-Social]; VI. Das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR (SAM) [Secretaría Administrativa del MERCOSUR]; 199 Einziger Unterabsatz – Im Rahmen der Bestimmungen dieses Protokolls können die Ratsorgane geschaffen werden, welche notwendig sind, um die Zielsetzung des Integrationsprozesses zu verfolgen15 . Art. 2 – Organe mit Entscheidungsbefugnis und von intergouvernementaler Art sind: der Rat des Gemeinsamen Marktes, die Gruppe Gemeinsamer Markt und die Handelskommission des MERCOSUR. Abschnitt I – Der Rat des Gemeinsamen Marktes Art. 3 – der Rat des Gemeinsamen Marktes ist das oberste Organ des MERCOSUR, dem die politische Führung des Integrationsprozesses obliegt und das Treffen von Entscheidungen, um die Einhaltung der im Vertrag von Asunción festgelegten Zielsetzungen sicherzustellen und die endgültige Errichtung des Gemeinsamen Marktes zu erreichen. Art. 4 – der Rat des Gemeinsamen Marktes besteht aus den Außenministern und aus den Wirtschaftsministern oder den ihnen entsprechenden [Ministern] der Vertragsstaaten. Art. 5 – Die Präsidentschaft des Rates des Gemeinsamen Marktes wird im Wege der Rotation der Vertragsstaaten, in alphabetischer Reihenfolge, für einen Zeitraum von sechs Monaten ausgeübt. Art. 6 – Der Rat des Gemeinsamen Marktes tagt so oft, wie er es für angebracht hält, mindestens jedoch ein Mal pro Halbjahr unter Beteiligung der Präsidenten der Vertragsstaaten. Art. 7 – Die Tagungen des Rates des Gemeinsamen Marktes werden von den Außenministern koordiniert, und andere Minister oder Amtsträger auf Ministerebene können zur Teilnahme daran eingeladen werden16 . Art. 8 – Aufgaben und Befugnisse des Gemeinsamen Marktes sind: I. II. III. IV. Über die Einhaltung des Vertrages von Asunción, seiner Protokolle und der in seinem Rahmen geschlossenen Abkommen zu wachen; Grundsätze der Politik zu entwerfen und die für die Bildung des Gemeinsamen Marktes notwendigen Aktionen voranzutreiben; Die Vertretung der Rechtspersönlichkeit des MERCOSUR wahrzunehmen; Abkommen im Namen des MERCOSUR mit dritten Ländern, Ländergruppen und internationalen Organisationen auszuhandeln und zu unterzeichnen. Diese Funktionen können durch ausdrückliches Mandat unter den in Ziffer VII des Artikel 14 200 V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. formulierten Voraussetzungen der Gruppe Gemeinsamer Markt übertragen werden; Sich zu den von seiten der Gruppe Gemeinsamer Markt eingereichten Vorschlägen zu äußern; Ministerausschüsse zu schaffen und sich zu den von selbigen übersandten Übereinkünften zu äußern; Die Organe zu schaffen, die er für geboten hält, sowie sie zu verändern oder aufzulösen; Den Inhalt und die Reichweite seiner Entscheidungen zu erläutern, wenn er es für notwendig hält; Den Direktor des Verwaltungssekretariats des MERCOSUR zu ernennen; Entscheidungen in Finanz- und Haushaltsfragen zu erlassen; Die Geschäftsordnung der Gruppe Gemeinsamer Markt zu genehmigen. Art. 9 – Der Rat des Gemeinsamen Marktes äußert sich durch Entscheidungen, welche für die Vertragsstaaten bindend sind. Abschnitt II – Die Gruppe Gemeinsamer Markt Art. 10 – Die Gruppe Gemeinsamer Markt ist das Exekutivorgan des MERCOSUR. Art. 11 – Die Gruppe gemeinsamer Markt besteht aus vier ordentlichen Mitgliedern und vier stellvertretenden Mitgliedern pro Land, die von den jeweiligen Regierungen berufen werden und unter denen sich zwingenderweise Vertreter der Außenministerien, der Wirtschaftsministerien (oder entsprechender Ministerien) und der Zentralbanken befinden müssen. Die Gruppe Gemeinsamer Markt wird von den Außenministerien koordiniert. Art. 12 – Bei Ausarbeitung und Vorschlag konkreter Maßnahmen im Verlauf ihrer Arbeit kann die Gruppe Gemeinsamer Markt, wenn sie es für angemessen erachtet, Vertreter anderer Organe der öffentlichen Verwaltung oder der institutionellen Struktur des MERCOSUR hinzuziehen. Art. 13 – Die Gruppe Gemeinsamer Markt tritt zu ordentlichen und außerordentlichen Tagungen sooft zusammen, wie es notwendig ist, nach Maßgabe der Bestimmungen der Geschäftsordnung17 . Art. 14 – Aufgaben und Befugnisse der Gruppe Gemeinsamer Markt sind: 201 I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. Innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs über die Einhaltung des Vertrags von Asunción, seiner Protokolle und der in seinem Rahmen geschlossenen Abkommen zu wachen; Dem Rat des Gemeinsamen Marktes Entwürfe für Entscheidungen vorzuschlagen; Die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen für die Erfüllung der vom Rat des Gemeinsamen Marktes gefaßten Entscheidungen; Arbeitsprogramme aufzustellen, welche die allmähliche Errichtung des Gemeinsamen Marktes sichern; Zur Erfüllung ihrer Aufgaben solche Organe wie Unterarbeitsgruppen und Sonderausschüsse zu schaffen, zu ändern oder aufzulösen; Stellung zu nehmen zu den Vorschlägen oder Empfehlungen, die ihr von den übrigen Organen des MERCOSUR im Rahmen ihrer Zuständigkeiten unterbreitet werden; Unter Beteiligung von Vertretern aller Vertragsstaaten, mit ausdrücklicher Ermächtigung durch den Rat des gemeinsamen Marktes und innerhalb der Grenzen der zu diesem Zweck erteilten besonderen Mandate, im Namen des MERCOSUR Verträge mit dritten Ländern, Ländergruppen oder internationalen Organisationen auszuhandeln. Bei entsprechendem Mandat kann die Gruppe Gemeinsamer Markt solche Abkommen unterzeichnen. Soweit sie vom Rat des Gemeinsamen Marktes hierzu autorisiert ist, kann die Gruppe Gemeinsamer Markt solche Abkommen unterzeichnen. Soweit sie vom Rat des Gemeinsamen Marktes hierzu autorisiert ist, kann die Gruppe Gemeinsamer Markt die genannten Vollmachten auf die Handelskommission des MERCOSUR übertragen; Den Haushalt und den jährlichen Rechnungsabschluß des Verwaltungssekretariats des MERCOSUR zu billigen; In Finanz- und Haushaltsfragen auf der Grundlage der vom Rat ausgehenden Vorgaben Beschlüsse zu fassen; Dem Rat des Gemeinsamen Marktes seine Geschäftsordnung vorzulegen; Die Tagungen des Rates des Gemeinsamen Marktes zu organisieren und die Berichte und Untersuchungen auszuarbeiten, die dieser von ihr anfordert; Den Direktor des Verwaltungssekretariats des MERCOSUR auszuwählen; die Tätigkeit des Verwaltungssekretariats des MERCOSUR zu überwachen; Die Geschäftsordnungen der Handelskommission und des Beratungsforums aus Wirtschaft und Gesellschaft zu genehmigen. Art. 15 – Die Gruppe Gemeinsamer Markt äußert sich durch Beschlüsse, die für die Vertragsstaaten bindend sind. 202 Abschnitt III – Die Handelskommission des MERCOSUR Art. 16 – Die Handelskommission des MERCOSUR, als das der Gruppe Gemeinsamer Markt zur Unterstützung beigeordnete Organ, ist dafür zuständig, über die Anwendung der von den Vertragsstaaten zur Verwirklichung der Zollunion vereinbarten Instrumente einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik zu wachen, sowie die Themen und Bereiche zu verfolgen und zu überprüfen, die mit den gemeinsamen Wirtschaftspolitiken, dem Handel innerhalb des MERCOSUR und [dem] mit Drittländern zusammenhängen. Art. 17 – Die Handelskommission des MERCOSUR besteht aus vier ordentlichen Mitgliedern und vier stellvertretenden Mitgliedern pro Vertragsstaat und wird von den Außenministern koordiniert. Art. 18 – Die Handelskommission des MERCOSUR tagt mindestens einmal im Monat oder sonst, sofern es von der Gruppe Gemeinsamer Markt oder irgendeinem der Vertragsstaaten von ihr verlangt wird. Art. 19 – Aufgaben und Befugnisse der Handelskommission des MERCOSUR sind: I. II. III. IV. V. VI. Über die Anwendung der gemeinsamen Instrumente der Handelspolitik innerhalb des MERCOSUR und mit dritten Ländern, internationalen Organisationen und von Wirtschaftsabkommen zu wachen; Die Anträge der Vertragsstaaten bezüglich der Anwendung und Erfüllung des gemeinsamen Außenzolls und der übrigen Instrumente einer gemeinsamen Handelspolitik zu begutachten und zu ihnen Stellung zu nehmen; Die Anwendung der Instrumente einer gemeinsamen Handelspolitik in den Vertragsstaaten zu verfolgen; Die Fortentwicklung der Instrumente einer gemeinsamen Handelspolitik für die Verwirklichung der Zollunion zu analysieren und diesbezüglich gegenüber der Gruppe Gemeinsamer Markt Vorschläge zu formulieren; Die mit der Verwaltung und Anwendung des gemeinsamen Außenzolls und der von den Vertragsstaaten vereinbarten Instrumente einer gemeinsamen Handelspolitik verknüpften Entscheidungen zu treffen; Die Gruppe Gemeinsamer Markt über die Fortentwicklung und Anwendung der Instrumente einer gemeinsamen Handelspolitik, die Behandlung der erhaltenen Anträge und über die diesbezüglichen erlassenen Entscheidungen zu informieren; 203 VII. VIII. IX. X. XI. Der Gruppe Gemeinsamer Markt neue Vorschriften oder Änderungen der bestehenden Vorschriften in Handels- und Zollfragen des MERCOSUR vorzuschlagen; Die Überprüfung der Zolltarife für bestimmte Positionen des gemeinsamen Außenzolls vorzuschlagen, auch zur Berücksichtigung von Fällen neuer Produktionstätigkeiten im Bereich des MERCOSUR; Die zur angemessenen Erfüllung ihrer Funktionen notwendigen Fachausschüsse einzurichten, sowie deren Tätigkeit zu leiten und zu überwachen18 ; Die mit der gemeinsamen Handelspolitik zusammenhängenden Arbeiten zu erledigen, um die sie die Gruppe Gemeinsamer Markt ersucht; Sich eine Geschäftsordnung zu geben, die sie der Gruppe Gemeinsamer Markt zur Genehmigung vorlegt19 . Art. 20 – Die Handelskommission des MERCOSUR äußert sich durch Richtlinien oder Vorschläge. Die Richtlinien sind für die Vertragsstaaten bindend. Art. 21 – Über die Aufgaben und Befugnisse hinaus, die in den Artikeln 16 und 19 des vorliegenden Protokolls festgelegt sind, obliegt der Handelskommission des MERCOSUR die Beratung über die von den Nationalen Sektionen der Handelskommission des MERCOSUR vorgelegten Beschwerden, die auf die Vertragsstaaten oder auf Vorlagen von Privaten – natürlichen oder juristischen Personen – zurückgehen und mit den in den Artikeln 1 oder 25 des Protokoll von Brasilia vorgesehen Situationen zusammenhängen, wenn sie in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Erster Unterabsatz – Die Prüfung der betreffenden Beschwerden im Rahmen der Handelskommission des MERCOSUR steht der Einleitung eines Verfahrens nach dem Protokoll von Brasilia zur Beilegung von Streitigkeiten durch den Vertragsstaat, der die Beschwerde erhoben hat, nicht entgegen. Zweiter Unterabsatz – Die Beschwerden, die auf die in diesem Artikel festgelegten Fälle zurückgehen, werden nach der im Anhang zu diesem Protokoll vorgesehenen Verfahrensordnung behandelt. 204 Abschnitt IV – Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission Art. 22 – Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission ist das Vertretungsorgan der Parlamente der Vertragsstaaten im Rahmen des MERCOSUR. Art. 23 – Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission setzt sich aus einer jeweils gleichen Zahl an parlamentarischen Vertretern der Vertragsstaaten zusammen. Art. 24 – Die Mitglieder der Gemeinsamen Parlamentarischen Kommission werden von den jeweiligen nationalen Parlamenten im Einklang mit ihren internen Verfahrensregeln ernannt. Art. 25 – Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission bemüht sich um die Beschleunigung der entsprechenden innerstaatlichen Verfahren in den Vertragsstaaten für ein rasches Inkrafttreten der von den in Artikel 2 dieses Protokolls vorgesehenen Organen des MERCOSUR ausgehenden Vorschriften. In gleicher Weise leistet sie Beistand bei der Harmonisierung der Gesetzgebungen, uns zwar so, wie es der fortschreitende Integrationsprozeß erfordert. Wenn es notwendig sein sollte, ersucht der Rat die Gemeinsame Parlamentarische Kommission um die Prüfung vorrangiger Themen. Art. 26 – Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission übermittelt Empfehlungen an den Rat des Gemeinsamen Marktes über die Gruppe Gemeinsamer Markt. Art. 27 – Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung20 . Abschnitt V – Das Beratungsforum aus Wirtschaft und Gesellschaft Art. 28 – Das Beratungsforum aus Wirtschaft und Gesellschaft ist das Vertretungs-organ der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sektoren und setzt sich aus einer gleichen Anzahl von Vertretern jedes Vertragsstaates zusammen. Art. 29 – Das Beratungsforum aus Wirtschaft und Gesellschaft hat beratende Funktion und äußert sich mittels Empfehlungen an die Gruppe Gemeinsamer Markt. 205 Art. 30 – Das Beratungsforum aus Wirtschaft und Gesellschaft legt seine Geschäftsordnung der Gruppe Gemeinsamer Markt zur Genehmigung vor21 Abschnitt VI – Das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR Art. 31 – Der MERCOSUR verfügt über ein Verwaltungssekretariat als Organ zur operativen Unterstützung. Das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR ist verantwortlich für die Erbringung von Dienstleistungen an die übrigen Organe des MERCOSUR und hat ständigen Sitz in der Stadt Montevideo. Art. 32 – Das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR versieht folgende Tätigkeiten: I. II. III. IV. V. VI. Als offizielles Dokumentationsarchiv des MERCOSUR zu dienen; Für die Veröffentlichung und Verbreitung der im Rahmen des MERCOSUR angenommenen Normen zu sorgen. In diesem Zusammenhang obliegt ihm: I. In Abstimmung mit den Vertragsstaaten die offiziellen Übersetzungen in Spanisch und Portugiesisch aller von den Organen der institutionellen Struktur des MERCOSUR angenommenen Entscheidungen anzufertigen, gemäß den Bestimmungen des Artikel 39; II. Das Amtsblatt des MERCOSUR herauszugeben. Die logistischen Aspekte der Tagungen des Rates des Gemeinsamen Marktes, der Gruppe gemeinsamer Markt und der Handelskommission des MERCOSUR zu organisieren und im Rahmen des Möglichen auch die der übrigen Organe des MERCOSUR, wenn diese an seinem ständigen Sitz tagen. Bei Tagungen außerhalb seines ständigen Sitzes soll das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR dem Staat, in dem die Tagung stattfindet, seine Unterstützung leisten; Alle Vertragsstaaten regelmäßig zu informieren über die Maßnahmen, die von jedem Land ins Werk gesetzt wurden, um die von den in Artikel 2 dieses Protokolls vorgesehenen Organen des MERCOSUR ausgehenden Vorschriften in ihre Rechtsordnung einzugliedern; Die nationalen Listen der Schiedsrichter und Sachverständigen zu führen, sowie weitere Arbeiten zu erledigen, die im Protokoll von Brasilia vom 17. Dezember 1991 bestimmt sind; Die Arbeiten zu erledigen, die ihm vom Rat des Gemeinsamen Marktes, der Gruppe Gemeinsamer Markt und der Handelskommission des MERCOSUR aufgetragen werden; 206 VII. VIII. Seinen Haushaltsentwurf auszuarbeiten und nach seiner Billigung durch die Gruppe Gemeinsamer Markt alle notwendigen Maßnahmen zu seiner korrekten Durchführung zu treffen; Jährlich seine Rechnungslegung der Gruppe Gemeinsamer Markt vorzulegen, sowie einen Bericht über seine Tätigkeit. Art. 33 – Das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR wird von einem Direktor geleitet, der Staatsangehöriger eines der Vertragsstaaten ist. Er wird von der Gruppe Gemeinsamer Markt im Rotationssystem nach vorheriger Anhörung der Vertragsstaaten ausgewählt und vom Rat des gemeinsamen Marktes berufen. Die Amtszeit beträgt zwei Jahre, bei Ausschluß der Wiederwahl. Kapitel II - Rechtspersönlichkeit Art. 34 – Der MERCOSUR besitzt Rechtspersönlichkeit im Sinne des Völkerrechts. Art. 35 – Der MERCOSUR kann in Ausübung seiner Befugnisse sämtliche für die Verwirklichung seiner Zielsetzungen notwendigen Handlungen ausführen, insbesondere Verträge schließen, bewegliche und unbewegliche Güter erwerben und veräußern, vor Gericht auftreten, vermögen verwalten und übertragen. Art. 36 – Der MERCOSUR wird Sitzabkommen schließen22 . Kapitel III - Entscheidungsverfahren Art. 37 – Die Entscheidungen der Organe des MERCOSUR werden im Einvernehmen und in Anwesenheit aller Vertragsstaaten getroffen. Kapitel IV – Innerstaatliche Anwendung der von den Organen des MERCOSUR ausgehenden Vorschriften Art. 38 – Die Vertragsstaaten verpflichten sich, alle notwendigen Maßnahmen durchzuführen, um in ihrem jeweiligen Staatsgebiet die Einhaltung der von den in Artikel 2 dieses Protokolls vorgesehenen Organen des MERCOSUR ausgehenden Vorschriften sicherzustellen. 207 Einziger Unterabsatz – Die Vertragsstaaten informieren das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR über die dazu getroffenen Maßnahmen. Art. 39 – Im Amtsblatt des MERCOSUR werden vollständig in spanischer und portugiesischer Sprache abgedruckt der Wortlaut der Entscheidungen des Rates des Gemeinsamen Marktes, der Beschlüsse der Gruppe Gemeinsamer Markt, der Richtlinien der Handelskommission des MERCOSUR und der Schiedssprüche zur Beilegung von Streitigkeiten sowie jeglicher Akt, für den es der Rat des Gemeinsamen Marktes oder die Gruppe Gemeinsamer Markt notwendig erachtet, ihm offizielle Publizität zukommen zu lassen23 . Art. 40 – Zu dem Zweck, das gleichzeitige Inkrafttreten der von den in Artikel 2 dieses Protokolls vorgesehenen Organen des MERCOSUR ausgehenden Vorschriften zu gewährleisten, ist das nachstehende Verfahren zu befolgen: I. II. III. Sobald die Vorschrift verabschiedet ist, führen die Vertragsstaaten die zu ihrer Eingliederung in die [jeweilige] nationale Rechtsordnung erforderlichen Maßnahmen durch und teilen dieselben dem Verwaltungssekretariat des MERCOSUR mit; Wenn alle Vertragsstaaten die Eingliederung in ihre jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnungen gemeldet haben, teilt das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR die Tatsache jedem Vertragsstaat mit; Die Vorschriften treten in den Vertragsstaaten gleichzeitig 30 Tage nach dem Datum der Mitteilung durch das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR gemäß dem vorstehenden Buchstaben in Kraft. Zu diesem Endziel veröffentlichen die Vertragsstaaten innerhalb der genannten Frist den Beginn der Geltung der entsprechenden Vorschriften in ihren jeweiligen Amtsblättern. Kapitel V – Rechtsquellen des MERCOSUR Art. 41 – Die Rechtsquellen des MERCOSUR sind: I. II. III. Der Vertrag von Asunción, seine Protokolle und die zusätzlichen oder ergänzenden Instrumente, Die im Rahmen des Vertrages von Asunción geschlossenen Abkommen und ihre Protokolle; Die Entscheidungen des Rates des Gemeinsamen Marktes, die Beschlüsse der Gruppe Gemeinsamer Markt und die Richtlinien der 208 Handelskommission des MERCOSUR, die seit Inkrafttreten des Vertrages von Asunción angenommen wurden. Art. 42 – Die von den Artikel 2 dieses Protokolls vorgesehenen Organen ausgehenden Vorschriften haben bindenden Charakter und, sofern es notwendig ist, müssen sie in die nationalen Rechtsordnungen mittels der von der Gesetzgebung jedes Landes vorgesehenen Verfahren eingegliedert werden. Art. 43 – Die Streitigkeiten, die zwischen den Vertragsstaaten über die Auslegung, Anwendung oder Nichteinhaltung der Bestimmungen des Vertrages von Asunción, der in dessen Rahmen geschlossenen Abkommen sowie der Entscheidungen des Rates des Gemeinsamen Marktes, der Beschlüsse der Gruppe Gemeinsamer Markt und der Richtlinien der Handelskommission des MERCOSUR auftreten, werden den im Protokoll von Brasilia vom 17. Dezember 199124 festgelegten [Streit-] Beteiligungsverfahren unterworfen. Einziger Unterabsatz – Die Richtlinien der Handelskommission des MERCOSUR werden auch in die Artikel 19 und 25 des Protokolls von Brasilia aufgenommen. Art. 44 – Vor der vollständigen Vereinheitlichung des Gemeinsamen Außenzolls nehmen die Vertragsstaaten eine Überprüfung des derzeitigen Systems der Streitbeilegung des MERCOSUR vor mit Ausrichtung auf die Annahme des Ständigen Systems, auf das sich der Absatz 3 des Anhangs III des Vertrages von Asunción und der Artikel 34 des Protokolls von Brasilia beziehen. Kapitel VII - Haushalt Art. 45 – Das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR verfügt über einen Haushalt, um seine Betriebskosten und solche, die von der Gruppe Gemeinsamer Markt bestimmt werden, abzudecken. Dieser Haushalt wird zu gleichen Teilen durch Beiträge der Vertragsstaaten finanziert. Kapitel VIII - Sprachen Art. 46 – Die offiziellen Sprachen des MERCOSUR sind Spanisch und Portugiesisch. Die offizielle Fassung der Arbeitsdokumente ist die Sprache des Sitzlandes der jeweiligen Tagung. 209 Kapitel IX - Revision Art. 47 – Die Vertragsstaaten werden, wenn sie dies für angemessen halten, eine diplomatische Konferenz einberufen mit der Zielsetzung, die mit diesem Protokoll festgelegte institutionelle Struktur des MERCOSUR zu überarbeiten, sowie die spezifischen Befugnisse eines jeden seiner Organe. Kapitel X - Geltung Art. 48 – Das vorliegende Protokoll, Bestandteil des Vertrages von Asunción, hat eine unbestimmte Dauer und tritt 30 Tage nach dem Datum der Hinterlegung der dritten Ratifikationsurkunde in Kraft. Das vorliegende Protokoll und die Ratifikationsurkunden werden bei der Regierung von Paraguay hinterlegt. Art. 49 – Die Regierung der Republik Paraguay notifiziert den Regierungen der übrigen Vertragsstaaten das Datum der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden und des Inkrafttretens dieses Protokolls. Art. 50 – In Fragen des Beitritts oder der Kündigung gelten für das vorliegende Protokoll insgesamt die im Vertrag von Asunción festgelegten Vorschriften. Der Beitritt zu und die Kündigung des Vertrages von Asunción oder des vorliegenden Protokolls und des Vertrages von Asunción. Kapitel XI - Übergangsvorschriften Art. 51 – Die im Vertrag von Asunción vom 26. März 1991 vorgesehene institutionelle Struktur sowie die durch diese geschaffenen Organe bleiben bis zum Inkrafttreten des vorliegenden Protokolls bestehen. Kapitel XII - Allgemeine Vorschriften Art. 52 – Das vorliegende Protokoll wird „Protokoll [von] Ouro Preto“ genannt. Art. 53 – Alle Bestimmungen des Vertrages von Asunción vom 26. März 1991, die im Widerspruch zu der Regelung des vorliegenden Protokolls und 210 dem Inhalt der vom Rat des Gemeinsamen Marktes während der Übergangszeit verabschiedeten Entscheidungen stehen, sind hiermit aufgehoben. GESCHEHEN in der Stadt Ouro Preto, Föderative Republik Brasilien, am siebzehnten des Monats Dezember neunzehnhundertvierundneunzig, in einem Original, in den Sprachen Portugiesisch und Spanisch, wobei beide Texte gleichermaßen authentisch sind. Die Regierung der Republik Paraguay übersendet den Regierungen der übrigen Vertragsstaaten eine beglaubigte Abschrift des vorliegenden Protokolls. Anmerkungen 14) Übersetzung: Jochen Terpitz, Jan Kleinheisterkamp und Jürgen Samtleben. Eine englische Übersetzung des Protokolls ist abgedruckt in International Legal Materials 34 (1995) 1244 ff. 15) CMC/Dec. 18/98 (Boletín Oficial MERCOSUR III/8 p. 52); Schaffung des Forums für politische Konsultation und Abstimmung 8 Foro de Consulta y Concertación Política). 16) CMC/Dec. 2/98 (Boletín Oficial MERCOSUR II/7 p. 15); Geschäftsordnung des Rates des Gemeinsamen Marktes. 17) CMC/Dec. 4/91 (Dromi II I 144); Geschäftsordnung der Gruppe Gemeinsamer Markt. 18) CCM/Dir. I/95 (Dromi VI 5429); Einrichtung der Fachausschüsse I-10 der Handelskommission. 19) CCM/Dir. 5/96 und GMC/Res. 61/96 (Dromi VII 6200); Geschäftsordnung der Handelskommission des MERCOSUR. 20) Geschäftsordnung der Gemeinsamen Parlamentarischen Kommission vom 3.8.1995 (Dromi II 1093). 211 21) GMC/Res. 68/96 (Dromi VII 6337): Geschäftsordnung des Beratungsforums aus Wirtschaft und Gesellschaft. 22) Sitzabkommen zwischen Uruguay und dem MERCOSUR über die Tätigkeit des Verwaltungssekretariats des MERCOSUR vom 17.12.1996 (CMC/Dec. 4/96. Dromi VIII 6475, 6937, Uruguay Gesetz 16.829, Diario Oficial vom 10.6.1997); Abkommen zwischen Uruguay und dem MERCOSUR über die Einrichtung des Sitzes des Verwaltungssekretariats des MERCOSUR in dem „MERCOSURGebäude“ vom 10.12.1998 /CMC/Dec.22/98, Boletin Oficial MERCOSUR III/8 p. 56; Uruguay: Resolution 81/999, Diario Oficial vom 25.2.1999). 23) GMC/Res. 18/97 (Boletin Oficial MERCOSUR ½ p. 190), Art. 1: „Öffentlichen Charakter haben die Entscheidungen des Rates (CMC), die Beschlüsse der Gruppe (GMC), die Richtlinien der Handelskommission (CCM), die Schiedssprüche (Beschlußteil) und die Gemeinsamen Erklärungen der Präsidenten.“ 24) Siehe unten Doc. 8. 212 Anlage 51 : The Cooperation Council – Charter The Supreme Council – Rules of Procedure The Ministerial Council – Rules of Procedure The Commission for the Settlement of Disputes – Rules of Procedure 213 Cooperation Council for The Arab States of the Gulf The United Arab Emirates The State of Bahrain The Kingdom of Saudi Arabia The Sultanate of Oman The State of Qatar, and The State of Kuwait Being fully aware of the ties of special relations, common characteristics and similar systems founded on the creed of Islam which bind them; and Desiring to effect coordination, cooperation and Integration between them in all fields; and, Having the conviction that coordination, cooperation, and integration between them serve the sublime objectives of the Arab Nation and, Having the conviction that coordination, cooperation, and integration between them serve the sublime objectives of the Arab Nation; and, In pursuit of the goal of strengthening cooperation and reinforcement of the links between them; and In an endeavour to complement efforts already begun in all essential areas that concern their peoples and realize their hopes for a better future on the path to unity of their States; and In conformity with the Charter of the League of Arab States which calls for the realization of closer relations and stronger bonds; and In order to channel their efforts to reinforce and serve Arab and Islamic causes, Have agreed as follows: 214 ARTICLE ONE The Establishment of the Council A Council shall be established hereby to be named The Cooperation Council for the Arab States of the Gulf hereinafter referred to as the Cooperation Council (GCC). ARTICLE TWO The Cooperation Council shall have its headquarters in Riyadh, Saudi Arabia. ARTICLE THREE Cooperation Council Meetings The Council shall hold its meetings in the state where it has its headquarters, and may convene in any member state. ARTICLE FOUR Objectives The basic objectives of the Cooperation Council are: 1. To effect coordination, and interconnection between Member States in all fields in order to achieve unity between them. 2. To deepen and strengthen relations, links and areas of cooperation now prevailing between their peoples in various fields. 3. To formulate similar regulations in various fields including the following: a. Economic and financial affairs b. Commerce, customs and communications c. Education and culture 215 4. To stimulate scientific and technological progress in the fields of industry, mining, agriculture, water and animal resources, to establish scientific research; to establish joint ventures and encourage cooperation by the private sector for the good of their peoples. ARTICLE FIVE Council Membership The Cooperation Council shall be formed of the six states that participated in the Foreign Ministers' meeting held in Riyadh on 4 February 1981. ARTICLE SIX Organization of the Cooperation Council The Cooperation Council shall have the following main organizations: 1. The Supreme Council to which shall be attached the Commission for Settlement of Disputes. 2. The Ministerial Council. 3. The Secretariat General. Each of these organizations may establish sub-agencies as may be necessary. ARTICLE SEVEN Supreme Council The Cooperation Council shall be formed of the six states that participated in the Foreign Ministers' meeting held in Riyadh on 4 February 1981. 1. The Supreme Council is the highest authority of the Cooperation Council and shall be formed of heads of member states. Its presidency shall be 216 rotatory based on the alphabetical order of the names of the member states. 2. The Supreme Council shall hold one regular session every year. Extraordinary sessions may be convened at the request of any member seconded by another member. 3. The Supreme Council shall hold its sessions in the territories of member states. 4. A Supreme Council's meeting shall be considered valid if attend by twothirds of the member states. ARTICLE EIGHT The Functions of the Supreme Council The Supreme Council shall endeavour to realize the objectives of the Cooperation Council, particularly as concerns the following: 1. Review matters of interest to the member states. 2. Lay down the higher policy for the Cooperation Council and t he basic lines it should follow. 3. Review the recommendations, reports, studies and joint ventures submitted by the Ministerial Council for approval. 4. Review reports and studies, which t he Secretary-General is charged to prepare. 5. Approve the bases for dealing with other states and international organizations. 6. Approve the rules of procedure of the Commission for the Settlement of Disputes and nominate its members. 7. Appoint the Secretary-General. 8. Amend the Charter of the Cooperation Council. 9. Approve the Council's internal rules of procedure. 10. Approve the budget of the Secretariat General. 217 ARTICLE NINE Voting in the Supreme Council The Cooperation Council shall be formed of the six states that participated in the Foreign Ministers' meeting held in Riyadh on 4 February 1981. 1. Each member of the Supreme Council shall have one vote. 2. Resolutions of the Supreme Council in substantive matters shall be carried by unanimous approval of the member states participating in the voting, while resolutions on procedural matters shall be carried by majority vote. ARTICLE TEN Commission for the Settlement of Disputes 1. The Cooperation Council shall have a commission called ''The Commission for the Settlement of Disputes'' which shall be attached to the Supreme Council. 2. The Supreme Council shall establish the composition of the Commission for every case on an "ad hoc" basis in accordance with the nature of the dispute. 3. If a dispute arises over interpretation or implementation of the Charter and such dispute is not resolved within the Ministerial Council or the Supreme Council, the Supreme Council may refer such dispute to the Commission for the Settlement of Disputes. 4. The Commission shall submit its recommendations or opinion, as applicable, to the Supreme Council for such action as the Supreme Council deems appropriate. ARTICLE ELEVEN Ministerial Council I .The Ministerial Council shall be formed of the Foreign Ministers of the member states or other delegated ministers. The Council Presidency shall be for the member state, which presided the last ordinary session of 218 the Supreme Council, or if necessary, for the state which is next to preside the Supreme Council. 2. The Ministerial Council shall convene every three months and may hold extraordinary sessions at the invitation of any member seconded by another member. 3. The Ministerial Council shall determine the venue of its next session. 4. A Council's meeting shall be deemed valid if attended by two-thirds of the member states. ARTICLE TWELVE Functions of the Ministerial Council I. Propose policies, prepare recommendations, studies and projects aimed at developing cooperation and coordination between member states in various fields and adopt the resolutions or recommendations required in this regard. 2. Endeavour to encourage, develop and coordinate activities existing between member states in all fields. Resolutions adopted in such matters shall be referred to the Ministerial Council for further submission, with recommendations to the Supreme Council for appropriate action. 3. Submit recommendations to the Ministers concerned to formulate policies whereby the Cooperation Council's resolutions may be put into effect. 4. Encourage means of cooperation and coordination between the various private sector activities, develop existing cooperation between the member states' Chamber of Commerce and Industry, and encourage the movement within the GCC of workers who are citizens of the member states. 5. Refer any of the various aspects of cooperation to one or more technical or specialized committee for study and presentation of appropriate recommendations. 6. Review proposals related to amendments to this Charter and submit appropriate recommendations to the Supreme Council. 7. Approve Rules of Procedure of both the Ministerial Council and the Secretariat General. 219 8. Appoint the Assistant Secretaries-General, as nominated by the Secretary-General, for a period of three year, renewable. 9. Approve periodic reports as well as internal rules and regulations relating to administrative and financial affairs proposed by the Secretary-General, and submit recommendations to the Supreme Council for approval of the budget of the Secretariat General. 10. Make arrangements for meetings of the Supreme Council and prepare its agenda. 11. Review matters referred to it by the Supreme Council. ARTICLE THIRTEEN Voting in the Ministerial Council 1. Every member of the Ministerial Council shall have one vote. 2. Resolutions of the Ministerial Council in substantive matters shall be carried by unanimous vote of the member state present and participating in the vote, and in procedural matters by majority vote. ARTICLE FOURTEEN The Secretariat General 1. The Secretariat General shall be composed of a Secretary-General who shall be assisted by assistants and a number of staff as required. 2. The Supreme Council shall appoint the Secretary-General, who shall be a citizen of one of the Cooperation Council states, for a period of three years, which may be renewed once only. 3. The Secretary-General shall nominate the Assistant Secretaries-General. 4. The Secretary-General shall appoint the Secretariat General staff from among the citizens of member states, and may not make exceptions without the approval of the Ministerial Council. 220 5. The Secretary-General shall be directly responsible for the work of the Secretariat General and the smooth flow of work In its various organizations. He shall represent the Cooperation Council with other parties within the limits of the authority vested in him. ARTICLE FIFTEEN Functions of the Secretariat General The Secretariat General shall: 1. Prepare studies related to cooperation and coordination, and to integrated plans and programs for member states' action. 2. Prepare periodic reports on the work of the Cooperation Council. 3. Follow up the implementation by the member states of the resolutions and recommendations of the Supreme Council and Ministerial Council. 4. Prepare reports and studies requested by the Supreme Council or Ministerial Council. 5. Prepare the draft of administrative and financial regulations commensurate with the growth of the Cooperation Council and its expanding responsibilities. 6. Prepare the budgets and closing accounts of the Cooperation Council. 7. Make preparations for meetings and prepare agendas and draft resolutions for the Ministerial Council. 8. Recommend to the Chairman of the Ministerial Council the convening of an extraordinary session of the Council when necessary. 9. Any other tasks entrusted to it by the Supreme Council or Ministerial Council. 221 ARTICLE SIXTEEN The Secretary-General and the Assistant Secretaries-General and all the Secretariat General staff shall carry out their duties in complete independence and for the joint benefit of the member states. They shall refrain from any action or behavior that is incompatible with their duties and from divulging confidential matters relating to their appointments either during or after their tenure of office. ARTICLE SEVENTEEN Privileges and Immunities 1. The Cooperation Council and its organizations shall enjoy on the territories of all member states such legal competence, privileges and immunities as are required to realize their objectives and carry out their functions. 2. Representatives of the members on the Council, and the Council's employees, shall enjoy such privileges and immunities as are specified in agreements to be concluded for this purpose between the member states. A special agreement shall organize the relation between the Council and the state in which it has its headquarters. 3. Until such time as the two agreements mentioned in item 2 above are prepared and put into effect, the representatives of the member states in the Cooperation Council and its staff shall enjoy the diplomatic privileges and immunities established for similar organizations. ARTICLE EIGHTEEN Budget of the Secretariat General The Secretariat General shall have a budget to which the member states shall contribute in equal amounts. 222 ARTICLE NINETEEN The Implementation of the Charter 1. This Charter shall go into effect as of the date it is signed by the Head of States of the six member states named in this Charter's preamble. 2. The original copy of this Charter shall be deposited with the Ministry of Foreign Affairs of the Kingdom of Saudi Arabia which shall act as custodian and shall deliver a true copy thereof to every member state, pending t he establishment of the Secretariat General, at which time the latter shall become depository. ARTICLE TWENTY Amendments to the Charter 1. Any member state may request an amendment of this Charter. 2. Request for Charter amendments shall be submitted to the SecretaryGeneral who shall refer t hem to the member states at least four months prior to submission to the Ministerial Council. 3. An amendment shall become effective if unanimously approved by the Supreme Council. ARTICLE TWENTYONE Closing Provisions No reservations may be voiced in respect of the provisions of this Charter. 223 ARTICLE TWENTYTWO The Secretariat General shall arrange to deposit and register copies of t his Charter with the League of Arab States and the United Nations, by resolution of the Ministerial Council. This Charter is signed on one copy in the Arabic language at Abu Dhabi City, United Arab Emirates, on 21 Rajab 1401 corresponding to 25 May 1981. The United Arab Emirates The State of Bahrain The Kingdom of Saudi Arabia The Sultanate of Oman The State of Qatar The State of Kuwait Remark 1) Fundort: http://www.gcc-sg.org/Charter.html 224