Jahrbuch 2013+14 - Gesamtverband textil+mode
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Jahrbuch 2013+14 - Gesamtverband textil+mode
textil + modewelt 2013+14 I Inn hha l ta l t textil+modewelt 2 0 1 3 +1 4 Vorwort Präsident Peter SchwartzeS. 3 Überblick Dr. Wolf-Rüdiger Baumann und Dr. Uwe Mazura im Gespräch S. 4 Die Textil- und Modebranche in DeutschlandS. 6 Tarifpolitik Tarifrunde 2013: Rück- und Ausblick S. 10 tERA: Textiles Entgeltrahmenabkommen S. 12 Bildung t+m unterstützt WorldSkillsS. 14 Früh übt sich: t+m-Bildungsreise nach HelsinkiS. 16 Sozialpolitik Arbeitskreis Arbeitssicherheit und GesundheitsschutzS. 18 Fachtagung Textil+Mode / Xing-GruppeS. 19 Das Verfahren um die Künstlersozialabgabe S. 20 Internationale Märkte Sicherheit im Zoll: Ein Thema auch für die Textil- und ModeindustrieS. 21 Globaler Freihandel schreitet voran S. 22 SMART Myanmar: t+m leistet Entwicklungshilfe S. 26 Service im Netz: t+m-Länderprofile reloadedS. 28 Außenwirtschaftstag textil+mode S. 29 Europa Wir sind Europa: Nationale Interessen auf EU-Ebene S. 30 Europawahl 2014 S. 32 Made in - Und täglich grüßt das MurmeltierS. 33 Forschung Denkbares machen, statt nur Machbares zu denken S. 34 Energie & Umwelt Die Energiewende wird 2! Leider kein Anlass zum Feiern... S. 38 Neue Kennzeichnungspflicht für mit Biozidprodukten behandelte WarenS. 39 Präsidium und KontaktS. 40 Impressum und BildnachweiseS. 42 VP eot err Swc how arr t tz e Präsident Gesamtverband textil+mode Sehr geehrte Damen und Herren, 2013 war und 2014 wird ein spannendes Jahr. Nicht nur in der Welt, in der Politik – auch beim Gesamtverband textil+mode. Seit 20 Jahren führte Dr. Wolf-Rüdiger Baumann t+m, nun verabschiedet er sich in den wohlverdienten Ruhestand. Die Nachfolge tritt Dr. Uwe Mazura an. Was er wie erreichen möchte, sagt er uns auf Seite 5. Die deutsche Textil- und Modeindustrie ist noch immer ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Sie hat in den vergangenen Jahren ihre starke Marktposition weiter ausgebaut. Die Unternehmen setzen noch mehr auf Innovationen und stärken damit ihre Position im internationalen Wettbewerb. Die Commerzbank hat dies erkannt und stellte der Modebranche in einem Branchenbericht ein sehr gutes Zeugnis aus. Genaues zur Umsatzentwicklung lesen Sie ab Seite 6. Selbstverständlich gehört auch der Nachwuchs zu einer erfolgreichen Branche. Im Rahmen der WorldSkills-Berufsolympiade konnten wir uns bestens durch Sofie Kellner, einer 21-jährigen Auszubildenden im Fach Modeschneiderin, repräsentiert fühlen. Mehr zur Platzierung und zum Event erfahren Sie ab Seite 14. Über den Tellerrand Deutschlands hinaus schauten die Kolleginnen und Kollegen während der t+m-Bildungsreise nach Helsinki. Früh werden dort bereits handwerkliche Fähigkeiten gefördert. Aber auch berufliche Erwachsenenbildung sowie Lehrerbildung haben ein hohes Ansehen in Finnland. Welcher Vergleich sich hier ziehen lässt? Lesen Sie mehr auf Seite 16. Im Sommer 2012 ging die Ausgleichsvereinigung textil+mode erfolgreich an den Start. 2013 hat sich die Mitgliederzahl schon verdoppelt. Hinweise zur Ausgleichsvereinigung sowie zum Beitritt finden Sie auf Seite 20 dieses Jahrbuches. Ebenfalls 2012 entschied t+m sich gemeinsam mit europäischen und asiatischen Projektpartnern im Projekt SMART Myanmar zu engagieren. Die Hintergründe und Ziele dieses Projektes haben wir auf den Seiten 26 und 27 für Sie zusammengefasst. Besonders ans Herz legen möchte ich Ihnen den Außenwirtschaftstag textil+mode, welcher am 10. April 2014 beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Berlin stattfinden wird. Auf Seite 29 finden Sie hierzu erste Informationen und Ansprechpartner. Auch auf europäischer Bühne werden die Karten neu gemischt. Am 25. Mai 2014 finden die 8. Wahlen zum Europaparlament statt. Wir dürfen gespannt sein. An dieser Stelle bleibt mir daher nur noch zu sagen: Für alles Kommende im Jahr 2014 wünsche ich Ihnen und uns viel Erfolg und gutes Gelingen. Herzlichst, Peter Schwartze 3 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik Herzlichen Dank & D r. Wol f-R ü d ig er Ba u m a nn Auf Wiedersehen Stephanie Schmidt Seit 20 Jahren ist Dr. Wolf-Rüdiger Baumann Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie. Im Gespräch mit Stephanie Schmidt zieht er Bilanz, spricht über die Zukunft der Branche und welches Kleidungsstück er sich als Nächstes kaufen wird. Anfang Januar 2014 wird der promovierte Historiker 66 Jahre alt und scheidet bei t+m aus. Was werden Sie am 1. Januar 2014 machen? Haben Sie schon Pläne für das kommende Jahr? Den Augenblick genießen. – Neue Herausforderungen suchen. – Mit Volldampf voran. Seit Ihrem Start haben Sie viele Höhen und Tiefen der deutschen Mode- und Textilindustrie, wie Beschäftigungsrückgang, Abwanderung und Eurokrise miterlebt. Zugleich zeigt die Industrie immer wieder ihre Widerstandsfähigkeit, enorme Innovationskraft und ihre Relevanz für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wie sehen Sie die Zukunft für die Branche? Die Metamorphose der deutschen Textilund Modeindustrie sucht ihresgleichen. Sie ist kreativ, innovativ und bestens aufgestellt. Wenn sie der Konkurrenz immer eine Nasenlänge voraus bleibt, wird sie im 4 internationalen Wettbewerb weiter punkten. Als „Brückenbauer zwischen Politik und Wirtschaft“ betitelte Sie einst Ministerpräsident Volker Bouffier. Das muss man erst einmal von sich sagen können… Danach habe ich den Verband ausgerichtet. Wenn mir das gelungen ist, bin ich zufrieden. Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg? Ruhig, besonnen und mit diplomatischem Fingerspitzengefühl agieren. – Und viel Erfolg bei der Durchsetzung der Interessen unserer Industrie, national und international. In einem Interview von 2006 wollten Sie sich als nächstes Kleidungsstück eine Badehose kaufen. Was wird es dieses Mal sein? Keine Ahnung. Doch keine Sorge: Ich werde den Konsum anheizen. Dr. Baumann, herzlichen Dank für das Gespräch, viel Erfolg und alles Gute für Sie! Zur Person: Wolf-Rüdiger Baumann wurde 1948 in Gronau/Westfalen geboren. Nach Ausbildungen zum Bank- sowie Außenhandelskaufmann studierte er Ökonomie. Nach dem Studium promovierte er am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Danach war er außenpolitischer Referent in der CDU-Bundesgeschäftsstelle und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Lange Jahre war er ehrenamtlich im Zukunftsforum Finanzplatz Frankfurt aktiv. Baumann war ebenfalls Vorsitzender des Wirtschaftsrates der CDU e. V. in Hessen, Mitglied im Bundesvorstand des Wirtschaftsrates sowie im europapolitischen Ausschuss. In dieser Zeit gehörte er auch dem Landesvorstand der hessischen CDU an. 2009 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Internationale Märkte Europapolitik Forschung Umwelt & Energie Herzlich W iDr. l l kUwe o mMamzueran & viel Erfolg Prof. Dieter Hundt. Zusätzlich führte er von 2002 bis 2011 die Geschäfte der Kommunikationsagentur GDA. Vorher war Mazura Abteilungsleiter bei der Deutschen Post AG und war verantwortlich für die Verbindungen des Unternehmens in die Politik und zu den Verbänden. Uwe Mazura hat Geschichte studiert und ist an der Universität Bonn promoviert worden. Zum 1. Januar 2014 übernimmt Uwe Mazura die Hauptgeschäftsführung bei t+m. Mazura ist seit mehr als 25 Jahren aktiv in der politischen Kommunikation und ist in Politik und Verbandslandschaft bestens vernetzt: Vor seinem Wechsel zu t+m war er fast drei Jahre Leiter der Hauptstadtrepräsentanz der Randstad Deutschland GmbH. Von 1997 bis März 2011 leitete er die Kommunikation der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und war Sprecher von Arbeitgeberpräsident Was hat Sie am meisten überrascht? Am meisten beeindruckt bin ich von der Innovationsfähigkeit und -geschwindigkeit der Industrie. Das nötigt mir riesigen Respekt ab, vor allem weil dies in der breiten Öffentlichkeit noch viel zu wenig bekannt ist. So viele Hidden Champions, so viele hoch kreative Unternehmer, die es in einem äußerst schwierigen Umfeld zur Weltmarktgeltung gebracht haben, gibt es nur in ganz wenigen anderen Branchen. Darüber hinaus hat die Industrie einen Internationalisierungsgrad erreicht, wovon andere Branchen nur träumen können. 1. Weiterer Ausbau der politischen Interessenvertretung, 2. Ausbau der Serviceleistungen für unsere Mitglieder, 3. Intensivierung der Medienarbeit. In allen Bereichen gehört t+m schon zur Spitze in der Verbandslandschaft. Unser Ziel muss es daher sein, diese ausgezeichnete Basis zu verbreitern und zum Beispiel die Dienstleistungen für unsere Mitglieder weiter auszubauen. Daneben wollen wir die öffentliche Wahrnehmung der Industrie stärken und deutlich machen, dass die Textil- und Modeindustrie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Bundesrepublik Deutschland ist. Und auch die abschließende Frage an Sie: Welches Kleidungsstück werden Sie sich als Nächstes kaufen? Ganz dringend: Einen neuen Judoanzug. Wir wünschen Ihnen einen guten Start und viel Erfolg bei der Umsetzung Ihrer Ziele! Worin sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer zukünftigen Arbeit und welche Ziele haben Sie sich gesetzt? Aktuell sehe ich drei gleichberechtigte Schwerpunkte: 5 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik BDierTextila nundcModehe branche in Deutschland Marcus Jacoangeli Als eine der klassischen Industrien des verarbeitenden Gewerbes hat die Textilund Modeindustrie in den vergangenen Jahrzehnten viele Wandlungen durchlebt und es werden weitere Veränderungen auf die Unternehmen der Branche zukommen. Innovation ist daher eine Grundvoraussetzung, um sich rasch auf ändernde Bedingungen einzustellen. Die Textil- und 6 Modeunternehmen in Deutschland wissen das aus Erfahrung und haben gerade in den vergangenen Jahren die sich rapide ändernden Bedingungen genutzt, um sich eine starke Position im internationalen Wettbewerb zu sichern. Die Branche ist heute mit einem Umsatz von etwa 28 Milliarden Euro und 120.000 Beschäftigten allein in Deutschland die zweitgrößte Konsumgüterbranche. International ist die Branche hervorragend aufgestellt. Der Exportanteil steigt stetig an, die Top-Unternehmen der Textilbranche und damit viele der großen Marken der Mode kommen aus Deutschland. Internationale Märkte Im Bereich Textil treiben insbesondere die zukunftsträchtigen Technischen Textilien das Wachstum. Deutsche Unternehmen sind in diesem Segment führend: Ihr globaler Marktanteil liegt bei knapp 50 %. Zu internationalen Verflechtungen kommt hinzu, dass die Textilindustrie insgesamt zunehmend für andere Branchen als Europapolitik Forschung Zulieferindustrie fungiert. Beispiele sind der Fahrzeugbau, die Luftfahrtindustrie oder die Medizintechnik, um nur einige zu nennen. Auch kommt der Textilindustrie stimulierend zugute, dass in einigen langfristig intakten „Megatrends“ große Chancen liegen. Besonders hervorzuheben sind faserbasierte Werkstoffe, die Umwelt & Energie effizienzsteigernd und ressourcensparend eingesetzt werden und damit dem Wunsch nach steigender Mobilität bei gleichzeitig knapp werdender Ressourcen entsprechen. 7 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Umsatzanteil durch Produktneuheiten im Jahr 2011. 8 Sozialpolitik Internationale Märkte Wesentliche Voraussetzung für die Innovationskraft ist, dass die Branche seit vielen Jahren viel in Forschung und Entwicklung investiert. 16 Textilforschungsinstitute treiben allein in Deutschland gemeinsam mit den Unternehmen Innovationen voran. Im Branchenvergleich zeigt sich dann auch, dass die Textil- und Bekleidungsindustrie zu den innovativsten Branchen in Deutschland gehört. Auch die Mode in Deutschland ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Wesentliche Erfolgsfaktoren – neben den zahlreichen weltweit starken Marken – sind die Erschließung zukunftsträchtiger Auslandsmärkte und die Investition in eigene Vertriebskanäle und den Online-Handel. Dennoch: An Herausforderungen fehlt es nicht. Die Textil- und Modebranche Europapolitik Forschung steht zwar momentan wirtschaftlich gut da, allerdings wachsen die Bäume auch für sie nicht in den Himmel. Ein Blick in die aktuelle Exportstatistik zeigt, dass die Krise insbesondere der europäischen Nachbarn die Umsätze stagnieren lässt und auch die in der jüngeren Vergangenheit so dynamischen Schwellenländer können dieses Manko nicht ausgleichen. Die Preise für Rohstoffe wie Baumwolle und Chemiefasern haben sich zwar etwas beruhigt, allerdings auf gleichbleibend hohem Niveau. Im Inland bereiten den Textilunternehmen die steigenden Energiepreise Sorgen. Höhere Steuern schmälern die Konsumneigung in der Bevölkerung, was in Deutschland überproportional zu einem geringeren Konsum an textilen Produkten führt. Umwelt & Energie Insgesamt stellt sich in der zweiten Jahreshälfte 2013 nach einigen Jahren des Wachstums eine leichte Stagnation ein. Die Umsätze werden 2013 nicht das Niveau des Vorjahres erreichen, wobei es im Textilsegment einen Rückgang von etwa 3 - 4 % geben wird, während die Bekleidungsbranche nach wie vor optimistisch ist und eine leichte Steigerung der Jahresumsätze von 1,5 - 2,5 % erwartet. Wachstumstreiber ist hierbei die Berufsund Sportbekleidung. Die Investitionen werden – allerdings nach stürmischen Zuwächsen von teils über 40 % in den Vorjahren – im laufenden Jahr im Bekleidungsbereich stagnieren und im Textilsegment um etwa 15 % zurückgehen. 9 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik Tarifrunde Tarifrunde 2013: Rück- und Ausblick Hans-Joachim Blömeke Rückblick 2012 Der Tarifabschluss 2012 erfolgte zeitgleich mit dem Redaktionsschluss zum Jahrbuch textil+modewelt 2012+13, so dass dort eine ausführliche Berichterstattung nicht mehr möglich war. Dennoch erscheint es angebracht, in der gebotenen Kürze noch einmal auf die Tarifrunde 2012 einzugehen, denn Ablauf und Ergebnis waren bemerkenswert. Monaten eine langfristige und verlässliche Planungssicherheit für die Betriebe unserer Branche und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreicht werden. Das war – rückwirkend aus Sicht des Jahres 2013 – gerade jetzt von besonderer Bedeutung. Zog Ende 2012 die Konjunktur noch an, so dass wir uns langsam aus der Talsohle der Jahre 2009 bis 2011 bewegten, so bewegten sich von Jahresbeginn 2013 an alle Indikatoren und Prognosen wieder in Richtung Talfahrt. Auftragsrückgänge in bedeutenden in- und ausländischen Märkten bedingt durch die Euro-Krise und unkalkulierbar steigende Betriebskosten sorgten und sorgen dafür, dass die finanziellen Verteilungsspielräume sich zwischenzeitlich zum Teil erheblich verringert haben. Die langfristige Kalkulierbarkeit der Personalkosten ist deshalb von besonderer Bedeutung. Zum einen konnte die Tarifrunde 2012 – wie auch im Jahr 2011 – wiederum ohne streikbedingte Arbeitsniederlegungen beendet werden. Streikmaßnahmen gehörten in der Vergangenheit zum Bild der Tarifverhandlungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Mit dieser „alten Tradition“ nun im zweiten Jahr hintereinander gebrochen zu haben zeigt, dass es den Tarifvertragsparteien durchaus möglich ist, durch sachliche, offen und fair geführte Auch die im Tarifabschluss vereinbarten „Stellschrauben“ trugen und tragen im Verhandlungen zu einem angemessenen, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ent- laufenden Jahr zur Kalkulierbarkeit und Planungssicherheit der Betriebskosten bei. sprechenden und letztendlich allen Seiten Einmalzahlungen und die erste Erhöhung gerecht werdenden Abschluss zu komder Löhne und Gehälter konnten und men. Wir hoffen, dass sich für kommende können bei Beschäftigungszusage aus Tarifrunden damit eine „neue Tradition“ wirtschaftlichen Gründen durch freiwillige bildet, die unnötige Kosten streikbedingter Betriebsvereinbarung wegfallen, verschoArbeitsausfälle vermeidet. ben oder gekürzt werden. Mit den im Tarifabschluss enthaltenen Werkzeugen ist Der Abschluss 2012 ist aber auch noch es den Betrieben deshalb möglich, die aus einem anderen Grund bemerkenswert. Erstmals konnte mit einer Laufzeit von 24 10 Tariferhöhungen den ganz speziellen betrieblichen Bedürfnissen anzupassen. Der in den frühen Morgenstunden des 7. November 2012 in Bocholt vereinbarte Abschluss umfasst: -- Laufzeit: 24 Monate -- Zwei Nullmonate im November und Dezember 2012 -- Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 240 Euro für die Monate Januar bis einschließlich April 2013. (Diese Einmalzahlungen können aus wirtschaftlichen Gründen auf Basis einer freiwilligen Betriebsvereinbarung unter der Bedingung einer Beschäftigungszusage wegfallen, gekürzt oder um jeweils bis zu vier Monate verschoben werden.) -- Auszubildende erhalten insgesamt 100 Euro. Internationale Märkte -- Ab 1. Mai 2013 erfolgt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 3 %. (Diese ist aus wirtschaftlichen Gründen auf Basis einer freiwilligen Betriebsvereinbarung unter der Bedingung einer Beschäftigungszusage um einen Prozentpunkt bis einschließlich 30.11.2013 teilweise oder vollständig absenkbar.) -- Die monatlichen Ausbildungsvergütungen werden ab 1. Mai 2013 tabellenwirksam um 50 Euro erhöht. -- Ab 1. Juni 2014 erfolgt eine weitere Entgelterhöhung um 2 %. -- Die Tarifvertragsparteien werden zudem ab Januar 2013 Tarifverhandlungen zur Bewältigung des Demografischen Wandels führen. Tarifverhandlungen Demografie Europapolitik Forschung werden. In weiteren Arbeitsgruppen wurden dann die Themenbereiche Gesundheit und Qualifikation sowie Inhalt und Aufbau eines Tarifvertrags Demografie aufgegriffen. Ziel ist es aus unserer Sicht, dass in einem solchen Demografie-Tarifvertrag die Tarifvertragsparteien lediglich Empfehlungen geben, wie der demografischen Entwicklung durch das Andenken geeigneter Maßnahmen begegnet werden kann. Inhaltlich soll er Handlungsfelder und Vorschläge für Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, die auf betrieblicher Ebene aufgegriffen werden können. Den Arbeitgebern muss es überlassen bleiben, diese Regelungen auf freiwilliger Basis aufzugreifen und umzusetzen. Verpflichtende Regelungen mit gegen den Willen des Arbeitgebers einklagbaren Ansprüchen gehören nicht in einen solchen Tarifvertrag. Diese Auffassung teilt die IG Metall nicht unbedingt. Sie wünscht das Festschreiben von verpflichtenden Regelungen und fordert mit Schreiben vom 26. Juni 2013: -- einen Tarifvertrag zur Förderung einer demografischen Altersteilzeit -- einen Tarifvertrag zur unbefristeten Übernahme Ausgebildeter sowie -- Regelungen zum Belastungsabbau und zur altersgerechten Arbeitsgestaltung im Rahmen eines Tarifvertrags Demografie Umwelt & Energie Auf der Sitzung des Arbeitgeberverbundes am 3. Juli 2013 in Herford wurden die Forderungen der IG Metall und die anstehenden Tarifverhandlungen ausführlich besprochen. Es wurde deutlich gemacht, dass bei den Tarifverhandlungen nicht nur die Interessen der Gewerkschaft, sondern auch die der Arbeitgeber berücksichtigt werden müssen, damit ein solcher Tarifvertrag von allen Mitgliedern getragen werden kann. Wir haben deshalb die IG Metall aufgefordert, bei den Tarifverhandlungen auch folgende Themenbereiche verbindlich zu regeln: -- Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, insbesondere Abschaffung der Vereinbarung zur Optimierung der Maschinenlaufzeiten -- Anpassung der Senioritätsprivilegien, insbesondere Abschaffung der Tarifverträge zur Sicherung älterer Arbeitnehmer -- Einführung von Lebensarbeitszeitkonten Wir halten eine grundsätzliche Regelung auch dieser Punkte für erforderlich, um mit modernen Tarifverträgen eine Antwort auf die Herausforderungen des demografischen Wandels bieten zu können. Nur mit der Vereinbarung neuer, zeitgemäßer Regelungen und der Änderung seit Jahrzehnten bestehender, unzeitgemäßer und an sich unanwendbarer Regelungen Im Tarifabschluss vom 21. Februar 2011 in Viernheim wurde festgelegt, dass die Tarifvertragsparteien eine gemeinsame zentrale Koordinierungsgruppe bilden, in der demografierelevante Themen für unsere Branchen aufgegriffen und Lösungsvorschläge erarbeitet werden sollen. Die Gruppe hatte von Mai 2011 bis 2012 in mehreren Workshops unter Leitung eines Moderators das Themengebiet bearbeitet und Handlungsfelder herausgebildet. Im Tarifabschluss vom 7. November 2012 in Bocholt wurde vereinbart, dass die Empfehlungen aus der Koordinierungsgruppe weiter bearbeitet und ab Januar 2013 tarifpolitischen Verhandlungen zugeführt 11 Überblick Tarifpolitik Sozialpolitik mann, Verhandlungsführer der Arbeitgeber, hat in der Eröffnungsdebatte noch einmal auf unsere Ziele hingewiesen. Er betonte erneut den ernsthaften Verhandlungswillen der Arbeitgeber, wies aber mit Blick auf die sich seit Beginn des Jahres 2013 weiter verschlechternde wirtschaftliche Lage der Textil- und Bekleidungsindustrie darauf hin, dass die gemeinsam anzustrebenden Lösungen betrieblich tragbar, finanziell machbar, kostenneutral und den Interessen der Unternehmen und Beschäftigten gerecht sein müssen. Für die nächste Verhandlungsrunde am 28. Oktober 2013 in Ingolstadt – damit nach Redaktionsschluss für dieses Jahrbuch – sicherte er Lösungsvorschläge zu den Forderungen beider Seiten zu. Wir sind zuversichtlich, zu Ergebnissen kommen zu können, mit denen den Auswirkungen der demografischen Entwicklungen in unserer Branche begegnet werden kann. Über das Ergebnis werden wir im Jahrbuch textil+modewelt 2014+15 berichten. der Gespräche wurden von der IG Metall abgesagt. Damit befinden wir uns nach wie vor auf dem Stand des Jahres 2012. --Ausrichtung des tERA an dem Tarifwerk des ERA NRW Metall unter Berücksichtigung textilspezifischer Besonderheiten --Anwendung des analytischen Verfahrens --Aufbau von 14 Entgeltgruppen --Anwendbarkeit der vereinbarten Punkte-Zuordnung -- Übernahme des Glossars mit noch zu verhandelnden offenen Punkten zeitbedingte Anpassungen der Vorlagen des ERA NRW aus 2002 erforderlich sind. Die IG Metall vertritt aber nach wie vor die Auffassung, dass größere Änderungen nur durch eine sogenannte „Politische Gruppe“ vorgenommen werden könnten. Sie beharrt aufgrund einer Beschlusslage ihrer Gremien auf einer Eins-zu-EinsÜbernahme der (veralteten) Metall NRW-Regelungen. Angekündigte eigene Vorschläge hat die IG Metall deshalb bisher nicht vorgelegt. Wir vertreten auch weiterhin die Auffassung, dass erst dann, wenn die Strukturen eines Entgeltrahmenabkommens und Fragen der Umsetzung in der Technischen Kommission geklärt sind, durch die Gremien der Tarifvertragsparteien diese in tarifpolitischen Verhandlungen abschließend zu beraten und zu vereinbaren sind. Wir haben genau aufgezeigt, an welchen Stellen textilbedingte Änderungen und Die für Januar, April und Juni 2013 vereinbarten Termine zur Fortsetzung kann es gelingen, alte Krusten aufzubrechen und in Zeiten der Globalisierung wettbewerbsfähig zu bleiben. Ziel auch dieser Tarifverhandlungen muss es deshalb sein, unsere Tarifverträge für Arbeitgeber und Beschäftigte interessant, innovativ, transparent und einfach anwendbar auszugestalten. Die 1. Runde der Demografie-Tarifverhandlungen hat am 24. September 2013 in Maintal stattgefunden. Wolfgang Brink- Textiles Entgeltrahmenabkommen Bereits im letzten Jahr hatten wir berichtet, dass wir uns mit der IG Metall nur in sehr kleinen Schritten einem möglichen Ergebnis nähern. In der letzten Sitzung der gemeinsamen Technischen Expertenkommission am 4. Oktober 2012 wurde noch einmal bestätigt, dass bisher Einigkeit besteht über: 12 Bildungspolitik Wir haben am 23. April 2013 in Köln zu einer tERA-Sitzung der großen Projektgruppe eingeladen und über die bisher erreichten Ergebnisse sowie den Gesprächsstand informiert. Es wurde angeregt festzustellen, ob sieben Jahre nach Vereinbarung der Gespräche zu einem Entgeltrahmenabkommen, dieses in der betrieblichen Praxis noch als erforderlich angesehen wird. Die von uns durchgeführte SWOT-Analyse führte zu folgenden Ergebnissen: Internationale Märkte Europapolitik Forschung Umwelt & Energie Ausgangslage 1. In der Textilindustrie sind die Lohngruppenkataloge durch die weit fortgeschrittene technische Entwicklung völlig veraltet. Eingruppierungen der „neuen“ Tätigkeiten, insbesondere bei „atypischen“ Textilfirmen wie Automobilzulieferer, können nur schwer vorgenommen werden. 2. Die Eingruppierungen der Angestellten sind aufgrund der ausbildungsund tätigkeitsbezogenen Merkmale in den Gehaltsgruppenkatalogen noch möglich. 4. In der Bekleidungsindustrie gibt es einen zeitgemäßen Lohnrahmen-Tarifvertrag. Die Notwendigkeit eines Entgelt-Rahmenabkommens wird hier nicht unbedingt gesehen. 3. Bei vergleichbaren Anforderungen besteht eine Differenz zwischen Lohn und Gehalt. Die Stärken des Entwurfs liegen in einer analytischen Bewertung der Tätigkeiten, die für Gewerbliche und Angestellte gleichermaßen die Anforderungen der Aufgabe berücksichtigt und nicht mehr auf das Alter oder die Person abstellt. So können neue technologische Entwicklungen ebenso eingestuft werden wie Tätigkeiten von „atypischen“ Textilfirmen. Die Chancen der Einführung eines Entgeltrahmenabkommens liegen in der Aktualisierung der gegebenen Eingruppierungen sowie der Gleichstellung von Gewerblichen und Angestellten. Für „atypische“ Textilfirmen steht ein fachgerechtes Entgeltsystem zur Verfügung. Die Schwächen bzw. Problempunkte sind die noch fehlenden Regelungen zur Konfliktlösung mit dem Betriebsrat bei Eingruppierungen sowie zur Sicherstellung der Kostenneutralität. Als Risiken sind insbesondere der hohe Einführungsaufwand sowie ein mögliches betriebliches Konfliktpotenzial bei den Neu-Eingruppierungen zu sehen. Zudem ist die Kostenneutralität sicherzustellen. Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass ein textiles Entgeltrahmenabkommen nützlich wäre. Wann es allerdings fertig ausgearbeitet vorliegt und in Kraft treten kann, ist nach wie vor ungewiss. 13 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik Bt+mI Lunterstützt DUNG WorldSkills Karin Terdenge Vom 2. bis 7. Juli 2013 fand die 42. WorldSkills-Berufsolympiade auf der Messe Leipzig statt. Erstmals seit 40 Jahren kehrte die WM der Berufe – das weltweit größte Bildungsevent – nach Deutschland zurück. Die Schirmherrschaft übernahm Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Im Rahmen der Berufsolympiade wurden „Weltmeister“ in 46 Berufsdisziplinen gekürt. Über 3.000 Wettbewerber und Experten der beruflichen Bildung aus mehr als 60 Ländern und verschiedensten Regionen der Welt kamen zur Berufsolympiade zusammen und mehr als 1.000 der weltweit besten Fachkräfte – unter 22 Jahre – aus Industrie, Handwerk und Dienstleistung, stellten ihr Können unter Beweis. Unsere Branche wurde durch die Teilnahme von Sofie Kellner, einer 21-jährigen Auszubildenden im Fach Modeschneiderin der Firma Strenesse, repräsentiert. Die Teilnahme erfolgte im Berufsfeld Fashion Technology. Mit einer Stoppuhr auf dem Tisch und unterstützt von einer erfahrenen Schnittmacherin von Strenesse, hatte Sofie Kellner für den Wettbewerb trainiert; sie entwarf, schnitt zu, nähte und bügelte. Eine intensive Vorbereitung war nötig, da die Anforderungen für den Wettbewerb über die Inhalte der Ausbildung hinausgehen. 14 In nur 22 Stunden galt es, ein Outfit, bestehend aus Hose, Jacke und Shirt zu fertigen, wobei sie die Schnitte zum Teil selbst erstellen musste. Als Thema war den Teilnehmern der Kategorie Mode-Technologie „Military Chic“ vorgegeben. Im internationalen Feld mit 22 Mitbewerbern Teilnehmerin aus Taiwan etwa, die im Skill 31 (Mode-Technologie) in Leipzig den dritten Platz erreichte, hatte sich zwei Jahre lang intensiv auf den Berufswettbewerb vorbereiten können. Gewonnen hat den Wettbewerb jedoch die Vertreterin aus Finnland. erreichte Sofie Kellner am Ende einen würdigen Platz elf. Mit ihrer Platzierung ist die 21-Jährige, die von den Verbänden aufgrund ihrer sehr guten Ausbildungsleistungen erst im Dezember 2012 ausgewählt wurde, in Anbetracht der vergleichsweise kurzen Vorbereitungszeit zufrieden. Die Parallel informierte der Gesamtverband textil+mode über textile Ausbildungsberufe im Rahmen eines GO TEXTILE!-Standes in der Volkswagenhalle auf dem Messegelände. Hier wurden nicht nur Berufsfilme gezeigt, sondern auch im Rahmen eines Interaktionsstandes mit Internationale Märkte Europapolitik einer Nähmaschine und dem Nähen einer Handytasche aus Filz gemeinsam mit den Besuchern auf das Berufsfeld Textil und Mode aufmerksam gemacht. Begleitet wurden die WorldSkills Leipzig 2013 von einem internationalen Konferenzprogramm, das führende Institutionen und Persönlichkeiten Forschung der Industrie, Wirtschaft und beruflichen Bildung weltweit vernetzt. So tagten in Leipzig neben der OECD mit ihrer internationalen Konferenz zur Skills Strategy und dem Beratenden Ausschuss für Berufsbildung der Europäischen Umwelt & Energie Kommission auch die UNIDO zum Thema „Green industrial skills for sustainable development“ in Kooperation mit WorldSkills Germany und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. WorldSkills Die Berufsweltmeisterschaft findet alle zwei Jahre in unterschiedlichen Ländern statt. Vor 40 Jahren war sie das letzte Mal in Deutschland. Die 46 unterschiedlichen Wettkampfdisziplinen verteilen sich auf die sieben Bereiche: Transport & Logistik, Haus- und Bautechnik, Fertigungstechnik, Kommunikations- & Informationstechnik, Kreative Kunst und Modetechnologie, Soziale Dienstleistungen und Grüne Technologien für nachhaltige Entwicklung. Teilnehmen können junge Fachkräfte bis 22 Jahre. Der nächste Austragungsort ist 2015 in São Paulo in Brasilien. 15 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik Bildungsreise Früh übt sich... nach Helsinki Karin Terdenge, Anja Merker Struktur der finnischen Berufsbildung D D FI e ur bildun us ildend ub Duale A Ausz g Ein buntes Bild mit Fokus auf handwerkliche Fähigkeiten bietet die Berufsschule Omnia in Espoo. Ihr Angebot richtet sich nicht nur an Jugendliche, sondern auch an Erwachsene, die sich weiterbilden möchten. Dafür bietet die Schule 20 Ausbildungsgänge sowie zahlreiche Weiterbildungs- bzw. Spezialisierungskurse an. In Auswahlverfahren wird geprüft, inwieweit sich Wünsche und Vorstellungen der Auszubildenden mit den tatsächlichen Anforderungen decken. Gelegentlich wird dabei den Jugendlichen eine andere Ausbildung empfohlen. Die finnische Berufsbildung ist eine weitestgehend schulische Bildung. Die Schulen sind in der Gestaltung 16 Aus- & Schulbildung: Deutschland und Finnland im Vergleich t Ratakatu Norssi Normal School, 09/2013 Aalto Universität (Kunsthochschule) für die wenigen finnischen Studierenden im Jahr (ca. acht) ausgestattet, die durch Kurse wie ‚Mathematik trifft auf Kunst und Architektur‘, oder ‚Kreative Nachhaltigkeit‘ Einfallsreichtum fördert. Die ausländischen Studenten (ca. ein Dutzend), die ein oder mehrere Semester an der Aalto University studieren, tragen mit dazu bei, Wissen und Erfahrungen aktiv zu teilen und Projekte gemeinschaftlich zu bearbeiten. Abi Anlässlich einer Bildungsreise vom 10. bis 13. September 2013 nach Finnland bekam die Delegation mit Vertretern aus Verbänden, Schulen, Hochschulen sowie dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) die Chance, an einer Schulstunde im Fach Textilunterricht zu hospitieren. So konnte beobachtet werden, wie früh Kreativität dort bereits gefördert wird. Jungen und Mädchen lernen spielerisch und durch Musik inspiriert, mit textilen Gegenständen zu experimentieren. Sie lassen ihren Ideen freien Lauf und übertragen z. B. mit verschiedenen Materialien Muster auf textile Flächen. Neben Kreativität werden auf diese Weise auch handwerkliche Fähigkeiten in frühem Alter geschult. Bestens ist auch die Textilabteilung der FI ienten ihrer Curri2011 Deutschlan cula frei, der Einwohner 80 327 900 praktische Anteil der davon Ausbildung Auszubildende 1 460 658 variiert, beträgt jedoch Abiturienten 1 980 000 mindestens 30 %. Der Quellen: Statistisches Bundesamt, Tilastokeskus Anteil der dualen Ausbildung, die vergleichbar zur deutschen ist, beträgt nur ein Drittel der gesamten finnischen Berufsbildung. Die duale Ausbildung entspricht aber eher einer dualen Weiterbildung, da die Auszubildenden häufig bereits eine Berufs- oder Fachprüfung abgelegt und einige Jahre gearbeitet haben. Mittzwanziger stellen den größten Internationale Märkte Anteil der dual Auszubildenden. Die berufliche Erwachsenenbildung basiert in Finnland zum größten Teil auf kompetenzbasierten Prüfungen. Die Anerkennung des Fachkönnens einer Person ist ein großer Vorteil, die unabhängig von der Erwerbsart (Berufserfahrung, Ausbildung, o. ä.) ist. Prüfungen sind vorwiegend fachpraktischer Art, die in den entsprechenden Unternehmen vor Ort vor Vertretern der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Lehranstalten abgelegt werden. Hohes Prestige des Lehrerberufs In Finnland genießt die Lehrerbildung ein hohes Ansehen. Angehende Aspiranten müssen Assessments durchlaufen, um einen Studienplatz zu erhalten. Nur die motiviertesten und glaubwürdigsten Bewerber erhalten die Chance auf Lehramt zu studieren. Professorin Pirita Seitammaa-Hakkarainen verantwortet an der Universität Helsinki, Department of Teacher Education, die textile Lehrerbildung. Sie erläuterte den Teilnehmern, dass finnische Lehrer im Laufe ihres Berufslebens mit aktueller Bildungsforschung konfrontiert werden. Sie haben die Verpflichtung zur Teilnahme an Forschungsvorhaben. chland 0 8 1,8 % 0 2,5 % keskus So gibt es zurzeit eine ForFinnland schungsinitia5 401 267 tive im Bereich Craft Science, d. h. Handwerks190 700 3,5 % wissenschaft, die gemein109 035 2,0 % schaftlich mit einer weiteren Universität und Neuroscience (Gehirnforschung) ins Leben gerufen wurde. Ziel dieses Vorhabens ist die Erforschung des positiven Einflusses auf die Gehirnregionen durch handwerkliche, textile Tätigkeiten. Was lässt uns entspannen, bringt uns Beruhigung und Erholung? Europapolitik Forschung Umwelt & Energie Fazit Marimekko - Design made in Finland Die Möglichkeiten, Kreativität auszu1951 – als die leben, handwerkMenschen sich liches Geschick zu in Finnland nach schulen und zu Fröhlichkeit und designen, sind in Wärme sehnfinnischen (Berufs-) ten – entstand Schulen zahlreich – Marimekko als auch dank umfangfinnisches reicher Ausstattung. Lifestyle-Design-Unternehmen, welches für seine farbenSo wird für die frohen Drucke berühmt wurde. Die Idee der FarbenSekundarstufe frohheit und der weitreichenden Gestaltungsfreiheit der II die schulische Designer wird seit mehr als 60 Jahren fortgeschrieben. Berufsausbildung So begegnet man dem Marimekko-Design überall, ob auf stärker genutzt als Kleidung, Accessoires, Schmuck, Haushaltswaren usw. die Erlangung des Längst ist das Unternehmen in aller Welt Aushängeschild Abiturs über die für finnisches Design. gymnasiale Oberstufe. Die praktische Erfahrung in Betrieben ist jedoch durch die starke Was heißt das für uns? Verschulung eher gering, so dass die Auszubildenden sich nach Abschluss erst Zum einen sollten wir schon die Grundin ihren Beruf einarbeiten müssen. Der schüler im Blick haben, ihnen interessante Eintritt ins Berufsleben gelingt mit der Angebote machen und sie begleiten, die dualen Ausbildung deutlich besser, die von textile Welt für sie erlebbar machen. Lasden deutschsprachigen Ländern in Europa sen wir sie die Möglichkeiten entdecken, sowie Dänemark angeboten wird. So lag handwerkliche Erfahrungen sammeln und beispielsweise die Jugendarbeitslosigkeit Fähigkeiten schulen. Zum anderen sollten in Finnland im Juli 2013 bei 19,9 %, in wir die Weiterentwicklung der betriebliDeutschland bei 7,7 %. Gründe dürften da- chen Lehre andenken, eventuell durch die rin liegen, dass die Betriebe und die Auszu- Verbindung von Ausbildung mit akadebildenden mehrere Jahre Zeit hatten, sich mischer Hochschulbildung. Der Wunsch kennenzulernen und betriebsspezifische nach Akademisierung ist da, nehmen wir Tätigkeiten und Fähigkeiten vermittelt und ihn ernst. intensiv geübt werden konnten. Jugendarbeitslosigkeit in Europa DK EU F 23,4 % ES PT 37,4% NL 26,0 % 56,1 % FI D A IT 39,5 % FI - 19,9 % // DK - 11,9 % // NL - 11,5 % // A - 9,2 % // D - 7,7 % Quelle: Eurostat, Juli 2013 (saisonbereinigt) GR 62,9 % 17 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik pArbeitskreis r o t e X t Arbeitssicherheit & Gesundheitsschutz Susanne Wicht Schwerpunktthema: Gefährdungsbeurteilung Nachdem das Jahr 2012 der Themenermittlung und -gewichtung diente, befasste sich der Arbeitskreis 2013 mit seinem ersten Schwerpunktthema: der Gefährdungsbeurteilung. Diese war 2013 angesichts der mit denen sie in die Lage versetzt werden eine Gefährdungsbeurteilung durchgezunehmenden öffentlichen Aufmerksamkönnen, die Gefährdungsbeurteilung führt. Knapp 90 % der Betriebe haben keit für psychische Erkrankungen stärker selbständig durchzuführen. In Zusameine Gefährdungsbeurteilung für mehr in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. menarbeit mit der BG ETEM wurde im als die Hälfte ihrer Arbeitsplätze und Zudem hat der Bundestag die Änderung Juli 2013 im Rahmen eines WebMeetings immerhin 75 % der Betriebe haben eine des Arbeitsschutzgesetzes verabschiedet, eine (Blanko)-Dokumentationsvorlage für Gefährdungsbeurteilung für mehr als drei mit welcher klargestellt wird, dass auch die Gefährdungsbeurteilung erstellt – zum Viertel ihrer Arbeitsplätze. psychische Belastungsfaktoren bei der einen für Betriebe, die das UnternehmerArbeit im Rahmen der Gefährdungsmodell nutzen, zum anderen beurteilung zu erfassen 9 8 % d e r ve r ba n dl i c h o r ga n i s i e r t e n Be t r i e be für Betriebe, welche mit sind. Auch wenn sich damit d e r T e xt i l - un d Be k l e i dun gs br a n c he einer Fachkraft für Arbeitsgegenüber der bisherigen h a b e n e i ne Ge fä hr dun gs be ur t e i l un g dur c hge führ t . sicherheit zusammenarRechtslage nichts ändert, beiten. In einer Sitzung im ist davon auszugehen, dass November 2013 sollen Muster-Dokumendie Thematik künftig eine größere Rolle tationsvorlagen in Form von Checklisten spielen wird. Bei den Teilnehmern des für die Gefährdungsbeurteilung besonArbeitskreises stand vor allem die Umsetderer Textilmaschinen erstellt werden, zung der Gefährdungsbeurteilung in der zunächst für den Dampfkessel, den betrieblichen Praxis im Fokus. Foulard, die Krempelanlage, die Schärmaschine, den Spannrahmen sowie die Um den aktuellen Status quo in den Wasch-/Schleudermaschine. Es ist geplant, Betrieben der Textil- und Bekleidungsindie Vorlagen über die jeweiligen Internetdustrie zu erheben, startete t+m im ersten auftritte der t+m-Mitgliedsverbände sowie Quartal 2013 in Kooperation mit seinen der BG ETEM den Mitgliedsbetrieben zur Mitgliedsverbänden eine bundesweite Verfügung zu stellen. Die größten Schwierigkeiten bestehen Umfrage, an welcher sich 164 Unternehallerdings bei der ganzheitlichen und men mit insgesamt 27.815 Beschäftigten Das Schwerpunktthema für 2014 steht berechtssicheren Umsetzung der Gefährbeteiligt haben. Die Auswertung ergab reits fest: die rechtssichere und ganzheitlidungsbeurteilung. Insbesondere kleinere sehr erfreuliche Ergebnisse: 98 % der che Umsetzung der Betriebsanweisung. und mittlere Unternehmen bedürfen verbandlich organisierten Betriebe der einfacher und praktischer Werkzeuge, Textil- und Bekleidungsbranche haben 18 Internationale Märkte Europapolitik Forschung Umwelt & Energie Fachtagung Textil+Mode am 04./05.06.2013 in Düsseldorf Bereits zum zweiten Mal fand 2013 die Fachtagung speziell für Unternehmen der Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustrie statt. Themen waren unter anderem die Gefährdungsbeurteilung, die Unterweisung und Beinaheunfälle, das aktuelle Unfallgeschehen der Branche, der Einfluss des demografischen Wandels sowie Maßnahmen zur Bewältigung im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sowie die strafrechtliche Verantwortung bei Arbeitsunfällen. Etwa 100 Betriebsleiter, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsräte und Verbandsvertreter der Branche nahmen an der praxisnahen Tagung teil und nutzten die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Hans-Joachim Blömeke, stellvertretender Hauptgeschäftsführer bei t+m und für die Textil- und Bekleidungsindustrie Mitglied des Vorstandes der BG ETEM, und Susanne Wicht, Leiterin des Referats Arbeits- und Sozialversicherungsrecht bei t+m und für die Textil- und Bekleidungsindustrie Mitglied der Vertreterversammlung der BG ETEM, unterstützen die Veranstaltung – unter anderem moderierend. XING-Gruppe: Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Textil- und Bekleidungsindustrie Auf Wunsch der Mitglieder des t+m-Arbeitskreises Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz wurde die XING-Gruppe Ende 2012 ins Leben gerufen. Sie dient als Plattform zum gegenseitigen Austausch und zur Information über aktuelle Themen aus den Bereichen Arbeitssicherheit, Arbeits- und Gesundheitsschutz. Moderiert wird die Gruppe von Susanne Wicht, Leiterin des Referats Arbeits- und Sozialversicherungsrecht bei t+m und Leiterin des t+m-Arbeitskreises. Zwischenzeitlich hat die Gruppe 27 Mitglieder, insbesondere Vertreter aus den Betrieben der Branche, den t+m-Mitgliedsverbänden und der BG ETEM. Die relevantesten Themen des Jahres 2013 waren die aktualisierten Arbeitsstättenregeln, die BG ETEM-Fachtagung Textil+Mode, welche im Juni 2013 in Düsseldorf stattfand sowie die neue IFA-Datenbank zur Gefahrstoffbeurteilung. 19 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik AusgleichsDas Verfahren um die Künstlersozialabgabe vereinigung Susanne Wicht Im Rahmen des Projektes „Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung“ (OMS), welches bereits 2012 gestartet war, untersuchte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bestehende Arbeitgebermeldeverfahren in der sozialen Sicherung im Hinblick auf ihre Optimierungspotenziale. Im Rahmen dieses Projektes wurde die Querschnittsgruppe Künstlersozialkasse aus Vertretern der Arbeitgeber, der Künstler und Publizisten, des BMAS, der Künstlersozialkasse (KSK) sowie der Gesetzlichen Krankenversicherung gebildet. Die Gruppe befasste sich im Rahmen von drei Sitzungen mit insgesamt drei Optimierungsvorschlägen, die stellvertretend für die Arbeitgeberseite von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) eingereicht worden waren. Diese zielten darauf ab, den bürokratischen Aufwand, der für die Unternehmen mit dem Künstlersozialabgabeverfahren verbunden ist, zu reduzieren – dies allerdings ohne die Abgabe selbst oder die Künstlersozialkasse in Frage zu stellen. Zwei der drei Vorschläge wurden im Ergebnis zwar als grundsätzlich durchführbar bewertet. Aufgrund des erheblichen Widerstands von Seiten der Künstler und Publizisten konnten aber keine Feinkonzeptionierungen bezüglich der Vorschläge erarbeitet werden, so dass hinsichtlich der Machbarkeit der Vorschläge keine 20 abschließende qualifizierte Bewertung getroffen werden konnte. Allerdings ließ sich feststellen, dass die Belastung der Verwerter offensichtlich danach divergiert, ob der Verwerter zu den klassischen Verwertern oder den Eigenwerbern zählt. Die Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie, die im Rahmen der Gruppe durch Susanne Wicht, Leiterin des Referats Arbeits- und Sozialversicherungsrecht bei t+m sowie des Geschäftsbereichs Ausgleichsvereinigung textil+mode bei der t+m Service GmbH, vertreten waren, zählen zu den sogenannten Eigenwerbern. Dies sind qua gesetzlicher Definition Unternehmen, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen (§ 24 Absatz 2 Künstlersozialversicherungsgesetz). Aufgrund des Zeitdrucks mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl wurde entschieden, die weitere Befassung mit den Vorschlägen vorwiegend mit Blick auf die Eigenwerber aus dem Verfahren OMS herauszunehmen. Das BMAS hat zugesagt, alle Vertreter zur weiteren Beratung einzuladen, um gemeinsam auf sachlicher Ebene und unter Berücksichtigung aller Interessen Verbesserungen um das Abgabeverfahren zu erarbeiten. Mitgliederzahl in 2013 verdoppelt Nachdem die Ausgleichsvereinigung im Sommer 2012 endlich erfolgreich an den Start gegangen war, hat sie im zweiten Jahr ihres Bestehens ihre Mitgliederzahl gleich verdoppelt: Zum 1. Januar 2013 sind nun 29 Unternehmen Teilnehmer der Ausgleichsvereinigung textil+mode. Für eine mögliche Teilnahme ab 2014 haben bereits neun weitere Unternehmen Interesse angemeldet. Die Ausgleichsvereinigung zieht von dem Unternehmen eine einfach zu ermittelnde jährliche Pauschale ein und übernimmt mit befreiender Wirkung für das Unternehmen die Entrichtung der Künstlersozialabgabe. So befreit die Teilnahme an der Ausgleichsvereinigung vom bürokratischen Aufwand, der mit dem Künstlersozialabgabeverfahren verbunden ist. Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist die Rechtssicherheit. Der nächstmögliche Termin zum Beitritt zur Ausgleichsvereinigung textil+mode ist der 1. Januar 2015. Bei Interesse ist erforderlich, dass das Unternehmen der Ausgleichsvereinigung bis zum 27. Juni 2014 seinen Teilnahmewunsch sowie die für die Teilnahme erforderlichen Daten mitteilt. Teilnehmen kann grundsätzlich jedes Unternehmen, welches Mitglied in einem der t+m-Mitgliedsverbände ist. www.textil-mode.de/av Internationale Märkte Europapolitik Forschung Umwelt & Energie Sicherheit im Ein Thema auch für die Textil- und Modeindustrie Zoll Felix Ebner personeller und finanzieller Kapazitäten Angesichts ihrer grenzüberschreitenden legt der Gesetzgeber dem WirtschaftsbeWertschöpfungs- und Lieferketten teiligten zusätzlich Verantwortung und müssen sich Textil- und BekleidungsunPflichten auf, der die Einhaltung ternehmen täglich mit einer Vielfalt deutscher und europäischer und in zoll- und außenwirtschaftsrechtlicher vielen Fällen sogar US-amerikanischer Vorschriften im Rahmen der Ein- und Gesetze im Unternehmen organisieren Ausfuhr auseinandersetzen. Nach den Terroranschlägen 2001 in den USA sowie und verantworten muss. im Rahmen des Reformprozesses des europäischen Zollkodexes und seiner Durchführungsverordnungen erfährt das europäische Zollwesen tiefgreifende Veränderungen. Während der Wirtschaftszollgedanke, d. h. fiskalische Einnahmen des Staates durch Erhebung gesetzlich geschuldeter Einfuhrabgaben, allmählich in den HinterDiese Entwicklungen betreffen alle grund rückt, gewinnt das Thema „Sicherheit“ zunehmende Bedeutung. Mit Wirtschaftsbeteiligten, sobald sie Waren ein- oder ausführen beziehungsweise der Bekämpfung von Terrorismus und den betroffenen Personen oder OrganiBetrug, der politischen und wirtschaftlichen Sanktionierung bestimmter Staaten, sationen mittel- oder unmittelbar „Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen“ Organisationen und Personen sowie zur Verfügung stellen – von kleinen anderen Zielsetzungen (Schutz der Unternehmen bis hin zu global agierenUmwelt, Gesundheit, Verbraucher usw.) den Konzernen und unabhängig von der stehen „Verbote und Beschränkungen“ Branche. Diese Pflichten dürfen allein immer mehr im Mittelpunkt der schon dann nicht außer Acht gelassen lückenlosen Risikoanalyse und Überwawerden, wenn zollrechtliche Vereinfachung gesamter Lieferketten. Der Staat chungen, wie beispielsweise im Rahmen greift dadurch nicht nur zunehmend des Status „Zugelassener Wirtschaftsberegelnd und beschränkend in den teiligter“ (AEO) oder eine vereinfachte Warenverkehr ein. Mangels eigener Zollanmeldung in Anspruch genommen werden, die mit entsprechenden Bewilligungsvoraussetzungen einhergehen. Der subjektive Eindruck, dass eine Ware als „harmlos“ erscheint, ist hierbei nicht ausschlaggebend. Die entsprechende Sicherstellung der Konformität der Ein- und Ausfuhrprozesse und der Zollabwicklung mit der Vielzahl außenwirtschaftlicher und zollrechtlicher Vorschriften, die auch unter dem Begriff „Compliance“ zusammengefasst werden kann, stellt daher eine Herausforderung für die innerbetriebliche Organisation von Textil- und Bekleidungsunternehmen dar. Die letztendliche Verantwortung in Bereichen wie der Exportkontrolle obliegt hierbei primär der Geschäftsleitung, die bei Verstößen aufgrund von Organisationsdefiziten persönlich haftet. Dies kann Geld- und Freiheitsstrafen oder eine Bruttoerlösabschöpfung gegen das Unternehmen nach sich ziehen. Vor diesem Hintergrund sensibilisiert der Gesamtverband textil+mode seine Mitglieder regelmäßig für die Bedeutung der Thematik. Auch 2013 wurden entsprechende Informationsveranstaltungen der Mitgliedsverbände durch textil+mode aktiv unterstützt. 21 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik AussenGlobaler Freihandel schreitet voran wirtschaft Felix Ebner 22 Angesichts ihres hohen Internationalisierungsgrades hat die exportorientierte deutsche Textil- und die weltweiten Bestrebungen weiter intensiviert, dies auf bilateralem Wege zu erreichen. 2013 stieg die Gesamtzahl der Vergangenheit regelmäßig geäußerter Bekenntnisse zum multilateralen Ansatz, hat auch die EU mit einer Vielzahl Modeindustrie ein hohes Interesse an der Liberalisierung des internationalen Warenverkehrs und dem Abbau von Handelsbeschränkungen – sowohl auf der Export-, als auch der Beschaffungsseite. Vor dem Hintergrund der zum Stillstand gekommenen Bemühungen auf multilateraler Ebene, den globalen Handel im Rahmen des DOHA-Prozesses der WTO zu liberalisieren, haben sich entsprechender Handelsabkommen daher weltweit weiter an, beziehungsweise wurden neue Verhandlungen aufgenommen. Prominente Beispiele sind das angestrebte Handels- und Investitionspartnerschaftsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA und das Transpazifische Partnerschaftsabkommen (TPP) der USA mit der Asien-Pazifik-Region. Trotz in von Drittstaaten Freihandelsgespräche aufgenommen oder bereits abgeschlossen. Handelsliberalisierung mit Lateinamerika schreitet voran Aus Sicht der EU stehen auch die aufstrebenden Staaten Lateinamerikas im Blickpunkt. Die seit Mai 2010 erneut Internationale Märkte aufgenommenen Verhandlungen mit der südamerikanischen Freihandelszone MERCOSUR, zu der neben Argentinien, Paraguay, Uruguay und Venezuela auch das wirtschaftlich bedeutendste Schwellenland Brasilien zählt, machten 2013 allerdings nur geringfügige Fortschritte. Demgegenüber konnte die EU im Juni 2012 ein parallel mit den Andenstaaten Peru und Kolumbien verhandeltes Abkommen erfolgreich abschließen, das gegenüber Peru seit 1. März 2013 und im Falle Kolumbiens seit dem 1. August 2013 vorläufige Anwendung findet. Für beide Vertragsparteien sind hierbei individuelle Zollabbauschemen vorgesehen. Während die EU ihre Einfuhrzölle unmittelbar für alle Zolllinien des Textil- und Bekleidungssektors vollständig beseitigte, unterliegen lediglich bestimmte, in Kolumbien und Peru eingeführte, Ursprungswaren der EU einigen Ausnahmen in Form eines schrittweisen Abbaus der Zölle von bis zu elf Jahren. Im Hinblick auf die Ursprungsregeln für Textil- und Bekleidungsprodukte finden prinzipiell die gängigen Standardregeln Anwendung. Allein für bestimmte Erzeugnisse mit Ursprung Peru (Seile, Taue, Netze) und Kolumbien (u. a. Unterwäsche, Strumpfhosen, Socken) kann im Rahmen jährlich festgelegter Zollquoten (Höchstmengen) alternativ auch auf vereinfachte Ausnahmeregelungen zurückgegriffen werden. Für die Ursprungskumulierung wurde unter bestimmten Voraussetzungen zudem die Möglichkeit eröffnet, Vormaterialien aus anderen Ländern Zentralamerikas (einschließlich Mexiko), südamerikanischen Nachbarstaaten oder der Karibik ursprungsunschädlich einzusetzen. Die Liberalisierung des Handels mit Lateinamerika wurde zusätzlich ergänzt durch das seit dem 1. August 2013 vorläufig angewendete Assoziierungsabkommen der EU mit den drei zentralamerikanischen Staaten Honduras, Nicaragua und Panama, das 2012 mit diesen sowie Costa Rica, El Salvador Europapolitik Forschung und Guatemala unterzeichnet wurde. Die Einfuhrzollsätze der einzelnen zentralamerikanischen Vertragsparteien, die bislang von null bis 25 % reichten, unterliegen je nach produktspezifischer Zolllinie unterschiedlichen Abbaustufen von bis zu zehn Jahren. Die EU hat auch in diesem Fall ihre Einfuhrzölle unmittelbar mit Inkrafttreten des Abkommens für alle Zolllinien des Textil- und Bekleidungssektors vollständig beseitigt. Im Hinblick auf die Ursprungsregeln für Textil- und Bekleidungsprodukte finden ebenfalls die gängigen Standardregeln Anwendung. Lediglich bei bestimmten Erzeugnissen der textilen Kapitel 61 und 62 kann im Rahmen jährlich festgelegter Zollquoten (Höchstmengen) alternativ auch auf vereinfachte Ausnahmeregelungen zurückgegriffen werden. Im Bereich der Ursprungskumulierung wird unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich die Möglichkeit eröffnet, Vormaterialien aus anderen südamerikanischen Nachbarstaaten wie Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru und Venezuela ursprungsunschädlich einzusetzen. Unter besonderen Bedingungen kann die erweiterte Kumulierung auch auf Vormaterialien aus Mexiko bzw. südamerikanischen oder karibischen Staaten ausgedehnt werden. Asien weiter im Blickpunkt der EU In Asien konnte die EU nach Südkorea auch mit Singapur die Verhandlungen über ein bilaterales Freihandelsabkommen im Dezember 2012 erfolgreich abschließen, die im März 2010 begonnen hatten. Damit stellt es mit Inkrafttreten das zweite Handelsabkommen der EU mit einem asiatischen Staat dar. Angesichts der ursprünglich gescheiterten Verhandlungen zwischen der EU und dem Verband südostasiatischer Staaten (ASEAN) insgesamt, wird es nach dem Willen der EU-Kommission als so genanntes „Referenzabkommen“ für die individuell aufgenommenen Freihandelsgespräche Umwelt & Energie mit den ASEAN-Staaten Malaysia (seit September 2010), Vietnam (seit Juni 2012) und Thailand (seit März 2013) herangezogen, deren Textil- und Bekleidungssektoren bekanntlich hohes Gewicht haben. Angesichts der dynamischen Entwicklungen in der Bildung von Freihandelszonen seiner regionalen Wettbewerber untereinander – allen voran China, Südkorea und die ASEAN-Staaten – und mit Handelspartnern außerhalb Asiens, zeigte demgegenüber auch das hochindustrialisierte, jedoch bislang unter einer Deflation leidende Exportland Japan ein offensives Interesse daran, den Anschluss nicht zu verpassen. Dem seit längerem geäußerten Wunsch Japans, Freihandelsgespräche mit der EU zu führen, stimmten die EU-Institutionen letztendlich im Frühjahr 2013 zu. Dadurch wurde der Weg zur offiziellen Aufnahme von Verhandlungen im April 2013 frei. In Anbetracht vergleichsweise niedriger Einfuhrzollsätze auf beiden Seiten, wird der Schwerpunkt der Liberalisierungen auf dem nichttarifären, regulatorischen Bereich liegen, der bislang die wesentlichen Handels- und Marktzugangshemmnisse in Japan darstellt. Dies wird insbesondere auch für den Export Technischer Textilien förderlich sein, der anspruchsvollen Zertifizierungsanforderungen und strengen technischen Standards in Japan unterliegt. Die mit dem Textilgiganten Indien seit 2007 laufenden Freihandelsgespräche, in denen bereits viele Verhandlungskapitel abgeschlossen werden konnten, sind demgegenüber ins Stocken geraten. Sah es lange danach aus, dass ein Abschluss in greifbare Nähe rückt, konnten unterschiedliche Positionen und Interessen in einer Reihe von Sektoren und Marktzugangsfragen nicht überwunden werden. Im Textil- und Bekleidungssektor konnte man sich auf eine umfassende Liberalisierung aller Zolllinien auf Grundlage der üblichen präferenziellen Ursprungsregeln einigen. 23 Überblick Tarifpolitik Wichtige Themen wie der Zugang ausländischer Direktinvestitionen im indischen Einzelhandel oder die seitens Indiens geforderte Möglichkeit, Ausfuhrbeschränkungen auf Rohstoffe auch in Zukunft zuzulassen, sind weiterhin offen. Transatlantisches Handelsund Investitionsabkommen Die USA waren 2012 nach der Schweiz und der Russischen Föderation sowie noch vor der Volksrepublik China das drittgrößte Zielland deutscher Textil- und Bekleidungsausfuhren außerhalb der EU. Wie schon in den Vorjahren konnten aufgrund der vergleichsweise hohen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Textilund Bekleidungsindustrie gegenüber den USA auch 2012 Waren im Wert von rund 475 Mio. Euro ausgeführt und ein signifikanter Außenhandelsüberschuss in Höhe von 190 Mio. Euro erzielt werden. Die USA stellen somit einen wichtigen Absatzmarkt insbesondere für qualitativ und technisch anspruchsvolle textile Vor- und Fertigerzeugnisse sowie Markenprodukte des Bekleidungssektors dar. 24 Bildungspolitik Während die Einfuhrzölle auf beiden Seiten bereits heute im Großen und Ganzen niedrig sind, erschweren vielfältige nichttarifäre Handelshemmnisse den Marktzugang in den USA bzw. steigern den finanziellen und administrativen Aufwand beim Export und Absatz teilweise signifikant. Hierzu zählen unter anderem anspruchsvolle Verbraucherschutz- und Sicherheitsstandards sowie Zertifizierungsund Testanforderungen im Rahmen des „U.S. Consumer Products Safety Improvement Act“ (CPSIA) und des „U.S. Flammable Fabrics Act“ sowie strenge Textilkennzeichnungsvorschriften. Eine weitreichende Harmonisierung des regulatorischen Bereiches bzw. die gegenseitige Anerkennung von Zertifizierungsverfahren und Standards wird sich daher voraussichtlich signifikanter zugunsten deutscher Textilund Bekleidungsausfuhren auswirken als ein reiner Zollabbau. Der Gesamtverband textil+mode unterstützt vor diesem Hintergrund den Abschluss eines TTIP. Reform der Pan-Euro-Med-Zone Im Rahmen der laufenden Verhandlungen über die Revision der bilateralen Präferenzabkommen zwischen der EU, EFTA, Türkei und den Mittelmeeranrainerstaaten Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Marokko, Westjordanland, Gaza, Syrien und Tunesien wurde 2013 der offizielle Text der „Regionalen Übereinkommen über die Pan-Europa-MittelmeerPräferenzursprungsregeln“ (Große Konvention) veröffentlicht. Diese stellt die künftige allgemeine Rechtsgrundlage der gemeinsamen Präferenzzone dar, welche das umfangreiche Netzwerk der heutigen bilateralen Abkommen ersetzen soll. Auch die Westbalkan-Staaten Albanien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Serbien und Kosovo, die Teilnehmer des Stabilisierungs- Sozialpolitik und Assoziierungsprozesses der EU sind und mit denen bislang separate Präferenzabkommen mit der EU bzw. der Türkei bestehen (SAP-Matrix), sollen künftig vollständig in die paneuro-mediterrane Präferenzzone integriert werden. Hierdurch soll ein einheitlicher Präferenzraum mit kohärenten und möglichst lückenlosen Kumulierungsmöglichkeiten geschaffen werden. Der erste Schritt hin zu einer flächendeckenden Anwendung des Übereinkommens sieht die Unterzeichnung und das Inkrafttreten durch alle Teilnehmerstaaten (Vertragsparteien) vor. Der zweite, noch ausstehende Schritt beinhaltet eine bilaterale Anwendung der neuen Ursprungsprotokolle unter Verweis auf das regionale Übereinkommen. Angesichts der weiterhin schwierigen Verhandlungen über das damit zusammenhängende Ursprungsprotokoll, welches u. a. die ursprungsbegründenden Ver- und Bearbeitungsregeln enthält, ist mit einer baldigen Anwendung neuer Regelungen auch weiterhin nicht zu rechnen. Insbesondere im Textil- und Bekleidungssektor, der die Präferenzverkehre der Pan-Euro-MedZone intensiv nutzt, bestehen weiterhin sehr unterschiedliche Vorstellungen zwischen den Vertragsparteien über die künftige Ausgestaltung der Ursprungsregeln. Neues APS-Präferenzschema ab 2014 Gegenüber diesen bilateralen Handelsabkommen wird insbesondere auf der Beschaffungsseite das neue Präferenzschema des Autonomen Allgemeinen Präferenzsystems der EU (APS) zum Teil weitreichende Auswirkungen für die Textil- und Bekleidungsindustrie haben. Die entsprechende APS-Verordnung trat am 20. November 2012 in Kraft und wird ab dem 1. Januar 2014 für zehn Jahre Anwendung finden. Von den bislang 176 begünstigten Entwicklungsländern werden insgesamt Internationale Märkte nur noch rund 87 von Zollvorteilen profitieren können. Im Fall der 49 „Am wenigsten entwickelten Länder“ (LDC), die von einer vollständigen Befreiung von den Einfuhrzöllen in der EU begünstigt werden, soll es ab 2014 keine Änderungen geben. Eine Ausnahme stellt lediglich das zur LDC-Gruppe zählende Myanmar dar, für das die seit 1997 ausgesetzten Handelspräferenzen rückwirkend ab dem 13. Juni 2012 mittlerweile wieder gewährt werden. Wie auch im bisherigen APS-Präferenzschema, werden im neuen System ab Anfang 2014 auch Ursprungswaren aus Entwicklungsländern, die sich zur Einhaltung von 27 internationalen Konventionen (Menschen- und Arbeitnehmerrechten, Umweltstandards sowie verantwortungsvoller Regierungsführung) verpflichtet haben und den Sonderstatus „APS+“ auf Antrag erhalten, von Nullzollsätzen bei der Einfuhr in die EU profitieren und damit nicht unter die reguläre APS-Präferenzmarge von 20 % fallen. Neben Armenien, Bolivien, Kap Verde, Ecuador, Georgien, Mongolei und Paraguay hat auch Pakistan einen Antrag gestellt, welche alle im September 2013 von der EU bewilligt wurden. Weitere Länder, wie die Philippinen, werden folgen. Die Möglichkeit, den Status APS+ zu beantragen, eröffnet sich durch veränderte Kriterien im neuen APSPräferenzschema speziell im Hinblick auf Pakistan, in dem der Textil- und Bekleidungssektor eine gewichtige Rolle spielt. Wie schon zuvor der so genannte WTO-Waiver (Ausnahmegenehmigung), durch den die EU gegenüber Pakistan Zollaussetzungen für 75, überwiegend textile Zolllinien als Hilfsmaßnahme infolge der Flutkatastrophe 2010 bis Ende 2013 gewährte, war dies im Vorfeld der Reform Gegenstand kontroverser Diskussionen seitens der europäischen Textil- und Bekleidungsindustrie. Für diese Maßnahmen spielten jedoch ökonomische Aspekte gegenüber außenpolitischen Motiven letztendlich eine untergeordnete Rolle. Europapolitik Forschung Kein Freihandel ohne Präferenzursprung Trotz aller positiven Fortschritte der EU, die Warenverkehre mit Drittstaaten weiter zu liberalisieren, sind auch die jüngst geschaffenen Präferenzregelungen aus Sicht der deutschen Textil- und Modeindustrie mit Makeln behaftet. Neben teilweise voneinander abweichenden Ausnahmeregelungen betrifft dies in erster Linie die präferenziellen Ursprungsregeln. Ausschlaggebend, ob eine Ware zollbegünstigt im Rahmen eines Freihandelsregimes exportiert werden kann oder nicht, ist der Nachweis deren präferenziellen Ursprungs. Entsprechende Voraussetzungen sind für alle textilen Waren der Kapitel 50 - 63 in Form von Ver- und Bearbeitungsregeln (Listenregeln) festgelegt, die eine bestimmte Mindestfertigungstiefe vorschreiben. Wie in älteren Präferenzregelwerken der EU, sind auch die Ursprungsregeln der jüngeren Regime – trotz zwischenzeitlicher Modernisierungen – weiterhin sehr restriktiv und von hoher Komplexität geprägt. Dabei sind gerade vor dem Hintergrund des technologischen Fortschritts, sich verändernder Markt- und Industriestrukturen in Europa sowie grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten weitgehend liberale, einfache und kohärente Regeln dringend erforderlich. Angesichts unterschiedlich entwickelter Industriestrukturen in Europa, die im Hinblick auf die Handelspolitik der EU zu gegensätzlichen – liberalen und protektionistischen – Sichtweisen innerhalb der Industrien führen, ist dieses Problem jedoch im Wesentlichen hausgemacht und spiegelt sich in den bislang überwiegend restriktiven Vorschlägen der EU wieder. Die deutsche Textil- und Modeindustrie Umwelt & Energie setzt sich hierbei kontinuierlich für eine grundlegende Modernisierung bestehender Präferenzregelwerke sowie zeitgemäße Konzepte mit Blick auf künftige Abkommen ein. Wenngleich tiefgreifende Fortschritte mittelfristig unrealistisch sind, dürften sich die Positionen innerhalb der EU angesichts sich verändernder Industrieund Marktstrukturen zumindest langfristig ändern. 25 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik SMART t+m leistet Entwicklungshilfe Myanmar Juliane Schröder Vordergründig mag man fragen, ob es nichts Besseres zu tun gibt. Diese Frage mag ihre Berechtigung haben. Aber tatsächlich nehmen wir stellvertretend für unsere Mitglieder gesellschaftliche Verantwortung wahr. Seit das Bewusstsein für unternehmerische Verantwortung in Politik, Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft steigt, ist CSR zum festen Bestandteil des Themenportfolios von t+m geworden. Mit der Entwicklung eines freiwilligen Code of Conduct für die Textilindustrie legte t+m das Fundament für die 26 Selbstverpflichtung seiner Mitglieder und deren Zulieferer zur Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards und statuierte ein Exempel für weitere Branchen. Der kürzlich eingebrachte Vorschlag der EU-Kommission über nichtfinanzielle Berichtspflichten für KMU sowie der stetig wachsende Wunschkatalog der Zivilgesellschaft für noch mehr verpflichtende CSRMaßnahmen lassen uns aktiv werden, um gesetzliche Regelungen frühzeitig zu verhindern. Gerade vor dem Hintergrund der wiederholten Geschehnisse in Textilfabriken in Bangladesch zeigt sich umso deutlicher, wie richtig die Entscheidung war, sich gemeinsam mit europäischen und asiatischen Projektpartnern im SMART Myanmar Projekt zu engagieren. SMART Myanmar (SMEs for Environmental Accountability, Responsibility and Transparency) kommt zur rechten Zeit. Seit der Aufhebung der Sanktionen gegen die ehemalige Militärdiktatur und der Wiedereinführung der Handelspräferenzen im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems, gewinnt das Land für internationale Auftraggeber und Investoren sprunghaft an Bedeutung. SMART Myanmar setzt an der richtigen Stelle an – nämlich bei der Förderung von sozial- und umweltverantwortlichen Produktionsbedingungen in myanmarischen Bekleidungsfabriken. So sollen Vorkommnisse wie in Bangladesch frühzeitig vermieden werden. Das Projekt will einen Beitrag leisten, das Wirtschaftswachstum Myanmars nachhaltig zu gestalten sowie langfristige Geschäftsbeziehungen zwischen europäischen und verantwortlich produzierenden myanmarischen Bekleidungsunternehmen zu fördern. Dies wird für beide Seiten von Vorteil sein. Internationale Märkte Myanmar eröffnet durch seine strategisch günstige Lage zwischen Bangladesch, Laos, Thailand und den zwei größten Schwellenmärkten der Welt – Indien und China – den Zugang zu einem angrenzenden Markt von annähernd drei Milliarden Menschen. Traditionell zählt die Bekleidungsindustrie, mit Schwerpunkt Konfektion, zu den wichtigsten Industriesektoren des Landes. Mit seinem großen Angebot an Arbeitskräften sowie (noch) relativ niedrigen Lohnkosten im regionalen Vergleich, präsentiert sich das Land als Produktionsstandort mit erheblichem Potenzial für die lohnintensive Bekleidungsindustrie. Dennoch gilt Myanmar als Land mit noch großem Nachholbedarf, nicht nur bei der logistischen und finanziellen Infrastruktur, sondern auch in Bezug auf das Bewusstsein für Sozial- und Umweltstandards, die einen zunehmend wichtigeren Stellenwert bei der Vergabe von Produktionsaufträgen durch europäische Modeunternehmen haben. Über einen Zeitraum von drei Jahren werden Aktivitäten im Rahmen von SMART Myanmar mit einem Gesamtbudget von rund 2 Mio. Euro aus dem SWITCH-Asia Programm der Europäischen Kommission gefördert. Gemeinsam mit vier weiteren europäischen und asiatischen Projektpartnern und unter Leitung der Sequa gGmbH, die u. a. von der BDA getragen wird, leistet t+m einen Beitrag zur Erreichung der drei Kernziele des Projekts. Diese sind die Stärkung des myanmarischen Industrie- sowie Bekleidungsverbandes, die nachhaltige Produktion von Bekleidung „Made in Myanmar“ und die Entwicklung einer Marketing- und Exportstrategie für nachhaltig gefertigte Bekleidung aus Myanmar. Einen ersten Beitrag zur Organisations- und Strategieentwicklung der myanmarischen Verbände lieferte Europapolitik Forschung t+m im November 2013 im Rahmen eines Advocacy Workshops in Rangun. Dr. Christoph Schäfer vermittelte Vertretern der größten Industrieverbände von Myanmar Grundzüge und Strategien der effektiven Interessenvertretung. Juliane Schröder klärte im Rahmen eines Code of Conduct Awareness Workshops Vertreter des myanmarischen Bekleidungsverbandes und Fabrikbesitzer über die Notwendigkeit auf, Sozialstandards in der Produktion einzuhalten und somit den Anforderungen internationaler Käufer gerecht zu werden. Auch brachte die t+m-Vertreterin den Teilnehmern die Funktionsweise und den Nutzen von Verhaltenskodizes näher, womit die Basis für einen weiteren Meilenstein des Projekts gelegt wurde: die Entwicklung eines selbstverpflichtenden Code of Conduct für die myanmarische Bekleidungsindustrie. Umwelt & Energie Im Jahr 2014 unterstützt t+m u. a. die Organisation einer Studienreise von myanmarischen Verbands- und Regierungsvertretern nach Deutschland, während der sich die Teilnehmer ein Bild von der Praxis in der deutschen Verbändeund Nachhaltigkeitslandschaft machen können. Weiterhin sieht das Projekt zwei Messebeteiligungsreisen für myanmarische Bekleidungshersteller nach Europa sowie die Organisation einer von t+m durchgeführten Delegationsreise von deutschen und europäischen Bekleidungsunternehmen nach Myanmar mit B2BMatchmakinggesprächen vor. Aktuelle Entwicklungen sind der Projektwebsite unter www.adfiap.org/smartmyanmar/ zu entnehmen. Der Arbeitsplan ist umfassend, die Projektziele sind ambitioniert. Dennoch ist t+m der Überzeugung, dass es sich lohnt, sich für die Verbesserung der Produktionsbedingungen in Myanmar einzusetzen. Das Engagement von t+m in SMART Myanmar ergibt eine WinWin-Situation: SMART Myanmar macht myanmarische Modeunternehmen fit für den europäischen Markt, auf dem die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards einen immer größeren Stellenwert einnimmt. So können sich aus dem Projekt für beide Seiten langfristige, nachhaltige und gewinnbringende Partnerschaften ergeben. Dabei trägt t+m für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie zur nachhaltigen Entwicklung in Fernost bei und nimmt auf diesem Wege gesellschaftliche Verantwortung wahr. 27 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik Service im netz t+m Länderprofile reloaded Besser informiert auf neuen Märkten www.textil-mode.de/Laenderprofile Juliane Schröder Mit dem Online-Portal „t+m-Länderprofile“ bietet der Gesamtverband textil+mode seinen Mitgliedern ein umfangreiches Informationsangebot und Analysen zu Wirtschaft, Branche, Politik und Entwicklung wichtiger internationaler Zielmärkte der Textil- und Modeindustrie. Im Rahmen der 2013 begonnenen, grundlegenden Überarbeitung des Portals steht für jedes Land neben einem Kurzprofil mit wirtschaftlichen Kenndaten, Kontaktadressen vor Ort und einer SWOT-Analyse auch ein ausführlicher Länderbericht zum Download zur Verfügung. Dieser liefert neben einer fundierten Analyse des Zielmarktes auch detaillierte Informationen rund um die Ein-/Ausfuhr, Zoll, Vertrieb, Logistik, Steuern und Messelandschaft. Dadurch soll eine nützliche Entscheidungs- und Orientierungshilfe für Unternehmen beim Eintritt in neue Zielmärkte geboten werden. Das erste Profil im neuen Format wurde zu Brasilien erstellt und ist bereits online für Mitglieder abrufbar. 28 Internationale Märkte Europapolitik Forschung Umwelt & Energie Vorankündigung Außenwirtschaftstag textil+mode am 10. April 2014 Felix Ebner, Juliane Schröder Im Zuge ihrer strategischen und strukturellen Neuausrichtung über die vergangenen Jahrzehnte hat sich die exportorientierte deutsche Textil- und Modeindustrie zu einem der größten europäischen Marken- und Qualitätsanbieter von Bekleidung sowie Heim- und Haustextilien entwickelt und ist als weltweiter Marktführer bei Technischen Textilien ein wichtiger Zulieferer für zahlreiche Industriebranchen. In einer globalisierten Welt gewinnen wirtschaftliche Strukturen fortlaufend an Komplexität, weshalb sich Unternehmen kontinuierlich neu orientieren müssen, um dem globalen Wettbewerb auf internationalen Märkten erfolgreich standzuhalten. Modeindustrie“. Die eintägige Veranstaltung findet im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) in Berlin statt. Modeindustrie sowie deren Zuliefer- und Abnehmerbranchen bietet sich hierbei die Möglichkeit, Kontakte zu Vertretern aus Politik und Wirtschaft zu knüpfen. In Foren und Workshops referieren Experten und diskutieren Praktiker über außenwirtschaftliche und handelspolitische Themen der Branche im globalen Wettbewerb sowie praxisorientierte Strategieansätze für die erfolgreiche Markterschließung im Ausland. Für Unternehmen der Textil- und Gerne stehen wir Ihnen für Fragen und Informationen zum Programm zur Verfügung. Für technische und organisatorische Fragen zur Anmeldung kontaktieren Sie bitte Stephanie Schmidt (sschmidt@ textil-mode.de). Um aktuelle Herausforderungen in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten aufzuzeigen sowie Chancen und Risiken auf internationalen Zielmärkten der Textil- und Modeindustrie gegeneinander abzuwägen, veranstaltet t+m am 10. April 2014 den ersten „Außenwirtschaftstag der deutschen Textil- und 29 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik Brüssel Wir sind Europa! Nationale Interessen auf EU-Ebene Yvonne Hendrych Parlamentarischer Abend in Straßburg Der Abgeordnete Markus Ferber zeigüber die energiepolitische Situation in te besonderes Interesse an der „Made Deutschland sowie Probleme durch das in“-Thematik, welche durch den neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und Kommissionsvorschlag zur Produktsicherbeleuchtete die europäische Perspektive Am 13. März 2013 veranstaltete der heit und Marktüberwachung wieder auf sowie politische Gesamtverband die politische Agenda in Brüssel gesetzt Forderungen textil+mode worden war und regte an, dieses Thema an den europäiseinen alljährlian einem gesonderten Termin nochmals schen Gesetzgechen Parlamentakritisch und vertieft zu diskutieren. ber. Unter anderischen Abend in rem wurde ein Straßburg. In Folge dessen fand am 26. Juni 2013 ein harmonisierter Gespräch mit der EU-Kommission, Geneund liberalisierZentrale Themen raldirektion Industrie und Unternehmen ter europäischer waren dieses Jahr statt, bei dem t+m, vertreten durch Yvonne Energiebinnendie Präsentation Hendrych und Dr. Christoph Schäfer, markt gefordert, der „Perspekerneut die Bedenken gegen die Einführung die Belange der tiven 2025 – Hans-Peter Mauch, W. Zimmermann GmbH & einer verpflichtenden Made in-Kennzeicheuropäischen Handlungsfelder Co. KG und Dieter-Lebrecht Koch (MdEP) nung sowie Alternativvorschläge vorbrachIndustrie sollten für die Textilforten. bei der Energiepolitik mehr Berücksichtischung der Zukunft“ sowie eine Präsengung finden und ein sicheres und intetation zur europäischen Energiepolitk. griertes Energienetz sollte europaweit vorangetrieben werden. Dr. Klaus Jansen, Geschäftsführer des Forschungskuratoriums Textil, präsentierte Diese und weitere Themen, wie das Highlights aus der Textilforschung der Problem einer verpflichtenden HerZukunft. Die „Perspektiven 2025“ sind das kunftskennzeichnung (Made in) wurde Ergebnis eines einjährigen Diskussionsmit den Teilnehmern des Abends und prozesses von Unternehmern, Forschern den anwesenden Abgeordneten Marund jungen Akademikern über Ideen und kus Ferber (CSU) und Dieter-Lebrecht Lösungsvorschläge zum Einsatz TechniKoch (CSU) diskutiert. scher Textilien in Wachstumsmärkten der Peter Schwartze (t+m), Markus Ferber (MdEP) Zukunft. und Dr. Wolf-Rüdiger Baumann (t+m) Die anwesenden Unternehmer unterstützten die politischen Forderungen mit Im Anschluss daran gab Michael EngelBeispielen und Themen aus der hardt, Leiter des Referats Energie, Umwelt & Rohstoffpolitik bei t+m, einen Überblick unternehmerischen Praxis. 30 Internationale Märkte Europapolitik Forschung Umwelt & Energie Parlamentskreis Mittelstand Europa – Marktüberwachung und Produktsicherheit Am 4. September 2013 wurde durch den Parlamentskreis Mittelstand Europa eine Diskussionsrunde zum neuen Gesetzespaket „Marktüberwachung und Produktsicherheit“ organisiert. Initiatoren dieser Runde waren die Europaabgeordneten Markus Ferber, Markus Pieper, Werner Langen und Andreas Schwab. Schwerpunkt der Debatte war die geplante Wiedereinführung einer verpflichtenden Made in-Kennzeichnung durch die EU-Kommission. Der Europaabgeordnete Markus Ferber hatte sich bereits beim Parlamentarischen Abend des Gesamtverbandes textil+mode im März 2013 offen für dieses Thema gezeigt und wollte nun mit dieser Diskussionsrunde das Thema mit Vertretern der Wirtschaft und anderen Abgeordneten vertiefen. Neben dem Gesamtverband textil+mode waren der BDI, der Deutsche Industrieund Handelskammertag, die Wirtschaftskammer Österreich, der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau sowie Thomas Picard von Picard Lederwaren anwesend. Es wurde ausführlich über die Hintergründe und die Auswirkungen einer verpflichtenden Ursprungskennzeichnung diskutiert und das weitere Vorgehen beschlossen. Die anwesenden Wirtschaftsvertreter erklärten, weitere Lobbyingaktivitäten im Parlament und bei den nationalen Ministerien zu betreiben, um den kritischen Art. 7 zumindest auf Ratsebene zu blockieren. Alle Anwesenden betonten die Wichtigkeit solcher Diskussionsrunden zwischen Wirtschaft und Europaabgeordneten, um wichtige und komplexe Themen in aller Ausführlichkeit und anhand von praktischen Beispielen aus der Industrie umfassend zu erörtern. Die anwesenden Europaabgeordneten werden den Artikel 7 des Gesetzesvorschlags, welcher die Einführung der Ursprungskennzeichnung vorsieht, ablehnen und versuchen hierfür, die Unterstützung weiterer Abgeordneter zu gewinnen. Yvonne Hendrych (t+m, 6. v. l.) beim Parlamentskreis Mittelstand Europa 31 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik PE ou rloipta wi sa hcl h e 2014 Agenda Yvonne Hendrych 2014 finden die 8. Europawahlen statt und EU-Parlament und EU-Kommission werden sich demzufolge neu zusammensetzen. Der Zeitplan: Mai 2014 Wahlen, Europäisches Parlament (Deutschland: 25. Mai 2014) Juni 2014 Europäisches Parlament: Treffen der neuen Europaabgeordneten, konstituierende Sitzungen der Fraktionen, Debatte zwischen den Kandidaten für das Amt des EP-Präsidenten Europäischer Rat: Vorschlag eines Kommissionspräsidenten mit qualifizierter Mehrheit unter Berücksichtigung des Ergebnisses der EP-Wahlen Juli 2014 Europäisches Parlament: Erste Plenarsitzung, Wahl der Amtsträger Europäisches Parlament: Plenarsitzung, Wahl des Kommissionspräsidenten August 2014 Europäische Kommission: Kommissionspräsident und Staats- und Regierungschefs stellen die nächste Kommission zusammen; 27 Kommissare + Kommissionspräsident; Nominierung der Kommissare auf Vorschlag der Mitgliedstaaten 32 September 2014 Europäisches Parlament: Anhörung der nominierten Kommissare Oktober 2014 Europäisches Parlament: Plenarsitzung, Zustimmung zur neuen Kommission (2014 - 2019) als Kollegium November 2014 Europäische Kommission: Amtsantritt Dezember 2014 Europäischer Rat: Amtsantritt des neuen Präsidenten Internationale Märkte Europapolitik Forschung Umwelt & Energie M U n dA t äD g l i cE h g r Iü ßN t das Murmeltier Dr. Christoph Schäfer Jedes Jahr am 2. Februar ist Murmeltiertag in Punxsutawney, Pennsylvania. Die Menschen kommen zusammen, wenn Murmeltier Punxsutawney Phil aus seiner Höhle gezogen wird. Sieht er seinen Schatten, wird der Winter andauern. Phil Connors, ein arroganter und zynischer TV-Moderator, berichtet von diesem Ereignis und sitzt in einer Zeitschleife fest. Er durchlebt den Murmeltiertag wieder und wieder. Den Murmeltiertag gibt es wirklich – die Zeitschleife nur in der Filmkomödie. Die Diskussion um die verpflichtende Herkunftskennzeichnung weist deutliche Ähnlichkeiten auf. Regelmäßig zieht Brüssel Vorschläge für die verpflichtende „Made in“-Kennzeichnung aus der Tasche ans Tageslicht, die dann einen Schatten auf den liberalen und unbürokratischen Handel werfen. Der jüngste Vorschlag stammt überdies aus dem Februar. Die Europäische Kommission hatte ab 2005 sieben Jahre lang erfolglos versucht, „Made in“ für importierte Textilien einzuführen. Sie scheiterte am Widerstand der Mitgliedstaaten. 2010 gab es parallel Bestrebungen, „Made in“ in die neue Verordnung zur Textilfaserkennzeichnung zu integrieren. Auch hierfür fand sich in den Mitgliedstaaten keine Mehrheit. Der Vorschlag aus 2005 war kaum zurückgezogen (in einem Bericht im vergangenen Jahrbuch hat sich t+m (zu früh) darüber gefreut), als die Kommission erneut eine verpflichtende Kennzeichnung mit dem Herkunftsland vorgeschlagen hat. Im allerletzten Moment hat der italienische Kommissar Tajani den Vorschlag in das Produktsicherheits- und Marktüberwachungspaket aufgenommen. Unterschiedslos sollen EU- und Nicht-EU-Produkte gekennzeichnet werden. Diesmal soll „Made in“ als Maßnahme der Produktsicherheit herhalten und die Rückverfolgbarkeit erleichtern. Die Kommission hat sich nicht einmal mehr die Mühe gemacht, eine vernünftige Begründung zu erfinden. Wie die Angabe des Herkunftslands die Marktüberwachung erleichtern soll, bleibt unklar. Falls eine Gefahr von einem Produkt ausgeht, wenden sich die Behörden an den Importeur oder den EU-Hersteller – deren Kontaktdaten stehen ohnehin verpflichtend auf den Produkten, schon heute. Wie üblich ist das Europäische Parlament für die Kennzeichnung. Es glaubt noch immer, es würde etwas für den Verbraucherschutz tun. Die Tatsache, dass sich sogar Verbraucherverbände gegen „Made in“ aussprechen, ignoriert es. Viele Mitgliedstaaten sind nach wie vor gegen die neue Verpflichtung. Sie sehen schon lange neue Bürokratie und haben verstanden, dass es in einer globalisierten Welt meistens nicht das eine Herstellungsland gibt. Der Gesamtverband textil+mode vertritt seine Position weiterhin allein und mit anderen Partnern, da ein Konsens der Textilindustrie auf europäischer Ebnee nicht erzielt werden konnte. Die Zeitschleife im Film endete erst, nachdem der Moderator einen ganzen Tag nett zu seinen Mitmenschen war und sich vernünftig verhalten hat. Was bedeutet das für unser Kennzeichnungsmurmeltier? Müssen Kommission und Parlament einsehen, dass „Made in“ unvernünftig ist? Oder müssen die „Made in“-Gegner nett zu den Kennzeichnungsbefürwortern sein und einfach mal nachgeben? Solange es keine übereinstimmende Antwort gibt, ist in Europa auch weiterhin regelmäßig „Herkunftslandtag“. 33 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik textil f o rschu n g Denkbares machen, statt nur Machbares zu denken Dr. Klaus Jansen Wie kann sich die Textil- und Modebranche erfolgreich auf ihre Zukunft vorbereiten? Welche Märkte werden entstehen und wo besteht Bedarf für vorbereitende Forschung? Welche neuen Anwendungsgebiete können mit faserbasierten Werkstoffen erschlossen werden? Welcher Bedarf an neuem Wissen entsteht dadurch in Unternehmen und Forschungseinrichtungen? Viele Fragestellungen, auf die im Projekt „Perspektiven 2025“ mit der Methode der Retropolation mit über 80 Mitwirkenden Antworten erarbeitet wurden. 34 schließen. Eine einfache Fortschreibung über 2015 hinaus wäre dem Anspruch aber nicht gerecht geworden, Innovationssprünge anzuregen. „Flugstunden für einen Pinguin“ – mit diesem Bild suchte das Kernteam aus Industrie-, Forschungsund Verbandsexperten gezielt nach einem Moderator für das neue Strategieprojekt „Perspektiven 2025“, denn so wie der Pinguin nicht durch bloßes Flügelschlagen die Schwerkraft überwindet, so konnte sich das Team aus eigener Kraft gedanklich nicht aus der Gegenwart lösen. Motivation Methodik Erfolgreiche Unternehmen erarbeiten definierte Ziele und verfolgen eine unternehmensweite Strategie, um in enger Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden den Geschäftserfolg vorausschauend zu entwickeln. Das Forschungskuratorium Textil (FKT) hat als industrielle Dachorganisation den Auftrag, einen fundierten und strategischen Blick in die Zukunft zu werfen und daraus Handlungsfelder für die Forschungsaktivitäten abzuleiten. Dazu bündeln Industriefachleute und Forschungsexperten in den Gremien des FKT ihre Kräfte zur Stärkung der Innovationskraft unserer Branche. Bereits vor einigen Jahren sind erstmals Leitlinien – „Perspektiven 2015“ – erarbeitet worden, die rückblickend eine große Hilfe waren, drohende Technologie- und Wissenslücken gezielt zu Für Thomas Strobel, den Zukunftsexperten der FENWIS GmbH, ist das eine bekannte und nachvollziehbare Erfahrung. Unser Wissen und die gewonnenen Erkenntnisse folgen unserer Vorstellung. Die persönliche Lebenserfahrung wirkt dabei wie ein Filter, der nicht zu unserem Weltbild passende Hinweise und Ideen zügig ausblendet. Das, was unsere Erwartungen dagegen bestätigt, ist willkommen und wird bevorzugt aufgenommen. Dieser extrapolative Ansatz für den Blick in die Zukunft ist für längerfristig abschätzbare Trends wie Bevölkerungswachstum oder Demografie wertvoll. Sie ändern sich – ausgenommen bei Katastrophen – nicht sprunghaft und können, auf Vergangenheitserfahrungen und geeigneten Prämissen aufbauend, in die Zukunft fortgeschrieben werden. Treten jedoch Diskontinuitäten oder Paradigmenwechsel ein, wie sie für technologische oder gesellschaftliche Trends charakteristisch sind, entwickeln wir ein besseres Verständnis für zukünftige Entwicklungen durch die Betrachtung von Abhängigkeiten und Wirkmechanismen aus einer neuen Perspektive. Internationale Märkte Die im Projekt verwendete Methodik der Zukunftslandkarten basiert auf einer Zeitreise in eine ferne Zukunft, um von dort aus in Richtung morgen und dann in die Gegenwart zurückzublicken. Der „Sprung nach übermorgen“ zwingt die Beteiligten, sich von der naheliegenden Fortschreibung eigener Erfahrungen in die Zukunft (Extrapolation) zu lösen. Mit dem Blick zurück aus der fernen auf eine nahe Zukunft – in unserem Fall 2025 – werden über Prämissen und Bilder Veränderungen abgeleitet, die gemeinsam als wahrscheinlich angenommen werden. So entsteht eine vollkommen neue Diskussionsgrundlage für den „Bedarf von morgen“. Darüber hinaus vermittelt das vorausschauende Arbeiten mit Zukunftsbildern den Beteiligten ein erfahrungsbasiertes „Bauchgefühl für morgen“, das nachhaltig den Umgang mit Zukunftsfragen und die Entscheidungsvorbereitung verändert. Der Blickwinkel wird weiter, mehr Zusammenhänge werden berücksichtigt und zusätzliche Informationen gewinnen an Bedeutung, die sonst von unseren Filtern ausgeblendet worden wären. Ablauf und Ergebnisse Das Kernteam hat neben der Steuerung des Gesamtprozesses die Formulierung von Prämissen für die Zukunftsbilder 2050 übernommen. In fünf regionalen Zukunftsworkshops wurden rund 80 Teilnehmer aus Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Verbänden und junge Akademiker in die Bearbeitung der Projektfragestellungen eingebunden. Die darin bearbeiteten zehn Themenfelder sind ausgewählte Blickwinkel, die das Kernteam als möglichst lebensnah und geschäftsrelevant für die Zielgruppe der späteren Nutzer angesehen hat. Konkret sind das Wohnen, Architektur, Zukunftsstadt, Ernährung, Gesundheit, Bekleidung, Mobilität, Energie, Produktion/Logistik und übergreifende Basisthemen. Mehrere hundert Ideen wurden durch diese Workshop-Arbeit gesammelt, sortiert, anschließend verdichtet und von den Experten auf ihr Marktpotenzial, ihre Realisierungswahrscheinlichkeit und den zeitlichen Umsetzungshorizont bewertet. Europapolitik Forschung Ein Auszug wichtiger Projektergebnisse ist zwischenzeitlich in der Druckbroschüre „Perspektiven 2025“ für die Kommunikation aufbereitet worden. Wohnen Wohnen ist geprägt von Wohlbefinden, Komfort, Interaktivität und Umgebungsintelligenz. Der Raum stellt sich auf die Bedürfnisse des Nutzers ein und passt Farbe, Helligkeit, Temperatur und Luftfeuchtigkeit an. Flächen übernehmen Display-Funktionen und geben Informationen wieder. Räume werden multifunktional und lassen sich in Form und Größe verändern. Ältere Bewohner können gesundheitlich überwacht und in selbstständiger Lebensführung unterstützt werden. Textile Funktionsflächen können computergesteuert leuchten, heizen, kühlen, wechseln die Farbe und Oberfläche, detektieren Signale und sind als Display nutzbar. Inneneinrichtungen aus faserverstärkten Leichtbaumaterialien steigern die Standortunabhängigkeit und Flexibilität der Raumnutzung. Ernährung Nahrungsmittel werden in Verbrauchernähe produziert. Vertikale und horizontale Flächen dienen dem Gemüseanbau, Fleisch wird durch tierloses Zellwachstum künstlich erzeugt. So werden erhebliche Treibhausgasemissionen bei der Erzeugung und dem Transport vermieden. Trinkwasser wird am Punkt der Nutzung aus Brauchwasser erzeugt. Filtermaterialien reinigen Luft und Wasser. Textile Träger ermöglichen den Anbau und die Versorgung von Pflanzen mit Wasser und Nährstoffen oder das Züchten von künstlichem Fleisch auf geeigneten Substraten. Faseroptiken bringen Tageslicht an beliebige Punkte in Gebäuden. Bekleidung Mode und Bekleidung wird individueller, multifunktionaler, adaptiver. Intelligente Fasern messen und steuern Assistenz- und Therapiesysteme oder reagieren auf Umwelteinflüsse. Intelligente Bekleidung ist oft energieautark, verschleißfest und vielfach selbstreinigend. Umwelt & Energie Fasermaterialien übernehmen sensorische Funktionen, erzeugen und speichern Energie, reagieren auf äußere Einflüsse durch Farbwechsel, Abweisung und Permeabilitätsänderung. Eigenschaften der Textilien werden steuerbar, um das individuelle Wohlbefinden des Trägers zu fördern. Gesundheit Der demografische Wandel steigert den Bedarf an Pflege-, Unterstützungs- und Therapiemaßnahmen, um die Selbstständigkeit der Menschen länger zu erhalten. Telemedizin und personalisierte Therapien verbessern die Früherkennung, Heilung und Gesundheitsvorsorge. Aktorische Fasern unterstützen Bewegungen, Sensorfasern die Zustandserfassung, Depotfasern die kontrollierte Freisetzung von Medikamenten und Wirkstoffen. Neue Materialien ermöglichen die Züchtung körpereigener Ersatzteile und Schutz vor bioaktiven Gefahrstoffen aus der Umwelt. Mobilität „Nutzen statt Besitzen“ wird zum Mobilitätsmotto. Fortbewegung ist ein ganzheitlich neu gedachtes Konzept und schließt alle Beförderungsmittel ein. Emissionsfreie Fahrzeuge nutzen hybride Leichtbauwerkstoffe, die sortenrein wiederverwendbar sind. Sensoren überwachen den Materialstatus, passen Komforteigenschaften an das Nutzerbedürfnis an und unterstützen Sicherheitssysteme. Sensorfasern integriert in Verbundwerkstoffen, Fasern mit Heiz-, Kühl-, Leucht- und Speicherfunktion und textile Funktionsoberflächen zeichnen die zahlreichen Formfaktoren von Fortbewegungsmitteln der Zukunft aus. Zukunftsstadt Neue Städte als ressourceneffizienter Lebensraum entstehen in Wüsten und Meeren. Sie versorgen sich von „innen“ mit Nahrung, Energie und Lebensgütern. Versorgung und Entsorgung bilden geschlossene Kreisläufe. Intelligente Verkehrssysteme optimieren den Transport von Menschen und Gütern. Textilien schützen die Infrastruktur gegen Lärm, Hitze, Kälte und erzeugen gleichzeitig Energie. Langlebigere Bauwerke entstehen mit textilem 35 Überblick Tarifpolitik Leichtbau, dessen Materialmix ressourcensparend und recyclingfähig ist. Architektur Gebäudekonstruktionen werden organischer und leichter. Adaptive Membrane und faserverstärkte Werkstoffe eröffnen neue Gestaltungsmöglichkeiten der Gebäudehüllen und der Innenräume. Sensoren in Tragwerken informieren in Altund Neubauten über deren Zustand und melden frühzeitig Hinweise auf Schäden. Sie steuern ein intelligentes Gebäudemanagement und optimieren die Versorgung mit Strom, Wasser, Licht und Wärme. Sensorfasern messen Temperatur, Feuchte, mechanische Kräfte und sonstige Parameter in Verbundstrukturen. Aktorische und Funktionsfasern reagieren auf Signale des automatischen Gebäudemanagements. Faserverstärkte Leichtbaumaterialien sind recyclingfähig und nutzen nachwachsende Rohstoffe oder biobasierte Polymere. 36 Bildungspolitik wege und Lagerzeiten. Die Branche handelt sozial verantwortlich und belegt dies durch Energie- und Materialmanagementsysteme. Neue variable Produktionstechnologien erlauben individualisierte, kundennahe Textilherstellung. Biopolymere und nachwachsende Rohstoffe ersetzen erdölbasierte Materialien. Energie Energieerzeugung ist emissionsfrei. Ein länderübergreifendes Netz bindet lokale Kleinkraftwerke und Speicher ein, überträgt verlustfrei Elektrizität und gleicht zeitliche und regionale Verbrauchsspitzen aus. Gebäude erzeugen dann mehr Energie als sie selbst verbrauchen. Fasermaterialien erzeugen aus Sonne, Druck, Bewegung oder Temperaturunterschieden elektrischen Strom. Sie sammeln Wärme, speichern elektrische und mechanische Energie und dienen als Trägermaterial in der Biomasseproduktion. Produktion / Logistik Basisthemen Fossile Rohstoffe verknappen und führen zu zunehmender Kreislaufführung von Wertstoffen bis hin zu geschlossenen Cradle-to-Cradle-Konzepten. IT-Unterstützung ermöglicht recyclinggerechtes Produktdesign und Materialauswahl sowie energieeffiziente Produktion in Losgröße 1 nahe beim Kunden. Das minimiert Transport- Eine durchschnittlich jüngere, wachsende Bevölkerung in Asien und Afrika steht der älter werdenden, schrumpfenden Population Europas gegenüber. Der Ressourcenverbrauch muss mittelfristig wieder unter die Regenerationsfähigkeit des Planeten Erde sinken und stellt damit hohe Ansprüche an die Versorgung der Menschen mit Sozialpolitik Wasser, Nahrung und Energie. Nur durch Emissionsreduzierung sind der Klimawandel und seine Folgen zu begrenzen. Neue ressourcenschonende und nachwachsende Rohstoffe, recyclinggerechte Produkte und Textilien für den Umweltschutz gewinnen Marktanteile. Der Bedarf an Schutztextilien steigt, Hilfsmittel für ältere, kranke Personen sind notwendig. Im Sinnbild der alten Seefahrer liegt nun mit den „Perspektiven 2025“ eine Entdeckerkarte vor uns, mit deren Hilfe Unternehmer bei der Planung einer sicheren Route zwischen der aktuellen Position und dem zukünftigen Unternehmensziel navigieren können. Diese Karte gibt Managern eine wertvolle Orientierungshilfe für Routenauswahl und Kommunikation, auch wenn sie nicht alle Untiefen beinhaltet. Die geleistete Grundlagenarbeit ermöglicht, neue, erfolgversprechende Wege zu verfolgen; Erkenntnisgewinn entlang der Strecke wird dann später für zielführende Anpassungen berücksichtigt. Die Studie „Perspektiven 2025“ des FKT endet an der Stelle, an der konkrete Handlungsoptionen im Sinne von Strategien, Geschäftsmodellen und Businessplänen für ein Unternehmen abgeleitet werden müssen. Diesen Schritt muss jeder Unternehmer für seine Geschäftsausrichtung entweder aus eigener Kraft oder mit Unterstüt- Internationale Märkte Europapolitik zung eines externen Fachmanns selbst angehen. Rollout Schon das Lesen der entstandenen Broschüre, war den Projektteilnehmern schnell klar, gibt einen guten Überblick über den wahrscheinlichen Bedarf von morgen. Doch das alleine reicht natürlich nicht aus, um die darin verborgenen Potenziale und Entwicklungsspielräume zu erschließen. Das FKT hat seinen Mitgliedsverbänden daher Unterstützung angeboten, die Ergebnisse in Vorträgen und Diskussionsrunden interessierten Unternehmen vorzustellen und vertiefend zu nutzen. Der Verband der Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie in Münster hat sich für diesen Transferschritt etwas Besonderes einfallen lassen. Ein möglichst großer Kreis von Mitgliedsunternehmen sollte die Instrumente der Zukunftslandkarte und der Retropolation kennenlernen und ihre Anwendung für die eigene Firma im Rahmen eines eintägigen Workshops praktisch erproben. Rund 40 Unternehmer waren der Einladung gefolgt. Angeleitet von Zukunftsexperte Strobel stand das Netzwerken und gemeinsame Ideenfinden im Mittelpunkt des Tages. Nach Vorstellung der Methoden und der Ergebnisse des Projektes „Perspektiven 2025“ interviewten sich die Workshop-Teilnehmer in Zweiergruppen gegenseitig. Firma, Branche, aktuelle Produkte und Kompetenzen wurden ausgetauscht und die Wünsche und Gesuche jedes Unternehmers schriftlich formuliert. Die einseitigen Steckbriefe stehen allen Besuchern zur Verfügung und ermöglichen so auch im Nachgang zum Workshop eine gezielte Kontaktaufnahme zu Kollegen und Marktbegleitern. In einem weiteren Arbeitsmodul diskutierten die Unternehmer in kleinen Gruppen an wechselnden Arbeitsstationen zu den Themenfeldern der Projektarbeit. Welche neuen Produkte und Dienstleistungen sind für das eigene Unternehmen denkbar? Welche Kooperationspartner können die Firma auf ihrem Weg dorthin unterstützen? Alle Anwesenden haben die rund 150 gesammelten Forschung Umwelt & Energie Ideen nach Leitthemen gegliedert in elektronischer Form erhalten und können nun aus dem erarbeiteten Fundus schöpfen. Ähnliche Veranstaltungen sind in weiteren Verbänden der Textil- und Modebranche geplant und werden den Teilnehmern helfen, sich dem oft mysteriös erscheinenden Thema Zukunft zu nähern und ihre Gestaltung sicher in die Hand zu nehmen. Die bisherigen Rückmeldungen der Teilnehmer belegen, dass es die zunächst überraschende Methodik der Zukunftslandkarte schnell ermöglicht, die Erwartung an befreites Denken und kreative Ideenentwicklung durch Wissensträger im Dialog zu erfüllen. „Denkbares machen, statt nur Machbares zu denken“, beschreibt zutreffend das Motto dieses Wissens- und Gedankenaustauschs. Von der Idee in die Praxis – Die Förderinstrumente Die „Perspektiven 2025“ leiten aus den Themenfeldern bereits konkreten Forschungsbedarf ab, der innerhalb der kommenden zehn bis 15 Jahre die Arbeiten der FKT-Forschungsinstitute bestimmen wird. Da insbesondere der Mittelstand nur begrenzte eigene Ressourcen für Forschungsaktivitäten zur Verfügung hat, ist die Zusammenarbeit der Unternehmen mit externen Forschungseinrichtungen von besonderer Bedeutung. Das hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) bereits vor vielen Jahren erkannt und unterstützt mit dem Programm der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) die Gewinnung technologiebezogener Basiserkenntnisse im vorwettbewerblichen Stadium. Sie kommen all jenen Unternehmen zugute, die sich in branchenbezogenen, gemeinnützigen Forschungsvereinigungen wie dem FKT unter dem Dach des AiF e.V. zusammengeschlossen haben. Das Förderprogramm ist technologieoffen und stimuliert damit branchenübergreifende Kooperationen. Die Industrie begleitet die Projekte, deren Ergebnisse prinzipiell allen Branchenunternehmen als Basis für eigenständige Produkt- und Verfahrensentwicklungen zur Verfügung stehen. Effiziente Geburtshilfe bei der Realisierung ihrer IGF-basierten wie auch anderen betrieblichen Vorhaben bis zum Prototyp leistet das ebenfalls vom BMWi geförderte Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM). Extrem erfolgreich ist es weit über Deutschland hinaus als „Goldstandard“ der Innovationsförderung bekannt. Die Unternehmen schätzen seine Technologieoffenheit, Praxisnähe, die kurzen Entscheidungsfristen und eine geringe Bürokratiebelastung. Gefördert werden im ZIM alle typischen FuE-Projektvarianten von einzelbetrieblichen Vorhaben über Kooperationen von Unternehmen untereinander oder/und mit Forschungseinrichtungen bis zu Netzwerken. Erfolgreich überbrückt das ZIM das „Tal des Todes“, wie die Überführung eines vorwettbewerblichen Forschungsergebnisses in die betriebliche Praxis gerne genannt wird. IGF und ZIM bilden damit eine aufeinander abgestimmte Förderkette, in der die wirtschaftlichen Risiken für KMU bei der Entwicklung eines neuen Produktes, eines Verfahrens oder einer Dienstleistung verringert werden. Auf der Aachen-Dresden-International-Textile-Conference 2012 haben Forscher und Unternehmer in einer eigens organisierten Transfersession neun konkrete Beispiele vorgestellt. Die über 200 anwesenden Zuhörer konnten sich so aus erster Hand über die Erfolge informieren und inspirieren lassen. 37 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik UDie n h Energiewende a p p y B i r t hwird d a y2!! Leider kein Anlass zum Feiern... Michael Engelhardt Als die Bundeskanzlerin im Jahr 2011 nach den Ereignissen in Fukushima die Energiewende für Deutschland ausrief, herrschte noch Optimismus und der Glaube, die Energiewende könne für das Industrieland Deutschland eine große Chance werden. Gute zwei Jahre später ist Ernüchterung eingetreten. Zwar ist der Anteil der Erneuerbaren Energien (EE) an der Stromerzeugung auf ca. 25 % angestiegen. Doch ist dies nur ein Durchschnittswert, da die Erneuerbaren Energien nun einmal schwankend einspeisen, mit der Folge, dass mal zu viel und mal zu wenig Strom im Netz ist. An der Strombörse führt dies zu stark schwankenden Preisen, die mal im negativen Bereich liegen und mal exorbitant hoch sein können. Insbesondere wenn viel EE-Strom im Netz ist, sinkt der Preis bisweilen ins Bodenlose. Da aber die garantierten Einspeisevergütungen für die Anlagenbetreiber aufgebracht werden müssen, egal welchen Preis der Strom an der Börse erzielt, steigt natürlich die EEG-Umlage. In 2014 liegt sie schon bei 6,24 Cent/ kWh und übertrifft damit die von der Bundeskanzlerin 2011 zugesagte Kostenobergrenze von 3,5 Cent/kWh um fast das Doppelte. Nun wird in der öffentlichen Diskussion der Industrie vorgehalten, ihre Sonderregelungen seien für die Steigerung der EEG-Umlage verantwortlich. Dazu sei gesagt: Selbst wenn man sämtliche Sonderregelungen des EEG für die Industrie abschaffen würde, könnte die Umlage in 38 2014 bestenfalls um etwa 1,5 Cent/kWh sinken. Es blieben also immer noch ca. 5 Cent/kWh, die allein aus der (Über)Förderung der EE - insbesondere der Photovoltaik - entstanden sind. Zudem würden in einem solchen Szenario in den besonders stromintensiven Bereichen unmittelbar tausende Arbeitsplätze wegfallen, mit den entsprechenden Wirkungen für die Sozialsysteme. Es bleibt als einzig denkbare Lösung für die „Altlasten“ des EEG die von t+m vorgeschlagene, zumindest partielle Finanzierung der Energiewende durch Haushaltsmittel. Bleibt die EEG-Umlage auf dem bisherigen Niveau oder steigt sie gar weiter, droht der Industriestandort Deutschland ernsthaft Schaden zu nehmen. Erstes Anzeichen dafür ist die schon vorhandene geringere Investitionsbereitschaft insbesondere in stromintensiven Branchen. Aber nicht nur auf der Kostenseite wurden die Hoffnungen in die Energiewende enttäuscht. Auch die Versorgungssicherheit, die für die Industrie ein immens wichtiger Standortfaktor ist, gerät in Gefahr. Da der Netzausbau bisher nicht im notwendigen Umfang realisiert wurde, bleibt immer mehr Strom aus Erneuerbaren Energien ungenutzt, wird aber trotzdem subventioniert. Es häufen sich die Situationen, in denen die Netzbetreiber systemstabilisierende Eingriffe vornehmen müssen. Dass hierbei irgendwann Fehler passieren und es danach zu einem größeren Blackout kommt, erscheint jedenfalls nicht mehr ausgeschlossen. Auch die industriepolitischen Träume im Hinblick insbesondere auf die Photovoltaik haben sich nicht erfüllt. Zu lange hat die Branche auf das Füllhorn immerwährender Subventionen vertraut und ist träge geworden. Notwendige Investitionen in Forschung und Entwicklung sind unterblieben, mit der Folge, dass nunmehr chinesische Hersteller mit brauchbaren und günstigen Produkten den Markt dominieren. Die Subventionsmaschine EEG ist leider ein Lehrstück einer vollkommen verfehlten Industriepolitik. Es wird darauf ankommen, dass eine neue Bundesregierung unmittelbar nach der Bundestagswahl einen Neustart der Energiewende vornimmt. Dabei wird es angesichts der Dramatik der Situation keine Schonfrist geben. Die deutsche Textil- und Modeindustrie hat mit ihren Vorschlägen zu einer Umfinanzierung der Energiewende bereits einen konstruktiven Beitrag zur Reformdiskussion geleistet. Internationale Märkte Europapolitik Forschung Umwelt & Energie NEUE Ken n zeichnungspflic ht für m i t Bioz idprodukte n b e ha ndelte W are n Michael Engelhardt Im Jahr 2012 hat uns die EU mit einer neuen Verordnung (EU 528/2012) beglückt. Die Verordnung wurde am 1. September 2013 wirksam, seit diesem Datum gelten also ihre Regelungen. Für die Textilunternehmen ist besonders die Kennzeichnungspflicht gem. Art. 58 wichtig. Danach muss der Inverkehrbringer einer mit einem Biozidprodukt behandelten Ware sicherstellen, dass das Produktetikett bestimmte Informationen enthält, wenn er mit bioziden Eigenschaften wirbt oder die Zulassung des Biozidprodukts dies verlangt. Folgende Informationen müssen dann auf das Etikett: Und so muss das Etikett aussehen: Die Kennzeichnung muss deutlich lesbar, gut sichtbar und hinreichend dauerhaft sein. Wenn Größe und Funktion der behandelten Ware dies erforderlich macht, kann die Kennzeichnung auf der Verpackung, der Gebrauchsanweisung oder dem Garantieschein angebracht werden. Besondere Vorsicht ist bei Werbeaussagen bezüglich der bioziden Eigenschaften eines Produkts angebracht. Gehen diese zu weit, wird aus einer behandelten Ware, die „nur“ • eine Erklärung, aus der hervorgeht, dass die behandelte Ware Biozidprodukte enthält; • wenn dies angezeigt ist, die der behandelten Ware zugeschriebene biozide Eigenschaft; • die Bezeichnung aller Wirkstoffe, die in den Biozidprodukten enthalten sind; • die Namen aller in den Biozidprodukten enthaltenen Nanomaterialien mit der anschließenden Angabe „Nano“ in Klammern; • alle einschlägigen Verwendungsvorschriften, einschließlich Vorsichtsmaßnahmen, die wegen der Biozidprodukte, mit denen die behandelte Ware behandelt wurde, beziehungsweise die in dieser Ware enthalten sind, zu treffen sind. gekennzeichnet werden muss, schnell ein zulassungspflichtiges Biozidprodukt. Leider hat es die EU-Kommission bisher nicht geschafft, das angekündigte Erläuterungsdokument zur Biozid-Verordnung fertig zu stellen. Damit bleiben wichtige Abgrenzungsfragen vorerst unbeantwortet und die Unternehmen müssen aktuell mit einer gewissen Unsicherheit leben. Wir werden weiter darauf drängen, dass dieses Dokument schnellstmöglich vorgelegt wird. 39 Überblick Tarifpolitik Bildungspolitik Sozialpolitik textil+m Präsidium 40 Präsident Präsidium Peter Schwartze Donata Apelt-Ihling Alfred Apelt GmbH Dr. Klaus Faust Lodenfrey Menswear GmbH Vizepräsidium Martina Bandte Karl Conzelmann GmbH & Co. KG Dr. Fritz Goost Bierbaum Proenen GmbH & Co. KG Wolfgang Brinkmann bugatti GmbH Klaus Berthold HB Schutzbekleidung GmbH & Co. KG Dr. Wilfried Holtgrave WKS Textilveredlungs GmbH Klaus Huneke Heimbach GmbH & Co. KG Wilfried Brandes Wolf Dieter Kruse Rolf A. Königs AUNDE Achter & Ebels GmbH Werner Braun KARL OTTO BRAUN GmbH & Co. KG Thomas Lindner Strumpfwerk Lindner GmbH Ingeborg Neumann Peppermint Holding GmbH Dr. Alexander Colsman Gebrüder Colsman GmbH & Co. KG Georg Saint-Denis Global Safety Textiles GmbH Désirée Derin-Holzapfel friedola Gebr. Holzapfel GmbH Dr. Christian Heinrich Sandler Sandler AG Hans Digel DIGEL AG Justus Schmitz Schmitz-Werke GmbH & Co. KG Franz-Peter Falke FALKE KGaA Johannes Schulte Vorwerk & Co. Teppichwerke GmbH & Co. KG Heiko A. Westermann ROY ROBSON FASHION GmbH & Co. KG Internationale Märkte Europapolitik Forschung Umwelt & Energie mK oon tda ket Hauptgeschäftsführer Referate / Wirtschaftspolitik Dr. Wolf-Rüdiger Baumann Außenwirtschaft / Internationale Kooperationen / Messen Felix Ebner Tel 030 726220-30 Mail febner@textil-mode.de Recht und Steuern Dr. Christoph Schäfer (bis 31. Dezember 2013) Tel 030 726220-32 Mail cschaefer@textil-mode.de Juliane Schröder Tel 030 726220-33 Mailjschroeder@textil-mode.de Büros Dr. Uwe Mazura (ab 1. Januar 2014) Stellvertretender Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Blömeke Kaufmännischer Leiter Marcus Jacoangeli Tel 030 726220-24 Mail mjacoangeli@textil-mode.de AGV/Sozialpolitik Arbeits- und Sozialversicherungsrecht Susanne Wicht Tel 030 726220-27 Mail swicht@textil-mode.de Bildung Karin Terdenge Tel 030 726220-28 Mail kterdenge@textil-mode.de Tarifpolitik Hans-Joachim Blömeke Tel 030 726220-21 Mail hbloemeke@textil-mode.de Energie und Umwelt Michael Engelhardt Tel 030 726220-36 Mail mengelhardt@textil-mode.de Forschung und Innovation Dr. Klaus Jansen Tel 030 726220-40 Mail kjansen@textil-mode.de Messen und Internationale Märkte Claudia Saam (bis 31. Dezember 2013) Tel 030 726220-35 Mail csaam@textil-mode.de Kommunikation, Presse und Öffentlichkeitsarbeit Dr. Hartmut Spiesecke (ab 1. Januar 2014) Tel 030 726220-22 Mail hspiesecke@textil-mode.de Berlin Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. Reinhardtstr. 12-14 10117 Berlin Tel 030 726220-0 Fax 030 726220-44 Mail info@textil-mode.de Web www.textil-mode.de www.facebook.de/textilverband Brüssel Yvonne Hendrych (bis 31. Dezember 2013) 31, rue du Commerce B-1000 Bruxelles Tel +32 2 50089-64 Mail info@textil-mode.de 41 Impressum Herausgeber: Gesamtverband textil+mode Reinhardtstr. 12 - 14, 10117 Berlin www.textil-mode.de www.facebook.de/textilverband Redaktion & Gestaltung: Stephanie Schmidt Bildnachweise S. 3 - 4 Yves Sucksdorff / S. 5 Michael Richter / S. 11 Maurizio Milanesio - Fotolia.com / S. 14 - 17 t+m / S. 19 BG ETEM / S. 22 Julien Eichinger - Fotolia.com / S. 24 Isleif Heidrikson - Fotolia.com / S. 25 Joachim Wendler - Fotolia.com / S. 26 ufotopixl10 - Fotolia.com / S. 27 oben sequa gGbmH / S. 27 unten t+m / S. 29 C. 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