IV One last dance

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IV One last dance
Calypso
IV
One last dance
Rundbrief der Pax Christi
Freiwilligen aus
Ecuador, Dominikanische Republik,
Deutschland, Polen, Bosnien Herzegowina,
Kosovo, Mazedonien, Ukraine
1
Inhalt
Ecuador
Alexander Steiger S.4
Carla Schwarz S.6
Dom Rep
Julia Klemens S.8
Franziska Ott S.10
Polen
Eva Schreiber S.12
Judith Oppermann S.14
Jakob Niezborala S.16
Luzie Luft S.18
Schland
Lukas Jansen S.20
Danijela Zec S.22
Dawid Chudy S.23
BiH
Gerda Seidelmann S.25
Milan Zmrzlak S.27
Anna Klein S.29
Kosovo
Dennis Güntner S.31
Mazedonien
Jennifer Neu S.33
Ukraine
Georg Suchenwirth S.35
Paul Palme S.37
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Dies ist die Einleitung…, aber
trotzdem ein Schluss
Die letzte Calypso, die letzte Zeit...wir könnten jetzt alle ein bisschen weinen und traurig sein, dass jeder
von uns Abschied von seiner neuen Heimat und allem lieb gewonnen nehmen muss. Da Heulen aber
bekanntlich wenig Spaß macht erzählen wir lieber vom Sommer, von Reisen, von unserem Endspurt dem
Auskosten der letzten erlebnisreichen Monate. Wir schauen ein wenig zurück und staunen, was der ganze
Trubel des letzten Jahres aus uns gemacht hat.
Ein wenig stolz können wir alle auf uns und alles, was wir in den letzten 13 Monaten erreichten, sein,
trotzdem ist es Zeit Danke zu sagen, denn uns wurde immer der Rücken gestärkt...von einer ganzen Horde
wundervoller Menschen:
Danke an unsere Gastländer und deren Einwohner, die uns aufgenommen haben,uns ein neues Zuhause
gegeben haben, uns ihre Tänze und Lieder zeigten, uns mit ihrem Essen vollstopften, ihre Geschichten
erzählten, die immer wieder geduldig unsere Sprachfehler korrigierten, uns ihre Mentalität zeigten, mit uns
lachten, uns an unbekannte Orte mitnahmen, uns aus aussichtslosen Situationen retteten und uns als eine/r
von ihnen aufnahmen.
Danke an unsere Arbeitsstellen, für alles was sie uns beibrachten, für ihre Dankbarkeit und das Gefühl ein
kleines bisschen was zu bewegen.
Danke an pax christi, dafür dass ihr uns allein in die Welt geschubst habt und uns trotzdem nicht allein
gelassen habt, Danke an unsere Teamer und ein dickes Danke an unsere Koordinatorin Anaїs.
Danke an unsere Familien und all die Unterstützung und Motivation, die uns immer wieder von Zuhause
erreichte. Danke an unsere Förderer und Spender, Danke an alle die ein wenig mitgefiebert haben, unseren
Weg verfolgten und uns bis hierher gebracht haben.
Dziękuję
Фaлa
Gracias
Hvala
Danke
Faleminderit
Cпacибo
Дякyю
Wir gehen dann mal wer weiß wo hin und überlassen unseren Nachfolgern das Feld.
Man sieht sich!
—Gerda Seidelmann
3
Alexander Steiger — Ecuador
Die Zeit der letzten und die der ersten
Male
Nun sitze ich hier und weiß nicht, wie ich anfangen soll.
Ich bin aus Ecuador wieder nach Hause gekommen und
es ist so viel passiert, dass ich nicht weiß, wie ich das
alles in diesem kurzen Text einfügen könnte. Es geht von
der Vorfreude des Rückkehrens über die Trauer des
Abschieds bis zum Genuss eines einfachen Momentes. Besonders die Durchführung meines „Happy Colors“Projekts und der Theateraufführung „Du musst kein
Superheld sein, um die Welt zu retten“ haben zum Ende
hin neue Kräfte in mir geweckt. Es hat mir unglaublich viel
Spaß gemacht mit den Kindern mehr zu machen, als nur
den erwarteten „normalen“ Englischunterricht.
Es hat meinem Jahr in Ecuador einen sehr schönen
Abschluss gegeben. Die Zeit der letzten Male ist dann
sehr schnell angebrochen – bevor ich wirklich gemerkt
habe, wie sehr Ecuador für mich zur Heimat geworden
ist. Und das in der kurzen Zeit. Plötzlich stand ich vor der
Tatsache nur noch einige wenige Wochen zu haben und
dabei hatte ich noch so viele Pläne. Obwohl Ecuador
solch ein kleines Land ist, habe ich noch längst nicht alles
gesehen und obwohl ich die Freunde, Kollegen und die
Familie nahezu ständig um mich hatte, konnte ich doch
nicht genug mit diesen unternehmen. Der Abschied fällt
schwer, wenn man nicht weiß ob es ein „Bis Bald“ oder
ein “Lebewohl“ ist.
Um es mit den Worten der Schulleiterin auszudrücken:
“Dieser Abschied zerbricht mein Herz!“
Mit diesen Worten hat sie den Nagel durchaus auf den
Kopf getroffen. Die Begegnungen wurden zu
Bekanntschaften und diese wurden dann schnell auch zu
Freunden. So entstanden interkulturelle und
interkontinentale Beziehungen, die hoffentlich auch lange
bestehen bleiben. Es ist Friedensstiftung im Kleinen, die
auf diesen Begegnungen beruht.
Ich bin mit einem lachendem und einem weinendem
Auge zurückgeflogen. Es gibt so viel, was ich vermissen
werde; darunter die Gelassenheit und Einfachheit des
Lebens sowie die Freude die sich in den kleinen Dingen
verbirgt oder einfach nur die günstigen Preise der
Avocados.
Doch ich freue mich genauso sehr wieder auf
Mülltrennung, ein gesünderes Umweltbewusstsein und
selbst entscheiden zu können ob man warm oder kalt
duscht. (Den täglichen 2 Portionen Reis werde ich auch
nicht unbedingt nachtrauern ).
Alles was passiert ist, ob gut ob schlecht, hat seine
Spuren in mir hinterlassen. Ich habe gelernt, an
Herausforderungen zu wachsen und mit viel Geduld und
sehr viel Eigeninitiative Dinge zu ändern, die ich ändern
kann.Nun da ich zurück bin, kommt aber auch erst der
wahre Kulturschock. Dinge die für mich früher
selbstverständlich waren, wie das einfache Benutzen
einer Spülmaschine oder der genauestens organisierte
und pünktliche Tagesablauf brauchen ihre Zeit, um bei mir
wieder einen Rhythmus zu finden (ok, der pünktlichste war
ich tatsächlich auch vorher nicht). Doch ich bin
zuversichtlich, dass ich es schaffen werde, mich selbst da
wieder dran zu gewöhnen. Es ist dennoch hilfreich, einen
4
Alexander Steiger
kritischeren Blick auf unsere eigene Gesellschaft zu
bekommen, da diese nun mal auch nicht perfekt ist. Aber
was ändern kann man schließlich immer!
Zum Abschluss möchte ich allen danken, die mich
während dem Jahr unterstützt haben, ob finanziell oder
einfach mental. Jede dieser Unterstützungen hat mir sehr
viel geholfen und dieses unglaubliche Jahr für den Frieden
erst ermöglicht. Ich danke euch allen von Herzen!
1. Klasse Selfie
Wenn ihr mir Rückmeldungen geben wollt oder ihr
irgendwelche Fragen habt, könnt ihr mir gerne auch noch
unter alex-steiger@t-online.de schreiben. Ich freue mich
meine Erlebnisse mit euch teilen zu dürfen.
Ein letztes Mal schicke ich euch die besten Grüße y un
gran abrazo (eine große Umarmung)
Abschied am Flughafen
Saludos,
Alex
Das Gute, das du tust wird morgen schon vergessen sein,
tue trotzdem Gutes!
-
Mutter Teresa
Blue Julio
Noch zu ergänzen wäre, dass was auch immer in dem
Jahr passiert ist: per Hand waschen- DAS hab ich auf
jeden Fall gelernt =)
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Carla Schwarz — Ecuador
Gracias por todo mi Ecuador
Wow! Es ist unglaublich wie schnell die Zeit vergangen
ist. Das ist jetzt schon mein letzter Bericht.
Das Jahr kam mir manchmal so unglaublich lange und
dann wieder so kurz vor. Es ist ein komisches Gefühl,
wenn das Jahr, auf das man so lange gewartet hat, in
dem man dann letztendlich so viel mit gemacht hat,
Höhen und Tiefen erlebt hat, viel gelacht und manchmal
auch geweint hat und so viel neues gelernt hat, jetzt
einfach vorbei seien wird. Ich habe mich gefragt, wie
das sein wird, wenn ich wieder zurück in mein
Heimatland komme, meine Familie und Freunde wieder
um mich haben werde und natürlich das gewohnte Essen
essen werde.
Und wie wird es sein, wenn man sein Leben in Ecuador
zurück lässt.
Ich kann sagen, dass es für mich nicht leicht werden wird,
mich zu verabschieden und zu gehen. Die
Gewohnheiten, die neuen und guten Freunde, die neue
Familie, alles muss man zurück lassen, mit der
Ungewissheit, wann man das alles wieder sehen wird.
Auch meine Arbeit werde ich unglaublich vermissen.
Meine Kinder, wie ich immer sage, sind mir so ans Herz
gewachsen, und mich hat die Arbeit mit den
verschiedenen Behinderungen so interessiert und in den
Bann gezogen, dass ich in diese Richtung auf jeden Fall
weiter gehen möchte.
Es ist an der Zeit Danke zu sagen! An pax christi, die mir
überhaupt erst dieses Jahr ermöglicht haben, an meine
Spender, die mich so fleißig unterstütz haben, und an
meine Familie und Freunde aus Deutschland, die mir
immer wieder Mut gemacht haben, mich aufgebaut und
getröstet haben, wenn es mal nicht so lief wie ich wollte,
und die mich auch immer angehört haben, wenn ich von
all meinen Erfahrungen und Erlebnissen berichtet habe.
Vielen Dank für das alles und noch viel mehr!
Jetzt bin ich wieder zuhause angekommen. Mit vielen
Tränen habe ich von Freunden und Familie aus Ecuador
verabschiedet, aber mich natürlich auf der anderen Seite
auch sehr auf mein Zuhause in Deutschland gefreut.
6
Carla Schwarz
Als ich in Stuttgart ankam, war ich etwas enttäuscht,
dass alles so gleich ist, aber was soll sich auch
großartig verändert haben, naja gut bis auf die Stühle
in der Eisdiele in meinem Stadtviertel. Es ist so leicht, in
seine eine alte Heimat zurückzukommen, dass man fast
schon Angst hat, nie weg gewesen zu sein.
Aber das ist natürlich Quatsch. Ich habe so viel zu
erzählen und ich liebe es über mein Jahr und Ecuador
zu berichten. Man muss hier noch sehr viele Vorurteile
beseitigen, wie zum Beispiel, dass es in Ecuador nur
ärmlich aussehende Städte und Menschen gäbe. Nein!
Ecuador ist für mich eines der schönsten Länder, man
kann dort so viel erleben und entdecken, es gibt dort
alles, was man zum Leben braucht, bis hin zum
deutschen Leberkäse und Brezeln.
Natürlich kann man es dort einfach nicht mit unserer
Kultur vergleichen und das möchte ich auch nicht. Dort
ist es anders, und jeder muss für sich selbst entscheiden,
ob es einem dort gefällt oder nicht, aber es ist ganz
bestimmt nicht schlechter!
Bin sehr froh die Möglichkeit ergriffen zu haben, ein
Jahr eine andere Kultur und Lebensweise so gut
kennengelernt zu haben!
Und eins kann ich sagen: Ecuador, ich komme wieder!
Ich hoffe sehr, ich konnte euch so durch mein Jahr
hinüber mitnehmen und einen kleinen Einblick
gewähren.
Viele Liebe Grüße an alle da draußen,
eure Carla
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Julia Klemens — Dom. Rep.
Hasta pronto!
Jetzt ist es so weit; der letzte Monatsbericht, die letzten
Wochen hier in der Dominikanischen Republik sind
angebrochen und bald geht es nach genau einem Jahr
wieder zurück nach Deutschland.
In der Schule wurden schon Mitte Juni die „Examenes
finales“ geschrieben. In dieser Woche schrieben die
Schüler dann jeden Tag zwei Arbeiten. Auch die
Englischarbeit ist bei den meisten sehr gut ausgefallen,
was mich besonders gefreut hat, weil ich sehen konnte,
dass selbst die etwas weniger motivierten Kinder doch
so Einiges aus diesem Jahr Englischunterricht mitnehmen
konnten.
Da in der Schule ja schon Ferien waren, ging es dann
für meine Mitfreiwillige Franzi und mich die nächste Zeit
den ganzen Tag in den Kindergarten. Auch hier wurden
„Examen“ geschrieben, die 3 bis 6-jährigen rechneten
ein bisschen und schrieben ihren Namen. Selbst die
Einjährigen bekamen ihr erstes „Examen“ was bei den
Meisten als modernes Kunstwerk aus Strichen und
Kreisen bestand.
Nach diesen Examen wurde dann „Diplome“ an die
Kinder überreicht und es gab Süßigkeiten, was die
Kinder natürlich mehr interessierte als die Diplome.
Danach war dann auch der Kindergarten vorbei,
dennoch kamen weiterhin einige Kinder, denn es wurde
ein „Campamento“, ein Sommercamp für die Kinder
angeboten. Den ganzen Tag wurde gespielt, gebastelt
und gemalt. Auch wenn nicht mehr so viel zu tun war,
verbrachten wir noch einige Tage mit den Kindern und
spielten mit ihnen.
„Vamos al campo!“ Meine erste Ferienwoche verbrachte
ich dann mit meiner besten dominikanischen Freundin,
Greisy, in dem Dorf, in dem ihre Familie wohnt. Ein paar
Tage schliefen wir in einem ganz einfachen Haus aus
Holz und Zinndach, der Boden besteht aus festgetretener
Erde und es gibt keine Fenster und kein Strom. Wir zwei
schliefen in einem Bett mit drei Kindern der Familie. Trotz
der ärmlichen Verhältnisse sind die Menschen hier so
gastfreundlich und ich wurde gleich wie ein Teil der
Familie aufgenommen und half beim Kochen über dem
Feuer. Die meiste Zeit verbrachten wir am Strand oder am
Fluss und wir hatten eine wirklich wunderschöne Zeit mit
ihrer großen Familie und ihren Freunden.
Ich machte mich auch noch einmal nach Samana auf, um
Freunde zu besuchen. Dort fuhren wir jeden Tag auf eine
Insel, da meine Freunde dort in der Meeresbiologie
arbeiten. Wir tauchten, arbeiteten an der Vergrößerung
eines Korallenriffes und brachten Sicherheitsseile für die
Touristen an. Auch in las Galeras besuchten Franzi und
ich Freunde und verbrachten die letzten Ferientage am
Strand, bevor es wieder zurück in die Hauptstadt ging.
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Julia Klemens
Jetzt heißt es „Hasta pronto!“- „Bis Bald!“ zu sagen und
zu hoffen, dass man sich bald wieder sieht. Es geht
zurück ans andere Ende der Welt, zurück in ein ganz
anderes Leben, zurück in die Kälte, zurück zu meiner
Familie, aber auch weg von all den tollen Freunden,
wunderschönen Orten und tollen Erlebnissen, die dieses
Jahr in der Ferne so mit sich gebracht hat.
Auch „Gracias!“ also „Dankeschön“ will ich sagen, an
alle, die mich hier als Teil ihrer Familie und Freunde
aufgenommen haben, Gracias für all die neuen
Erfahrungen und Erinnerungen aber auch ein ganz großes
Gracias an alle, die mich von Deutschland aus unterstützt
haben, mich immer wieder motiviert haben und immer an
mich geglaubt haben! im Kindergarten
Muchas Gracias a todos!!!
Und das letzte Mal ganz liebe Grüße aus der
Dominikanischen Republik!
in der Schule
mit Freunden
9
Franziska Ott — Dom. Rep.
Letzte Momente
Es ist kaum zu glauben, aber mein Jahr hier in der
Dominikanischen Republik neigt sich viel zu schnell dem
Ende zu. Ich bin irgendwie noch überhaupt nicht bereit,
mich zu verabschieden und meine Koffer zu packen...
Die letzten Monate waren noch einmal wunderschön:
Der Mai war der Monat der Mamas und Ende des
Monats wurde im Kindergarten Muttertag gefeiert.
Mehrere Wochen studierten die Kinder kleine Gedichte
und ein Theaterstück ein, was sie ihren Mamis erfolgreich
vorführten. Für mich war es wirklich interessant, die Mütter
der Kinder zu sehen, da die meisten Kinder gesammelt in
einem schulbusartigen Auto zum Kindergarten gebracht
werden und so auch wieder nach Hause fahren. Es war
ein schöner Nachmittag. Die Kids waren total aus dem
Häuschen, ihre Mütter in ihrem Kindergarten zu haben.
Im Juni hörte dann die Schule auf und das war das Erste,
was uns sehr deutlich zeigte: Ihr seid nicht mehr lange
hier. Es war ein sehr komisches Gefühl, auf einmal nicht
mehr jede Woche alle Kinder zu sehen. In der letzten
Schulwoche wurden die Abschlussexamen geschrieben.
Ein paar Wochen später kamen die Kinder dann für einen
Tag nochmal in die Schule, um ihre Zeugnisse abzuholen.
Da die Direktorin, die die Examen für Freitag bei sich
hatte, sich zwei Stunden verspätete, hatten wir noch viel
Zeit für letzte Fotos und Quatsch mit den Kindern. So
konnten wir uns bei allen verabschieden.
organisierten wir mit Lala, der Köchin, eine kleine Party
mit Kuchen und haufenweise Luftballons im Garten.
Und dann schloss auch der Kindergarten und auch hier
fingen die Ferien an. Jedoch nur für eine Woche, da
einige Kinder, deren Eltern arbeiten müssen, weiterhin
kamen.
Unser sechzehnjähriger Gastbruder Angel hatte Ende Juli
seine Graduacion, also seine Abschlussfeier. Er war der
Jüngste seines Jahrgangs. Normalerweise sind die
Absolventen 18 bis 19 Jahre alt. Knappe zweihundert
Schüler bekamen ihr Zeugnis. Darunter waren auch
Erwachsene, die abends in die Schule gingen. Das, was
mir am meisten gefiel, waren die schönen Roben, die sich
die Dominikaner aus den USA abgeschaut haben. Nach
einem zweistündigen, sehr langatmigen Redeprogramm
ging die Feier los. Die Erwachsenen gingen nach und
nach und übrig blieben die Jugendlichen mit einer gut
ausgeprägten Feierlaune. Worauf jedoch jeder von uns
wartete: El Mayor. El Mayor ist ein sehr berühmter und
leicht durchgeknallter Dembowsinger. Es hieß, dass er um
acht kommen soll. Nachts um eins war es dann endlich
soweit. Die jungen Mädchen kreischten, warfen sich halb
auf die Bühne und fielen fast in Ohnmacht, als der
blondierte Star die Hände der Mädels berührte. Nach
einer halben Stunde war es auch schon wieder vorbei
und wir traten gut gelaunt den Heimweg an.
Auch die letzten Wochen im Kindergarten waren sehr
schön. Nach einer sehr verregneten Zeit, als die Wiese
wieder getrocknet war, durften die Kinder nach dem
Essen auch endlich wieder draußen spielen, was alle sehr
erfreute. Die kleine Jennifer feierte ihren dritten Geburtstag
und auch Marcelina, die Chefin des Kindergartens und
unsere Gastmutter, feierte ein neues Lebensjahr. Heimlich
10
Franziska Ott
In vier Tagen sitze ich mit gepackten Koffern am
Flughafen und warte auf meinen Flug zurück nach
Deutschland. Es ist ein unglaublich komisches Gefühl,
mein Leben hier in der DomRep hinter mir zu lassen. Das
einzige, was ich sagen kann, ist, dass es das wohl
erlebnisreichste, verschiedenste und wundervollste Jahr
meines bisherigen Lebens war. Und ich werde das alles
niemals vergessen.
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Eva Schreiber — Polen
Liebe Leserinnen und Leser,
vier Wochen vor meinem Abschied von Kreisau
schreibe ich diesen letzten Rundbrief. Das Ende meines
Freiwilligendienstes in Kreisau schwebte immer
irgendwo in weiter Ferne und doch rückte es Tag für
Tag näher. Abschiede ziehen sich bei mir wie ein roter
Faden durch die letzten zwölf Monate: nach jeder
Gruppe, nach Seminaren, nach Besuch. Doch dieser
Abschied ist etwas ganz anderes. Ich muss mich
verabschieden von dem Ort, der mein zweites Zuhause
geworden ist, von den Kolleginnen und Kollegen, von
den anderen Freiwilligen der Stiftung, von Polen. Und
kurz nach dem Abschied wird es ein Wiedersehen
geben, mit meiner Familie, meinen Freunden, den
anderen Freiwilligen von pax christi; und es wird auch
einen Neuanfang geben, der Beginn des Studiums,
eine neue Stadt, eine neue Wohnung. So recht kann ich
das noch gar nicht fassen.
Seit dem letzten Rundbrief hat sich ein steter Wechsel
zwischen Gruppen, Reisen und Besuchern eingestellt.
Zwei Freundinnen, die mich besucht haben, konnte ich
meine Welt und meinen Alltag hier zeigen. Im Juni
wechselte ich die Perspektive, denn ich besuchte Jenni
in Skopje und Gerda in Sarajevo, ließ mich von ihnen
herumführen und von der Atmosphäre des Balkans
mitreißen.
Nach einer so intensiven Zeit freute ich mich sehr auf
den Urlaub mit Judith in Danzig. Es war sehr
entspannend, teilweise am Strand oder mit gemütlichen
Stadtspaziergängen und ich hatte endlich mal wieder
Zeit zu lesen.
Viel zu schnell verflog die Zeit dort und wir stürzten uns
wieder in die Arbeit, denn ein besonderes Projekt stand
bevor: Es war ein Workcamp für Jugendliche aus
Deutschland, Polen und Italien, die gemeinsam auf dem
jüdischen Friedhof in der Nachbarstadt aufräumen sollten.
Auch wir Freiwillige, die bei dem Projekt teilgenommen
haben, durften helfen und konnten schon nach kürzester
Zeit Ergebnisse unserer Arbeit sehen. Nach nur wenigen
Tagen sah der Friedhof viel besser aus, die Bäume waren
zurückgeschnitten, die ersten Gräber wieder freigelegt
und von Moos und Efeu befreit und die Mauer neu
gestrichen. Das Endergebnis konnte ich leider nicht
sehen, denn ich fuhr weiter zum XXXI. Weltjugendtag, an
dem ich mit einer Gruppe aus meinem Heimatbistum
teilgenommen habe.
Zu den Tagen der Begegnung in unterschiedlichen
Diözesen waren wir in Breslau untergebracht. Es war so
schön, die Stadt, die ich schon so oft gesehen habe,
voller Jugendlicher aus der ganzen Welt zu sehen, die
miteinander feierten, sangen, tanzten, lachten und
beteten. Nach einer Woche in Gastfamilien, was mir
einen weiteren Einblick in die polnische Gastfreundschaft
gab, fuhren wir weiter nach Krakau, wo der eigentliche
Weltjugendtag stattfand. Gemeinsam mit Papst Franziskus
und über 500.000 Jugendlichen aus der ganzen Welt
feierten wir Messen. Zur Abschlussmesse pilgerten
insgesamt sogar 1,5 Millionen Menschen zu einem Feld
außerhalb von Krakau, auf dem wir auch unter freiem
Himmel geschlafen hatten. Ich kann das Erlebte immer
noch nicht richtig in Worte fassen, aber der
Weltjugendtag gehört eindeutig zu den Highlights
während meines Freiwilligendienstes.
Eva Schreiber
Mein letztes Projekt in Kreisau wird die "Kleine
Kunstschmiede" sein, ein Projekt mit polnischen und
ukrainischen Kindern zwischen acht und zwölf Jahren.
Als ich letztes Jahr im Sommer hier angekommen bin,
fand es auch gerade hier statt. Der Kreis schließt sich
also.
Und was ist alles in diesem Jahr passiert? Bin ich noch
dieselbe wie vorher? Was habe ich gelernt, welche
Erfahrungen habe ich gemacht? Wie geht es von nun
an weiter? Werde ich jemals wieder nach Kreisau oder
Polen zurückkommen? Das sind nur wenige von den
Fragen, die in meinem Kopf auftauchen, wenn ich
anfange, über das Ende nachzudenken. Manche von
ihnen sind einfach zu beantworten, für manche
Antworten werde ich etwas Abstand brauchen,
manches wird sich zu seiner Zeit ergeben.
Was ich jedoch jetzt schon weiß, ist, dass ich sehr
dankbar und mit guten Erinnerungen an dieses Jahr
zurückdenken werde: An die Menschen, die ich
kennenlernen durfte; an die Reisen, die ich
unternommen habe; die Erfahrungen, die ich gemacht
habe; die Sprache, die ich angefangen habe zu
lernen; das Land, in dem ich für ein Jahr gelebt habe
und das für mich eine zweite Heimat geworden ist.
Danzig
Und auch hier schließt sich wieder der Kreis: Es gilt
noch einmal „Danke“ zu sagen, an alle, die mich
materiell oder mental unterstützt haben und sowohl in
leichter als auch in schwerer Stunde zur Seite
gestanden haben! Danke für diese unglaubliche
Erfahrung und alles Gute!
Dziękuję bardzo i wszystkiego najlepszego!
Eure Eva
Weltjugendtag
Judith Oppermann — Polen
Liebe Leserinnen und Leser,
kaum zu glauben, dass dies nun unser letzter Rundbrief
ist. Wo ist die Zeit geblieben? Der Gedanke, Kreisau in
vier Wochen zu verlassen, stimmt mich traurig. In
Kreisau habe ich eine zweite Heimat gefunden und
viele Menschen kennengelernt, die mir ans Herz
gewachsen sind. Ich habe meinen Platz hier im
Kreisauer Team gefunden. Man könnte mich um drei
Uhr nachts wecken und mir sagen: „Judith! Kannst du
schnell eine spontane Führung machen?“ und ich könnte
direkt die Geschichte Kreisaus im Halbschlaf vermitteln.
Ebenso habe ich in den letzten Wochen festgestellt,
dass ich eigentlich relativ viel auf Polnisch verstehen und
selber reden kann, was ich mir vor einem Jahr niemals
hätte erträumen können. Kurz gesagt: es läuft einfach.
Natürlich ist die Zeit wie im Flug vergangen, aber dafür
habe ich auch in den letzten Wochen wieder sehr viel
erlebt. Mehrere Gruppen habe ich mitbetreut – das
besondere war, dass es sich meistens um sehr große
Gruppen mit ca. 100 Teilnehmenden handelte. Dies
war zwischendurch eine echte Herausforderung und
natürlich eine ganz andere Arbeitsweise. Bei einem
dieser Projekte konnte ich als Teilnehmerin an einem
Workshop teilnehmen. Im Musikworkshop schrieben wir
in einer kleinen Gruppe ein Lied bzw. einen Rap zum
Thema „Flucht“, sangen dies schließlich in einem MiniTonstudio ein und präsentierten es bei einer großen
Abschlussgala dem Rest der großen Gruppe. Ich hätte
niemals gedacht, dass ich mal auf einer Bühne stehen
werde und rappe – wieder so ein besonderes Erlebnis
und eine Möglichkeit, einmal etwas für mich völlig
neues auszuprobieren. Und was das Wichtigste ist: Es
hat sehr viel Spaß gemacht.
In Kreisau ergibt sich so manches spontan – so auch am
17. Juni, an dem das 25. Jubiläum des deutschpolnischen Nachbarschaftsvertrages war. In Breslau fand
eine Konferenz zu diesem Thema statt und kurzerhand
fuhren Eva und ich mit zwei Kollegen dorthin und konnten
sehr spannende Vorträge und Diskussionen hören.
Vor einigen Wochen war ich mit in das Projekt „Ewoca“
mit eingebunden. Hier handelte es sich um ein deutschpolnisch-italienisches Workcamp. Gemeinsam arbeiteten
die Jugendlichen auf dem jüdischen Friedhof in einer
Nachbarstadt und halfen so, dass dieser wieder in einem
guten Zustand sein kann. Auch wir Freiwilligen packten
kräftig mit an, säuberten Grabsteine und schnitten eine
Menge Sträucher. Mit fast zwei Wochen Projektzeit war
dies eindeutig mein längstes Kreisau-Projekt.
Nach der Gruppe ist vor der Reise und nach der Reise ist
vor der Gruppe – so ungefähr sah für mich der Monat
Juni aus. Denn bei all der intensiven Arbeit sollte das
Reisen nicht zu kurz kommen. Durch Polen zu reisen ist
sehr entspannt und vor allem günstig. Es gibt so viele Orte
und Städte, die ich zusätzlich noch gerne besucht hätte.
Neben einer Reise in die beiden Hauptstädte Berlin und
Warschau stand auch ein kurzer Besuch bei Lukas in
Świnoujscie auf dem Programm. Ende Juni reiste ich mit
Eva nach Danzig, um einen entspannten Urlaub nach all
dem Stress zu machen. Wir wurden mit zauberhaftem
Wetter belohnt, welches wir dann am Strand genossen.
Später kam auch Jenny in Danzig mit dazu und
gemeinsam machten wir die Stadt unsicher, lernten neue
Leute kennen und hatten einfach eine schöne Zeit.
Aber natürlich blicke ich auch gespannt nach vorne, was
mich nun nach meinem Freiwilligendienst erwarten wird.
Dann beginnt schließlich das Abenteuer Studium.
Judith Oppermann
Ein ganz besonderes Highlight der letzten Wochen war
der Weltjugendtag in Krakau – für uns quasi ein
Heimspiel. Für zwei Wochen schloss ich mich,
gemeinsam mit meiner Schwester, der Gruppe des
Bistums Essen an. Zunächst ging es zu den Tagen der
Begegnung in eine kleine Stadt nahe Kattowitz. Dort
waren wir für eine Woche in Gastfamilien untergebracht
und verbrachten eine schöne Zeit mit Ausflügen, einem
Festival in Kattowitz und Zeit in den Familien.
Schließlich ging es weiter nach Krakau zum eigentlichen
Weltjugendtag. Die Woche in Krakau war äußerst
bewegend und schön. Es herrschte eine so tolle
Atmosphäre in der ganzen Stadt, welche voll und ganz
den jungen Menschen aus der ganzen Welt zu gehören
schien. Überall waren Fahnen zu sehen, es wurde
gesungen und auf den Straßen getanzt.
Am letzten Abend kamen alle auf einem Feld nahe
Krakau zusammen, um mit Papst Franziskus eine Vigil zu
feiern. Schließlich übernachteten wir unter freiem Himmel
auf diesem Feld. Am nächsten Morgen fand dort nämlich
die Abschlussmesse mit 2,5 Millionen Gläubigen und
dem Papst statt.
Es war so schön, mit so vielen jungen Gläubigen
zusammenzukommen und sich auszutauschen - ein ganz
besonderes Erlebnis. Viel zu schnell ging es wieder
zurück nach Kreisau.
Nun steht für die nächsten Wochen noch meine letzte
Schulbegegnung auf dem Programm, die ich derzeit
vorbereite.
Heute bin ich genau ein Jahr lang in Polen. An vieles
habe ich mich gewöhnt und wenn ich von all diesen
Reisen nach Kreisau zurückkehrte, dann kehrte ich nach
Hause zurück.
An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei all meinen
Unterstützerinnen und Unterstützern bedanken. Vielen
Dank, dass ihr es mir ermöglicht habt, diesen
Freiwilligendienst zu leisten und ins Abenteuer Kreisau
einzutauchen. Nach Kreisau zu gehen war die beste
Entscheidung, die ich treffen konnte. So viele neue
Erfahrungen in den verschiedensten Bereichen habe ich
gesammelt, habe Freundschaften geknüpft und
internationale Bekanntschaften gemacht, unglaublich viel
über die Geschichte des Ortes und über den Widerstand
gelernt, mich persönlich weiterentwickelt und so viele
wunderbare Momente erlebt. Danke auch an alle, die mir
jederzeit mit Rat und Tat zur Seite standen und mich
begleitet haben. Und natürlich gilt ein großer Dank auch
meinen Mitfreiwilligen Natalia, Kateryna, Eva und
Charlotte sowie dem ganzen Team der
Jugendbegegnungsstätte. Tausend Dank für diese schöne
Zeit! Nun genieße ich noch die letzten Wochen im Hier und
Jetzt – im Abenteuer Kreisau. Do widzenia w Niemczech! Auf Wiedersehen in
Deutschland!
Eure Judith
Jakob Niezborala — Polen
12 Monate, die ich nicht vergessen werde
Mit dem Schreiben des vierten Calypso-Artikels leitet sich
nun das Ende meines einjährigen Freiwilligen Sozialen
Jahres ein.
Während der gesamten Zeit habe ich viele Ereignisse
erlebt, die reich an wertvollen und wichtigen Erfahrungen
waren, so auch in den vergangenen Wochen, die sich
bei uns im Zentrum rund um die Weltjugendtage gedreht
haben.
Diese sind ein Pilgerweg der katholischen Kirche, an
dem alle drei Jahre hunderttausende von jungen Pilgern
aus aller Welt teilnehmen, um in einem zuvor
ausgewählten Gastgeberland das "junge und aktuelle
Geheimnis der Kirche im gemeinschaftlichen Erlebnis von
Pilgerfahrt, Gebet, Meditation und Gottesdienst zu
entdecken".
Dieses Jahr stand Polen als Gastgeberland fest, wobei
Krakau der Hauptaustragungsort war.
Während der gesamten zwei Wochen kamen auch
hunderttausende junge Pilger nach Oswiecim, um das
ehemalige Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zu
besuchen.
Zu diesem Anlass hat das CDiM eine Internetseite
eingerichtet, auf der die Teilnehmer eine Einführung und
Vorbereitung für den Besuch der Gedenkstätte erhalten
konnten.
Zudem wurde auf dem Gelände des Zentrums ein
großes Zelt aufgestellt, welches als Kapelle für bis zu
200 Personen diente.
Dieses wurde täglich von mehreren Pilgergruppen aus
den unterschiedlichsten Länder und Kontinenten genutzt.
Viele der Jugendlichen haben während der Meetings
ihrer Gruppe gemeinsam den zumeist nicht einfachen
Besuch der Gedenkstätte aufgearbeitet und dabei einen
Ort des Verständnis und des Zusammenhalts kreiert.
So war die Atmosphäre während der gesamten zwei
Wochen sehr offen und ließ sich auch trotz der
schlimmen Ereignisse von Nizza nicht überschatten.
Diese Eigenschaften habe ich allerdings nicht nur bei
den Pilgern der Weltjugendtage wiedererkannt, sondern
auch häufig bei unseren Schulgruppen, die mehrere Tage
in Oswiecim verbracht haben, um gemeinsam mehr über
das Thema Auschwitz zu lernen.
Dabei habe ich gemerkt, dass die Emotionen, die die
Gruppen, aber man selbst auch, während der Führung
der Gedenkstätte fühlt, entscheidend sind, da sie uns
helfen, die Wichtigkeit der gesamten Bedeutung des
ehemaligen Lagers, besser zu erkennen.
Gerade aufgrund solcher Erkenntnisse hat sich für mich
die Arbeit im Zentrum sehr gelohnt, da sie mir persönlich
im Laufe des Jahres weitaus mehr gegeben haben, als ich
es mir zuvor vorstellen konnte.
Damals habe ich mein Projekt mit den Erwartungen
aufgenommen, meine Sprachkenntnisse zu verbessern
und zudem das Heimatland meiner Eltern besser
kennenzulernen.
Allerdings hatte ich auch Sorgen aufgrund der
Ungewissheit, wie sich meine Arbeit gestalten wird und
wie die Menschen, die Stadt und die Wohnverhältnisse
sein werden.
Jedoch wurden mir diese Bedenken schon zu Beginn
meines Projektes genommen, da ich durch ein offenes
Umfeld aufgenommen wurde, welches sich sehr bemüht
hat, mir bei den Einstiegshürden entgegenzukommen.
So dauerte es auch nicht lange, bis ich das Gefühl hatte,
hier nicht erst seit einigen Wochen, sondern vielmehr
schon seit mehreren Jahren zu arbeiten.
Zurückkommend auf die Erwartungen, kann ich jetzt
behaupten, dass diese sogar übertroffen wurden.
Jakob Niezborala
Innerhalb der zwölf Monate hatte ich jeden Tag Kontakt
mit der polnischen Sprache und zwar auf eine viel
intensivere Art, als ich sie zuvor kannte.
Durch die Möglichkeit, mehrmals meine journalistischen
Fähigkeiten für die Museumszeitung Oś unter Beweis zu
stellen, konnte ich meine polnischen Grammatikkenntnisse
grundlegend verbessern, auch wenn mir zum Glück
meine Mitarbeiterin Beata bei der Korrektur zur Hilfe
stand.
Zudem konnte ich für mich wichtige Erkenntnisse über
mein Einsatzland schließen.
Seit ich mich erinnern kann, war ich jedes Jahr mindestens
zweimal in Polen, um während meiner Schulferien meine
Familie zu besuchen.
Diese Zeit verbinde ich überwiegend mit sehr positiven
Erinnerungen und Ereignissen.
Allerdings musste ich mir zugestehen, dass die
Wirklichkeit in den Ferien nicht der Wirklichkeit im Alltag
entspricht und nicht alle Dinge so sorglos und entspannt
ablaufen.
Das wurde mir vor allem klar, als ich mich mit Menschen
meines Alters unterhalten habe.
Schon seit geraumer Zeit hat das Land Probleme im
Gesundheits- und Sozialsystem und zudem
Schwierigkeiten, seinen jungen und zumeist gut
qualifizierten Einwohnern eine gute Zukunftsperspektive zu
bieten.
Dies führt bei einem Teil der Jugendlichen dazu, im
Ausland nach Arbeit zu suchen.
Ein anderer Teil bleibt jedoch im Land, meist ohne gut
bezahlte Arbeit, was bei einigen Frust hervorruft, der von
rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen benutzt
wird.
Dadurch habe ich leider das Gefühl, das bei vielen
Jugendlichen ein Patriotismus hervorgerufen wird, der an
vermeintlich positive Aspekte der Landesgeschichte
anknüpft, sich gegen Fremde richtet und jedoch außer
acht lässt, dass Polen zu den erwähnten Zeiten selbst ein
Vielvölkerstaat war.
So wurde mir häufig in Gesprächen mit Gleichaltrigen
Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik vermittelt und
dabei ein Klima der Fremdenfeindlichkeit geschaffen.
Allerdings begegnete ich im Laufe des Jahres auch vielen
Jugendlichen, die sich nicht von dieser Atmosphäre haben
anstecken lassen.
Es waren Menschen, die ebenfalls andere Länder und
Kulturen entdecken wollten und ihr Hauptaugenmerk nicht
auf die Herkunft, sondern vielmehr auf den Charakter
einer Person legten.
Vor allem aber die Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft und
Zuverlässigkeit vieler Leute haben mich sehr beeindruckt
und die Basis für Freundschaften gelegt, die ich auf jeden
Fall in Zukunft aufrechterhalten möchte.
Diese Atmosphäre zeigte sich auch während der
Weltjugendtage, an denen Menschen aus den
unterschiedlichsten Ländern, offen von der Bevölkerung
empfangen wurden und gemeinsam zwei friedvolle
Wochen miteinander verbrachten.
All diese Erfahrungen haben mir geholfen, die Dinge
auch aus anderen Perspektiven zu betrachten. Vor allem
aber das Thema Auschwitz und die Bedeutung der
Geschichte sind für mich heute von weitaus größerem
Stellenwert.
Im Verlauf meines Projektes habe ich leider mitbekommen,
dass rechtspopulistische Parteien nicht nur in Deutschland,
aber auch in anderen Ländern die Ängste der Menschen
für ihre Zwecke nutzen, um Hass gegen Fremde zu
schüren.
Diese Methoden unterscheiden sich nicht sehr von denen,
mit denen man vor über 70 Jahren Politik gemacht hat.
Dabei vergisst man zu häufig die fatalen Fehler dieser
Zeit und geht mit seiner historischen Verantwortung zu
leicht um.
Umso wichtiger ist es nun, vor allem Jugendlichen zu
ermöglichen, in Form von Gedenkstättenbesuchen und
Zeitzeugengesprächen, aus diesen Fehler zu lernen.
Und auch ich werde es mir zum Ziel setzen, weiter in
Zukunft meinen Freunden und Bekannten, aber auch
Fremden zu erzählen, wie es damals war, als Freiwilliger
in Oswiecim/Auschwitz zu arbeiten.
Zeltkapelle
Gruppe Weltjugendtag
Luzie Luft — Polen
Dieses Mal fange ich mit dem Traurigen zuerst an, da das
auch wesentlich für den Verlauf der letzten Zeit ist. Und
zwar haben die Semesterferien begonnen hier in Olsztyn,
und die Stadt ist auf einmal eine ganz andere. Die
meisten Studenten fahren nach Hause oder haben einen
Job irgendwo anders, was bedeutet, dass plötzlich
wesentlich weniger Leute in der Stadt unterwegs sind,
viele Bars und Klubs geschlossen haben, und die
Stimmung einfach eine ganz andere ist als vorher.
Natürlich sind unter diesen Studenten viele meiner
Freunde, die ich jetzt nicht mehr wie gewohnt täglich
sehen kann. Ein Vorteil daran ist allerdings, dass ich
einige davon bei ihren Familien besuchen konnte und
neue, meist kleinere, Städtchen wie Elblag oder Morag
sehen konnte.
Neben den polnischen Studenten sind auch die ganzen
Erasmusstudenten aus der Türkei, Frankreich, Litauen,
Rumänien, Deutschland....zurückgefahren, weshalb auch
keine Erasmus-Veranstaltungen mehr stattfinden.
Aus dem Grund war jetzt der perfekte Zeitpunkt, um
Besuch aus der zweiten Heimat zu empfangen. Meine
Eltern zum Beispiel kamen für ein Wochenende nach
Polen. Dieses Mal wollten wir uns in einer anderen Stadt
treffen und haben uns für Wroclaw, Breslau, entschieden.
Eine, wie die meisten Polen sagen, der schönsten Städte
Polens. Wir hatten zwar nur echt wenig Zeit, aber es war
super schön, Mama und Papa wiederzusehen und ich
kann definitiv bestätigen, dass die Stadt traumhaft schön
ist.
Im Moment sind auch meine Geschwister in Olsztyn. Die
letzte Gelegenheit, die Stadt zu besuchen haben sie
genutzt und sind zu dritt hergekommen. Für einen kurzen
Trip sind wir mit dem Auto in die Masuren gefahren,
haben die Stadt Mikolajki angeschaut und sind drum
herum in den Wäldern und an den Seen, von denen es
hier unzählige gibt, spazieren gegangen. Heute werden
sie zum Museum kommen, worauf ich mich freue, weil ich
mittlerweile echt stolz bin, es zeigen zu können und zu
erzählen, wie hier alles zustande gekommen ist. Da ich
jetzt meine Geschwister wiedergesehen habe, muss ich
sagen, dass ich mich auch ein bisschen auf meine
Rückkehr nach Deutschland freue. Zwar ist die Zeit in Polen
der Hammer und ich werde 100 pro wiederkommen so oft
und so bald es geht, aber nochmal für eine Weile meine
Leute daheim sehen und in Aachen leben, klingt
mittlerweile gar nicht mehr so unvorstellbar wie vor einem
Monat, als ich mir die Rückkehr partout noch nicht
vorstellen konnte.
Auch meine Cousine Ellen war zu Besuch und das für
ganze eineinhalb Monate. Mit der war ich natürlich auch
wieder unterwegs. Zum Beispiel hatten wir einen
wunderschönen Urlaub am Meer, wo wir bei einer super
lieben (und reichen) Familie mit zwei kleinen Kindern und
zwei kleinen Katzen Couchsurfen waren. In Danzig dann
haben wir Leute kennengelernt, die uns mit ihrem Boot mit
aufs Meer zu einer Sandbank mit Seelöwen genommen
haben, mit uns grillen und feiern waren, und mal wieder
konnte ich feststellen, dass Leute in Polen mit wenigen
Ausnahmen einfach tausend mal offener und freundlicher
sind als ich es aus Deutschland gewohnt bin.
Zurück in Olsztyn startete eine unbeschreibliche
Megawoche! Die Kortowiada. In der Woche gibt es
Paraden durch die Stadt, einige Leute sind verkleidet, es
gibt Wettbewerbe, man kann Bungee jumpen, es gibt
Konzerte von großen Bands aus Polen, wie zum Beispiel
Enej, die ich sehr liebe, die auch aus Olsztyn kommen,
oder Bednarek, auch ein super Musiker, und Partys ohne
Ende. Für diese eine Woche ist es sogar erlaubt Alkohol
auf den Straßen zu trinken, was ja normalerweise in Polen
ganz schön viel kosten würde, da es verboten ist. Es war
so schön, die ganze Stadt auf den Straßen zu sehen und
auch die ganzen ehemaligen Olsztyner die jedes Jahr zur
Kortowiada zurück nach Hause kommen. Ein tolles Erlebnis
für mich und ab jetzt hoffentlich eine Tradition zwischen mir
und den anderen Freiwilligen aus Olsztyn, da wir uns
gerne zumindest einmal im Jahr, genau hier zu
Luzie Luft
diesem Festival, wieder treffen möchten.
Ein anderes begehrtes Thema in Polen die letzte Zeit war
natürlich Fußball. Ich bin froh ausgerechnet zu so einer,
für Polen, tollen EM hier gewesen zu sein. Ich hatte den
Eindruck, dass Fußball hier mit viel weniger Aggressivität
geguckt wird und dass es hier wirklich viel mehr um den
Zusammenhalt geht.
Auf der Arbeit, habe ich wieder neue Aufgaben
bekommen, und zwar haben wir angefangen, unsere
Äcker zu bepflanzen, was natürlich wieder neue Arbeit
mit sich bringt. Die Sachen, die wir pflanzen, dienen
natürlich in erster Linie der Demonstration und die
Sachen, die wir ernten, werden daher nicht verkauft,
sondern entweder an die Tiere verfüttert oder an die
Mitarbeiter gegeben, weshalb ich viele Sachen aus
eigenem Anbau probiert habe. Super lecker!
Mit den Tischlern arbeite ich immer noch viel zusammen,
was mir wirklich echt gut gefällt und eventuell möchte ich
in dem Bereich gerne mehr lernen, da ich immer noch
keinen langfristigen Plan für die Zukunft habe.
Ein anderer, mir leider sehr unangenehmer Bereich meiner
Arbeit ist mittlerweile Lyra spielen. Ein altertümliches
Instrument, was ich leider nicht beherrsche. Als zusätzliche
Attraktion soll in manchen Gebäuden im Museum Musik auf
originalen oder nachgebauten damaligen Instrumenten
gespielt werden. Leider muss ich das ab und an auch
machen, was für mich und meine Zuhörer allerdings nicht
besonders angenehm ist...für Kinder scheint es allerdings
sehr unterhaltsam zu sein. Sie fragen oft nach Zugaben
oder wollen es selber probieren.
Meine Zeit hier neigt sich leider, leider dem Ende zu,
obwohl ich und meine Mitbewohnerin das einfach noch
nicht realisieren können. Gerade eingelebt und noch nicht
mal einen echten Alltag (wenn man Alltag als diesen
negativ konnotierten Trott definiert) und schon muss man
wieder gehen. Ich werde so viele Dinge hier vermissen:
das Essen, meine Wohnung, die pünktlichen Bahnen, die
süßen Geschäfte, diese gelassene Art, die die Menschen
hier ausstrahlen, während viele der Deutschen schon längst
gestresst wären, meine Arbeit und alle Tiere von dort
natürlich und alle alle lieben Leute, die ich hier
kennengelernt habe.
Es sind meistens kleine Dinge, von denen ich jetzt noch
gar nicht weiß, dass ich sie vermissen werde, aber wenn
ich sie nicht mehr um mich habe, aber auch die großen,
offensichtlichen. Trost spenden mir ganz eindeutig die
Pläne, die ich habe für die nächste Zeit, in der ich Polen
wieder besuchen werde. Im November zum Beispiel gibt
es zwei Festivals in Katowice und Poznan, zu denen ich
fahren werde, dann bin ich im Winter auf eine Hochzeit
in Olsztyn eingeladen...ich bin also nicht für immer weg.
Trotzdem werde ich dieses Leben, an das ich mich nun
gewöhnt habe und was mir so gefällt, einfach nicht
beibehalten. Schade.
Jetzt will ich mich einfach nur noch bedanken. Diese Zeit
gehört zu der schönsten meines Lebens, ich denke, das
kann ich so sagen und verändert hat sie mich und das auf
jeden Fall ins Positive. Ich habe vieles gelernt und viele
kennengelernt. Bin gelassener im Umgang mit
ungewohnten Situationen geworden und neugieriger was
reisen und Sprachen angeht.
Jetzt habe ich keine Zeit mehr zum Weiterschreiben, ich
muss gehen und die allerletzten Tage ausnutzen.
Luzie
Lukas Jansen — Schland
エンデ Das ist nun der letzte Rundbrief den ich schreiben werde.
Alles hat ja ein Ende, nur ich hätte jetzt nicht gedacht,
dass es so schnell kommt. Mein Dienst in Polen war ja
schon im Juni zu Ende und jetzt bin ich die letzten zwei
Monate noch in Aachen im pax-Büro. Aber mal von
Anfang an.
Friedenslauf
Als ich also Ende Juni hier im Büro angekommen bin, war
viel los. Der Friedenslauf in Aachen stand kurz vor der Tür
und deswegen mussten wir noch viel vorbereiten. Es hat
auch viel Spaß gemacht und dann stand auch schon der
große Tag vor der Tür.
Es ging sehr früh los. Um 4:00 Uhr klingelte der Wecker.
Nachdem ich dann um 4:30 aufgestanden war, habe ich
noch zwei Freunde von mir abgeholt (welche mitgeholfen
hatten) und dann ging es auch schon los nach Aachen.
Um 6:00 Uhr waren wir da und dann ging der Aufbau
los. Zuerst musste die gesamte Strecke mit Gittern
abgesperrt werden. Die Dinger waren furchtbar schwer.
Danach ging es dann auch schon zu den einzelnen
Streckenabschnitten. Ich hatte den Abschnitt „Büchel“,
welcher sehr steil Berg auf ging. Und kurz später kamen
dann auch schon die ersten Läufer. Das war die erste
Gruppe und das waren Grundschüler aus Aachen und
Umgebung. Die Grundschüler waren einfach. Es hat so
gut wie keiner geschummelt und es wäre alles reibungslos
verlaufen, wenn es nicht den einen Falschparker gegeben
hätte. Dieser ausgesprochen unfreundliche Herr wollte auf
einmal durch alle Kinder fahren. Dann kam aber die
Exekutive und das Problem wurde gelöst.
Nach einer kleinen Pause kamen dann die weiterführenden
Schulen. Die waren durchaus herausfordernder, da es
manche Kandidaten gab, welche des Öfteren abkürzen
wollten. Das ließ sich aber lösen. Man musste einfach sich
einfach an bestimmte Stellen hinstellen und böse gucken.
So wurde noch aufgeräumt und nach einem leckeren
Mettbrötchen ging es dann nach Hause…schlafen.
Aachen als Solches
Aachen ist eine schöne Stadt mit sehr gutem Wetter (außer
von Mo-Fr und am Wochenende). Es gibt einige Dinge,
die ich nicht so ganz verstehe, wie z.B. dass es hier so
viele Fahrradfahrer*innen gibt, obwohl hier so viele Berge
sind. Es ist eine sehr junge, moderne und sehr schöne
Stadt, fast wie Mönchengladbach nur weniger asi.
Jeden Morgen die Pendelei mit der RE4 ist auch sehr
entspannend und ich muss immer noch lachen, wenn die
Stimme im Zug „Nächster Halt: Geilenkirchen“ sagt. Wenn
man dann in Aachen ankommt, ist der Ärger immer groß
weil die Busse hier nie pünktlich sind. Das kann Gladbach
besser.
Projekte im Büro
Nach dem Friedenslauf war wesentlich weniger Arbeit zu
tun im Büro. Weswegen ich das Projekt zur Verschönerung
des Büros begonnen hatte. So wurde z.B. das
Hintergrundbild von meinem Chef geändert. Jetzt hat er
Margaret Thatcher als Hintergrundbild, was seine
Produktivität steigern soll. Außerdem wurden Warnschilder
ausgehangen, welche es verbieten, Pokémon Go im Büro
zu spielen. Auch das soll die Produktivität steigern.
Lukas Jansen
Aber selbstverständlich sind die Dinge, welche ich im
Büro mach, nicht nur kosmetischer Natur. Es kommen
jeden Tag neue Aufgaben, welche immer ganz
unterschiedlicher Natur sind und eigentlich immer Spaß
machen (außer die Spülmaschine ausräumen).
Pokémon GO
Ja wat is denn hier los!? Auf einmal sind alle am Pokémon
spielen (außer meine Kollegen). Abends im Bunten Garten
an den Mühlsteinen sitzen oft 100 Menschen an den
Lockmodulen. In Düsseldorf wurde auf der Kö eine Brücke
wegen Überlastung gesperrt. In Szczecin wurden extra
neue Sitzmöglichkeiten aufgestellt.
Ich meine, ich möchte mich davon nicht ganz
freisprechen. Auch ich gehe gelegentlich Pokémon
fangen und das macht auch ganz viel Spaß. Aber im
Büro darf ich ja sowieso nicht spielen. Aber es lohnt sich
auch nicht sonderlich. Hier haben wir keine Pokéstops in
der Nähe und alle Arenen sind von Menschen mit
mindestens Level 36 eingenommen; da hat man ja eh
keine Chance gegen.
Das ist jetzt auch das Ende
Das war’s jetzt auch. Alles ist fast vorbei. Nur noch vier
Wochen. Deswegen ist es jetzt, glaube ich, Zeit für
Danksagungen oder so. Also ich bedanke mich bei allen
Lesern und Leserinnen, bei allen Menschen, mit den ich
bei der Caritas zusammen arbeiten konnte, bei allen
Mitfreiwilligen, bei den Menschen die alles vorbereitet
haben, bei meinen Eltern und Freunden und bei den
Menschen im pax-Büro, welche mich so nett
aufgenommen haben.
Tschö
さようなら
Cześć!
Tot ziens!
Salut!
Esel Fest in Wesel
Danijela Zec — Schland
Habe ich die Zeit gut ausgenutzt und verbracht?
JA, HABE ICH!
Schon wieder ein Rundbrief zu schreiben heißt,
dass ich immer näher am Ende des Jahres bin. Und jetzt
schreibe ich meine letzten Wörter und die letzten Sätze in
diesem Jahr, die Sie lesen können.
Die letzten Monaten habe ich viel gearbeitet.
Einige Leute (Spasoje und Luciano) aus Bosnien waren in
Aachen und ich habe ihnen gezeigt, was ich mache und
wie ich die Zeit in Aachen verbringe. Danach haben wir
in pax christi den 15. Friedenslauf vorbereitet. Dieses Jahr
hatten wir ca. 3500 Kinder und am 1. Juli habe ich
mitgeholfen und bin mitgelaufen. Das war ein toller Tag
und am Ende waren wir alle zufrieden, dass wir etwas für
den Frieden machen konnten.
Über die Situation im westlichen Balkan habe ich in
Viersen berichtet. Das war eine Veranstaltung vom
forumZFD, bei der wir die Frage diskutiert haben „Wie
geht es dem Balkan?“ In Aachen fand Mitte Juli das erste
Aachener Friedenscamp statt und da habe ich auch
teilgenommen. Die Teilnehmer waren aus Serbien,
Bosnien- Herzegowina, Deutschland, und Belgien und
Flüchtlinge, die jetzt in Aachen leben. Am Ende des
Camps hatten wir eine Veranstaltung mit kleinem Konzert,
einer Ausstellung, einem Film und einem Theaterstück.
Hier haben wir durch Musik, Kunst, Film und Theater
versucht Frieden zu verstehen, zu machen und
weiterzuführen. Meine Nachfolgerin Dragana ist
angekommen und ich habe ihr die Stadt gezeigt, meine
Freunde hier vorgestellt; Einarbeitung gemacht...Jetzt
macht sie einen Sprachkurs und bereitet sich für ein tolles
Jahr vor. Mit ihr und anderen Freunden habe ich noch
einige Feste hier verbracht und habe mich immer wie
Zuhause gefühlt.
Ich war auch am Tivoli und da habe ich zum
letzten Mal als Abschied, „You´ll never walk alone“ mit
Alemannia-Fans gesungen. Und weil das mein
Lieblingslied ist, habe ich mich sehr wohl gefühlt. Von
einigen Mitarbeitern musste ich mich schon
verabschieden, weil sie jetzt Urlaub haben und das
heißt, dass Verabschieden schon begonnen hat und
ich bin sehr traurig, dass ich Deutschland verlassen
muss. Jetzt am Ende frage ich mich, ob ich alles gut
und wie ich es wollte gemacht habe und mache schon
in meinem Kopf eine Auswertung. Obwohl ich jetzt
immer nachdenklich bin, versuche ich noch einen
schönen Monat hier zu haben
Am Ende wollte ich mich bedanken bei allen,
die mir dieses Jahr ermöglicht haben, bei allen, die
mich unterstützt haben; bei Kolleg*innen im VinzenzHeim und pax christi; bei meinen Freunden; bei
Dawid, meinem Mitbewohner und allen Leuten, die ich
hier kennengelernt habe.
Велико Вам свима хвала!
Eure
Danijela
P.S. Deutschland, bis bald!
22
Aachener Friedenslauf
Betriebsausflug Liège
Aachener Sommer
Schifffahrt
Vinzenz-Heim Betriebsaufslug,
Antwerpen
23
Dawid Chudy — Schland
Vor einem Jahr bin ich in Aachen angekommen um neues Leben
zu anfangen. Seit dann habe ich mir nie gedacht, dass dieses
Jahr so schnell verpasst konnte. Immer habe ich mir gesagt,
dass ich noch viel Zeit hatte. Manchmal denke ich, dass das
mein großer Fehler war. Ich habe so viele Sache auf später
verschoben, dass ich befürchte, dass ich nicht alles was ich
wollte gemacht habe. Leider habe nicht mehr Zeit. Genau
heute in einem Monat wird mein Freiwilligendienst zu Ende
gehen und mein Abenteuer in Deutschland mit ihm. Auf jeden
Fall nicht für immer, aber mindestens bis zum nächsten Sommer.
Jetzt muss ich mich für den Abschluss vorbereiten, den ich
überhaupt nicht will. Ich will nicht die Leute, die ich hier
kennengelernt habe schon abschieden. Zum Glück abschiede
ich mich mit dem Gefühl, dass Ich etwas erlebt habe, was ich
bis an Lebensende nie vergessen werde. Gegenwärtig finde
ich, dass mein Jahr in Aachen ein der besten Momente des
Lebens war. Jeden Tag machte mir die Arbeit Spaß und gab mir
neue Herausforderungen, die ich gerne annahm, dadurch war
es mir nie langweilig und ich empfand Sachen, die ich nicht
empfunden hätte, wenn ich nicht nach Aachen gekommen
wäre. Eigentlich zwischen Mai und August hatten wir viel zu
tun. Im Mai Danijela, Anaïs, Bene und ich sind Wandern
gegangen. Durch den Waldweg, durch die drei Länder, nach
circa 3 Stunden den erholsamen Spaziergang haben wir der
Dreiländereck erreicht. An der Grenze zu Belgien, Holland und
Deutschland haben wir noch ein bisschen Spaß an dem
Spielplatz gehabt und dann sind wir auf eine Reise für Pommes
gegangen, die wir erst in Valls essen konnten. Natürlich für den
Weg zurück hatten wir keine Kraft und haben wir uns
entschieden mit dem Bus nach Hause zu fahren.
angekommene Lukas schon richtig arbeiten angefangen haben.
Wir – Danijela und ich – haben uns einer Gruppe
angeschlossen um 21 Juni, nach dem Betriebsausflug von
Vinzenz-Heim nach Antwerpen. Von diesem Tag arbeiteten wir
dort jeden Tag bis zum 4. Juli. 1. Juli war der Tag des Laufes.
Über 3500 Schüler*innen haben am 15. Aachener
Friedenslauf teilgenommen, um ein Zeichen für den Frieden zu
setzen und Geld für Friedensprojekte zu sammeln. Der Tag war
sehr intensiv. Als Organisatoren mussten wir alles aufbauen und
abbauen und die Strecke sichern. Zum Glück haben wir viel
Hilfe von anderer Organisationen und Freiwilligen bekommen
und alles hat geklappt ohne Probleme. Das war bestimmt ein
Grund zu feiern, deswegen 3 Tagen nach dem Lauf Bene hat
uns für grillen eingeladen, wo konnten wir einfach erholen. Um
5. Juli haben wir pax christi Betriebsausflug gemacht und mit
allem sind wir nach Liege in Belgien gefahren. Schifffahrt,
Pommes, Bier, Waffeln.Im Juli habe ich mit den Mitarbeiter und
Bewohner der Achterstraße nach Bayern gefahren, wo hat das
größte Samba-Festival außerhalb Rio´s stattfindet. Über 3000
Künstler und 200000 Besucher aus aller Welt in die Coburger
Innenstadt haben brasilianisches Flair gezaubert. Das Festival
ist eines der großen Aushängeschilder, sowie ein Image- und
Wirtschaftsfaktor der Stadt Coburg geworden. Durch die 3
Tagen haben wir an fast nackten Frauen geguckt und
brasilianische Kultur in Begleitung von der Tanzen und Musik
kennengelernt. Die Stimmung da war unbeschreiblich. Man
muss das selber sehen um die zu fühlen.
Juni hat unter dem Zeichen des Friedenlaufes übergeben.
Besondere Atmosphäre war spürbar schon ab Anfang des
Monats, wenn Anais, Tatiana, zwei Praktikantin – Lena und
Lea, die ihre Praktikum im Büro gemacht haben um mit dem
Friedenslauf uns zu helfen, natürlich Benedikt und der ein
bisschen später
PS. Ich habe vergessen über das Wetter in Aachen zu
beklagen. Das ist - wie immer – schlecht. Aber habe ich schon
paar Mal die Sonne gesehen.
Und jetzt ist August und noch nichts ist passiert. Ich warte auf
das Abschlusssemminar. Bis dann.
24
Dawid ´Jose´Chudy
Gerda Seidelmann — BiH
Außer Atem und glücklich
Die Zeit rennt, der Sommer rennt an mir vorbei und ich
renne hinterher und versuche die Zeit einzufangen. Mein
Lauf zwingt mich, viel zu erleben, alles zu genießen, jede
Möglichkeit zu nutzen und jeden wertvollen Moment hier
auszukosten.
Ich bin außer Atem und glücklich.
Die letzten Monate war ich unglaublich viel unterwegs.
Ende Mai verbrachte ich mit drei anderen Freiwilligen
zwei Wochen in einem Auto, wir genossen das Leben
und cruisten durch den Balkan. Die Straßen führten uns
über Mazedonien nach Albanien und schließlich
Montenegro. Die meiste Zeit reisten wir aber im sehr
unterschätzen, wundervollen Albanien. Wir humpelten
über kaum befahrbare Schotterpisten, verfuhren uns im
Gebirge, genossen wundervolle Aussichten, schwammen
in blauen Seen, unter Wasserfällen und in der Adria,
lernten spannende Menschen kennen, aßen allerlei
interessante Dinge (zum Beispiel ein Dessert aus Reis und
Schaffleisch), wir bestiegen Burgen, ließen uns von
Städten treiben, genossen die Ruhe der Natur...
Kaum in Sarajevo zurück brach ich Anfang Juni sofort
wieder auf, rannte weiter. Mit dem Forum ging es nach
Köln zur Feier des 20-jährigen Bestehens der
Organisation. Das bedeutete, dass alle Mitarbeiter aus
der ganzen Welt anreisten, um gemeinsam eine Woche
zu verbringen. Ich fand mich also plötzlich zwischen
Friedensfachkräften aus dem Iran, Kambodscha, den
Philippinen, dem Libanon, dem ganzen Balkan und
Deutschland, und wir alle waren fasziniert davon, dass
wir, obwohl wir aus so unterschiedlichen Kulturen
kommen, verschiedene Sprachen sprechen,
verschiedenen Problemen gegenüberstehen, doch das
selbe Ziel haben: Frieden. Wie man das mit dem Frieden
nun anstellt, darüber wurde viel diskutiert und gearbeitet,
es wurde sich ausgetauscht und voneinander gelernt. Für
mich war es eine ermutigende Erfahrung, all diese
Menschen kennenzulernen und zu sehen, wie eine
einzige Idee sie alle verbindet und wie weit man damit in
20 Jahren schon gekommen ist.
Mit dem Thema ging es für mich zwei Wochen später
nochmal ganz intensiv weiter. Das Forum gab mir die
Möglichkeit, an einer internationale Sommerschule der
Universität Sarajevo teilzunehmen. Mit einer Gruppe
Studenten aus der ganzen Welt beschäftigten wir uns
zwei Wochen mit Themen, wie
Vergangenheitsaufarbeitung, mit Konflikten, Versöhnung,
Frieden, Krieg, mit der aktuellen Situation hier in Bosnien
und Herzegowina und damit, wie man mit einer
Nachkriegsgesellschaft umgehen kann.
Es gab einige Vorlesungen, Vorträge, Workshops,
Diskussionen, und wir haben lokale und internationale
Organisationen besucht. Am Ende stand ein Trip, der uns
unter anderem in das Dorf Klotjevac führte. Klotjevac gibt
es eigentlich nicht mehr, seit dem Krieg fährt eigentlich
niemand mehr dorthin. Wir taten es trotzdem, wurden
herzlich aufgenommen von einer der zwei
zurückgekehrten Familien und lebten drei Tage zwischen
Ruinen und Idylle, in einer wundervollen Berglandschaft in
einem ausgelöschten Dorf. Ich hörte wieder Geschichten
von Krieg, direkt von den Leuten, hörte die Geschichte
einer Kindheit in Angst, die Geschichte einer Flucht durch
den Wald, die Geschichte von den toten Nachbarn, die
Geschichte der zerstörten Moschee...noch viel mehr
sagen mir all die Geschichten, die nicht mehr erzählt
werden können, all die Häuser zu denen niemand zurück
kehren kann, 800 Menschen allein aus Klotjevac, die
keine Geschichten mehr erzählen. Das letzte Ziel des
Ausflugs war Srebrenica, wir fuhren zur Gedenkstätte für
den Genozid 1995, ein unheimlicher Ort, ich kann das
nicht beschreiben, 8000 Leben, drei Tage... 20 Jahre
sind lang, aber die Wunden sind lange nicht verheilt und
der Krieg gehört zu Bosnien, was die Menschen erlebt
haben, gehört zu ihnen, der Krieg gehört zum Leben, das
Sterben ist vorbei, aber der Tod lässt die Menschen nicht
los.
25
Gerda Seidelmann
Ich versuche nun seit einem Jahr zu verstehen, was hier
passierte, versuche, eine Logik zu erkennen und mir ein
Bild zu machen. Ich kann das nicht, ich kann das nicht
begreifen und das ist auch okay so, so was kann
niemand verstehen, der es nicht erlebt hat und selbst
diejenigen können es kaum fassen. Aber ich merke, dass
ich es manchmal fühlen kann, manchmal glaube ich zu
wissen, wie es den Leuten ging, verstehe die Emotionen
eines Moments, verstehe eine Geschichte, verstehe einen
Bruchteil des Ganzen. Ich kann nur versuchen, den Leuten
zuzuhören, kann nur versuchen, ihnen ein bisschen Raum
für ihre Geschichten zu geben, kann ihnen ein bisschen
Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Allein dafür hat es
sich schon gelohnt, deren Sprache zu lernen.
Diese Sommerschule hat mir so viel beigebracht und
besonders die Bekanntschaft mit all den anderen
Teilnehmern, all die Begegnungen, so viele neue
Gedanken, unendlich viele Eindrücke hinterlassen sehr
viel Motivation und das Vorhaben, nicht die Verbindung
zu dieser Region zu verlieren und auf jeden Fall in
irgendeiner Weise weiterhin ein kleines bisschen was zu
bewegen.
Ende Juli schon wieder unterwegs... ich entdeckte die
Region Herzegowina und die montenegrinische Küste mit
Freundinnen aus Deutschland. Zeige ihnen ein wenig von
meiner neuen Heimat und freue mich, sie für den Balkan
begeistern zu können.
Doch nicht nur große Reisen, sondern auch warme
Sommerwochenenden und Nachmittage führen mich in
die Berge, zu Freunden, auf Festivals, Konzerte, in die
Stadt, an unbekannte Orte, zu neuen Menschen...alles
rennt auf mich zu, an mir vorbei und irgendwie bleibt von
dem ganzen Sturm erstaunlich viel an mir hängen.
Ach ja...zwischendurch arbeite ich auch tatsächlich ab
und zu noch im Kindergarten. Wenn ich meine Kinder so
anschaue, werde ich leider schon ziemlich traurig und
denke zu oft an den Abschied. Ich werde sie so
vermissen. Ich werde den kleinen Boris vermissen, der
ganz aufgeregt jeden Morgen verkündet, dass ich da bin
und durch alle Räume läuft und ruft „Gerda ist
gekommen!“ Ich werde Nora vermissen, die sobald ich
irgendwo sitze, zu mir kommt und es sich ganz
selbstverständlich auf meinem Schoß gemütlich macht, ich
werde Klaras große braune Augen vermissen, die mich
mit so viel Liebe angucken und mir so manchen stressigen
Tag retten. Ich werde vermissen, wie die kleine Antea uns
ihre ausgedachten Geschichten erzählt, ich werde den
dankbaren Blick von Sandro vermissen, wenn ich ihn
nicht verpetzt habe, obwohl er genau weiß, dass er keine
Kekse nehmen soll, ohne zu fragen. Ich werde sicher
sogar das Geschrei und alle die „Katastrofa“-Situationen
vermissen. Mir wird wahrscheinlich sogar das Gejammer
meiner Kolleginnen fehlen und all die Beschwerden
darüber, dass die Arbeit ja kaum auszuhalten ist.
Drei Wochen bleiben mir noch und ich bin sicher, sie
werden an mir vorbeirennen, aber ich renne gerne mit.
Ich renne und atme noch die letzten Momente ein, lass
noch so viele Dinge wie möglich passieren, denn ich
weiß genau, ich werde das Rennen vermissen und den
Balkan, wo immer alles rennt und man trotzdem an der
Langsamkeit verzweifeln kann.
Ich werde die wackelige Tram vermissen, das Lächeln
in den Gesichtern alter Leute, wenn jemand für sie
einen Platz freimacht, den Gebetsruf der Muslime, der
über die ganze Stadt schallt, mein Lieblingscafé und
dass die Kellnerin mir schon ungefragt einen Kaffee
bringt, meine Wohnung, die drei Katzen in meinem
Haus, meinen Marktverkäufer, der immer für einen
Schwatz zu haben ist und mir schon zuwinkt, wenn er
mich von weitem sieht, den besten bosnischen Kaffee,
den nur Sunita aus dem Büro kocht, den Geruch nach
Ćevapi in der Altstadt, die Freunde, die ich hier
gefunden habe, den Mann, der immer so verrückt in
der Innenstadt tanzt, die nächtlichen Gespräche mit
Taxifahrern und sogar die Sprache, die mich so oft hat
verzweifeln lassen, die einzigartige Energie Sarajevos,
den schwarzen Humor der Bosnier. Ich werde all das
liebenswerte Chaos vermissen und all die unerwarteten
Situationen, in die man hier immer wieder stolpert.
Danke an alles und jeden, der mich hierher gebracht
hat.
Danke Bosnien, du hast mir so viel beigebracht.
Bis ganz ganz bald.
26
Milan Zmrzlak— BiH
Die Zeit der Extreme
Die letzten drei Monate. Drei Monate, die häufig so
völlig anders sind als der Rest des Jahres und doch die
gesamte Zeit auf intensive Art und Weise widerspiegeln.
Denn mit dem Sommer ist auch das Leben in Derventa
eingekehrt, sodass ich mehr denn je hier erlebe (auch
wenn ich das nach der Lektüre der vorherigen Rundbriefe
selbst kaum glauben kann). Obwohl es während der
Wintermonate in Sunce mit der Herstellung der
Weihnachtskarten ein großes Projekt gab, würde ich
diese Zeit rückblickend als eher entspannt betrachten.
Durch die Spende, die Sunce vor einigen Monaten
erhalten hat, ist hier nämlich so einiges ins Rollen
gekommen. Nicht nur der Innenraum, sondern auch die
Zufahrt haben nun Goran, der Mann meiner Chefin, und
ich renoviert. Eine Arbeit, die trotz Temperaturen von über
vierzig Grad und Arbeitszeiten von frühmorgens bis
spätabends, für mich eine willkommene Abwechslung
war. In diese Kategorie fallen auch andere
ungewöhnliche Arbeiten wie der Verkauf von Schmuck für
einen guten Zweck, die zahlreichen Tischtennispartien mit
den Kindern von Sunce und die Herstellung von
hausgemachtem Schnaps. Das ist das eine Extrem.
Demgegenüber steht wenig Arbeit im Centar, wo in den
heißen Sommermonaten manchmal kaum noch Kinder da
sind. Zudem macht sich bemerkbar, dass die
angrenzende Blindenschule Sommerferien hat. Obwohl
wir Freiwilligen dort nie eingesetzt waren, ist es schon ein
seltsames Gefühl jeden Tag durch die verlassenen Gänge
zu laufen, um das Essen für die Kinder abzuholen.
Demgegenüber stehen ebenso die vielen schönen
Abende mit Leuten in Derventa. Menschen, die im Winter
noch Bekannte, im Frühjahr schon Kumpels und während
der letzten Monate zu echten Freunden geworden sind.
So kommt es, dass Anna und ich auch noch nach einem
Jahr hier unzählige neue Leute kennenlernen.
Das liegt daran, dass die Stadt, nachdem es den Winter
in einer Art Dornröschenschlaf verbracht hatte, jetzt
lebendiger ist als je zuvor. Jeden Abend machen sich die
Leute jetzt hier auf, um sich in den unzähligen Cafés und
Kneipen zu treffen und durch die Fußgängerzone zu
flanieren. Leider bleibt mir manchmal gar nicht genug Zeit,
Derventa so wie es jetzt ist zu genießen, da ich ständig
on Tour bin. Während ich im letzten Jahr hauptsächlich
noch andere Freiwillige in nahegelegenden Städten am
Wochenende besucht habe, standen und stehen
momentan gar drei große Reisen an. Mit einem
gemieteten Auto, das eine Auslandsversicherung für jedes
Land der Welt außer Albanien hatte, sowie jeder Menge
guter Laune und Abenteuerlust sind Gerda, Anna, Zouba
(ebenfalls eine deutsche Freiwillige, die aber für Eirene
arbeitet) und ich Mitte Mai nach Albanien zu einem
unvergesslichen Roadtrip aufgebrochen. Da mir hier ein
bisschen der Platz fehlt, auf alles, was wir auf der Reise
erlebt haben, einzugehen, habe ich die Erlebnisse sowie
einige Fotos dieser Reise auf meinem Blog
niedergeschrieben (milanalexanderzm.wordpress.com).
Bei der anderen großen Reise handelt es sich um eine
Tour durch die Länder des östlichen Balkans mit einem
meiner besten Freunde, die sich eher zufällig ergeben hat,
als wir von Sunce mitgeteilt bekommen haben, dass jetzt
spontan ein längere Ferienzeit stattfinden würde.
So intensiv und wunderschön die Zeit des auslaufenden
Freiwilligendienstes hier aber auch ist, so sehr kommt in
mir auch ein Gefühl der Traurigkeit auf, all das hinter mir
lassen zu müssen. Denn es gibt viele Momente, in denen
ich mich frage, ob dieses Mal nicht vielleicht schon das
letzte Mal ist. Der letzte Tag im Centar, ein letztes Mal die
Kinder umarmen, ein letztes Mal mit Sunce gemeinsam zu
Abend essen oder ein letztes Mal auf einer Familienfeier
eingeladen zu werden. All diese Momente probiere ich in
dieser Schlussphase meines Freiwilligendienstes27
noch
einmal bewusster zu genießen und erlebe so die
intensivste und letzte Phase meines Jahres.
Milan Zmrzlak
Und da dies auch mein letzter Rundbrief ist, möchte ich
mich an dieser Stelle auch noch einmal ganz herzlich bei
all jenen bedanken, die mich auf welche Art und Weise
auch immer bei dem Dienst unterstützt haben und mir so
die Möglichkeit gegeben haben, ein neues Land, eine
neue Sprache und ein anderes Leben kennen zu lernen.
Danke für diese wunderbare Zeit und all die Erfahrungen
die ich für immer in mir tragen werde.
Liebe Grüße
Milan
Auf Wanderung in Derventa
Mit Gerda, Anna und Zouba in Albanien
28
Anna Klein— BiH
Abschied? Rückkehr? Neubeginn?
Ein Jahr voller Erfahrungen. Ein Jahr voller Sorgen. Ein Jahr
voller Spaß. Ein Jahr voller Begegnungen. Ein Jahr voller
Arbeit, Eindrücke, Überraschungen.
Ein Jahr voller Neuem.
Und jetzt? Ist es jetzt vorbei? Soll ich traurig sein und auf
die Zeit blicken, die ich hier verbracht habe und die mir
die Chance gab, mich selbst kennen zu lernen? Oder soll
ich glücklich sein, weil ich mich auch auf mein Leben in
Deutschland freue?
Heute ist genau der 8. August. Letztes Jahr war das DER
Stichtag. Vor genau 365 Tagen bin ich in den Flieger
gestiegen und habe die ersten Eindrücke zu diesem Land
gesammelt. Vor genau einem Jahr landete ich in Sarajevo
und habe mir, bei dem Versuch mein Gepäck zum Hostel
zu bewegen, die Seele aus dem Leib geschwitzt. Damals
war alles so neu! Die Sprache, das Essen und die Leute.
Es war super aufregend und spannend und ich hatte ein
ganz anderes Gefühl im Bauch als jetzt. Wie es sich trifft,
bin ich zurzeit wieder in Sarajevo, und ich werde an
vielen Ecken an meine Ankunft in diesem Land erinnert.
Es war immer eine sehr komische Mischung aus: ‚es fühlt
sich an, als wäre ich schon ewig hier’ und: ‚ich fühle
mich immer noch neu in dieser Umgebung’. Ich habe so
viel erlebt, dass es sich einfach nach mehr anfühlt als
zwölf Monate. Aber wenn ich jetzt daran denke, wie es
war anzukommen, wie ich mich gefühlt habe und einfach
wie ich war, scheint es mir ganz anders. Es fühlt sich fast
so an, als wäre das eine andere Person, die da im
Spajalica (unser Hostel) angekommen ist.
So wie das halt fast immer ist, läuft die Arbeit jetzt, in der
letzten Zeitetappe, besonders gut. Das freut mich natürlich
total, denn ich habe in den letzten Wochen verstärkt das
Gefühl helfen zu können und etwas beizutragen, was gut
für die Kinder ist. So haben wir viele Ausflüge auf den
Spielplatz gemacht und gemeinsam gebastelt. Außerdem
hatten wir eine Menge Spaß in der Turnhalle, in die die
Kinder zuvor nicht so gerne gegangen sind.
Ich habe jetzt das Gefühl besser einschätzen zu können,
was die Kinder wollen und brauchen.
Jetzt, wo die Arbeit so gut läuft, ärgere ich mich, dass es
zuvor nicht so war. Es sind viele kleine Sachen, für die ich
einfach relativ lange gebraucht habe, um sie heraus zu
finden. Das ist total schade, weil ich nun am Ende
gesehen habe, wie viel Gutes ich den Kindern mithilfe
dieses Wissens tun kann.
Vor ein paar Wochen hatten wir außerdem auch einen
Stand in der Innenstadt, an dem wir drei Tage lange
verkauft haben. Von Schmuck über Souvenirs bis zu
bemalten Glasflaschen war alles dabei. Das Geld,
welches wir durch die Verkäufe eingenommen haben, ist
für Sunce. Davon werden in Zukunft Essen und Spiele
gekauft. Alles in allem waren wir recht erfolgreich. Zwar
war es letztes Jahr besser, aber nichtsdestotrotz haben wir
einiges verkauft.
Nun, wo der Sommer gekommen ist, ist die Stadt auch
viel voller. Es gibt einige Leute, die ausgewandert sind und
jetzt nur für den Sommer nach Derventa zurückkommen.
Dadurch sind vor allem am Wochenende die Bars und
Cafés gut gefüllt.
29
Anna Klein
Bei dem sommerlichen Wetter kann man gut schwimmen
gehen und reisen macht auch mehr Spaß. So habe ich
unter anderem Prnjavor einen Besuch abgestattet, was
ganz in der Nähe ist. Dort gibt es ein sehr interessantes
Kriegsdenkmal und eine nette Innenstadt. Außerdem habe
ich den weiten Weg nach Mostar gemacht. Von dort aus
habe ich etwas den Süden BiHs erkundigt. Es gibt eine
Menge schöner Natur, Architektur und interessanter
Plätze, die ich sehr sehenswert fand.
So, nun werde ich noch die Zeit in Derventa genießen,
denn viel bleibt mir davon ja nicht mehr.
Das war tatsächlich schon mein letzter
Rundbrief...unfassbar. Ich hoffe, wir sehen uns bald in
Deutschland.
Liebe Grüße
Anna
30
Dennis Güntner— Kosovo
Oh komm, schon vorbei?
Ich sitze hier, schreibe meinen letzten Rundbrief und
merke... es ist der letzte. Ich freu mich auf Deutschland
und dennoch habe ich das Gefühl, dass nun 1 Jahr doch
nicht genug ist. Gerade habe ich das Gefühl; so richtig
Connections und Freundschaften aufgebaut zu haben und
zu pflegen, nun muss ich schon wieder weg.
Na gut, dieser Tag muss kommen und ich bin eigentlich
nicht traurig. Es ist wie zu Anfang, ein neuer
Lebensabschnitt und so langsam ist mein Kopf schon bei
dem Danach. Studium? Eigene Wohnung? Mit was
finanzieren? Freunde! All das wird mir präsenter und
anders denke ich auch darüber. Lockerer und doch nicht
nachlässiger. Hmm, das Jahr hat schon was verändert!
Integra
Miredita Dobar Dan! Das Programm beinhaltete
Dokumentationen, Buchpräsentationen, eine kleine Oper
mit Piano, eine Kunstausstellung und offene Diskussionen.
Es wurde in Belgrad veranstaltet, eine einzigartige
Chance den zum Großteil serbischen Gästen zeigen zu
können, wie sich der Kosovo entwickelt, kulturell, wie
auch durch Projekte. Wie das Sammeln von Kleidern,
jedes von ihnen steht für eine vergewaltigte Frau im
Kosovokrieg, um zu sagen: Uns gibt es! Wir sind hier
und brauchen eure Unterstützung! Natürlich habe ich
Belgrad auch selbst erkundet und ich liebe diese Stadt. Es
gibt so viel zu sehen und die Stadt ist am Leben, ob am
Tag oder in der Nacht. Meine unermüdliche Reise durch
die Stadt wurde aber ehrlich gesagt befeuert durch den
Wunsch, eine Goa-Hose zu finden, ich sah dort
jemanden mit einer, die behauptete, sie hätte sie hier
gekauft und schon hatte ich Hoffnungen auf etwas
Preiswertes. Leider konnte mir da kein Laden
weiterhelfen. Dafür bin ich aber weiter gereist, als ich
je erwartet hätte und ich hab es nicht bereut,
Motivation und schönes Erleben in einem :D
Nach „Miredita Dobar Dan“ (und meinem Urlaub)
gab es noch einen Workshop zum Thema
Vergangenheitsbewältigung. Diesen kombinierten wir
mit dem Prinzip von Loesje. Kurze, pfiffige Slogans
wurden dort erarbeitet, um das Thema kritisch, mit
bestimmtem Blickwinkel oder mit etwas Humor zu
thematisieren und den Leser zu einer Reaktion zu
zwingen und darüber nachzudenken
Urlaub
Nach so viel Zeit und Events ist es dann doch
irgendwann klar, man ist urlaubsreif! Für mich ging es
nach Albanien. Tirana war überraschend angenehm
und schön, am meisten hat mich der Park
beeindruckt, die Stadt investiert wirklich gut in ihre
öffentlichen Bereiche! Dort ein paar Tage geblieben
und ab in den Süden zu der Küste. Von dort habe ich
etwas für mich komplett Neues probiert: per Anhalter
reisen. Nette Menschen kennen lernen, auf Englisch
oder Deutsch unterhalten und mit ihnen zum Strand
oder dem nächsten Dorf fahren, alle möglichen
Nationalitäten unter einem Dach im Hostel.
31
Dennis Günter
Ich bin sogar mit ein paar Müllmännern mit hinten auf den
Müllwagen gestiegen und mit dem Wind im Gesicht an
der Küste entlang gefahren. Ob es Spaß gemacht hat?
Auf jeden Fall! Gegen Ende bekam ich dann noch die
Chance, mit einer Gruppe Franzosen zu campen, am
offenen Feuer zu grillen, den Sternenhimmel über Einem
und gemeinsam wieder zurück nach Tirana zu fahren.
Eigentlich hatte ich andere Pläne, aber diese Erfahrung
war es wert!
(Bild 1: An einem Strand in Albanien, etwas näher den
Klippen, bisschen geklettert und ein ausgetrocknetes
Flussbett entdeckt)
Der Kreis schließt sich
Und nun ist es schon bald soweit. Bald muss ich zurück
nach Deutschland. Heute habe ich meine Nachfolgerin
kennen gelernt und konnte ihr Prishtina zeigen. Es freut
mich, dass nach mir jemand anderes eine ähnliche
Erfahrung machen und ich einiges mitgeben kann. Und so
ist es wohl im Dienst, ich gehe, Neue kommen, aber
etwas nimmt man mit, was man sonst nirgendwo erhält:
Erfahrung in einem GANZ besonderen Bereich.
Dennis Güntner
32
Jennifer Neu— Mazedonien
Shall I compare thee to a summer's day?
Der Sommer bricht schlagartig ein mit erbarmungslosem
Sonnenschein, glühendem Asphalt und flimmernder Luft.
Und auf einmal geht alles ganz schnell, so viele Dinge
gibt es noch zu tun, so viele Events stehen noch an und
so wenig Zeit ist mir noch verblieben.
Bei Nadez fand noch ein Kulturaustausch mit Kindern
der Grundschule in Tearce statt, der von meiner
Mitfreiwilligen Jule geplant und dessen Durchführung an
zwei Wochenenden nur von Freiwilligen und freiwilligen
Helfern gestemmt wurde. Am ersten Wochenende
kamen die Kinder aus Tearce zu Nadez ins
Bildungszentrum und wir übernachteten alle gemeinsam
dort und am zweiten Wochenende fuhren wir dann mit
sieben Kindern nach Tearce und verbrachten zwei mit
Programm gefüllte Tage in der dortigen Schule. Somit
brachte der Austausch mazedonische Roma und
mazedonische Albaner zusammen.
Es waren Tage voller Übersetzungshochleistungen und
Vermittlungsglanzarbeit, Tanzen und Malen und Spielen,
und Nächte mit sehr wenig Schlaf, besonders da alle
der Nadez-Kinder zum ersten Mal ohne ihre Familie
irgendwo übernachteten. Aber vor allem waren es Tage
gefüllt mit Vorurteile abbauen und verstehen, dass die
Herkunft nicht das Wichtigste ist.
Mal sind diese Tage ganz fern und dann wieder ganz
nah. Kann es wirklich sein, dass ein ganzes Jahr
vergangen ist? Letzten August klang das nach einer so
langen Zeit und heute weiß ich gar nicht, wie ich das
alles einfach hinter mir lassen soll. Als die Nachricht
kam "Bucht mal eure Rückreise" brauchte ich fast zwei
Tage, um auf das "Bestätigen"-Feld zu klicken, obwohl
ich doch eigentlich genau wusste, von wo nach wohin
ich wollte.
Auch musste ich mich bereits von zwei Kolleginnen
verabschieden, ungeachtet dessen, dass ich noch drei
Wochen hier bin, da sie erst nach meiner Abreise aus
dem Urlaub wiederkommen werden.
Ich weiß heute schon genau, dass ich so viele Dinge
vermissen werde. Am meisten wahrscheinlich die Kinder,
ist mir doch schon bitter bewusst geworden, dass ich nicht
erleben werde, wie die neuen Erstklässler lesen lernen,
Freunde, Kollegen, das Essen, die Märkte, Pferdekarren
auf der Hauptstraße, wildes Gedränge auf Plätzen und in
Gassen, die Musik, die jetzt im Sommer aus geöffneten
Fenstern und Türen klingt, die Süßwarenläden, den Park,
mein Dach, Kabelchaos, Kaffeekultur.
Aber ich werde auch so vieles mitnehmen!
In diesem Jahr habe ich so viel gelernt, mein Mazedonisch
ist inzwischen schon recht beachtlich, kaum vorstellbar,
dass ich diese Sprache vor einem Jahr noch überhaupt
nicht konnte. Ein Jahr in einem fremden Land zu leben,
machte mich zu einer viel selbstständigeren Person und ich
habe gelernt, dass es immer eine Lösung gibt, besonders
auf dem Balkan! Die Arbeit an meinen Einsatzstellen hat
mir die Augen geöffnet für viele Probleme, aber auch für
viele Lösungsansätze und vieles, über das ich letztes Jahr
noch hinweg geschaut hätte, nehme ich heute wahr.
Das Roma-Viertel Shuto Orizari, das so anders war als
alles, was ich je mit eigenen Augen gesehen hatte, ist zu
einem Ort geworden, an dem ich mich sicher fühle, in
dem ich gegrüßt werde und in dem mir Menschen offen
entgegenkommen.
33
Jennifer Neu
Ich habe gelernt, dass der Ausgang einer Situation sehr
davon abhängt, mit welcher Einstellung man auf Leute
zugeht. (Ich kann das übrigens auch auf Straßenhunde
beziehen).
In Shutka ist vor allem jetzt im Sommer nochmal einiges
los, wenn die Gastarbeiter aus westeuropäischen
Ländern heimkommen und überall Hochzeiten mit 500
Gästen gefeiert werden. Bei mindestens dreitägigem
Durchfeiern lohnt sich der Aufwand dann immerhin
auch. Es war schon sehr abrupt, als Mitte Juli sich die
Straßen von einem Tag auf den anderen mit
ausländischen Autos füllten.
Auch war es besonders, gerade diese Jahr hier zu sein
und den Ausbruch der Шарена Револуција
("Scharena Revoluzija", Bunte Revolution) mitzuerleben.
Ich werde gespannt verfolgen, was sich daraus noch
entwickelt.
Das Kloster Sveti Naum im Galicica
Nationalpark
Alles in Allem, mit allen Höhen und Tiefen war es
einfach ein unglaubliches Jahr, das ich nie vergessen
werde und aus dessen Erfahrungen ich bestimmt in
zehn Jahren noch lernen werde.
Ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die
mir diesen Friedensdienst ermöglicht haben. Vielen,
vielen Dank!
Nun genieße ich noch meine letzten Wochen hier,
nehme noch einmal so viele Eindrücke mit wie nur
möglich und plane schon mal mein Wiederkommen!
Поздрав од Македонија,
Jenny
Да ли има на овој бели свет,
Gibt es auf dieser weißen Welt,
Поубаво девојче од Македонче?
Ein schöneres Mädchen aus Mazedonien?
Нема, нема, не ќе се роди,
Gibt es nicht, sie wird nicht geboren werden,
Tanzen beim Austausch mit Tearce
Поубаво девојче од Македонче.
Ein schöneres Mädchen aus Mazedonien.
(Altes mazedonisches Lied)
34
Georg Suchenwirth— Ukraine
Liebe Unterstützer und Interessierte,
jetzt hat der letzte Abschnitt des Jahres begonnen und das
Abschiednehmen rückt immer näher. Egal, ob Pläne für
die Zeit danach, Flüge buchen oder sich auf die neuen
Freiwilligen vorbereiten, man merkt, der Abschied ist
allgegenwärtig. Zum Zeitpunkt des Schreibens sind die
neuen Freiwilligen bereits da und wir haben ein paar
gemeinsame Tage verbracht.
Mit Aljoscha und Charlotte - unseren Nachfolgern - sehen
wir uns im Moment viel die Stadt an und arbeiten sie ein.
Nachdem wir unser Viertel komplett gezeigt haben, sind
wir schon die Innenstadt gefahren und haben die
Sprachschule und andere wichtige oder interessante Orte
gezeigt.
Zurzeit sind alle Kinder im Urlaub in Odessa, Lviv oder in
Amerika, weshalb ich nur im Büro sitze und mich teilweise
mit der Büroarbeit etwas langweile. Dort bestehen meine
Aufgaben weiterhin aus Übersetzungen für Websites oder
Newsletter, und natürlich auch weiterhin den
Hockeyangelegenheiten.
Ende Juli hatte ich aber noch ein paar freie Tage und
reichlich Überstunden die ich mir freigenommen habe, um
ohne spezifische Pläne einfach mal zu entspannen. In der
freien Zeit war ich nochmal viel in der Stadt unterwegs
und habe es zum Beispiel geschafft, bei jeder MetroStation auszusteigen und mich wenigstens mal
umgesehen.
Sonst war ich Ende Juni in Odessa und habe dort ein
wenig Strandurlaub gemacht. Odessa liegt im Süd-Osten
am Schwarzen Meer und ist dementsprechend als
Touristenort für Ukrainer und internationale Touristen
beliebt. Ich bin froh, die Stadt gesehen zu haben und
hatte eine schöne Zeit, aber es hat mir nicht nur gefallen.
Die Strände, wenn man sie unter den Partymeilen und
privaten Hotelgrundstücken findet, sind hemmungslos
überfüllt. Die komplette Stadt nähert sich europäischen
Preisen und scheint surreal. Wenn man über Odessa liest,
dann meistens, wie die Stadt unter dem Zusammenbruch
der UDSSR und dem Verlust der Jobs in der Industrie leidet
und mit Drogenproblemen zu kämpfen hat, aber davon
konnte ich nichts sehen. Die echte Bevölkerung scheint
komplett von den Touristen getrennt zu sein.
Für nächstes Wochenende ist ein Ausflug in die
Westukraine geplant, sprich Ivano-Frankivsk. Im
Gegensatz zu Odessa wird in Ivano-Frankivsk
überwiegend Ukrainisch anstatt Russisch gesprochen. Und
auch sonst soll auch die Kultur deutlich mehr ukrainisch
und europäisch angenähert sein als in Odessa, wo der
ukrainische Nationalstolz nicht so stark vertreten ist.
Zwischendurch habe ich auch für ein Wochenende Kiew
verlassen und war mal eher auf dem Land und war dort
mit einem geländetauglichen Lada auf Waldwegen
unterwegs, wo auf Kühe auf der Straße gewartet werden
musste.
35
Georg Suchenwirth
Für meine Zukunft sieht es nach einem
Wirtschaftsingenieurwesensstudium aus, entweder in
Clausthal-Zellerfeld oder Wien, was sich noch
entscheiden muss. Aber ein Studium liegt für mich
immer noch in abstrakter Ferne, weshalb ich mich
weniger damit beschäftige als ich sollte.
Bald bin ich wieder in Deutschland, als Erstes werde
ich das Abschlussseminar besuchen, aber danach
freue ich mich, wieder alle von euch wieder zu sehen.
Schöne Grüße aus dem warmen Kiew,
Georg Suchenwirth
36
Paul Palme— Ukraine
"Wenn Menschen auseinander gehen, so sagen sie: auf Wiedersehen!"
Ernst von Feuchtersleben (1806-49), öster. Schriftsteller
Den letzte Rundbrief gilt es nun zu schreiben,
damit rückt auch der Abschied von der Ukraine
näher. Es fällt mir schwer diesen Text zu verfassen,
da das ganze Jahr vor dem inneren Auge
vorbeizieht. So viele schöne Erfahrungen,
Vertrautheit und so viele neue Freunde, die man
jetzt hinter sich lassen muss - für eine gewissen
Zeit.
Das erste nationale Hockeyturnier der
"Ukrainischen Hockeyföderation" hat nun
stattgefunden und es ist alles wie geplant
verlaufen. Es waren sehr viele Leute da und Georg
und Ich hatten viel zu tun an diesem Tag. Das
Turnier ging zwei Tage lang und wir arbeiteten in
diesen zwei Tagen insgesamt 32 Stunden, was
sehr anstrengend war.
Region und konnte sich dort sehr gut verständigen.
Die ersten Tage waren sehr anstrengend, aber
gleichzeitig auch sehr schön. Wir bestiegen in vier
Tagen drei Berge, unter diesen auch den Größte in
der ganzen Ukraine. Wir sind nur per Anhalter
gefahren, da die Busse dort nur einmal am Tag
oder gar nicht fahren! Doch diese Möglichkeit hat
uns neue Freunde und schöne Zufälle beschert, da
wir auch bei unseren neuen Freunden unterkamen
für die Nacht und mit ihnen die Karpaten weiter
erforscht haben. Die Reise endete am 28.8 in
Ivano-Frankisvk. Dort verbrachten wir den letzten
Tag und fuhren schließlich nach einer aufregenden
Woche abseits der Zivilisation zurück in die
Hauptstadt.
Eine kurze Zeit später fuhren die Kinder in den
Urlaub. Das hieß für uns, dass wir im Büro
arbeiten werden, aber dort gab es wenig zu tun,
also waren alle Aufgaben schnell erledigt. Zeit
sich über einen besonderen Urlaub Gedanken zu
machen.
Am 21. Juli ging es für mich mit einer Freundin auf
eine Reise in das Ungewisse, die Karpaten. Die
große Gebirgskette hat so viel zu bieten und
Neues zu sehen, was man in Kiew noch nicht
erlebt hat. Allein in den Karpaten gibt es viele
verschiedene Dialekte der ukrainischen Sprache,
die in sich so unterschiedlich sind, dass ich
beinahe nichts verstehen konnte. Glücklicherweise
kommt diese Freundin ursprünglich aus dieser
37
Paul Palme
Am 6. August sind die neuen Freiwilligen um 15
Uhr am Boriyspil Flughafen angekommen. Wir
zeigten ihnen die Umgebung rund um das Zentrum
und gingen in eine ukrainische Restaurantkette.
Den restlichen Abend verbrachten wir am See und
auf der Couch erzählten, beantworteten Fragen
und lernten uns kennen. Die nächsten drei Wochen
werden wir ihnen Kiew und ihre Arbeit näher
bringen und kleine Tipps und Kniffe zeigen. Bald
geht ihr Sprachkurs los und dann wir es für sie,
aber auch für uns ernst, da wir uns Gedanken über
unseren Abschied machen müssen. Trotzdem werde
ich die verbliebenen drei Wochen mit Georg und
den neuen Freiwilligen, Aljoscha und Charlotte,
genießen und die Zeit bestmöglich nutzen.
Hockey
2017
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Herausgeber:
pax Christi Diozösenverband Aachen
Klosterplatz 7 52062 Aachen
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Layout: Lukas Jansen
Druck:
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Auflage: 500 Exemplare
Versand: Pax Christi Aachen
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