Scrum Agile Produktentwicklung mit Scrum Nearshoring
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Scrum Agile Produktentwicklung mit Scrum Nearshoring
Experience Nr. 47 Juli 2010 © by ERNI Consulting AG Experience ERNI Erfahrungsberichte rund um Management-, Prozess- und Technologiethemen Scrum Agile Produktentwicklung mit Scrum Nearshoring Outsourcing bringt Flexibilität Outtasking Nearshoring senkt Kosten Architekturreview Ein Architekturreview sorgt für Durchblick ERNI Experience | Editorial Agilität als Erfolgsrezept Kürzere Time-to-Market, bessere Qualität, höhere Flexibilität und stärker motivierte Mitarbeitende – dies sind die Vorteile agiler Produktentwicklungsmethoden. Kein Wunder, nutzen immer mehr Unternehmen Scrum oder ähnliche Modelle. Das Konzept der Agilität Titelseite: Reto Tschudi Business Area Manager in der Firma ERNI Consulting AG. Beratertätigkeit: Testmanagement und Prozessoptimierung. Impressum Herausgeber ERNI Consulting AG Zürich · Baar · Bern ERNI (Deutschland) GmbH, München ERNI (Slovakia) s.r.o., Bratislava Redaktion Maria Holla ERNI (Slovakia) s.r.o. Tel. +421 2 3255 37 37 E-Mail leserservice@erni.ch Internet www.erni.ch/experience Editorial Reto Tschudi Scrum Roland Oehen Kanzow Nearshoring Philipp Rey Christoph Krauer Outtasking Martin Sand Heinz Schlatter lässt sich allerdings nicht nur in der Produktentwicklung mit Gewinn anwenden. Auch agile Organisationen besitzen gewichtige Vorteile. Zudem können auch Produkte dem Grundgedanken der Agilität entsprechen, wenn sie nur so viel Komplexität aufweisen wie unbedingt notwendig und daher einfach gewartet und weiterentwickelt werden können. In diesem ERNI Experience zeigen wir Ihnen anhand konkreter Praxisbeispiele, wie Sie Prozesse, Produkte und Ihre Organisation agil gestalten können und wo der konkrete Nutzen liegt. Der erste Artikel widmet sich dem Thema Scrum. Sie erfahren, wie sich die agile Methodik in Organisationen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen zielgerichtet einführen lässt. Die beiden darauf folgenden Erfahrungsberichte geben Beispiele, wie Nearshoring die Agilität Ihrer Organisation steigert. Die geschilderten Erfahrungen beruhen auf der Praxis von ERNI als Begleiter von Outsourcing-Projekten, aber auch als Nearshoring-Partner. Bereits seit mehreren Jahren betreibt ERNI zu diesem Zweck einen Standort in der Slowakei. Abgeschlossen wird das Magazin mit einem Beitrag über Architekturreviews. Sie sind ein probates Mittel, um die Qualität von IT-Systemen bedarfsgerecht zu optimieren, ohne die Komplexität unnötig zu erhöhen. Damit entsprechen sie ebenfalls dem Grundgedanken der Agilität. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und freue mich auf Ihr Feedback. Architekturreview Oliver Blindenbacher Lektorat Stefan Kyora, Mediacontact GmbH, Luzern Ruedi Häuptli, Sprachagentur Bahia, Salvador BR Konzept/Layout Katarina Beinrohrova Produktion von Ah Druck AG, Sarnen Auflage 10 000 Exemplare Erscheint quartalsweise Copyright © 2010 by ERNI Management Services AG Alle Rechte vorbehalten. 2 Herzlich Reto Tschudi Inhalt | ERNI Experience Inhalt Scrum Schneller und besser durch Agilität 4 Agile Produktentwicklung mit Scrum Die rasante technologische Entwicklung, schnelle Änderungen bei den Kundenwünschen und wachsendes Qualitätsbewusstsein stellen die Softwareentwicklung vor neue Herausforderungen. Mit agiler Entwicklung lassen sie sich meistern. Bei der Einführung von Scrum hat sich ein behutsames Vorgehen bewährt, das mit einem Pilotprojekt beginnt. Nearshoring Mit Nearshoring den Aufschwung nutzen 8 Outsourcing bringt Flexibilität und zusätzliches Know-how Der sich abzeichnende Aufschwung bietet Chancen für innovative Produkte. Für die Entwicklung neuer Geräte und neuer Software ist Outsourcing eine attraktive Option. Notwendig für das Gelingen der Auslagerung sind klar definierte Prozesse, eine intensive Kommunikation mit dem externen Team und eine klare Unterstützung durch das Management. Outtasking Betrieb und Wartung reibungslos verlagern 12 Nearshoring senkt Kosten und erlaubt Konzentration auf Kernkompetenzen Bei Wartung und Betrieb von IT-Applikationen ist Outsourcing attraktiv. Damit lässt sich einer der grössten Kostenblöcke in der IT reduzieren. Gleichzeitig kann sich das eigene Personal wieder auf die wertschöpfenden kreativen Tätigkeiten konzentrieren. Mit der richtigen Vorbereitung verlaufen die Übergabe und der weitere Betrieb reibungslos. Architekturreview Wie viel Qualität braucht ein IT-System? 16 Ein Architekturreview sorgt für Durchblick Ein IT-System muss die gestellten Anforderungen erfüllen. Alles, was darüber hinausgeht, erhöht neben dem Aufwand auch die Komplexität, ohne einen zusätzlichen Mehrwert zu bieten. Während dies beim Funktionsumfang meist berücksichtigt wird, werden im Bereich der qualitativen Anforderungen wie Performance, Sicherheit oder Wartbarkeit – im Widerspruch zu einem agilen Vorgehen – häufig Dinge umgesetzt, die so gar nicht benötigt werden. Ein Architekturreview kann überflüssige, aber natürlich auch ungenügend berücksichtigte Anforderungen aufdecken. Alle Artikel online: www.erni.ch/experience 3 Scrum | Schneller und besser durch Agilität Schneller und besser durch Agilität Agile Produktentwicklung mit Scrum Die rasante technologische Entwicklung, schnelle Änderungen bei den Kundenwünschen und wachsendes Qualitätsbewusstsein stellen die Softwareentwicklung vor neue Herausforderungen. Mit einer agilen Vorgehensweise wie Scrum lassen sich diese meistern. Bei der Einführung von Scrum hat sich ein behutsames Vorgehen bewährt, das mit einem Pilotprojekt beginnt. Von Roland Oehen Kanzow Agile Produktentwicklungsmethoden sind dabei, sich durchzusetzen. Eine dieser Methoden ist Scrum. Auf Scrum setzen heute viele Grosskonzerne aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor. Das Vorgehensmodell bietet einen Prozessrahmen für agile Produktentwicklungen, in dem sich die Flexibilität, das Tempo und die Qualität von Entwicklungsprojekten verbessern sollen. Der Unterschied von Scrum zu traditionellen Vorgehensweisen, wie sie etwa vom Wasserfall-Modell oder vom V-Modell beschrieben werden, ist tiefgreifend. Im Grunde geht es darum, eine Praxis, die nach dem Motto «command and control» funktioniert, durch selbstbestimmtes Arbeiten zu ersetzen. tionsfähiges Produktinkrement steht (siehe Abb. 2). Ein Sprint beginnt mit der Auswahl von Aufgaben durch das Entwicklungsteam im Rahmen einer Planungssitzung. Während der Entwicklung arbeitet das Team die Aufgaben selbstorganisiert ab. Ein tägliches Kurzmeeting, das «Daily Scrum Meeting», dient der Koordination und dem Wissenstransfer im Team. Jeden Tag stellen sich die Mitglieder ihre Arbeitsergebnisse, ihre Aufgaben und ihre Herausforderungen gegenseitig vor (siehe Abb. 3). Da am Ende ein lauffähiges Inkrement stehen soll, wird innerhalb des Sprints auch getestet. Die Phase endet mit einem Review und einer Retrospektive (siehe Abb. 4). In Letzterer wird der Sprint reflektiert und nach Verbesserungsmöglichkeiten gesucht. Scrum ist damit Scrum setzt grundsätzlich auf einen auch durch einen kontinuierlichen Verbesanderen Prozess und auf andere Rol- serungsprozess gekennzeichnet. len als traditionelle Vorgehensmodelle. Ein wichtiges Element von Scrum Neben den Teammitgliedern existieren ist der sogenannte Sprint (siehe Abb. 1). zwei weitere Rollen: der Product Owner Damit werden zwei- bis vierwöchige Itera- und der ScrumMaster. Der Product Owner tionen bezeichnet, an deren Ende ein funk- ist für die Strategie des Entwicklungspro- 4 jekts zuständig. Zu seiner Arbeit gehören die Releaseplanung sowie die Formulierung und die Priorisierung von Aufgaben, aus denen sich das Team je Sprint einige zur Bearbeitung auswählt. Die Basis dafür bilden sein Domänenwissen und seine Kenntnisse über die Wünsche der Stakeholder. Der Product Owner kommuniziert direkt mit den Stakeholdern, aber auch mit dem Team. Er nimmt an den Planungs- und Reviewmeetings teil. Gegenüber dem Team repräsentiert er damit die Stakeholder. Der ScrumMaster bearbeitet die taktische Ebene eines Projekts. Er schafft ein optimales Umfeld für das Team. Konkret macht er Vorschläge, wie sich bestimmte Herausforderungen meistern lassen. Er motiviert, unterstützt die Kommunikation im Team und greift bei Konflikten ein. Gleichzeitig schützt er das Team vor regelwidrigen Interventionen von aussen und sorgt dafür, dass es in Ruhe arbeiten kann. Das Team selbst besteht bei Scrum aus Schneller und besser durch Agilität | Scrum Der ScrumMaster bearbeitet die taktische Ebene eines Projekts. Er schafft ein optimales Umfeld für das Team und achtet darauf, dass die Regeln von Scrum eingehalten werden. Sprint Meetings Dokumente Rollen •Iteration mit fixer Länge •Geschützt •Pull statt Push •Inspect – Adapt •Sprint Planning •Sprint Review •Retrospective •Daily Scrum •Product Backlog •Sprint Backlog •Burn Down Chart •Release Plan •Product Owner •ScrumMaster •Team Abbildung 1: Elemente von Scrum Product Backlog Product Vision Product Increment Sprint Backlog Selected Product Backlog fünf bis neun Mitgliedern. In der Gruppe müssen sämtliche Kompetenzen zur Bearbeitung der ausgewählten Aufgaben vorhanden sein, vom Entwerfen der Architektur über das Entwickeln bis zum Testen. Wie das Team diese Unteraufgaben verteilt, bleibt ihm überlassen. In jedem Fall ist das ganze Team verantwortlich für die Erledigung der ausgewählten Arbeiten (siehe Abb. 5). Wie gross der Wandel ist, den Scrum erfordert, hängt von der Kultur und der Praxis der Zusammenarbeit im betroffenen Unternehmen ab. Deswegen muss der entsprechende Prozess auf das jeweilige Un- Daily Scrum Meeting ternehmen angepasst werden. Am grössten ist der Schritt für Organisationen, deren Kultur zu Vorgehensmodellen passt, die auf «command and control» setzen. Für die Mitarbeitenden solcher Firmen ist sowohl der Wissenstransfer im Team als auch die Übernahme der Verantwortung durch die Entwickler neu. Der Wandel löst deswegen zu Beginn durchaus auch Vorbehalte aus. Unterschätzt man den Wandlungsprozess nicht und widmet man ihm genügend Aufmerksamkeit, lässt sich Scrum aber auch gewinnbringend in hierarchisch strukturierten Unternehmen einführen. Bewährt hat sich beim Umbau solcher Abbildung 2: Von der Vision zum Product Increment Organisationen neben einer engen Begleitung der betroffenen Mitarbeitenden vor allem die Pilotierung, das heisst eine erste Einführung von Scrum in einer Keimzelle, die dann zum Ausgangspunkt des Wandels im gesamten Unternehmen wird. Beispiel 1 Grundlegender Wandel bei einem IT-Unternehmen Ein IT-Unternehmen betreibt eine Internetplattform. Es steht unter grossem Marktdruck, da die Kunden mit einem Mausklick zur Konkurrenz wechseln können. Die Firma entwickelt neue Releases nach einem Phasenmodell. Dem Projekt- 5 Scrum | Schneller und besser durch Agilität Wie gross der Wandel ist, den Scrum erfordert, hängt von der Kultur und der Praxis der Zusammenarbeit im betroffenen Unternehmen ab. Deswegen muss der entsprechende Prozess auf das jeweilige Unternehmen angepasst werden. Gibt es dabei irgendwelche Hindernisse? Was soll bis zum nächsten Treffen erreicht werden? Was wurde seit dem letzten Treffen gemacht? Fragen •Daily Scrum Meeting, 15 Minuten jeden Tag zur gleichen Zeit am gleichen Ort •Es werden drei Fragen beantwortet, reihum durch die Teammitglieder Abbildung 3: Daily Scrum Meeting leiter kommt dabei die zentrale Bedeu- Einführung immer wieder auftauchenden tung zu. Er plant die Projekte, definiert Herausforderungen lassen sich mit ErfahArbeitspakete und legt die Dauer für ihre rung auch besser und schneller meistern. Erledigung fest. Da Scrum neue Rollen in eine Organisation Um die Time-to-Market zu beschleuni- einführt, ist durch die Veränderung auch gen, beschliesst das Unternehmen, Scrum das Selbstverständnis der Mitarbeitenden einzuführen. Dieses Ziel wurde erreicht. in Bezug auf ihre Aufgabe und ihre PosiDie Umstellung bewirkte, dass das Unter- tion betroffen. Deswegen müssen die Mitnehmen schneller auf die aktuelle Markt- glieder des Einführungsteams nicht zuletzt situation reagieren kann. Neuartige Funk- auch über ausgeprägte Soft Skills verfügen. tionalitäten vergleichbarer Plattformen Die besondere Bedeutung des Verändekönnen wesentlich schneller auch für das rungsprozesses für die betroffenen Mitarbeiter legt den Beizug externer Experten für eigene Angebot realisiert werden. das Einführungsteam nahe. Diese können Der Wandlungsprozess hat rund ein Jahr in auftauchende Konflikte wesentlich besser Anspruch genommen. In dieser Zeit wur- konstruktiv lösen als Personen mit einer den die Mitarbeitenden zum Teil intensiv langen Geschichte in der Organisation. gecoacht und betreut. So gab es etwa Vieraugengespräche, in denen das neue Modell Nicht in jedem Fall sind allerdings die weiund die Gründe der Einführung vorgestellt chen Faktoren die entscheidende Herauswurden. Darüber hinaus wurde die Team- forderung bei der Einführung von Scrum. bildung unterstützt, beispielsweise mit Denn es gibt auch Entwickler, welche die einem Wochenende in einem Sporthotel. Freiheit, die ihnen das Modell bringt, zu Nicht zuletzt konnten die Mitarbeitenden schätzen wissen. Dennoch sind auch in den Wandlungsprozess mitgestalten. Die solchen Unternehmen vielfach AnpassunScrum-Teams wählten sich zum Beispiel gen bei der Einführung notwendig. ihre Mitglieder selbst aus. Beispiel 2 Da der Einführungsprozess von Scrum Scrum bei verteilten eine Organisation grundlegend verän- Entwicklungsstandorten dern kann, sind die Anforderungen an das Ein IT-Unternehmen entwickelt eine Projektteam entsprechend hoch. Es muss Standardsoftware in einem Markt mit inScrum beherrschen und sollte zudem über tensivem Wettbewerb. In diesem Markt Erfahrung mit Veränderungsprozessen ver- positioniert sich das Unternehmen als fügen. Denn der Prozess muss nicht nur Technologieführer. Um der Herausfordemassgeschneidert werden, die während der rung des schnellen Innovationsrhythmus 6 •Dient der Abstimmung des Teams, es werden dabei keine Probleme gelöst •Es darf zusätzlich zum Team und zum ScrumMaster jeder Interessierte daran (passiv) teilnehmen besser gewachsen zu sein, führt die Firma schrittweise Scrum ein. Das Team war von Beginn an sehr an der Materie interessiert. Unterstützt wurde es durch Schulung, die Klärung der neuen Rollen sowie bei der ersten Erstellung spezifischer Dokumente. Der Wandel ging in diesem Fall schnell vor sich. Bereits bei der ersten Einführung eines Sprints lieferte das Team beachtliche Ergebnisse. Das neue Modell steigerte zudem schnell die Aufmerksamkeit, welche die Mitarbeitenden dem Testen widmeten. Scrum trug so zur Qualitätssteigerung bei. Die reibungslose Einführung ist umso bemerkenswerter, als das Unternehmen an drei verschiedenen Standorten entwickelt, während Scrum vorsieht, dass das Team in einem Raum arbeitet, um die Kommunikation möglichst zu vereinfachen. Trotz der Distanz wurde aber an den wesentlichen Punkten des Prozesses festgehalten. Das Daily Scrum Meeting findet auch in diesem Unternehmen statt, allerdings in Form einer Telefonkonferenz. Die notwendigen Sitzungen am Anfang und am Ende jedes Sprints werden dann als gemeinsame Meetings durchgeführt. Alle drei Wochen kommt das gesamte Team so für zwei Tage an einem Ort zusammen. Wie die beiden Beispiele zeigen, lässt sich Scrum in sehr verschiedenen Organisationen nutzbringend einführen. Dennoch ist das Modell nicht in jedem Fall die beste Schneller und besser durch Agilität | Scrum Da Scrum neue Rollen in eine Organisation einführt, ist durch die Veränderung auch das Selbstverständnis der Mitarbeitenden in Bezug auf ihre Aufgabe und ihre Position betroffen. Deswegen müssen die Mitglieder des Einführungsteams nicht zuletzt auch über ausgeprägte Soft Skills verfügen. Product Vision Sprint Backlog Daily Scrum Meeting Sprint Planning 2 Review Product Increment Product Backlog Selected Product Backlog Sprint Planning 1 Retrospective Abbildung 4: Der Scrum Fluss 35 Ideal 30 Tatsächlich 25 20 15 10 5 01. 01. 2010 02. 01. 2010 03. 01. 2010 04. 01. 2010 05. 01. 2010 06. 01. 2010 07. 01. 2010 08. 01. 2010 09. 01. 2010 10. 01. 2010 11. 01. 2010 12. 01. 2010 13. 01. 2010 14. 01. 2010 15. 01. 2010 16. 01. 2010 17. 01. 2010 18. 01. 2010 19. 01. 2010 20. 01. 2010 21. 01. 2010 22. 01. 2010 23. 01. 2010 24. 01. 2010 25. 01. 2010 26. 01. 2010 27. 01. 2010 28. 01. 2010 29. 01. 2010 30. 01. 2010 0 Wahl. Vor allem bei der Entwicklung von Produkten, die einer strengen Regulierung unterworfen sind, ist das unbürokratische Vorgehen, das Dokumenten keinen zentralen Platz einräumt, nicht optimal. Auf der anderen Seite existieren auch Märkte, in denen Scrum seine Vorteile voll ausspielen kann. Dies ist vor allem dann möglich, wenn sich die Technologie im Markt schnell weiterentwickelt oder neue Geschäftsfelder beschritten werden. In einem solchen Umfeld ist die Flexibilität der Methode und die mit ihr möglichen Tempo- und Qualitätssteigerungen besonders wertvoll. Abbildung 5: Sprint Burndown Diagramm für die Gegenüberstellung der geplanten und der tatsächlichen Geschwindigkeit des Teams Roland Oehen Kanzow Kontakt: roland.oehenkanzow@erni-deutschland.de Senior Consultant in der Firma ERNI (Deutschland) GmbH. Beratertätigkeit: Agiles Projektmanagement mit Scrum, Projektleitung, Requirements Engineering 7 Nearshoring | Mit Nearshoring den Aufschwung nutzen Mit Nearshoring den Aufschwung nutzen Outsourcing bringt Flexibilität und zusätzliches Know-how Der sich abzeichnende Aufschwung bietet Chancen für innovative Produkte. Für die Entwicklung neuer Geräte und neuer Software ist Outsourcing eine attraktive Option. Notwendig für das Gelingen der Auslagerung sind klar definierte Prozesse, eine intensive Kommunikation mit dem externen Team und eine klare Unterstützung durch das Management. Von Philipp Rey und Christoph Krauer 8 Mit Nearshoring den Aufschwung nutzen | Nearshoring Das Outsourcing von Entwicklungsaufgaben ist für westeuropäische Unternehmen beileibe nichts Neues. Geringere Kosten und Agilität sind die Gründe für eine Auslagerung. Doch die anziehende Konjunktur macht die Option noch einmal interessanter. Denn dadurch steigt nicht nur das Interesse an neuen Produkten, auch der Mangel an qualifizierten ITFachleuten in westeuropäischen Ländern verschärft sich bereits wieder. Land kommen. Dieses Wissen ist oft über Jahrzehnte gewachsen und häufig durch gezielte Geheimhaltung vor Nachahmern geschützt worden. ser geschützt als in den meisten Ländern Asiens. Hinzu kommt die ähnliche Kultur. Sie bewahrt nicht nur vor bösen Überraschungen, sondern erleichtert auch den Aufbau der Kooperation und die Koordination markant. Nicht zuletzt erleichtert aber auch die geografische Nähe die Kooperation. Da das externe Team nur wenige Flugstunden entfernt arbeitet, kann man in der Startphase oder auch bei Krisen schnell Treffen anberaumen, um Missverständnisse zu vermeiden oder zu beseitigen. Wegen dieses Kulturwandels dürfen Auslagerungsprojekte nicht unterschätzt werden. Sie sollten immer auch eine Management-Angelegenheit sein. Insbesondere muss entschieden werden, was in Übereinstimmung mit der Strategie des Unternehmens ausgelagert werden kann Doch so naheliegend die Auslagerung von und welches Know-how auf jeden Fall im Entwicklungsaufgaben momentan ist und Unternehmen bleiben muss. Beispiel 1 so alltäglich sie bereits zu sein scheint: Für Entwicklung einer Plattform-Software die Unternehmen stellt die Zusammenar- Darüber hinaus lässt sich der Einstieg ins Ein Industrieunternehmen entwickelt beit mit externen Partnern in der Regel Outsourcing durch Nearshoring erleich- eine neue Generation einer Gerätefamilie einen grossen Schritt dar. Dies vor allem, tern. Dies zum einen, weil das Rechtssys- im mittleren Preissegment. Der Innovatiweil das eigene IT-Personal plötzlich Wis- tem in Ländern wie Polen, Tschechien oder onszyklus für die Produkte liegt bei mehsen mit externen Dienstleistern teilen der Slowakei dem EU-Standard entspricht. reren Jahren, so dass die Entwicklungskamuss, die sogar noch aus einem anderen Das geistige Eigentum ist von daher bes- pazitäten nur zeitlich begrenzt gebraucht 9 Nearshoring | Mit Nearshoring den Aufschwung nutzen Die Requirements bilden bei agiler Arbeitsteilung die wichtigste Schnittstelle zwischen dem Auftraggeber und dem externen Team. Ihre Qualität ist deswegen bei Nearshoring Projekten matchentscheidend. werden. Wegen der höheren Flexibilität, aber auch aufgrund der geringeren Kosten, entscheidet das Management, Teile der Entwicklung in ein osteuropäisches Land outzusourcen. Das kleine externe Team wird für die Entwicklung der neuen Plattform-Software herangezogen. Die zentrale Einheit des Gerätes und das Betriebssystem werden dagegen bewusst nicht outgesourct. So ist sichergestellt, dass das Knowhow im Bereich der Kernfunktionen der Produkte inhouse bleibt. Das Projekt wurde unterdessen erfolgreich abgeschlossen. Zwei Faktoren waren für den Erfolg entscheidend: die intensive Kommunikation und die Definition des Prozesses. und Englisch dokumentiert. Zudem wurden Qualitätsstandards definiert. Sie umfassten auch die Festlegung von vorgeschriebenen Tests samt der notwendigen Protokolle und der Fehlerdokumentation. Wie Beispiel 1 zeigt, sollten externe Entwickler nur für einige Schritte des Projekts zugezogen werden. Der Auftraggeber selbst erarbeitet die Requirements und legt die Architektur fest. Der OutsourcingPartner übernimmt die Arbeit vom Design über die Implementation bis zu den Unit-Tests. System- und Akzeptanztests werden jedoch beim Auftraggeber selbst durchgeführt. Dieser stellt dann auch den Projektleiter, den Architekten, den RequiUm die externen Entwickler mit dem not- rements-Manager und den Testmanager. wendigen Domänenwissen auszustatten, holte das Unternehmen das gesamte Team Die Requirements bilden bei dieser Arbeitsfür eine Woche an den Firmensitz in die teilung die wichtigste Schnittstelle zwiSchweiz. Während des gesamten Projekt- schen dem Auftraggeber und dem externen verlaufs wurde eine intensive Kommuni- Team. Ihre Qualität ist deswegen matchkation aufrechterhalten. So gab es täglich entscheidend. Unternehmen, die zum Telefonate zwischen dem Hauptsitz und ersten Mal auslagern, müssen auf diesen dem Team in Osteuropa. Punkt entsprechend viel Gewicht legen. Gerade auch sehr erfolgreiche Firmen aus Neben der intensiven Kommunikation der Industrie verfügen oft über eingespielte war die saubere Definition der Kooperati- Teams und ein informelles Vorgehen, das onsprozesse von grosser Bedeutung. Um bei Inhouse-Entwicklungen zwar sehr efeine reibungslose Kooperation zu gewähr- fizient sein kann, beim Outsourcing aber leisten, wurden die Prozesse für die Zusam- schnell an Grenzen stösst. Denn das grosse menarbeit beschrieben sowie auf Deutsch implizite Wissen, das für die internen Mit- 10 arbeitenden selbstverständlich ist, kennen die externen Entwickler nicht. Um diese Herausforderung zu meistern, kann man zum Beispiel für jede Iteration einen Requirements-Workshop veranstalten, während dem die externen Entwickler ihr Verständnis der dokumentierten Anforderungen vorstellen. So können Missverständnisse erkannt und sofort ausgeräumt werden. Gleichzeitig stärken die Workshops auch das Vertrauen zwischen den Teams. Eine höhere Prozessreife erleichtert die Definition der Schnittstellen und der Kooperationsprozesse. Doch in jedem Fall existiert implizites Wissen, welches bei Beginn der Kooperation explizit gemacht werden muss. Kommunikation spielt deswegen immer eine wichtige Rolle, wie auch das folgende Beispiel zeigt. Beispiel 2 Entwicklung eines Informationssystems Ein IT-Unternehmen entscheidet sich, ein Informationssystem für das Management zu entwickeln. Ziel ist die Entlastung der Führungspersonen von administrativem Aufwand. Man entscheidet sich aus Kostengründen für Nearshoring. Die Prozessreife der Firma ist hoch. Der Entwicklungsprozess ist detailliert beschrieben, Mit Nearshoring den Aufschwung nutzen | Nearshoring und sämtliche Dokumente existieren in englischer Sprache. Dennoch wird grosser Wert auf die Schulung der externen Mitarbeitenden gelegt. So besuchen diese ein Training zum Entwicklungsprozess, den das Unternehmen selbst aufgebaut hat. Zudem existiert in diesem Fall wie auch beim ersten Beispiel implizites Wissen. Für die Mitarbeitenden der Firma ist selbstverständlich, wie welche Dokumente ausgefüllt werden sollen. Werden entsprechende Aufgaben an andere Teams ausgelagert, muss man dieses Wissen ebenfalls explizit machen, um nicht im Verlauf des Projekts immer wieder Überraschungen zu erleben. Gemeinsam legte man Prozesse und Qualitätsstandards fest. Insbesondere wurden auch die vorgeschriebenen Tests im Detail definiert. Bei der eigentlichen Entwicklung der Informationssoftware waren die Verantwortlichkeiten klar aufgeteilt. Die Spezifikationen wurden in der Schweiz entwickelt. Für das Design, die Implementation und die Tests bis zu den Systemtests war das externe Team verantwortlich. ihren Aufgaben, sondern haben oft auch noch Ideen zur Optimierung einer Neuentwicklung. Wer dank intensiver Kommunikation eine stabile Vertrauensbasis zwischen diesen externen Spezialisten und dem eigenen Team geschaffen hat, wird auch diese Ideen nutzen können. Das Nearshoring wird damit noch einmal attraktiver. Beachtet man die Bedeutung der Definition von Prozessen und Schnittstellen sowie der Kommunikation, geht die Einarbeitung der osteuropäischen IT-Spezialisten meist schnell vor sich. Die Zusammenarbeit zwischen internen Denn sie verfügen meist über jahrelange und externen Mitarbeitenden war des- Erfahrung aus verschiedensten Projekhalb in der Startphase entsprechend eng. ten. Sie arbeiten nicht nur zuverlässig an Das ERNI Team in der Slowakei Die Texte zum Thema Nearshoring in diesem ERNI Experience basieren auf den Erfahrungen von ERNI als Begleiter von Nearshoring-Projekten, aber auch als Outsourcing-Partner. Bereits seit einigen Jahren betreibt ERNI einen Standort in Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei. In Bratislava arbeiten hochqualifizierte IT-Spezialisten – allesamt mit Hochschulabschluss – vom JuniorEntwickler bis hin zu sehr erfahrenen und versierten Seniors. Sie befassen sich sowohl mit der Entwicklung neuer Produkte als auch mit derjenigen von Softwaresystemen. Hinzu kommt der Unterhalt von IT-Applikationen. Die Projekte werden jeweils in enger Zusammenarbeit mit anderen ERNI Standorten oder direkt beim Kunden tätigen ERNI Mitarbeitenden abgewickelt. Die bewährten Kompetenzen des Nearshoring-Centers umfassen: •Architektur, Design, Implementation und Testen von Software •Überwachung, Wartung und Deployment von operativen Applikationen •Bereitstellung von IT-Services •Project Management der Projekte und Aufträge. Erfahrungen bestehen darüber hinaus in der flexiblen Reaktion auf Kapazitätsschwankungen, unter anderem durch die Möglichkeit, rasch am Arbeitsmarkt und über das Netzwerk qualifizierte Ressourcen zu rekrutieren. Zudem ist der zügige Start neuer Projekte für das Team Alltag. Dies nicht zuletzt dank moderner Infrastruktur und etablierter, agiler Prozesse. Philipp Rey Kontakt: philipp.rey@erni.ch Business Unit Leader in der Firma ERNI Consulting AG. Beratertätigkeit: Projektmanagement und SW-Architektur. Christoph Krauer Kontakt: christoph.krauer@erni.ch Head Shared Service Center Bratislava & Business Unit Leader in der Firma ERNI Management Services AG. Beratertätigkeit: Nearshoring, Projektmanagement und Business Integration. 11 Outtasking | Betrieb und Wartung reibungslos verlagern Betrieb und Wartung reibungslos verlagern Nearshoring senkt Kosten und erlaubt Konzentration auf Kernkompetenzen Bei Wartung und Betrieb von IT-Applikationen ist Outsourcing attraktiv. Damit lässt sich einer der grössten Kostenblöcke in der IT reduzieren. Gleichzeitig kann sich das eigene Personal wieder auf die wertschöpfenden kreativen Tätigkeiten konzentrieren. Mit der richtigen Vorbereitung verlaufen die Übergabe und der weitere Betrieb reibungslos. Von Martin Sand und Heinz Schlatter Agil zu sein, bedeutet, über Prozesse, Produkte und eine Organisation zu verfügen, die durch keine überflüssigen Elemente gebremst werden und die sich schnell an wechselnde Bedürfnisse und Lasten anpassen können. Ein kostenoptimaler Betrieb und eine entsprechende Wartung scheinen sich nur schwer in dieses Konzept einfügen zu lassen. Betrieb und Wartung stellen eine Grundlast dar, die nicht stark schwankt und schlicht getragen werden muss. Dennoch: In der konkreten Situation vieler IT-Organisationen kann die Auslagerung die Agilität eines Unternehmens verbessern. Dann nämlich, wenn die Entwickler durch Routinearbeiten so sehr ausgelastet sind, dass sich ihre Möglichkeiten, spontan auf Anfragen und Spitzenbelastungen zu reagieren, markant reduzieren. Beispiel 1 Nearshoring von nächtlicher Überwachungstätigkeit Ein grosses Dienstleistungsunternehmen verfügt über eine komplexe IT-Landschaft. In der Nacht werden Batch-Jobs abgearbeitet. Die Abarbeitung und der erfolgreiche Abschluss der Batch-Jobs müssen permanent überwacht werden, da einige Jobs nur einmal pro Woche laufen. Tritt ein Problem auf, muss sichergestellt werden, dass die Jobs noch in der gleichen Nacht erledigt werden. Zudem müssen Fehler dokumentiert und weitergemeldet werden, so dass Massnahmen zu ihrer Behebung eingeleitet werden können. Die Überwachung wird von Entwicklern übernommen. Die Doppelbelastung durch die Routinearbeiten und die nächtliche Überwachung ist mit der Zeit gewachsen und relativ hoch. 12 Um die Entwickler von den Routineaufgaben zu entlasten und gleichzeitig die Kosten zu reduzieren, beschloss das Management, die Überwachung per Nearshoring outzusourcen. Bei der Auslagerung in ein osteuropäisches EUMitgliedsland ging man planmässig vor. Gemeinsam mit einem kompetenten Outsourcing-Partner ergänzte man die Definitionen und die Dokumentationen der Überwachungsprozesse. Besonders viel Wert wurde zudem auf das Training der externen Mitarbeitenden gelegt. Nicht zuletzt musste man sicherstellen, dass ihr Wissen über das System und ihre Aufgaben immer mit den neuesten Erkenntnissen ergänzt wurden. Man hat die externen Mitarbeitenden deshalb in die interne Kommunikation der Organisation integriert. Zusammen mit einem Partner konnte das Unternehmen die Herausforderungen meistern. Innerhalb weniger Wochen wurde die Überwachung ausgelagert. Ein erster Review drei Monate nach dem operativen Start ergab ein positives Ergebnis. Veränderungsbedarf sah man nur bei einem Punkt: Die externen Mitarbeitenden sollten mehr Zahlen für das Reporting liefern. Ein erster Schlüssel zum Erfolg bei Outsourcing-Aktivitäten ist, wie im geschilderten Beispiel, das Training der neuen externen Mitarbeitenden. Sie sollten einige Zeit vor Ort beim auslagernden Unternehmen arbeiten. Auf diese Weise sind sie in den täglichen Ablauf eingebunden und lernen das System sowie ihre Aufgabe im täglichen Betrieb kennen. Damit können sie sich optimal mit ihrer zukünftigen Arbeit vertraut machen. Betrieb und Wartung reibungslos verlagern | Outtasking Agil zu sein, bedeutet, über Prozesse, Produkte und eine Organisation zu verfügen, die durch keine überflüssigen Elemente gebremst werden und die sich schnell an wechselnde Bedürfnisse und Lasten anpassen können. 13 Outtasking | Betrieb und Wartung reibungslos verlagern Wegen der grossen Bedeutung der Kommunikation ist Nearshoring häufig der Auslagerung nach Fernost überlegen. Die kürzeren Distanzen erlauben häufigere Treffen. Zudem befindet man sich in der gleichen Zeitzone. Die ähnliche Kultur erleichtert die Kommunikation und den Vertrauensaufbau. Kommt hinzu, dass gerade in Osteuropa viele kompetente ITMitarbeitende sogar deutsch sprechen. Das Training vor Ort ist zudem von Bedeutung, weil es Vertrauen aufbaut zwischen den externen Mitarbeitenden und der auslagernden IT-Organisation. Solche Massnahmen zur Teambildung erleichtern später die Zusammenarbeit zwischen den räumlich getrennten Personen markant. Wegen der grossen Bedeutung der Kommunikation ist Nearshoring häufig der Auslagerung nach Fernost überlegen. Die kürzeren Distanzen erlauben häufigere Treffen. Zudem befindet man sich in der gleichen Zeitzone. Die ähnliche Kultur erleichtert die Kommunikation und den Vertrauensaufbau. Kommt hinzu, dass gerade in Osteuropa viele kompetente IT-Mitarbeitende sogar deutsch sprechen. Trotz der räumlichen und kulturellen Nähe empfiehlt es sich, als Leiter für das Auslagerungsprojekt eine Person zu wählen, welche die IT-Branche sowohl in westlichen Ländern wie auch im ausgewählten osteuropäischen Staat kennt. Einschlägige Erfahrungen helfen vor allem bei der Auswahl des Teams, das letztendlich mit den Arbeiten betraut wird. Service Desk soll als zentrale Anlaufstelle zum einen vordefinierte Service Requests abarbeiten, etwa beim Eintritt neuer Mitarbeitender oder bei einem Wechsel von Rechnern. Zum anderen hat es die Aufgabe, auf bestimmte Vorfälle im IT-Netzwerk des Unternehmens zu reagieren, etwa auf den Ausfall eines Druckers. Die Firma musste in diesem Fall die Prozesse beschreiben und gut dokumentieren. Dabei wurde insbesondere darauf geachtet, dass wenig Overhead entsteht. Insbesondere galt es, den Aufwand der Kommunikation zwischen den betroffenen Mitarbeitenden und dem Service Desk zu begrenzen. Zudem ist es aufgrund des schnellen Wachstums des Unternehmens von Bedeutung, dass die Prozesse gut skalieren. In Service Level Agreements (SLA) wurden die Leistungen des Service Desks im Detail vereinbart. Dank der gezielten Definition der Prozesse ging die Auslagerung reibungslos vor sich. Das Service Desk ist seit längerer Zeit operativ und hat sich gut bewährt. Eher noch komplexer war die Ausgangssituation in Beispiel 1. Viel Wissen über die komplexe IT-Landschaft steckte in den Köpfen der Mitarbeitenden. Man musste die Dokumentation ergänzen und darauf aufbauend Prozesse für die externen Mitarbeitenden definieren. Bei einer solchen Prozessverbesserung ist es wichtig, dass man pragmatisch vorgeht und nur so weit optimiert, wie es für das Ziel der Auslagerung notwendig ist. In Auslagerungsprojekten sind deswegen Know-how und Erfahrung in Prozessverbesserungen gefragt. Der dritte Schlüssel zum Erfolg neben der Kommunikation und der Auswahl des externen Teams ist die klare Definition der Prozesse, bei denen man kooperieren will. Für die Auslagerung von Wartung und Betrieb ist wie bei der Auslagerung von Entwicklungsarbeiten entscheidend, dass die Prozesse und die Schnittstellen sauber definiert und dokumentiert sind. Fast immer besteht in dieser Hinsicht am Anfang des Projekts Optimierungsbedarf. Deswegen beginnen Auslagerungsprojekte in der Regel mit einer Prozessverbesserung, wie das folgende Beispiel zeigt. Momentan ist der richtige Zeitpunkt für Auslagerungen. Wer jetzt Routinearbeiten an Beispiel 2 günstige Drittanbieter vergibt, kann nicht Auslagerung des Service Desks nur die Betriebs- und Wartungskosten seiner Ein schnell wachsendes Dienstleistungs- IT reduzieren. Er setzt auch Mittel und interunternehmen hat beschlossen, sein inter- ne Ressourcen frei, die für die Entwicklung nes Service Desk auszulagern. Man ent- neuer Produkte oder Angebote eingesetzt schied sich in diesem Fall für Nearshoring. werden können. Mit dieser Strategie lässt Übernommen wurden die Aufgaben von sich der Schwung der Konjunkturerholung einem kleinen Team in der Slowakei. Das voll für die eigene Organisation nutzen. 14 Betrieb und Wartung reibungslos verlagern | Outtasking Momentan ist der richtige Zeitpunkt für Auslagerungen. Wer jetzt Routinearbeiten an günstige Drittanbieter vergibt, kann nicht nur die Betriebs- und Wartungskosten seiner IT reduzieren. Er setzt auch Mittel und interne Ressourcen frei, die für die Entwicklung neuer Produkte oder Angebote eingesetzt werden können. Martin Sand Kontakt: martin.sand@erni.ch Heinz Schlatter Kontakt: heinz.schlatter@erni.ch Senior Consultant in der Firma ERNI Consulting AG. Beratertätigkeit: Projekt-/Produktmanagement und Business Analysis. Corporate Unit Leader in der Firma ERNI Consulting AG. Beratertätigkeit: IT-Service-Management und Process Improvement. 15 Architekturreview | Wie viel Qualität braucht ein IT-System? Wie viel Qualität braucht ein IT-System? Ein Architekturreview sorgt für Durchblick Ein IT-System muss die gestellten Anforderungen erfüllen. Alles, was darüber hinausgeht, erhöht neben dem Aufwand auch die Komplexität, ohne einen zusätzlichen Mehrwert zu bieten. Während dies beim Funktionsumfang meist berücksichtigt wird, werden im Bereich der qualitativen Anforderungen wie Performance, Sicherheit oder Wartbarkeit – im Widerspruch zu einem agilen Vorgehen – häufig Dinge umgesetzt, die so gar nicht benötigt werden. Ein Architekturreview kann überflüssige, aber natürlich auch ungenügend berücksichtigte Anforderungen aufdecken. Von Oliver Blindenbacher Je mehr Qualität, desto besser! Klingt einfach und einleuchtend. Doch bei ITLösungen geht diese Formel oft nicht auf. Denn je höher die Performance, die Ausfallsicherheit oder der Schutz vor Eindringlingen ist, desto komplexer wird das System. Das bedeutet mehr Aufwand bei der Dokumentation, der Wartung und bei allfälligen Erweiterungen. Mit anderen Worten: ein teurer Spass. Die sinnvolle Alternative dazu ist ein agiles Vorgehen beim Aufbau der Softwarearchitektur. Dabei lautet die Devise: So viel Qualität wie nötig – aber nicht mehr. Die Entscheide, die während der Erstellung der Softwarearchitektur gefällt werden, bestimmen darüber, welche qualitativen Anforderungen erfüllt werden und inwieweit eine Lösung bedarfsgerecht ist. Fehler und falsche Entscheide haben oft gravierende Auswirkungen und können ein System sogar unbrauchbar machen. Im Zweifelsfall lohnt es sich deshalb, die Architektur einer Prüfung zu unterziehen, am besten durch unabhängige Spezialisten von aussen. Denn intern sind Probleme oft blinde Flecken – oder sie sind bekannt, können aber nicht glaubhaft ans Management vermittelt werden. Das Mittel zur Prüfung – der Architekturreview – verursacht wenig Aufwand, wirkt sich aber langfristig positiv auf die Kosten eines Systems aus. Ein Architekturreview dient zur Evaluation von Architekturentscheiden bei neu zu entwickelnden Applikationen, aber auch bei Erweiterungen von bisherigen Anwendungen. Zudem kann er relevante Lücken in der bestehenden Dokumentation aufzeigen. 16 Wie viel Qualität braucht ein IT-System? | Architekturreview 2. Analyse der Architektur Vorgehen Architecture Tradeoff Analysis Method Als Basis dazu dienen hauptsächlich die Dokumentation sowie Interviews oder kurz ATAM – so nennt sich eine bei und Gespräche mit dem Architekten Architekturreviews häufig angewandte und weiteren Stakeholdern. Je nach Evaluationsmethode. Es ist ein Vorgehen Situation wird auch der Source-Code in vier Schritten: herangezogen. Dies hat sich in der Praxis als hilfreich herausgestellt. 1. Festlegung der Qualitätsziele Denn geschulte Architekten oder Ent Dabei spielen Szenarien die zentrale wickler können so schnell beurteilen, Rolle, sie konkretisieren die qualitaob die Applikation nach Best Practitiven Anforderungen (siehe Abb. 2). ces entwickelt wurde. Ein weiterer BeIn Bezug auf die Performance eines standteil der Analyse sind sogenannneuen IT-Systems könnte ein solches te «Walkthroughs»: Ein bestimmtes Szenario zum Beispiel lauten: «Das Szenario wird gedanklich durchgeÖffnen eines umfangreichen Dokuspielt. Dabei wird geprüft, ob die inments darf nicht länger dauern als volvierten Komponenten die notwenbisher.» Die durch die Szenarien prädigen Eigenschaften erfüllen. zisierten Ziele werden bewertet sowie nach Wichtigkeit (aus Businesssicht) und nach Komplexität (aus technischer 3. Identifikation von Risiken, Nicht-Risiken Sicht) priorisiert. Es geht grundsätzlich und Trade-offs um die Frage: Was ist wichtig, was ist Sind die Risiken bekannt, weiss man weniger wichtig? auch, wie mit ihnen umgehen. So lassen sich Vorschläge für Massnahmen erarbeiten: Wie können wir das Risiko reduzieren oder eliminieren? Wie hoch ist die Eintretenswahrscheinlichkeit? Doch auch die Nicht-Risiken wollen aufgezeigt sein. Das erspart unnötige Sorgen. Unter «Trade-offs» versteht man Qualitätsziele, die sich widersprechen, also z.B. hohe Performance vs. hohe Sicherheit. Tradeoffs erfordern stets Entscheide und Kompromisse. 4.Bewertung der Architektur Die Ergebnisse, ergänzt mit Vorschlägen für konkrete Massnahmen, werden in einer abstrahierten und auch für Nicht-Techniker verständlichen Form präsentiert. 17 Architekturreview | Wie viel Qualität braucht ein IT-System? Ein Architekturreview soll mögliche Gefahrenherde identifizieren und Gegenmassnahmen vorschlagen. Aktivitäten Qualitätsmerkmale 3. Qualitätsbaum erstellen 1. Geschäftsziele präsentieren 4. Qualitätsattribute bewerten 5. Szenarien identifizieren und priorisieren Abbildung 1: Allgemeines Vorgehen zur Architekturbewertung 2. Architektur präsentieren Artefakte Sensitive Punkte und Kompromisse 7. Analyse Nicht-Risiken 6. Architekturansätze identifizieren Risiken Relevanz Kosten Latenz Abbildung 2: Ausschnitt aus einem Qualitätsbaum mit zwei Szenarien Performance Durchsatz (M, H) > 1000 Benutzer Beispiel 1 Entscheidungsgrundlage für Weiterentwicklungen Ein Medizintechnikunternehmen verfügt über zwei Produktlinien, eine neue für ein vorerst kleines System und eine etwas ältere für grosse Systeme. Es stellt sich die Frage, auf welcher Basis neue Produkte entwickelt werden sollen. Nimmt man das Alter als Kriterium, spricht alles für die neue Software. Doch herrscht im Unternehmen allgemein ein ungutes Gefühl: Die neuen Geräte erweisen sich in der Praxis immer wieder als fehleranfällig und sind zudem schlecht erweiterbar. Die Bedienoberfläche der älteren Produkte ist zwar optisch etwas aus der Mode gekommen, aber die Produkte selbst sind sehr robust und sauber aufgebaut. Um der Sache auf den Grund zu gehen und die richtige Entscheidung zu treffen, lässt das Unternehmen von externen Spezialisten einen Architekturreview durchführen. Die Spezialisten analysieren die Dokumentationen der beiden Systeme, aber auch den Code selbst. Zudem führen sie Inter- 18 (M, L) Antwortzeit < 1s views mit mehreren Stakeholdern, darunter Architekten, Entwickler, Produktmanager und Mitarbeitende, die für die Wartung zuständig sind. Das Ergebnis bestätigt den ersten Eindruck: Das ältere System ist die bessere Basis für Weiterentwicklungen. Der Architekturreview hat dem Unternehmen eine Strategie für die Zukunft aufgezeigt: die Entwicklung eines neuen UserInterface-Layers und ein schrittweises Reengineering der älteren Technologie. Beispiel 2 Architekturreview vor globalem Rollout Ein global tätiges Dienstleistungsunternehmen plant, eine regional verwendete Software global auszurollen. Das Management weiss, dass dies neue Risiken mit sich bringt. Ein Architekturreview soll deshalb die möglichen Gefahrenherde identifizieren und Gegenmassnahmen vorschlagen. Als Risiken erweisen sich insbesondere die geringe Dokumentationstiefe und kom- Wie viel Qualität braucht ein IT-System? | Architekturreview plexe, nicht nach gängigen Standards umgesetzte Komponenten. Letztere führen zwar zu einer leicht besseren Performance, doch im System ist dies weder spür- noch nutzbar. Erstere ist eine Quelle von Fehlern und Missverständnissen: Was von den Entwicklern falsch verstanden wird, führt zu redundantem oder falsch angewandtem Code. Gleichzeitig wird durch den Review aber auch klar, welche Qualitätsziele keine Risiken bergen. Dass die Netzwerkperformance für die Benutzer nur während bestimmten Operationen von Bedeutung ist, ist für die Akzeptanz des Systems von grosser Bedeutung. Die Ergebnisse werden grafisch dargestellt. Das Management kann sie problemlos nachvollziehen. Zudem werden konkrete Empfehlungen abgegeben, wie die identifizierten Risiken entschärft werden können. Der Architekturreview hat konkrete Probleme und Massnahmen aufgezeigt sowie Unsicherheiten beseitigt. Der zeitliche Aufwand dafür betrug nur gerade drei Wochen. Fazit Architekturentscheide haben weitreichende Folgen. Dabei ist möglichst schnell, sicher oder erweiterbar nicht immer wünschenswert, da die damit verbundene Systemkomplexität zu mehr Aufwand bei späterer Weiterentwicklung oder Fehlersuche führt. Stattdessen empfiehlt sich ein agiles Vorgehen: Man setzt nur diejenigen Anforderungen um, die man wirklich benötigt. Ein Architekturreview hilft dabei, die richtigen Entscheide zu treffen, und liefert einem Unternehmen wichtige Hinweise für das Erreichen von Qualitätszielen. Zudem verursacht eine solche Prüfung verhältnismässig wenig Aufwand, wie die Beispiele gezeigt haben. Architekturentscheide haben weitrei- chende Folgen. Dabei ist möglichst schnell, sicher oder erweiterbar nicht immer wünschenswert, da die damit verbundene Systemkomplexität zu mehr Aufwand bei späterer Weiterentwicklung oder Fehlersuche führt. Voraussetzung für schnelle und gehaltvolle Ergebnisse ist ein kompetentes ReviewTeam, das über die nötigen Soft Skills verfügt. Denn einerseits muss es auf einer vertrauensvollen Basis mit dem betreffenden Architekten zusammenarbeiten können. Andererseits existieren in Unternehmen oft unterschiedliche Meinungen über die Risiken bestimmter IT-Lösungen. Da muss das Review-Team in der Lage sein, mit allen Beteiligten zielführend zu kommunizieren und zu einem unparteiischen Urteil zu kommen. In der Regel erfüllt ein externes Team diese Voraussetzungen besser als ein Team von Mitarbeitenden des betreffenden Unternehmens. Oliver Blindenbacher Kontakt: oliver.blindenbacher@erni.ch Senior Consultant in der Firma ERNI Consulting AG. Beratertätigkeit: Architektur, Design und Development sowie Requirements Engineering. 19 ERNI Consulting AG Casinoplatz 2 · CH-3011 Bern · Tel. +41 31 381 76 11 Talstrasse 82 · CH-8001 Zürich · Tel. +41 44 215 42 00 Bahnhofstrasse 4 · CH-6340 Baar · Tel. +41 41 227 35 00 ERNI (Deutschland) GmbH Orleansstrasse 34 · D-81667 München · Tel. +49 89 6228 6788 0 ERNI (Slovakia) s.r.o. Ševcenkova 34 · SK-851 01 Bratislava · Tel. +421 2 3255 37 37 www.erni.ch · info@erni.ch www.erni.ch/experience