Isländische Uferschnepfen
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Isländische Uferschnepfen
63. Jahrgang · Juni 2016 · D: € 4,95 · A: € 5,00 · CH: CHF 8,20 6 2016 Neue Vogelart: LigurienBartgrasmücke Im Aufwind: Bienenfresser Von Island ans Wattenmeer: Isländische Uferschnepfen Liebe Leserinnen und Leser, Ab Ende Juni werden die Tage schon wieder kürzer, aber zugegeben, bis Weihnachten ist es noch lange hin. Dennoch wollte ich Ihnen schon jetzt einen Vorschlag für ein Weihnachtsgeschenk machen: Schenken Sie sich selbst oder – besser noch – lassen Sie sich ein Fernglas schenken. Keine Frage, qualitativ hochwertige Ferngläser sind nicht günstig, aber Im Sommer zieht es viele die Investition lohnt Menschen auf die – noch sich. Außerdem halwenigen verbliebenen – ten Ferngläser in Kiesbänke entlang unserer der Regel viele, viele alpinen Wildflüsse. Ehemals Ligurien-Bartgrasmücke. Jahre. Und setzen Sie ein häufiger Lebensraum Foto: D. Occhiato. dieses Fernglas ein, so sind davon nur noch sehr oft wie möglich, nicht nur bei einer wenige Prozent der früheren Ausdehnung vorhanden. Diese aber sind gezielten Vogelwanderung oder wichtiger Lebensraum für Arten wie einer Urlaubsreise, zum Beispiel nach Italien, um die neuen Arten der Flussuferläufer und FlussregenpfeiBartgrasmücken nicht nur an ihrem fer. Im vorliegenden Heft stellt uns Gesang, sondern vielleicht sogar am Michael Schödl, der Gebietsbetreuer Aussehen unterscheiden zu lernen. Obere Isar und Karwendel, „seine“ Wie kompliziert die Ausweisung der Kiesbänke mit ihrer Vogelwelt geLigurien-Bartgrasmücke ist, lesen nauer vor. auf meinen Aufruf im Mai-Heft 2016, uns Beispiele für Webcams an Vogelnestern und -horsten zu nennen, sind in der Redaktion von DER FALKE eine große Anzahl von Meldungen eingegangen. In unserem Beitrag über die neuesten Webcams an See- und Schreiadlerhorsten haben wir eine Auswahl aufgelistet. Schauen Sie einfach einmal rein. Sie in diesem Heft. Ein Fernglas gehört aber auch ans Küchenfenster, wenn doch einmal ein paar Kraniche über den Himmel ziehen oder in der Birke vor dem Haus ein Trupp Schwanzmeisen landet. Die Qualität guter Ferngläser ist umwerfend, da kann man Details sehen, die sich kaum in einem Bestimmungsbuch widergeben lassen. Jede Feder, jede Farbnuance – und plötzlich wird aus der Amsel im Garten ein Individuum mit Merkmalen, die eine Wiedererkennung möglich machen. Nicht nur das, was am Horizont vorbeifliegt, lässt sich besser bestimmen, Ferngläser sind auch dazu da, in allernächster Nähe genauer hinzusehen, bis hin zu Schmetterlingen und Amphibien unmittelbar vor Ihren Füßen. Eine echte Bereicherung! Beste Grüße, Ihr Dr. Norbert Schäffer Inhalt ORNITHOLOGIE AKTUELL Neue Forschungsergebnisse Michael Schödl: 2 Leben auf Messers Schneide: Kiesbrüter 34 FOTOGALERIE BEOBACHTUNGSTIPP Sandbaden Christopher König, Christoph Moning, Christian Wagner, Felix Weiß: LESERBEOBACHTUNGEN Die Elbaue Jerichow in Sachsen-Anhalt: Sebastian Biele: Perle einer geschichtsträchtigen Auenlandschaft 5 Grund Nahrungsmangel: Bekassine auf Wanderung WALDVÖGEL Anita Schäffer: Etagenbewohner und Langstreckenzieher: Waldlaubsänger BIOLOGIE Hans-Heiner Bergmann: Neue Vogelart im Süden Europas: Ligurien-Bartgrasmücke Impressum Thomas Krumenacker: Adlerleben live: Einblicke in das Leben von See- und Schreiadler Dominic V. Cimiotti: Von Island ans Wattenmeer: Isländische Uferschnepfen Anita und Dr. Hans-Valentin Bastian: Lichtblick in unserer bedrohten Vogelwelt: Bienenfresser nach wie vor im Aufwind 24 39 AKTION Johannes Wahl, Karsten Berlin, Christopher König, 9 Andreas Leistikow: Das Birdrace 2016 im Rückspiegel: Frühsommerliches Rennen der Rekorde 40 VOGELSCHUTZ 12 Thomas Krumenacker: 16 Vogelschützer schlagen Alarm: Windkraft gefährdet wichtigsten Zugtrichter des europäisch-afrikanischen Vogelzugs 42 17 50 Jahre Wanderfalkenschutz in Baden-Württemberg 48 18 LEUTE & EREIGNISSE Termine, TV-Tipps 43 BILD DES MONATS 28 Rätselfoto und Auflösung 46 Der Falke 63, 6/2016 1 Biologie Von Island ans Wattenmeer: Isländische Uferschnepfen Island hat neben brodelnden Quellen und seinen weltberühmten Vogelfelsen noch eine weitere Besonderheit zu bieten, die „Isländische Uferschnepfe“. Deren Bestände haben im Gegensatz zu der überwiegend in Kontinentaleuropa brütenden Form der Uferschnepfe in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. In Deutschland werden Isländische Uferschnepfen seit der Jahrtausendwende in stark ansteigender Zahl gemeldet. Sie sind im Vergleich zu den heimischen Uferschnepfen etwas kleiner und kräftiger gefärbt, aber ihre Bestimmung ist selbst für Watvogelexperten nicht immer einfach. D ie Uferschnepfe kommt weltweit in drei Unterarten vor. Das Brutareal der Nominatform Limosa limosa limosa erstreckt sich in einem schmalen Band von Spanien bis Zentralasien und reicht im Norden bis ins südliche Skandinavien. Die Unterart melanuroides brütet in mehreren getrennten Arealen in der Mongolei, in Nordchina und in Sibirien. Die dritte Unterart Limosa limosa islandica kommt, wie ihr Name vermuten lässt, vor allem auf Island vor. Es besteht zudem seit 1950 auch ein kleineres Brutvorkommen mit maximal 125 Paaren auf den Lofoten im Nordwesten Norwegens. Wenige Paare brüten auf den Shetland- und Färöer-Inseln. Nach der Brutzeit ziehen die isländischen Brutvögel zunächst vor allem in Flussmündungen Ost- und Nordwestenglands. Später wandert ein Teil der Vögel weiter nach Südwesten, wo sie an der irischen, französischen, portugiesischen oder marokkanischen Küste überwintern. Inzwischen verbringen Isländische Uferschnepfen auch in größerer Zahl den Winter in den Niederlanden. Im Gegensatz zur Nominatform haben die Bestände der Isländischen Uferschnepfe, vermutlich aufgrund für sie günstiger klimatischer Veränderungen in den Brutgebieten, in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Dabei haben offenbar auch Änderungen in der Landnutzung (Zunahme von Heuwiesen und Grabensystemen) eine Rolle gespielt. Trotz der Zunahme der isländischen Unterart weist die Uferschnepfe in Europa insgesamt einen stark negativen Bestandstrend auf. Sie steht inzwischen sogar auf der globalen Vorwarnliste bedrohter Vogelarten. Der Hauptgrund dafür liegt in der Bestandsabnahme der Nominatform in ihrem Kernverbreitungsgebiet in den Niederlanden und in Norddeutschland. Der 18 knapp 1500DermFalke hohe 63, Hekla 6/2016 zählt zu den drei aktivsten Vulkanen auf Island. Er thront über den wichtigsten UferschnepfenBrutgebieten im Südwesten der Insel. Foto: D. Cimiotti. 12.6.2008. » Im Fokus internationaler Forschung Der oben beschriebene Zugweg macht die Isländische Uferschnepfe zu einem idealen Objekt der Wat- und Zugvogelforschung. Denn insbesondere in England, den Niederlanden und Portugal richten sich die Spektive Hunderter Vogelbeobachter und Ornithologen auf die eleganten Vögel. Dabei werden viele Uferschnepfen entdeckt, die zuvor auf Island, in England oder auch auf der Iberischen Halbinsel mit individuellen Farbringkombinationen markiert worden waren. Einzelne Uferschnepfen werden so oft Dutzende Male in ihrem Leben an verschiedenen Stationen ihres Zugweges registriert. Beispielsweise wurde ein Vogel, der 2011 auch in Deutschland gesichtet wurde, unter anderem fast fünfzig Mal in Portugal sowie jeweils mehrfach in Frankreich, den Niederlanden, England und Schottland festgestellt. Dabei ist ein einmaliger Datenschatz entstanden, mit dessen Hilfe sich zahlreiche ökologische und naturschutzrelevante Fragen klären lassen. Beispielsweise konnte der isländische Altvogelbestand um die Jahrtausendwende mit Fang-WiederfangModellen auf rund 37 500 Individuen geschätzt werden. In die Berechnungen flossen Erfassungen der im Frühjahr eintreffenden Uferschnepfentrupps ein, bei denen gezielt auf zuvor in England farbberingte Vögel geachtet wurde. Damit konnte hochgerechnet werden, wie viele Uferschnepfen bei den Erfassungen übersehen wurden und wie hoch folglich der Gesamtbestand war. » Von der Rarität zum regelmäßigen Gast Männchen der Isländischen Uferschnepfe am Brutplatz. Die Bestandszunahme der Isländischen Uferschnepfe in den letzten Jahrzehnten macht sich auch in Deutschland bemerkbar. Mit ihrem Auftreten beschäftige sich erstmals ein Artikel von Thorsten Krüger aus dem Jahr 2010. Demnach gelangen die ersten Nachweise der Isländischen Uferschnepfe in Deutschland im Mai 1972 in den Rieselfeldern Münster sowie im Mai 1981 auf der Helgoländer Düne. Die nächstfolgenden Beobachtungen im Jahr 1997 markierten bereits den Beginn einer rasanten Zunahme der Nachweise. Im Jahr 2010 wurden erstmals mehr als einhundert Individuen in einem Trupp gezählt. Diese Entwicklung setzte sich in den letzten Jahren fort. So wurden im Jahr 2014 nach den Daten auf ornitho.de knapp 1800 Isländische Uferschnepfen in Deutschland gemeldet (Summe der Dekadenmaxima aller Gebiete). Maximal wurden 460 Individuen in einem Trupp bei Leer (Ostfriesland) im April 2014 durch Helmut Kruckenberg beobachtet. Isländische Uferschnepfen rasten bei uns vor allem in Brack- und Süßwasserlebensräumen im Bereich der Nordseeküste. Es gelangen aber auch Nachweise tief im Binnenland, die meisten in den Rieselfeldern Münster. Isländische Uferschnepfen treten im Frühjahr vor allem in den Monaten März bis April bei uns auf. Der Durchzugsgipfel Anfang bis Ende April fällt in eine Zeit, in der die meisten einheimischen Uferschnep- Anzahl Individuen 1400 2012 2013 2014 Foto: D. Cimiotti. Kaldardarnes, 13.6.008. fen bereits brüten. Nach der Brutzeit werden Isländische Uferschnepfen ab Juli, während viele heimische Uferschnepfen dann bereits in ihre Winterquartiere abgezogen sind. Doch woher stammen die Isländischen Uferschnepfen, die in Deutschland rasten? Eine ursprüngliche Vermutung ging davon aus, dass es sich bei den Isländischen Uferschnepfen in Deutschland um Angehörige der norwegischen Population handeln könnte, da diese auf ihrem Zugweg nach Westeuropa entlang der Küstenlinie nach Deutschland gelangen könnten. Im neuen deutschen 2015 1200 1000 800 600 400 Maximum je Ort 1-7 8 - 20 21 - 50 Nov Sep Jul Mai Mrz Jan 200 Phänologie der Isländischen Uferschnepfe (L. l. islandica) in Deutschland in den Jahren 2012 bis 2015 nach den Daten auf ornitho.de. Dargestellt ist die Summe der gebietsbezogenen Dekadenmaxima, der Monatsbeginn ist jeweils markiert. Nahe beieinander liegende Orte (bis circa 3 km) wurden zu einem Gebiet zusammen gefasst, um Mehrfachzählungen derselben Trupps zu vermeiden. Für einen Teil der Meldungen steht die Anerkennung durch die zuständige avifaunistische Landeskommission noch aus. 51 - 150 151 - 400 >400 Verbreitung der Isländischen Uferschnepfe in Deutschland 2012–2015 nach Meldungen auf ornitho.de. Quelle: DDA. Der Falke 63, 6/2016 19 Biologie Typisch gefärbtes Männchen der Unterart islandica im isländischen Brutgebiet. Charakteristisch sind die intensiv rotbraune Färbung der Brust, die ausgedehnte Bänderung am Bauch und der recht kurze Schnabel. Foto: P. Hering. 6.7.2014. Ringfundatlas werden hingegen acht isländische Beringungsorte von später in Deutschland, insbesondere in Niedersachsen, beobachteten Uferschnepfen dargestellt. Dies beweist zumindest eine Beteiligung der kopfstarken isländischen Population an dem Auftreten in Deutschland. Eine Besonderheit stellen die „Spätherbst-Uferschnepfen“ dar, die seit einigen Jahren von Oktober bis zum Teil Anfang Januar in Nordfriesland im Bereich des Hauke-Haien-Kooges und Fahretofter Kooges gesehen werden. In den letzten Jahren wurden hier jeweils maximal um die 100 Der Falke 63, 6/2016 Foto: P. Hering. 29.6.2014. Vögel, als Höchstzahl 110 Individuen beobachtet. Außerhalb von Nordfriesland werden ab Oktober kaum noch Uferschnepfen in Deutschland gesichtet. Soweit erkennbar, handelte es sich bei den nordfriesischen Schnepfen zumindest teilweise um Angehörige der Unterart islandica. Bemerkenswerterweise wurden zu dieser Zeit nie beringte Uferschnepfen gesehen, obwohl mehrere Prozent der isländischen Population farbberingt sind. Dies könnte ein Hinweis auf norwegische islandica sein. Letztlich können aber auch Vögel der Unterart limosa nicht gänzlich ausgeschlossen Männliche Uferschnepfe der Unterart limosa im Brutgebiet auf Föhr. Männchen der Nominatform ähneln in ihrer Färbung weiblichen islandica, zeigen jedoch das limosa-typische Muster der Mantelfedern. Foto: P. Hering. 18.4.2013. 20 Weibchen der Unterart islandica auf Island. Diese haben im Vergleich zu den Männchen einen längeren Schnabel und sind an Rücken und Brust meist weniger bunt gefärbt. werden. Ringablesungen oder Beringungen vor Ort werden hoffentlich dazu beitragen, dieses Rätsel eines Tages zu lösen. » Unterscheidung der Uferschnepfen-Unterarten Die verbesserte Kenntnis zur Unterscheidung der UferschnepfenUnterarten hat vermutlich mit zum „Boom“ Isländischer Uferschnepfen in Deutschland beigetragen. Die Uferschnepfe zählt mit ihren langen Beinen, dem langen Schnabel und dem charakteristischen Färbungs- Weibchen der Unterart limosa auf Föhr. Diese sind aufgrund ihrer meist gräulichen Oberseite und des sehr langen Schnabels leicht von Isländischen Uferschnepfen zu unterscheiden. Foto: P. Hering. 17.4.2014. muster im Flug zu den am einfachsten zu erkennenden Watvogelarten in Europa. Die Unterscheidung ihrer zwei europäischen Unterarten im Freiland ist dagegen je nach Kleid und Geschlecht der Vögel kompliziert bis nicht möglich. So lassen sich Uferschnepfen im Schlichtkleid nicht einer Unterart zuordnen. Am einfachsten zu erkennen sind männliche islandica im Prachtkleid sowie juvenile islandica anhand ihrer Gefiederfärbung. Typische islandicaMännchen weisen eine intensiv rostrote Färbung von Kopf, Hals und Brust auf, die an Pfuhlschnepfen erinnert. Brust und Bauch sind intensiv dunkel gebändert, oftmals bis zu den Unterschwanzdecken. Die Oberseite weist einen hohen Anteil von Prachtkleidfedern auf (bis zu 100 %), die häufig ein typisches „Schachbrettmuster“ bilden. Dieses entsteht durch die Detailfärbung der Mantel- und Schulterfedern mit breiten, senkrecht zum Federschaft stehenden roten und schwarzen „Zacken“. Im Jungendkleid zeigen islandica eine charakteristische Färbung der Schirmfedern mit meist mehreren roten Zacken sowie eine kontrastreiche Färbung von Hals und Kopf (rötlicher Hals, helles Gesicht, dunkler Zügel und heller Überaugenstreif). Generell sind Isländische Uferschnepfen etwas kleiner als Vögel der Nominatform. Bei islandica ragen im Flug meist nur die Zehen über den Schwanz hinaus, während bei den langbeinigeren limosa auch ein Teil des Laufs übersteht. Männliche islandica haben auffallend kurze Schnäbel in Verbindung mit einer rundlichen Kopfform mit steiler Stirn. Die Schnabellänge unterscheidet sich jedoch nicht zwischen islandica-Weibchen und limosa-Männchen. Einen Hinweis auf die UnterartenZugehörigkeit liefert auch der Mauserzustand. Da Uferschnepfen im Norden Europas später brüten, mausert islandica in allen Altersstufen später als limosa. Das bedeutet, dass islandica im Spätsommer länger das Prachtkleid bzw. im Herbst länger das Jugendkleid oder deren Reste tragen als Vögel der Nominatform. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nicht alle nordischen Uferschnepfen zur Form islandica gehören. So fielen dem Autor im Juli 2015 in Nordfriesland zwei noch besonders „bunte“ Altvö- Uferschnepfen unterm Vulkan: Blasse oder kräftig gefärbte Männchen bevorzugt? Von Mai bis Juni 2008 führte ein Team der Universität Groningen aus den Niederlanden Untersuchungen zur Partnerwahl und Brutbiologie bei Uferschnepfen auf Island durch, vor allem im Bereich eines ehemaligen Militärflugplatzes der Royal Air Force aus dem Zweiten Weltkrieg bei Kaldadarnes im Südwesten der Insel. Dieser Ort gehört zusammen mit den umliegenden küstennahen Marschen zu den traditionellsten Brutplätzen der Uferschnepfe auf Island. Auf den ersten Blick ähneln die dortigen Brutgebiete den aus Norddeutschland bekannten Wiesenvogelgebieten: flache, offene Landschaft, teilweise mit landwirtschaftlicher Grünlandnutzung und Vorkommen von Austernfischern, Rotschenkeln und Bekassinen. Die Gemeinsamkeiten hören jedoch schnell auf, wenn man auf brütende Sterntaucher, Regenbrachvögel und Odinshühnchen trifft, ganz zu schweigen vom erhabenen Anblick der isländischen Berge und des Hekla-Vulkans im Inselinneren. Im Mittelpunkt der damaligen Studien stand die Frage, ob weibliche Uferschnepfen kräftig oder weniger stark gefärbte Männchen bevorzugen. Vorausgegangene Untersuchungen von Julia Schröder in den Niederlanden hatten gezeigt, dass dort ein großes Eivolumen mit einer eher blassen Färbung der ausgewählten Männchen zusammenhing. Auf Island stellte sich nun das Gegenteil heraus: Weibchen mit kräftig gefärbten Männchen legten größere Eier. Die Ursache könnte möglicherweise darin liegen, dass die Männchen der wachsenden isländischen Population einer größeren Konkurrenz um die besten Brutreviere ausgesetzt sind. Ein prächtiges Federkleid stellt nach der Theorie der sexuellen Selektion ein Signal für eine hohe Fitness des Männchens gegenüber den Weibchen dar. Solche Männchen besetzten oft die besten Reviere für die Jungenaufzucht. Weibchen, die sich mit solchen Männchen verpaaren, sind möglicherweise eher bereit, viel in die Reproduktion zu investieren und große Eier mit optimalen Startbedingungen für die Küken zu legen. Doch warum ist es in den Niederlanden anders? Dieser Umstand wurde darauf zurückgeführt, dass die Nahrungsverfügbarkeit für Uferschnepfen in der niederländischen Agrarlandschaft durch die Stickstoffanreicherung im Boden gestiegen ist. In der Folge könnten für die Weibchen blassere Männchen attraktiver sein, die kleinere Reviere beanspruchen und eher mit anderen Männchen kooperieren, beispielweise beim gemeinsamen Vertreiben von Feinden. Interessanterweise sind die niederländischen Männchen in den vergangenen 150 Jahren tatsächlich blasser geworden bzw. der Färbungsunterschied zwischen den Geschlechtern hat abgenommen. Nicht alle Männchen der Unterart islandica sind auffallend bunt gefärbt. Der abgebildete Vogel zeigte gräuliche Armdecken und Schirmfedern, jedoch das für islandica charakteristische Muster der Schulterfedern und einen typischen kurzen Schnabel. Foto: D. Cimiotti. 17.6.2008. Der Falke 63, 6/2016 21 Biologie Küstennahe Marschen zählen zu den optimalen Brutgebieten der Isländischen UferschnepFoto: D. Cimiotti. 11.6.2008. fe. Im Vordergrund ist eine Sterntaucherfamilie zu erkennen. gel auf, die beringt waren. Es stellte sich heraus, dass diese aus Finnland stammten, wo rund hundert Paare der Nominatform brüten – so weit nördlich wie auch Isländische Uferschnepfen auf Island. Bei der Bestimmung von Uferschnepfen sollte die hohe individuelle Variation in Färbung, Mauser und Größe beachtet werden. Es sind nicht alle islandica so extrem gefärbt, wie dies publizierte Bilder suggerieren. Gleichzeitig können limosa, besonders unter bestimmten Lichtverhältnissen, intensiv rotbraun wirken. Daher können oft nur einzelne Individuen aus größeren Trupps als mutmaß- liche islandica angesprochen werden, während andere unbestimmt bleiben müssen. Beobachtungen Isländischer Uferschnepfen in Deutschland sollten gründlich und möglichst fotografisch dokumentiert werden. Besonders wertvoll sind Ablesungen beringter Uferschnepfen. Literatur zum Thema: Baierlein F et al. 2014: Atlas des Vogelzugs. Ringfunde deutscher Brut- und Rastvögel. Aula-Verlag, Wiebelsheim. BirdLife International 2015: Speciesfactsheet: Limosa limosa. Download von www.birdlife.org am 8.11.2015. Gill J A et al. 2007: Contrasting trends in two Black-tailed Godwit populations: a review of causes and recommendations. Wader Study Group Bull. 114: 43–50. Gunnarsson T G et al. 2005: Estimating population size in black-tailed godwits Limosa limosa islandica by colour-marking. Bird Study. 52: 153–158. Hellquist A 2006: Die Bestimmung von Uferschnepfen Limosa limosa der Unterart islandica. Limicola 20: 121-157. Krüger T 2010: Das Vorkommen der Isländischen Uferschnepfe Limosa limosa islandica in Deutschland. Limicola 24: 89-116. Schröder J et al. 2010: Associations in male plumage ornamentation and reproductive parameters in the Icelandic Black-tailed Godwit Limosa limosa islandica. Wader Study Group Bull. 117: 85–90. Dominic V. Cimiotti Dominic Cimiotti ist Biologe und war an brutbiologischen Untersuchungen an Uferschnepfen auf Island und in Deutschland beteiligt. Er beobachtet regelmäßig Isländische Uferschnepfen im Wattenmeer und liest Farbringe von Watvögeln ab. Mein Dank gilt J. Schröder und M. Roodbergen für die Gelegenheit, an den Feldarbeiten in Island teilzunehmen. T. Gunnarsson und J. Gill stellten Informationen zu farbberingten Uferschnepfen zur Verfügung. J. Wahl (DDA) und den Melderinnen und Meldern sei für die Daten auf ornitho.de gedankt. Uferschnepfe der Unterart islandica im Jugendkleid (links) zusammen mit einer Pfuhlschnepfe. Charakteristisch für junge islandica sind die kontrastreiche Färbung der Schirmfedern, Armdecken und des Kopfes. Foto: Ó. Runólfsson. 2.9.2011. 22 Der Falke 63, 6/2016 Im 62. Jahrgang www.falke-journal.de Monat für Monat lesen Sie … Neues zur Biologie und Ökologie der Vögel Vorstellungen interessanter Beobachtungsgebiete Perspektiven im nationalen und internationalen Vogelschutz Hilfe bei „kniffligen“ Bestimmungsfragen Reise- und Freizeittipps Kurzberichte über bemerkenswerte Beobachtungen von Lesern Veranstaltungen, Kontakte, Besprechungen und Kleinanzeigen 1. 2. Poster „Stadtvögel“ als „Dankeschön“ für die Anforderung eines unverbindlichen Probeheftes Zusätzlich das „Merk- und Skizzenbuch für Vogelbeobachter“, wenn Sie sich für ein Test-Abo zum Preis von nur € 9,95 für 3 Hefte (inkl. Versand) entscheiden. Preisstand 2016 – Änderungen vorbehalten » » » » » » » DER FALKE erscheint: 12 x im Jahr mit je 44 Seiten, durchgehend farbig, immer am Monatsanfang. € 56, - (Schüler/innen, Studenten/innen, Azubis € 39,95, Bescheinigung erforderlich) zzgl. Versandkosten. Verlagsanschrift: AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim, Tel.: 06766/903-141, Fax: -320, E-Mail: vertrieb@aula-verlag.de Abonnentenservice: Frau Britta Knapp, Tel.: 06766/903-206 3. Wenn Sie sich zu einem Abonnement entschließen, erhalten Sie als Begrüßungsgeschenk ein Qualitäts-Multi-Tool im Lederetui … und SofortAbonnenten erhalten dazu noch den praktischen Sammelordner für einen Jahrgang! www.falke-journal.de Ja, ich möchte DER FALKE kennenlernen! Absender: Bitte schicken Sie mir ein unverbindliches Probeheft. Name Ich bestelle ein Test-Abonnement zum Preis von € 9,95. Wenn ich den DER FALKE anschließend im Abonnement zum Preis von € 56,- (ermäßigt € 39,95 – Bescheinigung erforderlich) für 12 Monate zzgl. 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