abschlussarbeit jugendreferentenseminar
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abschlussarbeit jugendreferentenseminar
von Stefanie Stückler Wie schaut dein beruflicher Werdegang aus? Nach der Handelsoberschule in Bruneck absolvierte ich das dreijährige Laureatsstudium „Kommunikationswissenschaften im mehrsprachigen Kontext“ an der „Freien Universität Bozen“ in Brixen. Danach arbeitete ich neun Monate als Moderator und Werbeberater beim Privatradiosender „Radio 2000“ in Bruneck, u.a. war ich für die wöchentliche Moderation einer Diskussionssendung mit vielen Südtiroler Persönlichkeiten verantwortlich. Zuletzt war ich drei Monate in meinem Heimatdorf als Zähler für die „Volkszählung 2011“ unterwegs. Vielen Dank für dieses interessante Interview. Ich wünsche dir für deine Vorhaben Alles Gute! Foto rechts: Hannes Zingerle am Zuckerhut von Rio de Janeiro. Abschlussarbeit Jugendreferentenseminar Feel the music – Musik für Gehörlose. Ein interessantes Thema, mit dem sich Tina Ruß, Absolventin des Jugendreferentenseminars Süd, beschäftigte. Die Arbeit der 20jährigen Steirerin und Mitglieds der Marktmusikkapelle Gaishorn-Treglwang wurde im Herbst in Zeillern/Niederösterreich prämiert und von Tina präsentiert. Musik empfinden und gehörlos sein? Für die meisten Menschen ein Widerspruch in sich. Doch dass Musik für viele Gehörlose sehr wichtig sein kann, ist den meisten Hörenden nicht klar. Das liegt vermutlich daran, dass viele Menschen „gehörlos sein“ aus medizinischer Sicht sehen und somit die Defizite der Gehörlosigkeit in den Vordergrund gerückt werden. Hörende und schwerhörige Personen nehmen Musik vor allem über ihr Gehör wahr, allerdings ist es auch für sie möglich, die Vibrationen der Musik zu spüren. Schallwellen tieferer Töne werden zum Beispiel als rhythmische Druckänderung auf der Haut und Rauhheit im Ohr empfunden. Tina Ruß studiert seit 2009 Österreichische Gebärdensprache an der Karl-Franzens Universität Graz und darum war es für sie naheliegend sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Tina erklärt: „Ich zählte Gehörlosigkeit auch zu einer Behinderung, dachte aber zunächst nicht daran, dass gehörlose Personen eher einer sprachlichen Minderheitengruppe angehören, mit eigener Sprache und Kultur. Musik kann für Gehörlose ebenso zum Leben gehören wie es bei Hörenden der Fall ist. Man muss natürlich bedenken, dass nicht für jeden Gehörlosen Musik eine Besonderheit ist.“ Möglichkeiten zur Wahrnehmung von Musik bei Gehörlosen Es gibt Gehörlose, die noch ein Resthörvermögen besitzen. Nur etwa 10% der Menschen mit Hörbeeinträchtigung sind tatsächlich aus medizinischer Sicht zur Gänze gehörlos, ohne Resthörvermögen. Mit diesen Hörresten ist es möglich, besonders tiefere Frequenzbereiche noch wahrzunehmen. Von links nach rechts: Alois Loidl (Präsident des Österreichischen Blasmusikverbandes), Hans Brunner (Bundesjugendreferent), Tina Ruß (Absolventin) und Andreas Schaffer (Leiter des Jugendreferentenseminars SÜD). 3-2012 öbj 3 Abschlussarbeit Jugendreferentenseminar „Zahlreiche Forschungsprojekte in den USA haben bewiesen, dass gehörlose Personen die vier Komponenten von Klängen (Klangfarbe, Tonhöhe, Lautstärke und Rhythmus) durch ihren ausgeprägten Vibrationssinn wahrnehmen können. So werden auch verschiedene Instrumente unterschiedlich wahrgenommen, und zwar so exakt, dass es sich zur Wahrnehmung von hörenden Menschen kaum unterscheidet“, so Tina Ruß. Zur Musik gehört auch der Tanz. Beim sogenannten Gehörlosentanz, der die verschiedensten Stile umfasst, ist es wichtig, dass die gehörlosen Tänzer die Vibrationen der Musik und somit den Takt spüren können. Dies ist bei lauter Musik leichter. Gehörlose machen auch selbst Musik. Eine Art der Gehörlosenmusik sind die sogenannten Gebärdenchöre. Sie musizieren tonlos und übertragen die Lieder in die Gebärdensprache. Meistens werden die Lieder synchron dargestellt, es gibt aber bereits modernere Varianten, bei denen die Chormitglieder verschiedene Bewegungsabläufe tätigen. Im Dezember 2010 sang zum Beispiel ein Gebärdenchor mit 25 Kindern und Jugendlichen drei Strophen der österreichischen Bundeshymne im Parlament in Wien. Eine noch etwas neuere Kunstform der Gebärdensprache ist der Gebärdenrap. Dies ist nur eine kurze Zusammenfassung der Abschlussarbeit von Tina Ruß. Wollen Sie mehr dazu lesen, dann laden Sie die ganze Arbeit auf www.winds4you.at/seminararbeiten herunter! Tina Ruß bei der Präsentation ihrer Abschlussarbeit CD: Eingespielte Literatur für die Übertrittsprüfung von der Unter– in die Mittelstufe bzw. Prüfung zum (Jung)musikerleistungsabzeichen Bronze SAXOPHON Gemeinsam mit den beiden Künstlern Markus Holzer, Saxophon und Stefan Schön, Klavier hat die Österreichische Blasmusikjugend eine CD mit der eingespielten Literatur für die Übertrittsprüfung von der Unter– in die Mittelstufe bzw. Prüfung zum (Jung)Musikerleistungsabzeichen in Bronze für Saxophon herausgebracht. Durch die Play-Along Funktion können die jungen Saxophonisten zuerst zur Version für Saxophon und Klavier spielen. Danach kann die Solo-Stimme zur Klavierbegleitung dazu gespielt werden. Die CD (15,– € zuzügl. Versand) ist bei der Österreichischen Blasmusikjugend oder bei dem Saxophonisten Markus Holzer erhältlich: Österreichische Blasmusikjugend eMail: office@winds4you.at, Tel.: 04762/36280 oder direkt über das Bestellformular http://www.winds4you.at/obj/bestellung 4 3-2012 öbj Seminararbeit zum 6.Jugendreferentenseminar Süd 2010 von Tina Ruß EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Seminararbeit selbstständig verfasst, und in der Bearbeitung und Abfassung keine anderen als die angegebenen Quellen oder Hilfsmittel benutzt, sowie wörtliche und sinngemäße Zitate als solche gekennzeichnet habe. Unterschrift Datum: 2 Inhaltsverzeichnis 1.) Einleitung…….…………………………………………………………………..4 2.) Gehörlosenkultur…………………………………………………………………5 3.) Hörschädigungen…………………………………………………………………7 4.) Möglichkeiten zur Wahrnehmung von Musik bei Gehörlosen……………………9 5.) Gehörlosentanz……………………………………………………………………10 6.) Gehörlosenmusik………………………………………………………………….12 6.1) 6.2) Musik für Gehörlose…………………………………………………..12 Musik von Gehörlosen………………………………………………..12 7.) Berühmte gehörlose Musiker……………………………………………………...14 7.1) Evelyn Glennie…………………………………………………………….14 7.2) Ludwig Van Beethoven……………………………………………………14 7.3) Sarah Neef…………………………………………………………………15 7.4)Sean Forbes…………………………………………………………………15 8.) Weitere Kunstformen der Gebärdensprache………………………………………16 9.) YouTube/ My Video Links………………………………………………………...18 10.) Quellenangabe……………………………………………………………...19 3 1.) Einleitung Musik empfinden und gehörlos sein? Für die meisten Menschen ein Widerspruch in sich und absolut unmöglich in Zusammenhang zu bringen. Doch dass es in Wirklichkeit kein Widerspruch ist und dass für viele Gehörlose Musik sehr wichtig sein kann, ist den meisten Hörenden nicht klar. Das liegt vermutlich daran, dass viele Menschen „gehörlos sein“ aus medizinischer Sicht sehen und somit die Defizite der Gehörlosigkeit in Vordergrund gerückt werden. Doch dass „gehörlos sein“ auch aus einer kulturellen Sicht gesehen werden kann und dass es auch durchaus positive Seiten von Gehörlosigkeit gibt, wird oft, meistens von Medizinern, in den Schatten gestellt. Ich studiere seit 2009 Österreichische Gebärdensprache auf der Karl-Franzens Universität in Graz und meine Faszination für Gehörlose, deren Kultur und deren Sprache steigt von Tag zu Tag. Auch ich habe mit einem völlig falschen, jedoch nicht negativen Bild mein Studium begonnen. Zunächst war ich von der Gebärdensprache beeindruckt, dachte mir aber eigentlich nicht, dass man mit ihr wirklich alles ausdrücken kann, wie es auch in jeder Lautsprache möglich ist und dass es auch Kunstformen der Gebärdensprache gibt. Darunter auch Gebärdenlieder, wo nicht gesungen, sondern gebärdet wird, dazu aber später mehr. Ich zählte Gehörlosigkeit auch zu einer Behinderung, dachte aber zunächst nicht daran, dass gehörlose Personen eher einer sprachlichen Minderheitengruppe angehören, mit eigener Sprache und Kultur. Ich wurde mittlerweile eines besseren belehrt und weiß unter anderem nun auch, dass in die Kultur von Gehörlosen Musik genauso zum Leben gehören kann, wie es auch bei Hörenden der Fall ist. Man muss natürlich bedenken, dass nicht für jeden Gehörlosen Musik eine Besonderheit ist, die es gilt zu genießen. Wie auch bei den Hörenden, gibt es im Kreis der Gehörlosen Künstler, die es lieben sich mit Musik zu beschäftigen, aber auch einige für die Musik nichts weiter bedeutet. Dank meines Professors Christian Stalzer, der ebenfalls gehörlos ist und die Gehörlosenkultur vermitteln kann wie kein anderer, wurde mir und auch meinen Studienkolleginnen vieles bewusst, was die Gehörlosigkeit, die Gebärdensprache und deren Kunstformen betrifft. Ich hoffe Sie können am Ende meiner Seminararbeit meine Ansichten nachvollziehen und vielleicht sehen auch Sie danach Gehörlosigkeit in einem etwas anderem Licht. Tina Ruß 4 2.) Gehörlosenkultur Da ich denke, dass man die Gehörlosenkunst nur dann verstehen kann wenn man auch etwas über die Kultur der Gehörlosen weiß, möchte ich nun einen kurzen Einblick in die Gehörlosenkultur geben. Wie bereits erwähnt, gibt es zunächst einmal die weit verbreitete „medizinische“ Sicht der Gehörlosigkeit, das sogenannte Defizitmodell. Hierbei werden vorrangig die Defizite von Gehörlosigkeit, also der Hörverlust, die Schwierigkeiten beim Erlernen der Lautsprache und der Schriftsprache, usw. in den Vordergrund gerückt. Man will die Defizite so gut wie möglich wett machen und gibt den gehörlosen Kindern oft nicht die Chance Gebärdensprache zu erlernen, da noch immer viele Menschen der Meinung sind, dass Gebärdensprache „verblödet“ und keine richtige Sprache sei. Es wurde aber bereits mehrmals bewiesen, dass • Gebärdensprache ein vollwertiges Sprachsystem ist, wie auch jede Lautsprache, • sich bei Verwendung der Gebärdensprache die visuelle Wahrnehmung stark entwickelt • sich gehörlose Kinder, trotz Hörhilfen wie Cochlea Implantaten (CI), die ins Gehirn implantiert werden, oder mit Hörgeräten, nur mit der Gebärdensprache eine vollwertige Muttersprache aneignen können und somit auch eine normale Entwicklung in sprachlicher und psychischer Hinsicht möglich ist. Trotzdem wird in den meisten Gehörlosenschulen lautsprachlich unterrichtet, ganz ohne Gebärdensprache, was zur Folge hat, dass gehörlose Kinder dem Inhalt des Unterrichts nicht folgen können und die Schriftsprache, die eine ganz andere Grammatik hat als die Gebärdensprache, auch nach dem Schulabschluss wenig oder gar nicht beherrschen. Man geht oft nicht auf die Bedürfnisse von Gehörlosen ein, bzw. werden diese meistens von Hörenden bestimmt, die nicht selten glauben, besser zu wissen was gut und was schlecht für Gehörlose ist. Vielleicht haben Sie auch bemerkt, dass ich nie das Wort „taubstumm“ benutze. Auch das gehört zu den negativen Betrachtungen der Gehörlosen, denn es bringt die Gehörlosigkeit sofort in Verbindung mit Stummheit, was 5 Dank der Gebärdensprache aber absolut nicht der Wahrheit entspricht. Neben dem Defizitmodell gibt es auch die Gehörlosenkultur, die eher die positiven Seiten der Gehörlosigkeit betont. Zur Gehörlosenkultur zählen unter anderem: • die Gebärdensprache, als eigene, vollwertige Sprache mit eigener Grammatik • die Gehörlosengemeinschaft, die viel intensiver gelebt wird als jene der Hörenden, mit vielen Gehörlosenvereinen und Gehörlosenveranstaltungen • die „fliegenden Hände“ die bei Gehörlosen als Applaus gelten • Die Gehörlosenkunst • Aber auch die gemeinsamen Probleme, mit denen jeder Gehörloser zu kämpfen hat um nur einige Punkte zu nennen. Die meisten Gehörlosen sehen sich als sprachliche Minderheit und nicht als behindert. Ihr Zusammenhalt untereinander ist beeindruckend stark und für sie ist ihre positive Einstellung, zur Gehörlosenkultur, sehr wichtig. Dabei zählt nicht der Grad der Hörbeeinträchtigung, sondern dass man sich selbst als Mitglied der Gehörlosengemeinschaft sieht und nicht mit allen Mitteln versucht sich an Hörende anzupassen. 6 3.) Hörschädigungen Hörschädigungen lassen sich medizinisch gesehen in vier Kategorien einordnen: • Nach Schwere der Hörstörung – Grad der Hörschädigung Mittlerer Hörverlust Bezeichnung(en) 20-45 dB Leichtgradige Hörschädigung Auswirkung Ohne Hörgeräte, vor allem Probleme im Verstehen von Flüstersprache 45-60 dB Mittelgradige Hörschädigung Probleme beim Verstehen von Umgangssprache, wenn der Sprecher über 1m weit weg ist 60-90 dB Hochgradige oder an Ohne Hörgerät ist ein Gehörlosigkeit grenzende Verstehen normal Hörschädigung gesprochener Sprache nicht mehr möglich Ab 90 dB Resthörigkeit Teilweise vorhandene Hörreste, die für Sprachwahrnehmung genutzt werden können Größer als 120 dB Gehörlosigkeit Auch mit Hörgeräten kein Sprachverständnis mehr • Nach dem Zeitpunkt des Auftretens - bei der Geburt > gehörlos - vor Spracherwerb > frühertaubt - im späteren Leben > spätertaubt • Hinsichtlich der Ursache - genetisch bedingt - infektiös bedingt - traumatisch bedingt 7 • Nach dem Ort der Hörstörung - Verarbeitungsstörung - Weiterleitungsstörung 8 4.) Möglichkeiten zur Wahrnehmung von Musik bei Gehörlose Wie bei Punkt 3 bereits erklärt, gibt es auch Gehörlose, die noch ein Resthörvermögen besitzen. Nur etwas 10 % der Menschen mit Hörbeeinträchtigung sind tatsächlich aus medizinischer Sicht zur Gänze gehörlos, ohne Resthörvermögen. Mit diesen Hörresten ist es möglich, besonders tiefere Frequenzbereiche noch wahrzunehmen. Da das Frequenzspektrum in der Musik besonders umfangreich ist, eignet sich Musik sehr gut dazu, eventuelle Hörreste aufzuspüren. Auch elektronische und technische Hilfsmittel, wie das Hörgerät oder das CI, können gehörlosen Menschen ermöglichen, Musik vermittelt zu bekommen. Diese machen Töne sichtbar oder fühlbar. Hörende und schwerhörige Personen nehmen Musik vor allem über ihr Gehör wahr, allerdings ist es auch für sie möglich die Vibrationen der Musik zu spüren. Bei gehörlosen Menschen sind jedoch oft der Tastsinn, der Sehsinn und der Geruchsinn stärker ausgeprägt als bei hörenden Menschen, da ihr Gehörsinn wenig oder gar nicht vorhanden ist. Da es sich bei Musik um Schalwellen handelt, wird diese Vibration körperlich fühlbar. Schalwellen tieferer Töne werden zum Beispiel als rhythmische Drückänderung auf der Haut und Rauheit im Ohr empfunden. Es gibt drei Möglichkeiten wie sich Vibrationen von Tönen erfühlen lassen: • Kontaktfühlen: dabei wird direkter Körperkontakt zur musikalischen Schallquelle hergestellt und dadurch werden die Vibrationen gefühlt • Resonanzfühlen: dabei werden die Vibrationen durch die Luft übertragen • Indirekte Vibrationsrezeption: dabei wird direkter Körperkontakt mit Objekten hergestellt, die die Vibrationen aufnehmen und weitergeben (z.B.: Ein Lautsprecher spielt Musik und der Tisch neben dem Lautsprecher nimmt die Schalwellen und somit die Vibrationen auf. Wenn man ihn berührt spürt man die Vibrationen.) Zahlreiche Forschungsprojekte in den USA haben bewiesen, dass gehörlose Personen die vier Komponenten von Klängen (Klangfarbe, Tonhöhe, Lautstärke und Rhythmus) durch ihren ausgeprägten Vibrationssinn wahrnehmen können. So werden auch verschiedene Instrumente unterschiedlich wahrgenommen, und zwar so exakt, dass es sich zur Wahrnehmung von hörenden Menschen kaum unterscheidet. 9 5.) Gehörlosentanz Es gibt bei Gehörlosen, wie auch bei den Hörenden, ein weitgefächertes Angebot für Tanz Bei Gehörlosen nennt man dies allerdings Gehörlosentanz. Von Hip Hop über Jazz bis Bauchtanz ist alles dabei. Wichtig dabei ist nur, dass die gehörlosen Tänzer die Vibrationen der Musik und somit den Takt spüren können. Die Maturantin Rahel Farine beschreibt in ihrer sehr gelungenen und interessanten Maturaarbeit eine Tanzstunde mit Gehörlosen, die sie besucht hat. Sie bemerkte in ihrer Arbeit, dass die Musik so laut eingestellt wurde, dass der Rhythmus auf dem Holzboden gut spürbar war. Auch sie spürte die Vibrationen auf dem Holzboden, jedoch ist das für Hörende nicht ganz einfach und auch nicht selbstverständlich. Die Lehrerin der gehörlosen Schüler meinte, dass es ein Prozess sei, von „hören“ bis „differenziert hören“. Der Tastsinn und der Sehsinn seien also nicht vollständig vorhanden, sondern entwicklungsfähig. Während sich Gehörlose automatisch mehr auf ihren Tast- und Sehsinn konzentrieren, müssen sich Hörende zuerst dafür öffnen und sich selbst darauf aufmerksam machen. Rahel Farine meinte weiters, dass die gehörlosen Tänzer die Musik mit allen Sinnen erfassen und von innen heraus tanzen, nicht so wie hörende Tänzer, die oft sehr sexy aussehen wollen beim Tanzen und sehr harte Bewegungen machen. Der Tanz bei Gehörlosen dagegen ist sehr ausdrucksstark. Bekannt durch die deutsche Fernsehsendung „Das Supertalent“ wurde auch Tobias Kramer, ein gehörloser Tänzer aus Deutschland. Er ist seit seiner Geburt gehörlos und hört keine Musik, aber er spürt sie, je lauter desto mehr. Er tanzt seit seinem 12. Lebensjahr und seine Crew „DeafForDeaf“ war die erste gehörlose Breakergruppe Deutschlands. Sein Traum ist es, als Choreograph oder Tänzer zu arbeiten und vielleicht auch einmal eine Tanzschule zu eröffnen. Der Unterschied zu Hörenden ist auch, dass es bei Gehörlosen keine Rolle spielt welche Musik sie „hören“ und zu welcher sie tanzen. Bei Veranstaltungen von Gehörlosenvereinen wird Musik quer durch die Bank gespielt und es gibt auch keine bestimmten Musikrichtungen 10 die durch die Lautsprecher trönen. Jeder, der Lust hat zu tanzen, tanzt, egal zu welcher Musik. Für Hörende kann es dann schon einmal zu einem Lächeln führen wenn man etwas ältere gehörlose Damen sieht, die begeistert zu David Guetta tanzen oder auch Teenager zu Schlager oder Volksmusik. Die Musik ist bei solchen Festen für Hörende meistens sehr anstrengend, da sie wirklich außerordentlich laut gespielt wird. Es ist dabei immer gut Oropax in der Tasche zu haben. Man sieht also, dass für Gehörlose das Tanzen absolut kein Tabu ist und jeder, ob professionell oder zum Spaß, seiner Tanzbegeisterung nachgehen kann. 11 6.) Gehörlosenmusik Wie wir nun bereits wissen, kann Musik für Gehörlose sehr wichtig sein und zu einem wichtigen Teil ihres Lebens gehören. Natürlich muss das nicht der Fall sein, aber es gibt durchaus viele Gehörlose, die sich mit Musik beschäftigen und zum Teil selbst musizieren. In Österreich gibt es im Bereich Musik für Gehörlose wenige nennenswerte Projekte, da Österreich, was die Gehörlosenpädagogik betrifft, noch sehr im Rückstand ist. Deutschland hingegen ist uns schon um Jahre voraus und daher werde ich meine Beispiele vorwiegend aus Deutschland beziehen. 6.1) Musik für Gehörlose Das Musikangebot für Gehörlose ist sehr weit gefächert und wird auch immer größer. Auch Musikfestivals sind nichts Seltenes bei Gehörlosen. Im Dezember 2010 fand zum Beispiel zum 13.mal das „Deaf Rockfestival“ in Berlin statt, mit viel Rockmusik und sogar einem Luftgitarrenwettbewerb mit Gebärdensprache. Ein internationales Festival mit Musik und Tanz für Gehörlose ist das „Festival der Stille“ („Festival du Silence“) in Paris. Dabei ist zuschauen wie auch aktives Mitwirken gefragt. Doch nicht nur Festivals stehen im Angebot, sondern auch zahlreiche Konzerte für Gehörlose. Peter Maffay und PUR gaben zum Beispiel bereits Konzerte für Hörgeschädigte, das untertitelt und in Gebärdensprache begleitet wurde. Auch der „Modern Gospel Choir“ aus Berlin arbeitete bereits mit dem Berliner Gehörlosenverband zusammen, um seine Konzerte auch für gehörlose Personen zugänglich zu machen. Die in Gebärdensprache übersetzten Texte, die Tänzer und die Musik unterstützende Lichtshow regen mehrere Sinne als nur den Gehörsinn an und machen die Show zu einem unvergesslichen Erlebnis für gehörlose wie auch für hörende Personen. 6.2) Musik von Gehörlosen Etwas zu lernen was auf den ersten Blick unmöglich zu sein scheint, ist das Ziel der Rock&Pop Schule in Kiel. „Grenzen sind relativ“ nennt sich ihr Pilotprojekt für 12 Hörgeschädigte und Hörende. Seit November 2010 bieten sie Musikunterricht für die Instrumente Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang und Bandtraining an. Initiator, Projektleiter und Botschafter ist der 30 jährige Mischa Gohlke. Er ist seit Geburt an gehörlos, ist aber Dozent für Gitarre, spielt in einer Band und ist Inhaber einer Agentur für Musik, Events und Projektmanagement namens „migo connections“. Eine Art der Gehörlosenmusik sind auch die sogenannten Gebärdenchöre. Sie musizieren tonlos und übertragen die Lieder in die Gebärdensprache. Meistens werden die Lieder synchron dargestellt, es gibt aber bereits modernere Varianten bei denen die Chormitglieder verschiedene Bewegungsabläufe tätigen. Der Dirigent eines Gebärdenchores wird Gebärdenleiter genannt. Seine Aufgabe ist es die Einsätze zu geben und den Rhythmus vorzugeben. Im Dezember 2010 sang ein Gebärdenchor mit 25 Kindern und Jugendlichen drei Strophen der österreichischen Bundeshymne im Parlament in Wien. Diese Gebärdensprachlieder können natürlich auch von einzelnen Personen gebärdet werden und nicht nur im Chor. Falls Sie Interesse daran haben, habe ich bei den Quellen einige Links von YouTube Videos mit Gebärdensprachliedern hinzugefügt. Eine noch etwas neuere Kunstform der Gebärdensprache ist der Gebärdenrap. Der Gebärdenrap ist ähnlich wie die Gebärdensprachlieder, allerdings etwas härter und nicht so klassisch wie normale Lieder. Der Regisseur Yoav Parish versuchte einen Musikclip mit Gebärdensprache zu filmen und nahm Kontakt mit topdix auf, einer schweizerischen Selbsthilfeorganisation von jungen Gehörlosen, die sich für hörgeschädigte Jugendliche einsetzt. Zusammen mit dem Rapper E.K.R. schufen sie den Gebärdenrap. Im Video des Rappers begleiten gebärdensprachliche Elemente den Rap. 13 7.) Berühmte gehörlose Musiker 7.1) Evelyn Glennie Evelyn Glennie ist eine britische Percussionistin und Komponistin. In ihrer Kindheit verschlechterte sich ihr Hörvermögen aufgrund einer Nervenkrankheit so stark, dass sie nun nur noch 20% ihres Hörvermögens hat. Die Musik nimmt sie hauptsächlich über Vibrationen wahr. Bereits als Kind faszinierte sie diese Kunstform, was dazu führte, dass sie an der Royal Academie of Music in London Klavier und Schlagzeug studierte. Nun tritt sie mit den größten Orchestern der Welt auf, gibt zahlreiche Solokonzerte und ist eine weltweit bekannte Interpretin zeitgenössischer Musik. 1988 gewann sie einen Grammy für die Einspielung der „Sonate für 2 Klaviere und Schlagzeug“ für Béla Bartók. 7.2) Ludwig Van Beethoven Ludwig Van Beethoven wurde 1770 in Bonn geboren. Er gilt als der Komponist, der die Wiener Klassik zu ihrem Höhepunkt geführt hat. 1795 begann sich Ludwig Van Beethovens Gehör zu verschlechtern und die Taubheit verschlimmerte sich trotz Medikamente und Kuren immer mehr. 1817 ertaubte er schließlich zur Gänze und konnte nur mehr mit Hilfe von Konversationsheften kommunizieren. Trotz seiner Taubheit komponierte er seine berühmte Klaviersonate Nr. 29 die auch als „Hammerklaviersonate“ oder „Große Sonate für das Hammerklavier“ bekannt ist. Sie gilt als das größte und schwierigste Klavierwerk von Ludwig Van Beethoven. 14 7.3) Sarah Neef Sarah Need ist seit ihrer Geburt gehörlos. Musik und Ballett ist aber seit ihrer Kindheit ihre Leidenschaft. Heute ist sie eine berühmte und erfolgreiche Balletttänzerin, spielt Klavier und Flöte. Auch sie gibt an, die Schwingungen der Musik mit ihrem Körper zu spüren. Als Kind besuchte sie eine „Mutter-Kind- Rhythmusgruppe“ die die Liebe zur Bewegung und zum Ballett förderte. 7.4) Sean Forbes Sean Forbes wuchs in Detroit auf und ist seit seiner frühen Kindheit gehörlos. Die Beats und Vibrationen lassen ihn Musik spüren und begeistern ihn schon seit seiner Kindheit. Er selbst nennt sich „musician on a mission“ weil er die Musik auch für gehörlose und schwerhörige Kinder und Jugendliche zugänglich machen möchte. Dazu produziert er professionelle Musikvideos, die besonders gehörlose und schwerhörige Kinder und Jugendliche ansprechen sollen. Dabei vermittelt er die Liedtexte so, dass sie für sein Zielpublikum klar verständlich sind und sie die Musik in vollen Zügen genießen können, indem er singt, simultan auf ASL (American Sign Language) gebärdet und die Musikvideos mit Unter-, Ober- oder Nebentiteln unterlegt. 15 8.) Weitere Kunstformen der Gebärdensprache Neben den Kunstformen der Gehörlosenmusik gibt es natürlich auch noch viele andere. Folgende sind nur ein paar aus Vielen: o Gebärdensprachpoesie: Gedichte werden visuell vorgetragen, in einer Mischung aus Gebärdensprache und pantomimischer Oberkörpersprache. Oft spielt man mit der Gebärdensprache, nimmt zum Beispiel immer wieder die gleiche Handform, oder man arbeitet mit Rhythmus und Takt. o Gehörlosentheater: Die Schauspieler sind gehörlos, aber auch hörend. Gespielt wird in Gebärdensprache. Das Gehörlosen-Theater erzählt Geschichten von gehörlosen Menschen, ihrem Leben und ihrer Kultur. Bestimmt ist das Theater für gehörloses und hörendes Publikum. o Märchen in Gebärdensprache: Meistens werden dabei Märchen in Lautsprache erzählt und zeitgleich in Gebärdensprache übertragen. Die gebärdensprachliche Darstellung ist dabei sehr ausdruckstark und es wird sehr viel Mimik eingesetzt, was für gute Geschichten in Gebärdensprache unbedingt dazugehört. Weiters werden auch Pantomimen eingesetzt um die Märchen und Geschichten noch spannender zu gestalten. o Bildende Kunst: In der bildenden Kunst von Gehörlosen wird oft auf die Probleme und die Kultur von Gehörlosen eingegangen. Dabei kommen oft durchgestrichene Hände vor, die als Zeichen für das Verbot der Gebärdensprache gelten. Auch Augen werden oft gezeichnet, die für die starke visuelle Wahrnehmung gelten, aber auch Ohren, die meist etwas abnormal dargestellt werden und auf den Hörverlust hinweisen. 16 Auf den verschiedenen Gehörlosenfestivals gibt es zahlreiche Wettbewerbe bei denen das Können der gehörlosen Künstler gezeigt wird. Auch dies ist ein wichtiger Teil der Gehörlosenkultur. 17 9.) YouTube/ My Video Links: Auftritte von Tobias Kramer: • • • Casting: http://www.myvideo.at/watch/7931525 Halbfinale: http://www.youtube.com/watch?v=b8ZfDnjCbCc Finale: http://www.youtube.com/watch?v=muV0voDkSis&feature=related Popsongs in Gebärdensprache: • • • Owl City – Fireflies: http://www.youtube.com/watch?v=zlxPp0vAniY Miley Cyrus – 7 Things : http://www.youtube.com/watch?v=7bNXdFpeASo&feature=related I Can Do Anything Better Than You: http://www.youtube.com/watch?v=98mkjc5yMwo&feature=related Gebärdenrap: • • • Will Smith - Fresh Prince: http://www.youtube.com/watch?v=yC5tWuj7qcI&feature=related Sean Forbes – I’m Deaf http://www.youtube.com/watch?v=E5l-2Jo14cQ E.K.R. – Dunne mit em King http://www.youtube.com/watch?v=jceGRXmmy0o 18 10.) Quellenangabe • Wie Gehörlose Musik hören - Rahel Farine • Unterlagen von Herrn Professor Christian Stalzer und Frau Professor Mag. Karin Hofstätter (Karl-Franzens Universität Graz) ´ Links: • http://www.taubenschlag.de/cms_pics/gl_und_musikunterricht.pdf • http://www.gebaerdenwelt.at/artikel/kultur/literatur/2009/04/02/20090402906365214. html • http://www.gebaerdenwelt.at/artikel/kultur/unterhaltung/2010/08/10/20100810584020 512.html • • • http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_van_Beethoven http://www.vienna.cc/d/musik/beethoven_biographie.htm http://de.wikipedia.org/wiki/Evelyn_Glennie 19