P A D E R B O R N

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P A D E R B O R N
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Auszug aus dem Gutachten
„ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG NRW - Paderborn“ 2004
Projektbeteiligte:
Land Nordrhein-Westfalen/ Landschaftsverband Westfalen-Lippe
Stadt Paderborn
Fachhochschule Köln/ Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege
Kontakt: n.schoendeling@ar.fh-koeln.de
Internet: http://www.f05.fh-koeln.de/denkmalpflege
Bearbeiter/ Autoren:
Dipl.-Ing. (TU) Ekkehard Kandler, Dipl.-Ing. (FH) Karla Krieger, Marianne Moser M.A. Archäologie
Inhalt
Schwarz: Hier aufgeführte Textauszüge aus dem Gutachten
Grün: Hier nicht aufgeführte Textbestandteile aus dem Gesamtgutachten
Blau: Text über die „Wasserkunst“. „Paderborner Wasserversorung im 16. Jh.“ - Seite 66-68
Mehr lesen?
Sie erhalten eine Zusammenfassung des Gutachtens in der Veröffentlichung „Angemerkt“ Nr. 8,
erhältlich bei der Stadt Paderborn/ Untere Denkmalbehörde gegen eine Schutzgebühr.
Abbildungen
Die Abbildungen sind aus urheberrechtlichen Gründen ausgeblendet.
Vorwort
1.5
1.5.1
1.5.1.1
1.5.1.2
1.5.1.3
1.5.2
1.5.2.1
1.5.2.2
1.5.2.3
1.5.2.4
1.5.2.5
1.5.2.6
1.5.3
1.5.3.1
1.5.3.2
1.5.3.2.1
1.5.3.2.2
1.5.3.2.3
Siedlungsgeschichte und Einzelobjekte (ab Seite 4)
Siedlungsgeschichte
Geographische Rahmenbedingungen
Kurzer Überblick zur Siedlungsgeschichte
Chronologische Übersicht zur Siedlungsgeschichte in Stichpunkten anhand
ausgewählter Daten
Siedlungsgenese
Städteatlas
Aktuelle Dokumentation des Museums in der Kaiserpfalz
Zusammenfassende Einführung zum Dom- und Pfalzbereich sowie zum
Abdinghofgelände
Zwei sogenannte ´Befestigungslinien´ nach Ortmann
Felsplateau/ Rathausplatz 14
Neue Erkenntnisse aus dem Zusammenspiel von Kellerbegehung und Sichtung
des archäologischen Altbestandes, beispielhaft dargestellt anhand einer
Forschungsfrage
Ausgewählte Einzelobjekte
Stadtbefestigungen und urbs
Sakrale Bauten
Dom
Bartholomäus-Kapelle
Ikenberg-Kapelle
FACHHOCHSCHULE KÖLN / FAKULTÄT ARCHITEKTUR / INSTITUT FÜR BAUGESCHICHTE UND DENKMALPFLEGE / PROF .DR.-ING. NORBERT SCHÖNDELING
1
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3.2.4
1.5.3.2.5
1.5.3.2.6
1.5.3.2.7
1.5.3.2.8
1.5.3.2.9
1.5.3.2.10
1.5.3.2.11
1.5.3.2.12
1.5.3.2.13
1.5.3.2.14
1.5.3.2.15
1.5.3.3
1.5.3.4
1.5.3.5
1.5.3.5.1
1.5.3.5.2
1.5.3.5.3
1.5.3.5.4
1.5.3.6
1.5.3.6.1
1.5.3.6.2
1.5.3.6.3
1.5.3.6.4
1.5.3.6.5
Kapelle unter dem Küsterhaus
Abdinghofkirche und Abdinghof-Kloster
Alexiuskapelle
Gaukirche St. Ulrich und Zisterzienserinnenkirche an der Gaukirche
Busdorfkirche
Franziskaner-Minoriten
Jesuiten / Theodorianum
Franziskaner-Kloster
Kapuziner-Kloster (Liborianum)
Kapuzinessen-Kloster / Landeshospital
Augustinerinnenkloster St. Michael
Marktkirche St. Pankratius
Hospitäler / Armenhäuser
Gebäude innerhalb der Domburg; Kurien / Adelshöfe
Städtisch- bürgerliche Bauten
Rathaus am Rathausplatz
Das Ükernrathaus
Bürgerhäuser; Adam- und Eva-Haus
Wasserversorgung, die Paderborner „Wasserkunst“
Historische Keller als Quellen der Stadtgeschichte
Der ehemalige „Bischofspalast“ in der Immunität
Markt 10/ Ecke Grube
Markt 2 und 4t
Schildern 8
Schildern 11 und 13
1
AUFARBEITUNG DER HISTORISCHEN QUELLEN
1.1
Literaturauswahl
1.2
1.2.1
1.2.2
Bildmaterial, Stadtansichten
Stadtansichten
Fotosammlungen
1.3
Karten- und Planmaterial
1.4
1.4.1
1.4.2
1.4.3
1.4.4
1.4.4.1
Darstellung der Archivbestände, ein Überblick
Urkundenbücher und ausgewählte historische Schriften
Staatsarchiv Münster
Stadtarchiv Paderborn
Erzbischöflich Akademische Bibliothek Paderborn (EAB)
Bibliothek und Archiv des Vereins für Geschichte und Altertumskunde
Westfalens, Abteilung Paderborn
Studienfonds-Archiv in der EAB
Westfälisches Archivamt zu Münster
Museum für Stadtgeschichte Paderborn
Staatsarchiv Detmold
Archiv des Erzbischöflichen Generalvikariates Paderborn
Archiv des Metropolitenkapitels Paderborn
Archivstelle zur Betreuung der Pfarrarchive
1.4.4.2
1.4.5
1.4.6
1.4.7
1.4.8
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2
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.4.9
1.4.10
Kreisarchiv Paderborn
Historisches Archiv der Stadt Köln
2
DARSTELLUNG DER ARCHÄOLOGISCHEN QUELLEN
(siehe Band 2)
3
BAUHISTORISCHE KARTIERUNGEN
3.1
3.2
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.2.4
Auswertung der Bauakten
Kartierungen
Baualtersplan
Siedlungsgenese
Stadtquartiere und Einzelobjekte
Kartierung der Baudenkmäler
4
KARTIERUNGEN DER BODENEINGRIFFE
4.1
4.2
4.3
4.3.1
4.3.2
4.3.3
Auswertung der Bauakten
Begehung des Stadtgebietes
Kartierung der Ergebnisse der Kellerbegehung
Kartierung der Bodeneingriffe – Lage/ Eingriffstiefe
Dokumentation der Keller –Baumaterialien/ Deckenkonstruktion
In der archäologischen Substanz unangetastete Flächen
5
ANLAGEN
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3
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
VORWORT
Auf Initiative des Ministeriums für Städtebau, Wohnen, Kultur und Sport des Landes
Nordrhein-Westfalen sowie des Rheinischen und des Westfälischen Amtes für
Bodendenkmalpflege begannen im Jahr 1991 die Arbeiten zur "ARCHÄOLOGISCHEN
BESTANDSERHEBUNG". In dieses Projekt einbezogen waren bisher die Mitgliedsgemeinden
der Programme "Historische Stadtkerne" und "Historische Ortskerne". Mit Paderborn und
Schloß Neuhaus erfolgte die Archäologische Bestandserhebung erstmals für eine Stadt, die nicht
Mitglied in dieser Arbeitsgemeinschaft ist. Dies unterstreicht bereits die Sonderstellung der
Archäologie in Paderborn.
Die Erforschung und Inventarisation des Denkmalbestandes gehört zu den zentralen Aufgaben
der Denkmalpflege. Während die Inventarisation der Baudenkmale weitgehend abgeschlossen
ist, gestaltet sich die Erfassung und Erforschung der Bodendenkmale, d.h. jener Spuren früherer
Besiedlungen, die als Fragmente im Boden verborgen sind, weitaus schwieriger. Derzeit wird
vermutet, dass nur ca. 5% der durch Baumaßnahmen betroffenen archäologischen Überreste
wissenschaftlich erforscht und dokumentiert werden.
Eine annähernd lückenlose Erfassung, wie sie für die Baudenkmale angestrebt wird, ist für die
Bodendenkmale letztlich nicht denkbar. Dies würde eine vollständige Ergrabung aller Flächen
erforderlich machen. Die Entdeckung archäologischer Substanz und damit auch die Möglichkeit
der Bodendenkmalpflege zur Erfassung und Erforschung bleibt daher vielfach dem Zufall
überlassen. Zum Schutz des kulturellen Erbes ist es daher das Ziel der Bodendenkmalpflege,
jene Flächen zu ermitteln, in denen mit dem Vorhandensein archäologischer Substanz gerechnet
werden muss, um so bei anstehenden Eingriffen in den Boden die rechtzeitige Befundsicherung
und Befunddokumentation zu ermöglichen.
Gemäß dem landeseinheitlichen Untersuchungsprogramm besteht die Gesamtuntersuchung aus
vier aufeinander aufbauenden Arbeitsschritten.
Arbeitsschritt I umfasst die Sichtung, Auswertung und Zusammenfassung der historischen
Quellen aus Archiven, Sammlungen und Museen. In Arbeitsschritt II werden die für das
Untersuchungsgebiet relevanten archäologischen Untersuchungen und Fundstellen erfasst und
bewertet. Der Arbeitsschritt III beinhaltet im wesentlichen die Auswertung der Bauakten
bezüglich dokumentierter Bodeneingriffe und die Rekonstruktion der Stadtgestalt und
Stadtentwicklung durch die Auswertung historischer Karten. Arbeitsschritt IV umfasst die
Kellerbegehung und die abschließende Kartierung der Ergebnisse aus allen Arbeitsschritten.
Die vorliegenden Arbeitsschritte I-IV wurden im Auftrag der Stadt Paderborn für Paderborn
und Schloß Neuhaus im Zeitraum zwischen September 2000 bis Oktober 2003 als
Forschungsprojekt an der Fakultät für Architektur, Institut für Baugeschichte und
Denkmalpflege an der Fachhochschule Köln durchgeführt.
Bei der vorliegenden Studie für Paderborn handelt es sich um ein verwaltungsinternes
Arbeitsmittel und nicht um eine Veröffentlichung. Bei weiterer Verwendung der hier
wiedergegebenen Abbildungen sind die Veröffentlichungsrechte bei den jeweiligen
Quellenarchiven anzufordern.
Die Übergabe der Studie verbindet sich mit der Hoffnung, die Grundlagen für ein Arbeitsmittel
erstellt zu haben, welches bei Fragestellungen insbesondere zu Belangen der
Bodendenkmalpflege zu raschen und sicheren Entscheidungen beiträgt.
Köln im März 2004 (Redaktionsschluss)
Prof. Dr.-Ing. N.Schöndeling/ Prof. Dr.-Ing. J.Eberhardt (FH Köln)
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4
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.
Siedlungsgeschichte und Einzelobjekte
Die folgende Zusammenstellung gibt einen Kurzüberblick und ersetzt
nicht das Studium der einschlägigen Literatur. Querverweise auf
entsprechende Quellen sind im Text angegeben.
1.5.1
1.5.1.1
Siedlungsgeschichte
Geographische Rahmenbedingungen
Naturräumliche Gegebenheiten
Paderborn liegt am östlichen Rand der westfälischen Bucht, welche sich nach
Nordwesten zu den Küstenlandschaften der Nordsee öffnet. Nördlich und
östlich von Paderborn erstrecken sich die Höhenzüge des Teutoburger Waldes
(300 ü.NN) und des Weserberglandes (Eggegebirge) (400 ü.NN), im Süden die
Ausläufer der Gebirgszüge des Sauerlandes (bis 500 ü.NN). Paderborn liegt auf
einer Höhe von ca. 120 m ü.NN.
Paderborn liegt im Schnittpunkt dreier Landschaftsformen. Nach Nordwesten
erstreckt sich die flache „Westfälische Bucht“. Im Norden liegt die sandreiche
Landschaft der „Senne“. Nach Süden und Südosten steigt die Landschaft zu den
wasserarmen Flächen der „Paderborner Hochfläche“ an, die im Wesentlichen
aus wasserdurchlässigen Kalkgesteinen der Oberkreide besteht.3
Hydro-Geografische Verhältnisse
Sowohl die Senne als auch die Paderborner Hochfläche sind durch ungünstige
Wasserverhältnisse gekennzeichnet. Die Grundwasserstände sind i.A. niedrig,
das Wasser versickert auf den durchlässigen Bodenschichten (Karst). Eine
Besiedelung fand deshalb bereits in vorgeschichtlicher Zeit im Wesentlichen
nur entlang eines in Ost-West-Richtung (auf der Linie Soest, Erwitte, Geseke,
Salzkotten, Paderborn, Lippspringe) verlaufenden Quellhorizontes statt, wo die
unterirdisch verlaufenden, wasserführenden Schichten des karstigen Hochlandes
gegen den wasserundurchlässigen Emschermergel treffen und in diesem Bereich
unter Druck wieder an die Oberfläche geleitet werden. Diese Quellen liefern
nahezu ganzjährig zuverlässig gleiche Wassermengen mit Temperaturen bis zu
19°C. Das teilweise enthaltene, wertvolle Salz wurde schon früh genutzt (Soest,
Bad Sassendorf, Salzkotten). Paderborn liegt unmittelbar über der aus über 200
Einzelquellen gespeisten Paderquelle. Die Paderquelle besteht heute aus fünf
Quellarmen und liefert 3.000 – 9.000 Liter Wasser pro Sekunde.4 Bei dem 4 km
entfernt liegenden Ort Schloss Neuhaus vereinigt sich die Pader mit den Flüssen
Alme und Lippe. Ungeklärt ist die Frage inwieweit Neuhaus den Endpunkt und
Umschlagplatz einer zumindest zeitweilig betriebenen frühen Lippeschifffahrt
markiert.
Bodenschätze/ Gesteinsvorkommen
An Bodenschätzen ist der Paderborner Raum relativ arm. Feuerstein findet sich
selten. Kupfer wurde in Marsberg (Eresburg), Blei und Zink im s.g. „Briloner
Galmeibezirk“ abgebaut. Eisenerze wurden vor allem im ostsauerländischen
Raum abgebaut. Das Zentrum der Verhüttung lag im Siegerland. Es existierten
bescheidene Vorkommen an Gold.
Die frühere Gewinnung von Baumaterial in Steinbrüchen ist im heutigen
unmittelbaren Stadtgebiet von Paderborn in erheblichem Umfang nachweisbar.
3
4
Stadtgeschichte, 1999, S. 3
Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, 1975, S. 22 ff
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5
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Ost-West
Süden
Süd-Ost
Norden
Eisenbahn
Schiffsverkehr
Die noch nicht gänzlich abgeschlossene Erforschung der einzelnen Steinbrüche
ist wesentliche Grundlage für die künftige Formulierung einer noch
ausstehenden schlüssigen Siedlungsgenese Paderborns.
Verkehrsverhältnisse
Über die frühen und frühesten Verkehrsverhältnisse im Raum Paderborn liegen
nur relativ wenige Erkenntnisse vor. Da verschiedene Funde eine Besiedelung
des Paderborner Raumes mindestens seit dem 11. Jahrtausend vor Christus5 und
früher belegen, kann man bereits für diese Zeit vereinzelte Wanderbewegungen
entlang bestimmter Wegetrassen annehmen, die sich vor allem an den
natürlichen Gegebenheiten der Landschaft orientiert haben. Bedeutung und
Verlauf der Verkehrswege waren im Laufe der Zeit Veränderungen
unterworfen.
Nicht zufällig liegt Paderborn am Schnittpunkt des ost-westlich verlaufenden
alten „Hellweges“ mit der von Süden kommenden „Frankfurter Straße“6.
Der „Hellweg“ verbindet die historisch bedeutende Verkehrsschiene des Rheins
mit der Weser. Er verläuft über die Weser hinaus weiter nach Osten. Friedliche
und kriegerische Kontakte zum linksrheinischen Römischen Reich erfolgten
über diese Straße sowie über den Wasserlauf der Lippe. Karl der Große nutzte
u.a. auch den Hellweg als Aufmarschweg gegen die Sachsen.
Die „Frankfurter Straße“ verläuft von Paderborn aus nach Süden durch einen
natürlichen Durchlass zwischen Egge und Rothaargebirge über die ehemals
strategisch wichtige Eresburg (Marsberg) über Korbach nach Frankfurt. Dieser
Weg diente Karl dem Großen im 8. Jahrhundert als wichtiger Aufmarschweg
von Süden her. Von Süden aus (Fulda, Würzburg) wurde auch die Mission im
Paderborner Raum organisiert. Im Mittelalter wurden über diese Straße nicht
unerhebliche Weintransporte abgewickelt.
In der Neuzeit ging die Bedeutung der Frankfurter Straße zurück. Wichtige
Verkehrsströme flossen jetzt über Paderborn bzw. Altenbeken über Warburg in
den Kasseler Raum. Noch heute weist der Verlauf der Autobahn A44 auf diese
Verkehrsbahn.
Nach Nordosten war Paderborn über die „Holländische Straße“ über
Wiedenbrück/ Münster mit den Hafenstädten der Nordsee verbunden. Die
Beziehungen in den ostholländischen Raum waren im 17. und 18. Jahrundert
besonders intensiv.
Anschluss an das überregionale Netz der Eisenbahn erhielt Paderborn 1850.
Paderborn hat keinen unmittlebaren Anschluss an Wasserstraßen. Es bleibt zu
überprüfen, ob zu bestimmten Zeiten ein Schiffsverkehr die Lippe aufwärts
hinauf bis nach Schloss Neuhaus organisiert werden konnte. Im 19. Jahrhundert
war der Ausbau der Lippe zur Wasserstraße ein erklärtes Ziel der
Wirstschaftförderung.7
Auf die Verkehrsstrukturen innerhalb der historischen Altstadt Paderborns wird
im Kapitel „Siedlungsgenese“ näher eingegangen.
5
Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, Bd.20, Römisch-Germanischen-Zentralmuseum, Mainz
(Hrsg.)
6
Müller-Wille, S. 64
7
Stadtgeschichte, 1999, Bd., S.18
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6
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.1.2
Kurzdarstellung der Siedlungsgeschichte
Altsteinzeit
9.000 v.Chr.
4. Jt. v. Chr.
3. Jt. v. Chr.
2300 – 800
v.Chr.
600 – 0 v. Chr.
0 - 375 n.Ch.
3.-5. Jh.n.Chr.
8
Frühe Siedlungsstrukturen
Aus der Zeit der frühen Jäger- und Sammlergesellschaften existieren
naturgemäß keine Hinweise auf feste Siedlungsstrukturen.
Interessant ist allerdings der Fund einer ca. 11.000 Jahre alten Pfeil- oder
Messerspitze in der Michaelsstraße.
Mitglieder der ersten aus dem Vorderen Orient eingewanderten Kultur der
Bandkermiker düften im näheren Umland von Paderborn nicht gesiedelt haben,
denn sie bevorzugten lößreiche Bördelandschaften.
Für die Michelsberger-Kultur typische Steinkistengräber wurden in Schloß
Neuhaus gefunden, aber keine Siedlungsplätze. Da Steinkistengräber jedoch
sehr häufig in der Nähe von ganzjährig wasserführenden Bach- oder Flussläufen
aufgefunden wurden, liegt die Annahme nahe, dass sich auch die Wohnplätze
nicht
weit
von
den
Grabanlagen
befunden
haben.
Im 3. Jahrtausend vor Christus trafen im Gebiet der heutigen Stadt Paderborn
zwei verschiedene Kulturkreise aufeinander. In Neuhaus waren es die Erbauer
der Steinkistengräber; auf dem Gebiet des Balhorner Feldes wurde ein Gefäß
der aus dem Emsgebiet stammenden Trichterbecher-Kultur gefunden. Konkrete
Siedlungsspuren fanden sich auch von diesen Gruppen nicht.
Zum Ende 3. Jahrtausends werden die einheimischen Kulturen durch die
Streitaxt-Kultur, die auch die minderwertigen Böden der Senne und der
Paderborner Hochfläche nutzten, und wenig später dann durch die
kupferverarbeitende Glockenbecher-Kultur überlagert. Zu Ende des 3.
Jahrtausends verschmelzen alle ansässigen Kulturen langsam zu einer Einheit.
Ein archäologischer Fund aus der Stadtheide nördlich von Paderborn weist auf
diese Zeit.
Aus der Übergangszeit von der Steinzeit zur Bronzezeit liegen kaum
Siedlungsspuren vor. In der Bronzezeit kam es zeitweise zu einem allgemeinen
Rückgang der Bevölkerung, da sich wie man vermutet die Lebensbedingungen
verschlechterten, so z.B. die Weidegründe auf den Paderborner Hochflächen
unergiebig wurden.
In der vorrömischen Eisenzeit kommt es langsam wieder zu einer
Neubesiedelung des Paderborner Raumes. Im Bereich der Paderquellen kann
nun erstmals ergiebigeres Fundmaterial aus Abfall- bzw. Kellergruben geborgen
werden, welches auf eine feste Besiedelung rund um die Paderquellen bis in die
römische Zeit hinweist; so auch in der Giersstraße, in der Königstraße, in der
Kleppergasse und im Bereich der Abdinghofkirche.
Funde aus der Römischen Kaiserzeit nördlich des Domes verweisen auf eine
Besiedlung des Paderborner Stadtgebietes durch Mitglieder germanischer
Stämme (Rheinwesergermanischer Kulturkreis).8
Nach den Wanderbewegungen in der Zeit um Christus Geburt kommt es zu
einer Konsolidierung der Bevölkerungsstruktur. Vom 3. Jahrhundert an tritt der
antirömische Bund der germanischen Franken mehr und mehr auf die politische
Bühne. Römische Einflüsse machen sich auch rechtsrheinisch bemerkbar.
Paderborn dürfte zu dieser Zeit eine nicht unbedeutende Siedlung gewesen sein.
Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, Bd.20 Römisch-Germ.-Zentralmuseum, Mainz (Hrsg.), S.86
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7
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Siedlungsreste von Grubenhäusern und Pfostenreste von ebenerdigen Bauten
wurden zwischen Pader und Königstraße ergraben.
„In der Stadt Paderborn haben die größeren Grabungsunternehmungen bei der
Abdinghofkirche ..., im Brenkenhof (Konrad-Martin-Haus), auf dem kleinen
Domplatz und auf der Nordseite des Domes Grubenbauten und Teile
ebenerdiger Bauten größerer Gehöftanlagen über den Paderquellen ergeben, die
hier vom 2. bzw. 3. bis ins späte 4. Jahrhundert bestanden haben.“9
Mit Beginn der Völkerwanderungszeit ist die Siedlungstätigkeit an den
Paderquellen vorerst beendet. Archäologisch zeugt eine 20 – 40 cm dicke
Schicht verschwemmten Lössbodens eine unbesiedelte Zeitspanne an.
Im 7. Jh. sind aus dem Osten eingewanderte Stämme der West-Sachsen auch im
Paderborner Raum nachweisbar. Sie etablieren sich und beginnen den Bereich
des heutigen Paderborner Stadtgebietes neu zu besiedeln.
4. Jh.
7. Jh.
Siedlungsentwicklung in fränkisch-/ karolingischer Zeit
Kurz nach der Erhebung Karls des Großen zum fränkischen König, begann
dieser
mit
der
systematischen
Unterwerfung
der
sächsischen
Bevölkerungsgruppen, um diese endgültig dem Fränkischen Reich
einzugliedern. Ein Beschluss, der auch für die Geschichte der Stadt Paderborn
weitreichende Veränderungen mit sich brachte. Eine der ersten militärischen
Maßnahmen Karls des Großen war die Eroberung der strategisch bedeutsamen
Eresburg (heute Marsberg) südlich von Paderborn. Der Anmarsch erfolgte von
Süden her über die „Frankfurter Straße“. 774 wurde die Burg von den Sachsen
zunächst zurückerobert. Doch bereits 775 startete Karl der Große einen neuen
Feldzug, der ihm den Anmarschweg von Westen her über den „Hellweg“
öffnete. Auch das sächsische Dorf über und westlich der Paderquellen wurde
von Karl dem Großen eingenommen. Die Archäologen fanden durch Feuer
zerstörte sächsische Gehöftspuren im Bereich der Burg-/ Pfalzanlage.
In geschützter Lage oberhalb der Paderquellen wurde vermutlich alsbald die in
schriftlichen Quellen genannte „Karlsburg“ errichtet. 777 hielt Karl der Große
in „Padarbrunnon“ die erste Reichsversammlung auf sächsischem Boden ab.
Paderborn wurde zur fränkischen „Hauptstadt“ in Sachsen erhoben und erlangte
dadurch eine zentrale Stellung in der Region. Es liegt nahe, dass schon bald
zahlreiche Baumaßnahmen erfolgten, um dieser Funktion gerecht zu werden.
Baumeister und Bauhandwerker wurden vermutlich aus den fränkischen
Landesteilen mitgebracht. In der schriftlichen Überlieferung gibt es keine
Hinweise darauf wie die Paderborner Burg ausgesehen hat. Antwort auf diese
Frage kann ausschließlich die archäologische Forschung geben.
Man vermutet, dass die erste Burganlage aus einer grabenumwehrten HolzErde-Konstruktion bestand. Nach ihrer Zerstörung im Jahr 778 wurde sie beim
Wiederaufbau möglicherweise bereits durch eine wehrhaftere Steinkonstruktion
ersetzt.
Gut zwanzig Jahre nach der Eroberung hatten sich die Verhältinisse soweit
konsolidiert, dass Paderborn eine zweite wichtige überörtliche Funktion
zugewiesen bekam. Der Missionsort wurde Bischofssitz mit Dom und Kloster.
Durch diese Aufwertung dürfte es zu einem erheblichen wirtschaftlichen und
baulichen Aufschwung gekommen sein. Die Zahl der Kleriker, Händler,
772
776
778
799
9
ebenda, S. 89
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8
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
9.Jh./ 10. Jh.
Enenhus
Balhorn
Aspethera
Markt
Großbrand
1009
Handwerker, Bediensteten und Durchreisenden wuchs beständig. Die neue
Funktion des Ortes und das wachsende Repräsentationsbedürfnis schlug sich in
städtebaulichen Erweiterungen und ersten baulichen „Großprojekten“ nieder.
Dom, Domkloster und Pfalz wurden auf dem Burgareal neu errichtet. Paderborn
wird in zeitgenössischen Quellen als „festes Kastell“ bezeichnet. Verschiedene
punktuelle Ausgrabungen ergaben Hinweise auf eine Handwerker-Siedlung
östlich der Pader auf dem trockenen Geländerücken zwischen der Straße Am
Damm und der Königstraße. Westlich des Düstern stieß man auf ein fränkisches
Steinhaus des 8./9. Jahrhunderts.
Am Kamp wurde ein Grubenhaus des 10. Jahrhunderts ergraben.
Zum „oppidum“ Paderborn gehörte auch der Bereich um die Paderquellen,
deren wirtschaftliche Bedeutung (Schutzfunktion, Trinkwasserreservoir,
Nutzung der Wasserkraft z.B. für Mühlen) bereits früh erkannt wurde.
Der Aufbau einer funktionierenden Versorgungs- und Infrastruktur war eines
der vornehmlichen Ziele Karls des Großen.10 So befanden sich im weiteren und
näheren Umfeld der Burg verschiedene Höfe, Vorwerke und ländliche
Siedlungen, die der Versorgung des Ortes mit landwirtschaftlichen
Erzeugnissen dienten.
Zwei Kilometer westlich der Burg lag der fränkische Haupthof „Enenhus“
Östlich des „Enenhus“ lag am Kreuzungspunkt des Hellwegs mit der
Frankfurter Straße unmittelbar an einer Furt der Alme der mindestens seit dem
1. Jahrhundert n.Chr. kontinuierlich besiedelte Ort Balhorn, der aus mehr als 80
Wirtschaftsbetrieben
bestand
und
für
den
die archäologischen
Ausgrabungsergebnisse einen hohen Lebensstandard konstatieren. Um 1300
wurde der Siedlungsplatz Balhorn aufgegeben. Möglicherweise erfolgte eine
Umsiedlung in die jetzt durch eine Mauer gesicherte Stadt Paderborn.
Unmittelbar nord-östlich der Paderborner Burg befand sich ein eigenständiges
Dorf mit dem Namen „Aspethera“. Es wurde erst im 12. Jahrhundert Teil der
Stadt Paderborn. 1036 wurde das Busdofstift auf dem Gebiet dieser „villa
Aspethera“ gegründet11.
Ein Markt hat in Paderborn vermutlich spätestens seit dem Ende des 10.
Jahrhunderts bestanden.12 Die Lage ist nicht eindeutig.
Im Jahre 1000 n.Chr. kommt es zu einem Großbrand bei dem zahlreiche
Gebäude u.a. auch der unter Bischof Rethar (983-1009) neu begonnene Dom
zerstört wird.
Das 11. Jahrhundert/ Baumaßnahmen Bischof Meinwerks (1009 – 1036)
Im Jahr 1009 wird mit der Person Meinwerks ein neuer Bischof für Paderborn
gewählt, der sich durch ein beträchtliches Privatvermögen, durch ehrgeizige
Ambitionen hinsichtlich seines Amtes sowie durch einen verstärkten Wunsch
zur Repräsentation auszeichnet. Bischof Meinwerk entstammte einer
angesehenen sächsischen Adelsfamilie und stand in engem Kontakt zum
damaligen Königshaus, was durch zahlreiche Aufenthalte der Könige in
Paderborn belegt ist. In Meinwerks Amtszeit fallen nachweislich zahlreiche
Neubauten und nicht unerhebliche städtebauliche Neu- und Umgestaltungen.
10
Stadtgeschichte, Bd. 1, S. 19ff
Stadtgeschichte, Bd. 1, S. 6 ff
12
Stadtgeschichte, Bd. 1, S. 75 f
11
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9
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Burg/ Dom
Barth.-Kapelle
Abdinghof
Alexiuskapelle
Busdorfstift
Busdorfkurien
„ecclesia
forensis“
Der „Graben“
Markt
Domfreiheit
Meinwerk erneuert laut einer Urkunde ´Mauern´ . Der Dom wird neu errichtet.
Er baute zudem einen zweigeschossigen Bischofspalast sowie die
nahegelegene, bis heute erhaltene, Bartholomäus-Kapelle.
Das Benediktiner-Kloster „Abdinghof“ mit der Kirche St. Peter und Paul wurde
1015 „extra Patherbrunensem civitatem in oriente parti“ gegründet und geht
auf eine aus Privatvermögen bezahlte Stiftung Bischof Meinwerks zurück. Die
Bediensteten des Klosters erhielten Wohnstätten im Westen des Klosters auf
beiden Seiten der Pader zugewiesen13. Zum Kloster gehörte u.a. ein 1102
erstmals erwähntes Hospital sowie ein Garten.
Die Kapelle St.Alexius am Eingang zur „urbs“ war mit einem besonderen
Asylrecht ausgestattet.
Ebenfalls unter Meinwerk wurde östlich des Burgbereiches auf dem Gebiet der
Vorsiedlung „Aspethera“ das Paderborner Busdorfstift mit der Kirche St. Petrus
und Andreas gegründet. Zunächst als Rundbau begonnen, wurde die Kirche auf
achteckigem Grundriss fertiggestellt. Sie erhielt ihre endgültige Weihe jedoch
erst im Jahr 1068 unter Bischof Imad, dem Neffen und Nachfolger Meinwerks.
Die mindestens 23 Kurien des Busdorfstiftes wurden vor allem zwischen der
Giersstraße und dem Stift errichtet. Von ihnen sind kaum aufgehende Baureste
erhalten, sodass in diesem Zusammenhang das Areal um Kolpinghaus/
Laurentiusgasse bis hin zur Giersstraße archäologisch besonders interessant ist.
In der „Vita Meinwerci“ wird 1009 eine „ecclesia forensis“ erwähnt. Sie wird
im Allgemeinen mit der 1784 abgerissenen Kirche „St. Pankratius“ auf dem
Marienplatz in Verbindung gebracht14. Eine exakte Ortsbestimmung der
„ecclesia forensis“ ist aber nicht eindeutig vorzunehmen. Da diese Kirche nicht
ausdrücklich als Neubau Bischof Meinwerks bezeichnet wird, ist sie vermutlich
bereits vor 1009 erbaut worden.
Bischof Meinwerk wird die Anlage und/ oder Erweiterung des „Großen
Grabens“ zugeschrieben, der südlich der Gaukirche den gesamten Burg- und
Pfalzbezirk umfasste. Eine stichhaltige Beweisführung steht freilich noch aus.
Sein bereits in Teilen vermuteter Verlauf konnte u.a. durch die Ergebnisse der
„Archäologischen Bestandserhebung“ in weiteren Bereichen konkretisiert
werden. Es ist nicht eindeutig geklärt, ob Bischof Meinwerk einen bestehenden
Graben erweiterte oder den Graben gänzlich neu angelegt hat. Der Graben
diente sicherlich als bequem zu erreichender Steinbruch für die umfangreichen
Bauprojekte. Zudem stellte er eine wirksame Verteidigungsanlage dar, solange
Paderborn nicht mit einer Stadtmauer umgeben war. Nach Errichtung der
Stadtmauer wurde der Graben nach und nach verfüllt. Später erinnertn nur die
Straßennamen „Grube/ Krumme Grube“ daran.Bei Grabungen wurden u.a.
Überreste eines massiven Gebäudes aus dem 12. Jh. freigelegt15. 2005/ 2006
wurde nahezu der gesamte Steinbbruch in einer groß angelegten
archäologischen Untersuchung freigelegt.
Ein Markt für Paderborn wird erstmals 1028 urkundlich erwähnt. Eine
Lokalisierung der Örtlichkeit ist kaum möglich.
Im Bereich der Domfreiheit entstehen erste Domherrenhöfe für Mitglieder des
Domklosters. Die bisherigen Bewohner, Ministeriale und Händler, müssen
zunehmend in die vorgelagerten Bereiche der Burg ausweichen.
Ministerialenanwesen bleiben nur im Bereich des Schildern und des südlichen
13
Balzer, Städteatlas 1981
Stadtgeschichte1999, B.1, S.75
15
Ausgrabung Kötterhagen 13, Marianne Moser
14
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10
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
und westlichen Domplatzes erhalten. Als neuer Siedlungsbereich der
Ministerialen wurde das als „in campo“ bezeichnete Areal südlich der Burg
gewählt und systematisch besiedelt.
Dom
Burgareal
Kamp
Rickerswyk
Stadtmauer
12. Jahrhundert
Das 12. Jahrhundert bringt wiederum wesentliche Veränderungen im Stadtbild
mit sich.
Der Dom wird 1133 bei einem Brand stark zerstört.
Auf dem Burgberg werden während des 12. Jahrhunderts den steigenden
Ansprüchen der Domherren entsprechend weitere Kurien errichtet. Auch die
steigende Zahl der bischöflichen Ministerialen musste entsprechend
untergebracht werden. Sie erhielten ebenfalls Hofstellen im Burgbereich
zugewiesen. Detaillierte Informationen zur Topographie und Besitzgeschichte
der Domimmunität/ des Burgareals gibt die Arbeit von Ursula Hoppe.16
Der Bereich der heutigen Straße „Kamp“, der sich südlich des „großen
Grabens“ ringförmig um das Burgareal legt, wurde nach Balzer vornehmlich im
11. und 12. Jahrhundert unter bischöflicher Leitung erschlossen. 17 Hier wurden
auf beiden Seiten der Straße Ministerialenfamilien angesiedelt. Im Bereich des
Jühenplatzes befand sich zudem der bischöfliche Stadelhof, ein Unterhof von
„Enenhus“. An der Ostseite des Kampes, vor dem Kasseler Tor, lag der
„Spiringshof“ – ebenfalls in kirchlichem Besitz.
Vermutlich mindestens aus dem 12. Jahrhundert stammt ein imposanter
mittelalterlicher (Wohn-) Turm, der sich auf dem rückwärtigen Teil des
Grundstückes Kamp 31 befand. Ein höheres Alter kann ausdrücklich nicht
ausgeschlossen werden. Er wird in der Literatur als Wohnung des bischöflichen
Marschalls oder gar des Stadtgrafen angesprochen. Sicher ist, dass es sich um
eines der bedeutendsten nach dem Krieg noch in wesentlichen Teilen erhaltenen
mittelalterlichen Gebäude Paderborns gehandelt hat. Er wurde kurz nach dem II.
Weltkrieg abgerissen.
Eine der bedeutensten Baumaßnahmen des 12. Jahrhunderts war sicherlich die
Errichtung einer umfangreichen Stadtmauer. 1183 war spätestens eine Mauer
vorhanden, denn ab 1183 bis 1231 wurden vier Tore erwähnt. Wenngleich die
Errichtung der Stadtmauer u.a. aus zeitgenössischen Urkunden und durch die
Aufgabe von Befestigungsstrukturen im Burgareal indirekt für die Zeit um 1150
erschlosssen werden kann18, ist die genaue Entstehungszeit und der exakte
Verlauf nicht mit letzter Sicherheit zu belegen. Einen östlichen Mauerzug
vermutet Balzer bereits für die Zeit zwischen 1080 und 1107.19 Vermutlich
können nur archäologische Spuren in Zusammenhang mit schriftlichen Quellen
weitere Erkenntnisse liefern.
13. Jahrhundert
Das 13. Jahrhundert ist durch einige politsche Umwälzungen gekennzeichnet.
Die Stadt Paderborn hatte sich inzwischen zum regionalen Mittelpunkt von
Handel und Gewerbe entwickelt und erlebte einen wirtschaftlichen
Aufschwung. Die Paderborner Kaufleute sind erfolgreich im Verbund der
16
Hoppe, Ursula: Die Paderborner Domfreiheit. München 1975
Stadtgeschichte1999, B.1, S.153
18
Balzer, Manfred: Siedlungsgeschichte und topographische Entwicklung Paderborns im Früh- und Hochmittelalter.
In: Städteforschung A 27 – Stadtkernforschung, Hrsg. Helmut Jäger. Köln, Wien 1987
19
Stadtgeschichte1999, B.1, S.156/ 157
17
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11
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Hanse20 tätig und betreiben überregionalen Handel mit dem Ostseeraum.
Paderborn profitiert von seiner Lage an der Handelsroute Köln – Lübeck.
Allerdings wird die Rolle Paderborns als Handelszentrum ab der Mitte des 13.
Jahrhunderts nach der Verlegung der Haupthandelsroute auf die Achse Lübeck Bremen - Münster - Dortmund – Köln zusehends auf eine lediglich regionale
Bedeutung beschränkt.
Als Ergebnis des Investiturstreites21 zwischen dem römischen Papsttum und
weltlicher Herrschaft und nach der Ablösung des sächsischen durch das
staufische Königshaus, kam es zu einem weitgehenden Rückzug des Königtums
aus Norddeutschland. Die ehemals häufigen und prestigeträchtigen
Herrscherbesuche22 wurden seltener.
Den Paderborner Bischöfen war es durch eine systematische Territorialpolitik
gelungen, das Hochstift Paderborn zu erweitern und auszubauen. In der Stadt
Paderborn allerdings verloren sie zusehends die Macht an die Bürgerschaft.
Die Stadt Paderborn geriet zeitweilig unter mehr oder weniger großen Einfluss
der Kölner Erzbischöfe, mit dem sie sich gegen die Paderborner Bischöfe
verbündeten. Gegen Ende des 13. Jahrhundersts wurde diese Verbindung jedoch
durch das neuerliche Erstarken der bischöflichen Gewalt schwächer. Der
Einfluss der kölner Beziehungen auf die inneren Strukturen der Stadt Paderborn
insbesondere auf das Baugeschehen sind noch wenig erforscht.
Nach Errichtung der Stadtmauern bevölkerte sich die Stadt zunehmend.
Gleichzeitig sind in der ländlichen Umgebung Paderborns Wüstungsprozesse zu
beobachten. Die Paderborner Bürger trugen wesentlich zum Reichtum des
Stadtherrns - des Paderborner Bischofs - bei. Zur Abwicklung der Geschäfte
beanspruchten die Kaufleute und Bürger repräsentative Siedlungsflächen.
Bevorzugt wurden Grundstücke in der Näche des Marktes. Im Laufe der Zeit
emanzipierte sich jedoch die Stadtgemeinde und etablierte zunehmend
Instrumente der Selbstverwaltung. Die Bürger traten immer mehr in Konkurrenz
zum Bischof auf und es gelang ihnen durch reichlich vorhandenes Kapital die
Macht der Bischöfe drastisch einzuschränken. 1222 musste Bischof Bernhard
III. die Stadt Paderborn verlassen, 1275 erfolgte die Verlegung der Residenz
nach Schloß Neuhaus. Viele der bischöflichen Ministerialen verließen in der
Folge ebenfalls die Stadt. Die frei werdenden Hausstellen wurden von Bürgern
übernommen, dienten als Stadthöfe auswärtiger Konvente oder wurden
parzelliert und neu bebaut. Markt, Münze, Zoll, Steuerhoheit und
Gerichtsbarkeit gerieten zunehmend in den Besitz des Bürgertums. Das
Domkapitel konnte lediglich das Mühlenmonopol an den Paderquellen aufrecht
erhalten und somit den Einfluss auf die von der Wasserkraft abhängigen
Handwerke.
Stadt
Westernstraße
Die planmäßige Bebauung und Besiedelung der Westernstraße/ Königstraße
durch Händler und Kaufleute fällt vermutlich vor allem in diese Zeit. Zur Straße
hin erhielten die schmalen und langen Gebäude repräsentative Fassaden. Im
rückwärtigen Bereich errichtet man die im 12 Jahrhundert aufgekommenen s.g.
„Steinwerke“, unterkellerte, steinerne „Türme“, die Menschen und Waren feuerund einbruchssicher aufnehmen konnten.
20
Zum Thema Handel siehe: Sprenger, R.: Paderborner Handel zur Zeit der Hanse“. Paderborn 1995
Streit zwischen dem Reformpabstum und dem engl., franz. und dt. Königstum in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts
um die geistl. bzw. weltliche Vormacht.
22
Im Jahr 1002 fanden in Paderborn die Krönungsfeierlichkeiten von Kunigunde, der Gemahlin Heinrichs II. statt.
21
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Stadtsiegel
Pfarreinteilung
Für 1222 ist das erste Stadtsiegel bezeugt. Auf dem erhaltenen Stadtsiegel von
1231 ist die Kirche St. Pankratius mit ihrem Wehrhaftigkeit ausstrahlenden
Turm dargestellt. Auf dem Turm von St. Pankratius war ein Wächter tätig.
Aus dem Jahr 1231 ist eine wichtige Urkunde erhalten, die über die Struktur der
Stadt zu dieser Zeit Auskunft gibt23. Auf Grund steigender Bevölkerungszahlen
sowie des Anspruchs der Bürgerschaft auf eine eigene Pfarre war eine
Neugliederung der Pfarrverhältnisse erforderlich geworden. Die Pfarrrechte der
Gaukirche St. Ulrich wurden 1224 auf Initiative des päpstlichen Legaten und
endgültig dann 1231 auf Anweisung des Paderborner Bischofs Bernhard IV.
dreigeteilt.
Pfarrgrenzen in der Stadt Paderborn nach 1231
Abbildung vergleiche in: Brandt/ Hengst; Geschichte der Gaukirche, S. 16
23
WUB IV Nr. 200 v. 31.Januar 1231 u.a.
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13
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Domfreiheit
Dom
Klosterbauten
Rathaus
Markt
Busdorf
Dies war auch im Interesse des Kölner Erzbischofes, der durch diese
Aufwertung der Bürgerkirche St. Pankratius die Bürgergemeinde noch näher
auf seine Seite zog. 1275, nach verschiedenen Auseinandersetzungen der Stadt
mit dem Paderborner Bischof, kam es zu einem Schutzvertrag mit dem Kölner
Erzbischof. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung, dass
für Kirchen, die sich im Einflussbereich des Kölner Erzbischofes befanden,
häufig das Pankratius-Patrozinium gewählt wurde24.
Der gesamte Bereich der Domfreiheit dürfte im 13. Jahrundert eine große
Baustelle gewesen sein. Zunehmend wurden neue Kurien errichtet. Der
bischöfliche Besitz im Osten der Domfreiheit ging nach und nach in die Hand
des Domkapitels über. 1336 wurde dann auch das bereits in Verfall begriffene
Gebäude der bischöflichen Residenz an das Domkapitel abgetreten. Geistliche
Gemeinschaften nutzten zeitweise oder über längere Zeit Grundstücke und
Gebäude. Bürgerlicher Besitz im Bereich der Domfreiheit ist jedoch erst ab dem
14. Jahrhundert bezeugt.
Der Dom wurde zwischen 1215 bis 1280 unter großem finanziellen Aufwand in
eine gotische Hallenkirche umgebaut. Das benötigte Steinmaterial wurde teils
aus Steinbrüchen des Eggegebirges herbeigeschafft, teils aber auch aus
Steinbrüchen innerhalb des Stadtgebietes gewonnen.
Klosterbauten, Hospitäler, Spitäler und Bauten der Armenfürsorge werden im
13. Jahrhundert in größerer Zahl errichtet und sind Zeichen für den zunehmend
städtischen Charakter von Paderborn. Auf Initiative des Bischofs erfolgte 1229
die Ansiedlung von Zisterzienserinnen an der Gaukirche, 1232 von Minoriten
am Kamp (bis zur Reformation auf dem Gelände des späteren Theodorianum/
später bei der Jesuitenkirche). Durch bürgerliche Initiative entstand 1211 vor
dem Westerntor das Johannis-Hospital und das Laurentius-Spital an der
Giersstraße. 1298 wird erstmals das westlich vor der Stadt gelegene
Siechenhaus (mit Georgskapelle) urkundlich erwähnt.
Um 1230 bildete sich in Paderborn ein städtischer „Rat“. Ein Ort zur Abhaltung
der Ratsversammlungen und Durchführung von Kontroll- und
Verwaltungsvorgängen wurde bald erforderlich. Ein solches „rathus sive
pretorium“ ist 1279 erstmals urkundlich bezeugt. Wo es gelegen hat, ist nicht
geklärt. Spätestens 1473 (inschriftlich datierter Stein) dürfte das Rathaus jedoch
an der Stelle gestanden haben, an der es sich heute befindet. Möglicherweise
handelt es sich bei diesem Datum aber auch bereits um eine Umbaumaßnahme
eines noch älteren Rathauses an gleicher Stelle.
Der Markt befand sich im Bereich des Rathauses.
Im Bereich der Busdorfkirche wurden im 13. Jahrhundert ebenfalls
umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt, da ein größerer Stadtbrand das
Viertel zwischen 1263 und 1289 zerstört hatte. Im Bereich Busdorf- Immunität
befanden sich bis zu 23 Kurienbauten, die teilweise noch archäologisch
nachzuweisen sein dürften.
24
Warstein-Belecke um 1100 Probsteikirche, 1270 Erhebung zur Pfarrkirche, 1296 planmäßige Gründung der Stadt
Belecke im Rahmen Kölner Territorialpolitik, 1750 bauliche Änderungen an der Kirche wegen Baufälligkeit, wohl
verbunden mit dem Wunsch nach zeitgemäßer Neugestaltung (Kneppe, C. u.a.: Bericht über die archäologischen
Untersuchungen in ... Warstein-Belecke, St. Pankratius ... . Münster 1992). Neerdar Patronat arnsbergischkölnisches Lehen, Weitere Kirchen mit Pankratius-Patrozinium: Anröchte, Buldern (Bischof Münster), Emsdetten,
Gescher, Reiste, Rinkerode, Südkirchen)
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14
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Stadtprivileg
Burgericht
Aspethera-
Bauerschaften
14. Jahrhundert
Im 14. Jahrhundert zeichnet sich eine Wende der mittelalterlichen Blütezeit der
Stadt Paderborn ab. Verschiedene Ursachen führten zu gesellschaftlichen
Umwälzungen. Eine größere Hungersnot zu Beginn des Jahrhunderts dezimierte
die Bevölkerung vor allem in den Städten. Die zunehmend verdichtete
Bebauung führte zu verlustreichen Stadtbränden. Die hygienischen Verhältnisse
führten zur Verunreinigung des Trinkwassers und damit zu
Krankheitsepidemien. 1350 wurde auch die Stadt Paderborn erstmals von der
Pest heimgesucht. Die zahlreichen Opfer wurden in Massengräbern u.a. auf dem
Domfriedhof beigesetzt. Zahlreiche Siedlungen des Umlandes fielen wüst. Die
Bewohner, wenn nicht an der Pest gestorben, zogen in die Städte, um die leeren
Wohnplätze in Besitz zu nehmen. Für Ratsmitglieder der betuchten Oberschicht
wurden städtische Ämter zunehmend unattraktiv. Sie verzichteten sogar auf ihre
Bürgerrechte und wanderten in das Umland ab, um den Ratspflichten zu
entgehen. Seuchen, Zuwanderung und Abwanderung führten zwischen 1350
und 1450 zu einer Umschichtung in der Paderborner Bevölkerung. Der Stadtrat
entwickelt sich zunehmend zur obersten Gerichtsinstanz der Bürger.
Politisch versuchte die Stadt Paderborn im 14. Jahrhundert ihre gegen den
Bischof errungenen Vorrechte langfristig zu sichern sowie Bündnisse mit
anderen Städten im Hochstift Paderborn einzugehen. Der Bischof beendete in
dieser Zeit seine Auseinandersetzungen mit dem Domkapitel, um seine Stellung
gegen die Stadt zu stärken.
In der Folge der Veränderungen in der Organisation des Rates wurde die
gemynheitt, die Gesamtheit der Bürgerschaft, stärker mit einbezogen.
Möglicherweise im Zusammenhang mit diesen Bemühungen wurde die Stadt in
vier Unterbezirke eingeteilt, aus denen jeweils 10 Mitglieder den Ausschuss der
„Vierzig von der Gemeinde“ bildetetn.
1327 gelangte die Paderborner Stadtgemeinde endlich in den Besitz eines
umfangreichen Privilegiums („Privilegium Bernhardi“), das ihnen alle
erworbenen Rechte dauerhaft garantierte, teils bis in das 17. Jahrhundert hinein.
Im Zuge dieses Privileges wurde z.B. der städtische Rat zur entscheidenden
gerichtlichen Instanz hochgestuft, was seine Stellung weiter stärkte.
Am Markt befand sich das seit dem 12. Jahrhundert belegte „Burgericht“,
welches 1225 der Familie von Erwitte-Geseke erblich vom Bischof zu Lehen
übertragen worden war. Die Familie hatte stets bürgerliche Richter eingesetzt.
Das Gericht gelangte schließlich ganz in städtische Hand.
Im Ortsteil Aspethera befand sich ein zweites Burgericht. Belehnt war damit
seit Mitte des 13. Jahrunderts die Familie Bulemast-Stapel, die in Aspethera
über umfangreichen Grundbesitz verfügte. Das Gericht wurde abgehalten auf
dem Gerichtsplatz, dem„Thy“ nahe dem „Bolekenhof“.
Einzelne Spuren in verschiedenen Quellen lassen auf weitere „Burgerichte“ in
den einzelnen Bauerschaften schließen, die jedoch nicht zu lokalisieren sind.
Seit dem 14. Jahrhundert sind für die Stadt Paderborn vier Bauerschaften belegt,
die lt. Balzer vermutlich bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen. Topografisch
orientieren sich die Bauerschaften an je einer größeren Strasse sowie auf ein
Stadttor. Im einzelnen sind dies die östlich gelegene Maspernbauerschaft, die
südlich gelegenene Kämperbauerschaft und die westlich gelegene
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15
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Westernbauerschaft sowie die, wie Balzer vermutet,25 etwas später entstandene
Königsträßerbauerschaft. Im 15. Jahrhundert kam die Giersbauerschaft hinzu
bzw. wurde von der Maspernbauerschaft abgeteilt. Interessanterweise sind die
Bauerschaften räumlich nahezu deckungsgleich mit den 1231 neu eingeteilten
vier Paderborner Pfarrbezirken, wobei die Western und die
Königsträßerbauerschaft
zur
Pankratius
Gemeinde
gehören,
die
Kämperbauerschaft zu St. Ulrich und die Maspernbauerschaft zum Niedern
Chor des Domes und die Giersbauerschaft zum Busdorfstift.
Immunität
Dom
Synagoge
Stadtbrände
25
26
Die Verlegung der bischöflichen Residenz nach Schloß Neuhaus brachte vor
allem für die Domimmunität einige Veränderungen mit sich. Zu Anfang des 14.
Jahrhunderst lagen vermutlich alle Kurien im östlichen Teil der Immunität.
Nachdem die Wiederaufbaupläne des südwestlich des Doms gelegenen zuletzt
als bischöflicher Palast genutzen Gebäudes nicht realisiert werden konnten,
wurde das breits im Verfall befindliche Gebäude sowie ein Ministerialenhof
westlich der Gaukirche 1336 an das Domkapitel verkauft. Vom s.g.
„Bischofspalast“ sind noch Kellerreste im Diözesan-Museum und auch im
Keller des Hauses Am Abdinghof 1 (Fürstenberg-Kurie) erhalten.
Auch das Gelände zwischen Michaelstraße und Bartholomäuskapelle, auf dem
zunächst ein neuer Bischofspalast errichtet werden sollte, wurde freigegeben
und mit mindestens drei Kurien und Benfiziatenhäusern bebaut. Nur der s.g.
„Krevethof“ Markt 11/ 13 blieb bis in das 17. Jahrhundert im Besitz des
Bischofs. 1371 erwarb der Bischof als zeitweilige Residenz die Kurie
„Sternberger Hof“. In der Südwestecke der Immunität, am Eingang zum
Schildern, sind seit dem 14. Jahrhundert bürgerliche Häuser nachweisbar. Über
die Entwicklung der Immunität s.a. die Veröffentlichung von Ursula Hoppe.26
Der Dom wurde 1341 durch einen Stadtbrand stark zerstört. Im Zuge der
umfassenden Instandsetzung unter Bischof Balduin (1341-1361) wurden auch
die gotischen Fenster in der Ostwand des Chores und in der Südwand des
östlichen Querhauses eingebaut.
Eine jüdische Bevölkerung ist erstmals im 14. Jahrhundert in Paderborn
nachgewiesen. Nach den großen Pestepedemien werden sie nicht erwähnt. Mitte
des 16. Jahrhunderts sind sie wieder nachweisbar. Zwar lebten die Juden im
ganzen Stadtgebiet verteilt, hauptsächlich aber im Bereich Königstraße/ Kisau,
wo sich auch eine Synagoge befand.
15./ 16. Jahrhundert
Politisch war das Kräfteverhältnis zwischen der Stadt Paderborn und dem
Bischof im 15. Jahrhundert relativ ausgeglichen. Von einigen
Auseinandersetzungen abgesehen, konnte die Stellung der Stadt gegenüber dem
Bischof um 1475 noch einmal gestärkt werden. Im Untergrund schwelten
allerdings zahlreiche Konflikte, getragen von dem gegenseitigen Bemühen,
machtpolitisch die Oberhand zu gewinnen.
Im 16. Jahrhundert wurde die Bürgergemeinschaft zusehends destabilisiert.
Verschiedene Stadtbrände hatten die Stadt materiell geschädigt. So vernichtete
ein Brand, der sich im Jahr 1506 von der Marktkirche bis zur Stadtmauer an der
Busdorfkirche ausbreitete, rund 300 Häuser, was mindestens einem Viertel des
gesamten Baubestandes entsprach.
Stadtgeschichte 1999, Bd. 1, S. 305 ff.
Hoppe, Ursula: Die Paderborner Domfreiheit. München 1975
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16
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Wasserkunst
Landwehr
Reformation
Bürgerbauten
„Zitadelle“
1523 wurde Paderborn wohl auf dem Hintergurnd des „Großen Brandes“ von
1506 mit einer modernen Wasserversorgung ausgestattet. Man errichtete eine
der ersten „Wasserkünste“ in Westfalen.
Zu Anfang des 15. Jahrunderts entstand die Paderborner Landwehr, um sich vor
Gegnern zu schützen, die das gesamte Hochstift bedrohten. Auch die
Verteidigunskraft der Stadt musste gestärkt werden, in dem z.B. das Neuhäuser
Tor eine vorporten (Doppeltoranlage) erhielt.
1520 wurde Paderborn erneut von der Pest heimgesucht. Lebensmittelknappheit
war nahezu die Norm geworden. Besonders die unteren Bevölkerungsschichten
scheinen sich in zunehmender Notlage befunden zu haben. Dagegen stand ein
relativ wohlhabender Lebenstil des höheren Klerus. Diese Umstände dürften die
Verbreitung der reformatorischen Ideen begünstigt haben. Um 1525 kam es zu
Aktionen aus der Bevölkerung gegen die Paderborner Mönche. Der Konvent
der Minoriten schloss sich um 1528 den reformatorischen Ideen an, die sich in
der Folge in der Stadt weiter ausbreiteten und die Bürgerschaft spalteten. So
wurden 1532 die Anführer der lutherischen Bewegung durch den Rat verraten,
die reformatorische Bewegung war vorerst gestoppt. Der Bischof konnte
wesentliche Änderungen in der Stadtverfassung durchsetzen und seinen
Einfluss deutlich stärken. Die einstmals relativ selbstständigen Bürger wurden
zu landesherrlichen Untertanen.27
Im Pestjahr 1566 kam es erneut zu einem Konflikt zwischen der überwiegend
protestantischen Bevölkerung und der katholischen Obrigkeit. Die sich in der
Folge fortsetzende Spaltung und Schwächung der in großen Teilen reformierten
Bürgerschaft erlaubte es Bischof Dietrich von Fürstenberg schließlich 1604
durch die Niederschlagung der „Rebellion“ des protestantischen Bürgermeisters
Wichard die Machtfrage für sich zu entscheiden und die Privilegien der
Bürgermeinde nahezu vollständig zu beseitigen. Dieser gravierende
Machtwechsel, den Balzer als „stadtgeschichtliche Zäsur“ beschreibt28, brachte
auch für die Bautätigkeit und somit für das Stadtbild von Paderborn einige
Veränderungen mit sich. Repräsentative Bereiche der Stadt wie Domimmunität,
Kamp, Markt und Westernstraße wurden im Stil der Renaissance und unter
fürstbischlöflichem Einfluss umgestaltet.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts erlebte Paderborn vor allem durch den sich
entwickelnden Getreidehandel wieder einen bescheidenen wirtschaftlichen
Aufschwung. In dessen Folge kam es auch erneut zu einigen Neubauten von
repräsentativen Bürgerhäusern. Bis 1945 waren noch 35 Gebäude aus dem 16.
Jahrhundert erhalten.
Der Plan, unter Einbeziehung der Stadtmauern eine Zitadelle zu errichten, kam
nicht zur Ausführung.29
17./ 18. Jahrhundert
Paderborn wandelte sich von einer mittelalterlichen Bürgerstadt zur
neuzeitlichen Territorialhauptstadt und übernimmt Hauptstadtfunktion für das
Territorium des Paderborner Hochstiftes. Trotz des Dreißigjährigen Krieges
bleibt die Bevölkerungszahl Paderborns relativ konstant und wuchs nach dem
Kriege beständig. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrunderts sinkt die
27
Stadtgeschichte, 1999, Bd.1, S. 411 -429
Stadtgeschichte, 1999, Bd.1, S. 469 f.
29
Richter, Bd. II, S. 148 f.
28
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17
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Bevölkerungszahl allerdings wieder, worin sich ein Verlust an kultureller
Zentralität und ein wirtschaftlicher Rückgang widerspiegeln.30
Die materiellen Zerstörungen an den Paderborner Gebäuden im Verlaufe des
30-jährigen Krieges hielten sich in Grenzen, wenn auch umfangreiche
Plünderungen am Inventar der Kirchen und Wohnhäuser stattgefunden hatten.
Markt
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts unternehmen Stadt und Bischof mit Erfolg
besondere Anstrengungen, um das Marktgeschehen in Paderborn zu fördern.
Von den Einnahmen profitierten besonders Bischof, Ritterschaft und
Domkapitel. Paderborn erhält zentrale Bedeutung für den Woll- , Schaf- und
Getreidehandel.
Religiöse Orden Durch die Ansiedelung verschiedener geistlicher Orden wird die
Gegenreformation aktiv gefördert. Seit 1585 sind Jesuiten in Paderborn (Am
Kamp, ehem. Minoritenkloster), Kapuziner (Am Stadelhof), Kapuzinessen (Am
Kisau vor dem Neuhäuser Tor), Augustinerinnen (Michaelsstraße) und
Franziskaner (Westernstarße) angesiedelt. Die Barockkirchen dieser Orden
gehen auf bischöflliche Stiftungen zurück.
Universität
1614 wurde durch die Mitglieder des Jesuitenordens die Paderborner
Universität gegründet, die vor allem von Studenten aus Paderborn und dem
Hochstift besucht wurde. Bereits seit 1585 hatten die Jesuiten die Leitung des
Gymnasiums Theodorianum übernommen. So gelangte die Stadt in den Ruf
eines geistigen Zentrums in der Region.
Buchdruckerei 1597 arbeitete in Paderborn die erste Buchdruckerei.
Rathaus
1620 war das auf Betreiben Bischof Dietrichs im Stil der Renaissance neu
errichtete bzw. erweiterte Rathaus fertiggestellt.31 An der Nordseite des
heutigen Rathauses befindet sich ein Wappenstein mit der römischen Jahreszahl
„1473“. Dieser Stein deutet auf Neu- oder Umbaumaßnahmen zu dieser Zeit.
Seit 1473 stand also mit Sicherheit ein Rathaus an der Stelle des heutigen.
Stadtmauer
Die Stadtbefestigung wurde durch Schanzen vor den Stadttoren zeitgemäß
verstärkt.
Straßenpflaster 1729 werden die wichtigsten Straßen Paderborns gepflastert.
Stadthöfe
Verschiedene Adels- und Klösterhöfe werden im 17./ 18. Jh. in repräsentativer
Form neu errichtet (Haxthausenhof, Westphalenhof, Dalheimer Hof).
Bürgerbauten
Die bürgerlichen Bauten, häufig als Dielenhäuser mit großem Eingangstor
errichtet, wurden in der Zeit nach dem 30-jährigen Krieg und zunehmend im 18.
Jahrhundert mit geschlossener Fassade als Flur- und Etagenhäuser erbaut.
Weserrenaissance Die Straßenansichten erhielten, vor allem im Bereich des Rathauses, im 17./ 18.
Jahrhundert ein neues Erscheinungsbild im Stil der für die Region typischen
Weserrenaissance und später des Barock. Das bedeutenste Beispiel ist das
Rathaus und einige Bürgerhäuser wie das Haus Heising. Aber auch
Fachwerkfassaden, die das Stadtbild prägten, wie z.B. das „Adam-und-EvaHaus“ in der Hathumarstraße, wurden in entsprechender Weise stilgerecht
ausgeführt. Hinter bzw. unter vielen Häusern befinden sich allerdings noch
häufig die Steinwerke bzw. die Keller des Mittelalters.
Barocke Bauten
30
31
Im 18. Jahrhundert wurde das Paderborner Stadtbild durch Errichtung oder
Umbau zahlreicher Bauten zum Teil „barockisiert“. So wurde das Kloster an der
Gaukirche durch einen barocken Neubau erweitert. Der Gaukirche St. Ulrich
Balzer, Städteatlas 1984
Nähere Angaben zum Rathaus s. Kapitel 1.5.3 „Einzelobjekte“.
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18
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Stadtbrand
wurde die barocke Westfassade vorgesetzt. Fast alle Gebäude am Markt
erhielten barocke Fassaden. Auch die neue Jesuitenkirche am Kamp wurde
1692 im barocken Stil fertiggestellt. In die gleiche Zeit fällt der Neubau der St.
Michaelskirche. Weitere Beispiele lassen sich aufzählen.
1616 zerstörte ein Brand das Kapuzinerkloster am Stadelhof und zahlreiche
Gebäude zwischen Heiers- und Giersstraße. In der Folge wurde das
Wasserleitungsnetz weiter ausgebaut und um 1625, nach einem weiteren
kleinen Brand, erstmals eine Feuerordnung erlassen.
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PADERBORN
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19. Jahrhundert
Zweihundert Jahre nach den entscheidenden Ereignissen des Jahres 1604 geriet
das Fürstbistum Paderborn im Jahr 1802 unter preußische Oberherrschaft und
wurde Teil der preußischen Provinz Westfalen. Die alten Immunitäten und
geistlichen Sonderrechte wurden beseitigt, die Kirchen und Klöster
säkularisiert. Als Kreisstadt erhielt Paderborn eine Garnison und das
Oberlandesgericht. Auch einige Verwaltungsbauten wie die große Post an der
Westernstraße veränderten das Stadtbild. GroßeAuswirkungen auf das Leben
der Bürger und auf die bauliche Entwicklung der Stadt erfolgten aber zunächst
nicht. Die Stadt verharrte noch weitgehend in ihrer mittelalterlichen
Ausdehnung innerhalb der Stadtmauern. Um 1820 waren die Tore der
Stadtmauer noch erforderlich, um Steuern zu erheben. Bis 1848 blieben die
Stadttore nachts verschlossen.
Industrialisierung Gravierende Veränderungen im Stadtbild und in der Bausubstanz ergaben sich
erst im Zuge der Industrialisierung.
Eisenbahn
In diesem Zusammenhang ist vor allem die Anbindung Paderborns an das
überregionale Eisenbahnnetz im Jahre 1850 von großer Bedeutung.
Im Zuge eines deutlichen Bevölkerungsanstieges sowie der damit verbundenen
Ansiedelung von zahlreichen Wohn- und Gewerbebetrieben vor der Stadt wurde
die Grenze der mittelalterlichen Stadtmauern gesprengt.
Stadtmauer
Die Schanzen vor der Stadtmauer wurden ab 1809 nach und nach abgetragen.
Die Wälle wurden eingeebnet und wie in vielen anderen mittelalterlichen
Städten auch zu „Promenaden“ umfunktioniert. Die Stadttore wurden zunächst
aus verkehrstechnischen Gründen verbreitert, später abgebrochen (Neuhäuser
Tor 1872).
Straßenpflaster Seit Beginn des 19. Jahrhunderts erfolgte die systematische Pflasterung der
Paderborner Straßen.
Baumaßnahmen Der Bevölkerungszuwachs bedingte eine dichtere Bebauung. Zu Ende des 19./
A. 20. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Mehrfamilienhäuser im Stil der
„Gründerzeit“ an verschiedenen Stellen in der Stadt. Die städtische Oberschicht
errichtete ihre Villen jetzt vornehmlich vor der Stadt.
Ükernbrand
1875 vernichtete ein Brand rund 100 Wohngebäude im Ükernviertel. 900
Personen wurden obdachlos. Der Stadtteil wurde anschließend wiederaufgebaut.
Karten von 1857 und 1877 zeigen, dass der Wiederaufbau auf einer
umfangreichen Neuplanung mit teilweiser Umstrukturierung der Parzellen und
Neuanlegung von Straßen beruht.32 Der Wiederaufbau gilt als erste planmäßig
durchgeführte Maßnahme zur Stadtentwicklung. Als gesetzliche Grundlage
diente das Enteignungsgesetz von 1875 und das Fluchtliniengesetz von 1875.
Der Brand wird als entscheidender Ausgangspunkt für die nun folgende
planmäßige Stadterneuerungsmaßnahmen in Paderborn betrachtet.
(vergleiche Abbildung Stadtgeschichte Bd.III Seite 103)
In Folge neuer wirtschaftlicher Entwicklungen im Rahmen der
Industrialisierungwelle des 19. Jahrhunderts sowie durch die Anbindung an das
überregionale Eisenbahnverkehrsnetz, benötigte man auch in Paderborn
zunehmend Flächen für diese überregionalen Strukturen der Eisenbahn und des
Militärs. Dies geschah unmittelbar vor den Stadtmauern Paderborns, denn der
mittelalterliche Stadtkern erlaubte keine Expansion oder gar Neuansiedlung
Säkularisation
32
Zum Ükernbrand s. Stadtgeschichte, Bd. III, S.101 f.
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20
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
größerer Betriebe. Nur die Mühlen an der Pader nutzen teilweise bis heute die
Wasserkraft der zahlreichen Quellen. Alte Luftbilder zeigen sehr anschaulich
die Expansion der Stadt über den mittelalterlichen Kern hinaus. Die Stadtmauer
wurde wie in andern Städten in weiten Teilen niedergelegt.
Auch die Bevölkerungszahl stieg in der Folge der wirtschaftlichen Entwicklung
stark an. 1840 bestand die Paderborner Bevölkerung aus rund 8.000 Personnen,
davon lebten nur rund 150 außerhalb der Stadtmauern. 1861, zehn Jahre nach
dem Bau der Eisenbahn lebten bereits 11.000 Personen innerhalb der
Stadtmauern. Diese Menschen konnten im historischen Stadtkern jedoch im
Prinzip nicht mehr untergebracht werden. Als erste größere Wohnquartiere
außerhalb des mittelalterlichen Stadtkerns wurden um 1882 unweit des
Bahnhofes (1853) das „Gartenquartier am Riemeke“ (-bach) und die Siedlung
„beim Lazarett“ an der Neuhäuser Straße angelegt. Weitere Siedlungen folgten
und wuchsen langsam zu einer Einheit zusammen.
Modernisierung Für die Altstadt bedeutet das 19. Jahrhundert eine Zeit der technischen
Modernisierung. Die Straßen wurden ab 1820 systematisch gepflastert, die
Beleuchtung durch Gaslaternen erfolgte ab 1855, die Elektrifizierung ab 1900.
Durch Gas und Strom konnten Kleinbetriebe modernisiert werden. Die neuen
Möglichkeiten relativ billig Glas herzustellen, beeinflusste das
Erscheinungsbild der Fassaden, der Einbau von „Schaufenstern“ kam ab 1852
in Mode. Der Warenverkauf wurde von der Straße in die Häuser verlegt;
Ladengeschäfte entstanden. Um 1900 hatten sich großflächige Scheiben
durchgesetzt. Der neue Bautyp des Kaufhauses war entstanden.
Neubauten
Nach 1850 entstanden vereinzelt größere Neubauten in der Stadt wie die
Wollhalle am Rosentor, das Postgebäude an der Westernstraße, ein neues
Schulgebäude am Michaelskloster oder das Generalmutterhaus der
Vinzentinerinnen am Busdorf. Diese Gebäude beeinflussten das historische
Stadtbild jedoch nur relativ gering.
20. Jahrhundert
Entgegen dem allgemeine Trend im Deutschen Reich profitierte Paderborn nur
in geringem Maße vom wirtschaftlichen Aufschwung der Zeit. Handwerk,
Kleinhandel und Kleinindustrie bildeten bis weit nach dem Ersten Weltkrieg die
wirtschaftliche Grundlage der Stadt. Zudem bestanden Arbeitsmöglichkeiten in
den diversen Verwaltungen von Kirche, Justiz und Militär. Auf dem Markt
wurden die landwirtschafltichen Produkte des Umlandes abgesetzt. Die
technische Modernisierung schritt fort durch Errichtung des Elektriziätswerkes
im Jahr 1909. Aufgrund der stark steigenden Bevölkerungszahlen, wurden in
den 20er Jahren zahlreiche neue Wohnungen errichtet, der historische Stadtkern
war davon jedoch kaum betroffen.
Nachhaltigen Einfluss auf die Stadtplanung nahm vor allem nach dem 2.
Weltkrieg die Erwartung eines sich stark entwickelnden Autoverkehrs. Dazu
schrieb 1949 Dr. Gustav Speer vom städtischen Bauamt: „Im Laufe der
geschichtlichen Entwicklung wurden die Flächen der Altstadt, die früher
ausnahmslos große Hausgärten hinter den Bürgerhäusern aufwies, immer
stärker überbaut. Die einzelnen Grundstücke wurden im Erbgang in immer
kleinere Parzellen aufgeteilt und zugleich verschachtelt, so daß schon allein
durch die Grunstücksverschachtelung ein vernünftiges Bauen in weiten
Strecken der Altstadt unmöglich war. Entscheidend war, wie bei vielen anderen
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21
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
deutschen Altstadtkernen, die Erkenntnis, daß das Straßennetz der Altstadt den
verkehrsmäßigen Anforderungen nicht mehr entsprach. ...
Der Fluchtlinienplan der Altstadt Paderborn geht von der Erkenntnis aus, daß
die Verbreiterung der Hauptdurchgangsstraßen auf die verkehrsmäßigen
Notwendigkeiten sowie die Schaffung eines einfachen und möglichst sparsam
ausgebauten Verkehrsnetzes die Voraussetzung für ein Wiedererstehen der
Altstadt war.“33 Der Schildern wurde von dem Vorhaben der
Straßenverbreiterung ausgenommen.
Für das Umlegungsverfahren musste eine neue Katasterkarte angefertigt
werden, da die bis 1945 verwendete auf die Uraufnahme von 1830 zurückging
und in der Genauigkeit völlig unzureichend war.
Bei dem Umlegungsverfahren wurden auch weite Bereiche um die Paderquellen
von einer künftigen Bebauung ausgeschlossen.
33
Kiepke 1949; Paderborn, Werden . Untergang . Wiedererstehen
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22
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.1.2
Siedlungsgeschichte - Chronologische Übersicht in Stichpunkten anhand
einiger ausgewählter Daten
772
Beginn Sachsenkriege
Eroberung der Eresburg, südlich von Paderborn an der Diemel, die von Karl
dem Großen zur Winterpfalz ausgebaut wird.
Rückeroberung der Eresburg durch die Sachsen
Instandsetzung der Eresburg durch Karl den Großen
Aufenthalt Karls d. Gr. In Paderborn, Begründung der Karlsburg und der
karolingischen Pfalz
Erste fränkische Reichsversammlung in Paderborn, Teilnehmer wohnen in
Zelten
Weihe der Kirche St. Salvator (Bau Ia, 22,00 x 9,00 m) ecclesia magna
(Lobbedey, Ausgrabungen, S.15, + DERS. Dom, S.14). Kirche zweimal
wiederaufgebaut. Endgültige Aufgabe nicht gesichert, vermutlich beim Bau
eines neuen Kloster an die neue Kirche (IIa) von 795 ff.
Paderborn ist Krongutsbezirk. Große Teile des Krongutes wechselten im 9.Jh.
in Kirchenbesitz über
erste
Zerstörung
der
fränkischen
Anlagen
in
Paderborn
Möglicherweise bereits jetzt Ersatz der ersten Holz-Erde-Befestigung durch
eine 1,30 - 1,50 breite Steinmauer (Winkelmann), von einem Graben
umschlossen (StG, Bd.1, S.15)
zieht Karl d.Gr. sich nach der Schlacht von Detmold in die Paderborner Burg
zurück (Einhardsannalen nach StG, Bd.1, S.28)
zieht Karl d. Gr. von der Eresburg nach Paderborn, nachdem Nachschub aus
fränkischen Kernlanden eingetroffen war
zweite große Zerstörung der Burganlage durch Sachsenaufstand, Wiederaufbau
nach alten Strukturen, ab jetzt Nutzung der Pfalzkirche (Ib) als Klosterkirche,
dazu Erweiterung der Kirche nach Westen um ein ein offenes Atrium als
Begräbnisplatz möglicherweise für die jetzt angesiedelten Kleriker/ Mönche, zu
unterscheiden vom großen süd- und südwestlich der Kirche gelegenen „Pfarr“Friedhof paralel zur Nordwand der Kirche Mauer, als Rest eines Kreuzganges
gedeutet. Wie in anderen westf. Bischofssitzen zunächst Monasterium dann
Bistumsgründung. (StG, Bd.1, S.31)
Kirchenneubau (IIa) ecclesia mirae magnitudinis (Lorscher Annalen 799)
südlich der Salvatorkirche (Ia/ Ib) in den Friedhof hinein. 822 Patrozinien Maria
und Kilian bezeugt, der Papst weiht einen Altar St.Stephanus. Konstruktion als
dreischiffige Basilika, Mittelschiffwände vermutlich von Säulen getragen,
Chorschluss vermutlich halbrunde Haupt- und zwei Nebenapsiden, Innenmaße
21,00 x 42,70 m (wie Lorsch, Baseler Münster, St. Denis in Paris); Ostteile der
Kirche aus Sandsteinquaderwerk; innen und außen verputzt, innen farbig
bemalt; nur einzelne Fundamentreste erhalten (Bd.1, S.33/34)
Papst Leo III. in Paderborn
Letzter Aufenthalt Karls in Paderborn. Vorbereitungen zur Gründung des
Bistums.
Das Monasterium Paderburnense wird durch Karl d. Gr. mit Gütern
ausgestattet. (nach dem Bericht Erconrad von der Übertragung der LiboriusReliquien; Bd. 1, S.32)
774
775
776
777
778
783
785
um 794
nach 794
799
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23
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
799 o.früher
8. Jh.
806-815
814
815
815-862
822
834
836
845
958
1000
um 1000
Anfang 1000
1009-1036
1036
1058
1051-1079
1103
1165
Um 1180
Um 1200
1222
1229
1231
Kapelle St. Maria von Gerold, einem Verwandten Karls d. Gr. errichtet, in der
Nähe der späteren Bartholomäus-Kapelle (nach Vita Meinwerci, 12. Jh./ StG,
Bd.1 S.34), genaue Lage aber unbekannt.
Eine Klerikergemeinschaft besteht in Paderborn
1. Bischof Hathumar
Unterstützt die Gründung des Klosters „Hethis“ als Corbier Probstei (Vorgänger
von Corvey/ Höxter, 822 Verlegung nach Höxter, 836 Reliqiuen St.Vitus aus
St. Denis). Tritt als „Königskloster“ teilweise in Konkurenz zur Bischofskirche.
Tod Karls d. Großen
Einzige Reichsversammlung Ludwig des Frommen in Paderborn
2. Bischof Badurad
(Königsnaher, vornehmer Sachse aus Würzburger Klerus), fördert kirchliches
Leben und Domschule. Die Kanoniker leben gemeinsam im abgeschlossenen
Domkloster claustra, das nur durch einen Eingang zu betreten war. Evt. wurde
unter Badurad das Domkloster mit wahrscheinlich gleichzeitig errichteter
Kapelle gebaut. Zum Klosterbereich gehörte eine Domschule. Der Dom erhält
zur Aufnahme einer größeren Pilgerschar ein großes Westquerhaus (IIb) incl.
Westapsis (Paralele Fulda) mit Ringkrypta (Vorbild St. Peter in Rom) als
Bestattungsplatz für die Liborius Reliqiuen
Immunität für die Paderborner Kirche durch Ludwig d. Frommen
Kirchlicher Besitz darf von Beauftragten des Königs nicht mehr z.B. für
Gerichte genutzt werden oder zur Bewirtung herangezogen werden. Alle
Forderungen waren der Kirche abzuliefern. Ein Vögtewesen zur Verwaltung
dieser Güter entsteht. Die Vögte sind zunächst vom Bischof und Domklerus
gewählt worden.
Reichsversammlung Ludwig des Deutschen in P.
Symbolische Inbesitznahme des östl. Reichsteils; Badurad baut die Pfalz aus.
Translozierung der Liborius-Reliquien auf Befehl des Kaisers
Reischsversammlung Ludwigs des Deutschen in Paderborn
Otto der Große in Paderborn
Später auch Aufenthalt von Konrad I. und Otto III. möglich, aber nicht sicher
Großer Brand
Dortmunder Stadtrecht
„Marktkirche“ in Vita Meinwerci erwähnt
Bischof Meinwerk
Neubauten: Pfalz, Neuer Dom, Bischofspalast,
Abdinghofkloster, Busdorfstift, Bartholomäus-Kapelle (Hallenkirche)
1. Erwähnung von Schloß Neuhaus (Siftungsurkunde Busdorfstift)
Bischhöfl. Tafelgut mit 13 Vorwerken erwähnt (Busdorfurkunde), aus
Königsbesitz?
Patherburna 13. Villikation des bischhöflichen Tafelgutes
Brand
Bischof Imad; Wiederaufbau nach dem Brand
Stadtgraf erstmals erwähnt
Stadtbrand im Westen der Stadt; Zerstörung Marktkirche und Abdinghofkloster
Errichtung der Gaukirche als Stadtkirche
Größte Ausdehnung (bis 19. Jh.)
Auseinandersetzung Bischof - Bürger
Gründung Gaukirch-Kloster (Zisterz.-innen); Inkorporation d. Gaukirchpfarrei
Ältestes Stadtsiegel „Großes Siegel“
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24
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1238
1240-1260
1275
1279
1286
1295
1327
1329
1336
1342
1350
Um 1370
1414
1439
1447
1473
1506
1542
1580
1585-1618
1585
1592
1597
1604
1612
1613-15
1613-1620
1614
1618-48
1661-83
1663-64
1682-92
1691-98
1729
1756-63
1769
1784
1797
1802
1803
1803/04
1808-1813
1810
Ratsherren erstmals erwähnt
Bau gotische Langhaushalle Dom
Schloß Neuhaus Bischofsresidenz (Bischof Simon I.)
Erste Erwähnung Rathaus
Pad. Bürger setzen das Schloss in Neuhaus in Brand
Paderborn als Mitglied der Hanse bezeugt
„Hanserecht“ für Kaufmannschaft, Freie Ratswahl durch B. Bernhard V.
zugestanden
Erste Erwähnung Kalandsbruderschaft
Bischofspalast engültig aufgegeben
Schenkung der „Groppenhalle“ = Verkaufshalle an das Heilig-Geist-Hospital
durch Kaufmannsfamilie Vanderbeke (s.Sprenger, Hanse: Urkunde: STA
Paderborn, U38 von 1342
Pestepedemie
Schloss Neuhaus endgültig Residenz der Paderborner Bischöfe
Erste Erwähnung „Elenden-Bruderschaft“
Pestwelle, über 2000 Opfer
Für kurze Zeit führende Stellung in der Hanse als „hovestadt“
Rathausbau (Keller im heutigen Rathaus erhalten)
Großbrand, mehr als 300 Häuser zerstört
„Wasserkunst“ für die höher gelegenen Stadtteile projektiert
Fürstbischof Hermann von Wied tritt zum Protestantismus über, Absetzung
Jesuiten vom Domkapitel nach Paderborn berufen
Bischof Dietrich von Fürstenberg
Jesuiten übernehmen die Domschule (400 Schüler)
Jesuitenkollegs im ehemaligen Minoritenkloster Am Kamp, später Neubau
Erste Buchdruckerei in Paderborn durch M. Pontanus
Gegenrefornation erfolgreich, Verlust der städtischen Freiheiten u. Rechte
Errichtung des Gymnasium Theodorianum
Errichtung Kapuzinerkloster, Kirche 1681-83
Neubau Rathaus „Weserrenaissance“
Jesuitenuniversität durch Bischof Dietrich gegründet (älteste Univ. Westfalens)
Schäden und Bevölkerungsrückgang im 30-jährigen Krieg
Bischof Ferdinand von Fürstenberg; Förderung des Kirchenbaues
Verfasser der „Monumenta Paderbornensia“
Neubau Franziskaner-Kloster in der Westernstraße, Kirche 1668-71
Neubau Jesuitenkirche („Marktkirche“)
Kloster + Kirche St. Michael (Chorfrauen des Hl. Augustinus, in Pad. seit 1658)
Pflasterung der wichtigsten Straßen (Anordnung von Bischof v. Wittelsbach)
7-jähriger Krieg - Wirtschaftliche Rezession
Erste Hausnummerierung für Feuerversicherung
Abbruch der baufälligen Marktkirche auf dem Marienplatz
Gründung Landeshospital (Kisau) für Mittellose aus dem Hochstift
Fürstbistum Paderborn als Entschädigung an Preußen
Bildung einer evangelischen Gemeinde in Paderborn
Aufhebung Abdinghofkloster
F.W. Sertürner (Geburtshaus „Sertürner-Haus“) enteckt das Morphium in
Paderborn (Hofapotheke Cramer)
P. zu Königreich Westphalen, Sitz einer Unterpräfektur
Aufhebung Gaukirchkloster und Busdorfstift
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1816
1818/1844
1835
1847
1848
1850
1854
1856
1875
1882
1892
1892
1903
1909
1929
1933
1938
1940
1945
1945-55
1955
1974-82
1972-75
1975
1978
1981
2000
Paderborn wird wieder Kreis- und Garnisonsstadt (auch 1802-1806/07)
Teilaufhebung der Universität, heute Theologische Fakultät
Selbstverwaltung durch revidierte Städteordnung v. 1831
Gründung Provinzial-Blindenanstalt (Initiative v. Pauline v. Mallinckrodt)
Kreissparkasse Paderborn
Eisenbahnanschluss (Hamm-Paderborn) und nach Warburg 1853
Paderborner Gasanstalt
Jüdisches Waisenhaus für Rheinland und Westfalen
Großbrand am Ükern, 98 Wohnhäuser und 20 Scheunen zerstört
Einweihung der Neuen Synagoge am Busdorf
Eröffnung Kaiser-Karl-Hallenbad
Fernsprechnetz (22 Teilnehmer)
Städtische Sparkasse
Gründung E-Werk
Erhebung zum Erzbistum als Zentrum der mitteldeutschen Kirchenprovinz
Gründung Westfälisches Landestheater
Synagogenbrand
Erster Luftangriff
Zerstörung 85%
Wiederaufbau
Im Rahmen des „Ostwestfalenplanes“ Industrie- und Gewerbeansiedlung in P.
„Stadtsanierung“
Diözesanmuseum Paderborn (G.Böhm)
Kommunale Neugliederung: Paderborn wird Großstadt, Kreis Paderborn
Pfalzneubau (G. Böhm) fertiggestellt
Neubau Stadthalle „Paderhalle“ im historischen Stadtkern
Neubau Liborigalerie am Kamp
Neubau Sparkasse im Schildern unter Einbeziehung der historischen Fassade
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26
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.2
Siedlungsgenese
Vorstellungen über Aussehen und Struktur historischer baulicher Anlagen und
städtebaulich-räumlicher Zusammenhängen reflektieren wir in unserem
Bewusstsein aus den uns zugänglichen zeitgenössischen Quellen. Die
zwangsläufig vorhandenen Lücken, sei es aus der Unmöglichkeit heraus
sämtliche Überlieferungen zu überschauen, oder sei es aufgrund der mit
Sicherheit tatsächlich vorhandenen Unvollständigkeit der auf uns
überkommenen Quellen, werden durch vergleichende Interpretation zu analogen
Vorgängen oder Anlagen geschlossen, es werden also Thesen auf der Grundlage
abrufbaren Wissens sowie heutiger Vorstellungen erstellt. Die Ergebnisse der
Interpretationsbemühungen sind in nicht unerheblichem Maße abhängig von der
jeweiligen Fachrichtung des Interpreten. „So ist es Historikern kaum möglich,
die Darlegungen der Kunsthistoriker, Bauhistoriker und Archäologen in ihrer
Aussagefähigkeit und Zuverlässigkeit zu beurteilen, und die Bau- und
Kunsthistoriker haben es schwer, die historischen Quellen und Darstellungen in
ihrem Gehalt zu würdigen.” (Günther Binding 1996; Vorwort)
In Paderborn ist besonders eine Kontinuität augenfällig die darin besteht, dass
sich die zeitgenössischen Vorstellungen von der Siedlungsentwicklung ständig
geändert haben. Aufgrund der noch kaum überschaubaren immensen
Informationsfülle sowie zahlreicher ungeklärter Fragen, insbesondere zur
Struktur und frühmittelalterlichen Funktion des Abdinghofgeländes (vor
Bischof Meinwerk) wäre es vermessen zu glauben, dass dieser Wandel der
Interpretation zu einem jähen Ende gekommen sei. Vielmehr ist man noch weit
davon entfernt, eine schlüssige Gesamtdarstellung zur Siedlungsgenese
entwerfen zu können, soweit das überhaupt möglich sein wird.
Die vorliegende Arbeit mit Schwerpunkt Archäologie und Bauhistorie ist selbst
nicht als Forschungsprojekt zu sehen, sondern hat die komprimierte Darstellung
vorhandener Informationen zum Ziel. Es wird in diesem Kapitel daher lediglich
ein Überblick über aktuelle Diskussionsschwerpunkte bis zum Zeitpunkt des
Redaktionsschlusses gegeben. Dieser Überblick wird durch einzelne
Beobachtungen ergänzt, die uns während der Bearbeitung wichtig erschienen
und bisher weniger Beachtung fanden.
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27
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.2.1
Städteatlas
Ein Beispiel für die schnellen Veränderungen im Erkenntnisstand zur
Siedlungsgenese ist die Karte im Städteatlas. Diese ist heute zu diesem Thema
praktisch unbrauchbar. Die hier innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer
angegebenen „Entwicklungsringe“ sind entweder eindeutig widerlegt, oder
mindestens unbeweisbar und fragwürdig. Der Mauerverlauf südlich der KampStraße, der aufgrund von „Beobachtungen“ ORTMANN´s in die Karte
übernommen wurde, konnte bereits 1994 bei der Kamp-Grabung als völlig
haltlos enttarnt werden (MOSER, GrabungsKAMPagne S.25 f). Frühere WesternTore im Verlauf der Westernstraße sind durch keinerlei Befunde gestützt und
völlig spekulativ.
Immunitätsmauer
Der heutige erkennbare Verlauf der südlichen Immunitätsmauer des
Abdinghofes ist stadtgeschichtlich sehr jung und steht auf einem verschütteten
Steinbruch. Die ursprüngliche Grenze reichte nach urkundlicher Überlieferung
bis an den Hellweg, dessen genauer Verlauf aber unserer Meinung nach noch
nicht schlüssig geklärt werden konnte.
Abdinghof
Domburg
Schildern
1.5.2.2
Der im Städteatlas eingetragene Domburgverlauf ist wohl in dieser Form
spätestens ab dem 15. Jahrhundert zutreffend, für die karolingische Zeit aber
mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht. Weiterführende Erkenntnisse sind durch
die noch laufende wissenschaftliche Arbeit von M.MOSER zu erwarten.
Das nördlich gelegene Osttor der Domburg ist durch angebliche Befunde
seinerzeit wahrscheinlich gemacht worden, jedoch haben auch diese
Beobachtungen sich bei genauerer Betrachtung als irrig erwiesen. Auch kann
der südwestliche Zugang über den Schildern kaum als ursprünglich angesehen
werden. Neben städtebaulichen Erwägungen, die einen Zugang an der höchsten
Stelle der Burg bereits ausschließen sollten, stehen dem erhebliche
Mauerstrukturen mitten in der Straße entgegen. Bei Kanalarbeiten um 1930
dokumentierte ORTMANN (u.a. S.64) im rechten Winkel zum Haus Schildern 8
eine ca. 3 Meter breite querliegende Mauer. Ein weiterer Befund ist 1967
während Kabelverlegearbeiten festgehalten worden. Vor den Häusern Schildern
10/12 bzw 17/19 befand sich in ca. 1,40 m Tiefe mitten in der Straße in WORichtung eine etwa 1m breite und 5-6 m lange Mauer. Beide Zeichner
inkorporierten nun unabhängig voneinander ihren Befund jeweils in einen
Torentwurf, jedoch lassen sich beide Befunde mit einem Torgebäude schwerlich
zur Deckung bringen. Immerhin wurde bei der Beobachtung 1967 vor den
Häusern 10/12 in 1,40 m Tiefe Kieselpflaster festgestellt.
Aktuelle Dokumentation des Museums in der Kaiserpfalz
Die aktuellen Erkenntnisse zur Stadtgeschichtsforschung werden laufend unter
der Leitung von M.WEMHOFF zusammengetragen. Die Interpretation zur
Siedlungsgenese zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses ist aus den folgenden
Karten ersichtlich:
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28
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.2.3
Zusammenfassende Einführung zum Dom- und Pfalzbereich sowie zum
Abdinghofgelände
Der Forschungsstand zum Pfalz-/ Dombereich einerseits, sowie zu den
Abdinghof-Bauten andererseits, ist ausgesprochen unterschiedlich. Während im
Pfalzbereich durch die Ausgrabung WINKELMANNS in den Jahren 1964-1971
und 1974-1977, deren umfangreiche Dokumentation seit 1994 neu aufgearbeitet
worden ist, sowie im Dombereich mit der Ausgrabung durch LOBBEDEY
1978/80 ein „Quantensprung“ der Forschung vollzogen werden konnte, steht
dieser für die Darstellung der Baugeschichte der Abdinghof-Bauten noch aus.
Zusammenfassende Einführung zum Dom- und Pfalzbereich ab 777 bis
1036:
Pfalzgelände
Funktion und
Versorgung
einer Pfalz
Kristallisationspunkt für die Burg Karls des Großen war im 8. Jahrhundert
unzweifelhaft das engere Umfeld des heute wieder bekannten Pfalzgeländes.
„Aus zahlreichen, dicht nebeneinanderstehenden Pfostenlöchern, die für die
früheren Schichten dokumentiert sind, lässt sich eine ausgedehnte
Holzbebauung auf dem Gelände vor Baubeginn der karolingischen Burg
erschließen. Nach der Zerstörung dieser hölzernen Bebauung wurde der
rechteckige Saal, die aula regia, und die erste königliche Kapelle, die
Salvatorkirche, errichtet.“34
Zunächst wird in der Literatur allgemein festgestellt, dass die Ersterwähnung
der Paderborner Pfalz im Jahre 777 im Zusammenhang mit der ersten
fränkischen Reichsversammlung auf ehemals sächsischem Gebiet bereits eine
funktionsfähige Anlage voraussetzt.35
Die Versorgung und Instandhaltung einer Pfalz wurde durch einen aus dem
hohen Adel stammenden Verwalter (iudex / actor dominicus) organisiert. „Ihm
unterstanden wohl auch die Verwalter, die maiores oder meier, der einzelnen
Wirtschaftshöfe, d.h. der Tafelgüter der Pfalz. Zugleich war die Pfalz auch
administrativer Mittelpunkt des umliegenden Forstes ... .”36 Der iudex / actor
dominicus verwaltete den Fiskalbezirk, ein von Karl dem Großen geschaffenen
größeren Wirtschaftsbezirk. Die von einem meier verwaltete Unterabteilung, ein
fiscus, bestand wiederum aus mehreren villae.37 Karl der Große hat kurz vor
800 für die mit der Verwaltung der karolingischen Tafelgüter betrauten
Amtleute (iudices, villici, maiores) eine Verordnung erlassen, um die
Versorgung zu sichern und Missstände zu beseitigen. „ ´Was wir oder die
Königin oder unsere Beamten (ministeriales), der Senneschall und Schenk
(sinescalcus et butticularius), auf unseren oder der Königin Auftrag den
Amtsleuten (iudices) befohlen haben, müssen diese genau erfüllen, ... ´Jeder
iudex hat sein servitium voll ... zu leisten´ und in guter Qualität ...
einzubringen; er hat für die Instandhaltung der königlichen Höfe zu sorgen und
gegen deren wirtschaftliche Schädigung oder Verfall rechtzeitig einzugreifen
34
Sveva Gai: Die Pfalz Karls des Großen in Paderborn; In: Stiegemann/ Wehmhoff (Hrsg.) Kunst und Kultur der Karolingerzeit
(Ausstellungskatalog) Bd.3 S.183
35
vergl.u.a. Stadtgeschichte Bd. I
36
Binding 1996, S.39
37
vergl. Haberkern/ Wallach; Hilfswörterbuch für Historiker
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29
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
und darauf zu achten, daß immer die notwendigen Vorräte vorhanden sind und
die Weinberge gut bearbeitet werden.”38 „In der Regel sind in einem
Fiskalbezirk, der sich wohl an Gaue oder Marken anlehnte, aber mit deren
Grenzen nicht identisch war, einem Haupthof (curtis, villa capitanea) mehrere
Nebenhöfe (mansioniles) und abhängiges, in Huben eingeteiltes Zinsland
zugeordnet. ... Dem Haupthof war zumeist eine königliche Eigenkirche
beigegeben, die später häufig zur Pfarrkirche wurde.”39
„Grundelement und in karolingischer Zeit Ausgangspunkt einer Pfalz war der
Wirtschaftshof ... .“40 Anders gesagt sind karolingische Pfalzen „ ... nichts
anderes als mit einem palatium ausgestattete Wirtschaftshöfe gewesen.“41
Grundsätzlich sollte in Paderborn davon ausgegangen werden, dass dieser
Haupthof wenigstens anfangs innerhalb der Burg lag, so dass auch hier die
Einzelelemente einer Pfalz: Saalbau, Wohnbereich, Pfalzkapelle, Wirtschaftshof
und Befestigung nachgewiesen sind. In Paderborn haben wir zudem die
Besonderheit, dass die erste königliche Eigenkirche, die Salvatorkirche, nicht
nur Pfalzkapelle, sondern auch
42
Salvatorkirche „bedingt durch die Lage im gerade eroberten heidnischen Stammesgebiet“
Bau Ia/Ib
gleichzeitig Missions- und Pfarrkirche war, wovon der südlich der Kirche (unter
dem heutigen Dom) aufgedeckte Friedhof eines größeren Sprengels mit
Bestattungen auch von Frauen und Kindern zeugt.43 Aufgrund des
Gesamtbefundes der Grabungen von WINKELMANN im Pfalzbereich und der
Domgrabungen durch LOBBEDEY ist „eine Deutung von Bau Ia/ Ib als der
Salvatorkirche in Karls Paderborner Pfalz der Jahre 777 bis vielleicht 799 nicht
zu bezweifeln. Demgegenüber hat die lange vor den Pfalzgrabungen
entstandene These, die Kirche von 777 habe an der Stelle der Abdinghofkirche
westlich des Domes gelegen, ihre Überzeugungskraft verloren. Eine
karolingerzeitliche Entstehung von Abdinghof Bau A [, also des ersten
Kirchengebäudes auf dem Areal der Abdinghofkirche (s.u.),]
ist zu
unwahrscheinlich.“44 Die zuvor veröffentlichten Rekonstruktionen von Bau I im
Pfalzgelände wurden nach der Domgrabung durch LOBBEDEY korrigiert. „Der
von Friedrich ESTERHUES ergrabene und als südlicher Nebenchor gedeutete
Apsidenraum gehörte zu einer besonderen Kapelle. Die mittlere und die
nördliche Apsis der bisherigen Rekonstruktion haben offenbar nie bestanden,
ebenso wenig wie die von Esterhues rekonstruierte Südwand der Kirche. ... Die
durch die Grabungen Winkelmanns gesicherte Westwand und Nordwand einer
Kirche fügen sich dagegen mit den Befunden der Domgrabung anscheinend gut
zusammen.“45 Nach der Überlieferung ist die Kirche Ia bei einem sächsischen
Aufstand 778 zerstört worden. „Beim Wiederaufbau nach der Zerstörung von
778 blieb der Grundplan der 777 fertiggestellten Anlage nach allem, was heute
ergraben ist, erhalten. Der Saalbau der Pfalz wurde mit dem alten Grundriß und
leicht erhöhtem Fußboden neu erstellt.“46 Die „ ... Erneuerungsarbeiten an der
Salvator-Kirche sind nur ansatzweise zu bestimmen. Sie musste zumindest neu
verputzt und farbig gefasst werden. ... Parallel zur Nordwand der Kirche wurde
38
Binding 1996 S.40f
Binding 1996 S.42
40
Binding 1996 S.60
41
Zitat nach Gauert, siehe Binding 1996, S.64
42
Balzer in: Stadtgeschichte 1999, Bd. I S.17
43
vgl. u.a. Stadtgeschichte 1999, Bd. I S.32
44
Lobbedey 1986 Bd.1 S.142
45
Lobbedey 1986 Bd.1 S.141
46
Stadtgeschichte 1999, Bd. I S.31
39
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30
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
– in ihrem Westteil – eine Mauer ergraben und der zweiten Bauphase [Ib]
zugewiesen. Sie wird als Rest eines Kreuzganges gedeutet, ...“47 was jedoch als
nicht endgültig bewiesen angesehen werden kann.
Bauten der karolingischen Pfalzanlage
(Zeichnungen Landschaftsverband)
Neben der Nutzung als Pfalz- und Pfarrkirche kam also vermutlich noch die
Nutzung als Klosterkirche hinzu. „Nach allem, was bekannt ist, nahm das
Kloster bei der Salvator-Kirche die Missionare des Bistums Würzburg auf, dem
nach Auskunft der Translatio S. Liborii vom Ende des 9. Jahrhunderts die
Paderborner Kirche unterstellt war, bevor sie Sitz eines eigenen Bischofs
wurde.“48
„An der Westseite der [Salvator] Kirche lassen mächtige Fundamentmauern
einen Westbau von gestrecktem Grundriß erkennen, der an die Kirche anschloß.
Der Befund scheint zusammen mit dem Kirchenbau schon zu einem ersten
Baukonzept zu gehören.“ 49 Nordwestlich der Salvatorkirche lag die Aula (aula
regia) der Pfalz.
47
Stadtgeschichte 1999, Bd. I S.31f
Stadtgeschichte 1999, Bd. I S.32
49
Sveva Gai: Die Pfalz Karls des Großen in Paderborn; In: Stiegemann/ Wehmhoff (Hrsg.) Kunst und Kultur der Karolingerzeit
(Ausstellungskatalog) Bd.3 S.187
48
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31
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
„Das in seiner unteren Steinlage und somit in seinem Umriß heute noch
erhaltene 31 x 10 m große Aulagebäude stellt in seiner Bausubstanz den
Kernbau der letzten Phase dar.“ 50 Es war vermutlich ein zweigeschossiger Bau
mit einem „kellerartigen Bereich des Untergeschosses“ (GAI). Der sogenannte
Ostflügel war vermutlich eine Rampe ins Obergeschoss. „Aula und Kirche
stehen sich in der neu errichteten Pfalz als isolierte Gebäude gegenüber, die
keine bauliche Verbindung zueinander haben. Eine dichte Bebauung aus
Holzkonstruktionen erstreckte sich sehr wahrscheinlich auf der restlichen
unbebauten Fläche um die Steingebäude, ... .“ 51
Bau IIa/Basilika „Im Gegensatz zu dem zuletzt gültigen Forschungsstand hat sich gezeigt, dass
zwischen der Pfalzkirche Bau Ia/Ib und dem Vorgängerbau des Domes Bau IIa
keine Kontinuität des Platzes besteht, sondern beide nebeneinander liegen. ...
[Es] rückt mehr die Neugründung einer Kirche neben der bisherigen in den
Vordergrund.“52 Bei dieser dreischiffigen Basilika handelt „ ... es sich um den
ersten kirchlichen Großbau im Dombereich“53, der südlich der Pfalzbauten und
der alten Salvator-Kirche auf dem Hang erhöht und somit in beherrschender
Lage errichtet wurde. Der Baubeginn wird von der Forschung nach 794
angenommen, also unmittelbar nach dem sächsischen Aufstand auf dem
Sintfeld südlich von Paderborn54, bei dem offensichtlich auch die Kirche Ib
nochmals zerstört wurde. Diese sowie die Aula der Pfalz wurden dann nach W.
WINKELMANN zum dritten Mal wiedererrichtet55, also offensichtlich
weitgehend zeitgleich mit dem Neubau der Basilika IIa. Die Gleichsetzung von
Bau IIa mit der ecclesia mirae magnitudinis (Lorscher Annalen), also der
´Kirche von staunenswerter Größe´, wird als gesichert angesehen. Die Weihe
erfolgte im Jahre 799.56 „Zudem rechnet die Forschung damit, dass auf den
Paderborner Versammlungen des Jahres 799 das Bistum konstituiert wurde,
dessen Kathedralkirche ja die ecclesia mirae magnitudinis wurde.“57
Papst Leo III Nach bisheriger Kenntnis bestand das bauliche Umfeld beim Treffen von Karl
dem Großen und Papst Leo III. demnach aus der beschriebenen alten Aula, der
neuen Basilika IIa und eventuell aus der noch parallel dazu bestehenden Kirche
Ib. Nach Auskunft der Forschungsgruppe, die die Pfalzgrabung aktuell
auswertet (MECKE / GAI), ist davon auszugehen, dass mit Fertigstellung der
neuen Basilika die Kirche I nicht mehr existiert.
Wichtig zu erwähnen ist noch die Tatsache, dass der Kirchengroßbau IIa, die
ecclesia mirae magnitudinis, direkt auf dem ehemaligen großen Friedhof des
gleichzeitig als Pfarrkirche dienenden Baues Ia/Ib errichtet wurde. Während der
Errichtung von IIa erfolgte nach archäologischem Befund eine aufwendige
nachträgliche Umbettung von Gräbern dieses ehemaligen Friedhofes.58
Hathumar
Die eigentliche Bistumserrichtung erfolgte erst im Jahre 806. Der erste Bischof
806-815
Hathumar, „in der Würzburger Domschule erzogen und zum Kleriker
Aula der
karol. Pfalz
50
Sveva Gai: ebenda Bd.3 S.185
Sveva Gai: ebenda Bd.3 S.187
52
Lobbedey 1986 Bd.1, S.142
53
ebenda S.144
54
vergl. Balzer in Lobbedey 1986 Bd.1 S.93
55
Winkelmann, Ausgrabungen S.210 und 122
56
vergl. Balzer in Lobbedey 1986 Bd.1 S.93
57
Lobbedey 1986 Bd.1 S.144f
58
vergl. Lobbedey 1986 Bd.I S.143
51
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
ausgebildet“59, regierte jedoch lediglich nur weitere 9 Jahre. Bauliche
Maßnahmen unter Bischof Hathumar sind nicht überliefert. Sein Nachfolger im
Badurad
Jahre 815 wurde Bischof Badurad. Unter Badurad erfolgten wichtige
815-862
Veränderungen. Er ließ schnell Pfarrkirchen im ganzen Bistum errichten, „die
Hauptkirche aber mit außerordentlichem Schmuck und großem Werk ...
Domkloster
vollenden“.60 Weiterhin werden ihm die Errichtung des archäologisch
teilweise nachgewiesenen Domklosters zugerechnet. „In die Zeit um 800 lassen
sich noch einige weitere südlich der [späteren] Ikenberg- Kapelle liegenden
Mauern datieren, deren Ausrichtung sich nicht an der Aula, sondern an der
Kirche orientieren.“ 61 In sehr guter Qualität bemalte Wandputzreste führen zu
der Interpretation, dass hier der Klausurbereich des 799 schriftlich tradierten
Klosters lag. „Die [Bau-]Maßnahmen Badurads sind dann genauer mit der
Einführung und Durchsetzung der Reformbeschlüsse der Aachener Synode von
816 mit ihrer Kanonikerregel ... gleichzusetzen.“62 Nach dieser Regel mussten
sich die Kanoniker in einem nur durch ein Tor zugänglichen abgeschlossenen
Bereich zu einem gemeinsamen Leben mit Schlaf- und Speisesaal verpflichten.
Eine bauliche Trennung zwischen dem östlichen und westlichen, also dem
öffentlichen Pfalzbereich und dem klösterlichen Klausurbereich, wird daher
angenommen. Mit den folgenden zu beschreibenden Baumaßnahmen nimmt
diese Trennung auch Gestalt an.
Bau IIb/ West Die in den Schriftquellen überlieferte Bautätigkeit am Dom (s.o.) ordnet
querhaus
LOBBEDEY beweisbar der Errichtung des großen Westquerhauses (34,6 x 9,8
Meter) mit Westapsis und Ringkrypta unter dem Westchor zu.63 Diese
Baumaßnahmen werden im Zusammenhang mit der Überführung der Reliquien
des hl. Liborius von Le Mans nach Paderborn im Jahre 836 gesehen. Um die
Reliquienverehrung als Kult zu entwickeln und dem eigentlichen Ziel, nämlich
die tiefgreifende Missionierung der Sachsen, gerecht zu werden, wurde diese
repräsentative bauliche Hülle nach dem Vorbild von Fulda geschaffen. Dabei
diente das Querhaus als Eingangshalle und Aufenthaltsort der Pilger, die durch
den mit dem Querhaus in annähernd gleicher Höhe liegenden halbkreisförmigen
Stollen an dem Heiligengrab vorbeiziehen konnten (LOBBEDEY).
Aula
Auch die Aula erhält unter Badurad einen neuen Westanbau sowie eine ins
Obergeschoss führende südwestliche Außentreppe. Im Zusammenhang mit
diesem Westanbau ist eine südlich parallel zur alten Außenwand laufende
Mauer zu sehen. „Die Mauer kann als Fundamentierung eines erhöhten, wohl
mit einem Pultdach ausgestatteten Ganges auf der Höhe des Obergeschosses
verstanden werden, der vom Ostflügel aus die Verbindung zum Westanbau
außerhalb der Aula gewährleistete.“ 64Der erweiterte Ostflügel der Aula bildete
die bauliche Verbindung zwischen dem neuen Westquerhaus des Domes und
der Aula, also die Verbindung des sakralen mit dem profanen Bau. Der in OstWest-Richtung zu erkennende Gang zwischen Westquerhaus des Domes und
Ostflügel der Pfalz ist wohl nie als solcher genutzt worden, da hierfür lediglich
eine „Raumhöhe“ von 1,40 m errechnet wurde (GAI). Die Bauperiode IIc
Bau IIc
betrifft den Umbau des Westchores mit gleichzeitiger räumlicher Erweiterung
Biso (887-909) der Krypta. Diese Baumaßnahmen werden Bischof Biso zugeschrieben.
59
Balzer in: Stadtgeschichte Bd. I S.47
Translatio sancti Liborii, 9.Jh.; Cohausz 1966 S.51; zitiert nach Balzer in Lobbedey 1986 Bd.1 S.114, Schriftüberlieferung T 13
61
Sveva Gai: In: Stiegemann/ Wehmhoff (Hrsg.) Kunst und Kultur der Karolingerzeit (Ausstellungskatalog) Bd.3 S.189
62
Balzer in: Stadtgeschichte Bd. I S.48
63
Lobbedey 1986 Bd.1 S.148
64
Sveva Gai: In: Stiegemann/ Wemhoff (Hrsg.) Kunst und Kultur der Karolingerzeit (Ausstellungskatalog) Bd.3 S.190
60
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Darüber gibt es zwar keine direkten schriftlichen Nachrichten oder Befunde,
die dies bestätigen, aber die überlieferte Öffnung des Grabes von Bischof
Badurad im Jahre 889 wird als Indiz für Baumaßnahmen an der Westkrypta
angesehen, was jedoch die nicht bewiesene Lage des Grabes in bzw. an der
Westkrypta voraussetzt.65 Eine Besonderheit der neuen Krypta ist ein direkter
westlicher achsialer Zugang von außen. „Die Apsis wurde mit einem
rechteckigen Mauerblock ummantelt.“66
Bau IId
Auch die zeitliche Zuordnung der Baumaßnahmen am Dom unter Bischof
Bf. Rethar
Rethar (983-1009) kann nicht auf der Basis konkret datierbarer Einzelbefunde
erfolgen. „Entscheidend für die Datierung ist die durch den Befund verläßlich
gesicherte unmittelbare zeitliche Aufeinanderfolge von Bauperiode IId, Brand
und Neubau III.“67 Der Neubau III muss klar mit dem Meinwerk –Dom nach
1009 (s.u.) gleichgesetzt werden, bei dem Brand kann es sich nur um die
Katastrophe aus dem Jahre 1000 handeln. Eine Vor- oder Späterdatierung muss
ausgeschlossen werden.68
Bischof Rethar nun lässt den karolingischen Ostchor abbrechen und durch einen
Neubau mit Hallenkrypta ersetzen. Dieser Neubau kann vor dem Abriss der
Westkrypta angenommen werden, da ein Aufbewahrungsort für die Reliquien
notwendig war.69
Nach dem Abbruch des Westchores mit Krypta aus Bauperiode IIc wurde „etwa
in seiner Mittelachse ... ein Ostwestfundament angelegt. Nach dessen
teilweisem Ausbruch mauerte man in gleicher Flucht eine Reihe von
Rechteckfundamenten. Der Weiterbau unterblieb. ... In unmittelbarem Anschluß
an die nicht genauer deutbaren
(Bau IIx)
Baumaßnahmen dieser Periode IIx wurde ein Westbau errichtet, westlich des
Westbau Dom weiterbestehenden
ausladenden
Westquerhauses.
Eine
dreischiffige
Eingangshalle mit Westportal war von vorgeschobenen Westtürmen flankiert. ...
Auch im Aufgehenden von Langhaus und Querhaus müssen Baumaßnahmen
stattgefunden haben.“70
Aula
Ab Ende des 9. Jahrhunderts sind auch umfangreiche Veränderungen an der
Aula nachweisbar. Im Zusammenhang mit dem neuen Westbau des Domes wird
der sogenannte Westflügel der Aula nach Süden verlängert und bildet jetzt die
Verbindung zwischen Pfalz und Dom. Hier entsteht auch eine Ost-West
gerichtete neue Eingangssituation, die in einen zwischen Pfalz und neuem DomWestbau entstandenen Binnenhof führt. Der alte Ostflügel, also die ehemalige
Verbindung zwischen Aula und Dom, war bereits abgerissen. „Das Platzniveau
wurde um 40-50 cm erhöht, und erst jetzt wurde das stufenartige Podest, der
sog. Thron der früheren Forschung, angebaut.“71 Die Abgrenzung zwischen
Pfalz- und Klausurbereich ist nicht genau fassbar. „Die Mauerstrukturen
nordöstlich der Aula, die für die vorausgegangenen Phasen als Klausurgebäude
interpretiert wurden, erfahren einen deutlichen Umbau.“ 72
Die Baumaßnahmen am Westbau des Domes waren noch nicht abgeschlossen,
insbesondere fehlte noch ein Fußboden, als ein Brand, der der große Stadtbrand
Änderung der
Westkrypta
65
vergl. Lobbedey 1986 Bd.1 S.157 Fußnote 199 und Balzer ebenda T31a S.119 und S.99 Fußnote 68a
Lobbedey 1986 Bd.1 S.319
67
Lobbedey 1986 Bd.1 S.159
68
Argumentation siehe Lobbedey 1986 Bd.1 S.159f
69
vergl. Stadtgeschichte 1999 Bd.1 S.70; Balzer
70
Lobbedey 1986 Bd.1 S.319
71
Sveva Gai: In: Stiegemann/ Wemhoff (Hrsg.) Kunst und Kultur der Karolingerzeit (Ausstellungskatalog) Bd.3 S.193
72
Sveva Gai: ebenda
66
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Stadtbrand im
Jahre 1000
(Bau IIe)
aus dem Jahre 1000 sein muss, die Kirche und auch die Pfalz zerstörte.73
Ein
wichtiger
Widerspruch
von
archäologischem
Befund
und
Schriftüberlieferung besteht nun darin, „dass der weitaus bedeutendere Anteil
von Rethars Bautätigkeit ... [zwingend] bereits vor das Jahr 1000 zu setzen ist.
Lediglich die wenigen isolierten Befunde der Bauperiode IIe lassen sich zeitlich
mit der Nachricht verbinden, dass Rethar den Dom nach dem Brand wieder
aufgebaut habe. ... Der Putzbefund in der Krypta IId beweist, daß der Dom
auch vor 1009 nicht vollendet und wahrscheinlich nicht einmal ganz in
Gebrauch genommen wurde.“74 Die vita meinwerci berichtet bei dem
Amtsantritt von Bischof Meinwerk im Jahre 1009 von einem nachlässig
aufgeführten Neubau, der nur bis zur Fensterhöhe gediehen sei (s.u.).75
Demgegenüber ist es nicht einfach zu erklären, wie im Jahre 1002 am 10.
August die Krönung Kunigundes, der Frau Heinrichs II, und die gleichzeitige
Weihe der Königstochter Sophia zur Äbtissin von Gandersheim in einem zwei
Jahre zuvor völlig zerstörtem Dom stattgefunden haben können. „Da andere
hierfür in Frage kommende Sakralbauten in der Stadt noch nicht vorhanden
waren, blieb nur eine provisorische Teilwiederherstellung des Domes.“76
LOBBEDEY vermutet, dass der bei dem Brand im Jahre 1000 noch unfertig
gewesene Westbau möglicherweise weniger zerstört war und mit relativ
geringem Aufwand als Interimskirche ausgebaut werden konnte. Dass die Wahl
des Ortes politisch bedingt erfolgte, nämlich die Inbesitznahme der Pfalz Karls
des Großen durch Heinrich II symbolisierte, hat Hermann BANNASCH bereits
1972 dargelegt.77 In der politisch bedingten Ortswahl sieht die
Geschichtsschreibung die Begründung für die Akzeptanz von Provisorien bei
den Krönungsfeierlichkeiten, denn als Alternative stand ja immerhin das eine
Tagesreise entfernte Corvey zur Verfügung.
73
Bei der Pfalzgrabung durch Winkelmann wurden eindeutige Brandspuren aufgedeckt, die aufgrund von Gefäßresten und Münzen
Ottos III. in das Jahr 1000 datiert werden konnten; vergl. u.a. Stadtgeschichte 1999 Bd.I S.71
74
Lobbedey 1986 Bd.1 S.160
75
siehe Balzer in Lobbedey 1986 Bd.1 S.124, Quellentext T50 nach Trenkhoff 1921
76
Lobbedey 1986 Bd.1 S.160
77
Bannasch 1972; Das Bistum Paderborn unter den Bischöfen Rethar und Meinwerk (983-1036), S.134ff
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Westbau und Ostkrypta Bischof Rethar (Zeichnung Landschaftsverband)
Meinwerk
1009-1036
Otton. Pfalz
Dom Bau III
78
79
80
Die Nachfolge des am 23. Januar 1002 verstorbenen Otto III. war nicht
unumstritten, jedoch war Bischof Rethar offensichtlich Parteigänger Heinrichs.
Eine Besonderheit der Kirchenpolitik Heinrich II. bestand darin, die freie
Bischofswahl der Bistümer nicht zu bestätigen. Bischof Rethar erhielt die
Bestätigung der Privilegienurkunde Ottos III. durch Heinrich II. unter
Ausnahme eben dieser freien Bischofswahl beim Quedlinburger Hoftag am 2.
April 1003.78
Als am 6. März 1009 Bischof Rethar starb, hielt sich Heinrich II. mit seinem
Hof gerade in Goslar auf. Hier wurde bereits eine Woche später Meinwerk zum
neuen Bischof von Paderborn geweiht, was u.a. als sicheres Indiz dafür gilt,
dass die Ernennung Meinwerks vorbesprochen worden war. Meinwerk war mit
dem Königshaus versippt und verfügte über umfangreiche Besitzungen, die die
ökonomische Basis für seine erheblichen baulichen Aktivitäten in Paderborn
bildeten. Die offensichtliche menschliche Nähe zwischen Heinrich II. und
Meinwerk, die auch dem Bistum Paderborn zugute kam, resultierte wohl bereits
aus der gemeinsamen Schulzeit an der Domschule in Hildesheim.79
Bischof Meinwerk gestaltete das gesamte Pfalz- und Domgelände neu. Er ließ
die alte Aula abreißen und die Fläche zu einem Platz planieren. Nach Norden
verschoben, direkt hinter der Burgbefestigung, entstand die neue heute so
genannte ottonisch- salische Pfalz, deren Grundmauern wesentlicher Bestandteil
des heutigen Museumskomplexes sind. Sie bestand aus einem zweigeschossigen
Saal von 44,48 m x 16,17 m. „In der Achse des Saales lag nach Osten ein
Zwischentrakt, an den östlich eine doppelgeschossige Palastkapelle anschloß,“80
und die heute ´Ikenbergkapelle´ genannt wird. Von dem Zwischentrakt
erstreckte sich nach Süden ein zweigeschossiger Wohntrakt. Den südlichen
Abschluss bildete die heute noch vorhandene Bartholomäuskapelle, die im
baulichen Verband mit der Pfalz steht.
„Die Hauptkirche hat er mit sehr großem Aufwand und einzigartiger
Freigebigkeit gebaut; er errichtete sie schnell und freudig von Grund auf,
nachdem er am dritten Tage seiner Ankunft den mittelmäßigen Bau abgerissen
vergl. Balzer, In: Stadtgeschichte 1999 Bd.1 S.73
vergl. Balzer, In: Stadtgeschichte 1999 Bd.1 S.77ff
Balzer, In: Stadtgeschichte 1999 Bd.1 S.89
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
hatte, den sein Vorgänger begonnen und nachlässig bis zur Fensterhöhe
aufgeführt hatte. ...“.81 Nach dem Grabungsbefund wurde der im Kern noch
bestehende karolingische Vorgängerbau einschließlich des Westquerhauses IIb
und des von Rethar begonnenen Westwerkes IId tatsächlich abgebrochen.
„Entgegen dem Wortlaut der Meinwerk-Vita, die von einem Neubau von Grund
auf spricht, benutzt Bau III nicht nur die Fundamente vom Langhaus des
Vorgängers weiter, sondern behält auch die Umfassungsmauern der Ostkrypta
bei.“82 Die Baufluchten des Langhauses werden damit unverändert
übernommen. Der Neubau Meinwerks unterschied sich im Grundriss wesentlich
von dem Vorgänger darin, dass anstelle des abgerissenen Westquerhauses
nunmehr im Osten ein Querhaus errichtet wurde. Die Verlängerung des
Querhauses nach Süden bildete eine zweigeschossige Kapelle. Die in den
Neubau integrierte Krypta seines Vorgängers Rethar wurde im Westen verkürzt
und erhielt im Osten einen rechteckigen äußeren Abschluss. Die Gesamtlänge
des Meinwerk- Domes blieb hinter dem Dombaukomplex aus der Zeit Rethars
zurück, der ja im Kern aus der karolingischen Basilika, dem Westquerhaus
Badurads und der vor dem Brand im Jahre 1000 begonnenen großen westlichen
Eingangshalle mit flankierenden Türmen sowie dem neuen Ostchor bestand.
Meinwerk übernahm von Rethar das Konzept des westlichen Haupteinganges,
der jetzt durch Stufen noch überhöht wurde: „drei Stufen vor dem Portal
ermöglichen ein Hinaufschreiten. Dies ist mehr als der Niveauunterschied
erfordert. Im Inneren erfolgt daher ein zweistufiger Abstieg.“83 Dies ist nach
LOBBEDEY zusammen mit dem durchgängigen Mittelstreifen des
Musterfußbodens im Dom ein deutlicher Hinweis auf eine Prozessionsstraße.
Der Westeingang ist Teil eines ´klassischen´ ottonischen Westwerkes. „Den
Kern bildet stets ein quadratischer, mit einer Holzdecke überspannter
Mittelraum, der als Eingangsraum diente. Darüber erhebt sich ein Obergeschoß,
das von hochliegenden Fenstern Licht erhält. Ein Glockengeschoß überhöht das
Mittelquadrum turmartig. Sowohl im Unter- wie im Obergeschoß wird der
Mittelraum von Seitenräumen flankiert.“84 In den äußeren Ecken zwischen
Mittelquadrum und flankierenden Seitenräumen waren runde Treppentürme
integriert. Südwestlich des Domes
Bischofspalast befand sich nach bestehender Auffassung der Bischofspalast Meinwerks. Das
langrechteckige Gebäude erstreckte sich vom heutigen Diözesanmuseum bis
zum sogenannten „Fürtsenhof“ (Am Abdinghof 1). Er bildete den südlichen
Abschluss des westlich vor dem Dom geschaffenen Platzes.
Bei der Kellerbegehung im Rahmen der ´Archäologischen Bestandserhebung´
konnten neue Erkenntnisse über die Struktur des Bischofspalastes85 und den
westlichen Abschluss in Verbindung mit der Burg86 gewonnen werden.
81
zitiert nach Balzer, in: Lobbedey 1986 Bd.1 S.124, Quellentext T50 nach Trenkhoff 1921
Lobbedey 1986 Bd.1 S.167
83
Lobbedey 1986 Bd.1 S.168
84
Lobbedey, zitiert nach Stadtgeschichte 1999 Bd.1 S.85f
85
vgl. Kapitel Ausgewählte historische Keller
86
vgl. „Archäologische Bestandserhebung“: Befunde zur Burg in der Zusammenschau
82
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PADERBORN
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Dom und Pfalz Bischof Meinwerks (Zeichnung Landschaftsverband)
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.2.6
Felsplateau / Rathausplatz 14
[Autorin: MARIANNE MOSER]
Die Ausgrabung auf dem Gelände der Commerzbank 1997 und 1998 erbrachte
eine Fülle von interessanten und historisch gut auswertbaren Befunden. An
dieser Stelle soll allerdings einmal nur betrachtet werden, was als unterstes
zutage trat, unter all den Erdschichten und Mauern.
Im südwestlichen Teil lag ein vermutlich lokaler (seine Ausdehnung wurde nur
in zwei Himmelsrichtungen verfolgt) Steinbruch, in den bereits im 12.
Jahrhundert ein Gebäude eingesunken war. Obwohl seine Sohle nicht ergraben
werden konnte, weiß man also, dass er vor dem 12. Jahrhundert angelegt wurde.
Dem Versuch an der Nordkante entlang nach unten zu graben verdanken wir
einen einmaligen Blick auf die Geologie. Man kann anhand des senkrechten
Schnittes durch den Fels die Besonderheiten des in Paderborn anstehenden
Kalksteines studieren. Hierbei sei betont, dass es sich an dieser Stelle um eine
der vielen möglichen Varianten von geologischem Schichtaufbau handelt. An
anderen Ausgrabungsstellen in der Stadt zeigte sich ein anderes Gesteinsbild.
Im Hinterhof der Commerzbank wechselte die Konsistenz des Felsens alle 20
bis 50 cm! Die zu erwartende Auflage von maisgelbem Lehm war bereits
entfernt worden. Sie diente im Mittelalter schließlich als wichtiges Bauelement
bei „Trockenmauern“. Darunter folgte ein dünnes Band festen Gesteins, aus
dem man gut Mauersteine brechen kann. Das Band wirkt allerdings schon etwas
angewittert. Hierunter lagen 0,5 m Kalkstein, der so fein in sich zersplittert war
und soviel Lehmanteile enthielt, dass man ihn mit dem Fingernagel abtragen
konnte: für Bauzwecke völlig ungeeignet. Erst wenn man sich durch diese
unbrauchbare Schicht hindurchgearbeitet hatte, erreichte man eine Bank
optimalen Ausgangsstoffes: fester, in Blöcken und glatten Kanten brechender
Stein.
Noch spannender als die Westseite mit ihrem Steinbruch war aber die Ostseite
des Areals: hier lag nur Fels. Die gesamte Verwitterungsschicht war bereits
abgetragen. Der Grabungsmannschaft gelang es als letztes Niveau eine beinahe
ebene Fläche zu putzen, - sie reicht von 118, 63 m über NN im Norden bis 119,
29 m über NN 10 m weiter südlich. Sie wirkt wie ein gigantischer
Steinfußboden (Abb.8) und es ist in der Tat nur Fels.
Auf dem steinernen Untergrund im nordöstlichen Teil der Ausgrabungsfläche,
also Richtung Kloster Abdinghof, fand sich ein Skelett. Es handelt sich um
einen ost/west und beigabenlos bestatteten Mann. Er war nach
naturwissenschaftlicher Analyse etwa 50 Jahre alt, hat keine schwere
körperliche Arbeit verrichtet und lebte Ende des 9. oder zu Beginn des 10.
Jahrhunderts87. Der Verlust des rechten Beins passierte post mortem und hängt
mit der späteren regen Bautätigkeit auf dem Gelände zusammen. Der Schädel
lag zerdrückt unter einer Mauer. Vielleicht war der Tote Teil einer größeren
Bestattungsstelle und seine „Grabnachbarn“ wurden bei der intensiven Nutzung
des Grundstücks bis in die Neuzeit weggeräumt.88
Er ruhte jedenfalls in einer minimal, nämlich an der tiefsten Stelle 5 cm, in den
Fels eingetieften Kuhle. So kann er aber nicht bestattet gewesen sein. Es musste
ihn Erde bedeckt haben. Bei Auffindung lag aber keine Graberde mehr über ihm
sondern unmittelbar darauf eine dichte Abfolge von Schichten, die mit der
87
88
Dies führte schon zu der Spekulation, es könnte ein Mönch eines Vorgängerklosters von Meinwerks Abdinghofgründung sein.
Dagegen spricht, dass die Ausgräberin Biologin ist und sicher auch einzelne menschliche Knochen erkannt hätte.
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39
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Nutzung der Gebäude zusammenhängt. Daraus lässt sich nun folgendes
schließen.
Irgendwann bevor der Mann starb, hatte jemand nach Steinen gegraben und an
einer geologischen Schichtgrenze, an der sich die Steine leicht lösen, aufgehört.
Es blieb ein Plateau zurück, auf dem sich im Laufe der Zeit Humus bildete, in
den dann im 10. Jahrhundert ein Grab angelegt werden konnte. Der Abbau der
Steine muss daher deutlich vor dem 10. Jahrhundert erfolgt sein.
Andererseits macht gerade diese oben liegende Schicht einen gut verwendbaren
Eindruck und man fragt sich, warum die Steinbrucharbeiter nicht noch bis auf
die unbrauchbare Strate hinunter ausgebeutet haben. Hat also jemand aus
anderem Grund hier in karolingischer Zeit oder früher eine künstliche Ebene
geschaffen ?
1.5.2.5
Neue Erkenntnisse aus dem Zusammenspiel von Kellerbegehung und
Sichtung des archäologischen Altbestandes, beispielhaft dargestellt anhand
einer Forschungsfrage
[Autorin: MARIANNE MOSER]
Die Ausgrabung am Kötterhagen 1995/96 erbrachte u. a. die Erkenntnis, dass
das heute so organisch von der Paderborner Hochfläche zu den Paderquellen
hin abfallende Gelände im Mittelalter völlig anders gestaltet gewesen sein muss.
Auf dem Ausgrabungsareal ergab sich eine Vertiefung im Gestein von
ungewöhnlich großen Ausmaßen (bis zu 60 m breit und 14 m tief). Zum Teil
bebaut, zum Teil mit Lehm und Materialresten des anstehenden Kalksteines
aufgefüllt, wurde sie als fortifikatorisch genutzter Steinbruch gedeutet.89 Das
legt ihre Position unmittelbar südlich des vermuteten Verlaufs der
Domburgmauer nahe90 (vgl. im folgenden Abb. 3).
Ein solcher Graben ist nur sinnvoll, wenn er sich über weite Strecken vor der
Befestigung entlang zieht. Dies durch weitere moderne Ausgrabungen beweisen
zu können, käme einem glücklichen Zufall gleich; selten stimmen Bauabsichten
und Forschungsvorhaben überein.
Umso erfreulicher war die Tatsache, dass bei der akribischen Aufnahme jeder in
Paderborn niedergelegten Baubeobachtung eine Reihe von weiteren Indizien zu
dem am Kötterhagen aufkeimenden Verdacht auftauchten.
Inzwischen sind mittels Datenbank in diesem Bereich nicht weniger als 30
Fundstellen zugänglich, mit Hilfe derer man Hinweise auf die kleinräumige
Topographie südlich der Domburg gewinnen konnte.
Zunächst waren da Unterlagen zu drei nie publizierten Untersuchungen an der
Krumme Grube aufgetaucht. HANS BECK hatte 1960 im Gaukirchweg eine
mächtige Mauer mit Geländeabfall nach Süden aufgedeckt und in zwei weiteren
Sondagen westlich davon wiedergefunden. 91
KESSELMEIER beobachtete in den Wiederaufbaujahren unermüdlich jede
Baustelle an der Straße Grube, der Nord-Süd-Verbindung zwischen Domplatz
und Kamp. Elf Aufzeichnungen zu Felshöhen bzw. „grundlosen“
Schuttanfüllungen hat er hinterlassen:
89
MARIANNE MOSER, Ein Leben in der Tiefe oder verkehrte Welt in Paderborn?, in: Zwischen den Zeiten.
Archäologische Beiträge zur Geschichte des Mittelalters in Mitteleuropa. Festschrift Barbara Scholkmann, hg. von
JOCHEM PFROMMER und RAINER SCHREG (Studia honoraria 15), Rahden 2001, 47.
90
URSULA HOPPE, Die Paderborner Domfreiheit. Untersuchungen zu Topographie, Besitzgeschichte und Funktionen,
München 1975, 26.
91
Fundstellennummern 414–416.
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
An der Straßenwestseite:
Fundstellennummern 247, 280
Fundstellennummer 279
Fundstellennummer 282
Fundstellennummer 277
Fundstellennummern 144, 244
Fundstellennummer 281
An der Straßenostseite:
Fundstellennummer 140
Fundstellennummer 243
Fundstellennummer 278
Grube 2: Fels in 0,5 m Tiefe
Grube 4: 2,4 m breite Mauer
Grube 6: keinen Fels in Ausschachtung zum Vorderhaus
angetroffen.
Grube 10: auch in 8 m Tiefe keinen Fels erreicht
Grube 12: nur im nördlichen Drittel des Grundstücks
Verfüllung, südlich Fels !
Grube 14: Fels in 1,5 m Tiefe.
Grube 3: Felsausbruch mit Schutteinfüllung
Grube 9: auch in 2,5 m Tiefe keinen Fels angetroffen,
Gründung auf Betonplatte
Grube 13/15: Fels in 2,5 m Tiefe
(Keller mit Kloake, dort Fels in 5 m Tiefe).
Eine Zusammenschau der Aufzeichnungen ORTMANNS und KESSELMEIERS
sowie moderner Baubeobachtungen und Ausgrabungen erbrachte weitere
Hinweise auf den Steinbruch entlang des Kötterhagen.
Fundstellennummer 338
Kötterhagen Südseite:
Fundstellennummern 079, 342
Kötterhagen Nordseite:
Fundstellennummer 340
Fundstellennummern 341, 202
Fundstellennummer 339
Fundstellennummer 202
Fundstellennummer 202
Kötterhagen: vom Brauhaus (=Kötterhagen 17) bis zum
Rathausplatz Felsen unter dem Pflaster
Kötterhagen 8: Fels in 2 m Tiefe
Kötterhagen 9: 4 m Kulturschichten mit Brandschichten,
kein Fels
Kötterhagen 11: Betonpfahlrost bis 16?m Tiefe
Kötterhagen 12: 7 m tief gespundet
Kötterhagen 13: Fels in 9,5 m Tiefe
Kötterhagen 21: kein Fels erreicht.
Die immense Hohlform, bei einer Ausgrabung entdeckt und vor das 11.
Jahrhundert datiert, gab während und nach der Untersuchung Anlass, über ihre
Zweckbestimmung und ihren „Auftraggeber“ zu spekulieren. Die
Bestandserhebung hat eine solche Fülle von zusätzlichen Belegen, zumindest
zur vermuteten Erstreckung gebracht, dass man die These, MEINWERK oder
KARL DER GROßE hätten hier Steine für ihre Großbauwerke brechen lassen und
gleichzeitig die Hauptangriffsseite der Domburg fortifikatorisch verstärkt, jetzt
wesentlich und im wahrsten Sinne des Wortes untermauern kann.
Dies mag nur ein Beispiel sein für den Erkenntnisgewinn, der sich auf
archäologischer Seite aus der Bestandserhebung erzielen lässt.
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3
Ausgewählte Einzelobjekte
1.5.3.1
Stadtbefestigungen und urbs
Mittelalterliche
Stadtbefestigung
Die Baugeschichte der mittelalterlichen Stadtmauer Paderborns mit seinen
Toren, Türmen, Wällen und Gräben ist ein sehr komplexes Forschungsthema,
das von Historikern, Archäologen und Bauhistorikern nur gemeinsam
erfolgreich ausgefüllt werden kann. Eine Bearbeitung erfolgte bisher vorrangig
aus Sicht der Historiker mit einigen Ergänzungen durch die Archäologie. Eine
bauhistorische Auswertung des heutigen Bestandes steht offensichtlich noch
aus.
Eine der bedeutensten und umfangreichsten Baumaßnahmen war für jede
mittelalterliche Stadt die Errichtung einer Stadtmauer. Wann wurde diese Mauer
in Paderborn errichtet? Auch die ältere Forschung hat die Errichtung der
gesamten Befestigungsanlage schon in das 12. Jahrhundert datiert. Karl
Schoppe plädierte für etwa 1180 im Zusammenhang mit den Kämpfen gegen
Heinrich den Löwen. Die aktuellen Überlegungen der Historiker werden noch
konkreter. „Im Jahr 1183 lokalisierte ein bischöflicher Schreiber den Stadtteil
Aspedera rechts des Weges, der die beiden Tore miteinander verband, die nach
Esbechtinghusen bzw. Sulithe führten.“92 Gemeint waren das später so
bezeichnete Kasseler Tor im Süden und das Heiers- bzw. Detmolder Tor im
Norden. Spätestens jetzt lag demzufolge der östliche Stadtteil mit dem
ehemaligen Dorf Aspedera und dem Busdorfstift innerhalb der Stadtmauer. Bis
1080 wurde das Busdorfstift in den Schriftquellen als eindeutig außerhalb der
Stadt liegend beschrieben. „Hier trat erst nach 1080 eine Veränderung ein, denn
um 1140 lag das Stift augenscheinlich in Paderborn, in Patherburnon site.
Dieser bemerkenswerte Wechsel in der Wortwahl könnte besagen, daß das
Busdorfstift zwischen 1080 und 1140 in die Verteidigungsanlage der Stadt
einbezogen wurde; denkbar wäre auch eine entsprechende Vordatierung des
endgültigen Mauerrings.“93
Aufgrund der hier dargelegten Quellensituation erfolgte die aktuelle Datierung
des gesamten mittelalterlichen Mauerringes, wie er bis ins 19. Jahrhundert
bestanden hat und auch heute noch nachvollziehbar ist, auf ´vor 1183´.
Während die Datierung für den östlichen Mauerverlauf sehr plausibel erscheint,
ist die pauschale Übertragung der Datierung auf den westlichen Teil kritisch zu
werten, auch wenn aus Sicht der Historiker eine gewisse Wahrscheinlichkeit
vermittelt wird.94 Wenngleich die Errichtung der Stadtmauer u.a. aus
zeitgenössischen Urkunden und durch die Aufgabe von Befestigungsstrukturen
im Burgareal zur Mitte des 12. Jahrhunderts indirekt für die Zeit um 1150
erschlosssen werden kann95, ist die genaue Entstehungszeit der Mauer und der
exakte Verlauf jedoch nicht mit letzter Sicherheit zu belegen. Einen östlichen
Mauerzug vermutet Balzer sogar noch früher, nämlich in der Zeit zwischen
92
Becher, Matthias: in Stadtgeschichte Bd I S.155
ebenda S.156
94
ebenda S.157
93
95
Balzer, Manfred: Siedlungsgeschichte und topographische Entwicklung Paderborns im Früh- und Hochmittelalter.
In: Städteforschung A 27 – Stadtkernforschung, Hrsg. Helmut Jäger. Köln, Wien 1987
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Ein Vergleich
zu Warburg
1080 und 1107. Vermutlich können hier nur weitere archäologische Spuren in
Zusammenhang mit den schriftlichen Quellen weitere Erkenntnisse liefern.
Auch wenn aktuelle Deutungen der Historiker eine Datierung für den gesamten
Mauerverlauf auf ´um 1100´ bevorzugen, sollte letztendlich aus bauhistorischer
Sicht die Möglichkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass der
westliche Bereich erst um 1200 in den Mauerring einbezogen worden ist.
Zielgerichtete archäologische Untersuchungen zur Klärung der Frage eines
früheren engeren Mauerringes im Bereich der Jühengasse haben keine
entsprechenden Funde erbracht.
Die noch im ´Städteatlas´ eingezeichneten inneren Mauerringe sind rein
hypothetisch und in den meisten Fällen auch sicher widerlegt, so z.B. im
Bereich südlich der Straße Kamp (vergl. M. Moser, Kamp-Grabung 1994).
An dieser Stelle sei zum Vergleich ein kurzer Hinweis auf die Stadtmauern von
Warburg erlaubt. Es wird hier zwischen der Stadtmauer der sogenannten
Neustadt Warburg (Oberstadt) und der Altstadt (Unterstadt) unterschieden.
Beide Anlagen unterscheiden sich auch in baulichen Details (Türme). Für die
Datierung der Neustadt-Stadtmauer existiert eine Urkunde von 1260, in der
Bischof Simon I. den Neustadtbürgern die Errichtung einer Stadtmauer, auch
zur Altstadtseite hin, erlaubte. Das Nichtvorhandensein einer gleichlautenden
Urkunde für die Altstadt führte in der regionalen Geschichtsschreibung zu der
Annahme, dass hier noch keine Stadtmauer errichtet werden durfte. Wir hatten
im Rahmen der ´Archäologischen Bestandserhebung´ 1998/99 darauf
hingewiesen, dass die Altstadt aber 1262 eine Stadtmauer gehabt haben muss,
diese demzufolge mindestens gleichalt mit der Neustadtmauer gesetzt werden
sollte, vermutlich aber älter ist. Wichtig ist dies im Zusammenhang mit
Paderborn, da die runden Stadtmauertürme der Warburger Altstadt eine
deutliche Ähnlichkeit zu den runden Stadtmauertürmen Paderborns aufweisen,
demzufolge eine zeitnahe Entstehung wahrscheinlich ist. Diese Rundtürme sind
in Paderborn in dem ältesten Mauerabschnitt zwischen Heierstor und Kasslertor
offensichtlich nicht vorhanden gewesen. Bei der weiteren Diskussion zur
Datierung der Stadtmauer in Paderborn, insbesondere den westlichen Teil
betreffend, sollten diese bau- und kunsthistorischen vergleichenden
Betrachtungen nicht unberücksichtigt bleiben.
Gesichert ist jedenfalls, dass spätestens 1183 eine Stadtmauer in Paderborn
vorhanden war, denn zwischen 1183 und 1231 wurden vier Tore erwähnt: 1183
ein Spiringstor im Süden (später Kasseler Tor) und ein Tor (Heierstor später
Detmolder Tor) im Norden, zwischen denen eine direkte Wegeverbindung
bestand (vgl. Text oben). 1222 wurde ein „Westerntor“ erstmals erwähnt, 1231
ein „Tor nach Neuenheerse“ (Gierstor) und nach 1300 das „Neuhäuser“ Tor.
Die bauliche Anlage der Stadtmauer war selbstverständlich mit fortschreitender
Entwicklung der Waffentechnik ständigen Veränderungen unterworfen.
Während ursprünglich einfache Stadttore und Türme im Abstand der
Reichweite der Bogenwaffen ausreichten, wurden die Tore im ausgehenden
Mittelalter mit äußeren Doppeltoranlagen bzw. Barbakanen verstärkt und diese
wiederum später zu Schanzen bzw. Bastionen ausgebaut. Um die Stadtmauer
selbst wurde zum Schutz vor direktem Beschuss vor dem Graben ein großer
Erdwall angelegt, der wohl beidseitig mit Mauern eingefasst war.
Der Mauerring selber mit seinen 5 Toren blieb ansonsten bis ins 19. Jahrhundert
in seinem Verlauf unverändert. Zugänglich war die Stadt auch bis dahin
ausschließlich durch die 5 genannten Tore. „Obwohl die Mauern und Tore ihre
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
militärische Funktion verloren hatten und stellenweise baufällig waren, mußte
die gesamte Anlage weiterhin in Funktion gehalten werden. Der Grund dafür
war, daß in Paderborn im Jahr 1820 wie in elf anderen großen Städten der
Provinz Westfalen anstelle einer Einkommensteuer die Mahl- und
Schlachtsteuer eingeführt worden war. Sie war eine Verbrauchssteuer und
wurde an den Toren erhoben.“96 Die Stadtmauer war demzufolge als
wirkungsvolle Steuergrenze zu erhalten und die Stadttore blieben bis 1848
nachts gewöhnlich geschlossen. Noch im Jahre 1806 waren neue
Torwachgebäude mit Zollstuben am Giers- und Westerntor errichtet worden.
(Das Zollhäuschen am Gierstor wurde erst beim großen Bombenangriff am
27.März 1945 vernichtet.)
Abgerissen werden konnten hingegen diejenigen Teile der Befestigungsanlage,
die für die Steuererhebung nicht benötigt wurden, also die vorgelagerten
Schanzen und Wälle. Der sogenannte Liboriberg zwischen dem Kasseler Tor
und dem Westertor wurde bereits im 18. Jahrhundert zu einer Promenade
umgestaltet. Der Gymnasiallehrer und bekannte Zeichner Franz Joseph Brand
hat 1846 einen kleinen Stadtführer veröffentlicht. Er beschreibt die geschilderte
Situation wie folgt: „Von einer dreifachen Mauer, welche früher die Stadt
umgab, ist nur die innere bis auf unsere Zeit nothdürftig erhalten worden, die
beiden anderen waren schon längst verfallen, so daß nur hier und da Spuren
davon übrig waren.” (Brand 1846, S.53) „Der Gedanke, die zwischen den
beiden äußeren Mauern aufgeworfenen Wälle zu ebnen und Spaziergänge
darauf anzulegen, wurde ... [um 1770] an dem Walle zwischen dem Casselerund Westernthore, dem Liboriberge, ausgeführt, und dieser, mit mehreren
Reihen Linden, Kastanien, Pappeln und Tannen bepflanzt, war bis zu der eben
angeführten Abtragung der Festungswerke der einzige schattige Ort für
Spaziergänger in der Nähe der Stadtmauern.” (Brand 1846, S.54) 1818 folgte
die sogenannte Kuhschanze, die vom Westerntor bis zum Riemeketor reichte
und einer Stadterweiterung besonders im Wege stand. Seit den zwanziger
Jahren des 19. Jahrhunderts wurden dann auch die übrigen Wälle zu
Promenaden umgestaltet. Sie ermöglichen bis heute die Erlebbarkeit des
mittelalterlichen Stadtmauerringes.
Die mittelalterlichen Stadttore erwiesen sich mit der Zunahme des Verkehrs als
immer größeres Hindernis. 1821 wurde das Kasseler Tor und 1823 das
Neuhäuser Tor verbreitert. Das Westertor wurde wieder nach Abtragung der
imposanten Bastion 1828/29 in seinen mittelalterlichen Verlauf in der Achse der
Westernstraße zurückvesetzt. Die mittelalterliche Situation mit einer äußeren
Doppeltor-Verstärkung ist auf dem Grundriss „Eigentlicher Grundtriß der Statt
Paderborn, und wie solche von Ihr EXELL: Herrn VeldtMarschaln CAROL
GUSTAFF WRANGEL ein genohmen worden, Anno 1646” (Wetf Picta Nr.
597) zu sehen. Die vorgelagerten Tore werden in einem Bericht von Klöckner
über die Kampfhandlungen 1604 sehr eindrucksvoll beschrieben.97 „Das
Westernthor ... wurde von dem Bischofe Ferdinand von Fürstenberg von der
Stelle, auf welcher es jetzt steht, etwas nördlich verlegt. Der Unterbau des von
ihm angelegten Thorweges ist in der Mauer noch zu sehen. Dafür legte er
[1662] ein sehr starkes Bollwerk an die Stelle des Thors. Vor 20 Jahren ist aber
96
97
Maron, Wolfgang: in Stadtgeschichte Bd III S.35
siehe Decker , Rainer: Der Kampf um Paderborn ... 1600-1604, S.33
(Schriftenreihe der Stadt Paderborn, Heft 6)
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
die Schanze abgetragen und der frühere Thorweg wiederhergestellt worden.”
(Brand 1846, S.52)
Die Steuerbehörde ließ zwar teilweise die Erweiterung bestehender Tore zu,
nicht aber die Anlage neuer Tore. „Erst die Aufhebung der Mahl- und
Schlachtsteuer im April 1848 machte den Weg zur Öffnung der Stadtmauer frei.
Als erstes wurde noch im gleichen Jahr das im Zuge des Eisenbahnbaus erneut
projektierte Rosentor fertig. Es erhielt schon kein verschließbares Tor mehr,
wenn auch überwiegend aus Kostengründen. ... Die Maueröffnung geschah in
den folgenden Jahrzehnten nur schrittweise, so 1856 für einen
Fußgängerdurchgang zwischen Western- und Neuhäuser Tor am Ende der
Protzgasse ..., 1864 an der Liboristraße und hinter der Busdorfkirche, 1876
schließlich an der Hathumarstraße.“ 98
1849 begann dann die Phase der Torabbrüche, zunächst das Heierstor, 1872 das
Neuhäuser Tor und 1875 folgte das Westerntor.
Die Mauer selbst war seit Beginn der französischen Besetzung 1806 nicht mehr
repariert worden. Baufällig gewordene Teilabschnitte bildeten eine erhebliche
Gefahr für die Bürger. 1881 schenkte Seine Kaiserliche Majestät Kaiser
Wilhelm I. die im staatlichen Eigentum befindliche Stadtmauer und den davor
liegenden Graben mit Wall der Stadt und entband sich damit von der
Unterhaltsverpflichtung und Unfallverantwortung. Diese ging nunmehr an die
Stadt Paderborn über. „Die Stadtverwaltung verfügte daher in Wahrung ihrer
Verpflichtung und Verantwortung die Abtragung der Mauer in den nicht mehr
zu rettenden Bereichen ...“99 Die Abbrucharbeiten wurden von den Bürgern
schrittweise durchgeführt. Die Bruchsteine waren begehrte Bausteine für
Bauwillige und kosteten nur die Arbeitskraft des Herausbrechers. Somit
entstand ein nachvollziehbares Bestreben, weite Teile der Stadtmauer als
baufällig zu betrachten. Insbesondere im Bereich zwischen Westerntor und
Neuhäuser Tor war ab 1883 ein wilder Abbruch zu verzeichnen.100 Hier wurde
die Wehrmauer bis 1887 fast volständig beseitigt. Als Reaktion auf den
unkontrollierten Radikalabbau erfolgte 1889 ein Verbot des weiteren
Steinausbrechens aus der Stadtmauer. Es war eine Schutzmaßnahme im Sinne
eines Baudenkmals.
98
Maron, Wolfgang: in Stadtgeschichte Bd III S.40
Tenge, Franz-Gregor: Paderborn, beschützen und bewahren, 1996; S. 162
100
vgl. Tenge, Franz-Gregor: Paderborn, beschützen und bewahren, 1996
99
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
die urbs
Die Domburg (´urbs´) bezeichnet den befestigten Siedlungskern seit
karolingischer Zeit bis ins Hochmittelalter (8.-12. Jh.). Spätestens mit der
Errichtung der mittelalterlichen Stadtmauer (s.o.) verliert dieser
Befestigungsring seine fortifikatorische Funktion.
Zur Darstellung der Entwicklung dieser Befestigung von den Anfängen bis ins
12. Jahrhundert bedarf es noch der Auswertung umfangreicher Materialien.
M.MOSER gab hierzu bei einem im Rahmen der vorliegenden „Archäologischen
Bestandserhebung“ durchgeführten wissenschaftlichen Fachgespräch am 5. Juni
2002 einen Kolloquiumsbeitrag, der saparat vorliegt. ( „Neue Beobachtugen zur
Struktur und Entwicklung der Domburgbefestigung. Eine kritische Betrachtung
bisheriger Interpretationen aufgrund der Zusammenschau zahlreicher
Hinweise“, Kopie im Stadtarchiv)
An dieser Stelle sei lediglich darauf hingewiesen, dass der dokumentierte
hochmittelalterliche Verlauf (Stadtgeschichte Bd. I ,S.161) nicht zwangsläufig
mit dem Verlauf in karolingischer Zeit übereinstimmen muss. Als Ergebnis der
Kellerbegehung kann nicht ausgeschlossen werden, dass die westliche
Kellerabschlusswand des Gebäudekomplexes Am Abdinghof 1 möglicherweise
einen älteren Verlauf markiert (s.u., rote Markierung)
Ausschnitt aus: Paderborn im Hochmittelalter (Stadtgeschichte Bd. I ,S.161)
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3.2
Sakrale Bauten und Anlagen
Neben den einzelnen Quellenangaben im Text wurde in diesem Kapitel
insbesondere folgende Literatur als Quelle verwendet:
Brandt/ Hengst (Hrsg.): Die Gaukirche St. Ulrich in Paderbron 1183 - 1983 Zur Geschichte von Kirche, Kloster und Pfarrgemeinde bei der Feier des
800jährigen Jubiläums; Paderborn 1983
LV Westfalen-Lippe (Hg.): Klosterregion - Klosterführer für die Kreise Höxter
und Paderborn; Höxter 2000
1.5.3.2.1
13. Jh
Dom
Ein Überblick über die Entwicklung der frühmittelalterlichen / mittelalterlichen
Kirchen im Bereich des heutigen Domes wurde im Kapitel 1.5.2.3 gegeben.
Das herausragende Bauprojekt in Paderborn im 13. Jahrhundert war der
komplette Umbau der romanischen Basilika in eine gotische Hallenkirche. Die
Bauphasen sind sehr übersichtlich zeichnerisch in der Stadtgeschichte Bd. 1
Abb S. 208 / 209 dargestellt (s.u.).
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PADERBORN
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1.5.3.2.2
Bartholomäus-Kapelle
Im Zentrum der Paderborner Innenstadt in unmittelbarer Nachbarschaft nördlich
des Domes liegt die älteste bekannte Hallenkirche nördlich der Alpen. Die dem
hl. Apostel Bartholomäus geweihte Kapelle wurde um 1017 erbaut. Es ist ein
außerordentlicher Glücksfall, dass dieses architektonische Kleinod sämtliche
Gefährdungen fast unbeschadet überstanden hat, darunter auch den Zweiten
Weltkrieg, bei dem der Paderborner Dom schwer beschädigt wurde.
Die Bartholomäuskapelle wird als Pfalzkapelle und Bestandteil des Neubaus der
alten ottonischen Königspfalz gesehen. Der Paderborner Bischof Meinwerk
ließ sie im byzantinischen Stil von griechischen Bauleuten "per operarios
graecos" errichten, die die einzigartigen Hängekuppel- Gewölbe und die sie
tragenden Säulen schufen. Die ungewöhnlich schlanken Säulen haben keine
Beziehung zur deutschen Baukunst dieser Zeit und werden daher eindeutig dem
byzantinischen Bereich zugeordnet. Die Kapitelle gelten als bedeutende
Zeugnisse ottonischer Baukunst.
Die Kapelle selbst steht in ihrer Zeit einzig da und es sind keine direkten
Nachfolger bekannt geworden. Sie ist das einzige hier noch erhaltene bauliche
Element des 11. Jahrhunderts und gilt auch deshalb als bedeutendstes
kunstgeschichtliches Bauwerk Paderborns.
Die Nutzung der Kapelle im ausgehenden Mittelalter ist nicht eindeutig zu
klären. Um 1600 jedenfalls verfügen die Jesuiten über das Bauwerk.
Seit 1963 ist die Kapelle im ursprünglichen Zustand wieder hergestellt.
Entsprechend vorhandener Befunde wurden die Fenster an originaler Position
rekonstruiert, ein entscheidender Faktor für die Erlebbarkeit der ursprünglichen
Raumwirkung. Im Rahmen des Ausbaus der Pfalzanlage zum Museum wurde
der romanische Anbau im Eingangsbereich entfernt. Hier befindet sich seit 1978
eine kunstvoll gestaltete Bronzetür von H.G. Bücker.
1.5.3.2.3
Ikenberg-Kapelle
Die sogenannte Ikenberg-Kapelle ist ebenfalls Bestandteil der ottonischen
Pfalzanlage Bischof Meinwerks, die in den Jahren zwische 1964 und 1978
während der von WINKELMANN geleiteten umfangreichen Grabungen
erschlossen werden konnte. Die Kapelle selbst war jedoch schon vor
Grabungsbeginn bekannt und diente als Keller für ein an dieser Stelle stehendes
Wohnhaus.
Der gesamte Bereich war bis zu den Zerstörungen 1945 mit Wohnhäusern
bebaut. Der ehemals hier bebaute ´Hügel´ war der sogenannte Ikenberg, woraus
sich die Bezeichnung der Kapelle ableitet.
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PADERBORN
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1.5.3.2.4
Kapelle unter dem Küsterhaus/ Kapelle des Gerold
Die Bezeichnung dieser Kapelle enstand ebenfalls aus einer örtlichen
Zuordnung, nämlich dem Auffindungsort unter dem Küsterhaus nördlich des
Domes, zwischen Pfalz und Kreuzgang gelegen. Auf diesem Areal befand sich
im Hochmittelalter das Domkloster (vgl. Abb. karol. und ottonische Pfalz).
Der Grabungsbefund zeigt zwei übereinanderliegende Bauphasen, wobei in der
oberen jüngeren Kapelle der typische Musterfußboden aus der Zeit Bischof
Meinwerks freigelegt worden ist. Daraus schließt man, dass diese Bauphase
einer Neubaumaßnahme des gesamten Klosters nach dem Brand im Jahre 1000
zuzuordnen ist, obwohl die Schriftüberlieferung diesbezüglich keine Aussagen
gibt. Die ältere Bauphase wird dem 9. Jahrhundert zugeschrieben und gilt als
Kapelle des Gerold, Schwager Karls des Großen. 101
1.5.3.2.5
Abdinghofkirche und Abdinghof-Kloster
Die komplizierte baugeschichtliche Entwicklung der Abdinghofkirche und des
Klosters wurde bereits im Kapitel 1.5.2. dargestellt. An dieser Stelle erfolgt eine
kurze tabellarische Auflistung der wichtigsten Daten:
1015/16
1022
1023
1031
1076-1088
1163/65
1680 / 1770
1803, um
1866
1867-1870
Gründung durch Bischof Meinwerk, Besetzung mit Mönchen aus Cluny
Einsturz des Chores
Weihe der Krypta
Weihe der 3. Kirche
Erneuerung und Ausbau der Kirche
Brand und Neubau der Kirche unter Beibehaltung der Krypta von 1023 und
Teilen des Langhauses von 1076-1088
Umbau der Klostergebäude (Kern 12. Jh.)
Mit der Säkularisation kam das Ende der Benediktinerabtei. Die Gebäude
wurden zweckentfremdet genutzt bis zur Übertragung an die evangelische
Kirchgemeinde 1866.
Es folgte im Zuge umfangreicher Instandsetzungsmaßnahmen ein
durchgreifender Umbau der Kirche: Entfernung der Gewölbe im Mittelschiff,
Wiederherstellung der Obergadenfenster, Neuaufmauerung der Türme.
Von diesen erheblichen ´Rückbau- bzw. Aufbaumaßnahmen´ sind einige
Zeichnungen im Staatsarchiv Detmold erhalten, die den Zustand vor und nach
den Baumaßnahmen darstellen:
Die Pläne zeigen die Kirche vor und nach den erheblichen Umbauten im 19. Jh.
101
vgl. Beitrag Mecke in: Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen
Erforschung. Fünfter Band 2001, S.66
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49
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Von den ehemaligen Klostergebäuden sind heute noch die Abtskapelle im
Obergeschoss eines Anbaues neben dem Südwestturm und Reste des
romanischen Kreuzganges erhalten. Diese Teile wurden in einen neuzeitlichen
Bau inkorporiert. Bis 1945 befand sich hier das Wehrbezirkskommando. Bei
dem Luftangriff am 27. März 1945 wurde auch dieses Gebäude zerstört.
Erhalten blieben sämtliche Außenmauern bis zur Traufe, die Brandgiebel sowie
sämtliche Gewölbe mit einer Ausnahme im EG. 1946 begann die Planung für
einen ”... Neubau hinter einer zu erhaltenden, weil unter Denkmalschutz
stehenden Fassade.” (Bauakte: Am Abdinghof 5) Erhalten blieben letztendlich
(heute weitgehend unbeachtete) Teile der Kellergewölbe des Südflügels und des
Westflügels.
1.5.3.2.6
Alexiuskapelle
1017/18 wurde eine Kapelle gleichen Namens als Stiftung Meinwerks gweiht
und mit Asylrecht ausgestattet. Ob der Standort der heutigen Kapelle identisch
mit dieser ist, kann wohl kaum geklärt werden. 1670 - 1673 wurde ein Neubau
als achteckiger Zentralbau errichtet. 1728/29 erfolgte eine Erweiterung nach
Westen (Eingangsseite), wobei die 3 westlichen Seiten des Achteckes
abgetragen wurden. Es entstand die heutige überlieferte Form. Eine
Besonderheit ist der große ummauerte Vorhof.
Die Kapelle diente noch im 18. Jahrhundert als Zufluchtstätte, 1673 ist das
Asylrecht ausdrücklich bestätigt (inhaltlich nach: Dehio S.460).
1945 wurde auch diese Kapelle zerstört. Während von der Ummauerung des
Vorhofes nichts übrigblieb, waren die Außenmauern der Kapelle überwiegend
erhalten. 1952 waren sämtliche Außenwände baufällig und die Gesimssteine
drohten herunterzufallen. Es zeigten sich breite Risse und Abweichungen von
der Lotrechten z.B. an der Nordwestecke von 19 cm. 1955 erfolgte die Planung
und Ausführung zum Wiederaufbau. ”Da sich Setzungen des
Fundamentmauerwerkes zeigten, war eine eingehende Untersuchung der
gesamten Kapellenfundamente unerlässlich. Vorgenommene Abteufungen an
den Aussenwänden zeigten, dass die Fundamente des früheren Oktogenes
genügend sicher stehen, während der später westlich daran gesetzte Parallelbau
z.T. auf Gräbern und aufgefüllten Boden fundiert wurde.” (Bauakte: Am
Abdinghof 4) Beim Wiederaufbau wurde an der nördlichen Abhangseite ein
Strebepfeiler gegen weitere Senkung des Fundamentes unter Gelände Oberfläche bis auf den gewachsenen Boden angeordnet. (ebenda). PAUL
MICHELS hat 1954 Zeichnungen gefertigt, die die geschilderte Situation
eindrucksvoll dokumentieren (s.u.)
Abb.: Zeichnung von Paul Michels 1954, Stadtarchiv
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50
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3.2.7
1112
1170/ 80
1183
1222
1231
1220/ 1230
Gaukirche St. Ulrich und Zisterzienserinnenkloster an der Gaukirche
Gaukirche St. Ulrich
Die Entstehungszeit der Pfarrkirche St. Ulrich wird in der Literatur kontrovers
diskutiert. Während Pfarrer Koch (1943/1948) St.Ulrich als erste Pfarrei im
Raum Paderborn und einzige Pfarre für Stadt und Gau bezeichnet, hält A.
Cohausz (1955) sie für die jüngste der vier P. Pfarrkirchen sowie für eine
Kirche minderen Rechts. Eine ausführliche Darstellung der Geschichte haben
H.J. Brand und K. Hengst 1983 zum 800-jährigen Jubiläum (erste urkundliche
Erwähnung) veröffentlicht. Auffällig ist, dass die Kirche nicht geostet ist.
werden Ulrichs-Reliquien erstmals erwähnt
Der Neubau der heutigen Kirche wird als schlichte, kreuzförmige
Gewölbebasilika im gebundenen System mit achteckigem Turm errichtet, mit
einer im Westen gelegenen, nach Süden verschobenen, tonnengewölbten
Vorhalle (Schulz, 1982, S. 414). Eine kleinere Vorgängerkirche an dieser Stelle
wird vermutet, ist aber bisher nicht nachgewiesen.
St. Ulrich war auch Mutterkirche für umliegende Ortschaften, z.B. vor 1222 für
St. Meinolf in Dörenhagen.
Erste urkundliche Erwähnung. Bei einem Streit zwischen Busdorfstift und St.
Ulrich beanspruchte auf Initiative des Bischofes/ Domprobstes St. Ulrich die
Pfarrrechte im gesamten innerstädtischen Bereich. Nach dem Tod des
amtierenden Pfarrers von St. Ulrich erhielt die Busdorfkirche jedoch seine
ursprünglichen Pfarrrechte wieder zurück.
Die Kirche wird erstmals „Gaukirche“ ecclesia rurensis genannt.
In diesem Jahr entstehen unter Bischof Bernhard IV. aufgrund einer
Neueinteilung der Pfarrbezirke zwei Abpfarrungen von St. Ulrich.
Die westlich gelegene Marktkirche St. Pankratius erhielt ein Gebiet von der
Pader zwischen der Mühle des Bischofs und der alten Steinbrücke sowei Teile
beim bischöflichen Stadelhof. Die Grenze verlief von der späteren
Jesuitenmauer im Norden am Jühenplatz hinter den Häusern Langenohlgasse
und Jühengasse vorbei bis an den Marienplatz; von dort zum Paderberg an der
Wasserkunst entlang über die Mühlenstraße zur alten Steinbrücke beim
Leprosenhaus bis zum Paderausfluss im Norden des Stadtgebietes. Bei der
Ulrichspfarre verblieben die Gebiete in der Nähe des Domes wie
Michaelsstraße, Auf den Dielen, Thisaut und Domprobsteigasse sowie die
Einzelgehöfte und Ortschaften im Westen. (Brandt/ Hengst, S. 14-15)
Zur Gemeinde zum „Niederen Chor“ im Dom kommen der Stadtteil
„Northelvinke und nordöstlich davon das Gebiet von Aspethere (nördlich der
Giersstraße). Es wird nicht eindeutig klar, ob diese Pfarre jetzt neu eingerichtet
oder bei Verfassung der Urkunde schon vorhanden war.
Bei St. Ulrich verblieb das restliche Stadtgebiet zwischen der Dompfarrei und
der Marktkirche sowie das Sendgericht.
Die Regelung von 1183 bezüglich der Pfarrrechte der Busdorfkirche wurde
hierdurch hinfällig.
Aus dieser Zeit sind Ausmalungen („Krönung Mariens“) erhalten. Sie stehen
möglicherweise im Zusammenhang mit der Ansiedelung von Zisterzienserinnen
auf dem Gelände der Gaukirche (s.u.). Der Konvent erhält die Kirche mit allem
Vermögen übereignet. Es folgen bauliche Änderungen in Folge der
Doppelfunktion als Pfarr- und Klosterkirche. Im südlichen Querschiffarm
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51
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1426
1654
1695
1698
Um 1700
1787
E. 18. Jh.
Bis 1804
1810
1883
1945
1958
1959-61
wurde ein Empore eingezogen, die durch eine Tür in mittlerer Höhe der
Querschiffwand direkt mit dem Klostergebäuden verbunden war.
Es werden Reparaturen am Turm durchgeführt.
Die Kirche besitzt 8 Altäre, 1 Kanzel, 1 Beichtstuhl und 4 Glocken.
Das Nordportal wird im Zuge von Reparaturarbeiten barock umgestaltet.
Die Kirche erhält einen barocken Hochaltar im Rahmen einer Stiftung, gestaltet
von Heinrich Gröne und Phillip Georg Brüll. Der Stifter verschaffte sich
dadurch das Recht zu einer Grablege in der Gaukirche.
Reparatur des Kirchendaches, Erneuerung des Turmhelmes
Das Turmdach wird mit einer barocken Haube versehen
Vor dem Paradiesportal werden „zwei kleine Häuser“ genannt
(Brandt/ Hengst, S. 41)
Bis 1804 wird noch in der Kirche bestattet.
In einem Protokoll wird 1810 ein „gewölbtes Zimmer über dem Eingang zur
Kirche vom Markte her“ erwähnt (Brandt/ Hengst, S. 50)
Durch Dombaumeister Güldenpfennig erfolgen ab 1883 umfangreiche
Umgestaltungen: Die barocke Turmhaube wird durch einen gotisierenden
Spitzhelm ersetzt, das barocke Nordportal durch ein romanisierendes Portal,
Klostereinbauten werden entfernt und das nördliche Seitenschiff erhöht.
Ende des 2. Weltkrieges erleidet die Kirche erhebliche Kriegsschäden (Einsturz
des Vorhallengewölbes, Zerstörung des Turmhelmes, Zerstörung der
Klostergebäude). Der Westflügel des Klosters wird modern wiederaufgebaut.
Ein Portal am Haus am Domplatzes wird wiederverwendet (Schulz, 1982, S.
414)
Eine neue Heizung wird 1958 eingebaut. Die alte Heizung befand sich im noch
erhaltenen Gewölbekeller an der Nordseite der Kirche.
erfolgt die Renovierung der Bruchsteinaußenfront.
Abb.:
Grundriss der Gaukirche Bauaufnahme von 1918
Aus: „Die Gaukirche St. Ulrich in Paderborn“, Paderborn 1983, S. 23
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52
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Zisterzienserinnenkloster 1211 oder 1228 (an der Gaukirche St. Ulrich)
1228/ 1231
1231
1238
1250
1305
1343
1500
1743-1752
1752
1812
1825
1826
1855
1945
Durch Bischof Bernhard IV. (1228-1247) erfolgt die Berufung von
Zisterzienserinnen aus Münster (St. Ägidii-Kloster) nach Paderborn. Als
vorläufige Unterbringung wird das St. Johannes-Baptist-Hospital am
Westerntor vorgesehen.
Die Umsiedelung auf das Gelände der Pfarrkirche St. Ulrich in die auf dem
Kirchengelände (neu erbauten ?) Klostergebäude erfolgt 1231. Der Pfarrer der
Kirche wurde Probst des Klosters. Der Konvent unterstand der Oberaufsicht des
Bischofs.
Bischof und Domkapitel schenken dem Kloster ein „steinern Haus“ hinter dem
Chor. Hierbei handelt es sich vermutlich um die ehemlige Kurie des Domherren
und ersten Probstes des Klosters Konrad.
Bestätigung des Besitzes und der Privilegien durch Pabst Innozenz IV.
Schenkung des gesamten Vermögens von Probst Bernhard an das Kloster
Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind 1343 durch eine Urkunde belegt.
Umwandlung des Klosters in ein Benediktiner-Kloster nach der Bursfelder
Reform durch Bischof Hermann I. (1498-1508).
Neubau der Klostergebäude entlang der Grube und Krummen Grube und der
Vorhalle vor dem romanischen Westportal im barocken Stil teils auf älteren
Strukturen sowie ein kleines Tor an der Hofseite des Klosters durch Franz
Christoh Nagel, Hofbaumeister des Kölner Kurfürsten und Paderborner
Bischofs Clemens August von Bayern.
Das Portal in der Grube wird barock umgestaltet
Nach der Säkularisierung wird die Stadt Paderborn neuer Eigentümer. Die
Schwestern wohnen noch übergangsweise im Westflügel an der Grube. Der
Südflügel ist jetzt städtisches Armenhaus.
Räumungsbefehl für die restlichen Schwestern.
Einrichtung des Städtischen Armenhauses in den Klostergebäuden.
Die Klostergebäude zur Grube hin werden an das neu gegründete königliche
Land- und Stadtgericht vermietet.
Katholisches Lehrerinnen-Seminar im Westflügel des ehem. Klosters
Es entstehen erhebliche Kriegsschäden an Kirche und Klostergebäuden
(Einsturz des Vorhallengewölbes, Zerstörung der Klostergebäude, Westflügel
modern wiederaufgebaut; ein Portal am Hause des Domplatzes
wiederverwendet (Schulz, 1982, S. 414)
Das noch erhaltene bzw. wiederaufgebaute Klostergebäude ist vollständig
unterkellert (barocke Gewölbekeller).
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53
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3.2.8
Busdorfkirche und Stift St. Peter & Andreas, Haus des Stiftsdechanten
1036
Busdorfkirche, Stift und Pfarrei wurden kurz vor seinem Tod von Bischof
Meinwerk (1009 – 1036) errichtet bzw. eingerichtet. 1036 erfolgte die Erstweihe.
Der heutige Kirchenbau stammt aus dem 14. Jahrhundert. Die
Grundrissgestaltung der ersten Busdorf-Kirche erfolgte in Anlehung an die
Grabeskirche von Jerusalem zunächst als Rotunde. Nach einer Planänderung
wurde auf dem Fundament der Rotunde ein oktogonaler Zentralbau errichtet, an
den sich vier Längsarme anschlossen (Ausgrabungen K. Honselmann 1935/36).
Der westliche dieser Längsarme, flankiert von zwei Rundtürmen mit einer
dazwischenliegenden Glockenstube, bildet den heutigen Chor der Kirche. An den
südlichen Arm des Oktogons schlossen sich die Klostergebäude bwz. der
Kreuzgang an.
1231
Streit mit der Gaukirche St. Ulrich um die Pfarrrechte in der neu ummauerten
Stadt Paderborn. (s. Kapitel 1.5.3.2.6.1 Gaukirche)
1300
Bei einem Stadtbrand irgendwann zwischen den Jahren 1263 und 1289 erlitten
Stiftsgebäude und Kirche größeren Schaden. Die Kirche wurde zum Ende des 13.
Jahrhunderts, vermutlich von Handwerkern der auslaufenden Dombaustelle,
wieder aufgebaut. Beim Wiederaufbau hielt man sich im wesentlichen an den
ursprünglichen Grundriss. Die Pfeilerbasilika wurde jedoch in eine dreijochige
gotische Hallenkirche umgewandelt. Der Westturm erhielt zwei weitere
Stockwerke.
1348
Reparaturarbeiten am Dach, möglicherweise in Folge des Stadtbrandes von 1340.
17. Jh.
Ein Blitzeinschlag zerstört den Kirchturm. Im 17. Jh. erfolgten verschiedene
bauliche Erneuerungen.
1664
1664 wurde das Kircheninnere barockisiert.
1667
erfolgte der Bau eines neuen Westportals mit Eingangshalle.
Anfang 19.Jh In den Kriegen gegen Napoleon wird die Kirche zeitweise als Strohlager genutzt.
1810
Nach der Säkularisierung bleibt die Nutzung als Pfarrkirche weiterhin bestehen.
Aus anderen aufgelösten Klöstern werden hierher Reliquien gebracht.
Aus Böddeken kamen Meinolphus-Reliquien in das Busdorfstift, aus der
Abdinghofkirche der Sarkophag Bischof Meinwerks sowie die Reliquien des
Paderborner Bischof Poppo.
1816
Die Kirche dient in der Folgezeit auch als katholische Garnisonskirche für
preußische Soldaten.
1817 – 1871 Gleichzeitig wurde die Kirche auch von der evangelischen Gemeinde genutzt, bis
diese die Abdinghofkirche übereignet bekam.
Seit 1871
Seit 1871 ist die Busdorfkirche wieder ausschließlich katholische Pfarrkirche.
1998
1998 erfolgt die Eingliederung in die neu gegründete Innenstadtpfarrei St.
Liborius.
Stiftsdechantenhaus/Pfarrhaus
1844
Seit 1844 erfolgt die Nutzung des Stiftsdechantenhauses als Pfarrhaus.
Die Keller des nach dem Kriege obertägig wiederaufgebauten Pfarrhauses weisen
z.T. recht alte Strukturen auf. Im ersten Keller (ca. M. 18.Jh.) sind ältere
Wandstrukturen erkennbar, die möglicherweise dem ursprünglichen
Oktogonalbau zuzuordnen sind. Der hintere Teil des Kellers ist deutlich älter und
als zweigeschossiger Gewölbekeller von erheblicher Tiefe. Er ist teilweise in den
anstehendem Fels gebaut worden. Eine ausführliche Bauuntersuchung wäre
wünschenswert.
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54
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3.2.9
Franziskaner-Minoriten
1232
Die (Franziskaner)- Minoriten kamen 1232 vermutlich aus Hildesheim und ließen
sich am Kamp nieder. Hier sind die Klostergebäude 1238 und 1245 nachgewiesen
(WUB IV).
Die Kirche brannte mehrfach ab. Der Wiederaufbau nach 1505 erfolgte als
spätgotischer, siebenjochiger Bau und ist in Abbildungen überliefert. Die
lutherische Bewegung wurde ab den 1520-er Jahren in der Bischofsstadt
besonders vom Minoritenkloster gefördert.
Die Minoritenkirche wurde 1728 abgebrochen, nachdem das Kloster bereits
in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eingegangen war und die jetzt hier
ansässigen Jesuiten einen eigenen Kirchenneubau errichtet hatten (s.u.).
1289 / 1506
16. Jh
1728
.
1.5.3.2.10
Jesuitenkirche/ Theodorianum
1580
Die Jesuiten gründeten 1580 in Paderborn ihre erste westfälische Niederlassung.
Der streng geführte Orden war eine entscheidende Instanz der katholischen
Reform. Zentrales Anliegen war die Errichtung guter Schulen. In Paderborn
wurde von ihnen 1585 die Domschule übernommen. Die Jesuiten bildeten eine
entscheidende Stütze bei der Rekatholisierung unter dem Bischof Dietrich von
Fürstenberg. Zunächst nutzten sie die Bartholomäus-Kapelle nördlich des Domes.
Bereits 1596 begannen sie mit dem Neubau eines Kollegs auf dem Gelände des
ehemaligen Minoritenklosters (s.o.). Das Gelände hatte ihnen der Fürstbischof
geschenkt. 1604 konnte die lange ungenutzte Kirche des ehemaligen
Minoritenklosters neu geweiht werden. Es folgten weitere Neubauten mit
Unterstützung des Bischofs. 1614 wurde von ihm die älteste westfälische
Universität gestiftet, die ganz unter der Leitung der Jesuiten stand.
Die Jesuitenkirche wurde von Anton Hülse SJ von 1682-1692 erbaut, ein
Barockbau mit gotisierenden Elementen. Es handelt sich ebenfalls um eine
Stiftung, jetzt des Fürstbischofs Ferdinand von Fürstenbergs.
1773 wurde der Jesuiten-Orden aufgehoben.
1596 ff
1682, ab
1773
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55
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3.2.11
Franziskaner-Kloster
10 Jahre nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges kamen 1658 wieder
Franziskaner nach Paderborn. Da bereits zahlreiche Klöster in der Stadt
bestanden und zu dieser Zeit wohl kaum mehr als 500 Einwohner hier lebten,
waren die Bürgerschaft, die Mehrzahl des Domkapitels sowie Benediktiner und
Kapuziner gegen die Einrichtung eines weiteren ´Bettelordens´. Erst die
Unterstützung des Osnabrücker und des Paderborner Fürstbischofs ermöglichte
die Niederlassung an der Westernstraße. Zunächst stellte hier der Paderborner
Bürger Georg Riwick sein Haus mit Hof und Garten zur Verfügung. 1661 wurde
Ferdinand II. von Fürstenberg Fürstbischof. Er förderte die Franziskaner
nachhaltig und sicherte deren Niederlassung, indem er beim Papst einen
Schutzbrief erwirkte.
Damit konnte 1663 der Klosterbau und 1668 der Bau der Kirche beginnen. Diese
wurde 1671 fertig gestellt. Es handelt sich um einen barocken kreuzgewölbten
Saalbau. Der eingezogene Chorbereich mit 5/8-Schluss wurde 1909 um ein Joch
verlängert, d.h. er wurde komplett abgetragen und versetzt wieder aufgebaut.
1697 wurde die Sakristei angebaut, 1728 erfolgte die Errichtung des sogenannten
Fürstenflügels. Diese Bezeichnung leitet sich aus dem hier eingerichteten
Fürstengastzimmer ab.
Von besonderer städtebaulicher Wiksamkeit an der Westernstraße ist die
stattliche Barockfassade des italienischen Baumeisters Antonio Petrini mit
vorgelagerter Treppenanlage.
Bei dem Bombenangriff am 27.März 1945 wurde das Kloster komplett zerstört.
Lediglich die Außenmauern der Kirche blieben weitestgehend erhalten. Von
1946-1949 erfolgte der Wiederaufbau, der teilweise erheblich bis in die
Kellerstrukturen eingreift. Die anliegenden Klostergebäude sind ebenfalls
Neuaufbauten der Nachkriegszeit.
1.5.3.2.12
Kapuziner-Kloster (Liborianum)
Die Kapuziner wurden 1612 nach Paderborn berufen, um gemeinsam mit den
Jesuiten die katholische Erneuerung voranzubringen. Der spätere Domprobst
Arnold von Horst stiftete am Stadelhof ein Grundstück, auf dem eine erste
Kirche und Klostergebäuder errichtet werden konnten. Diese wurden bereits beim
Stadtbrand 1616 zerstört, aber umgehend und offensichtlich nicht sehr sorgfältig
auf den gleichen Grundmauern wieder aufgebaut. Dies hatte jedoch zur Folge,
dass die Gebäude bereits 1670 wieder baufällig waren. 1673 musste daher ein
Komplettabriss erfolgen mit sich anschließendem Neuaufbau. Die Kirche wurde
zwischen 1681 und 1683 durch den Baumeister und Kapuzinerbruder Ambrosius
von Oelde völlig neu errichtet. Es handelt sich um eine vierjochige Saalkirche mit
eingezogenem quadratischen Chorraum. Unter dem Chor befindet sich der
Bestattungskeller, in dem die Kapuziner von 1687 bis 1809 bestattet wurden.
In der Säkularisationszeit wurde das Kloster zunächst nicht aufgelöst, da es sich
offensichtlich aufgrund seiner Armut auch nicht sehr lohnte. Zunächst verbot
1825 der preußische König lediglich, neue Novizen aufzunehmen. Erst 1834
erfolgte eine endgültige Aufhebung des Klosters.
1945 wurde die gesamte Inneneinrichtung zerstört.
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56
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Seit 1979 ist im Kloster die Bildungsstätte des Erzbistums, das Liborianum,
untergebracht. Hierzu erfolgten einige Umbauten (Bettenhaus, Küche,
Tagungsräume). Die Kirche ist Hauskirche des Liborianums.
1.5.3.2.13
Kapuzinessen-Kloster/ Landeshospital
Das Kapuzinessenkloster ist ebenso wie das Kapuziner-Kloster von Arnold von
Horst (s.o.) gegründet worden. Als 1628 die ersten drei Kapuzinessen aus Köln
nach Paderborn kamen, gab es noch kein Klostergebäude. Dieses konnte im
Sommer 1629 bezogen werden. Für den Gottesdienst diente eine Hauskapelle.
Nachdem im Dreißigjährigen Krieg die Aufhebung des Klosters drohte, begann
1657 unter Fürstbischof Dietrich Adolf von der Reck der Neubau von Kirche und
Kloster, das 1661 bezogen werden konnte.
Von der Säkularisation 1802/03 blieb das Kloster verschont, durfte aber in der
Folge keine Novizinnen mehr aufnehmen. Das hatte zur Folge, dass 1831, als das
Landeshospital in das Kloster verlegt wurde, die verbliebenen Kapuzinessen für
die Krankenpflege zu alt waren. Vom preußischen König wurde die Umwandlung
des Klosters in ein Haus der Barmherzigen Schwestern genehmigt. Die letzten
Kapuzinessen erhielten hier ein Bleiberecht.
Seit dem Neubau 1857 am Busdorf war das ehemalige Kloster bis 1970
selbstständiges Krankenhaus. Ab 1970 ist es Teil des St. Vincenz-Krankenhauses.
Der völlige Neuaufbau nach der Totalzerstörungen 1945 ist beim Betreten des
Gebäudes augenfällig. Dass der Wiederaufbau auf den alten Grundmauern
erfolgte, zeigen zum großen Teil erhaltene alte Kelleranlagen.
1.5.3.2.14
Kloster St. Michael Augustinnerinnen-Kloster
Fürstbischof Dietrich Adolf von der Reck, der bereits den Neubau des
Kapuzinessen-Klosters (s.o.) vorangebracht hat, gewann 1658 die AugustinerChorfrauen aus Münster für eine Gründung in Paderborn. Schwerpunkt der
Tätigkeit der Schwestern war die Erteilung von Unterricht, eine Tradition, die
auch heute noch sichtbar ist (Mädchengymnasium).
1691 bekamen die Schwestern das sogenannte „Hauss auff der Pader“ geschenkt.
Bis 1698 erfolgte hier der Bau neuer Klostergebäude und einer Kirche durch den
Kapuzinermönch Ambrosius von Oelde.
Während des sogenannten ´Kulturkampfes´ wurde 1878 das Kloster offiziell von
der preußischen Regierung aufgehoben. 9 Jahre später konnten die Schwestern
jedoch zurückkehren.
Die Kirche brannte 1945 völlig aus. Die Fassaden blieben jedoch erhalten, so
dass ein Wiederaufbau in originalen Formen möglich war. Beim Betreten des
kleinen Klosterhofes von der Michaelsstraße her, von dem aus man rechts in die
Klosterkirche und links in die Klostergebäude gelangt, ist das ursprüngliche
Raumkonzept des Ambrosius von Oelde auch heute noch erlebbar.
Der Schulneubau der unmittelbaren Nachkriegszeit hat sehr gute
Gestaltungsqualität und besitzt zweifellos Denkmalwert.
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57
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3.2.15
Marktkirche St. Pankratius
1231
Abpfarrungen von St. Ulrich
Der Paderborner Bischof bittet den Domprobst um Zustimmung zur Aufteilung
der St. Ulrichspfarre in drei Pfarrbezirke. Die Urkunde (Pfarrarchiv Gaukirche
Paderborn) erwähnt 1231 erstmals die Marktkirche St. Pankratius sowie eine
Gemeinde zum „Niederen Chor“ im Dom.
Die Marktkirche St. Pankratius erhielt ein Gebiet von der Pader zwischen der
Mühle des Bischof und der alten Steinbrücke sowei teile beim bischöflichen
Stadelhof. parrochia forensis ecclesiae in Patherbrunnensi civitate102 (Vita
Meinwerci)
Die Grenze verlief von der späteren Jesuitenmauer im Norden am Jühenplatz
hinter den Häusern Langenohl- und Jühengasse vorbei bis an den Marienplatz,
von dort zum Paderberg an der Wasserkunst entlang über die Mühlenstraße zur
alten Steinbrücke beim Leprosenhaus bis zum Paderausfluss im Norden des
Stadtgebietes. (Brandt/ Hengst, S. 14-15)103
Auf Initiative des damaligen Bürgermeisters erfolgte die Abtrennung des
Hospitals vom Gaukirchkloster zugunsten der „Marktkirche“. Der Pfarrer der
Marktkirche hielt nun als Rektor anstelle des Gaukirchprobstes die
Gottesdienste in der Hospitalskapelle ab und übte die Seelsorge aus. Der
Gaukirchprobst erhielt als Entschädigung eine jährliche Rente. Neuer Rektor
sowie Hospital standen unter dem Schutz des Bischofs. Der Vorschlag des
Bürgermeisters wurde vom Domprobst bestätigt. (M. Pavlicic, in: Brandt/
Hengst, Gaukirche)
Die Marktkirche St. Pankratius erhielt wohl im 15. Jahrhundert im Anschluss an
den romanischen Westturm ein neues querschiffloses gotisches Langhaus, 1467
wurde ein 5/ 8 Chor angefügt, der Kirchhof erhielt eine Mauer.
Besonders nach 1566 / 70 wurde die Markt-Kirche zum Zentrum des
Paderborner Luthertums.
Ende des 18. Jahrhunderts erfolgte der Abriss der Kirche mit der Begründung,
sie sei baufällig.
Bei der von G.ISENBERG 1976 durchgeführten Grabung auf dem Marienplatz
konnten kaum Befunde festgestellt werden. Ein wichitges Ergebnis war die
Dokumentation der erheblichen Mauerstärke des romanischen Turmes von 2,20
Metern.104
1326
15. Jh.
16. Jh.
1784
102
ecclesai forensis = Stadtkirche, die einer rein städtischen Gemeinde zugehört
(Haberkern E./ Wallach J.F.: Hilfswörterbuch für Historiker. Tübingen und Basel 1995)
103
Urkunde: „... Einen Teil, dessen Grenzen vom Hause des Hildebrand Wapenrogt bis zum Hofew des
Bischofs, der Stadtelhof genannt wird, und von da bis an die Mauer der Stadt verläuft, weiter vom Hause
des genannten Hildebrand bis zum Hause des Hartmut von Alride und von diesem Haus bis zur Mühle
des Bischofs und von dieser Mühle bis zu steinernen Brücke, haben sie der Pfarrei St. Pankratius
(ecclesie sancti Pancratii), einen zweiten Teil aber, nämlich (die Stadteile) Northelvinke und Aspethere
bis zum Haus der Christine vor der Burg, und von diesem Haus bis zum Tor, wo man nach Heresia geht,
und alle Häuser und Dörfer außerhalb der Stadt in Richtung nach Osten und Norden haben sie mit
unserer Zustimmung der Pfarrei St. Liborius im Niederen Chor zugewiesen, der Pfarrei St. Ulrich
(ecclesie vero sancti Othelrici) jedoch haben sie alle Häuser (innerhalb der Stadt), welche zwischen den
beiden ersten Teilen gelegen sind, und alle Dörfer und einzelne Häuser, welche außerhalb der Stadt in
Richtung Westen gelegen sind, überlassen ...“
104
Grabungsbericht G.Isenberg; Marienplatz 1976; C Nr. 1052
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58
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Hospitäler/Armenhäuser 105
1.5.3.3
Abdinghof-Hospital
Erste Erwähnung des Abdinghofhospitals, gilt als das älteste Hospital
Paderborns.
Um eine neues Hospital zu errichten, wurde der Hof des Ritters Ludolf von
Heerse an der Pader gekauft und das alte Hospital dann wohl aufgegeben. Erste
Erwähnung einer Verbindung zur Gaukirche. Das Gebäude am Paderhang
wurde 1945 zerstört. Beim Abriss traten romanische Bauspuren zutage.
1102
1269
1211
1214
1229
1326
1604
Um 1783
13. Jh. (?)
1312
105
Johannes-Hospital mit Heilig-Geist-Kapelle
Es wurde vor dem Westerntor (BALZER, 1981, Städteatlas) von einem
Privatmann (Johannes Spilebrot) gegründete. Das Kapital dazu entstammte
verschiedenen Äckern und Hausstätten innerhalb und außerhalb der Stadt.
Bestätigung der Stiftung durch Papst Innozenz.
Der Bischof stellte das dem Hospital und dem Konvent der Zisterzienserinnen
im Gaukirchkloster vermachte Vermögen unter seinen besonderen Schutz. Der
Name wandelt sich von Johannes- zu Heilig-Geist-Hospital.
Auf Initiative des damaligen Bürgermeisters erfolgte die Abtrennung des
Hospitals vom Gaukirchkloster zugunsten der „Marktkirche“. Der Pfarrer der
Marktkirche hielt nun als Rektor anstelle des Gaukirchprobstes die
Gottesdienste in der Hospitalskapelle ab und übte die Seelsorge aus. Der
Gaukirchprobst erhielt als Entschädigung eine jährliche Rente. Neuer Rektor
und Hospital standen unter dem Schutz des Bischofs, wurde vom Bürgermeister
vorgeschlagen und vom Domprobst bestätigt.
1604 wurde das Hospital abgebrochen und durch einen Neubau innerhalb der
Stadtmauern ersetzt. Das Benefizium wurde vorübergehend in der Marktkirche
angesiedelt.
Um 1783 wird das Benefizium wieder der Gaukirche zugeschlagen.
Nikolaus-Hospital mit Laurentiuskapelle (Giers-, Ostern- oder LaurentiusHospital)
Es handelt sich wohl ebenfalls um eine private Gründung bei dem Gierstor
innerhalb der Stadtmauern. Möglicherweise deutet das Nikolaus-Patrozinium
auf eine Gründung durch (Fernhandels-) kaufleute.
Die Kapelle des Klosters lag nach BALZER (Städteatlas) an der Giersstraße in
Richtung Innenstadt.
Der Gaukirchprobst, die Äbtissin und der Konvent der Zisterzienserinnen
erklären die Überlassung eines steinernen Hauses, das sie selbst bewohnten, an
das Hospital, ausgenommen war der Hof und die Kapelle. Der Gaukirchprobst,
der Rektor der Nikolaikapelle und zwei Ratsherren übten das Recht der
Literatur, u.a.: *Brandt/ Hengst (Hrsg.): Die Gaukirche St. Ulrich in Paderborn 1183 - 1983 - Zur Geschichte
von Kirche, Kloster und Pfarrgemeinde bei der Feier des 800jährigen Jubiläums, darin: Michael
Pavlicic: Gaukirche, Hospitalwesen und Armenfürsorge.
* Gemmeke, A.: Geschichte der Armenhäuser und des Armenwesens der Stadt Paderborn bis zum
Jahr 1866. Bad Oeynhausen 1939.
* Lappe, J.: Siechenhäuser im Paderborner Lande. In: Heimatborn, 12, 1932, Nr. 7
* Liese, W.: Westfalens alte und neue Hospitäler. In: Westfälische Zeitschrift, 77/ II, 1919
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59
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Aufnahme der Kranken in das Hospital aus. Später geriet das Hospital stärker
unter städtischen Einfluss.
Der Seelsorger der Laurentiuskapelle wurde vom Probst der Gaukirche
eingesetzt.
Aufgrund eines Kompetenzstreites zwischen Gaukirche und dem Rat der Stadt.
verfügt Bischof Balduin, dass das Patronatsrecht über die Kapelle und die
Verfügungsgewalt über den s.g. Burhof an der Kapelle mit den dazugehörigen
Äckern bei der Äbtissin verbleiben sollte. Das Belegungsrecht für das Hospital
sollte aber beim Magistrat und bei dem Pfarrer Konrad Vonderbeck bleiben, der
dem Hospital größere Zuwendungen gemacht hatte.
Das
Nikolai-Hospital
wird
nach
Gründung
des
städtischen
Gaukircharmenhauses aufglöst
Abriss (s.a. Abb. 59 und 60 in Brandt/ Hengst, Gaukirche, S. 151).
1314
1347
1824/26
1884
1333
1394 u. 1400
1745
1868
Siechenhaus mit Georgskapelle
Erste Erwähnung des vor dem Westerntor an der Straße nach Salzkotten
gelegenen Siechenhauses im Jahre 1333. Die Seelsorge wird vom
Gaukrichprobst ausgeübt. Die Leitung unterstand zwei städtischen Provisoren.
Der Probst nimmt 1394 und 1400 Schenkungen für das Siechenhaus entgegen.
Auch in späterer Zeit gingen dem Siechenhaus immer wieder Stiftungen zu, so
dass es zu gewissem Wohlstand kam. Städtische Verwalter verliehen Gelder aus
dem Kapital des Siechenhauses.
Aufhebung des Hospitals
Abriss der Siechenkapelle. (Abb. 61 Brandt/ Hengst, Gaukirche, S. 153)
weitere Literatur: Bieling, A.: Das Paderborner Siechenhaus. In: Westfälische Zeitschrift 28,
1869, S. 365-371
Wieks-Armenhaus
Durch Kaspar van der Wiek wurde das Armenhaus 1583 in der Schäfergasse im
Bereich der Gaukirchpfarre zur Aufnahme von Witwen gegründet. Das Haus
war frei von städtischen Lasten.
Dieses Witwenhaus bestand bis zur Gründung des städtischen Armenhauses.
1583
1824/26
seit 1655
1826
Stadelhofer Armenhaus
Das Stadelhofer Armenhaus erhält ist seit 1655 nachweisbar. Es erhält Geld aus
der privaten Stiftung des Dombenefiziaten Gerhard Rueter. (PAVLICIC in:
Brandt/ Hengst, Gaukirche, S. 158) Lage?
Städtisches Armenhaus
Nach Veräußerung der alten Hospitäler, wurde im ehemaligen Gaukirchkloster
ein städtische Armenhaus eingerichtet.
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60
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3.5
1.5.3.5.1
Städtisch- bürgerliche Bauten
Rathaus am Rathausplatz106
Der Bau eines Rathauses setzt die Existenz eines stästischen Rates voraus, der
auch Amtsgeschäfte ausführt. Für 1222 wird erstmals ein Siegel in einer nicht
mehr vorhandenen Urkunde erwähnt. 1224 wird es Paderborner Bürgern
gestattet, einen stellvertretenden Stadtrichter zu wählen. Spätestens zu dieser
Zeit bestand also eine mit besonderen Rechten ausgestattete bürgerliche
Stadtgemeinde in Paderborn. Von 1231 ist das erste Siegel mit der Umschrift:
„CI(VES PAT) E (RB) ORNENSES“ (=Die Paderborner Bürger) erhalten. Aus
dem Jahre 1245 stammt das erste erhaltene Siegel, das man zweifelsfrei als
Stadtsiegel bezeichnen kann.
Umschrift: SIGILLUM. PADERBORNENSIS: CIVITATIS (= Siegel der Stadt
Paderborn) Es vergehen aber noch etwa 30 Jahre, bevor 1279
erstmals ein Rathausgebäude für Paderborn urkundlich genannt wird, das
„rathus sive praetorium“ (Rathaus und/ oder Palast/ Herrenhaus/ Rathaus)
(Westf. Urkundenbuch IV.1565). Eine Lokalisierung ist bis jetzt nicht möglich.
Konkret fassbar werden Baudaten erst 200 Jahre später. Ein mit römischen
Zahlen versehener Wappenstein, der an der Nordosteseite des heutigen
Rathauses angebracht ist, datiert in das Jahr 1473. Dies deutet auf einen Neubau
oder umfangreiche Umbauarbeiten. MICHELS erstellte eine Rekonstruktion des
Baues von 1473 nach Bauzeichnungen von 1870-1878. Er bezeichnet die
beiden östlich von Norden nach Süden verlaufenden Tonnengewölbe als Reste
des Rathauses von 1473 (MICHELS, Baugeschichte). Zwei zwischen den
Tonnengewölben befindliche Holzsäulen datiert bei den Umbauarbeiten 1870 ff
der Architekt Volmer in den erwähnten Bauzeichnungen mit 1473 bzw. mit
1507. Die Jahreszahl 1507 kann für Baumaßnahmen aus der Zeit nach dem
großen Stadtbrand vom 17. März 1506 gedeutet werden.
Das Dach des älteren Baues verlief nach MICHELS von Norden nach Süden.
Dieses später wiederverwendete Dach bezeichnet Volmer 1870 anno „ai 1506“.
An der Westseite vermutet MICHELS eine überdachte Freitreppe. Im
zweischiffigen Erdgeschoss befanden sich u.a. die Stadtwaage,
Verwaltungsräume und Verkaufsstände an den Rathaustreppen. Im
Obergeschoss lag ein durch Säulen in zwei Schiffe geteilter Saal. Ebenso war
die Ausübung der stadtrichterlichen Tätigkeit mit dem Rathaus verbunden.
Für eine Kapelle am (im?) Rathaus ist 1481 die Stiftung eines Benefiziums auf
den Altar bestätigt (StAP, U 178). Die steinerne Kapelle war von
Bürgermeister, Rat und Gemeinde gebaut und der Hl. Dreifaltigkeit und der
Mutter Gottes geweiht. Sie befand sich vermutlich bis zum Neubau des
Rathauses im Jahre 1613-20 neben dem großen Saal.
1222 / 1224
1231
1245
1279
1473
1481
Rekonstruktion des gotischen Rathauses nach Paul Michels
106
Quelle für dieses Kapitel bzw. weiterführende Literatur insbesondere:
• Müller, Rolf-Dietrich, Stöwer, Herbert: 700 Jahre Paderborner Rathaus. Katalog zur Ausstellung
•
des Stadtarchives im Museum für Stadtgeschichte Paderborn. Paderborn 1979
Michels, Paul: Aus der Baugeschichte des Paderborner Rathauses. In: Westfälische
Zeitschrift. 96. Bd., 1940, 2. Abt., S. 52-84
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61
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1604
1611
1613 - 1620
1604 wird der Marktplatz vom Rathausvorplatz zur Kohlgrube verlegt, wo er
sich bis heute befindet (Privilegienbuch der Stadt Paderborn II, STAP, A 5001
Bl. 65-92, in Schäfer, 700 Jahre, 1979, erwähnt)
Eine Münzwerkstatt im Rathaus ist für 1611 beschrieben (StAP, A5007 Bl. 95).
Im gleichen Jahr befiehlt Bischof Dietrich von Fürstenberg, das Rathaus zu
„besßern“. Nach dem erhaltenen Ratsprotokollbuch erstellt der Rat eine Vorlage
und fasst einen Beschluss. Demnach soll das Rathaus repariert werden, wenn
sich aber zeigt, dass es baufällig sei und die Kosten unverhältnismäßig sind,
dann ist auch ein Neubau in Betracht zu ziehen. Letztendlich stimmte der Rat
für einen Neubau, obwohl dieser mit beträchtlichen Kosten verbunden war.
(StAP A 5007 Bl. 99).
Die Bauzeit betrug insgesamt 7 Jahre.
1612 werden bereits andere Bauaufgaben reduziert, um Geld für das neue
Rathaus zu sparen. So wird für die Ausbesserung der Stadtmauern und Türme
kaum etwas ausgegeben. Es wird am Rathausdach und am Stadtweinkeller
gearbeitet.
1613 ist Baubeginn für das neue Rathaus. Die Stadtrechung aus diesem Jahr ist
verloren. Vor allem über den Architekten herrscht Unklarheit. BRAND, GREVE
und RICHTER behaupten, dass der Baumeister Dieter Schauker und der
Maurermeister Zurhoven beauftragt waren. Für diese Angaben finden sich aber
keine Belege. Zwar befindet sich unter der Giebelspitze des nördlichen
Rathausvorbaus das Monogramm „TS“, doch finden sich in keiner der
folgenden Stadtrechung die Namen von Schauker und Zurhoven (1617 in
Armut verstorben).
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62
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Nach SONNEN (Weserrenaissance) waren 1614 der Zimmermeister Peter Riheln
von Hoxar (Höxter) und wenig später dann der Steinhauer und Maurermeister
Hermann Baumhawer aus Wewelsburg am Bau beschäftigt (1615 „Herman von
Wevelßburg“, in der Baurechnung erwähnt, StAP A 5040 Bl. 44).
Er hatte an der Wewelsburg 1604 für den Fürstbischof Dietrich von Fürstenberg
Umbauten vorgenommen. Entsprechend den Gepflogenheiten der Zeit dürfte
Baumhove als Maurermeister dann auch die Bauleitung des Rathauses
innegehabt haben. Möglicherweise wurde er als Ersatz für den erkrankten
Zurhoven gerufen auf Empfehlung des Fürstbischofes, dessen „Hofarchitekt“ er
war. Das Jesuitenkolleg und die Universität werden Baumhawer zugeschrieben,
möglicherweise führte er auch Arbeiten am Schloss in Neuhaus aus. Herman
Baumhawer errichtete später für sich selbst ein Haus an bevorzugter Stelle nahe
der Marktkirche (Marienplatz 2).
1613 wurden Teile des alten Rathauses abgerissen und erste Arbeiten für den
Neubau durchgeführt. Möglicherweise wurde in diesem Jahr bereits ein Vertrag
mit Baumhauer abgeschlossen, da er 1614 zwanzig große Fenster für das
Rathaus liefert (Stadtrechnung 1614). Wie aus den Stadtrechnugen hervorgeht,
spenden verschiedene Zünfte Geld für den Rathausbau. Zudem werden Darlehn
von Privatleuten aufgenommen.375 Tlr. überläßt der Fürstbischof der Stadt aus
Steuereinnahmen.
Am neuen Rathaus wird zunächst gleichzeitig gebaut und abgebrochen,
zumindest im Jahr 1614. Im März 1614 wird das Zimmerwerk abgebrochen. Die
alten Mauern und der Rathausgiebel müssen „umschraubt“ werden.
Das Dach des alten Rathauses von 1506 (Neuerrichtung nach dem Brand ?)
wird anscheinden wiederverwendet, um 90° gedreht und durch Aufschieblinge
im Querschnitt erweitert und somit dem neuen Rathausgrundriss angepasst.
(MICHELS)
1615 ging die Bauaufsicht auf die „Kämmerer und Fünfer“ über. In diesem Jahr
erfogte auch ein großer Teil des Innenausbaus, was sich in der Rechnung in
Ausgaben für Weller- und Pliesterarbeiten (als Unterkonstruktion für Lehm),
für Anstreicherarbeiten und Pflasterarbeiten niederschlägt. Der Fußboden wurde
eingebaut, teils aus Holz Die Küche und zwei Gemächer nach dem Schildern
wurden mit Almekies gepflastert. (MICHELS).
Unterbrechungen am Bau sind wohl aufgrund eines Brandes 1616 festzustellen.
Dennoch wird für 1616 der Baumeister „Henrich Overkotte“ in der
Stadtrechnung erwähnt (StAP A 5041, Bl 32). Er führte u.a. Arbeiten zwischen
den Pfeilern und am Keller aus. H. Overkotte, ein Renaissance-Baumeister, aus
Lemgo stammend, war u.a. auch Baumeister des Neubaus der Abtei
Gandersheim. Von ihm existieren dort eine Meisterinschrift und ein
Steinmetzzeichen aus dem Jahr 1600. Aus der Akte geht weiterhin hervor, dass
sich zwischen den Rathaussäulen ein Gerichtsstuhl befand. (SCHÄFER, 700
Jahre, 1979, S. 25).
Für 1618 fehlt die Rechnung, 1619 ist ein schlechtes Jahr für die Stadt. 1620
wird vor allem im Keller gearbeitet und der Saal mit einer Galerie ausgestattet.
Die Baukosten beliefen sich insgesamt auf ca. 8000 Taler (MICHELS,
Baugeschichte).
1726
1726 datiert ein Wappenstein in der Mitte des Hauptgiebels mit dem
Stadtwappen und der Inschrift „RENOVATUM“. Dies deutet also auf
umfangreichere Instandsetzungsarbeiten hin. Die Jahreszahl 1726 findet sich
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63
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1779
1807
1845
1870-1878
1890/ 1900
1903
1945
1947
1954
weiterhin in Stein gehauen unter der Spitze des südlichen Frontgiebels sowie in
der Wetterfahne des Südgiebels. Einzelheiten der Umbauten lassen sich nicht
nachweisen, da die Baurechnungen aus dieser Zeit fehlen, umfasste aber wohl
Renovierungen im Innen- und Außenbereich. Architekt Volmer, Leiter des
großen Umbaus von 1870 vermutet, dass der große Saal vom Schildern bis zur
Südseite erst um 1726 entstanden ist. (SCHÄFER, 700 Jahre, 1979, S. 30)
1779 wurden erneut Umbau- und Renovierungsarbeiten durchgeführt. Die
Jahreszahl 1779 war an drei Stellen am Karniesprofil der Fenster im
Erdgeschoss des Ostbaues nachweisbar: Eine Zahl fehlt seit dem Wiederaufbau
nach 1945.
Aus dem Jahre 1807 existiert ein Rathausinventar: „Inventarium der hiesigen
Stadtwaage, An Silber, Auf der Registratur, Auf der Kämmerey, Auf der
Gerichtsstube, Auf der Küche, Zur Eiche, Zur Steinkuhle, Zum Pflastern, Zur
Wasserkunst“ (StAP A357)
Mitte des 19. Jahrhunderts wird durch den bekannten Zeichner F.J. Brand das
Paderborner Rathaus kritisiert: „Es zeigt wie alle Bauten jener Zeit, den tiefsten
Verfall der Kunst“. Brand bemängelt vor allem die Mischung verschiedener
Stilelemente, ohne dass ein bestimmter Stil gewählt worden wäre. (BRAND, F.J.:
Kurze Beschreibung der Stadt Paderborn, zunächst für Fremde und Reisende,
Paderborn 1846)
In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts wurde ein großer Umbau des
Rathauses unter der Leitung des Architekten Rudolf Volmer durchgeführt. Das
Rathaus befand sich ín einem schlechten baulichen Zustand. Während der
Bauarbeiten traten noch weitere, gravierende Mängel zu Tage. Die Baukosten
erhöhten sich von 51.000 Reichsmark auf 200.237 RM. Die Stadt verschuldete
sich hoch und sah sich gezwungen, zur Finanzierung wertvolle Grundstücke zu
verkaufen. Volmer wurde 1874 seines Amtes enthoben, da man ihm die
Hauptschuld an der enormen Baukostensteigerung zuschrieb. Er ließ an
mehreren Stellen boshafte Sprüche, s.g. Kamelinschriften einmeißeln sowie an
verschiedenen Stellen steinerne Figuren von zu Fratzen verzerrten Gesichtern
einiger Stadtverordneter anbringen. (MICHELS). Bei den Baumaßnahmen wird
auch die „gewaltige Mittelmauer“ des Rathauses entfernt, bei der es sich um die
ehemalige Außenmauer des alten Rathauses von 1473 handeln muss.
Die wachsende Einwohnerzahl und erweiterte Verwaltungsaufgaben
veranlassten die Stadtverwaltung zu Beginn der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts,
in leerstehende Räume des ehemaligen Gaukirchklosters umzuziehen, das nach
der Säkularisation in den Besitz der Stadt gekommen war. Dort verblieb die
Verwaltung bis zur Zerstörung des Gebäudes 1945. Die frei gewordenen Räume
im Rathaus erhielt der Altertumsverein für Ausstellungszwecke zur Verfügung
gestellt. Der Rathaussaal diente weiterhin repräsentativen Zwecken.
Außerdem wurde die 1903 gegründete Paderborner Stadtsparkasse bis 1928 im
Rathaus untergebracht. Danach wurde sie in das Heising´sche Haus verlegt.
1945 wurde nahezu das gesamte Rathaus mit Ausnahme des Kellers durch
Brand zerstört.
Bereits 1947 konnte das Richtfest des Wiederaufbaus gefeiert werden, 1954
wurde der Wiederaufbau eingeweiht.
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64
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3.5.2
Das Ükernrathaus (1527-1843) Ecke Heiersstraße/ Thisaut
In Paderborn befand sich bis 1843 ein weiteres Rathaus, das Ükernrathaus. Jede
Paderborner Bauerschaft besaß ein eigenes Versammlungshaus. Unter diesen
Versammlungstätten nahm das der Maspernbauerschaft, das „Uekernrathaus“,
eine besondere Stellung ein, da dort ein Gericht seinen Sitz hatte. Dieses
Gericht ging auf den judex de Aspethera, den Richter der selbstständigen
Gemeinde villa Aspethera, zurück, der auch nach der Einbeziehung der
Gemeinde in die Stadt Paderborn beibehalten worden war. Dieses Rathaus
wurde 1843 abgebrochen. (Akad. Bibliothek Paderborn AV, Cod. 177 Bl.7;
Greve: Hist. Wanderungen, 1900. Hübinger: Verfassung, S. 37/38 u. 112. S.a.
Zeichnung von F.J. Brand von 1841)
1.5.3.5.3
Um 1560
1971
1972
1972
1976
Bürgerhäuser
Adam- und Eva-Haus („Erzengelhaus“)
Hathumarstr. 7, Museum für Stadtgeschichte
An dieser Stelle kann und soll kein Gesamtüberblick über ehemalige
Bürgerhäuser der Stadt Paderborn gegeben werden. Das Thema bedarf einer
umfassenden Aufarbeitung. Zudem sind die ehemals sehr zahlreich
vorhandenen Bürgerhäuser heute fast vollständig aus dem Stadtbild
verschwunden und haben längst ihre stadtbildprägende Wirkung verloren.
Eines der wenigen erhaltenen Ackerbürgerhäuser in Paderborn ist das
sogenannte „Adam- und Eva-Haus“, auf das hier exemplarisch eingegangen
werden soll. Das Gebäude wird seit der Renovierung bis heute als Stadtmuseum
und Ausstellungsraum des Paderborner Kunstvereins genutzt.
Kunstgeschichtlich wertvoll ist insbesondere der straßenseitige FachwerkSchaugiebel. Der untere der drei Schnitzbalkenfriese stellt den Sündenfall
Adam und Evas, die Vertreibung aus dem Paradies sowie zwei Engelsfiguren
dar. Halbkreisförmige Palmettenmotive unterteilen den Fries. Der mittlere Fries
zeigt zwischen den Rosetten die Symbole der vier Evangelisten. Der oberste
(wiederentdeckte) Fries zeigt grimassenschneidende Männergesichter. Die
Balkenköpfe der beiden unteren Friese sind mit Personenköpfen, die des oberen
Frieses mit Blattmotiven verziert.
Um 1560 wurde das Gebäude errichtet und im Laufe der Zeit mehrfach
umgebaut (Krüppelwalm, Schaufenstereinbau, Grundriss u.a.). Die heutige
Rekonstruktion erfolgte nach einer Zeichnung (vermutlich aus der 2. H. 19.Jh.),
die wahrscheinlich vor einem Umbau angefertigt wurde (s.a. „Bau- und
Kunstdenkmäler des Kreises Paderborn“, 1899).
Übernahmeantrag der Stadt Paderborn
Brand im Dachstuhl vernichtet das Dach und den rückwärtigen Gebäudeteil
Erarbeitung eines Wiederaufbaukonzeptes mit dem Landesamt für
Denkmalpflege, Münster, mit dem Ziel einer weitgehenden Wiederherstellung
nach dem Originalzustandes d.h. als dreigeschossiges, dreischiffiges
Vierständerhaus..
Abschluss der Arbeiten, Kosten 760.000 DM
Literatur: WEBER, Franz Josef: Das Adam- und Eva-Haus. Blätter aus dem Museum für Stadtgeschichte.
Hrsg. Museum für Stadtgeschichte. Paderborn 1980.
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65
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3.5.4
Wasserversorgung, die Paderborner„Wasserkunst“
Wasserkunst
Zunächst bezeichnet der Begriff „Wasserkunst“ Anlagen zur Betreibung von
aufwendigen Wasserspielen in barocken Parkanlagen. In vielen Städten jedoch
wurden sie zur Wasserversorgung des Stadtgebietes eingesetzt. Erste Funktion
war die Nutzung des gespeicherten Wasser als Löschwasser. Erst in zweiter
Linie diente sie der Versorgung der Bevölkerung mit Frischwasser.
Die Technik zum Betreiben einer Wasserkunst ist bereits seit dem Mittelalter
bekannt und vermutlich aus dem italienischen Raum übernommen. Häufig
entschloss man sich zu Errichtung einer Wasserkunst, wenn z.B. das Wasser der
Trinkwasserbrunnen durch Bevölkerungszuwachs oder verändertem
Grundwasserspiegel nicht mehr ausreichend war. Die repräsentativ gestalteten
Behälter - Kümpe - deuten auf die Exklusivität dieser Anlagen, zu denen die
einfachen Bürger oft keinen Zugang hatten. In den Städten mit einer
Wasserkunst versorgte sich ein Großteil der Bevölkerung weiterhin aus
Grundwasserbrunnen.
Brand 1506
1523 (?)
1662
1663
1819
1820
1852
1855
1857
Überblich zur Geschichte der Paderborner Wasserkunst 107
Im Jahre 1506 zerstörte ein Brand in Paderborn über 300 Häuser. Vermutlich
war dies der Anlass eine Wasserkunst zu planen. 1523 ging dann in Paderborn
eine der ersten Wasserkünste in Westfalen in Betrieb. Zum Bau der
Wasserkunst war die Erlaubnis des Domkapitels einzuholen, das über die
alleinigen Wasserrechte an der Pader verfügte. 1523 wurde ein Vertrag
abgeschlossen (StAM, 593, Domkapitel Paderborn (Fürstentum Paderborn
2289a). Das erste Gebäude der Wasserkunst wurde vermutlich bereits 1583
ersetzt, da das 1854 abgerissene Gebäude diese Jahreszahl trug. 1812 ersetzte
man die Quelle und die offenen Rinnen durch einen gemauerten Kanal. Die
Wasserkunst arbeitete bis in das 19. Jh. im wesentlichen unverändert. Nur
technische Verschleißteile mussten repariert werden.
Inbetriebnahme der Wasserkunst
Beschwerde des Klosters Abdinghof wegen Schäden im Baumgarten des
Klosters durch die defekte Wasserleitung.
Aufforderung des Bischof an die Stadt, die defekten Leitungen aus dem
Baumgarten zu entfernen.
ist eine Überholung der Leitungen fällig
Ersatz der alten Holzleitung zum ebenfalls neu errichteten Kapuziner-Kump
durch eiserne Leitung vom Rathauskump. Pläne mit Leitungsverlauf aus dieser
Zeit liegen dem Manuskript SCHRÖDER bei, zusammen mit schriftlichen
Erläuterungen des Stadtbaurates MICHELS zum Verlauf der Leitungen.
Austausch der Blei- durch Eisenröhren steht an; Es wird eine erneute
Leitungsführung durch den Klostergarten aus wirtschaftlichen Gründen
empfohlen.
Ersatz der alten Bleiröhren, die nun von der Stadt verkauft werden.
Leitung zum Busdorf-Kump errichtet.
107
Literatur: Melzer, Ulrike, Historische Formen der Wasserversorgung in den Städten des ehemaligen Hochstiftes
Paderborn. Im Wesentlichen nach einem Manuskript von F. Schröder, Geschichte der Wasserversorgung der Stadt
Paderborn, 1981. Das Manuskript befindet sich bei den Stadtwerken Paderbon)
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66
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1875
existiern ca. 40 private Hausanschlüsse (Sanitätsbericht 1875 a.a.O., S.173).
Das Wasser der Wasserkunst wird auch als Spülwasser für die Kanalisation
genutzt.
Beschreibung der Leitungsverläufe im Lagerbuch der Stadt Paderborn. In
diesem Jahr wird eine neue Leitung angelegt (Promenade, Rosenstraße,
Westernstraße)
Anlage eines modernen Wasserversorgungssystem
heißt der Kump auf dem Kamp auch Liborikump nach der in diesem Jahr für
den Kump gestifteten Sandsteinfigur des Hl. Liborius.
Typhusepidemie aufgrund mangelhafter Wasserleitungen (Hausanschlüsse).
Das Wasser aus den Brunnen ist besser. (Sanitätsbericht 1892-1894)
1880
1887
1894
1895
Leitungssystem
Steigleitung
Bauliche Details zur Wasserkunst
Als Hauptreservoir der Paderborner Wasserversorgung diente der LiboriusKump auf dem Kamp, von dem aus alle anderen sechs Kümpe gespeist wurden.
Pläne von 1820 zeigen den Verlauf der Leitungen.
Das Wasser wurde aus einer mit einer Brunnenstube umgebenen Quelle an der
Pader entnommen. Diese Quelle lag in der nördlichen Ecke vom s.g. „Brüning´s
Garten“ in Höhe des Piushauses (MELZER, 1995, S. 74). Von hier aus wurde das
Wasser durch einen gemauerten Kanal unter der Straße „An der Wasserkunst“
zum Pumpenhaus geleitet. Parallel zu diesem Kanal, aber in entgegengesetzter
Richtung, wurde das Wasser dann bis zur Treppe des Pius-Hauses geleitet und
von hier aus weiter hochgepumpt. Die Steigleitung (Länge 2056 Fuß) hinauf
zum Libori-Kump verlief dann entlang der Straße Am Abdinghof (früher:
Hinter den Mönchen) an der Abdinghofkirche, der Alexiuskapelle und dem
Fürstenhof vorbei. Von hier führte die Leitung weiter über den Markt und die
Grube hoch zum Libori-Kump auf dem Kamp. Vom Libori-Kump aus wurden
dann durch drei Gefälleleitungen die übrigen sieben Kümpe gespeist. Die erste
verlief paralel zur Steigleitung abwärts zum Neptun-Kump am Markt. Die
zweite verlief entlang des Kampes nach Westen, wo sie zunächst den RathausKump, dann den Kump am Kettenplatz und zuletzt den Kapuziner-Kump
versorgte. Die dritte Gefälleleitung verlief vom Libori-Kump den Kamp entlang
nach Osten und dann die Heierstraße hinunter. Sie speiste zunächst zwei
Zapfstellen an der Heierstraße, wovon die eine zum Waisenhaus gehörte, die
andere zur bischöflichen Wohnung. Sie endete im Kump an der Busdorfer
Schule.
Die Steigleitung wurde zunächst nicht am Alexiusgarten vorbeigeführt, sondern
durch diesen hindurch. Dies belegt ein Vertrag zwischen der Stadt und dem
Kloster Abdinghof aus dem Jahr 1587 (nach SCHRÖDER, 1981, S.98). Nach
stetigen Streitereien zwischen Kloster und Stadt ist die Leitung wohl schließlich
zu Ende des 17. Jh. entfernt und auf die neue, längere Trasse umgelegt worden.
Nachdem das Kloster säkularisiert worden war und sich somit im Besitz des
preußischen Staates befand, wurde anläßlich einer Renovierung der Leitungen
wieder eine Trasse durch den Alexiusgarten gewählt, da diese kürzer (1730
Fuß) und somit preiswerter war. Die Bleirohre wurden durch Eisenrohre ersetzt.
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67
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Der Verlauf der Leitung im Jahr 1880 läßt sich dem Lagerbuch der Stadt
entnehmen.108
Hervorzuheben ist die Kontinuität der Leitungen seit 1523. So waren sie wohl
bereits zu ihrer Entstehungszeit mit einer günstigen Linienführung angelegt
worden. Sie bestanden zunächst aus Holz, dann aus Blei und zuletzt aus
Eisenrohren. Technologie, Reparatur und Instandhaltung der „Wasserkunst“
waren nicht ganz einfach. So mußte 1663 zur Reparatur ein Spezialist aus
Kassel herbei gerufen werden.
Privatanschlüsse Auf Antrag war es möglich gegen Entgelt einen privaten Anschluss an die
Wasserkunst zu bekommen. Einen solchen benötigten besonders
Gewerbetreibende wie Brauer oder Bäcker. Zwar wurden die Rechte sparsam
vergeben, aber schließlich war die Zahl der Anschlüsse so hoch, dass die
Wassermengen zur Versorgung nicht mehr ausreichten. Die Funktion als
Löschwasserbehälter war gefährdet. Ab 1887 wurde mit dem Aufbau einer
öffentlichen, moderneren Wasserversorgung begonnen.
Kapuzinerkump
Seit 1626 wurde das 1612 gegründete Kapuzinerkloster durch eine eigene
Wasserkunst versorgt. Im Zuge der Säkularisation wurde der Kapuzinerkump
der Stadt Paderborner geschenkt, um ihn in der Westernstraße aufzustellen.
Nicht zuletzt sollte er in diesem Stadtviertel die Funktion eines
Löschwasserbehälters übernehmen. Eine neue Leitung aus Eisenrohren vom
Rathauskump wurde bereits 1822 verlegt, da die alte Holzleitung, die zum
Franziskanerkloster führte, nicht mehr genutzt werden konnte. Gegen die
Aufstellung des Kumpes vor dem Kloster gab es jedoch Einsprüche, so dass der
Kump erst 1831 in Betrieb ging. Von den alten Teilen wurden letztendlich
jedoch nur die sandsteinernen Springrohre und ein muschelförmiges Becken
wiederverwendet, der Kump selbst wurde aus neuen Steinen errichtet.
108
„Von der Pumpe (...) läuft die Hauptröhrenleitung zur Oberstadt aus dem Gebäude heraus quer durch die Straße,
durchschneidet den Alexiusgarten (...) in schräger Richtung, ungefähr 10 m von der Kapelle entfernt, tritt dort in die
Straße, durchschneidet diese ebenfalls in schräger Richtung bis zu Ecke des Fürstenhofes, dreht sich dann rechts bis
zum Markte, durchschneidet diesen in schräger Richtung bis zur Grube und durchzieht diese in ihrer Mitte bis zum
Wasserkumpe auf dem Kampe. Von dem Rohr auf dem Markte zweigt sich eine Nebenleitung ab zum Marktkump,
die erst seit ungefähr 10 Jahren angelegt ist. Früher, ehe diese angelegt war, floß das Wasser (...) vom Kampkump
zum Marktkump. Diese Leitung liegt noch; sie wird zur Zeit benutzt für die Privatleitungen am Markt, in der Grube
und im Schildern. Außer dieser Nebenleitung fließen aus dem im Kump auf dem Kampe befindlichen Kümpchen
folgende drei Nebenleitungen: Die erste fließt über die Kampstraße zur Kasseler Straße, dreht sich, (...), rechts
(richtig: links) und läuft dann über den Steinweg bis zum Kump an der Giersstraße, unterwegs die Wasserpfosten bei
der bischöflichen Wohnung und beim Waisenhause speisend. Die zweite Leitung fließt über den Kamp am
Gymnasium vorbei zum Kumpe vor dem Rathaus, speist diesen, läuft dann am Kettenplatz vorbei die Westernstraße
entlang bis zum Kump am Franziskanerkloster. Die dritte, erst in diesem Jahr angelegte Leitung, durchläuft die
Promenade bis zum Wollagergebäude, wo ebenfalls eine Pumpe sich befindet, geht vom Wollagergebäude bis zur
Rosenstraße,dreht sich hier rechts, durchzieht die Rosenstraße in ihrer ganzen Länge und mündet beim Eintritt in die
Westernstraße in das dort befindliche Rohr der Leitung ad. 2). Jeder Kump ist mit 2 Krähnen, einen zum Schöpfen
aus dem Kump, einen anderen zum Zapfen aus dem Rohre, versehen.“ (Melzer, 1981, S. 75; zietiert nach Schröder S.
104f.)
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
1.5.3.6
Historische Keller als Quellen der Stadtgeschichte
Eine Besonderheit Paderborns besteht in dem überaus reichen Bestand an historischen
Kelleranlagen, die in deutlichem Kontrast zu der heutigen aufgehenden Bausubstanz stehen.
Während spätestens durch die Zerstörungen des 2. Weltkrieges die obertägige, historische
Bebauung in wesentlichen Bereichen verloren ging, vermitteln die erhaltenen untertägigen
Baustrukturen eine erstaunliche Informationsdichte zur Siedlungsentwicklung. Dies betrifft
besonders die Domimmunität und den Schildern. Die folgenden Beispiel verdeutlichen dies sehr
anschaulich.
1.5.3.6.1
Der ehemalige „Bischofspalast“ in der Immunität
Die heutigen Parzellen „Am Abdinghof 1“ und „Diözesanmuseum“ betreffen ein in einer
Urkunde von 1336 als „Bischofspalast“ bezeichnetes Gebäude. Bei diesem bischöflichen
„palatium“ muss es sich um einen mindestens 13.50 m tiefen und über 60 m langen Baukörper
gehandelt haben, der sich in Ost-West-Richtung vom Dom bis „zum Hof des Paulsklosters“
erstreckte. Durch die Projektion von archäologischen Informationen und baulichen Befunden in
das moderne Stadtkataster ergibt sich ein anschauliches Bild der Lage des ehemaligen
Bauwerkes und seiner Umgebung. (siehe Abb. ).
Der „Bischofspalast“ wurde als solcher bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts genutzt. Die
Verlegung der bischöflichen Residenz nach Neuhaus im Jahr 1275 führte zum Verfall des
Gebäudes. Das Grundstück mit dem baufälligen Gebäudebestand wurde schließlich ganz
aufgegeben und 1336 dem Domkapitel zum Abriss und zur Neuparzellierung überlassen. Bereits
1359 ist der Neubau einer Kurie nachweisbar (Am Abdinghof 1). In diesem Gebäude, welches
1730 im barocken Stil erneuert wurde (HOPPE, S. 93) haben sich in dem durch den 2. Weltkrieg
kaum zerstörten Keller Spuren des alten „palatiums“ erhalten.
Weitere Gebäude auf dem Areal des ehemaligen „palatiums“, von deren Existenz man durch das
„Urkataster“ von 1830 weiß, sind im 20. Jahrhundert zerstört worden. Mit dem Bau des
Diözesanmuseums gingen weitere Teile des „palatiums“ vor allem im Kellerbereich verloren.
Laut einer Urkunde aus dem frühen 14. Jahrhundert waren auch südlich vor dem „palatium“
Gebäude vorhanden und zwar zwischen einem durch den Palast führenden Tor und der Mauer
des Domfriedhofs, also südlich vor dem heutigen Diözesan-Museum.
Die Grundstücksgrenzen insbesondere auf der Fläche des heutigen Diözesanmuseums
wechselten bis in jüngste Zeit häufig. Deshalb sind die in großen Bereichen unverändert
erhaltenen Kellerstrukturen die einzigen erhaltenene Zeugen der Bauphasen vor und nach 1336.
Spuren des „Bischofspalastes“
Die noch vorhandenen Spuren mittelalterlicher Baureste können in einem „Rundgang“
erschlossen werden.
Über das Diözesan-Museum erreicht man den östlichsten Teil der historischen Kelleranlagen.
Zwar ist über die Originalsubstanz der einzelnen Mauerzüge nur bedingt eine Aussage
hinsichtlich ihrer Zeitstellung zu treffen; da die Außenmauern jedoch offensichtlich die alte
Palaststruktur nachzeichnen, dürften diese mit großer Wahrscheinlichkeit dem „palatium“
zuzuordnen sein [2].
Bei Ausgrabungen 1968 – 1971 durch W. WINKELMANN konnten Teile dieser Außenmauern
freigelegt werden. WINKELMANN formulierte bereits in seinem Grabungsbericht, dass der frühere
„Bischofspalast“ sich bis zum Fürstenhof erstreckt haben könnte: „Im Gelände südlich des
Domturmes liegt in O-W-Erstreckung ein größeres Gebäude, an dessen Südost- und NordostEcke zwei charakteristische Ecksteine Meinwerkischer Bauten erhalten sind. [2, 3] Seine an der
Ostseite erkennbare Breite beträgt 13,50 m. Die O-W-Ausdehnung ist ... auf fast 20 m
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69
PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
erkennbar; ältere Beobachtungen ... Michaelisstraße und im Garten der Fürstenberg-Curie
haben eine noch weiter nach Westen reichende Ausdehnung angezeigt und machen es
wahrscheinlich, daß sich dies Episcopium bis in die Fürstenberg-Curie erstreckt hat.“
(WINKELMANN, Ministerbericht 16.2.1970)
Zeichnung/ Rekonstruktion: Kandler/Krieger 2002
Im Keller des Diözesanmuseums ist die östliche Außenwand/ Kellerwand des „palatiums“ gut
erkennbar und an den Ecken zudem durch zwei typische „Meinwerk-Ecksteine“
gekennzeichnet. Der nördliche Eckstein [2] liegt im Außenbereich des Museums, da der
Museumsbau keinen Bezug auf die historische Form nimmt. Der südliche Eckstein [3] wurde
neu an alter Stelle innerhalb des Museums wiedereingebaut. Die 13,50 m lange und ca. 1,35 m
starke östliche Abschlussmauer des Palastes war bei Freilegung durch WINKELMANN ca. 1 m
hoch erhalten, zeigte aber auch Veränderungen bzw. den Neuaufbau der Mauern auf älteren
Fundamenten an. Eine zeitliche Einordnung dieser Baumaßnahmen ist allerdings kaum möglich.
[1]
Durch eine durch die ehemalige Außenwand führende später angelegte Tür betritt man die zu
Ausstellungszwecken genutzten Kellerräume. [1]
Zunächst gelangt man in den größten Keller, einen langrechteckigen Raum [4], der in der
östlichen Hälfte mit einem Kreuzgewölbe, in der westlichen Hälfte jedoch mit einer Tonne
überdeckt ist, wodurch der Scheitelpunkt hier ca. 1.00 höher liegt. Der nördlich anschließende
Keller [14] ist ebenfalls mit einem Tonnengewölbe überdeckt. Die Verbindungstür wurde beim
Museumsbau neu geschaffen. Der ursprüngliche Zugang zu dem nördlichen Keller ist bei
genauer Betrachtung in der Nordwestecke zu erkennen. Dieser Gewölbekeller könnte u.U.
einem im Urkataster noch zu erkennenden Gebäude zugeordnet werden. Es handelt sich bei den
beschriebenen Kellern wohl um Räume, die nachträglich innerhalb der älteren
Palastaußenmauern errichtet wurden.
Von dem bereits erwähnten langrechteckigen großen Hauptkeller gelangt man über einen
sekundären Durchgang zu dem südlich vorgelagerten „Annex“-Keller, der ursprünglich
ebenfalls über einen eigenen, repräsentativen Zugang erschlossen war. Dieser „Annex“-Keller
wurde mit seinem nördlichen Mauerwerk eindeutig nachträglich gegen die Südwand des alten
Palastes gesetzt. Die Art der Einwölbung mit ihren schlanken Pfeilern weist in die Gotik. Eine
ähnliche Einwölbung ist auch im Keller Markt 2 zu beobachten (s.u.). [5]
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Die Zusammenlegung des „gotischen“ Kellers [5] mit dem nördlich gelegenen langrechteckigen
Kellerraum [4] erfolgte möglicherweise im Barock, da der Sandsteinbogen des Durchganges
barockzeitlich anmutet. Die unteren Teile der Pfeiler des „gotischen“ Kellers bestehen aus dem
gleichen Sandstein wie der barocke Türbogen. Hierbei müsste es sich um eine
Reperaturmaßnahme der übermäßig schlanken und somit anfälligen Pfeiler in der Barockzeit
handeln. Die Schauansicht des Türbogens ist nach Süden ausgerichtet.
Bei dem „gotischen“ Keller [5] scheint es sich um den bei VÜLLERS beschriebenen östlich unter
der ehemaligen Löwenapotheke liegenden Keller zu handeln (VÜLLERS, Über älteste Baureste
Paderborns, 1898, S.175). Vüllers Beschreibungen der Deckenkonstruktion in „gotischer
Bauart“, der Mittelsäulen sowie des Durchganges zum Palatiumkeller stimmen mit der
vorhandenen Situation überein.
Unter dem Hauptgebäude des Domhofes beschreibt VÜLLERS einen weiteren sehr großen
Gewölbekeller, der heute nicht mehr vorhanden ist [6]. Er erstreckte sich entlang der
Abdinghofstraße und hatte eine Ausdehung von ca. 20.00 m x 10.00 m und war in der
Mittelachse durch eine „Scheidemauer“ getrennt. Diese sei auf jeder Seite durch 8 Pfeiler
verstärkt worden. Die Keller waren mit einfachen Kreuzgewölben eingedeckt.
Diese Beschreibungen zeigen deutlich, dass im Bereich südlich vor dem Palatium verschiedene,
gemessen an den aufwändigen Kellern, nicht unbedeutende Gebäude aus verschiedenen
Bauphasen mindestens seit gotischer Zeit gestanden haben.
Im weiteren Verlaufe der alten „palatium“-Südmauer wurde bei Kanalarbeiten in den 1930er
Jahren wohl auch die östliche Kante einer Durchfahrt durch den Bischofspalast freigelegt [7]
(ORTMANN, Die ältesten Befestigungen, 1977, Abb. S. 69). ORTMANN hat hier einen
Mauerzug dokumentiert, der eindeutig einen Mauerkopf darstellt. Die 1,40 starke Mauer ist
ergraben bis 2.30 m unter dem damaligen Straßenniveau. Dieser Befund legt nahe, dass die
Durchfahrt sich im heutigen Verlauf der Michaelstraße/ Eselsgasse befunden hat. Leider ist ein
Gegenstück des Mauerkopfes nicht erfasst, sodass in der Rekonstruktion von einer idealisierten
Breite der Durchfahrt von ca. 3 m ausgegangen wird.
Im weiteren Verlauf findet sich die Südmauer des „palatiums“ als 1,80 starke Keller- bzw.
Fundamentmauer dann in der Kurie „Am Abdinghof 1“/ „Fürstenhof“ wieder. [8]
Während die bisher beschriebenen Mauerzüge im rechten Winkel zueinander stehen, ist dies bei
der westllichen Abschlussmauer des „palatiums“ im Keller des Fürstenhofes nicht der Fall. Die
modernen Kataster zeigen, dass die Westmauer um wenige Grad nach Westen abweicht. Wird
vorausgesetzt, dass der Palast bis an die Grenze zum Abdinghof reichte, dürfte sich der
Mauerzug des alten Palastes auf eine noch ältere Flucht beziehen, die möglicherweise aus den
ersten Anfängen der Stadt stammt. Die Westmauer ist, soweit zu erkennen, nur ca. 1,15 m stark.
Sie ist nicht mehr auf ihrer gesamten Strecke zu verfolgen, da der nordwestliche Keller des
„Fürstenhofes“ [9] nach Zerstörungen im 2. WK verschüttet wurde und heute unzugänglich ist.
Die heutigen Keller des „Fürstenhofes“ befinden sich auf zwei Ebenen. Bevor man in den
ältesten Teil im Südwesten des Gebäudes hinabsteigt [8,9], gelangt man von einem
Zwischenpodest rechter Hand in die Kellerräume, die wohl im Zusammenhang mit dem
Kurienneubau 1730 zu sehen sind [10]. Hier konnte während der Kellerbegehung im Rahmen
der „Archäologischen Bestandserhebung“ eine weitere sehr interessante Beobachtung gemacht
werden. Im weiteren Verlauf der als „nördliche Palastmauer“ angesprochenen Innenwand (s.u.)
schließt sich im 900 Grad-Winkel innerhalb der Kellerräume eine nach Norden fluchtende sehr
massive Wand an, so dass sich hier eine Gebäudeecke des ehemaligen Palastes andeutet.
Daraus ergibt sich, dass sich an das Gebäude entlang der Abdinghofgrenze möglicherweise ein
kleiner Nordflügel von ca. 7.00 m Breite und unbekannter Nordausdehnung angeschlossen
haben könnte [11].
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PADERBORN
ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG IN NRW
Bei den tiefer gelegenen Kellern [8,9] in der Südwestecke des heutigen „Fürstenhofes“ handelt
es sich möglicherweise um Originalsubstanz aus dem 11. Jahrhundert. Dies sollte durch eine
bauarchäologische Untersuchung unbedingt geklärt werden. Stets besteht die Gefahr, dass durch
Unkenntnis bei Umbauten oder Renoviereungen historische Subsanz verloren geht.
Die Nordmauer [12] des „palatiums“ ist bereits ebenfalls innerhalb des „Fürstenhof“-Kellers
fassbar (s.o.). Ihre grobe Beschaffenheit weist sie mit großer Wahrscheinlichkeit als Rest der
alten Fundamentmauer aus.
Vor der östlichen Außenfassade des heutigen „Fürstenhofes“ wurde 1958 bei
Ausschachtungsarbeiten in gleicher Flucht wie die Nordmauer ein mindestens 1,30 m dicker
Mauerzug aufgedeckt. Ein weiterer Teil der Nordmauer findet sich dann im nicht öffentlich
zugänglichen Teil des Museumskellers. Der moderne Nordflügel des Museums schneidet diesen
Mauerzug in Richtung Westen ab. In östlicher Fortsetzung begrenzt die Nordmauer den ca. 6,30
x 4.20 m großen bereits eingangs beschriebenen kleinen Gewölbekeller [14] . Dessen nördliche
Rückwand trifft dann wieder auf die östliche Außenwand des Palastes. [2]
Diese Ausführungen zeigen deutlich, dass die Zusammenschau verschiedener bauhistorisch
relevanter Informationen auch konkrete archäologische Fragestellungen für künftige
Untersuchungen vorgeben kann.
1.5.3.6.2
Markt 10/ Grube
Der Keller Markt 10/ Ecke Grube bestand aus mindestens zwei Teilen. Der höher gelegene
nördliche, möglicherweise barockzeitliche Keller wurde nach Auskunft des Eigentümers nach
dem zweiten Weltkrieg verschüttet. Bei dem zweiten Keller handelt es sich um einen
spätmittelalterlichen Gewölbekeller mit vier Kreuzgewölben auf einem Grundriss von 4.60 m
Breite und 13.00 m Länge sowie einer Höhe im Lichten von ca. 2.60 m. Das Laufniveau des
Kellers liegt bei 3.00 m unter dem der heutigen Straße „Grube“. Trennwände und Treppe sind
sekundär. Der Originalzugang ist nicht erkennbar. Während das nördliche der vier Joche ca.
3.50 m breit ist (in Nord-Süd-Ausdehnung), beträgt die Breite der übrigen drei nur je ca. 2.60m.
Der Keller hat hinsichtlich seiner Lage keinen eindeutigen Bezug zu den aufgehenden
Gebäuden. Zum Teil befindet er sich unter dem barockzeitlichen Gebäude Markt 10, nach Osten
weist er in die Straße hinein, nach Süden reicht er nicht bis an die Grenze des aufgehenden
Gebäudes. Nach Osten hin zieht sich der Keller bis in den Straßenbereich der Grube. Das
ursprüngliche Haus war also breiter. Die Ostwand weist in ihrem Verbund mit dem Gewölbe
Unterschiede zur Westwand auf. Die Ostwand ist unter die Gewölbe gesetzt und nicht wie
üblich das Gewölbe vor die Mauer. Es bleibt durch eine detaillierte Bauuntersuchung zu klären,
ob die Mauer nur verstärkt wurde, oder ob sie neu eingesetzt wurde, der Keller also eventuell
sogar noch weiter unter die „Grube“ reichte.
Im Gegensatz zu den übrigen Wänden ist die südliche Abschlusswand des Kellers zum Teil
unverputzt und zeigt eine unregelmäßige Wandstruktur. Es ist klar zu erkennen, dass die relativ
grob gemauerte Rückwand bei ca. 1.65 m unter dem heutigem Laufniveau der Grube auf Fels
aufsitzt. Ob diese Mauer in ihrer Zeitstellung mit dem Keller identisch ist, ist nicht gesichert. Es
könnte sich durchaus um einen älteren Mauerzug handeln. Unmittelbar vor dieser Mauer befand
sich ein Brunnen.
Die hier beschriebenen Beobachtungen lassen querliegende Mauerbefunde im Verlauf der
„Grube“ von Bedeutung erscheinen, die in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgedeckt
wurden. Diese Befunde bestätigen, dass die „Grube“ nicht zu jeder Zeit als Zuwegung zur
Immunität gedient hat.
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PADERBORN
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Erwähnt wird die „Grube“ erstmals 1294 als in loco qui dicitur grove (WUB IV, 2305). Die
Formulierung in loco zeigt, dass es sich dabei um eine Örtlichkeit und nicht um einen Weg
handelt. 1374 wird die Situation auch als in fossa „im Graben“ (Msc. VII, 4217, Bl.36, nach
HOPPE) bezeichnet, was noch eindeutiger auf die konkrete Grabensituation hindeutet. Es dürfte
sich bei diesen Bezeichnungen also nicht um den heute als „Grube“ bezeichneten Weg handeln,
sondern um den west-östlichen Verlauf des Grabens zum Schildern hin.
1396 lag im Bereich von Markt 10 das Benefizium „Mariae in choro“. Der beschriebene Keller
könnte durchaus zu diesem Baukomplex gehört haben. Wenn 1630 in einer Urkunde von zwei
hintereinander liegenden Häusern an der Ecke Grube/ Markt die Rede ist, dann bezieht sich dies
allerdings wohl schon auf die heutige Wegeführung der Grube.
1.5.3.6.3
Markt 2 und 4
Beim Betrachten der beiden „modernen“ Gebäude Markt 2 und 4 ahnt der Betrachter nicht, dass
sich an dieser Stelle im Spätmittelalter ein repräsentatives Gebäude befunden haben muss, mit
einer bedeutenden Schaufront zum heutigen Markt von ca. 26 Metern.
Im Keller von Markt 4 erinnern zwar nur die starken Außenmauern an einen älteren
Vorgängerbau. Allerdings ist deutlich zu erkennen, dass sich in Markt 2 und Markt 4 die gleiche
Außenmauer wiederfindet. In Markt 2 lässt diese Mauer sich aufgrund vorhandener Baudetails
genauer klassifizieren. Die erhaltenen, sehr schlanken gotischen Stützpfeiler ähneln in ihrer
Ausführung denen des gotischen Kellers im Diözesanmuseum (vgl. oben). Überträgt man die
Gewölbestruktur von Markt 2 auf den Keller Markt 4, lässt sich eine gewaltige Halle, deren
Kreuzgewölbe von insgesamt 12 Pfeilern getragen wurde, rekonstruieren (s. Abb.).
Der originale Laufhorizont des Kellers Markt 2 liegt heute ca. 4,10 m unter dem Straßenniveau.
Der originale alte Ausgang zum heutigen Markt zeigt deutlich, dass das Straßenniveau in
gotischer Zeit erheblich tiefer lag.
Wichtig ist zudem die Spitzwinkligkeit des Gebäudes zum Schildern hin. Auch wenn sich der
Winkel aufgrund der nachträglich eingebauten Treppe nicht genau ermitteln lässt, deutet diese
bauliche Struktur auf eine Erschließungssituation der Immunität in gotischer Zeit (15.Jh), die
dem heutigen Straßenverlauf Schildern zumindest nahe kommt.
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Rekonstruktion: Kandler / Krieger 2002
1.5.3.6.4 Schildern 8
Der Keller des Hauses Schildern 8 ist insofern von besonderem Interesse, da er sich im Bereich
der ehemaligen Immunitätsgrenze befindet. Zudem wird in der Stadtgeschichtsschreibung hier
eine Torsituation zur Domimmunität angenommenen.
Der Keller besteht aus zwei großen Räumen unterschiedlicher Bauzeit mit sekundären
Einbauten. Beide Kellerräume fügen sich mit ihrem Grundriss in das konisch zulaufende
Grundstück ein.
Ein Artikel im Westfälischen Volksblatt von 13.7.1939 berichtet über die Geschichte des Hause,
leider ohne Quellenangaben. Der Hinweis, dass hier schon seit dem Jahr 900 das Schildertor
gestanden haben soll, ist somit nicht nachvollziehbar. Eine Torsituation seit dem 15.
Jahrhundert kann vermutet werden. Nachrichten aus dem 13. Jahrhundert, die den Gebäuden
Schildern 8 und 13 zugeordnet werden, sind schwierig zu beurteilen, da sich die Strukturen des
13. Jahrhunderts in denen der heutigen Bausubstanz nicht eindeutig rekonstruieren lassen. Dies
betrifft auch Nachrichten vom Anfang des 13. Jahrhunderts, dass hier eine Kette den Zugang zur
Immunität von der Stadt aus versperrt habe. (SCHOPPMEYER, Stadtgeschichte I, S. 215).
Ein Stadtbrand im Jahr 1506 hat auch den Schildern 8 betroffen. Die heute vorhandenen Keller
sind wohl nach diesem Stadtbrand entstanden. Nach umfangreichen Zerstörungen im 2.
Weltkrieg wurde das Gebäude auf den vorhandenen Kellern neu aufgebaut.
Keller Raum 1 (rückwärtiger Keller zum Kötterhagen)
Bei dem rückwärtigen Keller 1 handelt es sich um einen homogenen Kellerraum, der in der
Südwand auf einen Parzellenknick Rücksicht nimmt und dadurch im Grundriss kein Quadrat,
sondern ein unregelmäßiges Fünfeck bildet. Der Raum ist überwölbt mit einem vierteiligen
Kreuzgewölbe, das in den aus Kalkbruchstein gemauerten Außenwänden auf leicht
vorkragenden Konsolen ruht und in der Mitte auf einer leicht ausmittigen, schlanken,
achteckigen Sandsteinstütze. Die lichte Raumhöhe beträgt 2.85 m.
Die Entstehung dieses Kellers fällt vermutlich in das frühe 17. oder 16. Jahrhundert. Als
Bauherren kämen die Bürgermeisterfamilien Perlensticker, Fabritius (zwischen 1590 und 1670)
oder der Handelsherr Engelbert ab Elsen (1670 – 1712) in Frage.
Keller Raum 2 (Keller zum Schildern) B
Der Keller 2 unterscheidet sich in seiner Konstruktion grundlegend von Keller 1. Der
Durchgang ist sekundär. Er wurde von Keller 1 aus mit einem Gewände aus unregelmäßigen
größeren Bruchsteinen repräsentativ gestaltet.
Die Erschließung von Keller 2 erfolgte ursprünglich über eine Treppe in der östlichen
Raumecke sowie über den Wirtschafts-Zugang (Lastenaufzug) von der Kötterhagen-Gasse.
Es handelt sich um einen Raum mit entsprechend dem Grundstückszuschnitt konischem
Grundriss. Er ist mit einem Tonnengewölbe überdeckt. Aufgrund einiger Baudetails erfolgte die
Einwölbung am ehesten im 18. Jahrhundert.
Bemerkenswert an der mindestens 1.80 m starken Längsaußenwand zum Kötterhagen sind die
im gesamten Verlauf erkennbaren (Entlastungs-) Bögen. Die Mauer ruht ähnlich wie eine
Bogenbrücke punktuell auf Pfeilern. Diese Technik kam immer dann zur Anwendung, wenn
tragfähiger Baugrund nur in größerer Tiefe zu erreichen war.
Unterhalb dieser Außenwand, etwa 2.80 m vom Schildern entfernt, befindet sich ein Brunnen
von ca. 70 cm Durchmesser. Er wurde ursprünglich vom Erdgeschoss aus genutzt. Der
Durchbruch in den Kellerraum erfolgte später. Der Brunnen ist weitgehend mit Schutt verfüllt.
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PADERBORN
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Ca. 3.00 m unter dem Niveau des Kellerfußbodens und 6,50 m unter dem Laufniveaus des
Kötterhagen ist anstehender Fels erkennbar.
Die Längswand zum Schildern 10 ist ca. 0,90 m stark. Hier befindet sich eine vermauerte
Fensteröffnung. Vermutlich befand sich zwischen beiden Häusern eine maximal 2,00 m breite
Traufgasse, da der Abstand zur Innenwand des Kellers Schildern 10 ca. 3,80 m beträgt.
Die Stirnwand von Keller 2 zum Schildern gab bei der Begehung Rätsel auf. Obwohl
weitgehend durch eine Verschalung verdeckt, sind in dieser Wand deutlich die Reste eines
raumhohen Bogenansatzes erkennbar. Es entsteht der Eindruck eines vermauerten Tores. Die
lichten Breite betrug mindestens 2.30 m, die Höhe 2.15 m. Dies übersteigt die Dimension eines
herkömmlichen Kellerzugang (insofern es sich um einen solchen gehandelt hat) und weist eher
auf eine „Torsituation“ mit Durchfahrtsbreite. Das heutige Laufniveau im Keller, das auch etwa
dem Niveau des evt. „Tordurchganges“ entsprochen haben dürfte, liegt ca. 3.50 unter dem
Niveau des heutigen Schildern. Auch am alten Rathauskeller und am Domplatz (s.o.) zeigt sich,
dass das ursprüngliche Straßenniveau im 15. Jahrhundert deutlich tiefer lag. Nur eine
qualifizierte, umfangreiche Bauforschung kann Klarheit schaffen.
1.5.3.6.5
Schildern 11/ 13
Die Keller des Doppelhauses Schildern 11/13 weisen ebenfalls historische Substanz in
erstaunlichem Umfang auf. Bemerkenswert sind vor allem drei Kellerräume verschiedenen
Alters mit unterschiedlichen Laufhorizonten. (A; B; C).
Im Zuge einer städtischen AB-Maßnahme wurde bereits 1995 ein Aufmaß angefertigt, welches
durch die FH Köln 2001 elektronisch lagerichtig eingemessen wurde. So ergibt sich ein recht
genaues Bild der Situation.
Auch zu Schildern 11/13 liegen historische Nachrichten vor. Die Hausstätte Schildern 13 ist
nach HOPPE und DECKER (freundlicher Hinweis v. 27.11.2001) vermutlich identisch mit dem
Haus „am Eingang des Marktes“ mit dem 1211 der Stifter des Johannes-Hospitals das Hospital
ausstattete (area in introitu fori ab urbe bzw. in introitu fori vel urbis) (WUB IV, 47).
Noch 1717 verlief durch dieses Haus die Immunitätsgrenze (nach HOPPE: durch Johann Hörden
Hauß FP U 2470, lt. städtischem Kataster im Schildern 13 wohnend). Von diesem Haus wurde
bis zur Säkularisation Grundgeld an das Gaukirch-Kloster gezahlt (nach HOPPE: Kl. Gokirchen,
Akten III,9, Kgr. Westf. E, 17,Nr. 64, Bl.93; StadtA Pad, TK II,1,Nr.12).
Keller Schildern 11
Der mittlere vierteilige Keller (A) mit Kreuzgewölben auf Wandkonsolen und
Sandsteinmittelstütze ist als jüngster der drei historischen Keller anzusehen, etwa zeitgleich mit
Keller 1 von Schildern 8 und wohl ebenfalls nach dem Stadtbrand von 1506 angelegt. Dieser
Keller wurde einem im hinteren Bereich des Gebäudes querliegenden tonnenüberwölbten
älteren Keller (B) vorgelagert, eindeutig erkennbar an dem „abgeschnittenen“´ Kellerhals des
älteren Kellers B (Foto). Keller B ist gut 15 m zurückversetzt von der Straßenfront des
Schildern und steht mit keinem der heute bekannten Straßenverläufe in irgendeinem Bezug.
Beide Keller liegen rund 4.10 m unter dem heutigen Laufniveau des Schildern.
Keller Schildern 13
Der unter dem Gebäude Schildern 13 östlich des kreuzgewölbten Kellers unmittelbar an der
Straße gelegene dritte Keller (C) wurde nach Aussage der Bewohnerin erst nach dem 2.
Weltkrieg mit den Kellern von Schildern 11 verbunden. Dieser Keller verfügte ursprünglich
über einen eigenen, wahrscheinlich gewendelten Zugang von seiner Rückseite aus. Es handelt
sich um einen leicht trapezförmigen ca. 6,60 m x 4.80 m großen, tonnenüberwölbten Raum mit
einer lichten Höhe von 2,50 m und einem Laufniveau ca. 3.70 m unter dem Niveau Schildern.
Erst bei näherem Hinsehen fällt auf, das seine Struktur durchaus nicht homogen ist.
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Auffälligster Befund ist ein ungemein starker, sehr sorgfältig gearbeiteter Mauerblock in
Richtung Schildern 15, der ganz offensichtlich einer älteren Bauphase entstammt. Nach einem
Versprung nach Osten setzt sich die Längswand, die mit dem erwähnten Mauerblock im
Verbund steht, als Grenzmauer zu Schildern 15 fort, um dann am Ende der sich bildenden
Nische auf Strukturen zu stoßen, die nur durch eine detaillierte Mauerwerksuntersuchung zu
klären sind.
Das Tonnengewölbe ist eindeutig später über die nicht zeitgleichen Längswände gespannt
worden. Die westliche Kellerlängswand fällt auf durch ihr unsauberes und unregelmäßiges
Mauerwerk auf.
Wichtig für die noch nicht zufriendenstellend beantworteten Fragen der Immunitätsbegrenzung
und des „Schildertores“ ist in diesem Keller vor allem der eingangs erwähnte Mauerblock in der
östlichen Längswand zum Schildern 15. Seine Fortführung in den Schildern ist leider durch
einen sekundären Stützpfeiler verunklart. Deutlich ist aber zu erkennen, dass sich die Flucht
dieser Mauer weniger auf die Baustrukturen des Schildern 13 bezieht, sondern in gerader Linie
auf die südliche Außenmauer von Schildern 8 fluchtet. Im Zusammenhang mit der
Grenzbeschreibung von 1717 (FP U 2470) inhaltlich nach HOPPE, wonach mindestens seit dem
frühen 13. Jh. die Grenze durch das Gebäude Schildern 13 auf die Grenzmauer zwischen
Abdinghofkloster und die urbs verlief, ließe sich ein Stadteingang in der vorgeschlagenen
Weise fassen. Die Grenze verlief somit ebenfalls „durch“ das Haus Schildern 13. (1680 in einer
Urkunde PDPr 16, Bl.67).
In den Kellern Schildern 11-13, 15, 17-19, 8 und 10 haben sich bedeutende Reste auch
mittelalterlicher Strukturen erhalten, die vor allem in ihrer Zusammenschau für die
siedlungsgeschichtliche Entwicklung der „urbs“ von besonderer Bedeutung sind. Eine
qualifizierte Untersuchung der Baustrukturen verspricht einen aufschlussreichen Beitrag zur
Paderborner Siedlungsgeschichte.
FACHHOCHSCHULE KÖLN / FAKULTÄT ARCHITEKTUR / INSTITUT FÜR BAUGESCHICHTE UND DENKMALPFLEGE / PROF .DR.-ING. NORBERT SCHÖNDELING
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