Symptom-Distress und psychosoziale Ressourcen von PatientInnen

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Symptom-Distress und psychosoziale Ressourcen von PatientInnen
Symptom-Distress und psychosoziale Ressourcen von PatientInnen mit Kolonkarzinom
im Rahmen einer chemotherapeutischen Behandlung
Eine quantitative Querschnittsstudie
Projektleitung: Univ.-Prof. Mag. Dr. Hanna Mayer
Projektkoordination: Mag. Sabine Köck
Wissenschaftliche MA: Mag. Martin Matzka, Martin Wallner, BSc
Ausgangslage und Ziel
Darmkrebs zählt zu den häufigsten Krebserkrankungen in Österreich 1 und stellt auch im
gesamteuropäischen Kontext, trotz medizinischer Fortschritte im Bereich der Früherkennung und
Therapie, weiterhin einen Schwerpunkt in der onkologischen Forschung und Praxis dar2. Ein Ergebnis
dieser Anstrengungen ist die Verfügbarkeit der antiangiogenetischen Therapie für
DarmkrebspatientInnen mit fortgeschrittener Erkrankung. Bislang beschränkt sich auch die
pflegewissenschaftliche
Forschung
auf
die
Auseinandersetzung
mit
spezifischen
Arzneimittelnebenwirkungen 3 , der bedeutende Faktor des subjektiven Symptom-Distress der
PatientInnen wurde bislang noch nicht ausreichend berücksichtigt.
Die Ergebnisse einer vorangegangenen qualitativen Studie zeigen eine unterschiedlich starke
Ausprägung an Belastung infolge einer antiangiogenetischen Zusatztherapie. Diese steht einerseits im
engen Zusammenhang mit der Krankheits-Ungewissheit und wird andererseits von psychosozialen
Faktoren, wie der grundsätzliche Lebenseinstellung und Belastbarkeit bzw. der verfügbaren sozialen
Unterstützung beeinflusst. Das Ziel dieser Studie ist die Erfassung des Symptom-Distress sowie
psychosozialen Ressourcen von PatientInnen mit Kolonkarzinom und chemotherapeutischer
Behandlung bzw. antiangiogenetischer Zusatztherapie.
Der Grad an Symptom-Distress und die Einflussnahme genannter psychosozialer Faktoren werden im
Rahmen einer schriftlichen Befragung von PatientInnen mit Kolonkarzinom und
chemotherapeutischer Behandlung bzw. antiangiogenetischen Zusatztherapie erhoben. Die in dieser
Studie gewonnenen Ergebnisse bilden eine wichtige Grundlage für die Entwicklung und Testung eines
gezielten, interdisziplinären Symptommanagements unter Einbezug möglicher Unterschiede,
betreffend eine antiangiogenetische Zusatztherapie, zur Steigerung der Lebensqualität von
Betroffenen.
Forschungsstand
Das Auftreten therapieassoziierter Symptome infolge einer chemotherapeutischen Behandlung von
PatientInnen mit Krebserkrankung geht meist mit einer verstärkten Belastung, im Sinne des SymptomDistress, bei den Betroffenen einher. Pflegewissenschaftliche Studien aus dem Bereich der Onkologie
beschreiben hierbei vermehrt die Bedeutung einer großen Bandbreite von Symptomen wie Fatigue4,
Schlafstörungen5 und Scherzen6, aber zunehmend auch von psychischen Symptomen wie Depression7
1
Statistik Austria, 2012
Schmoll, et al., 2012
3
Marrs, et al., 2009 Blowers, et al., 2009a; Blowers, et al., 2009b; Lemmens, et al., 2008
4
Hoffman, et al., 2009; Kurtz, et al., 2008; Radbruch, et al., 2008; Stuhldreher, et al., 2008
5
Beck, et al., 2005; Dirksen, et al., 2008; Hoffman, et al., 2007; Liu, et al., 2009; Miaskowski, et al., 1999; Otte, et al., 2009; Savard, et al.,
2001; Theobald, 2004; Vena, et al., 2004
6
Grant, et al., 2000; Im, et al., 2009; Kurtz, et al., 2008; Turk, et al., 2002
7
Barsevick, et al., 2006; Francoeur, 2005; Gaston-Johansson, et al., 1999; Liu, et al., 2009; Reyes-Gibby, et al., 2006; So, et al., 2009
2
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und Angstzuständen 8 . All diese krankheits- und therapieassoziierten Phänomene gehen häufig mit
großem Symptom-Distress für die Betroffenen einher und wirken sich negativ auf deren
Lebensqualität aus. Zudem treten diese Symptome oftmals nicht isoliert voneinander, sondern
gleichzeitig (im Sinne eines Symptomcluster-Konzepts) auf und zeigen einen dementsprechend
wechselseitigen Einfluss.9 Innerhalb des komplexen Wechselspiel an Symptomen und therapeutischen
Maßnahmen, mit dem sich die PatientInnen konfrontiert sehen, erweist sich die krankheitsbezogene
Ungewissheit 10 als bedeutungsvoll, zumal sie auch einen indirekten Indikator etwa für
Informationsdefizite, Problemlösungs- und Kommunikationskompetenzen darstellt. Wenngleich es
sich bei den angeführten Symptomen nicht um akut lebensbedrohliche Phänomene handelt, werden sie
als sehr belastend erlebt, beeinträchtigen das tägliche Leben11, führen zu einer starken Einschränkung
der Lebensqualität12 und sind oftmals auch ein maßgeblicher Faktor für einen Therapieabbruch.13 Vor
allem die Entwicklung neuartiger Therapien, wie der antiangiogenetischen Therapie bei PatientInnen
mit Kolonkarzinom stellt ÄrztInnen und Pflegende vor neue Herausforderungen, um die Betroffenen
während ihrer Behandlung individuell zu unterstützen und ein adäquates, interdisziplinären
Symptommanagement gewährleisten zu können.
Eine explorative, qualitative Studie mit Kolonkarzinom-PatientInnen (im Rahmen einer
Chemotherapie mit antiangiogenetischer Zusatztherapie) die im Vorfeld vom Institut für
Pflegewissenschaft durchgeführt wurde, zeigt ein breit gefächertes und hoch differenziertes Erleben
der Therapie und des subjektiven Symptom-Distress, nicht zuletzt im Kontext der zumeist parallel
verabreichten Chemotherapie. Inwiefern die antiangiogenetische Therapie hinsichtlich des SymptomDistress eine besondere Situation darstellt konnte bislang weder durch die qualitativen Interviews,
noch durch den vorliegenden Forschungsstand beantwortet werden. Quantitativ gilt es folglich zum
einen herauszuarbeiten wie groß der Symptom-Distress der PatientInnen ist und inwieweit sich
diesbezüglich Unterschiede zwischen PatientInnnen mit und ohne antiangiogenetischer Zusatztherapie
aufzeigen. Zum anderen soll der erhobene Symptom-Distress nicht nur im Lichte von in der
onkologischen Forschung weit verbreiteten Kontrollvariablen betrachtet werden, sondern ebenso im
Hinblick auf krankheitsbezogene Ungewissheit und potentiell sehr einflussreiche psychosoziale
Ressourcen der PatientInnen.
Zu diesen Ressourcen zählen die Verfügbarkeit und das Erhalten von sozialer Unterstützung, ein
Faktor der intensiv im Zusammenhang mit Gesundheit im Allgemeinen14 und spezifisch im Bereich
der Onkologie15 erforscht wird. Auch eine allgemeine grundsätzlich positive Erwartungshaltung wie
im Falle von Optimismus wurde innerhalb verschiedener Bereiche der Psychologie und medizinischen
Outcomeforschung breit rezipiert und wird insbesondere im Zusammenhang mit psychischem
Wohlbefinden und Gesundheitsverhalten betrachtet16. Darüber hinaus erweist sich Optimismus in der
onkologischen Forschung etwa als protektiver Faktor in Bezug auf Schmerzen. 17 Aber auch
situationsabhängige Erwartungshaltungen wie der behandlungsspezifische Optimismus, ungeachtet der
objektiven Heilungschancen etwa im Falle einer fortgeschrittenen Krebserkrankung, kann einen
8
Chan, et al., 2005; So, et al., 2009
Armstrong, et al., 2004
10
Bailey, et al., 2007; Mishel, et al., 2005; Mishel, et al., 2009; Shaha, et al., 2008
11
Dodd, et al., 2001
12
Chang, et al., 2000
13
Cleeland, et al., ibid.
14
Cohen, et al., 2000
15
Tamagawa, et al., 2012
16
Glaesmer, et al., 2008
17
Kurtz, et al., 2008
9
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protektiven, die Belastungen abfedernden Faktor in Bezug auf die psychische Gesundheit bzw.
Lebensqualität darstellen. 18 Letztlich ist auch die Resilienz der behandelten PatientInnen zu
berücksichtigen, ein Konzept welches als Indikator für die Fähigkeit zur erfolgreichen
Stressbewältigung auch unter widrigen Umständen bezeichnet werden kann 19 . Hierfür können
wiederrum soziale Unterstützung und Optimismus positive Einflussfaktoren darstellen. 20 In einer
onkologischen Studie aus Deutschland wurde Resilienz entsprechend als Faktor identifiziert, der
deutlich in Zusammenhang mit dem Bedarf an psychologischer Unterstützung steht21.
Ausgehend von den Erkenntnissen der vorangegangenen qualitativen Untersuchung und dem
derzeitigen Forschungsstand ist es notwendig all diese möglichen Einflussgrößen bei einer
Situationsdarstellung der Patienten zu berücksichtigen, um ihrem vielschichtigen Symptomerleben
gerecht zu werden.
Forschungsfragen





Wie hoch ist der Grad an Symptom-Distress für PatientInnen mit Kolonkarzinom im Rahmen
einer chemotherapeutischen Behandlung bzw. antiangiogenetischen Zusatztherapie?
Welchen Einfluss hat dieser therapiebezogene Symptom-Distress auf die Lebensqualität dieser
PatientInnen?
Wie manifestiert sich die Krankheitsunsicherheit bei dieser PatientInnengruppe im Rahmen einer
solchen Therapie?
Haben soziodemografische Faktoren sowie Art und Dauer der Therapie Einfluss auf den
Symptom-Distress der Betroffenen?
Welche Rolle spielen dabei sozialer Support, Resilienz sowie genereller bzw.
behandlungszentrierter Optimismus?
Studiendesign und Messinstrumente
Beim vorliegenden Forschungsvorhaben handelt es sich um ein deskriptiv-quantitatives Studiendesign.
Mittels unterschiedlicher Instrumente (Fragebögen) werden jene Symptome, welche für die
PatientInnen die höchste Belastung darstellen sowie der Grad an Ungewissheit im Kontext der
Behandlung ermittelt. Zur Feststellung des Einflusses maßgebender externer Faktoren auf den
Symptom-Distress der PatientInnen werden zusätzlich die Resilienz (als Fähigkeit der erfolreichen
Stressbewältigung), der genereller bzw. behandlungszentrierter Optimismus, der gegebene soziale
Support sowie soziodemographische Variablen erhoben.
Messinstrumente
Zur Messung der Selbsteinschätzung zu physischen und psychischen Symptom-Distress sowie der
Lebensqualität wird der RSCL (Rotterdam Symptom Checklist) eingesetzt. Das Instrument beinhaltet
39 Items, davon 23 über physische, 7 über psychische Symptome (jeweils die Intensität betreffend), 9
hinsichtlich der Einschränkung von Aktivitäten und 1 Item zur Einschätzung der aktuellen
Lebensqualität. Der RSCL wurde 1990 in Europa (Niederlande) von de Haes entwickelt, wird vielfach
eingesetzt22 und wurde mehrfach auf seine Reliabilität (bei Cronbach’s α ≥ 0,8)23 und Validität24 hin
18
Cohen, et al., 2001; de Moor, et al., 2006; Milbury, et al., 2011
Connor, et al., 2003
20
Carver 1998 Carver, 1998
21
Brix, et al., 2008
* aus theoretischen Überlegungen von der Autorin beibehalten
19
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getestet. Das Konstrukt der krankheitsbezogenen Ungewissheit wird mittels der in den USA
entwickelten MUIS-A (Mishel Uncertainty in Illness Scale for Adults) erhoben. Das Instrument
umfasst 33 Items die sich zu 4 reliablen Faktoren zusammenfassen lassen: Mehrdeutigkeit (α = 0.86),
Komplexität (α = 0.81), Inkonsistenz (α = 0.78) und Unvorhersehbarkeit (α = 0.65)*. Die interne
Konsistenz der Gesamtskala ist hoch (α = 0.87), sie wurde ebenfalls auf ihre Validität getestet und
umfassende Vergleichsdaten liegen vor25. Die MSPSS (Multidimensional Scale of Perceived Social
Support) ist ein 12 Items umfassendes Instrument zur Erhebung der wahrgenommenen Verfügbarkeit
von sozialer Unterstützung (Freunde, Familie, wichtige Bezugspersonen) mit hohen
Reliabilitätswerten (Cronbach’s α = 0.79 - 0.86) und geprüfter Konstruktvalidität.26 Optimismus wird
in zweierlei Form erhoben, als globale und relativ stabile Persönlichkeitseigenschaft (dispositioneller
Optimismus) und als spezifische, situationsbezogene Variable (situationaler Optimismus). Eine
Unterscheidung die insbesondere für mögliche Interventionsvarianten bedeutsam ist. 27 Globale
optimistische (bzw. pessimistische) Erwartungshaltungen werden mittels des 10 Items umfassenden
LOT-R (Life Orientation Test – Revised) erhoben, dem in diesem Forschungsgebiet am weitesten
verbreiteten Instrument mit akzeptabler interner Konsistenz (Cronbach’s α = 0.69 (Optimismus) bzw.
0.68 (Pessimismus)). Normwerte aus Deutschland sind zudem vorhanden. 28 Spezifische
Grundhaltungen und Einstellungen in Bezug auf die momentane Therapie werden mittels der ebenfalls
10 Items umfassenden TSO (Treatment-Specific Optimism Scale) gemessen. Dieses speziell für
onkologische Patienten adaptierte Instrument weist eine gute interne Konsistenz (Cronbach’s α = 0.78)
auf und misst ein dem LOT-R verwandtes (r = 0.40), jedoch eindeutig zu differenzierendes Konzept 29.
Der CD-RISC 10 (Connor-Davidson Resilience Scale – 10 Item Version) soll letztlich die Fähigkeit
zur positiven Adaption im Angesicht von Stress bzw. einem Trauma (Resilienz) erfassen. Das
Instrument umfasst 10 Items, womit ein Faktor (Widerstandsfähigkeit) abgedeckt wird. Die interne
Konsistenz ist als gut zu beurteilen (Cronbach’s α = 0.85), ebenso wie die Konstruktvalidität30. Die
deutschen Fassungen bzw. Berechtigungen zur Nutzung dieser Messinstrumente wurden bereits
angefordert. Noch nicht in deutscher Sprache verfügbare Instrumente werden gemäß den von der
ISPOR (International Society for Pharmacoeconomics and Outcomes Research) herausgegebenen
Regeln für die Übersetzung und kulturelle Adaption ins Deutsche übertragen und getestet werden31.
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
u.a. Pop, et al., 2010; Prue, et al., 2010; van Heijl, et al., 2010 Djurdjevic, et al., 2006; Nieboer, et al., 2005; Yesilbalkan, et al., 2010
u.a. Akin, et al., 2008; Dagnelie, et al., 2006; Kieviet-Stijnen, et al., 2008; Martins, 2009; Schroevers, et al., 2004; Spelten, et al., 2003
u.a. Yesilbalkan, et al., 2008 Schroevers, et al., 2004; Stein, et al., 2003; Tchen, et al., 2002
Mishel, 1997
Kazarian, et al., 1991; Zimet, et al., 1988; Zimet, et al., 1990
Tusaie, et al., 2006
Glaesmer, et al., 2008
Cohen, et al., 2001; de Moor, et al., 2006; Milbury, et al., 2011
Campbell-Sills, et al., 2007
Wild, et al., 2005
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