Klausur – Strafrecht III Sachverhalt

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Klausur – Strafrecht III Sachverhalt
Prof. Dr. Cornelius Prittwitz
12.02.2014
Klausur – Strafrecht III
Sachverhalt
A, B, C und O sind Arbeitskollegen und gehen praktisch jeden Samstag ins Stadion. Während A, B und
C aber auch befreundet sind, können sich A und O nicht leiden.
Im März 2013, C ist dieses eine Mal ausnahmsweise nicht dabei, verabreden sich A und B, nach dem
Stadionbesuch den O „aufzumischen und ihm sein Handy zu klauen“. Sie wollen das vor ihrer
Stammkneipe tun, in der sie sich wöchentlich treffen und in der auch O regelmäßig Gast ist. Wie
immer nimmt B den A in seinem Wagen mit. Auf der Fahrt dorthin überlegt es sich B doch anders und
sagt A, dass er nicht mitmache. B denkt sich dabei, dass der A die geplante Tat alleine nicht begehen
werde und fährt weiter Richtung Stammkneipe. Dort angekommen steigen A und B aus, A geht
alleine auf O los, schlägt ihn mehrfach und sagt ihm, dass er O „das Handy wegnehmen wird, weil er
es eh nicht braucht“. O denkt sich, dass er sein Mobiltelefon in jedem Fall verloren hat und reicht es
A hin, um weitere Schläge zu vermeiden. A und B gehen ohne O, der wenig später A und B bei der
Polizei anzeigt, in die Kneipe.
Nach mehreren Monaten kommt es zur Anklage. A will diese ganze Angelegenheit möglichst
unbeschadet überstehen und den C hierzu einspannen. A berichtet ihm von der polizeilichen
Untersuchung. Er sagt zu C: „Aber hier, das kann doch gar nicht sein, wir fahren doch immer
gemeinsam und das hättest du doch gesehen, wenn das passiert wäre.“ C erinnert sich nicht genau,
hält das aber für zutreffend. In der Hauptverhandlung sagt C als Zeuge aus, dass er mit A und B
immer und so auch an dem fraglichen Tag zusammen zu ihrer Kneipe fahre, und dass er keinen
Vorfall zwischen A und O gesehen hat.
Aufgabe 1: Prüfen Sie in einem Gutachten die Strafbarkeit der Beteiligten nach dem StGB.
Aufgabe 2: Im Zusammenhang mit Sitzblockaden und anderen expressiven Demonstrationsvarianten „wütender Bürger“ fällt oft der Begriff des „zivilen Ungehorsams“. Wie verstehen
Sie diesen Begriff? Nehmen Sie Stellung zu der These, „nicht gewalttätige“ Straftaten (z.B.
§ 240 StGB oder Straftaten nach dem Versammlungsgesetz) seien wegen ihrer Eigenschaft als
ziviler Ungehorsam gerechtfertigt, also nicht strafbar.
Hinweis: Aufgabe 1 fließt mit ca. 80%, Aufgabe 2 mit ca. 20 % in die Bewertung Ihrer
Klausur ein.
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Lösungsvorschlag
[Als Anmerkung vorneweg: Der Sachverhalt enthält drei Problembereiche, von denen der erste den
Schwerpunkt darstellt. Es geht erstens um die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung und
der dazugehörigen Streitführung, die Lösung dessen beruht auf der Kenntnis eines zentralen Problems
im Strafrecht. Zweitens geht es um die Beteiligung des B, hier benötigt der Bearbeiter relativ sichere
Kenntnisse des Allgemeinen Teils des StGB. Und drittens als Blick auf weitere Tatbestände des
Besonderen Teils gibt es die Prüfung des C zur Falschaussage. Hier ist es letztlich eine der klassischen
Konstellationen der Beteiligung zu Falschaussagen und es galt, dies zu erkennen: Der „Hintermann“
nutzt den straflosen gutgläubigen Täter und macht sich wegen §160 StGB strafbar.
Zum Bewertungsrahmen: Für eine vollbefriedigende Arbeit dürfte regelmäßig die Bearbeitung dieser
drei Themenbereiche notwendig sein. Die genauere Auseinandersetzung mit der Frage, ob Raub oder
Erpressung vorliegt, dürfte notwendig sein, ebenso die Anforderung, dass keine schwerwiegenden
Fehler in der Bearbeitung auftreten. Die Lösung mag kurz erscheinen, der Sachverhalt gibt aber
Gelegenheit, sich zu „verrennen“, wenn z.B. die Prüfung der Mittäterschaft des B nicht genau genug
erfolgt oder eine Anstiftung des A bezüglich einer Falschaussage des C falsch geprüft wird.
Zur Abgrenzung nach oben gibt es für die Korrektur genügend „kleinere“ Gelegenheiten. Angefangen
bei der Streitführung der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung: Die sehr guten Arbeiten
können hier - zumindest kurz - die Position der Lehre ausdifferenzieren. Die Körperverletzung des A ist
leicht zu übersehen. Gute bis sehr gute Arbeiten sollten regelmäßig einige Worte dazu verlieren,
warum die „Falschaussage“ des C keine ist und können zusätzlich Punkte sammeln, wenn sie auf
subjektive und objektive Theorien zur Falschaussage eingehen. Eine Schwierigkeit der Klausur besteht
hier wirklich darin, bei all diesen Sachen, bei denen sich „Pluspunkte“ sammeln lassen, nicht mehr Zeit
zu verbringen, als bei den notwendigen Prüfungen.
Wann kein „ausreichend“ mehr vorliegt ist wahrscheinlich am einfachsten festzustellen über das
Vorliegen mehrerer schwerwiegender Fehler. Für ein „ausreichend“ in der Fortgeschrittenenübung
wird man zumindest rudimentär Kenntnisse der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung
sowie Kenntnisse zu Täterschaft und Teilnahme verlangen müssen. Dazu gibt es die Möglichkeit über
formale Fehler die Bewertung schlechter ausfallen zu lassen. Definitionen falsch zu prüfen, auf die es
ankommt, oder den Prüfungsaufbau in wichtigen Punkten nicht zu beherrschen sind Anzeichen für
eine schlechtere Klausur.]
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Zu Aufgabe 1:
Tatkomplex 1 (Fußball, Handy und Gewalt ):
Strafbarkeit des A
A. Raub durch A gem. §249 I StGB
A könnte sich dadurch, dass er O mehrfach schlägt und ihm das Mobiltelefon wegnimmt, eines
Raubes gem. §249 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
a) fremde, bewegliche Sache
Das Mobiltelefon ist eine bewegliche Sache, das sich nicht im Alleineigentum des A befindet, also für
ihn fremd ist.
b) Wegnahme
A müsste O das Mobiltelefon auch weggenommen haben. Eine Wegnahme ist der Bruch fremden
und die Begründung neuen, nicht notwendig eigenen Gewahrsams.
O hat laut Sachverhalt A das Mobiltelefon hingereicht, allerdings nur aus einer Zwangslage heraus.
Ob hier tatsächlich ein Bruch fremden Gewahrsams vorliegt oder D das Handy nicht vielmehr weggibt
ist umstritten.
Eine Ansicht will in diesen Konstellationen der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung
das Vorliegen einer Wegnahme nach dem äußeren Erscheinungsbild bestimmen. Zu Fragen ist, ob ein
objektiver Dritter den Vorgang als Wegnahme deuten würde.
O reicht A aber sein Mobiltelefon, nachdem er von A mehrfach geschlagen wurde. Vom äußeren
Erscheinungsbild ist die durch Gewalt abgenötigte Weggabe des D eine typische Tathandlung der
räuberischen Erpressung. Nach dieser Ansicht liegt also keine Wegnahme vor.
Eine andere Ansicht bestimmt die Wegnahme maßgeblich nach der inneren Willensrichtung des
Geschädigten. Sie begreift die räuberische Erpressung als Selbstschädigungsdelikt des Opfers, bei
dem der Geschädigte zu seiner eigenen Vermögensschädigung maßgeblich beiträgt. Fehlt es an
diesem eigenen maßgeblichen Beitrag, ist es für das Opfer also gleichgültig, wie es sich verhält und
der Vermögensschaden in jedem Fall eintritt, so liegt keine Wegnahme vor.
O hat das Telefon an A gegeben. Die Weggabehandlung erfolgte für O allerdings nur mit der inneren
Willensrichtung, dass er das Telefon „in jedem Fall verloren hat“. Es fehlt damit an einer
maßgeblichen Selbstschädigungshandlung im Sinne einer Weggabe. A hat dieser Ansicht zufolge O
das Mobiltelefon weggenommen.
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Eine dritte Ansicht grenzt die Wegnahme von der Weggabe ebenfalls nach der inneren
Willensrichtung ab. Maßgeblich ist jedoch nur in einem schwächeren Sinn einer Selbstschädigung,
dass der Geschädigte die Sache mit seinem zwar abgenötigten, aber faktischen Einverständnis
weggibt. Eine besondere Relevanz der Weggabehandlung ist nicht erforderlich.
Vorliegend reicht O dem A sein Mobiltelefon, nachdem er von A mehrfach geschlagen wurde. Er
denkt sich zwar, dass sein Mobiltelefon in jedem Fall verloren ist. Im Sinne eines faktischen, wenn
auch erzwungenen, Einverständnisses, mit dem der Geschädigte sich durch sein Verhalten noch
„etwas verspricht“, gibt A sein Telefon weg in der, wie sich herausstellt berechtigten, Hoffnung, dass
A aufhört, ihn zu schlagen. Dieser Ansicht zufolge liegt damit keine Wegnahme vor.
[Anmerkung: Auch gute Arbeiten können diese dritte Ansicht weglassen bzw. die Differenzierung der
Lehransicht knapp halten. Die Lehre streitet sich nämlich über die Auslegung dieses Begriffs der
„inneren Willensrichtung“. Wichtiger ist es, den Streit zu erkennen und überhaupt mit den
Argumenten der Rechtsprechung gegen die Lehre auszutragen. Die Kenntnis der
Rechtsprechungsmeinung muss hierzu als bekannt vorausgesetzt werden. Und die Ansicht, ob die
Weggabehandlung „wichtig“ oder „relevant“ ist, wird einem vom Sachverhalt beinahe aufgedrängt.
Eine Ausdifferenzierung der Lehrmeinungen ist kein Erfordernis, eher ein Merkmal, an der sich an sich
schon gute Klausuren voneinander abgrenzen lassen,]
Für die erste Ansicht spricht der Wortlaut des Gesetzes. Das Gesetz verlangt bei der (räuberischen)
Erpressung kein Verfügungserfordernis. Die anderen Ansichten, die streng zwischen Raub und
räuberischer Erpressung trennen wollen mit diesem Verfügungserfordernis übersehen, dass eine
gewaltsame Wegnahme eines Gegenstandes gar nicht denkbar ist ohne eine gleichzeitig abgenötigte
Duldung der Wegnahme. Ein wichtiges Argument ist zudem, dass der äußere Anschein ein klareres
und einfacheres Merkmal zur Abgrenzung ist, als der im Zweifel nur schwierig festzustellende
tatsächliche Wille des Geschädigten.
Für die zweite sprechen insbesondere systematische Argumente. Wenn es so wäre, dass die
räuberische Erpressung keine Verfügung benötigte, dann wäre jeder Raub gleichzeitig eine
räuberische Erpressung. Es ist nicht zu erklären, warum das Gesetz in §249 StGB eine Qualifikation
der §§255, 253 StGB vorsehen sollte, wenn der Grundtatbestand schon praktisch alle Fälle der
Qualifikation abdeckt. Dies ist vor allem auch der Fall, weil die „Qualifikation“ des §249 StGB gar kein
höheres Strafmaß vorsieht. Letztlich bildet eine klare Unterscheidung zwischen Fremdschädigung
und Eigenschädigung das Mittel, um Raub und räuberischer Erpressung als Delikte mit
eigenständigem Charakter zu erklären.
Während das Wortlautargument durchaus einiges Gewicht hat, sprechen insbesondere die
systematischen Argumente für eine Auslegung des Tatbestandes im Sinne einer
Vermögensverfügung bei der Erpressung. Auf ein inneres Willensmoment der Verfügung zu
verzichten würde bedeuten, §249 StGB als unerklärlichen Tatbestand zu werten, wenn er praktisch
jedes Verhalten der räuberischen Erpressung mit dem gleichen Strafmaß ebenso unter Strafe stellt.
Die erste Ansicht ist damit abzulehnen.
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[Anmerkung: So oder so ähnlich – z.B. zusätzlich mit dem vis absoluta Argument müsste der Streit
geführt werden. Der nun folgende Absatz ist nötig, wenn zwischen den Ansichten der Lehre
differenziert wird.]
Gegen die dritte Ansicht spricht insbesondere, dass sie sich im Ergebnis zu nah an der ersten Ansicht
bewegt. Es ist zwar richtig, dass sich die Erpressung auch eigenständig erklären ließe, wenn ein
tatsächlich abgenötigtes Verhalten gefordert wird über die bloße Duldung der Wegnahme hinaus.
Wer die Erpressung aber systematisch konsequent als eigenständiges Delikt begreifen möchte, muss
dem abgenötigten Verhalten des Geschädigten eine gewisse Relevanz und tatsächliche
Entscheidungsfreiheit zugestehen.
Der zweiten Ansicht ist somit zuzustimmen. Eine Wegnahme liegt mithin vor.
c) Qualifiziertes Nötigungsmittel
A schlägt O mehrfach, dies stellt die Anwendung von Gewalt gegen eine Person dar, mithin eine
taugliche Tathandlung gem. §249 StGB.
d) finale Verknüpfung
A wendet die Gewalt auch an, um sich das Telefon zu verschaffen, es besteht also eine finale
Verknüpfung von eingesetztem Nötigungsmittel und Taterfolg.
2. Subjektiver Tatbestand
A kam es auf den Erfolg an, er handelte absichtlich (dolus directus 1. Grades).
II. Rechtswidrigkeit
Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. A handelte rechtswidrig.
III. Schuld
A handelte schuldhaft.
IV. Ergebnis
A hat sich eines Raubes gem. §249 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
B. Räuberische Erpressung durch A gem. §§ 253 I, 255 StGB
 nur zu prüfen, wenn die Bearbeitung beim Streit im Raub der Rechtsprechung anschließt (oder der
„dritten Ansicht“)
 keine schwierigen Stellen in der Prüfung selbst, abgesehen vom schon entschiedenen Streit ist die
räuberische Erpressung ähnlich kurz zu prüfen wie oben der Raub
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C. Körperverletzung durch A gem. §223 I StGB
Indem A mehrfach und mit Absicht O schlägt, d.h. ihn körperlich misshandelt und an der Gesundheit
schädigt, erfüllt er den Tatbestand der Körperverletzung gem. §223 Abs. 1 StGB.
Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe bzw. Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.
A handelte rechtswidrig und schuldhaft.
A hat sich einer Körperverletzung gem. §223 Abs. 1 strafbar gemacht.
[Anmerkung: Die Prüfung lässt sich hier sehr kurz halten, so eindeutig ist die Körperverletzung. Sie zu
übersehen ist zwar ein Fehler, aber kein zu schwer zu wertender.]
Strafbarkeit des B
[Anmerkung: Die Mittäterschaft ist anzuprüfen, allein schon, weil ein Tatplan ursprünglich bestand.
Die Beihilfe ist anzuprüfen, weil das Verhalten des B die Tat des A offensichtlich fördert.
Da der Tatplan nicht mehr vorliegt, kann die Mittäterschaft schon früh ausgeschlossen werden. Die
Mittäterschaft selbst anzunehmen dürfte nach jedem Blickwinkel auf die hier vorliegende
Konstellation schwerfallen. Zum einen gibt es die Fallgruppe des Abstandnehmens vom Tatplan, es ist
eine typische Konstellation, auf die Lehrbücher ansprechen. Zum anderen gibt es zwar Urteile des BGH
(z.B. passt ganz gut: BGH NStZ 1987, 364), in denen der BGH eine ähnliche Konstellation nicht per se
als mangelnde Mittäterschaft wertet, und allgemein auf das Interesse der Tat als eigene abstellt.
Aber auch das liegt bei B nicht vor, B will die Tat nicht als eigene. Hierzu genannte Argumente sollte
die Korrektur positiv werten, insgesamt ist aber schwer zu sehen, wie ein Tatplan vorliegen könnte.
Die Beihilfe liegt aber unzweifelhaft objektiv vor, die Angabe im Sachverhalt ist aber sehr deutlich,
dass B keinen Vorsatz bzgl. der akzessorischen Haupttat hat.
Beihilfe durch Unterlassen ist denkbar und könnte auch vorliegen, der Sachverhalt macht aber keine
Angaben dazu, ob B hätte eingreifen können. Die vorzuwerfende Tat wäre hier, dass B nur zuschaut,
während A die Tat begeht.
Die Verabredung zu einem Verbrechen ist denkbar, hieran lassen sich auch Pluspunkte für die
Korrektur festmachen. B hat mit A die Tat vorbereitet im Sinne des §30 Abs. 2 StGB, für ein
Abstandnehmen von dieser Vorbereitung sind aber §31 Abs. 2 StGB - und §31 Abs. 1 Nr. 2 StGB erst
recht - nicht einschlägig. Die objektiv vorliegende Beihilfe des B blockiert aber die Prüfung der
Strafbarkeit im Vorbereitungsstadium in jedem Fall. Anders gesagt: Wenn bei der objektiv
vorliegenden Beihilfe keine Strafbarkeit vorliegt, kann man nicht auf §30 Abs. 2 StGB ausweichen.
Deswegen kann man sich sehr kurz halten dazu. Dies wird hier nur erwähnt, es ist nicht verlangt, dass
der §30 Abs. 2 StGB geprüft wird.]
D. Mittäterschaftlicher Raub durch B gem. §§249 I, 25 II StGB
[Anmerkung: Wer sich einer anderen Ansicht anschließt, die die räuberische Erpressung im
vorliegenden Fall bejaht, müsste natürlich die mittäterschaftliche räuberische Erpressung prüfen.]
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B könnte sich des mittäterschaftlichen Raubes gem. §§249 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht
haben, indem er sich mit A verabredet und A zu O fährt.
I. Tatbestandsmäßigkeit
Die Strafbarkeit gem. §249 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass eine fremde, bewegliche Sache
weggenommen wird.
Bei dem Mobiltelefon handelt es sich um eine fremde bewegliche Sache.
B selbst hat das Mobiltelefon nicht weggenommen.
Ihm könnte allerdings das Verhalten des A im Wege der Mittäterschaft zuzurechnen sein.
Die Mittäterschaft setzt zunächst einen gemeinsamen Tatplan voraus.
Zunächst lag ein gemeinsamer Tatplan vor. A und B haben sich abgesprochen, O das Mobiltelefon
wegzunehmen. B hat jedoch noch im Vorbereitungsstadium, das Versuchsstadium liegt mangels
unmittelbarer Gefährdung der Rechtsgüter von O während der Fahrt nicht vor, von der Tat Abstand
genommen. Er hat dies auch A mitgeteilt, also dass er nicht mehr an der Tat teilnimmt und geht
davon aus, dass die Tat nicht stattfinden wird. Es fehlt damit an einem gemeinsamen Tatplan
zwischen A und B.
[Anmerkung: Was A tut und wie das im Zusammenhang mit der Geschehnissen steht, ist hierbei nicht
wichtig. Dass das Verhalten von B potentiell vorwerfbar bleibt, ist eine Frage der Beihilfe. Der BGH
sieht das wie oben erwähnt etwas anders, kommt aber im Ergebnis auch zur mangelnden Strafbarkeit
des B wegen Mittäterschaft.]
[Anmerkung zur Anstiftung: Es ist zwar denkbar, dass B im Gespräch den Tatvorsatz bei A hervorruft.
Der Sachverhalt legt eher nahe, dass sie gemeinsam dazu kommen. Letztlich steht von einem
Hervorrufen des Tatvorsatzes nichts im Sachverhalt, sodass die Prüfung der Anstiftung nur das
feststellen kann, wenn sie nicht spekuliert.]
F. Beihilfe zum Raub durch B gem. §§249 I, 27 StGB
B könnte sich wegen Beihilfe zum Raub strafbar gemacht haben, indem er sich mit A verabredet und
A zu O fährt
I. Tatbestandsmäßigkeit
Hierzu müsste B die Tat des A gefördert haben.
1. Objektiver Tatbestand
a) Akzessorische Haupttat
Die akzessorische Haupttat liegt vor und besteht im Raub des A.
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b) Beihilfehandlung
Das Verhalten des B müsste die Tat objektiv gefördert haben. Das Verhalten des B hat die Tat des A
nicht nur gefördert. Ohne sie wäre A gar nicht in die Lage gekommen, O mit Gewalt das Mobiltelefon
zu entwenden. Sie ist also auch kausal für den Erfolg der Haupttat. Inwiefern B auch auf anderem
Wege zu O gekommen wäre, ist hypothetisch und nicht von Belang.
[Anmerkung: Der Streit über das Ausmaß der Beihilfehandlung zwischen Rechtsprechung und Lehre
ist her nicht relevant. Nach allen Ansichten ist das Verhalten von B objektiv eine Beihilfe.]
2. Subjektiver Tatbestand
B müsste auch vorsätzlich gehandelt haben. Der Vorsatz der Teilnahme muss sich auf die Haupttat
sowie auf die eigene Teilnahmehandlung beziehen.
Vorliegend geht B zum Zeitpunkt der Beihilfehandlung davon aus, dass keine Tat des A vorliegen
wird. Dass er die Tat für möglich hält ließe sich zwar noch festhalten. Es fehlt aber vollständig am
voluntativen Element.
B handelte also ohne Vorsatz.
II. Ergebnis
B hat sich nicht wegen einer Beihilfe zum Raub gem. §249 I, 27 StGB strafbar gemacht.
G. Beihilfe zum Raub durch Unterlassen durch B gem. §§249 I, 27, 13 I StGB
B könnte sich der Beihilfe zum Raub durch Unterlassen strafbar gemacht haben, indem er nicht
einschreitet, als A das Mobiltelefon des O mit Gewalt wegnimmt.
I. Tatbestandsmäßigkeit
Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt hier in dem Unterlassen, nicht dem aktiven Tun. Das aktive
Hinfahren des A ist mit dem Aussteigen vor der Stammkneipe beendet.
Der Erfolg des §249 Abs. 1 ist eingetreten, der Gewahrsam des O am Mobiltelefon wurde durch A
gebrochen.
Fraglich ist zunächst, ob es dem B möglich war, die entsprechende Handlung durchzuführen, also
hier, ob er hätte Einschreiten können, während A dem O das Telefon wegnimmt.
Der Sachverhalt macht hierzu keine Angaben. In Fällen dieser Art ist es zwar denkbar, dass B hätte
einschreiten können. Es ist allerdings auch denkbar, dass A z.B. schnell genug vorgeht oder B nicht in
der Nähe steht, sodass es B nicht möglich gewesen wäre, rechtzeitig einzuschreiten. Mangels
weiterer Angaben ist das Vorliegen dieses möglichen Einschreitens nicht festzustellen.
B hat es damit nicht unterlassen, die Tat des A zu verhindern. Er hat sich nicht wegen Beihilfe zum
Raub durch Unterlassen gem. §§249 Abs. 1, 27, 13 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
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[Anmerkung: Das braucht nicht angeprüft zu werden, da letztlich dazu nicht genug im Sachverhalt
steht. Das ist hier zwar in der Musterlösung geprüft, wird aber nicht erwartet. Wer einige
Bemerkungen macht, kann Pluspunkte sammeln. Wer annimmt, dass B hätte einschreiten können,
muss dies gut begründen.]
H. Beihilfe zur Körperverletzung durch B gem. §§223 I, 27 StGB
 Anprüfbar und genauso mangels Vorsatz abzulehnen. Das ist so eindeutig, dass es nicht nötig ist,
es anzuprüfen. Dies in einem oder zwei Sätzen zu erwähnen kann aber positiv gewertet werden.
I. Unterlassene Hilfeleistung durch B gem. §323c StGB
B könnte sich wegen einer unterlassenen Hilfeleistung gem. §323c StGB strafbar gemacht haben.
Zunächst müsste dazu ein Unglücksfall oder eine gemeine Not oder Gefahr im Sinne des §323c StGB
vorliegen. Das bloße Vorliegen einer Straftat kann allerdings nicht als Unglücksfall oder gemeine
Gefahr angesehen werden. Nötig ist eine Gefahr für Rechtsgüter einer Person nach einem plötzlich
eintretenden Ereignis wie einem Unfall oder einem Naturereignis. Bei einer Straftat wie dem Raub
des A eine unterlassene Hilfeleistung anzunehmen ergäbe, dass es eine strafbewehrte Pflicht zur
Nothilfe gibt, anstatt ein Nothilferecht gem. §32 StGB. Dies würde die Strafbewehrung des §323c zu
weit ausdehnen.
B hat sich nicht wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht.
[Anmerkung: Das sollte bei Arbeiten mit hoher Punktzahl kurz erwähnt werden, ansonsten ist es kein
Erfordernis, den §323c StGB zu erwähnen, auch wieder, weil es recht klar ist, dass er nicht vorliegt.
Wer den Unglücksfall oder die gemeine Not oder Gefahr definiert, wird feststellen, dass ihm das nicht
weiterhilft und man eher allgemein argumentieren müsste. Wer – auf einer gewissen Ebene
korrekterweise – das Vorliegen des Unglückfalls anhand der Definition bejaht, müsste sich dann aber
fragen, ob es B zumutbar ist einzuschreiten. Mangels Angaben müsste man auch hier wieder aus der
Prüfung aussteigen.]
Tatkomplex 2 (Vorgerichtliche Telefonate):
J. Strafbarkeit des C wegen uneidlicher Falschaussage gem. §153 I StGB
C könnte sich dadurch, dass er vor Gericht aussagt, er wäre am Tag des Vorgehens von A mit A und B
gemeinsam im Wagen gefahren und A habe keine Straftat der ihm vorgeworfenen Art begangen
gem. §153 Abs. 1 StGB wegen uneidlicher Falschaussage strafbar gemacht haben.
[Anmerkung: Das ist nicht besonders wichtig, aber wer – ungenau – dem C den Vorwurf macht, er
habe ausgesagt, er habe nichts gesehen, der trifft den Punkt nicht bei dem strafrechtlichen Vorwurf.
Natürlich hat C „nichts gesehen“, das stimmt ja sogar, er behauptet aber im Ergebnis, die Tat des A
habe nicht stattgefunden.]
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I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
a) Tauglicher Täter
C ist als Zeuge in einem Strafverfahren tauglicher Täter einer uneidlichen Falschaussage.
b) Zuständige Stelle
Das Gericht in Strafsachen, das den Fall von C verhandelt ist eine zuständige Stelle im Sinne des §153
Abs. 1 StGB.
c) falsche Aussage
C müsste eine objektiv falsche Aussage getroffen haben.
Nach subjektiver Überzeugung des C liegt keine Falschaussage nach. Nach richtiger Auffassung ist die
Falschaussage daran festzumachen, dass der Aussagegehalt nicht mit der Wirklichkeit
übereinstimmt. Inwiefern die subjektive Auffassung des C hierzu eine Rolle spielt ist systematisch in
üblicher Weise im subjektiven Tatbestand zu behandeln.
[Anmerkung: So oder so ähnlich lässt sich in wenigen Sätzen die subjektive Theorie –
berechtigterweise – zurückweisen. Wer den Streit kurz führt, kann auch hier wieder Pluspunkte
machen über das Maß der Musterlösung hinaus, sollte aber auch hier wieder nicht zu viel Zeit damit
verbringen. Letztlich ist C nach keiner Ansicht – auch nicht nach der „Pflichtentheorie“ – strafbar.]
Es liegt mithin eine falsche Aussage des C vor.
2. Subjektiver Tatbestand
C denkt jedoch nicht, dass er eine objektiv falsche Aussage trifft.
Es fehlt im hiermit am nötigen Vorsatz.
II. Ergebnis
C hat sich nicht gem. §153 Abs. 1 StGB wegen einer uneidlicher Falschaussage strafbar gemacht.
K. Verleitung zur Falschaussage durch A gem. §160 I StGB
A könnte sich wegen Verleitung zur Falschaussage gem. §160 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben,
indem er C anruft und ihm mitteilt, dass C am fraglichen Tag mit ihm im Wagen saß.
Die Verleitung zur Falschaussage setzt zunächst voraus, dass auf Seiten des A keine Anstiftung oder
versuchte Anstiftung tatbestandlich vorliegt. A ging vorliegend nicht davon aus, dass C denkt, er
würde falsch aussagen. Für die Anstiftung ist es jedoch nötig, dass der Täter zu einer strafbaren
Handlung – zumindest nach Vorstellung des Anstifters – bestimmt wird. Dies ist nicht der Fall.
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Durch seine Mitteilung, C hätte sich wie sonst auch der Fall am fraglichen Tag im Wagen befunden
und die Tat könne so nicht stattgefunden haben, hat A bei C ursächlich und in objektiv zurechenbarer
Weise die objektiv falsche Vorstellung hervorgerufen, dass C im Wagen saß.
Diese objektiv falsche Vorstellung hat C als Zeuge im Strafverfahren geäußert.
A wusste, dass die Vorstellung des C falsch ist, er wusste auch, dass sein Gespräch mit C diese
Vorstellung hervorrufen würde und er ging auch davon aus und wollte auch, dass C dies als Zeuge vor
Gericht aussagt.
Er hatte damit Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale.
A handelte zudem rechtswidrig. Dass A Rechte als Beschuldigter hat, wie das Recht zu Schweigen
oder gar falsch auszusagen, beinhaltet nicht, dass er andere dazu verleitet, sich strafbar zu machen.
A handelte auch schuldhaft.
A hat sich einer Verleitung zur Falschaussage gem. §160 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
[Anmerkung: Das lässt sich auch etwas kürzer fassen, hier liegt der §160 eindeutig vor. Das NichtVorliegen der Anstiftung lässt sich auch gesondert prüfen. Da sie eindeutig fehlt, kann man sie auch
kurz in die Prüfung des §160 Abs. 1 StGB einbauen.]
Gesamtergebnis
A hat sich jeweils in Tatmehrheit strafbar gemacht zum einen tateinheitlich wegen Raubes gem. §249
Abs. 1 StGB und Körperverletzung gem. §223 Abs. 1 StGB und zum anderen wegen einer Verleitung
zur Falschaussage gem. §160 Abs. 1 StGB.
B und C haben sich nicht strafbar gemacht.
Zu Aufgabe 2:
Die zweite Aufgabe lässt sich auf verschiedene Weise zufriedenstellend beantworten. In der
Diskussion um den „Wutbürger“ oder den „zivilen Ungehorsam“ geht es aus der Perspektive der
Aufgabensteller insbesondere, aber auch unter anderem, um das Verhältnis von Verfassungsrecht
und Strafrecht. Auf dieses Verhältnis lässt sich abstrakt eingehen. Ziviler Ungehorsam ist – das ist
eine mögliche Weise, es zu formulieren – der Versuch, auf eigenes Risiko Grundrechte gegen das
Strafrecht geltend zu machen. Ziviler Ungehorsam lässt sich dann im Rechtssinn so interpretieren,
dass es ein Protest ist, der die Verletzung eigener Grundrechte anprangert. Und das auf eine Weise,
die selbst über das Demonstrationsrecht grundrechtlich geschützt ist.
Der §240 StGB in seiner gegenwärtigen bzw. damaligen Fassung hat eine bestimmte Ausprägung
erfahren durch das einfache Recht und den BGH. Und diese Ausprägung hat das BVerfG in mehreren
Entscheidungen kritisiert. Das ist gewissermaßen die konkretere Ebene, die Frage zu beantworten.
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Wer z.B. gedanklich die Frage schlicht dogmatisch durchgeht, der kann z.B. zum §34 StGB Stellung
nehmen. Der strafrechtliche Verstoß ist dann eventuell gegeben, es ist aber möglich ihn zu
rechtfertigen, wie die Aufgabenstellung beschreibt. Der Rechtfertigende Notstand nimmt den zivilen
Ungehorsam dann insofern ernst, als zuerst das schützenswerte Interesse, also das geschützte
Rechtsgut benannt wird und dann eine Interessenabwägung erfolgt. Und in dieser
Interessenabwägung können dann auch Grundrechte und andere Interessen „wütender Bürger“
ernstgenommen werden.
Dies lässt sich ausführen, indem man dogmatisch auf diese Interessenabwägung eingeht. Sinnvoll
kann auch eine Diskussion über den Begriff der Verwerflichkeit sein in §240 StGB, an dem sich der
Konflikt auch festmachen lässt. Eine gute Antwort ist es vermutlich – je nach Ausgestaltung –, auf
den Gewaltbegriff einzugehen und die Entscheidungen des BVerfG hierzu. Dort zeigt sich explizit
dieser Konflikt Strafrecht gegen Verfassungsrecht, strafbare Nötigung gegen Recht auf
Demonstration. Das Strafrecht bildet den Konflikt zumindest im gewissen Maße selbst ab. Wenn das
aber nicht erfolgt, z.B. in der Rechtsprechung des BGH zu den Sitzblockaden, dann gibt es
verfassungsrechtliche – oder vielleicht sogar übergesetzliche – Garantien bzw. Rechte, die jeder
Bürger im Wege des zivilen Ungehorsams geltend machen kann.
Neben diesen ungefähr erwarteten Möglichkeiten, die zweite Frage zu beantworten, gibt es auch
andere Weisen, zusätzlich kluge Kommentare dazu abzugeben. Es ist möglich, etwas über die Art und
Weise des Ungehorsams zu sagen, also warum der gewaltlose Protest eher zulässig sein mag, als der
gewalttätige und wo die Grenzen des Ungehorsams liegen. Man könnte – auch wenn das hier nicht
ganz passt – kurz etwas über Art. 20 Abs. 4 GG sagen, in dem das strengere Widerstandsrecht
kodifiziert ist und eine Art Analogie behaupten. Einige Bemerkungen über sozioökonomische
Umstände könnten auch gerechtfertigt sein, also dass z.B. andere Konflikte als rechtliche (z.B.
ökonomische oder politische) auf der Rechtsebene ausgetragen werden. Wenn nachvollziehbar
argumentiert wird sollte die Bewertung dies im Zweifel als gut anerkennen, wenn nicht nur andere
Zusammenhänge als rechtliche dargestellt werden.