Aachener Zeitung 22.12.2009 >> Alemannia Aachen

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Aachener Zeitung 22.12.2009 >> Alemannia Aachen
Sport
1. FC NÜRNBERG
Michael Oenning muss
den Trainerstuhl räumen
€ Seite 10
Seite 9 ABCDE · Nr. 298 · Dienstag, 22. Dezember 2009
DAS THEMA: ALEMANNIAS HINRUNDE
„Wir brauchen wieder Tivoli-Atmosphäre“
KOMMENTAR
€ KLAUS SCHMIDT
Alfred Nachtsheim ging als Fan in die Saison, beendet sie als Präsident. Eine Halbzeit im Stehblock, eine auf der Haupttribüne.
VON CHRISTOPH PAULI
Aachen. Dr. Alfred Nachtsheim erlebte Alemannias Hinrunde an
verschiedenen Orten in verschiedenen Rollen. Er ist seit neun Jahren der HNO-Arzt des Klubs, seit
Anfang November nun auch noch
der Präsident. Und Fan ist er in der
gesamten Zeit geblieben.
Die 1. Szene spielt am 29. Juni
an einem Stehtisch weit hinten im
Eurogress.
Nachtsheim: Der Bericht des Geschäftsführers ging völlig unter,
alle warteten nur auf die Wahl.
Nachdem der Kandidat nicht gewählt und die Veranstaltung abgebrochen wurde, war erkennbar,
dass der Verein in Not ist. Es war
ein Scherbenhaufen.
Was bedeutet das für Vereins-Mitglied und -Arzt Nachtsheim?
Nachtsheim: Ich habe noch in der
Nacht meine Hilfe angeboten, in
welcher Form auch immer. Die
Stimmung war auf dem Nullpunkt, obwohl wir doch die Eröffnung des neuen Tivolis vor uns
hatten. Das hat mich sehr bewegt.
Frage an das Alemannia-Mitglied:
Warum sind Sie zur Jahreshauptversammlung gegangen?
Nachtsheim: Im Vorfeld war absehbar, dass es keine einfache Situation wird. Ich wollte meine Stimme dazugeben, von meinem
Wahlrecht Gebrauch machen, um
mitzugestalten.
2. Szene: Dauerkarteninhaber
Nachtsheim ist mit Freunden umgezogen in die neue Arena, hat
sich eine Karte für den Block S 4
gekauft.
Wie haben Sie den turbulenten
Abend in Erinnerung?
Der Fan Nachtsheim hat sich am
17. August euphorisch auf den
Weg zum neuen Tivoli gemacht.
Nachtsheim: Ich hatte die Baustelle gemieden, ich wollte mich wie
an Weihnachten überraschen. Ich
bin zwei Stunden vor dem Anpfiffdagewesen, war und bin begeistert
von dem Bauwerk.
A
Dann kam unglücklicherweise ein
Fußball-Spiel dazu, und Fan verletzte sich lebensgefährlich.
Nachtsheim: Ich habe den abgestürzten St.-Pauli-Fan am Unfallort erstversorgt mit Dr. Mauckner.
Wir haben später den Kontakt zu
ihm gehalten. Wir alle sind unglaublich erleichtert, dass es ihm
wieder gut geht.
Hatten Sie nach dem Spiel den
Eindruck, dass auch die Mannschaft in Not ist?
Nachtsheim: Nach dem Weggang
von Schmadtke hat es ein paar
unglückliche personelle Wendungen gegeben. Nach dem 0:5 war
erkennbar, dass es eine schwierige
Zeit wird. Es gibt viele Parallelen
zu Teams wie Schalke oder Leverkusen, die in einem neuen Stadion
Startprobleme hatten. Es ist ein
psychologischer Effekt: Man ist
nicht mehr im vertrauten Wohnzimmer, sondern braucht auch in
einer schöneren Umgebung Zeit
zum Eingewöhnen.
Sie haben im Block S 4 den Sieg
über den FSV Frankfurt erlebt, an
dessen Ende dennoch die Entlassung von Jürgen Seeberger stand.
Haben Sie das als Fan verstanden?
Nachtsheim: Ich konnte es verstehen.
3. Szene, ein Platz auf der
Haupttribüne, der in der ersten
Halbzeit immer verwaist ist, ehe
sich der Dauerkarteninhaber
Nachtsheim seit Anfang November zu den Kollegen aus den Gremien gesellt.
Sie sind dann doch vom Verwaltungsrat angesprochen worden, ob
Sie als fannaher Präsident kandidieren wollen.
Nachtsheim: Ich habe natürlich
mit der Familie gesprochen, ob sie
mit Öffentlichkeit umgehen kann
und will. Ich habe dann den Kontakt zu den Fanvertretern gesucht
und anschließend zugesagt.
Ein Präsident mit mehreren Rollen: Alfred Nachtsheim kennt die Fansicht
im Stehblock, aber seit einigen Wochen auch die . . . .
Zum Glück
gezwungen?!
Anfang November sind Sie in einer
Pferdehalle zum Präsidenten gewählt worden. Aus dem emotionalen Fan ist nun ein wichtiger Repräsentant geworden.
Nachtsheim: Das ist ein Rollenwechsel. Man wird mit Erwartungen und Wünschen konfrontiert,
man geht auf Sponsoren zu, muss
. . . . Binnensicht als Präsident von Alemannia Aachen.
mitorganisieren. Emotional ist
man mit dem schwarz-gelben
Herz dabei, aber ich habe mich
etwas zurückgefahren.
Sie haben nun die Binnensicht des
Vereins. Wie überrascht sind Sie
von den Zahlen?
Nachtsheim: Die Situation ist für
Außenstehende in der Tat nicht zu
durchschauen. Sie ist aber zu
meistern. Wir kriegen das hin.
Sie haben Sitz und Stimme im Aufsichtsrat. Was waren die Gründe
für die Beurlaubung von Andreas
Bornemann?
Nachtsheim: Der Aufsichtsrat war
sich relativ einig. Die sportliche
Situation war schon unbefriedigend, was zur Entlassung Seebergers geführt hat. Dann kamen die
desolaten Spiele in Koblenz und
gegen Ahlen. Wir hätten erwartet,
dass sich der Manager die Mannschaft zur Brust genommen hätte.
Das ist aber nicht passiert.
Wie ist es zu der Satzungsänderung gekommen, die Erik Meijer
nun zu einem zweiten gleichberechtigten Geschäftsführer macht?
Nachtsheim: Wir haben einen
Webfehler der Ausgliederung
sinnvoll behoben. Man kann als
sportlicher Leiter nur als gleichberechtigter Geschäftsführer bestehen.
In dem Entscheidungsgremium sitzen Kaufleute, Juristen, Ärzte, Banker, aber niemand mit nachhaltiger
sportlicher Kompetenz. Wie kann
Fotos: Steindl
ein solcher Rat mehr fachliche
Kompetenz erlangen?
Nachtsheim: Es gibt mehrere Ideen
der nächsten Mitgliederversammlung vorzuschlagen, dass auch
sportliche Kompetenz ein Kriterium bei der Auswahl von Aufsichtsratsmitgliedern wird.
Ist geplant, aus dem Elferrat einen
kleineren Rat zu machen?
Nachtsheim: (grinst) Man kann sicher darüber nachdenken, dass
man das Gremium verkleinert und
die Kräfte bündelt.
Meijer hat eine eigene Identität des
Klubs angemahnt. Wie sieht die
aus Sicht des Präsidenten aus?
Nachtsheim: Wir brauchen eine
Mannschaft, die sich leidenschaftlich reinkniet, die stolz ist, aufzulaufen. Die das Publikum wieder
mitreißt. Wir hätten keinen glaubwürdigeren Vorreiter für solche
Tugenden als Erik Meijer finden
können.
Wir verabreden uns jetzt hier für
ein neues Gespräch in zwölf Monaten. Über welche Schlagzeilen aus
2010 sollen wir dann sprechen?
Nachtsheim: Die Tivoli-Atmosphäre kehrt zurück! Seit dem Umzug
ist die Emotionalität weitgehend
ausgeblieben, das besondere Gefühl hat sich noch nicht eingestellt. Ich glaube, wir sind mit der
Mannschaft und der sportlichen
Leitung auf einem guten Weg
sind.
Lesen Sie morgen: die Hinrunde des
1. FC Köln
Eine Hinrunde der großen Brüche
Alemannia Aachen präsentiert sich mal wie aus einem Guss, mal völlig dissonant
Aachen. Für Alemannia Aachen
war es eine Hinrunde der großen
Brüche: Drei Trainer standen in
den 17 Ligaspielen an der Bande,
der vor Jahresfrist installierte
Sportdirektor ist bereits Geschichte. Der vermeintliche Treibsatz
„neues Stadion“ zündete nie wirklich, erwies sich in mancher Hinsicht sogar eher als Bürde denn als
Ansporn. Die Leistung des Kaders
spiegelt diese Berg- und Talfahrt
wider. 20 Spieler wurden im bisherigen Verlauf der Saison eingesetzt
– eine Einordnung von Roman Sobierajski.
★★★★★
Ganz stark? Ganz stark war sicher
keiner der Alemannia-Spieler. Dafür war die Darbietung des Ensembles zu unterschiedlich, mal ein
Orchester aus einem Guss, mal ein
dissonanter Blockflötenkreis. Die
Stellen des Dirigenten oder Ersten
Geigers blieben verwaist.
★★★★✩
Nico Herzig: Der Rückkehrer verdrängte Seyi Olajengbesi, der in
der Hinrunde 2008/09 der bestbenotete Spieler war, vom „SterneThron“. Dabei profitieren die beiden Innenverteidiger jeweils von
den Qualitäten des anderen. Herzig ist unerbittlich in den Zweikämpfen, Olajengbesi besticht
durch sein Stellungsspiel.
Cristian Fiel: Hat seine besten Spiele, wenn die Schar der jungen Wilden um ihn herumwuselt und
ihm so Luft verschafft.
★★★✩✩
Kevin Kratz: Jung, kreativ, schnell,
ist mit wachsender Erfahrung ein
Versprechen für die Zukunft.
Aimen Demai: Der Neuzugang aus
Kaiserslautern ist ein feiner Fußballer, der mit dem Team aufblüht
und ebenso einknickt.
Manuel Junglas: Hat sich schneller
in den Kader gespielt als erwartet,
auf der Position im defensiven
Mittelfeld einsetzbar, aber vor allem offensiv eine Alternative.
Thorsten Stuckmann: Hatte einige
rabenschwarze Auftritte, die sich
bei Torhütern sofort auf der Anzeigetafel niederschlagen. Bestätigte
gerade in Duisburg wieder, dass er
das „Hand“-Werk beherrscht.
Daniel Adlung: Zeigte nach Startproblemen zuletzt viel kämpferischen und läuferischen Einsatz.
★★✩✩✩
Szilard Nemeth: Kann mehr? Zwei-
fellos verfügt der Slowake über das
größte fußballerische Vermögen.
Trotzdem ist der 32-Jährige das
größte Rätsel innerhalb der Mannschaft. Wird er falsch eingesetzt,
kann er in seinen Kurzeinsätzen
nicht ausreichend viel zeigen? Ist
er Systemopfer, oder ist seine Zeit
abgelaufen? Fragen über Fragen.
Thorsten Burkhardt: Hat sich bislang nicht als der „bessere Lehmann“ entpuppt. Im Gegenteil,
wirkt manchmal wie ein Fremdkörper im Gefüge.
Timo Achenbach: Läuft unverändert schnell, aber auch unverändert der Form der letzten Saison
hinterher.
Benny Auer: Topscorer mit sechs
Treffern, als Ein-Mann-Show überfordert und ausrechenbar. Verhungert oft im Sturmzentrum.
Mirko Casper: Landet in dieser Kategorie als perfekter Einwechselspieler. Immer bereit, wenn Not
am Mann ist.
Florian Müller: Hatte sich bereits in
den Vordergrund gedrängt, wurde
dann durch seine Verletzung zurückgeworfen.
Babacar Gueye: Sollte sich am
Ende der Saison weiter vorne wiederfinden – wenn der Strürmer
weiter als solcher auflaufen darf.
/ k.schmidt@zeitungsverlag-aachen.de
Die Bilanz einer
verkorksten Hinrunde
Es ist das Abbild einer verkorksten Hinrunde: Während
sich Alemannias Kicker in der
Hinrunde der Saison 2008/
2009 in der Bewertung unserer
Sportredaktion eine Durchschnittsnote von 2,75 erspielten, reichte es in der abgelaufenen Halbserie gerade einmal
im Schnitt für eine 2,30. Noch
ernüchternder ist die Tatsache,
dass der spielerische Vortrag in
15 Fällen noch nicht einmal
einen Stern hergab. Allein vier
Mal ging die Bewertung null
Sterne auf das Konto von
Thorsten Burkhardt.
Weiteres Indiz, dass nur wenig nach Wunsch gelaufen ist:
Während sich Thorsten Stuckmann in der letzten Saison
mit dem zweiten Platz begnügen musste – für einen Torwart schon ungewöhnlich genug – rutschte Aachens Keeper
diesmal auf den achten Rang
ab. Keine Bewertung erhielt
Abdul Özgen bei seinen beiden Einwechselungen, Thomas
Unger und die Langzeitverletzten Thomas Stehle, Andreas
Lasnik, Reiner Plaßhenrich
und Markus Daun hatten keine Einsätze.
Der vordere Wert stellt die
Durchschnittsnote dar, der
hintere die Zahl der bewerteten Spiele. (rom)
Die Rangfolge:
1. Nico Herzig
2. Cristian Fiel
3. David Hohs
4. Seyi Olajengbesi
Aimen Demai
6. Lukasz Szukala
7. Manuel Junglas
8. Thorsten Stuckmann
9. Mirko Casper
10. Daniel Adlung
11. Kevin Kratz
12. Timo Achenbach
13. Benny Auer
Florian Müller
14. Thorsten Burkhardt
15. Babacar Gueye
16. Szilard Nemeth
17. Patrick Milchraum
18. Hervé Oussalé
Jerome Polenz
Patrick Milchraum: Hat im Gegensatz zu früher, als dutzende Bewährungschancen ungenutzt verstrichen, zuletzt die Gelegenheit
beim Schopfe gepackt. Die Rückrunde muss zeigen, ob dies nur ein
kurzes Intermezzo war.
★✩✩✩✩
Hervé Oussalé: Der junge Stürmer
aus Burkina Faso erweckte nie den
Eindruck, dass er Fußball als
Mannschaftssport begreifen würde. Sinnfreie Aktionen mit dem
Ball wechselten sich häufig mit
rüden Attacken auf Gegenspieler
ab. Die Trennung ist absehbar.
✩✩✩✩✩
Neben den Langzeitverletzten
Thomas Stehle, Reiner Plaßhenrich, Markus Daun und Andreas
Lasnik fallen auch Thomas Unger
(kein Einsatz), Jerome Polenz und
David Hohs (je 1), Lukasz Szukala
(3) sowie Abdul Özgen und Alper
Uludag (nur Kurzeinsätze) in diese
Kategorie.
★★★★★ = ganz stark
★★★★✩ = prima Auftritte
★★★✩✩ = noch ausbaufähig
★★✩✩✩ = kann mehr
★✩✩✩✩ = das war nichts
✩✩✩✩✩ = nicht zu bewerten
bstiege bringen es mit
sich, dass Vereine etwas
Zeit brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen.
Bei Alemannia dauert es etwas
länger, sich neu zu sortieren
nach dem Gastspiel in der
Bundesliga vor zweieinhalb
Jahren. Ein paar personelle
Fehlentscheidungen zu viel an
entscheidender Stelle haben
den Prozess verzögert, die Einsicht, bei Trainer und Sportdirektor daneben gegriffen zu
haben, belasteten noch in dieser Hinrunde den Etat.
Vielleicht ist es so, dass auch
in Aachen die Lage erst so
hoffnungslos werden musste,
um die Verantwortlichen praktisch zu ihrem Glück zu zwingen. (Zu) lange hat Alemannia
die Kompetenz ignoriert, die
innerhalb der Stadtgrenzen
unterwegs ist und nach der
sich andere Klubs die Finger
lecken würden. Mit Erik Meijer
ist ein Anfang gemacht; er
wird wissen, wen er noch um
sich scharen sollte.
Alemannias
Winterfahrplan
Augen zu und doch den Durchblick:
Alemannias Innenverteidiger Nico
Herzig war der stärkste Spieler der
Hinrunde.
Foto: Imago/Frey
3,46/13
3,13/16
3,00/ 1
2,88/17
2,88/ 8
2,67/ 3
2,64/14
2,63/18
2,57/ 7
2,33/ 6
2,31/13
2,24/17
2,13/15
2,13/ 8
2,00/14
2,00/15
1,67/ 6
1,33/ 9
1,00/ 8
1,00/ 1
27. Dezember: Trainingsauftakt am Tivoli
(9.30 Uhr)
31. Dezember - 3. Januar: trainingsfrei
4. Januar: Wiederaufnahme des Trainings
5. oder 6. Januar: Testspiel (Gegner, Ort
und Anstoß noch nicht bekannt)
9. Januar: Testspiel bei Roda Kerkrade
(18.00 Uhr)
15. Januar: Rückrundenstart gegen den
Karlsruher SC (18.00 Uhr)