GDI Impuls Nummer 3. 2015, Das
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GDI Impuls Nummer 3. 2015, Das
Daniela Tenger Studie: Woran Manager glauben David Bosshart Ausblick: Retail-Disruption Emojis: die neuen Hieroglyphen Anatol Stefanowitsch Ideale Zeiten für Experimente. Wie sich der Handel zukunftsfähig machen kann. Probieren Sie mal ! Wissensmagazin für Wirtschaft, Gesellschaft, Handel Nummer 3 . 2015 62 ISSN 1422-0482 . CHF 35 . EUR 31 Thema: Retail-Disruption 4 AUTOREN > Märchen III: «Aladin und die Wunderlampe» 64 SUMMARIES THEMA 32 DIE ROBOTISIERUNG 116 SUMMARIES IDEEN, WORKSHOP 117 ZUSATZIMPULS > Pricing Anja Dilk . Heike Littger 118 GDI-STUDIEN 120 KONFERENZEN 34 BEZAHLE, WAS DU MEINST! 122 GDI GOTTLIEB DUTTWEILER INSTITUTE Was geschieht, wenn man es den Kunden überlässt, wie viel sie für ein Produkt oder einen Service ausgeben wollen. 124 GDI-AGENDA 2015/16 124 IMPRESSUM > Märchen IV: «Schneewittchen» 42 DIE DENKENDEN DINGE > Crowdfunding Marcus Hammerschmitt > Einzelhandel David Bosshart 44 IM BEWUSSTSEINSWARENHAUS 10 RETAIL-DISRUPTION Geld gegen Werte statt Ware gegen Geld – über den Boom von Crowdfunding und Mikromäzenatentum. Fünf Thesen zur Perspektive des Einzelhandels im digi talen Zeitalter. > Foto-Essay Michael Tewes > Märchen I: «Tischlein deck dich» 16 DIE LETZTE MEILE 50 DER EINE UNTERSCHIED Experimentieren bedeutet nicht, alles anders zu machen. Im Gegenteil: Man lässt alles, wie es ist – bis auf eins. > Intrapreneurship Gespräch mit Hans-Jörg Dohrmann 18 START-UP IN BIG BUSINESS Wie Start-up-Nischen am Rand der Konzernstruktur auch grossen Unternehmen Experimente ermöglichen. > Märchen II: «Aschenputtel» 22 DAS INDIVIDUALISIERTE PRODUKT > Trends Judith Mair, Bitten Stetter et al. 24 COUNTER-STORES Sechs Szenarien zur Zukunft des Einzelhandels von Studie renden der Zürcher Hochschule der Künste. 6 Ideen Workshop > Technologie Venkatesh Rao > Ernährung Bettina Höchli 68 DIE BÜCHSE DES PROMETHEUS 102 FAMILY-FOOD Wie die Potenziale des technischen Fortschritts gesell schaftlich am besten nutzbar gemacht werden. GDI-Studie: Wie, was und wo Schweizer Familien heute essen. > Soziologie Jonas Frick > Werte Daniela Tenger . Jakub Samochowiec 76 KONTROLLGESELLSCHAFT 110 WORAN FÜHRUNGSKRÄFTE GLAUBEN Die Methoden, Überwachung auszuüben oder sich ihr zu entziehen – und deren Wandel im digitalen Jahrhundert. Eine Umfrage des GDI unter Führungskräften über Wert haltungen, Glaubensfragen und Entscheidungsformen. > Wirtschaftstheorie Florian Josef Hoffmann > Empfehlungen 114 DAS RELEVANTE NEUE 82 DIE DIKTATUR DER KATALLAXIE Von und über Gartners Hype-Cycle, Theodor Adorno, Myon, Yanis Varoufakis und die Spitzel der DDR-Staats sicherheit. Ein Ökonomiemodell, in dem sichtbare Gemeinschaften wichtiger sind als die unsichtbare Hand des Marktes. > Kommunikation Gespräch mit Anatol Stefanowitsch 88 HIEROGLYPHEN 2.0 Wie Emojis heute verwendet werden, und wohin sich diese globale Bildsprache noch entwickeln kann. > Zwischenruf Christoph Giesa 94 THEIRDENTITY Wie betreibt man Identity-Management, wenn einem die eigene Identität durch andere zugeschrieben wird? 7 Judith Mair, Bitten Stetter et al. Counter-Stores GDI Impuls . Nummer 3 . 2015 Der Handel ist erschüttert – viele einst als unumstösslich geltende Strukturen und Institutionen wanken. Oder positiv formuliert: Es kommt Leben in die Branche, es entstehen neue disruptive Gestaltungs- und Spielräume. Die Studierenden des Masterstudiengangs «Trends» der Zürcher Hochschule der Künste haben diese Interpretation der Erschütterung als Chance aufgegriffen und sechs Szenarien zur Zukunft des Handels aus dem Jahr 2025 entwickelt. 1. NEAR-WANA anderer Lokalmedien sorgt dafür, dass Innovationen sich schnell landes- oder gar kontinentweit verbreiten können. Selbst die Big Player und Global Brands versuchen sich zu hyperlokalisieren. Sie investieren in «personal storytelling» und verstecken sich in kleinen, unschuldig anmutenden, oft von lokalen Architekten gestalteten Ladenlokalen. Ganz gleich, ob globale oder lokale Anbieter, es ist das Kleine, Nahe, Persönliche, Authentische und Nachvollziehbare, das Bindung, Vertrauen und Loyalität schafft. Im Spannungsfeld von Globalisierung und Lokalisierung gewinnen die persönlichen sozialen und kommunikativen Aspekte des Konsums an Wert. Anhand Nah-Essern, regionaler High-End-Gastronomie und «From farm to fork»-Restaurants lässt sich bereits heute erahnen, welche massiven Auswirkungen die Wiederentdeckung des Nahen und Vertrauten in naher Zukunft haben wird: Die Nachbarschaft wird zu einem ebenso zentralen Ort des Konsums, wie es einst die Einkaufsstrassen gewesen sind. Eingekauft wird in Nachbarschaftsläden und auf dem Wochenmarkt oder direkt am Ort der Herstellung; in den Produktionsstätten und Betrieben selbst. Gespräche über Herkunft und Hintergründe des Produktes schaffen Vertrauen. Lebensqualität, Zeit und Ruhe und der persönliche Kontakt haben Konsum, Besitz und Statusdenken abgelöst. Die Geschichten hinter den Produkten werden immer wichtiger für den Prozess der Kaufentscheidung und fliessen bewusst in Produktinszenierungen ein. Zum hyperlokalen Game-Changer entwickelte sich dabei ein Todeskandidat. Die Lokalzeitung, kurz davor, auf der Müllhalde der Mediengeschichte zu landen, machte mit dem Community-Service Near-Wana die Nähe wieder lebenswert. Vom Ayurvedakurs bis zum Ziegenkäse, alle Angebote aus dem Nahbereich werden bei Near-Wana getestet, und die lokale Verwurzelung garantiert, dass es, anders als bei den Trip-Advisors dieser Welt, keine Fake-Bewertungen sind. Die Kooperation über die Region hinaus mit den Near-Wanas WAS AUS DER GEGENWART IN DIESE RICHTUNG WEIST: Mit einer Plattform namens Swisscom Friends ermöglicht Swisscom seinen Nutzern, technischen Support von Privatpersonen in der Umgebung zu finden und zu nutzen. Wer will, kann sich auf der Plattform registrieren und als Swisscom Friend bewerben. Portale wie Nextdoor.com verstehen sich als «private social network for your neighborhood», per Karte kann man gezielt nach Nachbarn in der direkten Umgebung suchen, ein NewsFeed versorgt Mitglieder mit Neuigkeiten, Empfehlungen, Angeboten, Terminen oder einfach Tratsch aus der Nachbarschaft. 2. TINDER-SHOPPING Als die bequemste und unverfänglichste Möglichkeit, in unserer multioptionalen, schnelllebigen und durchdigitalisierten Welt zu einem Date zu kommen, gilt derzeit die Dating-App Tindr. Das Mitglieder-Profil ist kostenlos und in wenigen Schritten auf dem Smartphone erstellt. Einzige Voraussetzung 25 Trends . Counter-Stores . Judith Mair, Bitten Stetter et al. ist ein Facebook-Account, über den man sich einloggt. Hast du dein Konto einmal eröffnet, arbeitet die App auch schon allein für dich. So durchforstet Tindr in einem von dir vorgegebenen Radius nach Nutzern, die deinen Präferenzen entsprechen, und stellt dir eine Reihe von Bildern deines möglichen Herzblattes zur Verfügung. Voilà: Schon hat man zwanzig Leute auf seinem Mobiltelefon, die einem nicht nur gefallen könnten, sondern sich auch ganz in der Nähe aufhalten. Nun wird es heiss – Wisch nach links: gefällt nicht, Wisch nach rechts: gefällt. Ein hocheffizientes und zugleich fast spielerisch aufgeladenes Prinzip. Entscheidungen sind schnell und intuitiv, doch hinter dem einen Fingerwisch steckt jede Menge ein hoch personalisiertes Warenangebot – in Echtzeit und zum Greifen nahe. Und auch für all jene, die auf jegliche Form digitaler Personalisierung mit Misstrauen oder Ermüdung reagieren und lieber überrascht werden wollen, hat Tindr eine Lösung: Bei der Matchmaker-Funktion schlagen dir Freunde aus deinem Netzwerk Produkte vor, von denen sie denken, dass sie dir gefallen könnten – und Tindr by Coincidence liefert sogar Produktvorschläge von völlig unbekannten Personen. WAS AUS DER GEGENWART IN DIESE RICHTUNG WEIST: Mit der Web-Anwendung Tindddle können Mitglieder des KreativNetworks Dribbble gezielt nach Design-Arbeiten suchen, um sie dann (über das Kreuz-Symbol) verschwinden zu lassen oder (mit einem Herzen) zu ihrem Favoriten zu erklären. Auch bei der neuen mobilen App des Möbelhändlers Home 24 kann man, ähnlich wie bei Tindr, durch einfaches Wischen auf dem Screen einzelne Möbelstücke favorisieren oder aussortieren. Hast du einer Marke zehnmal eine Abfuhr erteilt, verschwindet sie für immer von deinem Screen. implizites Wissen. Besonders die Digital Natives der Generationen Y und Z zeigen sich äusserst geschult darin, aus dem Überfluss an Reizen und Optionen in nur einem Bruchteil von Sekunden genau das herauszufiltern, was für sie relevant und interessant sein könnte – ganz gleich, ob Dating-Partner, Tagesnachrichten, Urlaubsunterkunft oder Turnschuhe. Tinder-Shopping hat sich an diesen Selektionsmechanismus angelehnt. Du magst Sneakers, neonfarbig und nicht geschnürt? Schon poppen die ersten Angebote auf dem Screen auf. Ein kleiner Wisch nach links, und du lässt jedes Produkt fallen, das dir nicht gefällt. Hast du einer Marke zehnmal eine Abfuhr erteilt, verschwindet sie für immer von deinem Screen. «Shop until they drop!» Das setzt die Anbieter unter Druck, denn sie müssen es nun schaffen, ihre Angebote so zu inszenieren, dass sie nicht direkt vom Screen des Mobiltelefons gewischt werden; und sie müssen sich vom Spam-artigen Zumüllen aller Kommunikationskanäle mit Produktbotschaften verabschieden, wenn sie einen Kunden nicht verlieren wollen. Neue Chancen für den Handel im Zeitalter des TinderShoppings ergeben sich durch das immer genauere Bild, das die App von Zielgruppen und Kaufverhalten liefert, auf das mit einem immer individuelleren Zuschnitt des Produkt angebots geantwortet werden kann. Aktiven Tinder-Shopping-Kunden servieren Algorithmen auf dem Silbertablett 3. DIRTY SHOPPING Wann haben Sie damit aufgehört, den ganzen Tag auf dem Handy-Display Ihre Kalorien zu zählen? Wann waren Sie es leid, beim «Clean Eating» zu Fleisch-, Fett- und Zuckerlosigkeit verdonnert zu werden? Wann haben Sie das erste Mal wieder die total unvegane Lederhose angezogen – und sei es auch heimlich, nur für Sie und Ihren Badezimmerspiegel? Die ständige Arbeit an sich selbst mag zwar gut für Ihre Gesundheit und Ihr Gewissen gewesen sein, doch kostete sie vor allem Zeit, Lebenslust und nicht zuletzt Geld. Also, warum nicht einfach (wieder) das Leben geniessen? Servietten sind für Feiglinge – die Hose bezeugt die Ernährung der vergangenen Woche. Natürlich, es war ein harter Kampf. Schliesslich ging es bei dem Clean-Eating-Hype gar nicht um Gesundheit, sondern um Status und die Abwertung all derer, die nicht mitmachen wollten, wie der «Guardian» bereits 2014 schrieb: «Mostly it means: ‹I’m much better than you.› The opposite of clean is dirty.» Und «dirty» wurde denn auch das Motto der Gegenbewegung. Aus London schwappte «Dirty Fashion» auf den Konti26 GDI Impuls . Nummer 3 . 2015 WAS AUS DER GEGENWART IN DIESE RICHTUNG WEIST: Der nent: seit den Sechzigerjahren nicht mehr verwendete Polyesterfasern, giftbunt, chemiegefärbt und schweissfördernd – der strenge Geruch machte den Style erst richtig radikal. Berlin steuerte «Dirty Food» bei: Ausgehend vom Döner mit extraviel Knoblauchsauce wurde aus allen Poren tropfendes Ganzkörperessen angesagt. Servietten sind für Feiglinge, die Hose bezeugt die Ernährung der letzten Woche. «Dirty Shopping», in Barcelona entstanden, rundet den Proteststil ab: In den «Seconds»-Filialen beispielsweise dürfen nur Klamotten gekauft werden, die man gleich anbehält – und das zuvor getragene Teil muss dafür im Laden bleiben und wird auf den Bügel gehängt. Auch McDonald’s hat sich dem Dirty-Trend angepasst: Das M im Logo ist nicht mehr golden, sondern neongelb, Salate, Smoothies und Veggie-Burger sind aus dem Programm verschwunden, und der neue Bestseller auf der Karte ist das legendäre Elvis-Sandwich – mit Erdnussbutter, Speck, Banane und 2000 Kalorien. Limonadenhersteller Fritz-Kola wirbt für seine Bio-Saftschorlen in der aktuellen Kampagne mit selbstironischen Claims wie «Wer Körner frisst, muss auch was trinken» oder «Doch lieber ne Tofu-Schorle?». Das New Yorker Milchreis-DessertRestaurant Rice to Riches versteht sich als «Reich der Kalo rien und der Unvernunft» und nimmt mit Sprüchen wie «No skinny bitches», «Big is beautiful» und «We put the XXX in the XXXL» den kalorienarmen Lebensstil der gesundheitsfixierten Mittelklasse auf die Schippe. 4. POE: PLACE OF EXPERIENCE Überall im Leben bedeutet «handeln», dass man etwas tut. Aber was machte der Einzelhandel bislang? Nicht viel mehr, als seine Regale aufzufüllen und auf Kunden zu warten. Das ist jetzt vorbei: Der stationäre Detailhandel verkauft keine Produkte mehr. Seine neue Rolle ist es, die Menschen agieren zu lassen und dem öffentlichen Raum neues Leben einzuhauchen. 27 Trends . Counter-Stores . Judith Mair, Bitten Stetter et al. Er präsentiert das Produkt als sinnliche Erfahrung; das Produkt in Aktion und Gebrauch; das Produkt als Erlebnisplattform. Aus dem Point of Sale, der heiligen Kuh aller Marketingstrategen, wird der Place of Experience. Nikes neues Retail-Konzept heisst seit 2023 «Laufen erleben». Der Shop ist eher ein Fitnesscenter, wo man die online zusammengestellten Schuhe seiner engeren Wahl direkt ausprobieren kann – inklusive Work-out und Lauf durch die Stadt, mit all jenen Messdaten, die anzeigen, ob der Schuh sich nicht nur gut anfühlt, sondern auch physiologisch gut geeignet ist. Und vor allem: welcher Schuh am besten geeignet ist. Kennenlernen, ausprobieren, verstehen. Das Produkt, den Service, die Nike-Experten und, ja, ein Stück weit auch sich selbst. Am Place of Experience geht es eben um weit mehr als nur um die Erfahrung mit einem Produkt – denn Erfahrungen macht immer der Mensch. Und Amazon lehnt sich mal wieder besonders weit aus dem Fenster. Wie jeder Content-Verkäufer, der etwas auf sich hält, bietet der ehemals reine Online-Buchhändler an vielen Orten Vorträge, Lesungen, Diskussionen an. Aber seinen PrimeKunden, von denen das Unternehmen ja besonders viel weiss, schlägt Amazon gleich noch ein paar Fragen vor, die sie dem Vortragenden stellen könnten. Etwas vorwitzig sei das, befinden manche Kunden; aber sowohl aus den ihrer Meinung nach passenden wie aus den unpassenden Fragen lernen sie exklusives Fitnessstudio und Showroom in einem – wenn auch nur für eine selektierte Kundschaft aus Trendsettern, Redaktoren und Social-Media-Kennern. 5. THE WHITE ROOM Das Geschäftsmodell des Warenhauses war es, alles zu haben. Das ist gescheitert, vom Internet und den Filialisten zerstört worden. Da könnte es ja erfolgreicher sein, wenn man einfach das genaue Gegenteil des Warenhaus-Geschäftsmodells versucht. Und was wäre das genaue Gegenteil? Richtig: nichts zu Bei der virtuellen Anprobe sehe ich direkt, ob mein Geschenk dem Beschenkten überhaupt steht. haben. Und damit: Willkommen im White Room! Diese gerade überall aufkommenden Shops sind in der Tat weiss und leer – bis auf die hochsensorische Hologrammtechnik, die sich im Hinter- und Untergrund versteckt. So können das Sortiment, ja ganze Markenwelten, per «Touch ’n’ Click»-Verfahren in die Räume geladen werden. Ändert sich etwas an der Kollektion, ist die jeweilige Marke in der Lage, in ein paar Sekunden die Projektionen anzupassen. So kann man durch die Reihen flanieren und interessante Stücke vergrössern. Neben dem Preis sind der Herstellungsort und die Machart abrufbar, aber auch individuelle Informationen: Wer aus meiner Private Cloud fand das Shirt, das mich interessiert, schon vorher interessant oder hat es gekauft? Die virtuelle Anprobe via Hologramm-Projektion zeigt zudem, wie das favorisierte Stück an einem selbst aussehen würde. Und auf Wunsch sogar, wie es an einem veränderten Selbst aussähe: Lohnt es sich, für das neue Sommerkleid zwei Kilo abzunehmen? Wie trägt sich die Umstandsbluse im achten Monat? Den Durchbruch schafften die White Rooms jedoch mit der «Gift I-D»-Funktion: Wenn man ein Geschenk sucht, bekommt man auf Basis der gespeicherten Daten der Cloud eine passgenaue Auswahl an Produkten, welche für den zu Beschenkenden interessant sein könnten. Je nachdem, wie gut die Datenbasis für diese Person ist, kann man auch für sie eine virtuelle Anprobe machen. Der gute alte «Hochzeitstisch», auf dem einst das Brautpaar im Kaufhaus seine Geschenkwünsche stapelte, wird so wiedergeboren – ganz in Weiss. Seinen Prime-Kunden schlägt Amazon Fragen vor, die sie nach dem Vortrag stellen könnten. ein wenig mehr darüber, wie sie von Amazon gesehen werden. Und der Konzern wiederum lernt aus jedem Feedback, das er bekommt, ein bisschen mehr darüber, wie er seinen nächsten Place of Experience gestalten sollte. WAS AUS DER GEGENWART IN DIESE RICHTUNG WEIST: Es halten sich Gerüchte, dass Amazon plant, einen stationären Laden in Manhattan zu eröffnen – die Fläche direkt am Empire State Building wäre vorhanden, ist aber noch untervermietet. Der Online-Fashion-Händler Zalando betreibt inzwischen erfolgreich zwei Outlet-Stores in Berlin und Frankfurt. Der bereits in New York eröffnete Fitness-Hub 45 Grand von Nike ist 28 GDI Impuls . Nummer 3 . 2015 WAS AUS DER GEGENWART IN DIESE RICHTUNG WEIST: Mit ihrem fast direkt verfügbar. Man muss nur zugreifen. Das reale Leben wird zur Inspiration. Genormte Schaufensterpuppen weichen Menschen aus Fleisch und Blut. Apps wie Shazam, die zur Musikerkennung dienen, werden auf sämtliche Konsumbereiche überschwappen. Die Herkunft der Hose der Sitznachbarin in der Bahn und der Haarfarbe der Agenturchefin werden per Scanning-App für mich erkennbar und verfügbar sein. Ein Klick genügt, um zu wissen, bei welchem Schönheitschirurgen die Nachbarin war oder wie teuer die Bluse der Galeristin tatsächlich ist. Ein weiterer Klick, und das entsprechende Produkt ist gekauft – und vielleicht bekommt die Nachbarin sogar Provision dafür. Um ihre Produkte im Alltag und auf der Strasse präsent zu machen, setzen die Hersteller nämlich auf gesponserte Markenbotschafter, die ihre Produkte in ihrem Alltagsweg scheinbar nebensächlich präsentieren und inszenieren. «Showping» heisst der neue Trend, bei dem Produkte weder in Schaufenstern noch auf Catwalks präsentiert, sondern im (fast) normalen Leben gezeigt werden. Konzept für die Einkaufssimulation «Future Hunter-Gatherer» gewann die Chinesin Pan Wang 2014 den ersten Preis des Electrolux Design Lab. In ihrem virtuellen Kauferlebnis lässt sie Konsumenten Lebensmittel, die durch Hologramme in den Raum projiziert werden, jagen, fischen oder sammeln. «Future Hunter-Gatherer» ermöglicht einen virtuellen Lebensmitteleinkauf, der durch Simulationen spielerisch räumlich erlebbar gemacht wird. Die Informationen zu den im Spiel erbeuteten Nahrungsmitteln werden an einen Lebensmittel laden weitergeleitet, der die erbeutete und gesammelte Ware zusammenstellt und nach Hause liefert. 6. SHOWPING Schlange stehen vor Umkleidekabinen und Kassen, nervtötende Kaufhausmusik und aufgesetzt freundliche Verkäuferinnen – darauf werden wir in Zukunft verzichten können. Produkte begegnen uns zukünftig dort, wo sie gebraucht und genutzt werden, im Alltag, auf der Strasse, mitten unter uns, und sind 29 Trends . Counter-Stores . Judith Mair, Bitten Stetter et al. WAS AUS DER GEGENWART IN DIESE RICHTUNG WEIST: Das Diese neue Form des Einkaufens verändert auch die Produktion; der Konsument will auch hier mitentscheiden. Das geht ebenso schnell wie der Einkauf selbst: Die Farbe, das Material, der Schnitt, und natürlich der Preis, alles wird konfigurierbar. israelische Start-up Awear Solutions arbeitet an einer Technologie, anhand derer beliebige Kleidungsstücke in einem Umkreis von zehn Metern per App gescannt, identifiziert und gekauft werden können. Auch Zalando will seine App um eine Bilderkennungsfunktion erweitern, bei der Kunden ein Foto von einem Outfit als Vorlage verwenden können, um im hauseigenen Online-Katalog nach ähnlichen Looks beziehungsweise Schnitten, Farben und Mustern zu suchen. < Man muss nur noch denken, dass einem ein Kleidungsstück gefällt, schon landet es im Warenkorb. Die App wird mich fragen, ob ich die Hose lieber zum Originalpreis von Nike, Levis oder Prada beziehen möchte, ob es die kostengünstigere Kopie vom neuesten Copy-Näh-Shop auch tut oder ob ich sie mit dem 3-D-Drucker zu Hause selber ausdrucken will. Für die nächste App-Generation wurde bereits eine Gefühlssteuerung angekündigt: Dann muss man nur noch denken, dass einem ein Kleidungsstück gefällt, und schon landet es, ganz unverbindlich, im Warenkorb. Die Beteiligten Unter der Leitung von Bitten Stetter und Judith Mair im Austausch mit dem Lehrstuhl für Medien- und Kulturwissenschaften der Zeppelin Universität haben sich Tanja Herberth, Yaël Kölliker, Kevin Kretzer, Angela Schmidt, Nico Schürch, Beatrice Sierach, Lora Sommer, Nina Swager van Dok den «Counter-Stores» gewidmet. 30 «Wie für schwammige Körper gibt es dann Fitness-Studios für den schwammigen Geist.» Dieter Haller im GDI Impuls 4.14 Bestellen Sie Ihr Abonnem ent unter www.gdiimpuls.ch GDI Impuls – stellt die richtigen Fragen Trends einordnen, Zusammenhänge erkennen, Strategien entwickeln. GDI Impuls – die Pflichtlektüre für Vordenker und Entscheider. > Jahres-Abonnement GDI Impuls (4 Ausgaben pro Jahr) zum Preis von CHF 120.-/ EUR 105.- (inkl. MwSt., exkl. Versandkosten) Information und Bestellung Infos, Bestellung und Summaries aller Artikel: www.gdi-impuls.ch > Schnupper-Abonnement 2 GDI Impuls-Ausgaben zum Preis von CHF 45.-/EUR 39.(inkl. 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