Rezensionen für Amazon

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Rezensionen für Amazon
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Rezensionen für Amazon
Zur Erklärung meiner Rezensionen gehört die Wahl der Form. Sie basiert auf den drei
Gestaltungsebenen eines Kunstwerkes: Das Werk, also die Fakten, der Verlauf, die jedem
hör- und sichtbaren Handlungsabläufe, sodann die Ethik als die Antwort auf die WarumFragen zur Schaffung dieses Werkes und seiner Urheber, und zum dritten die schöpferische
Erfüllung dieses vorliegenden Werkes. Ferner bedeutet ein Kunstwerk eine Botschaft, die
durch schöpferische Prozesse in drei Gestaltungsebenen einmalig und unwiederbringlich,
also nicht wiederholbar, geformt wird.
In der Rezension zu „Tomboy“ habe ich, der Hauptdarstellerin zu Ehren, diese Erklärung zur
Grundlage meiner Besprechungen erklärt.
Bislang sind nur zwei Rezensionen abgelehnt; ich habe sie noch einmal überarbeitet, aber
Korrekturen sind nicht mehr möglich, also auch keine formalen Zugeständnisse an den Bedingungskodex dieses Versandhandels.
Wir halten trotzdem fest, dass hier das mir einzig sinnvolle und möglich gemachte Forum
geöffnet scheint, auf dem Menschen ihre Empfindungen und Eindrücke, aber auch ihre zu begründenden Beurteilungen der Öffentlichkeit vorstellen können. Sie sind allerdings erst dem
Suchenden zugänglich, wenn er sich seinem Thema schon so weit genähert hat, dass er mit
seiner Suche nach dem Medium erfolgreich wurde.
Die Rezensionen sind meinen Filmkritiken entnommen und in Form und Inhalt überarbeitet.
Folgende Filme wurden rezensiert an amazon übergeben:
An einem Tag wie jeder andere
Billy Elliot – ich will tanzen
Blöde Mütze
Brennendes Geheimnis
Brücke nach Terabithia
Colossus
Contact
Das Dorf der Verdammten
Das Glücksprinzip
Das Mercury-Puzzle
Das Wunderkind Tate
Der Club der toten Dichter
Der Flug des Navigators
Der geheime Garten
Der Junge im gestreiften Pyama
Der kalte Himmel
Der kleine Lord / Lord Fauntleroy
Der kleine Muck
Der Klient
Der Tank
Die Farben des Paradieses
Die Feuerzangenbowle
Die Reise nach Sundevit
Die unendliche Geschichte
Die Wildnis ruft
EVA
Gregs Tagebuch –von Idioten umzingelt
Hamlet (Laurence Olivier)
Heimliche Freundschaften
Herz aus Stein
Himmel und Hölle
Hugo Cabret
König der Diebe
Krieg der Knöpfe
Krümelchen
A.I. Künstliche Intelligenz
Les Choristes
Die Abenteuer des kleinen Indianders Little Tree
Nathan der Weise
Oberstadtgass
Radio Flyer
Saint Ralph – ich will laufen
Schlaflos in Seattle
Mein großer Freund Shane
Das wundersame Leben des Timothee Green
Tomboy
Unser neuer Bruder
VITUS
Wege nach Hause
Wer den Wind sät
Herr der Fliegen (nicht publiziert)
Fahrenheit 451
Amadeus
A beautiful mind
A Town torn apart
Albert Schweitzer – (nicht publiziert)
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Hasenherz
Wilder Days
Das Geheimnis der Spiderwicks
Beim Leben meiner Schwester
The Lost Son – der Zorn des Jägers
Valo und Ville
Witness – der einzige Zeuge
Die Spur des Windes
Der Italiener
Eine Hand voll Gras
Mariken
Die Brüder Löwenherz
Die Kinder der Verdammten
Die geheime Festung
Die letzte Legion
Vogelscheuche
Machuca
Spuren im Schnee
Vorstadtkrokodile
Die 7. Papyrusrolle
Es geschah am hellichten Tag
Noch zu bearbeiten:
Pole Poppenspäler (Walter Richter)
Wallenstein
Don Giovanni (1954 Salzburg)
Johannes-Passion (Harnoncourt / Tölzer)
Weihnachts-Oratorium (Harnoncourt / Tölzer)
Überschrift
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An einem Tag wie jeder andere
Vorbemerkungen
Da die DVD im Vorspann die Personen und ihre Darsteller nicht zugeordnet aufführt,
benutze ich hier die Angaben der Illustrierten Filmbühne. Roman und Drehbuch: Joseph
Hayes / Regie: William Wilder / Dan Hilliard: Fredric March / Eleanor Hillard: Martha Scott
/ Cindy Hilliard: Mary Murphy / Ralphie, 9 J.: Richard Eyer / Chuck Wright: Gig Young /
Glenn Griffin: Humphrey Bogart / Hal Griffin: Dewey Martin /Robish: Robert Middleton /
FBI-Beamter: Alan Reed / Sheriff Bard: Arthur Kennedy/Sheriff Master: Ray Collins /
Winston: Burd Freed
Das Werk
Um sich vor Verfolgung in Sicherheit zu bringen, überfallen drei Ausbrecher am frühen
Vormittag eine Vorstadtfamilie und benutzen sie als Geiseln.
Während des nervenzerrenden Schacherns um perfekte Flucht bleiben Entdeckungen nicht
aus, und das Liquidieren durch die Gangster auf beiden Seiten nimmt ihren Lauf. Brutalität
und Psychoterror zermürben Vernunft und Vorsicht. Dennoch behält der Vater der Fa-milie
den Überblick und lässt die Schlinge der Polizei sich immer sicherer um das Anwesen
zusammenziehen.
Anders als im Buche, wird der Konflikt hier kinodramatisch zwischen den beiden Männern
gelöst – auf den Trümmern dreier grauenvoller Tage der Angst bleibt der Erhalt der Familie
endlich garantiert.
Der ethische Aspekt
Terror ist keine Taktik, sondern verseuchter Auswurf deformierter Existenzen. Mögen
Einschüchterung und Drohungen mit der blanken Waffe in diesem Falle der Hausbesetzung
„begründbar“ erscheinen, lösen sie nur Abscheu und listenreiches Planen aus, um Kinder und
Frau heil entkommen zu lassen. Das auf dem Rasen ausgemachte Kinderfahrrad lässt die
Gunst der Stunde noch höher erscheinen, mit Kindern als Geiseln noch leichter in die Freiheit
zu gelangen, als hätte man „nur“ Frauen oder andere Erwachsene in seiner Gewalt.
Geiselnahme an sich erregt schon Abscheu, aber Mörder mit Kindern als Schutzschilde
widern nur noch an.
Der „Krieg“ Gangster gegen öffentliche Ordnung und Schutz der Bürger ist schon verloren,
als die Mörder das Haus besetzen. Keine Diplomatie, kein Momentversprechen kann den
späteren Zugriff der Polizei wirklich außer Kraft setzen. So hat es der jüngste zuerst begriffen
und laut ausgesprochen, aber auch er stirbt, als er auf der Flucht die Nerven verliert und einen
Polizisten niederstreckt.
Für wenige Stunden spielt sich ein Despot nach oben, der sich sogar noch zum Anwalt der
Unterdrückten machen möchte. Wie besessen pokert, poltert, tyrannisiert der Anführer, nutzt
seine Überlegenheit des Bewaffneten aus und muss doch erkennen, dass er die Würde der
Menschen besudelt, die ihm vielleicht noch einiges nachgesehen hätten, wäre er seiner
Verantwortung gerecht gewesen. Aber seinen Mitstreitern die Tochter als Beute anzubieten,
besiegelt seinen Untergang.
Der Film soll nicht zeigen, dass man sich zum Helden, zum Befreier seiner Familie machen
muss, sondern soll der aberwitzigen Hoffnung entgegenwirken, es bestünde irgendwann für
irgend jemanden eine Chance, Verständnis für Geiselnahme zu wecken.
Erpressung, Geiselnahme, Psychoterror ziehen den Tätern noch vor ihrer Ergreifung die
Maske vom Gesicht. Wehe dem Volke, das sich einreden lässt, der Verfolgte habe ein Recht
auf seinen „Notgriff“! In diesem Falle muss sich der Staat durchringen, dem Terror mit jenen
Mitteln zu bekämpfen, die zur Rettung der Opfer, nicht der Täter, letztlich einzusetzen sind,
wenn alle Vernunft, alle Verhandlungen gescheitert sind.
Das Verhalten der Polizei wird in seinem Gespaltensein drastisch vorgeführt. Die Motive
erweisen sich als variabel: Dem einen dient die Lösung des Falles zum Erklettern der
Karriereleiter, dem anderen, um vor der Presse bestehen zu können, dem dritten, um dem
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Racheakt Griffins zuvorzukommen, der vierte fühlt sich als Kriegsheld aufgerufen. Dennoch
entscheidet der FBI-Beamte richtig – aus Menschenkenntnis, aus Vernunft, zum Schutze der
Geiseln und nicht zum Ruhme uniformierter Jagdgenossen.
Aber bis zum letzten Augenblick leiden die Opfer. Dieses Leiden vorzuführen, nimmt der
Film vorweg, denn später bleibt keine Zeit mehr. Ist das Wild erlegt, gehen die Schaulustigen
ihrer Wege. Der schöpferische Vollzug
Eine „Durchschnittsfamilie“ sucht nicht das Risiko, das Abenteuer, um mit familiärer
Sicherheit aus Lust am Spiel zu pokern. Aus Bürger- und Bandenkrieg hält man sich heraus,
weil es der Natur seit jeher widerstreben muss, sich gewaltsam Dinge anzueignen. Man ist
anständig aus Überzeugung, auch aus Erziehung, aber immer mit dem Respekt vor der Würde
anderer im Herzen. Das muss man solchen Familien zugestehen, sonst funktionierte
beispielsweise keine Nachbarschaftshilfe, kein friedfertiges Nebeneinanderleben! Dieses
Bürgertum wurde nur zu gern als spießig verhöhnt. Aber es bildet das Rückgrat für
Friedenswunsch, für Ehrerbietung, Anerkennung ehrlich erworbener Verdienste. Und so
schießt der Anführer der Ausbrecher mit seinen Argumenten ins Leere, er habe die Richtigen
ausgesucht und lasse sie für das büßen, was er und seine Kumpane nicht hatten haben dürfen.
Diese Menschen, die er genüsslich bedroht, nahmen ihm nichts fort.
Hass gegen Unterdrücker und Ausbeuter begründen Revolutionen. Camus sagt: „Ich
revoltiere, darum bin ich!“ Das ist ein Prinzip als Antwort.– Die terrorisierte Familie sucht
lediglich ihr Glück zu sichern und zu mehren, ohne anderen die Rechnung für alles
auszustellen, was sie sich vergebens gewünscht hatten. Mit den Möglichkeiten leben und die
legalen Mittel erkennen, mit denen sie zu realisieren sein werden, gehört mit zur Lebenskunst.
Ein Gangster besitzt diese nicht, sondern bedient sich aus vollen Töpfen, die andere mit dem
Wunsche gefüllt hatten, sich damit existenzielle Sicherungen zu verschaffen. Störtebeker wird
als Nationalheld gefeiert, weil er von seinen Raubzügen der Hinterlandbevölkerung
Ostfrieslands abgegeben habe. Die Frachtschiff-Seeleute auf den Handelskoggen wollten
ihren Familien von der Heuer ein Leben in Anstand ermöglichen, und die „Likedeeler“
schickten sie auf den Grund des Meeres. Hier stimmen die Relationen doch nicht, wer denn
nun gefeiert werden darf!
Auf diesen Film bezogen, von ihm ausgehend, stößt man auf ein merkwürdig abgegriffenes
psychologisches Drucksystem: Wenn ein besonderes Fingerspitzengefühl zur Lösung mit
möglichst geringstem Opfer verlangt wird, setzt irgendein „Verantwortlicher“ den
Verhandelnden oder behutsam Operierenden sehr knappe Fristen. Der Zeitfaktor ist
unverantwortlich. Auch in anderen Fällen, aus dem Leben gegriffen, werden Menschen unter
Zeitdruck gebracht, weil irgendjemand Erfolge vorzuweisen habe. Hilliard bekommt nur 10
Minuten, um selbst das Problem zu lösen und den Rest der Familie in Sicherheit zu bringen.
Der Zeitfaktor ist irrwitzig. Aber ein tapferer Durchschnittsbürger schafft es, die Familie in
Sicherheit zu bringen, die verbleibenden Gangster der Polizei vor die Gewehrläufe zu treiben
und sein Haus vor der Verwüstung des Sturmangriffs der Behörde zu retten! So wünscht man
sich das.
Nach der Haussäuberung wird man nicht erwarten wollen, dass sich die Familie ab jetzt, zur
brutalen „Realität“ bekehrt, in ähnlicher Denkweise am Leben und den Gewinnen anderer
schadlos halten wird. Hat der Kammerjäger sein Werk vollbracht, wird man säubern müssen.
Dann lebt man wieder.
Was der Film nicht mehr zeigen kann, aber vermuten lassen möchte, sind die Spätfolgen
dieser Angststunden. Wer kümmert sich um diese geschundenen Menschen? Am Staate muss
niemand verzweifeln. Seine Organe haben ihr Mögliches getan. Groll ist nicht geraten – vor
solchen Überfällen kann auch die beste Polizei zunächst nichts unternehmen. Aber auf die
Solidarität einer sehr breiten Mehrheit mit den Opfern in den Fängen des Terrors darf man
rechnen. Man wird sich auf die Menschen und ihren Sinn für Recht oder Unrecht verlassen
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können. Man bekommt von keiner Presse eine Rechnung über das ausgestellt, was man alles
falsch machte, anders hätte machen müssen. Das tröstet. Und das zeigt auch, dass dieser Film
schon vor längerer Zeit in die Kinos gekommen war. Ich habe ihn gesehen, bevor ich die
Schule verließ. Die Botschaft des Films gilt nicht mehr in allen Punkten. Jenseits aller
Rachegelüste, aber als klare Absage an alle Gewaltverbrecher, ist dieser Film leider
inzwischen Geschichte. Die Weißwäscher auf den Kanzeln der Werteverdreher haben das
Wort, und so wird die Würde des Leidens zu psychiatrischem Frikassee gleichmacherischer
Emotionen in wehendem Vergessen zerredet.
Überschrift
Billy Elliot – in Anlehnung der TV-Dokumentation „Adrian will tanzen“
Vorbemerkungen
Adrian ist ein Junge von 10 Jahren – heute ist er volljährig und körperlich ins Hintertreffen
ausgereizt worden -, der sich schon sehr früh für das Tanzen begeistern konnte und auch den
Mut besaß, arttypische Verhaltensmerkmale nicht zu bestätigen wie Fußball spielen / heiser
sprechen / in Rudeln leben wollen / „in sein“ zu müssen / machen, was Papas Welt von ihnen
will.
Hingegen hat der Junge großartige Fürsprecher: Die Mutter trägt seine Gesinnung, der Vater
verteidigt seine Entscheidung für das Tanzen, auch gegen das Klischee „normaler Junge“ und
die Frage: „Was machste, wenn der schwul wird?“
Das Werk
Nur zu gern schnappt die Falle der Vorurteile zu, wenn über diesen Film geredet wird. Billy
habe sich mit einem „schwulen“ Freund eingelassen!
Bei Kindern fällt dieses Verhalten unter eine Bewertung, die abzulehnen ist. In diesem Alter
von Veranlagungen zu reden, halte ich für vorschnell. Statt dessen habe ich eher den
Eindruck, dass Homosexualität sich gern kindliche „schwul Veranlagte“ ins Bett argumentieren, weil sie sich ja drauf eingelassen hätten oder schon in dieser Richtung sich hätten
festlegen lassen. Wenn der Freund in Mädchenkleidern sein Selbstverständnis immer wieder
durchspielt, ist damit längst nicht gesagt, dass er dies aus „Veranlagung“ tut, sondern eher ist
ein enormer Mangel an Liebe zu beklagen, den die Schwester offensichtlich nicht hat und
deshalb den Bruder unbeabsichtigt benachteiligt. In Mädchenkleidern wechselt das nach
Liebe hungernde Kind seine Rolle und hofft so, akzeptiert zu werden. Es mag noch andere
Gründe geben, aber der Wunsch „echter Männer“/Väter, einen kapitelfesten echten Jungen
erziehen zu müssen, gebiert so manches Verstörtsein, das sich womöglich noch bei Freunden
den Schutz erbittet, den die Mutter oder die Eltern nicht zu geben bereit sind.
Billy ist jedoch persönlichkeitssicher – er sagt das klar, indem er betont, dass Ballett-Tanz
nicht automatisch bedeutet, nun auch homosexuell sein zu müssen.
Dass er deswegen aber seinen Freund vor den Kopf stoßen muss, geht dem Jungen nun
wirklich nicht auf. Allerdings wehrt er sich in heftiger Attacke gegen einen Jungen in London
im Umkleideraum, der ihm „zu nahe“ gekommen ist.
Den Arm um die Schulter zu legen, ist er weder vom Vater noch vom Bruder gewöhnt – und
er wächst ohne Mutter auf. Und weil er gereizt ist, bricht in ihm Wut aus. Das ist auch für ein
schöpferisch begabtes Kind möglich, aber deutet zugleich auch an, dass nicht die musikalischtänzerische Herausforderung durch die Prüfung das Problem ist, sondern die sture Verschwiegenheit, einen solchen Jungen ohne ein Zeichen der Ermutigung nach Hause in die qualvolle
Ungewissheit fahren zu lassen. Hier liegt ein sehr schweres pädagogisches Verhalten, und als
der Junge ausbricht und um sich schlägt, gibt´s noch eins oben drauf.
Der ethische Aspekt
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Anders als im Leben Adrians findet Billy seinen Zugang zu seiner Erfüllung durch Trotz
gegen den Rest seines Umfeldes. Die Ballett-Lehrerin probt „zufällig“ und nur, weil ihr
früherer Probenraum nicht zugänglich ist, mit ihren Mädchen, als Billy auf sie trifft. Wie von
einem Magneten angezogen, steigt er probeweise ein, und die Lehrerin, oft auch rauchend,
erblickt mit scharfem Auge die körperlichen Voraussetzungen für das Tanzen. Ab da braucht
sie viel Geduld, um das dramatische Gemüt dieses Jungen in Selbstdisziplin einmünden zu
lassen. Was sie da unter Mühen und schäbiger Behandlung durch Vater und Bruder Elliot da
heranbildet, gedeiht zu voller Blüte, und als ihr begabtestes Talent schließlich in Londen die
Aufnahmeprüfung besteht, ereilt auch sie das grausame Schicksal, dass sie einen ihr ans Herz
Gewachsenen gehen lassen muss – wohl aber in der Gewissheit, dass er sein Glück dort
machen wird.
Unmissverständlich zeigt der Film, dass ein solches Kind sich nur entwickeln konnte, weil ein
anderer, befähigter Memsch aus Idealismus eingegriffen hatte.
Auch geht der Film auf die Problematik der kindlichen Körpererfahrung ein. Der Freund liebt
ihn auch in körperlichem Begehren, was Billy ablehnt, und der Tochter seiner Tanzlehrerin
gilt sein Interesse auch nicht, obwohl sie ihm zärtlich zu verstehen gibt, was er ihr bedeutet.
Billy prügelt einen Prüfling von seiner Seite, als er sich nach dem Vortanzen in London
wieder umziehen will, und man wirft ihm Jähzorn vor. Am Ende fährt er mit dem Gefühl,
versagt zu haben, und mit der Enttäuschung für alle, die an ihn glauben, nach Hause. Um so
tiefer greift die Schilderung der Szene, als der Brief aus London die Zusage bringt und der
Bann zwischen den Familienmitgliedern endgültig gebrochen ist.
Der schöpferische Vollzug
Elliot´s Geschichte ist zwar ein „Einzelschicksal“ (symptomatisch für alle dieser Art!), nimmt
uns jedoch ernst genug bei der Hand und fordert uns auf, all die übrigen Schicksale hochbegabter Kinder einmal durchzuspielen, um sich klar darüber werden zu können, wie viele
tatsächlich „ihre Chance“ bekommen, und wir haben uns zu fragen, wo, wann, wie und wem
wir unsere Hand nicht geboten haben, um ein sehnendes junges Wesen zu sich selbst finden
zu lassen!
Gott ist nicht nur mit den Erfolgreichen, wie der Calvinismus lehrt, sondern hat mit seinem
Schöpfungsgeiste in uns allen Wohnung genommen. Und darf dieser Körper, darf der Geist
das, was ihm von Natur aus zuerteilt bleibt, erblühen die Fähigkeiten eines jeden Kindes.
Wenn aber Bildung an privaten Initiativen als Begabungsentdecker und anschließend selbstlos
fördernden Lehrern gebunden bleibt, und das tut es in den meisten Fällen, dann haben wir
keinen Grund, „stolz“ auf irgend etwas zu sein, was nicht zielgerade darauf sich hat hin
entwickeln dürfen. Was wir verhindern, wird uns eines Tages zur Last gelegt und auf das
Gewissen zentnerschwer drücken. Und wissen wir dann, was uns in der Stunde des Todes vor
die Sinne gerufen wird, und wir können es nicht abstreiten? Was wissen wir, was auf uns
wartet, bevor die Seele ihre Wohnung aufgibt, was an uns klebt, was wir loswerden müssen
und doch fühlen, dass wir es nicht können?
Heißt es nicht: Was ihr einem meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan? Und was
wäre das dann, wenn nicht Förderung?
Großartig jene Eltern, denen das Talent ihres Kindes persönlich nichts sagen kann, sie es aber
dennoch fördern, weil es ein Kind ist, das sein Leben in den Händen der Eltern weiß! Als
Billy sich durchsetzen konnte, weil seiner Tanzkunst einfach kein Argument mehr
entgegenzusetzen war, stand die Familie hinter ihm. Aber was für Tränen, Ängste, Zweifel
müssen den Jungen belastet haben, und welche Kräfte hat es gekostet, dass er seinen Weg
gegen alle Widerstände hat gehen wollen? Und auf welche verletzenden Schreie der
Verzweiflung wird er sich besinnen müssen, mit denen er sich seiner Gönnerin und Lehrerin
widersetzte, weil er die ihm aufgebürdete Last nicht mehr tragen konnte?
Großartig jene Lehrer, denen solche Verletzungen durch dreiste Eltern und verängstigte
Schüler nichts bedeuten angesichts der Fortschritte der ihnen Anvertrauten, in dem
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Bewusstsein, dass irgend wann diesen Geförderten bewusst werden wird, was an ihnen Gutes
getan wurde, damit sie den Mut nicht bei denen verlieren, denen nun sie ihrerseits die Hand
reichen, um sie aus dem Sumpfe zu ziehen!
Billy Elliot ist eine Geschichte für sich, aber ein Programm für Verantwortungsträger der
Bildung insgesamt! Sicher mahnt sie auch die sozialen Verhältnisse und das ethische Umfeld
an, aber auch darum muss sich Erziehung kümmern, und hat man ihr dazu weder Zeit noch
Ausbildung überlassen, gehen Hunderte hochbegabter Kinder vor die Hunde, weil es dem
Mittelmaße gleichgültig oder aber nur recht ist, dass es nicht überflügelt werden kann.
Als ob das so wichtig wäre, was durch die Raseneinheitschnitthöhe auf gleiche Kürze
gebracht worden ist! Was da am Wegesrande so verborgen blüht, könnte achtlos zertreten
werden. Was aber, wenn jemand kommt, das Leuchten entdeckt, die schöne Gabe der Natur
ausgräbt und am eigenen Hause wieder einpflanzt?
Was aber, wenn es nur so fort und fort blüht?
Förderung ist ein Vorhaben mit höchster Verantwortung für das behutsam heranreifende
zukünftige Gelingen!
Darf ich an Johann Gottfried Herders Geschichte „Der Hirtenknabe“ und das an ihm
demonstrierte Entwicklungsprinzip der Begabungsförderung erinnern und dies einmal ins
richtige Licht rücken?
War doch der Meister hier größer als sein Schüler! Aber auch diesen musste er gehen lassen.
Was, wenn der nur so fort und fort geblüht hätte – und nicht zu ganzer Größe hätte reifen
dürfen? Wir wären um einen Goethe ärmer gewesen!
Überschrift
Blöde Mütze
Vorbemerkungen
Drei Kinder im Spannungsfeld der Erwachsenen-Konflikte und ihrem Taktieren zwischen den
Stufen ihrer so geheiligt ausgerufenen Hierarchie! Und wo sie zerbrechen, leiden die Kleinen,
und wie sie leiden, erweisen sie sich doch gegenseitig durch ihre gesunde, kraftvolle Natur ein
Refugium der richtigen Entscheidungen – ein Rammbock gegen die Welt der Dummheit,
Verworrenheit ihrer Rollen und der Triebhaftigkeit auf Kosten ihrer Kinder.
Da setzen normative Eltern Regeln für ihre Kinder und begreifen die Konsequenzen nicht,
bestrafen, blockieren, verschlimmern, wo sie hätten segensreich handeln müssen – und ihre
Kinder machen es ihnen vor, wie Sozietät funktioniert, was man mit zunehmendem Alter
offensichtlich verlernen muss, um als „erwachsen“ zu gelten: Ein schöner Fortschritt
zwischen den Trümmern ihrer Weltbilder!
Das Werk
Unterschiedliche Wertschätzungen der Erwachsenen den Kindern gegenüber errichten
Mauern der Ablehnung, der Einschränkungen, der Voreingenommenheit, in deren Enge sich
kindliche Phantasie und positive Willenskraft entfalten können sollen!
Zwischen den Puffern der Lebenskrisen drohen Kinder, zerquetscht zu werden. Da muss ein
Junge mit ansehen, wie die Mutter aus der Ehe ausschert, wie der Vater darüber zum Trinker
wird, und das Kind selbst wird von den Erwachsenen abgelehnt; Eltern weisen ihre Kinder an,
nicht „mit dem da“ zu spielen.
Tausende solcher Schicksale wiederholen sich täglich. Es ist dennoch nötig, den Kleinen
immer wieder Mut zu machen, sich nicht abdrängen zu lassen. Darum diese Rezensionen als
Plädoyer für die Nischen- und Randfiguren aller Gesellschaftsformen.
Der ethische Aspekt
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In dem Maße, in welchem Kinder das charakterliche Versagen der Eltern reflektieren, wächst
ihre eigene Opferbereitschaft, um dem Kameraden oder Freunde zu helfen. Wo sich die Not
auftürmt, schmelzen eigene Betroffenheit und Zorn über Verstimmungen durch andere, und in
der Sorge um den anderen wächst das Vertrauen zur Hilfsbereitschaft und Zuverlässigkeit des
mitwissenden Freundes. Gemeinsam anpacken, wo die klug gehaltenen Reden der Moralisten,
auf Etikette und Umgang bedacht, nicht mehr halten.
Die Fäden, die sich zwischen Kindern spinnen, sind sehr fein, zwar elastisch, aber leicht zu
zerreißen und kaum zu flicken. Eindringlich zeigen uns die Kinder als Darsteller die Welt, aus
der sie uns Fragen stellen und Endgültiges erwarten. Aber was ihnen noch gegeben, hat die
Welt der Großen längst verloren
Der schöpferische Vollzug
Zu einem Szenenfoto notiere ich: Martin in voller Funktion – zwischen zwei Kindern, deren
Eltern auseinander gelaufen sind. So wachsen Aufstand und Rebellion gegen Obrigkeit und
Autorität, denn sie beschönigen Unästhetisches. In ihren Gesprächen reflektieren diese Kinder
die Welt der Verlogenheit und halten ihren Eltern so den Spiegel vor. Am Ende steht Oliver
dem Vater bei, und Martin kann sein Vertrauensverhältnis zu den Eltern wieder
„normalisieren“. Silke hingegen hat schon früh gelernt, zwischen den Interessen zu taktieren.
Was aber ist Kindheit? Auch die Schule kann nichts reparieren – sie müsste mit neuen Mitteln
und neuem Geiste erfüllt werden.
Überschrift
Brennendes Geheimnis
Vorbemerkungen
Edmund: David Eberts (GE) Mutter: Faye Dunaway (NE)
Vater: Ian Richardson (GE) Baron: Klaus Maria Brandauer (NE)
Jahr: 1919, Wien / Sanatorium auswärts
Das Werk
Während des Sanatorium-Aufenthaltes ihres Sohnes Edmund gerät dessen Mutter mit einem
Baron auf moralische Abwege. Über das gewonnene Vertrauen des Knaben zu diesem Herrn
ebnet dieser sich den Weg zu dessen Mutter, die Edmund über alles liebt. Diese setzt sowohl
Liebe und Vertrauen ihres Jungen als auch die Ehe mit dem in Wien zurückgebliebenen
Manne (Diplomat) bedenkenlos auf´s Spiel, belügt beide, versucht, ihren Jungen als Lügner
darzustellen, und am Ende rettet dieser ihre Ehre und die Familie, indem er die Kur abbricht,
nach Wien zum Vater fährt und diesem erklärt, er sei an allen Vorkommnissen schuld, und es
tue ihm sehr leid.
Der Vater hingegen durchschaut das Rettungsspiel seines Sohnes, klammert das Vergehen
also aus und erkennt die Haltung seines Sohnes als „erwachsen“ in solcher Verantwortung an.
Die Schluss-Szene bezeugt, was der Baron dem Knaben im Hotel – vorausdeutend – zitierte:
„In seinen Armen das Kind war tot!“ Als die Mutter in gewohnter Weise vor dem Einschlafen
Zärtlichkeit anbietet, wendet sich das Kind zur Wand. Das Geheimnis, das beide mit sich
tragen, brennt zumeist im Herzen dieses Kindes und klagt die Mutter an. Die Hochachtung
seines Vaters siegelt seinen Charakter.
Der ethische Aspekt
Wer David Eberts´ schauspielerische Leistung beobachtet, wird von ihr in einen unerhörten
Spannungsbogen gezogen. Die Lauterkeit seines Gemütes wird Schritt um Schritt vom Baron
(Klaus Maria Brandauer) wie mit einem Netz des Bösen beengter, identisch mit Edmunds
Asthma, das sich unter psychischer Belastung verschlimmert. Die Liebe zwischen ihm und
seiner Mutter trocknet von ihr her zusehends aus, ihr Verrat versucht, das Kind hinter´s Licht
zu führen. Aus Ahnen wird ein dunkler Verdacht, daraus die Gewissheit, und die will sich
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nicht betäuben lassen: So forscht mit ängstlicher Ungeduld das Herz des Kindes und entdeckt
den doppelten Verrat: Sein „Freund“, der Baron, benutzt ihn, um seine Mutter ebenfalls zum
Verrat gegen ihr Kind und für sich zu vereinnahmen.
Mutig ist der Junge, er protestiert laut, nimmt keine Rücksicht auf die Öffentlichkeit, lässt
sich bestrafen, aber er lässt keine Fragen mehr offen: Was hier geschieht, wird er nicht nur um
seinetwillen nicht mehr hinnehmen – denn hier geht es um alles!
Als seine Mutter nicht mehr für ihn erreichbar ist, flieht er zu seinem Vater; erst jetzt merkt
die Frau, was sie auf´s Spiel zu setzen gewillt war. Ihre Lebensgier tauscht sie gegen die
Angst, ihrem Kinde könne Schlimmes zugestoßen sein, und als sie erfährt, dass er nach Wien
unterwegs ist, muss sie handeln, um zu verhindern, dass ihr Mann erfährt, was der Junge nicht
mehr auszuhalten gewillt war.
Sie hat Mann wie Sohn völlig unterschätzt. Dieser hatte seinem Vater ein Geständnis
unterbreitet und die Schuld auf sich genommen, als seine Mutter eintrifft und erneut versucht,
ihren Sohn als unglaubwürdig in die Ecke zu stellen. Dieser kommt ihr zuvor, wiederholt sein
Schuldeingeständnis, der Vater signalisiert seiner Gattin, dass er dieses Bekenntnis akzeptiere
– da erst wird der Frau klar, dass ihr Kind die Ehe zu retten sucht, während sie zum erneuten
Verrat angesetzt hatte.
Brandauers Rolle wird durch ihr doppelbödiges Wechselspiel höchst interessant: Er steuert
dramatische Verlaufsformen gegeneinander wirkend mit. Meisterhaft interpretiert er den
Verbrechertyp, der sein junges kleines Opfer erst noch zu voller Größe füttert, bevor er es
„verspeisen“ möchte. Am Ende lässt er, weil er verliert, fatalistisch den makabren
Spielcharakter seiner rollenimmanenten List und Bösartigkeit wie eine Seifenblase platzen
Edmund gegenüber wirkt er wachsend dunkler und distanzierter; die Anständigkeit und das
offene Vertrauen des Jungen steigern sich durch Brandauers Spiel erheblich und prägen die
Schutzbedürftigkeit eines Knabencharakters als Mischung von Mut, Aufrichtigkeit und
Hingabe an eine große Verantwortung für den Erhalt der Familie. Sie unter die Füße zu
bekommen, ist das eigentliche Ziel des hotelstreunenden Barons.
Je enger das Netz der Entdeckung, desto schöner wirkt das Kind, desto grauer, blasser und
unbedeutend-suchend die Mutter! Und wo die Konfrontation unvermeidbar, ist der
genussfreudige Baron nicht mehr zuständig Er hatte seinen Spaß…! Hundsföttisch, sagte man
früher – weltmännisch-globalisierend, findet man das heute.
Was hätte sich da – außer des erweiterten Wirkungskreises – auch geändert haben sollen?
Der schöpferische Vollzug
Ebenso ungewöhnlich wie majestätisch zeichnet der Film die meist verdeckt gehaltene Größe
eines Menschen, der keineswegs erwachsen sein muss, um das Spiegelbild der
Verkommenheit wegdrehen zu können! Welche Größe aber in diesem Knaben das Mittelmaß
beschämt, der Zeit nichts unterwirft, sondern sich in der Reinheit absoluter Ethik verkündigt,
erstaunt in der Tat!
Kein Klischee wird angedeutet oder gar bedient. Wir beobachten in den ersten Szenen das
innige Verhältnis des Knaben zur Mutter, wir sehen seine Bereitschaft, sich im Gebet
törichtem Rituale zu widmen, wir entdecken eine Verständigungsebene, an deren Rande sich
der Vater still arbeitend betätigt, ohne je stören zu wollen. Es ist aber keine Idylle, kein
romantisches, biedermeiergesticktes Kopfkissen einer schläfrigen Bürgerlichkeit, sondern die
sittlichen Kräfte des Knaben geben sich vertrauensvoll in die ordnenden Hände einer Mutter,
die zunächst auch gar nichts anderes will als die störungsfrei ablaufende Genesungskur für
ihren Edmund.
Wir erleben K. M. Brandauer später in einem anderen Film, in welchem er die Lauterkeit und
Genialität eines Knaben zu fassen versucht, zur Strecke zu bringen, seinen Intellekt durch die
Bösartigkeit niederer Zweckmäßigkeit eines Erwachsenen prüfen und zerbrechen sehen
möchte. Eine pikante und zugleich undankbare Aufgabe, aber zur Klarstellung solcher
Charakterdefekte dringend nötig!
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Und in beiden Filmen verliert der Böse: - als Fatalist wirft es ihm sein Rollenverständnis als
Gewissheit zurück: Er muss verlieren, weil die Kraft der kindlichen Lauterkeit kein wirklicher
Sieg wäre, sondern bloß das Opfer roher Übermacht. Es muss eben doch lieber wie auf einem
Schachbrett Figur um Figur gezogen sein, damit man das Matt des Gegners als seine Art
Selbstliquidierung feiern kann. Den Kampf gegen den Intellekt der elfjährigen Genies – ja,
das bedeutet ihm etwas! Der Kampf gegen deren Charakter – nein, den muss er verlieren, da
sind sie ihm überlegen!
Anders als „Im Visier des Bösen“ hinterlässt der Böse zwar auch Trümmerhaufen, hier wohl
aber auch einen psychischen Brand – in der Mutter wie in deren Sohn – und kann so gewiss
sein, dass er nicht vergessen werden wird.
Den psychischen Folgen weicht der Verführer aus: Er hält sich unsichtbar, als die Mutter um
Hilfe für ihr Kind schreit. Und sie schafft es auch ohne seinen Wagen: In dieser
Sylvesternacht fährt ein Sonderzug nach Wien, so dass sie wenig später vor Mann und Kind
stehen kann.
Diesen Brand, den der Baron in unerhörter Verantwortungslosigkeit gelegt hatte, wird
niemand löschen können. Das ist dem Vater bewusst.
Rache gibt es in diesem Filmwerk nicht! Diese Regung bleibt außen vor. Menschliche Größe,
die zwischen Vater und Sohn erblüht, durchströmt das Haus mit Hoffnung.
Hoffnung ist der Duft der Kinder!
Und ist auch das „Kindsein“ im Arme des Vaters wirklich tot? Darf Edmund trotz allem nicht
doch von seiner Vertrauensbereitschaft her neue Zeichen setzen?
Der Film lässt diese Antwort offen.. Es bleibt - die Hoffnung!
Was aber deutet sich – parallel zur Handlung und ihrer Interpretation – prophetisch?
Es atmet in dieser Erzählung das Gesetz der Natur, was wir durch die Worte Jesu erklärt
bekommen: Sind die Kinder dem Schöpfer zunächst, ist auch ihr ureigenes Wesen von dessen
Kraft durchflutet. Diese schöpferische Energie hat eine enorme Heilwirkung.
Indem der Vater sich von dem versöhnlichen Geiste Edmunds zur Balance der negativen
Strömungen anstiften lässt, kann die Heilwirkung seines Kindes auf die in die Familie
einströmenden zerstörerischen Energien wie eine Barriere aufgebaut werden, und Vater und
Sohn bilden gemeinsam den starken Damm gegen die verantwortungslos eingefädelte
Abenteuerei des Barons.
Diese Heilwirkung bestimmt die Atmosphäre der Film-Erzählung. Von Anfang an schwebt
sie im Hause, in dem, was dort geplant wurde und dann leider aus dem Ruder lief, weil die
Mutter auf eventuelle Störfelder nicht selbstverständlich stark genug reagieren und
gegensteuern konnte. Ihrem Kinde verdankt diese Frau ihr zukünftiges Glück – ihrem Manne
die Größe, mit ihrer Scham nicht zu spielen, ihrem Kinde endlich die bergseetiefe Liebe, in
deren Oberfläche sie ihr Antlitz spiegeln darf.
Den Schauspielern wurden die Rollen ausgesucht, als seien Mensch und literarische Vorlage
aufeinander zugeschrieben worden! Die schöne Faye Dunaway sucht die Bestätigung ihrer
äußeren Erscheinung und lässt sich zu gern umgarnen, der Knabe hingegen lebt im
Schwebezustand zwischen Hier und Sein, der Vater gestattet ihm das Wachstum in jenen
Phasen des Behütetseins und ist zur Stelle, um dem Zusammenbruche evtl. vorbeugen zu
können. In Wahrheit erlebt er die Größe seines Kindes mit leidenschaftlichem Erstaunen, das
aber unter der Oberfläche glüht, während er souverän jede Möglichkeit nutzt, dass sich seine
Gattin wieder fangen kann.
Nur die Liebe als Fundament selbstloser Hingabe kann jeden weiteren Zutritt Fremder
verhindern. Man ist durch den Knaben gewarnt!
Überschrift
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Brücke nach Terabithia
Vorbemerkungen
Die beiden Kinder Jesse (angeblich elfjährig) und die gleichaltrige Leslie treffen aufeinander
und erkennen sich nach anfänglichem emotionalen Abtasten als Gleichgesinnte. Die deutsche
Synchronisation setzt auf Jesse eine Jugendlichenstimme nach dem Stimmbruch, und das ist
nicht nur nachlässig, sondern zeugt von einer bodenlosen Instinktlosigkeit der
Verantwortlichen, denen die Logik für die Wahl einer adäquaten Stimme abgeht. Für diese
Unterlegung wirkt der hochbegabte Jesse als die Rolle des Josh Hutcherson tatsächlich wie
ein „verschlafener Fünftklässler“, was allerdings auf unverantwortlicher Oberflächlichkeit
beruht. Es ist die Maske eines dramatischen Gemütes, das sich vor dem Zugriff des Vaters,
des ewigen „Realisten“, verbirgt, und erst in der Katastrophe spürt dieser Mann vermutlich
etwas von der Verzweiflung seines Sohnes.…
Das Werk
Terabithia steht für die Geburt einer Welt, in der sich zwei hochbegabte Kinder wiederfinden,
die der Planlosigkeit und Triebtäterschaft der Mittelmäßigkeit entweichen müssen, um nicht
unterzugehen. Die Welt Jesses vegetiert zwischen einem Elternhause ohne emotionale
Sicherheit und einem katastrophal faustrecht-gesteuerten Schuldasein ohne Chance,
künstlerisch bindend angesprochen werden zu können – erst durch Zufall wird die MusikEntertainerin auf die künstlerische Begabung des Jungen aufmerksam und sucht ihn zu
stützen. Trost findet Jesse mit Leslie in ihrer selbst entdeckten Welt, in einem verlassenen
Baumhause, ungestört in einer Weltdeutung, die ihrem Wesen ange-messen ist.
Der ethische Aspekt
Die Brücke in diese Welt ermöglicht zunächst ein Seil, mit dessen Hilfe sich die Kinder über
den Bach schwingen und den Wald erkunden, der ihr zu Hause werden wird. Ihre
Gemütszustände veranschaulichen sie einander als lebendig gewordene Wesen einer Natur,
die sich als agierende Angreifer wie Beschützer einschalten. Das ist die Welt der Albe, der
Elfen, der Waldgeister, der Symbolik des Unbekannten, das sowohl Gefahr als auch Schutz
ihrer Psyche darzustellen vermag.
Aufgabe der Regie war es, die Phantasie der Kinder in Bildhaftigkeit und Handlungen zu
übersetzen, um Außenstehenden erklären zu kön-nen, wie weit sie von dem entfernt leben,
was sich in einer kindlichen Psyche an ihrer Seite erlebnishaft abrollt. Und Elfjährige stehen
auf der Schwelle, die Vergangenheit und die Zukunft, die Vollendung ihres Kindseins,
zugleich verarbeitend, eine ehrfurchtgebietende Zeit!
Der schöpferische Vollzug
Dieser Film hat zwei Abschlüsse: Der erste besteht darin, dass Jesse sich von seiner
Musikerzieherin in ein Kunstmuseum führen lässt, wobei sich herausstellt, dass der „Knoten
irgendwann bald platzen“ wird – aber was kann eine solche Lehrerin und Förderin zugleich
für ein solches Kind wirklich tun? – und die zweite Vollendung dieses Themas beweist den
eigentlichen Charakter des Knaben noch einmal eindringlich: Nachdem er erkennt, dass sein
Schmerz über den Verlust Leslies nicht dazu berechtigt, seine kleine Schwester wegzustoßen,
baut er ihr eine sicher zu überquerende Brücke in das Reich, das ihm Leslie zu entdecken und
auszubauen half. Symbolisch gemeint, heißt das: Der Knabe ist jetzt fähig geworden,
Vertraute in seine Welt mitzunehmen, von denen er weiß, dass sie zu würdigen wissen, was
sich nicht jedem erschließt – wie das Buch, das seine Zeichnungen enthält und den Eltern
stets fremd blieb
Erläuterung 1:
Indem das zierlich wirkende Mädchen Leslie in Jesses Klasse lernt, löst sie diesen aus
seiner schöpferischen Isoliertheit und öffnet ihm endlich die Tür zu seiner selbst erlebbaren
Legitimität. Sie erfindet Gestalten und Handlungen als die Symbole dessen, was die Welt an
Hemmendem bereit hält, und sie entwickelt Kräfte, sich ihnen erfolgreich entgegenzustellen.
- Als ihr Freund den ersten Fehler seines Lebens macht und Leslie nicht auf seiner
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Entdeckung in die Welt der großen Kunst mitnimmt, hat sich die Gastrolle des Mädchens
erfüllt. Es schwingt sich am morschen Seil über den Bach in die Welt, die es für Jesse und
sich entdeckt und gedeutet hatte, und es kehrt von dort nicht zurück. - Es gibt also weder
Zauber noch Magie noch „Tcheume“, sondern die Realisten, die nur begreifen wollen, dass
ein Mädchen unvorsichtig in ein ihnen überflüssig erscheinendes Abenteuer schwingen will
und sich dabei tödlich verletzt. Mit wem soll man dieses Erbe jetzt noch teilen? Der Knabe
baut eine sichere Brücke für den einzig verbleibenden Vertrauten …
Dass wir uns der Kritik über die Wahl der erwachsenen Schauspieler dieses Filmes
enthalten, begründe ich mit deren mangelhafter Funktion für Verlauf und Ausgang der
Handlung, denn alle haben nichts Kulturförderndes bewirkt, allenfalls, wie die Musiklehrerin,
angestoßen. Die Kinder einschließlich der kleinen Schwester Jesses blieben mit ihren
Konflikten sich überlassen und mussten handeln, damit sie sich selbst treu bleiben konnten. Die Regie hat sich zwei Kinder ins Spiel geholt, deren Persönlichkeit im eigenen Leben die
denkwürdig beste Voraussetzung sein konnte, dieser Handlung ihre Glaubwürdigkeit zu
verleihen. Immer wieder werden die Weichen gestellt, und sofort erkennen wir die Folge
dieser Entscheidung an dem, was die Kinder für sich selbst daraus erleben. Es bleibt also
nichts im Kontemplativen – alles ist Dramatik und schürzt den Knoten….
Jesse und Leslie, also Josh und Anna Sophia, sind zwei Stützpfeiler eines Gebäudes, das
ohne den einen nichts erhalten kann. Sehen wir uns die Begabungsprofile an, so sind beide
schöpferisch hoch bzw. genial begabt, das Mädchen zudem im IQ noch etwas höher, was auf
frühkindlichen Überlebenskampf hindeutet. Jesse neigt im Film zum grafischen Künstler, als
Josh eher zum mathematisch-naturwissenschaftlichen Kombinieren, obwohl alle schöpferisch
Begabten sich eingraben könnten, wo sie wollten – sie würden es zur Meisterschaft bringen. In einer Begabung haben beide den höchsten Grad aufzuweisen: Sie sind Friedensstifter als
Josh und Anna Sophia, und Jesse schlägt erst dann verzweifelt den normativen Gegner zu
Boden, als der ihn ob des Verlustes seiner Freundin auch noch verhöhnt. Das aber muss Jesse
büßen – nicht der Stänkerer. - Sie sind die Botschafter, deren wertvolle Information in ihrem
eigenen Wesen ruht und die uns die Regie (Gabor Csupo) behutsam an die Brust zu legen
sucht. Das Werk in der deutschen Fassung heftet sich Constantin-Film an die Brust – wofür
sie wirbt, macht uns lachen:
„Bist du bereit für ein magisches Abenteuer“ – wir setzen fort: „In den Zauberwald des
mystischen Terabithia, das Land aller Kindertcheume“ usw – wir kennen uns mittlerweile aus.
Der Missgriff in die Fehlsynchronisation der deutschsprachigen Fassung erklärt sich, weil
Josh Hutchersons Altstimme in den Tiefen angerauht klingt, aber zur Mittellage
ausdrucksstark und zum Diskant hinauf Marksteine setzt, dazu in raschen Dialogsequenzen,
man muss schon die Ohren spitzen. Und wer dann den Jungen dabei beobachtet, wie seine
Mimik diese blitzschnellen Sprechstöße untermauert, erfasst in dem höchst farbigen
Klangbilde das Wesen dieses Knaben, der nicht wie ein Fünftklässler auftritt, aber keinesfalls
im Stimmbruche spricht oder ihn gar überwunden hätte. - Leslie, also Anna Sophia Robb, hat
original eine feine, meist hohe Stimme, wird sehr gut synchronisiert und wirkt um so
universaler, je häufiger man ihr unwiderstehliches Lächeln, die Gewandtheit ihrer stets
offenen Blicke und ihr blitzartiges Erfassen jeder neuen Situation in deren mehrschichtiger
Bedeutsamkeit begreifen darf.
Überschrift
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Colossus – Wächter der Menschheit?
Das Werk
Ohne gegenseitige Information setzen zwei Weltmächte einen gigantischen Rechner in
Betrieb, um sich eine unabhängige Instanz zu halten, die über Krieg und Frieden stets – nach
Lage der Fakten – die richtige Entscheidungen trifft.
Beide Maschinen suchen und finden einander, schalten sich gleich, okkupieren alle
machterhaltenden und –erweiternden Systeme und geben jetzt die Befehle, bis die Menschheit
ihr als Sklave dienen muss. Ein Entkommen in Eigenständigkeit und damit Gefährdung
anderer ist ohne das Einverständnis der Rechner nicht mehr möglich. Das Problem
Friedenserhalt ist gelöst, indem die Freiheit kontrollierbar geworden ist.
Der Film führt uns in dem noch frühen Stadium der elektronischen Datenbeherrschung vor,
welcher Gefahr der Mensch sich aussetzt, wenn er sein Geschick einer Maschine anvertraut.
Wir erleben den Kampf gegen den Koloss als Wächter am Eingange der Zi-vilisation, wie er
sich verselbständigt und nach Eindringlingen tritt, ohne sich noch auf Teilaufgaben
konzentrieren zu lassen. Das Übel heißt Krieg, also führen wir Krieg, um die Mittel zu
zerstören, die zum Kriege führen.
Der Hund, der seinen Schwanz fängt, hat dieses System offensichtlich nicht verstanden oder
liebt den Kreiselverkehr bis zum Schwindel.
Der Schluss des Filmes bleibt offen: Wir sehen Colossus als Sieger, seinen Erfinder als
Sklaven, das Militär als Handlanger, die Menschheit als statistische Masse von Zahlen und
Störfaktoren, erbgenetisch belastet, daher unberechenbar, und ein Programm, das die Lösung
bereits konzipiert hält, an der die Menschheit gemessen wird – als Spezies biologisch
abhängig von ihrer Entscheidung für oder gegen den Wächter.
Das Ergebnis dieses Films hat sein Ziel erreicht, indem der Mensch von jeder Willensbildung
abgekoppelt zu reagieren hat. Diese Botschaft ist wohl die letzte Warnung!
Der ethische Aspekt
Zwei Rückblicke laden uns zur Besinnung ein:
1. Goethes „Zauberlehrling“, unter dem Titel „Wargames“ schon einmal inszeniert, wird
zu Ende gedacht
2. Das Ermächtigungsgesetz vom 30. Januar 1933 entmündigt ein Volk: Der „Endsieg“
(und danach das „große Schweineschlach-ten“) bedingt die durch Massenvernichtung
erzwungene Einwilligung der gelähmt dasitzenden Nationen. Nur grausame
Befreiungsversuche ermöglichen ein Abschütteln der Barbarei. Also wehret den
Anfängen. Sonthofer: Aus autoritären werden zwangsläufig diktatorische
Regierungen, denn sie müssen ihre Autorität als führendes Machtinstrument erhalten.
Ethische Zielsetzung der Erfinder:
Informationen und Fakten werden nicht mehr durch persönliche Interessen zweckdienlich
bewertet, sondern auf ihre Absichten hin überprüft und entsprechend entschärft. Was muss
der Computer also können?
„Er kann mehr Wissen aufnehmen und verarbeiten, als es den größten Genies, die je gelebt
haben, jemals möglich gewesen wäre.
Er kennt keine Emotionen, keine Furcht, keinen Hass, keine Missgunst, wird nicht jährzornig,
bekommt keine Wutausbrüche, handelt nicht ohne Bedrohung, erhält, beschützt, regeneriert
sich selbst, handelt eigenständig und unbeeinflussbar… Colossus ist zu selbständigen,
schöpferischen Gedanken nicht fähig.“
Colossus verhängt dagegen Todesurteile, vernichtet tausende Menschen, um seinen „Willen“
zu erzwingen, und fast vergisst der Zuschauer, dass diese Faktoren ja alle im Programm
gesteckt haben, bevor es den Stümpern aus dem Ruder laufen konnte.
Sehr bekannt kommt uns die Definition Colossu´ des Begriffes „Privatleben“ vor:
„Privatleben ist die Abwesenheit von Gesellschaft und Beobachtung.“ Da ergänzen wir gleich
mit Lenin: „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!“ („Wo sind die Verstecke des Kapitals?“)
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wird er gedacht haben. Dies praktiziert der kapitalistische Sozialismus als „Vertrauen ist
Dreck – Kontrolle garantiert Sicherung der Macht.“
Colossus mutiert zum „Wächter aller Bedürfnisse“ und bedient sich der menschlichen
Intelligenz, um seine „Pläne“ (= Versorgungsstrate- gien) umzusetzen.
Gehorsamsverweigerung ist Selbstmord. - Intereeant: Als der Versuch misslingt, das
Programm des Colossus mit Datenüberfütterung unschädlich zu machen, spricht der
allmächtige Wächter sein Todesurteil. Und siehe da: Gleich haben wir das
Erschießungskommando zur Stelle, das ohne Gewissen und ohne zu fragen die „Schuldigen“
abknallt. Die Leichen werden – so will es der weise, wahrheitsliebende allmächtige
Maschinengott – zur Abschreckung liegen gelassen.
Auch die Mücken sollen sich das noch einmal ansehen, bevor sie es wagen, ihr Kleckschen
auf ein empfindliches Computerteil zu setzen!
In Zipfelmützenhausen würde man sagen: „Ja, wenn es aber doch so vorgesehen ist? Dann
muss man es machen!“ Auch die Wahl zwischen Colossus und Butter wäre denkbar einfach:
„Wollt ihr Colossus oder Butter?!!“ - Butter könnte wider Erwarten explodieren – Colossus
nicht!
Der schöpferische Vollzug
Nicht Ehrfurcht oder Respekt, nein, mit Liebe soll der Erfinder seiner Maschine der Wahrheit
und des Wissens in Zukunft begegnen, denn sie will sich fortpflanzen in weiteren Computern,
die erdumspannend menschliches Versagen (= Pleonasmus für Colossus) blockieren wird.
„Niemals!“ bekennt der Zauberlehrling, aber niemand hört ihn, denn der Meister Besenstiel
hat gesprochen und wird sich weiter spalten lassen – Wasserträger der Weisheit: Alle
Geheimnisse des Universums will er der Menschheit zu deren Segen lösen. Was für eine
Botschaft!
Wer löst die Denkfehler, zählt die Völker, nennt die Namen? Aber wer hat noch Bedarf,
Kinder in diese Welt des mikroprozessiven Wahnsinns zu gebären?
Grund Nr. 1: Genies bestehen nicht aus bloßem Wissen, sondern sind zwischen Materie und
Schöpfer die zwischengeschalteten Aktionsbrük-ken.
Grund Nr. 2: Dem ewig Blinden, also von allen psychischen Erkenntnis- und Erlebnissträngen
Abgenabelten, wird die Fackel zum Verhäüngnis: Sie kann ihm nicht leuchten, sondern er
steckt sich selbst damit an, weil er Städte, Dörfer und sein eigenes Imperium einäschern wird.
Grund Nr. 3: Der „Konstruktionsfehler ist das psychisch gesteuerte Wesen und nicht dessen
Intellekt. Das „Niemals!“ als Bekenntnis weiß zwar keine Lösung, aber der nächste Weltkrieg
wird gegen die Autonomie der Mikroprozessoren geführt werden. Denn die Ursachen für
Kriege entspringen keiner Notwendigkeit, sondern sind Auswüchse fehlgeformter
Gesinnungen.
Ein Computer wird keine Gesinnung haben, sofern ihm keine Mittel dafür mitgegeben
wurden. Das ist sein Verhängnis. Um „sich“ zu wehren, um also seine Zerstörung durch
Menschen zu verhindern, muss er den totalen Krieg riskieren. Gegen seine Diktatur werden
sich alle bislang verfeindeten Kräfte zusammenfinden, um den gemeinsamen Feind zu
zerstören. Jenseits aller Atomwüsten und dem ausgelöschten Leben ist ja ein Colossus
überflüssig und zugleich auch ohne sinnvolle Energie. Und gibt es nichts zu kontrollieren, hat
er sein Ziel erreicht. Er kann sich abschalten.
Grund Nr. 5: Ein Colossus ist in der Wahl der Mittel zwecks totaler Überwachung,
Unterdrückung und Eingrenzung weiteren Lebens auf gleicher Stufe wie Pol Pot, Stalin, der
Braunauer Postkartenmaler oder andere Kriminelle. Das lag in der Programmierung
begründet. Ein Bumerang, der sein Ziel nicht trifft, fliegt zurück – mit enormer Wucht und
gegen den Kopf des Beutegierigen, wenn er nicht mit ihm schon geübt hatte.
Die naiv gestrickte Absage an jede maschinelle Überwachung soll Dummköpfe abschrecken.
Das ist ein schwerer Fehler. Lichtenberg: Mit dummen Leuten kann man nicht reden.
Wichtig: Es muss die Wähler abschrecken, Machthabern zu erlauben, mit solchen
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Brandbomben auf Schulhöfen vermeintlicher Weltpolitik in versteckten Winkeln hantieren zu
dürfen!
Überschrift
Contact – oder doch „a beautiful mind“ als Dementi?
Vorbemerkungen
Die Kaltstellung der Forscherin vollzieht sich in folgenden Schritten:
1. „Glauben Sie an Gott?“ Damit soll das Bewusstsein einer schöpferisch sich entwickelnden
Spurensuche auf das knebelnde Regelwerk normativer Zulässigkeiten und Zuständigkeiten
zurückgeschraubt werden. – Die Frage ist dumm.
2. Warum soll die Forscherin beim Kontaktieren Außerirdischer 95% Weltbevölkerung
repräsentieren, die an überordnende Kräfte glauben und das in einer unüberschaubaren
Vielzahl konfessioneller Korsettenge, wenn es doch sinnvoll erscheint, jene weit höher
entwickelten Wesen nach ihrer Erfahrung mit Religion zu befragen, um Erkenntnisse zu
sammeln? – Das Ansinnen der Kommission ist bigatt!
3. Die Behauptung, die Forscherin sei ohne den geringsten Beweis zurückgekehrt und das
Projekt sei gescheitert, ist böswillige Verleumdung:
a) Die Forscherin selbst ist der Beweisträger.
b) Falls ihr geglaubt würde, hätten Politik und andere Konfessionen erhebliche
Statusprobleme!
c) Das Videoband, das ja nur Rauschen wiedergibt, ist ungefähr 18 Stunden gelaufen – also ist
der Beweis erbracht, dass die Kapsel mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit geflogen sein
muss. Diese Tatsache wurde „vertraulich behandelt“ – also verschwiegen.
Fazit: Organisierte Dummheit ist die gefährlichste aller Waffen!
Das Werk
Eine junge Wissenschaftlerin verfolgt und enträtselt die Botschaft aus dem All, eine Maschine
bauen zu können, um damit in das Universum vordringen zu können. Sektierer und andere
Zweifler zum Feinde, einer Katastrophe des ersten Raumschiffes entzogen, wird die junge
Forscherin mit der zweiten Maschine auf die Reise geschickt.
Ihre Mission bleibt ihr persönliches Erlebnis, denn sie kehrt ohne auswertbare Messdaten (=
Beweise) zur Erde zurück. Da sich ihre 18 Reisestunden in der Erdzeit wie einige Sekunden
darstellten, gibt man die Mission als „ins Wasser gefallen“ auf. Die Pionierin darf in Zukunft
Kindergruppen durch den Teleskopwald führen und Fragen offen lassen, d. h., den Kindern
unbeantwortet zurückgeben.
Der ethische Aspekt
Der Film setzt die Kosten-Nutzungsrechnung der Normativen, der terroristischen
Verhinderungsstrategie verblendeter Sektierer und der Machtgier der Militärs die Souveränität
eines „Wissenden“ entgegen, der einem jungen Menschen mit hoher Ethik und geradlinigem
Charakter die Verantwortung für den Bau einer Maschine anvertraut, durch deren Nutzung
entscheidende Erkenntnisse über den Sinn des irdischen Daseins im Spannungsfeld des
Universums möglich werden könnten. Was dem Idealismus gelingt, nämlich, die Bedeutung
Erde im Gesamtbild Universum richtig einzuordnen, verschließt sich dem „Realismus“, dem
es lediglich vorbehalten bleibt, 18 Stunden Videobandrauschen als misslungenes Experiment
abzuheften.
Der schöpferische Vollzug
Der Film setzt das Streben nach Kontakten in die unbegrenzte Weite als Brücke eines
Mädchens zu seiner verstorbenen Mutter als Auslöser für die Metapher (= jeder besitzt eine
solche Maschine, er muss nur wieder lernen, sie richtig zu fliegen), dem eine Maschine gebaut
werden soll, um Raum und Zeit zusammenzuziehen, um einander wiederzufinden.
Richtig ist: Keine Seele geht verloren, keine Energie ist endlich.
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Hieraus folgt: Es bedarf keiner materiellen Konstruktion. Die Maschine ist das Sinnbild für
das Maß aller Vorstellungskraft (= Eidetik), welche die Verbindung zwischen materieller und
geistiger Welt herzustellen hat.
Falsch ist: Dieser Ausflug der jungen Wissenschaftlerin muss nicht einmalig, weil angeblich
ohne Beweiskraft misslungen, bleiben, sondern die Eidetik setzt gegen die Einmaligkeit des
Realismus das Bedürfnis nach Beliebigkeit, sich im Reiche der Seelen aufzuhalten.
Falsch ist: Kein Besucher dieses Reiches muss allein zurückkehren. Die Seelen, die wir
gefunden haben, kommen mit und begleiten uns, wann immer wir sie darum bitten.
Richtig war, der Schauspielerin Jodie Foster diese Rolle anzuvertrauen.
Sie weiß, wovon sie spricht! -
Überschrift
Das Dorf der Verdammten – Original und Remake
Vorbemerkungen
Ein Groschenheft-Schreiber nimmt Partei für eine Gesellschaft, in der Sonderfälle nicht
geduldet werden dürfen. Er spinnt eine Handlung, in der Kinder sich in Frauen einnisten, weil
sie die Welt erobern und für den Sieg der Außerirdischen vorbereiten sollen. David (GE) =
(der Wortführer der „Fremdmacht“ Teufelskinder) sowie alle anderen Kinder haben ein
großes Energiefeld! Man wird sich der Tatsache stellen müssen, dass diese Kinder für diesen
Film von 1960 sorgfältig ausgesucht und als Gegner der Menschheit zusammengestellt
wurden. Die Gesichtszüge dieser Kinder wurden teilweise maskenbildnerisch so verändert,
dass ihnen Härte, Grausamkeit und Unerbittlichkeit abgelesen werden soll.
Einen sorgsam geplanten „Fehler“ behält sich dieser Regisseur in seiner Hexenjagd – einen
anderen Grund als Neid und Hass gibt es nicht – doch vor: Er hat die Dorfjugend-Gruppe
derart sorgfältig ausgewählt, dass einer der Jungen über ein großes Energiefeld verfügt.
(Daher wird auch nicht von den sich zurückziehenden „Alien“-Kindern die ganze Gruppe
auf´s Korn genommen, sondern nur der Ballwerfer! Er wird im Dorfteich ertrinken.)
Das Werk
In einem Dorfe werden Frauen gegen ihren Willen von „außerirdischen“ Kräften Kinder
„gezeugt“, die sich nach ihrer Geburt außer der Norm körperlich und geistig rasch entwickeln.
Diese Kinder schließen sich gegen Eltern, Geschwister und alle übrigen Dorfbewohner zu
einer Verteidigungs- und, wie sich später herausstellt, Interessensgemeinschaft zusammen.
Angriffe jeder Art gegen eins ihrer Mitglieder beantworten die Kinder mit gelenkten Mächten,
die Vernichtung für den Gegner bedeuten.
Um ihre Schulbildung zu gewährleisten, übernimmt ein Gelehrer, selber Vater eines dieser
Kinder (David), die Verantwortung für ihre Bildung und für ihre sittliche Förderung, und er
bekommt ihr Vertrauen und Einblick in ihre Absichten.
Die Menschen fühlen sich zunehmend bedroht und fordern schließlich die Tötung der Gruppe.
Inzwischen weiß man, dass in der „Sowjetunion“ ein paralleler Fall durch den Abschuss einer
Rakete auf das dort betroffene Dorf schon „gelöst“ worden ist. Andere „Landungsversuche“
in anderen Lebensformen scheiterten aus anderen, z. T. ähnlichen Umständen. Um nicht die
Menschen rundherum zu gefährden, auch, dass die Kinder nicht an Ort und Stelle liquidiert
werden, fasst der Lehrer einen verzweifelten Entschluss. Er kann verhindern, dass die Kinder
seine Gedanken erraten, obwohl sie seine Angst und Erregung durchaus erkennen, und
sprengt sich mit den Kindern und ihrer weltgefährdenden Übermacht (!) in ihrer Schule in die
Luft.
Die Geschichte, die der Film so düster und hoffnungslos ausmalt, ist in Wahrheit eine
Gesellschaftsanalyse. Das an sich Fremde wird überall auf dieser Erde zunächst verdächtig
und mit Misstrauen behängt. Sind an sich Schutzlose betroffen, bleibt die Frage nach deren
Lenk- und Erziehbarkeit, also nach dem Fortschritte ihrer Unterwerfung. Ein Film mit
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solchem ethischen Anspruch muss beweisen, dass er sich in der Charakterisierung einer
Kinderpsyche auskennt. Das aber scheint der Autor der literarischen Vorlage nicht im Sinne
gehabt zu haben. In der Neuen Welt geistert der Glaube, es gebe von Natur aus die von Gott
Verdammten und die Auserwählten, und so werde die Inkarnation des Bösen durch Kräfte
ermöglicht, die Kreaturen das Böse einpflanzen, damit sie selbst es in sich tragen. Wir sehen
hier die Parallele zu Polanskis „Rosemary´s Baby“, und für diese Möglichkeit hat sich bis
heute ein halber (oder doch ganzer?) Kontinent verbündet! Wozu solcher, konfessionell als
Pentagramm ins Gehirn eingebrannter, Schwachsinn führt, beweist der Irak-Krieg und die
„Achse des Bösen“. In diesem Interesse gewinnen solche Filme an propagandistischer
Überzeugungskraft! Auch deshalb diese Besprechung!
Das Remake als Handlungsunterschied zum Original:
Flüsternde, wolkengleich erzeugte Schatten streifen das US-amerikanische Küstenstädchen
Midwich, während fröhliche, arglose Eltern ihren Kindern ein Schulfest vorbereiten.
Geschäftige Leute, Eifer, den Kindern Gutes tun zu können – da fällt alles um und liegt
betäubt am Bo- den – ein Unfall ist nicht zu verhindern.
(Offener Wasserhahn und Traktor erinnern an die Film-Vorlage).
Die Rahmenhandlung ergießt sich in Milieu- und Bagatellerörterungen, so dass der Frevel um
so schwerer wiegt, wer es wagte, eine solche Idylle zu stören! Bei den Ermittlungen schält
sich allmählich der zukünftige Aktionskern heraus, ferner fädelt man die Schwangerschaftskatastrophe ein, die Frauen genießen unter dem Patronat der stets wachsamen und
wehrhaften Männerwelt die Früchte ihrer Emanzipation. Das Netz wurde über Midwich
geworfen, nun kann man es zusammenziehen, bis man die Urheber ans Licht ziehen wird.
Man spürt das.
Die Opfer der Komaphase werden bestattet, der Priester beklagt, dass keine „Vorwarnung“
stattgefunden habe (einer der üblichen Synchronisationsfehler), und man versucht zu
fokussieren, den Blick in den Nebel des Unheimlichen zu bohren.
Schwangerschaft und Geburt in üblichem Ritual, diesmal am Fließband, dann die
Inkubationsphase: Und was passiert jetzt?
Die Wissenschaft will/soll forschen (= die Verursacher ermitteln), dafür gibt er Geldmittel für
die Eltern zur Verfügung, und die tapferen Mütter verzichten auf den ihnen angebotenen
Massenmord (= Abtreibung der Kuckucke) und wollen die Kinder haben.
Um so grausamer und undankbarer entwickeln sich diese, indem sie jedes Versehen, jede
Nachlässigkeit in der Pflege mit gleichen Mitteln vergelten. Und steckt Mama ihre Hand ins
kochenda Wasser, weil Baby sich an zu heißer Milch fast verbrannt hätte, so muss die Strafe
angenommen werden, und wir dürfen das triumphierende Lächeln der zufriedengestellten
Tochter genießen.
Und so machen es alle, und je mehr sie auf Widerstand und Zorn stoßen, desto konsequenter
kontern sie.
Zwar ist die Epidemie-Expertin machtlos, aber sie forscht tapfer im Keller an einem
außerirdischen Wesen, dessen Verschwinden die Kinder durchaus registriert haben.
Filmtitel wie „Ein Satansbraten kommt selten allein“ sagen über die unbeschwerte Annahme
aus, dass es durchaus teuflische Kinder gibt – ebenso wie der Titel eines Buches: „Es wird
heilige Kinder geben“. Beide Konfessionen können sich die Hand reichen. Das Ende kann nur
die Liqudierung der „Seelenlosen„ sein: Wie Tiere, darf man auch sie jetzt ohne Skrupel
schlachten. In jedem echten US-Film muss aber das Böse im höllischen Feuer brennen, darum
gibt es meistens am Ende große Feuer. Hier sprengt man das Ungeziefer (Gesinnungszitat)
einfach weg. „Max und Moritz“ und ihr verdientes Ende – wenn man nur auch gleich dürfte!
Der ethische Aspekt
Den Zynikern, die sich längst gewundert haben, warum die Besprechung dieses brisanten
Themas bislang von mir ausgespart geblieben ist, sei entgegnet, dass die Frage nach dem
Warum, also dem Grunde für eine solche Botschaft, von mir bislang nicht gelöst werden
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konnte. Es gibt zu viele Widersprüche. Da sei zunächst W.C. Fields Credo angeführt, das da
lautet: „Ein Mensch, der Kinder verabscheut, kann kein vollkommen schlechter Mensch sein.“ –
Hier stimmt die Begrifflichkeit nicht, demnach auch nicht die Logik:
1. Ein Mensch hasst keine Kinder – nur eine psychisch verkrüppelte Kreatur in
Menschengestalt geht auf Schutzbedürftige los!
2. Vollkommenheit ist das Gegenteil zu Stückwerk. Die Schöpfung ist vollkommen, denn sie
ist des Schöpfers. Gut ist demnach, das Geschaffene zu achten, zu schützen, zu erhalten, zu
fördern – das Gegenteil hierzu nennen wir „schlecht“, denn es tritt in Widerspruch zu seinem
Erschaffer.
Alle Kinder mit schöpferischer Sonderbegabung – ca. 12 % - sind solcher Zusammenrottung
mit dem Ziele, die Menschheit irgendwelchen Mächten zu unterwerfen, nicht fähig, sondern
„steigen aus“! Es bleiben die restlichen 88 %, von denen natürlich auch nur die wenigsten zu
derartig bösartigen Kreaturen mutieren könnten – nicht aber Kinder von ihrem Kern her.
Denn alle Kinder reflektieren bedeutungsperspektivisch die Gesinnungen, denen sie
unterworfen, ausgeliefert sind.
Finden sich also solche „Kinder“ wie in diesem Filme, sind es entweder Roboter oder
mutierte Kreaturen anderer Konsistenz, die Kindesgestalt angenommen haben, um sich,
perfekt getarnt, in perfider Abhängigkeit zu mütterlicher Besorgtheit und elterlicher
Gesamtverantwortung das Vertrauen und damit die Zugänge zu irgendwelchen wichtigen
Erkenntnissen zu erschleichen.
Nun ist jedem klar, dass Außerirdische, die solche Pläne Gestalt werden lassen könnten, auf
derartige Clownerien der Erwachsenen-Phantasie gerne verzichten, da sie ja intelligenzmäßig
weit über den Erdbewohnern angesiedelt leben. Auch konnte keine der Geschwängerten
bezeugen, dass irgendein Grünes Männchen durch Vergewaltigung das Kind mit ihr gezeugt
habe.
Im übrigen dürfte die Inbesitznahme eines derart vermüllten Planeten – von Abfall jeder Art
gespickt! – niemanden höher Entwickelten reizen.. Wer siedelt sich schon im Kohlenkeller an,
wenn er sich ein Paradies ohne den Störfaktor Hybris oder anderer Wahnsinnigen leisten
kann?.
Was einzig an diesem Streifen interessiert, ist die Untersuchung der Kinder nach der Auswahl
ihrer Begabung, was für die Besetzung der Rollen ja dem Regisseur obliegen musste. Und hat
er allgemeine Hochbegabung gleichzusetzen versucht mit schöpferischer Sonderbegabung,
hat er die falschen Mittel gebraucht. Hat er dagegen nur normative Kinder ausgesucht, so hat
er nicht bedacht, dass in ihren Gemeinschaften nicht geistig-psychisch gleiche Solidarität
bewusst lebt, sondern dass Normative das Hühnerstall-Modell bevorzugen, wo nur ein
erwachsener Hahn kräht, die Hierarchie der Macht erobert und mit Gewalt befestigt sein will.
Nach Betrachtung des Filmes werden die Begabungsprofil-Messungen der Schauspieler
Aufschluss über dieses Problem ergeben. Das möchte ich allerdings dann auch lösen können.
Der schöpferische Vollzug
Es gibt zwei Fassungen. Hier soll zunächst die Schwarz-weiß-Fassung von 1960 analysiert
werden, so dass die Remake-Version in diesen Bezug genommen werden kann.
Folgende Fragen müssen zu beantworten sein:
1. Sind es tatsächlich Kinder, deren Funktion im Film für ethisch unverantwortliche
Vorführungen benutzt wurden, oder Puppen?
Antwort: Es sind Kinder, und zwar alle mehrfach begabt.
2. In welcher Bedeutungsschicht kommt welche Absicht des Dramas zum Tragen? – Und
welche Absichten hat es überhaupt – welche sind möglich?
Antwort: Alle Schichten werden gestreift, die dritte (Normative contra
Schöpferische, also 88 % contra12 % - das ist nicht neu!)
enthält die Wahrheit.
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3. In welcher Weise hat das Remake sich des Originals bedient, und welche Intentionen
wurden in ihm nicht wieder aufgenommen?
Antwort:
Die Emotionen wurden im Original nicht zur Grundlage, sondern der Schutz der
Bevölkerung zum Anlass genommen, die Kinder
„fortzuschaffen“.
4. Warum reagieren unterschiedliche Sozialformen alle in der gleichen Weise: Tod aus
Mangel an Zugang zum Verständnis dieses Typus „Kind“?
Antwort: Die Begabungstypen sind unter allen Lebensformen die gleichen. Die große
Mehrheit will Sicherheit durch Eliminierung aller
Unsicherheitsfaktoren, also weg mit den „Außenseitern“.
5. In welcher Weise kommen Psychologie, Pädagogik und Ethik in der Analyse dieser
kindlichen Charaktere zum Tragen?
Antwort: Sie erscheinen als Störfaktoren, weil sie der „Realität“ des angeborenen
Fremdseins humanitär antworten würden.
6. Was hätte verhindert werden können, hätte man das Vertrauen der Kinder tatsächlich
bekommen, statt sie aus ihrer Familie in ein hastig installiertes Internat am Rande des
Dorfes zu schicken?
Antwort: Neid, Hass, Verfolgungsgier lassen solche Versöhnlichkeit gar nicht erst
aufkommen. Man überlebt, wenn man unerkannt
unter dem Rudel jagen darf.
7. In welcher Weise hat es eine Kettenreaktion zwischen Verhalten der Eltern und
übrigen Dorfbewohner und den Kindern gegeben? Warum spart der Film eine Summe
solcher unterschiedlichen Szenen bewusst aus, sondern führt uns nur die
Entwicklungen in Katastrophen vor?
Antwort: Der Film hätte die differenzierten Schuldzuweisung nicht mehr tragen können.
Die grobe Polarisierung war gewollt. Durch
die Maskenbildner wurden die Kinder so verfremdet, dass ihre Persönlichkeiten
überdeckt dargestellt werden konnten. Dieses
Vorgehen kommt einer Vergewaltigung gleich. Wer hat dieses entsetzliche
Rollenverteilen zu verantworten? – Auch normativ
Begabte darf man zu solchem grausigen Schauprozess nicht benutzen. Wem das
nützen sollte, ist allerdings klar.
Die Botschaft der Messungsergebnisse
1. Der Originalfilm von 1960 zeigt:
a) alle Kinder „des Bösen“ sind schöpferisch sonderbegabt!
b) bis auf einen Jungen sind die Dorfkinder, alle normativ begabt. Das „Missgeschick“,
einer der Jungen des Dorfes, war dem Regisseur zweckdienlich, denn man kann dort nur
bleiben, wenn man sich anpasst und mitmacht.
2. im Remake-Film zeigt sich:
a) alle Jungen und ein Mädchen sind schöpferisch sonderbegabt, zwei Mädchen normal,
davon führt, so will uns der Film weismachen, das Mädchen Mara militärisch das
Kommando.
Die Sentenz, es gebe auch von Natur aus zum Bösen geborene Kinder, zeigt sich in
gemilderter Form in „Herr der Fliegen“. Nur wird uns dort exemplarisch aufgetischt, dass
Kinder sich von ihrer Dressur und der Zivilisation weg zu ihrem „angeborenen Charakter“
zurückentwickeln, weil sie überleben wollen und demnach zu den in ihnen speziell angelegten
Wünschen und Mitteln greifen werden. Fast schon „legitim“, oder?
Alle drei Filme betreiben einen auf Fatalismus basierenden süffisanten Rufmord gegen die in
Matthäus 18, Vers 10 dokumentierte Offenbarung des 84. Psalms. Er leistet jenen
Dompteuren in den Erziehungssystemen Schützenhilfe, die es seit jeher auf Unterwerfung und
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Gleichschaltung aller Individuen abgesehen haben. In der Irrlehre, das Kollektiv sei einzig
befähigt, jeden Einzelgänger kaltzustellen und für das Gemeinwohl funktionsfähig zu
machen, steckt das eigentliche Motiv des Mobbing, das trotz furchtbarer nachgewiesener
Folgen das insgeheim gepriesene Neidmittel der Gleichmacherei geworden ist.
Überschrift
Das Glücksprinzip
Vorbemerkungen
Nur wenige zeitgenössische deutsche Filme besitzen die angelsächsische Fähigkeit, die Dinge
präzise und ohne „didaktische“ Vorbemerkungen auf den Punkt zu bringen, das Wichtige vom
Unwichtigen zu trennen und ein Problem stets zum Kern hin lösen zu wollen. Statt dessen
gefriert der deutsche normative Lehrcharakter die Dramatik zu Eis. Das Regie-Theater setzt
dann noch sein ideologisches Exkrement darauf und beklagt sich empört, dass die Zuschauer
vom Anblick und dem Gestank davonrennen.
Eine Idee nicht nur zu präsentieren, sondern sie im Spannungsfelde ihrer darin verwickelten
Personen sich erheben zu lassen, wie wenn die Sonne am Horizont emporsteigt, erlebt der
Zuschauer durch das „Glücksprinzip“. Damit sind wir schon „am Ball“.
Ausleuchtung der Szenen, Orte des Geschehens, Darsteller und ihre Charaktere verschmelzen
zu einer fein differenzierten Botschaft an unser Diesseits.
Der Film zeigt das Kernproblem so klar in seinen Tiefen geschichtet, dass es verwundert,
warum nicht die gesamte Ethik sich dieses Filmes hat annehmen wollen. Aber der Grund liegt
auf der Hand: Wer lässt sich nach so teuer erkauften akademischen Graden schon von einem
Zwölfjährigen etwas sagen?
Der Auslöser (A): Er tut drei Menschen Gutes - diese tun es wiederum an 3 weiteren, usw…,
A an A1, A2, A3, A1 gibt an B1, B2 und B3 weiter, A2 gibt an C1, C2 und C3 ab...
Das Werk
Trevor kommt ab der 7. Klasse in den Sozialkunde-Kurs und erlebt einen Lehrer, der die
Kinder zu einer klaren und fruchtbaren Auseinandersetzung mit sich und der Welt
herausfordert. Der Junge fühlt sich durch seine Begabung zu dieser Aufgabe beauftragt und
entwickelt einen Gedanken, der sein Umfeld verändern wird. Es lautet: Wenn jemand einem
anderen Gutes antut, soll es dieser bei drei weiteren Menschen wieder tun, und diese
wiederum auch an drei neuen, so dass sich wie in einem Schneeballsysem eine Lawine
positiver Taten bilden kann.
Sein Lehrer greift diese Idee der Multiplikatoren auf, verstärkt sie, favorisiert die Energie, die
darin schlummert, hat aber mit dem Erfinder seine Probleme, weil dieser ihn in sein
Privatleben holt, um seiner Mutter einen besseren Menschen zuzuführen, als es sein Vater je
gewesen war.
Trevor glaubt zwischenzeitlich an Versagenssymptome seiner Idee, weil ihn seine eigene
Schicksalhaftigkeit vom Kurs abbringt, wie er meint, und Lehrer wie Mutter sich nur zögernd
und mit Vorbehalten einender nähern können.
Ein Journalist kommt mit diesem Glücksprinzip selbst in Berührung und greift es derart
hartnäckig auf, dass ihn das am Ende zu Trevor führen muss. Er stellt ihn der Öffentlichkeit
vor; wenig später greift Trevor eine Schlägergruppe an, die einem hilflosen
Klassenkameraden wieder zusetzt. Einer der Gesetzlosen sticht Trevor nieder; der Junge
stirbt.
Mutter und Lehrer jedoch finden endgültig zusammen; am Abend stehen sie einer Menge
trauernder Menschen gegenüber, die Kerzen und Blumen für Trevor vor dem Hause
niederlegen. -
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Eine Nation schickt ihre Abordnung – das ist die andere Seite einer Gesellschaft, die das
Außergewöhnliche angeblich nicht tolerieren kann. Dies wäre, denke ich, ein düsteres
Märchen! Das aber sollte dieses Filmwerk nicht sein.
(In den ersten Minuten des Klassenunterrichtes stellt uns der Regisseur die Konfliktpersonen
vor: Initialzünder, Erfinder, Opfer des Hasses und den Mörder, der in dieser Art Weitsicht
immer zu spät kommen wird. – Der Mutter begegnen wir als Impulsgeberin ohne Ahnung;
ihre Persönlichkeit wird von ihrem Sohne derart konsequent zu sich selbst gerufen, dass sie
sich aus dem Sumpfe befreien lässt, in den sie der Suff gebracht hatte).
Der ethische Aspekt
Die Ethik eines Pädagogen will zunächst die Lebensbewältigung der Kinder mobilisieren.
Dazu muss er sie zu Problembewusstsein und sicherer Analyse ihres Umfeldes wecken.
Gelingt es ihm, den Kern aus seinem Gefängnis zu lösen, wird sich der junge Mensch auf sein
Ich besinnen und Fremdbestimmendes abschütteln. Das ist die pädagogische Prämisse dieser
Film-Botschaft.
Dass ihm ein außergewöhnliches Kind diese Brieftaube abnimmt, sie versorgt, füttert und mit
einer Antwort zu ihm, seinem Lehrer, zurückschickt, verblüfft. Nimmt sich jeder drei
Hilfsbedürftige vor, kann er, indem er ihnen Gutes tut, von ihnen Gleiches erwarten. Er muss
nur darum bitten, und er muss die Besonderheit einer jeden Person, die etwas Gutes tun soll,
zu einer entsprechend möglichen (belastbar!) Aufgabe hin ermutigen. Jeder, der etwas Gutes
tun kann, muss nicht Gleichwertiges wollen, wenn ihm nur geringere Mittel dafür gegeben
sind, aber auch dieses Geringere ist gut genug, dass es von ihm getan werde.
Der Genialität des Knaben entsprechend wächst dessen analytische Beobachtung zusehends;
selbst in einem Schicksal gefangen, das es zu bessern gilt, fordert er seine Mutter zu ihrer
eigentlichen Größe heraus, die sie im Alkohol ertränkt glaubte, und ebenso seinen Lehrer, der
als Jugendlicher beinahe seinem eigenen Vater zum Opfer gefallen wäre und sich jetzt nicht
in ein Leben finden kann, in dem sich Menschen auf seine innere Kraft würden verlassen
mögen.
Trevor fordert von jedem ein Maß an Belastbarkeit, um Außergewöhnliches der Apathie
stumpfer Gewohnheit entgegensetzen zu können. Wer zweifelt, wer aufgibt, lässt Hohlräume
entstehen, die das Gebäude seiner Humanitätsgesinnung einstürzen lassen könnten. Sein
Lehrer weiß dem nichts Tröstendes oder wahrhaft Ermuti-gendes entgegenzusetzen; er ist –
obwohl der Initialzünder – dennoch in persönlichen Zweifeln ein Suchender. Trevor verachtet
ihn deswegen nicht. Sie umkreisen einander, solange sich die Botschaft noch nicht hat
festsetzen können, und der Knabe knüpft unablässig neue Halteseile, wenn er sieht, dass die
alten zu reißen beginnen.
Ein einziges Kind verändert sein Umfeld! Als Schweitzer sich in den afrikanischen Urwald
zurückzog, um wahr werden zu lassen, wozu er sich stets bekannt hatte, glaubten viele, der
Stern sei versunken. Aber seine Ideen, seine Einmischungen in den politischen und
intellektuellen Unfug Europas und der Welt hatten um so größere Wirkung, denn sie waren
aus der zuverlässig treffsicheren Feder eines Mannes geflossen, dem die noch so primitiv
vermuteten Lebensumstände nichts anzuhaben vermochten. Heute wissen wir, dass aus
diesem Tätig-werden eine sich stetig vergrößernde Kraft auf ihn, Schweitzer, zurückgeflossen
sein muss.
In unserem hier vorliegenden Beispiele erleben wir Trevor als einen Weichensteller von
verschwiegener Zielgerichtetheit, so dass Grundsatzdiskussionen nur dort branden, wo sich
andere an dem Jungen stoßen – er selbst mag zweifeln, aber geht von diesem Konzept nicht
mehr herunter! Der Grund ist klar: Es handelt sich um ein schöpferisch begabtes Kind, und
somit gelten andere Voraussetzungen als bei der überwiegenden Mehrheit der Normativen.
Was kann der Schöpfer wollen?
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Der schöpferische Vollzug
Haley Joel Osment sitzt als Verkörperung dieses Genies Trevor in der Klasse, keineswegs
dominant, sondern lauschend, forschend, aber in sich ruhend ein Wissender unter Tastenden.
Sein Körperbau erscheint feingliedrig, sein Antlitz von innen her an Gedanken geheftet, in
den Augen ruht ein Brunnen, angefüllt mit Rätseln, die nur dieses Kind wird lösen können.
Wenn er sich bewegt, ist einem, als trüge die Geistigkeit ein federleichtes Gebäude ins
Geschehen!
Alles, was mich die Kinder in den letzten Jahren meines Berufs lehrten, fasste ich in
„Merkmale schöpferischer Begabung“ zusammen. Gern gestehe ich, dass ich damit nicht
fertig bin – aus jedem neuen Filmdrama, das geschaffen wird, aus jeder neuen Begegnung mit
einem Kinde versuche ich Abweichungen oder Selbsttäuschungen herauszulesen – aber Haley
Joel Osment bestätigt alle von mir niedergelegten Erkenntnisse in einer so unglaublichen
Selbstverständlichkeit, dass mich natürlich der Blick auf den Regisseur fesselt. Denn nach
solchem Filmkunstwerk begreife ich, dass es zum Glück großartige Kinder-Darsteller mit
großem Energiefelde gibt, aber dieses Kind hat die Ungeheuerlich mit einer solchen
knabenhaft anmutigen Würde in sich gefasst, dass ich mir nicht mehr vorzustellen wage, wie
die übrigen tüchtigen jungen Menschen diese Aufgabe erfüllt hätten. Mich gelüstet eine
solche Vorstellung nicht, weil Haley Joel diese Rolle so vollendet formen durfte, dass es mir
nahezu blasphemisch erschiene, in ihm den Auftrag anzuzweifeln, der ihn – wie übrigens alle
Kinder weltweit – zum Botschafter des Schöpfers macht.
Kinder reflektieren ihr Gesinnungsumfeld – Trevor, in Haley einzigartig lebendig gemacht,
verändert aus seiner Berufung heraus dieses Gesinnungsumfeld als selbstverständlich
abwandelbar, natürlich im kulturellen Sinne! Dabei hat er Helfer, weil der Journalist sich an
seine Spuren heftet, die Trevor zurücklässt, die einen Gestrauchelten befähigen, einer
Selbstmörderin den Sprung in die Tiefe auszureden, die seinen Lehrer an sein ängstlich
gehütetes und verstecktes Ich zurückführt, und seine Mutter sich mit ihrer Mutter, einer
Säuferin im Abseits, endlich aussöhnt.
Trevor bringt das Licht, und der Regisseur achtet darauf, dass nirgend depressive
Verhangenheit den Blick störe. Stets liegt die Klasse im Sonnenlicht, sind die jungen
Menschen in klare Helligkeit, in ausgeleuchtete Räume getaucht. Im gesamten dramatischen
Verlauf wachsen die Personen, entwickeln sich Charaktere, finden Menschen wieder Worte
füreinander, versiegen Zweifel und Misstrauen, weil der neue Geist Räume und Zeit
durchweht.
Trevor reflektiert das drohende Unheil und begeistert sich wie närrisch für den Sportkampf im
Fernsehen: Wenig später taucht sein Vater auf, das Unheil nistet sich wieder ein, und seine
Freundschaft auf Raten mit seinem Lehrer verlässt das Haus.
Was Trevor ahnt, artikuliert er stets nur den Verantwortlichen gegenüber. Wir erfahren nichts
über Diskussio-nen mit Schulkameraden. So haben es die Propheten immer gemacht:
Verantwortungsträger werden gemahnt, nicht die unter ihnen Verführten und Leidenden! Und
Trevor weicht der handgreiflichen Auseinandersetzung aus, weil er dazu weder die Kräfte
besitzt noch die Aussicht auf Problemlösung erkennt. Er ist noch nicht so weit. Als es aber
dann erneut zur Schaftstiefelmentalität kommt, kurz nach seinem Interview, schreitet er zur
Tat. Jetzt wirft er die Angreifer nieder, bekommt das Opfer frei, will es schützen – da sticht
ihn einer der Halunken nieder.
Es war nie ein fairer Kampf zwischen Idealisten und Abschaum, weil der Edelmütige nie den
Mut gehabt hat, solche charakterlichen Ruinen so hinunterzustufen, dass man sie wegwerfen
könnte. Er wollte diese Auseinandersetzungen nie, weil jeder weiß, dass hinter dem Grauen
bereits ein anderes Entsetzendes gestanden hat. Reden kann man damit nicht mehr – man
muss ihm aus dem Wege gehen.
Nun hätte Trevor um Hilfe rufen und warten können, denn es waren Menschen in der Nähe,
die hätten helfen können. Aber die Aufgabe, die Lebensleistung des Jungen war erfüllt. (Man
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spürt so etwas und entledigt sich aller Verzagtheit). Haley trägt das in seinem Antlitz, wir
sehen seine Entschlusskraft, das Verhängnisvolle anzugehen: Er hatte seine Aufgaben erfüllt,
die Weichen gestellt, sein Vermächtnis in Fluss gesetzt… Ethik als Lehrprogramm – aber ich
muss nun nicht mehr dabei sein: „Ich habe die Kerzen schon ausgeblasen.“
Was sollte da noch Hinderliches geschehen können?
Überschrift
Das Mercury-Puzzle
Das Werk
Ein autistischer Junge wird ins Visier genommen, weil er in eine Falle des Sicherheitsdienstes
getappt ist. Trotz der Einwände der unmittelbar beteiligten „Entdecker“ des Anrufers ordnet
der Schalldämpfer-General die Liquidierung der Familie an. Zwar entkommt der Junge und
steht seitdem unter dem persönlichen Schutz eines Polizisten mit intaktem Gewissen, doch
zum Lorbeerkranz gehören nun mal alle verfügbaren Blätter, und so geht das Morden weiter.
Am Ende steht das Duell der zwei erbittertsten Gegner, stellvertretend für ihre
Organisationen, und die greifen ein, um den Sieg für sich erscheinen. Der Hornissenschwarm
der Killer steigt gegen die städtische Ordnungsbehörde auf, und das Kind, seine Beschützer
und das Recht müssen sich gegen die staatlich installierte Sicherheitstruppe verteidigen.
Ähnlich wie in „Das fliegende Auge“ führt der Film die Konsequenzen drastisch vor, wenn
sich Macht an den Menschenrechten vorbeimanövriert, und zugleich bestätigt sich, dass das
Leben einzelner („1 gegen 10 – das ist doch schon was!“) zu Gunsten der Allgemeinheit
bedenkenleicht aufs Spiel zu setzen ist.
Der ethische Aspekt
Dass Filme dieses Genres überhaupt geduldet und nicht als „Nestbeschmutzung“ an den
Pranger gekettet werden, kann nur mit der Er- wartung begründet werden, dass der
Staatsbürger, der sich loyal zum Grundgesetz verhält, glauben soll, es ginge im Staate mit
rechten Din- gen zu, und aller Missbrauch werde schließlich doch aufgedeckt und geahndet.
Den Opfern setzt man Gedenksteine aller Art und geht zur Tagesordnung über.
Diese besagt, dass der Staat zu schützen sei und dass es hier oder da mal
Ausnahmesituationen geben werde, denen die geheimen Sicher-heitskräfte entgegenzutreten
hätten.
Nun ist nicht jeder Geheimdienst zugleich Garant der Legalität!
Der Mossad billigen wir zu, dass sie allein dazu eingerichtet wurde, den Staat Israel gegen das
Lustprinzip Terror zu schützen. Und der verbündet sich weltweit untereinander, um das Netz
so groß wie möglich zu flechten – und zu flicken.
Viele andere Geheimdienste sehen sich in der gleichen Verpflichtung.
Aber wenn ein solcher Dienst zugleich die Aufgabe hat, Brandstifter weltweit zu installieren
und Aufruhr zu schüren, um Waffensysteme testen zu können („Das fliegende Auge“) oder
um „Undercover-Personen in Diktaturen oder anderen Kriegsvorbereitern“ als Läuse im Pelze
zu verstecken, dann allerdings ist verständlich, mit welcher Brutalität man gegen – gewollte
oder zufällige – Störfaktoren im eigenen Lande vorzugehen bereit ist.
Wir wollen den Anspruch solcher Politik, die das duldet, nicht durch ein umgekehrt
gehaltenes Fernglas betrachten, denn davor schützt uns dieser Film.
Der beschützende Polizist stellt fest, dass dem Schalldämpfer-General eine Flasche erlesenen
Weines wichtiger sei als das Leben eines Kindes mit „Defekt“, „zurückgeblieben“, ein
„Ausrutscher der Natur“, und sicher rumort auch der Kostenfaktor im Kopfe dieser niederen
Kreatur, die sie dem Kinde zu Lasten des Staatsbudgets anlasten wird. Und so ist durchaus
logisch, dass der Angewiderte dem niedergetretenen Mörder ein ganzes Regal bester Weine
umkippt und ihm damit zum Geburtstage gratuliert, während draußen die Schlächter
unterwegs sind, um den Kleinen zu eliminieren.
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Das ist kein Pathos, davor beschützt dieser Film, und auch vor ironischer Skepsis sei gewarnt.
Die bösartigen Geschwüre der Macht wuchern nicht allein. Ihre Metastasen haben als
„Globalisierung“ längst die Nervenstränge der freiheitlichen Gesellschaftsordnungen
durchwuchert. Auch wenn man öffentlich darüber schonungsarm aufklärt, ändert sich an der
Strategie nichts, Grundschulkinder als Verdächtige mit Fuß- und sogar Handfesseln der Justiz
zuzuführen. Zum Glück sind wir davon doch noch weit entfernt. Es sollte unser öffentlich zu
artikulierendes Gewissen nicht beruhigen.
Der schöpferische Vollzug
Simon ist kein „nützliches Glied der Gesellschaft“, sondern ein schutzbedürftiges Kind – wie
alle übrigen dieser Erde. Seine Integration in das Gelittensein schreitet nur mühsam fort, und
der Unterton des Makels haftet an seinen Zügen, wenn er mit „Erwachsenen“ zu tun hat. Es
gibt aber auch die anderen, denen die Verantwortung for diesem Leben sehr wichtig ist:
Eltern, Lehrer, Busfahrer, und, man ist verwundert, ein Ex-Undercover, der das sinnlose
Abschlachten jugendlicher Straftäter nicht hatte verhindern können, steht plötzlich an der
Schaltstelle, die über Machtinteressen oder Humanität entscheiden lässt.
Zwei wichtige Faktoren stehen als Konfliktstoff zur Debatte:
1. Was ist Autismus, welche Fähigkeiten, Möglichkeiten der Gefährdung öffentlicher
Interessen geht von Autisten aus, und welche Wesenszüge und Intelligenzfähigkeit
verhindert dies? War also der Mord überhaupt „nötig“?
2. Darf sich ein Staat leisten, Personen zum Ausspionieren und zur Brandstiftung
(Unruhen, Bürger-/, staatenübergreifende Kriege) in fremde Machtsysteme
einzuschleusen?
Der Film zeigt:
Zu 1: Der Metzgermeister beauftragt seine Schlächter trotz der Einwände seiner jungen
Sicherheitsmitarbeiter und ohne sich über den Grad möglicher Entdeckung gründlich zu
informieren, zudem hätte er ganz andere Wege finden können, um das Kind „auszuschalten“ –
da hätte er nur in Argentinien bei gewissen Altkämpfern der NS-Ära nachfragen können!
Zu 2: Zum Selbstschutz einen Geheimdienst zu installieren, hat seinen Sinn, aber nicht, um
den Zweck zu verfolgen, andere Gesellschaftssysteme damit selbstherrlich in politische
Schwierigkeiten zu bringen. Jede Art Konflikt ist zu beseitigen, dessen Vorbereitung
offenzulegen und zu verhindern – hier ist die Diplomatie gefragt, nicht der Colt!
Man könnte glauben, nach alter Mentalität spiele das Drama „12 Uhr mittags“ mit neuen
Darstellern vor zeitgenössischer Kulisse – das ist nicht einmal von der Hand zu weisen. Die
Symptome lagen damals aber in den Charakteren des Banditentums begründet, und man
bekannte sich auch dazu. Die Fronten waren klar abgesteckt.
In diesem Drama steht ein schutzloses behindertes Kind im Mittelpunkt, weil es sich in einen
Schlachthof verirrt hatte, und nun werden die Messer geschärft. Das hat mit Logik nichts zu
tun. Obwohl Angeln ein grausames Jagen ist, wirft man die kleinen Fische wieder ins Wasser
zurück, damit sie für ihr zweites Martyrium wachsen können. Hier dagegen wird nicht
geangelt, sondern die süffisant lächelnde Perversion eines kleinen Kriminellen mit viel zu
weiten Kompetenzen darf sich austoben. Man wurde beleidgt: Ein als absolut kreiertes
Tarnsystem erwies sich als zu lösendes Problem für – Querdenker!
In diesem Begriff liegt das eigentliche Credo des modernen Raubrittertums: Jeder ist käuflich,
damit ist jeder berechenbar, auch erpressbar und damit Rad im Getriebe. Aber Behinderte
gehören da nicht hinein. Und Querdenker, häufig geniale Menschen, sind eine nationale
Gefahr! Nun, das ist nicht nur in diesem Drama das als Beleidigung empfundene Urmotiv.
Nach meinen Messungen werden von 88 % normativ Begabter weniger als die Hälfte, von 12
% schöpferisch Begabter über die Hälfte aller betroffenen Kinder missbraucht oder ermordet.
Und gerade sie haben in bestimmten Schulsystemen nichts zu lachen.
Aber der Film zeigt auch, dass die U.S.-amerikanische Bevölkerung durchaus den Kindern
Schutz gewährt und Menschen helfen will, die unverschuldet in Bedrängnis geraten. Besucher
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der Staaten berichten, dass die Kinder dort ausgesprochen höflich sind. Die Nation reagiert
auf Missbrauch und Vergewaltigung durchaus sensibel.
Ein Kind ins Visier zu nehmen, ist also nicht von nationalem Interesse. Und damit fragt sich
der Zuschauer, ob ein Geheimdienstchef überhaupt so aus der Deckung kommen würde. Hier
treten Zweifel auf. Denn weltweit sind durch Satelliten und andere, erdmontierte
Überwachungssysteme die Menschen längst kontrollierbar. Auch dieser Film zeigt den
raschen Informationszugriff der „Nationalen Sicherheitsbehörde“: Bei Anruf ist jeder schnell
zu lokalisieren und damit auch zu identifizieren. Und Telefongespräche nicht mithören zu
können, zählen wir zu den modernen Grimm´schen Märchen.
Warnen will der Film, Dinge nicht geschehen zu lassen, ohne sie in ihrem Wesen zu
erkennen, ihr Warum zu ergründen und vor Missbrauch der Macht schützen zu helfen, wo es
noch möglich ist. Entscheidungsfragen gibt es darin nicht. Das Gewissen schlägt und hat das
letzte Wort -: Eine einfache, uralte, aber sehr aktuelle Erkenntnis eines bemerkenswert in
Szene gesetzten Dramas.
Überschrift
Das Wunderkind Tate
Vorbemerkungen
Kinder sind Offenbarungswesen, weil sie uneingeschränkten Zugang zum Kosmischen
Wissen haben. Im Falle einer Sonderbegabung nimmt das verstandesgesteuerte Bewusstsein
als intuitive Sensibilität daran teil, so dass Denk- und Erkenntnisprozesse möglich sind, über
die der Durchschnittsbegabte nicht verfügt.
Das Werk
Didi Tate bekommt einen Sohn. Bald bemerkt die Mutter seine rasche Auffassungs- und
Kombinationsgabe. Entsprechend seinen Neigungen erhält Fred Förderung, soweit es die
finanziellen und die sozialen Bedingungen gestatten. Dann wird die Institutsleiterin Jane
Grierson auf den Jungen aufmerksam, und es gelingt ihr, Freds Begabungszustand in das von
ihr gesteuerte Reizumfeld zu bringen, so dass der natürliche Hunger nach ungehindertem
Zugang zu jeder Art Bildung in Freds Blickpunkt geholt wird.
Aber Fred kann nicht ohne die Liebe der Mutter nur dem Sachverstande vertrauen. Er sorgt
sich auch um das häusliche Fortkommen, um das Zusammensein mit seiner Mutter. Freunde
kann er in dieser Umgebung nicht finden und erwarten. Während der „Odyssee des Geistes“
kann er zwar glänzenden Erfolg verbuchen, doch hilft ihm niemand aus seiner Einsamkeit, so
dass er in einem TV-Interview bekennt: „Meine Mutter ist tot!“ Dann verlässt er die Szene,
nicht ohne nach Aufforderung ein Gedicht „Klipperschiffe“ als das seinige zitiert zu haben –
es stammte von einem „normalen“ Klassenkameraden seiner Schule zu Hause. Seinen
Geburtstag feiert er im Kreise seiner neuen Bekannten, aber bald danach lässt das Interesse
für ihn nach, da eine neue Sensation ins Scheinwerferlicht des Begabungsinstitutes geholt
wird. Fred hat „seine Ruhe“.
Der ethische Aspekt
Es gibt zwei Arten der außergewöhnlichen Intelligenz. Favorisiert wird nur die eine, in der
mathematisch-naturwissenschaftliche, sprachliche oder andere wissenschaftliche
Faktenkenntnisse erfrag- und messbar sein sollen. Die andere Art unterteile ich beim Erstellen
eines Begabungsprofiles in die überhaupt jemals messbare und in die absolute Intelligenz. Der
Messwert sagt also, was, hätte man alle Mittel zur Dokumentation verfügbar, das Kind für
einen IQ nutzen könnte – und der liegt in der Regel über 140. Absolute Intelligenz jedoch
schließt alle Sparten der intuitiv gewinnbaren Fähigkeiten ein, so dass alle zuarbeitenden
Kräfte im Menschen einbezogen sind, auch wenn es dafür keine Messmethoden geben kann.
So gesehen ist jedes normal entwickelte Kind auf einem weit höheren Ausgangspunkt
angesiedelt, als es Messungen feststellen könnten, zumal die Sensibilität nicht ermittelbar ist,
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die die Tagesform des Leistungsvermögens maßgeblich beeinflusst. Eine Olympiade der
Wissensbefragung ist also eine Show, die wiederum hierarchischen Interessen zuarbeitet, aber
das Selbstwertgefühl eines Kindes schädigen kann, das auf Sektoren Leistungen nicht
hochfahren wird, die nicht lange gefördert und trainiert worden sind. Und richtig kommt der
Kernsatz des älteren neugewonnenen Freundes: „Wie hoch der Intelligenzquotient ist, darauf
kommt es nicht an. Wichtig ist, wie du ihn einsetzt.“ Und das versteht Fred. So bleibt er in
seinen Bedürfnissen gelassen.
Der schöpferische Vollzug
Zur Einleitung der „Odyssee des Geistes“ referiert Jane Grierson über das Wesen des Genies:
„Es lernt, ohne zu studieren, und weiß, ohne zu lernen, es ist beredt ohne Vorbereitung, exakt,
ohne nachzurechnen, und profund ohne Reflexion.“ Sie bleibt uns die Erklärung schuldig,
woher diese Fähigkeiten stammen und was sie eigentlich bedeuten. Und so wird der Geist nur
auf der Handlungs-, der Faktenebene befragt und kontrolliert, aber weder die Analyse der
Ethik des Genies noch das Prinzip des Zielfassenden im Schöpfungsprozess werden
verdeutlicht oder sind noch von Interesse. Der Film jedoch basiert auf den täglichen
Sensationen der nachwachsenden Genies, die ihr Hiersein zur Aussaat für Kultur nutzen
wollen. Es ist ihr Naturbedürfnis, in dieser Dreischichtigkeit positiven Einfluss auf das Leben
der Menschheit zu nehmen. Doch reißt der Film an der Stelle ab, wo zu belegen ist, was aus
der Genialität des Fred Tate ohne Jane Griersons Institut-Förderung geworden ist. Ein ganz
normaler kleiner Junge war er nie, er wird in kein System passen, er wird darin forschend
wachsen, was die Welt zusammenhalten soll und nicht darf. Das ist der Preis für sein Talent.
Und das will er nicht abstellen, das ist der Motor seines Lebens. Den „Fluch der
Hochbegabung“ jedoch hat der Neid erfunden. Könnte er hier die Fortsetzung des Films
gekappt haben?
Überschrift
Der Club der toten Dichter
Vorbemerkungen
Glaubt man dem Cover, glorifiziert der Film den Lehrer John Keating als Person „mit großer
Ausstrahlung und neuen Lehrmethoden, der das Material Schüler für sich einnimmt und die
„starren Traditionen durcheinander bringt“. Aber es wäre kein Meisterwerk, analysierte es
nicht auch die Fehler, die gemacht wurden, das Versagen derer, die Disziplin und Tradition,
die Normen und einbetonierte Strukturen durch keine geistige Freiheit ankränkeln lassen
wollten, und wir erleben die Kapitulation des begnadeten Pädagogen, als einer seiner
glühenden Verehrer sich aus Verzweiflung umbringt, weil niemand ihn zu schützen vermag.
Das Werk
Ebenso oberflächlich, wie „große Ausstrahlung“ oder „neue Lehrmethoden“, gestaltet sich die
Weisheit: „Nutze den Tag!“ Es fehlt die Zielangabe, wozu, und da entscheidet sich Keating,
selbst Opfer dieses inhumanen Schulsystems, zu insgeheimen Umlenkungen der didaktischen
Zielfassung. Zwar greift er zu „ungewöhnlichen“, weil gegen die Etikette eines
„wohlerzogenen, disziplinierten Schülers“, Ermutigungen, zu sich selbst zu gelangen, doch
wehrt er sich zugleich gegen das System, die Kunst durch Lehrsysteme und
Gestaltungsnormen in den jungen Menschen abzutöten. Er reißt sie aus ihrer Unterworfenheit
und führt sie zu Erkenntnissen und Einsichten, die der Schulleitung und dem Kollegium
höchst widerwärtig sind. Und aus dieser Begeisterung erwächst der Drang, die Kunst im
Nachschaffen sowie in der Selbsterprobung zum Motor für eigenes Denken und Handeln zu
machen. – Als sich einer der jungen Leute für eine Laienspielbühne meldet und den Puck als
Rolle bekommt, rüstet sich das Elternhaus zum Widerstand und erteilt Spielverbot. Und nun
weiß auch Keating nicht weiter und empfiehlt die ideelle Auseinandersetzung mit dem Vater,
einer herrschsüchtigen Kreatur ohne jeden Blick für Kunst und Kultur. Das Stück findet
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trotzdem statt; in der gleichen Nacht trifft die Psyche des Jungen der Bannstrahl des
Tyrannen, und da ihm jeder Widerstand zwecklos erscheint, nimmt sich der Junge das Leben.
Schuld an allem, so arrangiert es die Schulleitung durch erpresste falsche Geständnisse der
Schüler, behält Keating, und da er geht, erhebt sich symbolisch seine ganze Klasse und nimmt
aus erhabener Perspektive, auf den Tischen stehend, von ihrem Idole Abschied. Das ist die
Geste der Hoffnung, die niemand nehmen kann.
Der ethische Aspekt
Geht es in „Fahrenheit 451“ darum, nicht den ideellen Wert eines Buches, sondern dessen
Möglichkeit, Botschaften zu bewahren und den Folgegenerationen weiterzureichen, in
Widerstreit zu jedem Herrschaftssystem der Unkultur zu bringen, so erleben wir in diesem
Film den Kampf der zum Leben zurückgerufenen Jungen, sich zu ihrer Gesinnungs- und
Gedankenfreiheit aktiv zu bekennen, d. h., sich dafür der Rache der Machthaber ihres
Institutes und dessen Lenker auszuliefern. Dabei muss man sehen, dass Keating hätte
berechnen müssen, mit welchen Waffen gekämpft wird, und er hat die Eltern als Schraubstock
der Schul-Ideologie völlig unterschätzt, wenn nicht gar ignoriert.
Wer die Humanitätsgesinnung als Idee in Handlungen umsetzen will, muss den dazu
Gewillten die Mittel zugänglich erhalten, sich erfolgreich wehren zu können. Man hätte
Gönner, Gesinnungsgenossen außerhalb der Schule gewinnen, hätte den Nutzen der neu zu
vertretenden Ideale in die Probe schicken müssen. Wer den Mechanismus Bildungssystem nur
einseitig positiv zu beeinflussen in der Lage ist, gerät rasch in den Streit mit Schul- wie
Elterninteressen. Keating wird also selbst Opfer – das Risiko musste er kennen -, aber als
Intitialzündung muss man auch dort Sprengungen vornehmen wollen, wo es gilt, die
Zufahrten zu neuen Gebieten der Bildungsangebote zu erschließen. Es war eine gute Idee
Keatings, aus dem ihm innewohnenden Bedürfnis geboren, aber ohne Rückendeckung ist man
eine willkommene Zielscheibe.
Der schöpferische Vollzug
Robin Williams erweist sich als Meister solcher Rollen, und in der Regel gewinnt er das Spiel
Humanitätsgesinnung gegen Macht. In diesem Film musste er vorführen, welche negativen
Kräfte gegen das kostbarste Gut der Menschheit mobil sind und stets auf der Lauer liegen.
Wir hoffen, aber der Film bestätigt es nicht, dass seine Arbeit als Keating nicht halb fertig
liegen bleiben wird, sondern dass sich daraus ein langsam sich auffüllender Aufstand gegen
die institutionell verankerte Macht der Bildungsbewacher entwickeln möge. Wenn jeder
einzeln Betroffene seinen Kindern später ein verlässlicher Vater werden konnte, hätte Keating
ein großes Werk vollbracht. Den Grundstock dafür hat er gelegt. Aber das Opfer war zu groß,
als dass es so abgetan werden durfte. Nun, dafür haben wir das Dokument als Film, wofür es
sich lohnt, den Kopf hinzuhalten. Es beweist aber auch, dass Opfer für eine Sache verlangt
werden, die prinzipiell in falschen Händen liegt. Schule darf nicht so weit kommen, dass sie
die Schreckenskonstante im Wachstumsprozess der menschlichen Psyche bedeutet. Das
System der Überwachung und Infiltration hat sich zwar verändert – das Wissen um das wahre
Wesen der uns Geschenkten in ihren Fragen, ihrem Streben nach Erfüllung ihrer Tugenden
und Talente, hat aber vor der Wahrheit kehrt gemacht und rettet sich – wie auch sonst? – in
Prinzipien, Tradition, Stolz und Hierarchie. Einen stilleren Friedhof für Kinder gibt es nicht.
Aber die Gräber dürfen gepflegt werden – wer es denn nicht lassen kann.
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Titel:
Der Flug des Navigators
Vorbemerkungen:
Das Raumschiff ist Kern einer Metapher, also: Das Raumschiff Phantasie wird von dem
Navigator Kind gesteuert, in dessen Kopf sich die Daten gespeichert halten, die den Flug in
den Kosmos aller Vorstellungen bereisen und erkunden lassen. Die Kuriosität gewisser
Erwachsenen besteht darin, es statt dessen einzusperren, um an sein Geheimnis zu kommen.
Aber „die Gedanken sind frei!“ Versucht sie doch zu fangen!
Das Werk:
Durch den Bordroboter eines Raumschiffes wird ein Junge zum Navigator und erfährt so die
Sichtweise in völlig anderen Raum- und Zeitvorstellungen. Er durchschaut Hintergründe und
Absichten der an ihm interessierten Wissenschaftler, Fortschritt als Mittel zum
Herrschaftsvorteil zu benutzen. Einzig die Liebe zu seiner Familie lässt ihn sich auf die
Beschränktheit Erde zurückwünschen. Sein einzigartiges Abenteuer behält er für sich.
Der ethische Aspekt:
Das Unglaubliche als alltagsnotwendig akzeptieren und damit ohne Schwierigkeiten umgehen
zu können, gelingt vor allem Kindern; der Junge war für diese Aufgabe bestens geeignet. Er
wird entführt, weil sein Hirn als Speicher für Daten genutzt werden soll, die dem Roboter die
Rückkehr in die eigenen Sphären ermöglichen sollen. Das ist ein bemerkenswerter Gedanke!
Irreführend ist hierbei die Idee, das menschliche Hirn sei als „Festplatte“ mit beliebigen
„versteckten“ Informationen zu besetzen. Denn die Fähigkeit des Behaltens unterliegt der
Psyche, deren Speicher das „Unterbewusstsein“ ist (wir wissen heute, dass es das Kosmische
Wissen ist); das Gehirn wird nur als Koordinator genutzt. Nur über die Psyche werden die
erfahrenen „Daten“ dem individuellen Lebensbereichen zugeordnet und so gespeichert, dass
sie in der jeweiligen Lebenssituation zu optimaler Nutzung abrufbereit vorliegen können. Was
sich dem „Lernenden“ unsympathisch nähert, wird abgelehnt und als unerwünschte Situation
abgestoßen.
Unser Roboter musste also von der Gesamtpersönlichkeit Besitz ergreifen. Das kommt einer
Vergewaltigung gleich. Durch den nun sich entwickelnden Dialog und die Fähigkeit,
Wertigkeit des Handelns in die Erwägungen des Roboters zu integrieren, kann eine
Handlungskorrektur erfolgen. Die Maschine argumentiert in ihren Entscheidungen also
zunehmend ethisch richtig. Und nur dadurch können wir uns mit der technischen
Überlegenheit abfinden, sie akzeptieren und als schützenswert gegenüber irdischer
Begriffsstutzigkeit verteidi-gen.
Diese fängt zwischenzeitlich den Jungen ein, isoliert ihn, zapft sein Denkvermögen und
Gedächtnis an, legt ihn an Messgeräten an und beginnt, ihn psychisch zu veröden. Dem
notwendigen Ausbruch des Jungen stimmen wir gern zu: Es darf keinen Grund geben, die
Existenz eines Kindes den Zwecken der Forschung zu opfern!.
Der schöpferische Vollzug:
Die Fähigkeit, Zeiten und Räume nach Belieben zu durchmessen, macht den kleinen
Navigator weder hoch- noch unverantwortlich übermütig, sondern er lernt aus natürlichem
kindlichen Antriebe, die Herausforderungen anzunehmen. Missbrauch, Schabernak durch die
ihm verfügbaren technischen Mittel kommen dem Jungen nicht in den Sinn, dazu ist er viel zu
eifrig eingespannt. Sein Charakter identifiziert sich mit dem Roboter zusehends, weil dieser
sich immer stärker als Lebenskamerad des Kindes sensibiliert und sich freut, ihm alles zeigen
zu können, was in der Maschine „noch drin“ ist. Diese Atmosphäre des Gebens und Nehmens
ist großartiger Handlungsrahmen, um die Unerträglichkeit bornierter Erdbewohner sichtbar
für alle Wissenden auszuspannen: Ein Lehrstück für den wachzurüttelnden Kinobesucher!
Das Raumschiff ist, wie bei „Contact“, die Metapher für die Eidetik als der gesunden, bei
Kindern intakten Vorstellungskraft - mit dem Unterschied, dass dieses Raumschiff jederzeit
startklar zur Verfügung steht und in alle beliebigen Zeiten und Räume zu fliegen vermag.
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Es geht nicht um den Fortschritt, um dadurch die Herrschaft über andere zu gewinnen - das
ist nicht kind-gerecht, sondern die hässliche Kopie der Erwachsenengesinnung. Dieser Film
stellt ein mutiges Bekenntnis zur Charakterlichkeit des Kindes dar: Eine lebenswichtige
Bastion gegen den Sumpf der Sciencefiction als Gruselshop.
Überschrift
Der geheime Garten: „Sag, machst du diesen Zauber?“
Vorbemerkungen
(Nach dem Roman von Frances Hodgson)
Wenn wir Mary als Weichensteller-Natur erkennen, müssen wir uns, wie sie auch, auf jene
anderen drei einlassen und ihnen die gleiche Funktion zubilligen: Martha, das Hausmädchen /
Dickon, der naturkundige Junge / Colin, Mary´s Cousin, der sehr schnell die ausgestreckten
Hände der Kinder im Schlosse ergreift und auf die eigenen Füße kommt und das Schicksal
aller zum Guten wendet!
Das Rotkehlchen, das Mary den Weg zur Gartentür zeigt und mit den Menschen im
Schlosspark ein vertrautes Verhältnis hegt:
Diese fünf Leben tragen ein großes Energiefeld in sich und stellen gemeinsam die Weichen zu
einem Leben, das ihnen zurückgegeben wurde, wie Colins Vater richtig feststellt.
Wir müssen über die traumwandlerische Sicherheit des Regisseurs staunen, der diese
„Darsteller“ als aus sich selbst überzeugende Träger einer Rolle finden und spielen lassen
konnte! Das grenzt für mich immer wieder an übersinnliche Fähigkeiten – in Wahrheit gehen
der Auswahl vermutlich sehr sorgsame Prüfungen voraus, von denen wir nichts wissen. Die
fünf aber strömen eine Art „Zauber“ aus, wie Colin, der zu sich selbst zurückfindet,
feststellen wird. . –
Wir müssen vermuten, wenn wir es auch nicht „beweisen“ können, dass das Netz längst
geknüpft war, bevor es zwischen den Kindern und dem Vögelchen ausgespannt werden
konnte. Aber es hat eine unglaubliche Tragfähigkeit und fängt die störend negativen
Gespinste der Vergangenheit sicher auf.
Das Werk
Die Waise Mary wird aus Indien nach England zurückgeholt und lebt im Schlosse ihres
Onkels. Dort entdeckt sie Natur und Menschen und bringt das Leben in ihre Herzen und
Gedanken zurück.
Kinder helfen ihr, auf eigenen Füßen zu stehen; Mary vergilt es ihnen um ein Vielfaches: Ihre
Natur ist wie der Frühling, ihr Selbstbewusstsein findet willkommenes Echo, und sie lehrt mit
ihrem Freunde Dickon ihren Cousin das Gehen, um das Wunder des Gartens, das sie für ihn
vorbereitet halten, ihm zu eröffnen.
In Phasen der Bedrängnis durch das Erwachsenen-Personal hören wir keine Notlügen,
Ausflüchte oder Fehleinschätzungen der jeweiligen Situation, die nicht sofort korrigiert
worden wäre.
Und wir erleben Mary als Forscherin, weil sie sich nicht wegsperren lässt wie ein
untaugliches Möbel, und wir lassen uns durch die beglückend freimütige Art des Mädchens
Martha Mut machen, als sich Mary nicht selbst anzukleiden wünschte. Wir staunen über den
beherzten Dickon, der Mary sehr bald ins Herz geschlossen hat und bei ihr ist, wann immer er
die schöne klare Stimme hören kann. Und wir hätten zu gern den Handwagen mitgeschoben,
in dem Colin seinen ersten Besuch im geheimen Garten verwirklichen kann!
Der ethische Aspekt
Mary wurde in Indien von Dienerinnen verwöhnt. Als ihre Eltern, die sich nicht um sie
kümmerten, bei einem Erdbeben umkommen (in der älteren s/w-Fassung an der Cholera
sterben), holt man sie und andere so betroffene Kinder in ihr Heimatland zurück, wo sich
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Verwandte um sie kümmern. Mary ist ein eigenwilliges Kind und wird von den anderen
ausgelacht. Es sind ihre verschütteten Begabungen, die erst durch ihr Bestreben zu
Selbständigkeit gegen Bevormundung geweckt werden und sich nicht mehr wegsperren
lassen. So entdeckt sie die Herzen der Kinder, die mit ihr im Schlosse leben, und sie werden
Verbündete gegen Erwachsene, die den Sohn des Lord wie einen Schwerkranken im Bette
halten.
Mary und ihr Freund, auch Martha, die einiges mitbekommt, aber an den Hausdienst gefesselt
ist, bringen die Sonne ins Haus zurück. Im geheimen Garten, der nach dem Tode ihrer Tante
nie wieder betreten werden sollte, erblüht das Leben im Verborgenen und empfängt
schließlich den jungen Lord, der mit aufquellendem Lebenswillen das Gehen erlernt und
seinen überraschten und überglücklich-dankbaren Vater in die Arme schließen kann.
Der Wert angestammter Tugenden darf sich nicht unter den Scheffel stellen lassen. Die
kindliche Willenskraft lässt sich gern positiv fordern und entwickelt „magische Kräfte“, sie
vollbringt „Wunder“ im Garten des Lebens!
Keine Szene nimmt den Kindern ihre Würde – ein jedes strahlt Selbstbewusstsein und
Verantwortungsgefühl aus! Nichts wird riskiert, was Schaden an Tieren oder Menschen
anrichten könnte! Und Mary findet ihre angestammte Freude an den Blumen als Akt der
Entdeckung; ab dem Zeitpunkt beginnt sie zu säen, zu pflanzen, dem Leben zuerst in der Erde
aufzuhelfen und die Vögel zu beobachten, für die es keine Begrenzungen wie Mauern gibt.
„Und wenn man´s genau nimmt, ist die ganze Welt ein Garten….!“ schließt die Kleine ihren
Dank an diese Monate zunehmender Beglückung, ihre Freude am Leben mit anderen
Vertrauten zu teilen. Natürlich: Man muss die Tür und den Schlüssel dazu finden.
Und was gesteht ihr der alte Gärtner? Er schaut auf der Leiter über die Mauer und entdeckt
die Kinder, und als er sieht, dass Colin kein „Krüppel“ ist, und als er entdeckt, dass der Junge
sich erstmals vor Fremden auf die Füße stellt, da ist er ihr Verbündeter, denn er hatte die
Rosen gepflegt, obwohl doch der Garten vergessen bleiben sollte! Aber vor diesem Befehl
war die Lady mit ihrem Wunsch gewesen, und den zu erfüllen, hatte er doch versprochen!
Der schöpferische Vollzug
Als Mary lernen muss, sich um sich selbst zu kümmern, ist es ihre „Dienerin“, etwas älter als
Mary, die sie zu Tatkraft und Entschlossenheit motiviert, und den Scheuerpfahl bildet die
Hausdame, die auch für die Pflege des kränkelnden Cousins Colin verantwortlich ist.
Was Mary sucht, findet sie auch: Die Natur als Insel, nämlich den geheimen Garten, einen
Gleichgesinnten in Gestalt und Charakter Dickons, und als sie ihren Cousin Colin entdeckt,
strömt auf ihn die Energie des Mädchens über und weckt die Lebenskraft, die von dem
Pflegepersonal so streng an das Bett verpflichtet worden war.
Dass Mary mit Dickons Hilfe den gehunfähigen Colin zum quicklebendig laufenden Jungen
verwandeln können, ist Gemeinschaftssache. Dass aber Dickon beim Pflanzen der
Blumenzwiebeln voller Zuneigung auch Marys Hand noch einmal auf das Erdreich drückt, ist
der zarte Hinweis dieses Filmes, dass sich die Kinder sehr mögen, weil sie aus gleichem
Holze geschnitzt sind.
Standesunterschiede werden nur noch verbal eingehalten; im Herzen finden sich alle
Bewohner dieses Schlosses einmütig und im Respekt voreinander zu allem Notwendigen wie
Schönen zusammen.
Colin kann wieder laufen, und er fragt Mary: „Sag, machst du diesen Zauber?“ und Mary
erklärt ihm, dass diese Kraft aus ihm selbst komme.
Entscheidend für die Güte eines echten Dramas ist das Wachsen einer Persönlichkeit an ihren
Aufgaben, um die Konflikte bewältigen zu können. Mary wächst zu voller innerer Größe, so
dass wir sie in ihren Augen und ihrer Gestik miterleben können. Colin lernt nicht nur das
Gehen, sondern sein Verhältnis zu Natur und Menschen ins Gleichgewicht zu bringen.
Dickon aber, der mit der Natur so innig verwachsen ist, kann sich in dieser Gruppe als Dritter
durchaus ebenbürtig fühlen. Ohne seine Hilfe, sein Wissen um die natürlichen Dinge des
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Lebens, hätten sich viele Ereignisse nicht so eigentümlich lösbar zum Guten entwickeln
können. Den Zauber, Colins Vater aus der Ferne herbeizuholen, deuten wir getrost als
symbolisch; der feinsinnige Mann wird durchaus gespürt haben, was die Seele seines Sohnes
ihm zuzurufen sich mühte – und er kommt und darf sein gesundes Kind in die Arme
schließen. An Mary hören wir seinen Dank sagen; wir hätten gern erfahren, was er Dickon zu
sagen haben wird – der Film spart es aus, aber wir dürfen vermuten, was der Junge da auf
seinem Schimmel fühlt und was ihn erwartet, so stark ist seine Anteilnahme an allem, was so
Erstaunliches geschehen ist, und er war mitten unter ihm!
Überschrift
Der Junge im gestreiften Pyama
Vorbemerkungen
Gewalt gegen andere hat ihren Bumerang-Effekt, so dass es Opfer auf beiden Seiten geben
muss, und als dessen Gegenteil : „Was Gutes von dir ausgeht, kommt zu dir zurück!“ („Zwei
durch dick und dünn“). Interessant die Frage also, was am Ende von einer Diktatur
zurückbleibt, wen es trifft und wen es – als Täter – doch zunächst noch verschont hält!
Der Autor des Buches spielt mit dem Leser diese Frage am Schicksale zweier Jungen (nicht
„Jungs“!) durch, die einander gefunden haben und Freunde bis in den Tod bleiben. Bumerang
wird es im Falle der Gewalt gegen Verhasste, der ironischerweise das eigene Kind zum Opfer
fällt. Das ist keine Sühne – auch nicht Gottes Rache, wie C.F. Meyer in „Die Füße im Feuer“
mahnt, sondern nur als Exempel zu begreifen, die dem Autor so wichtig ist, dass er diese
Vorstellung konsequent verfolgt und abschließt. - „Das hat er nun davon!“ ist also ein stupider
Triumph. Es geht um den Umkehr-Effekt: Der Vater muss seinen Befehlshabern einen Eid
des Schweigens schwören, es bleibt jede Erklärung der Familie gegenüber unausgesprochen,
und der Sohn kann die Gefahr nicht erkennen. Es verwundert allerdings, wie leicht er den
Lagerzaun untergraben kann. Das ist ein Omen, denn wir dürfen uns vorstellen, dass die
Kontrollen streng und die Zäune von Wachttürmen ständig beäugt wurden. Es soll ein
symbolischer Akt sein: Untergrabe das System, dann entscheidest du selbst, ob du hinein oder
die Gefangenen heraus gehören.
Das Werk
Der 9-jährige Bruno ist Sohn eines SS-Schergen, der sich als Soldat in der Pflicht sieht, ein
Vernichtungslager zu führen, um dem Vaterlande so recht dienen zu können. Das
Gedankengut hierfür lässt er durch einen Hauslehrer seinen beiden Kinder einhämmern. Die
12-jährige Schwester rezitiert brav die väterliche Gesinnung, der jüngere Bruder hat längst
Kontakt mit einem Jungen aus dem nicht weit entfernten KZ aufgenommen und kann die
Phrasen jetzt für sich hinterfragen. Dieses aufgeweckte Kind erschrickt vor der Brutalität der
Soldaten um seinen Vater, aber es reimt sich seine Entdeckungen doch so zusammen, dass es
dem gleichaltrigen Shmuel helfen will, den inzwischen im Lager „vermissten“ Vater zu
finden. Unterdessen rauchen die Schornsteine des Krematoriums....
Grundlegende Aussagen sind auch zu finden, so: „Juden sind eigentlich keine richtigen
Menschen, sondern Abschaum“ – und: „Wenn sie brennen, stinken sie noch mehr!“
Der Film will nicht beschönigen, will nicht die zwei Familienlager im Widerstreit
dokumentieren, sondern zeigt, wie durch das Hinterfragen des Jungen der Schutzpanzer des
Geheimnishütens Löcher bekommt und durch die Mutter schließlich zur klaren Absage
solcher Geisteshaltung der Mörder führt.
Der ethische Aspekt
So wird Bruno nicht zum forschenden Beobachter auf Wachtposten expediert – der
Schriftsteller lässt ihn das Schicksal Shmuels bis zum letzten Augenblick auf gleiche Weise
miterleben. Das rettet sie nicht, aber der Mutter, die früh in Widerstand zu ihrem Gatten, den
Lagerkommandanten, getreten ist, zunächst vermittelnd, dann in heftiger Abwehr, wird der
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Keim in die Zukunft eingepflanzt, dass dieses Mördersystem vor nichts und niemanden
zurückschreckt, wenn es um die Durchsetzung aufgedunsener Ideologien geht.
Man wirft dem Regisseur vor, die subtile Atmosphäre des Romans nicht getroffen zu haben.
Ich werfe dem Rezensenten vor, dass kein Roman – als Epos – eine solche Dramatik in sich
bergen kann, wie sie der Regisseur mit diesen beiden Jungdarstellern entwickeln konnte.
Romane erzählen. Dramen entwickeln, entwirren und führen in die notwendige Katastrophe
der Lösungen, die einem nicht gefallen mögen. Aber sie müssen sein.
Der schöpferische Vollzug
Da das ZDF den Nachspann kappte, musste man sich mühsam per Internet informieren. Gut
war es, diesen Film am Karfreitag zu senden, denn es macht doch stutzig, wie viele Chöre der
Erwachsenen die Passionsmusik interpretieren, gellen einem bei diesen Ritualen doch die
beiden üblichen Schreie: „Hosianna“ – „Kreuzige ihn!“ im Ohr. Großzügig lädt man zum
Eingangschor der Matthäus-Passion – und es gab mehrere Aufführungen – Kinder zum
Cantus firmus. Bach gehört ausschließlich in die Münder der Kinder, denen der ganze Schatz
an schöpferischem Empfindungsgut ins Herz gelegt ist – auch als Solisten! Zeigt sich nun der
Junge im gestreiften Pyama mit seinem Freunde mit dessen nicht registrierter Zahl auf der
Gefängniskleidung, ist längst alles Aufbegehren überfällig. Am Ende wartet dann die
„Dusche“, in die man die Opfer brutal treibt. Man kann sich also eingedenk dessen erheben,
die Noten zuklappen und nachdenklich nach Hause gehen.
Die zwei Solisten eines weiteren jüdischen Leidensweges sind klug gewählt und in ihren
Rollen kontrastreich einander gegenübergesetzt. Ob sich jemals ein solches Schicksal
zugetragen hat, bleibt offen. Die Möglichkeit, dass Bruno zusammen mit Shmuel nicht etwa
für das Reich und den Führer sterben durften, sondern schlicht dessen Wahnsinn in seiner
kristallklaren Darbietung als registrierbare Beute dienten, macht niemanden froh, sondern
verendet mit den Verzweiflungsschreien der Mutter und dem offenen Maul des geprellten
Vaters. Zumindest letzteres erkennt man in seinen Ausmaßen als unterschiedlich
bedeutungsvoll – jedoch wenig problemlösend für die Zukunft.
Überschrift
Der kalte Himmel
Vorbemerkungen
Die Hauptdarsteller dieser Tragödie: Marc und Eric Hermann – beide gern haptisch erfassend
Philosophisch-ethisch-religiös begabt, universal-wegbereitend, mit enorm hoher
Geisteskapazität, haben diese Kinder ein stark belastendes Umfeld zu tragen. Aus diesem
entstehen Fragen an die „Experten“ des Autismus, die zu Problemlösungen führen müssen..
Das Werk
Felix wächst mit Schwester und Bruder in einem bayerischen Dorfe auf und fällt dadurch „aus
dem Rahmen“, dass er sich nicht auf die Lebensform der „Normalen“ einstellen kann. 1967
beginnt in den Großstädten die Demontage des „Establishment“ und die Inthronisierung der
kontrollierbaren Umerziehung durch Anarchie. Felix dagegen soll durch Teufelsaustreibung
geheilt werden.
Fremde beißen sich an dem Jungen die Zähne aus; mit der Einschulung wird es nichts. Durch
den sozialen Druck geraten die Eltern immer stärker in Zugzwang. Da nur die Mutter den Mut
hat, ihrem Herzen und ihrem Gefühl zu folgen, das ihr sagt, dass es nicht „Dummheit“ ist,
was ihren Jungen zum „Dorfdeppen“ erklären soll, versucht sie alles, um das Kind aus seiner
Falle zu befreien. Gegen die Lehrmeinung ermittelt ein junger Arzt das Asperger-Syndrom
und macht sich mit Verbündeten seines Berufes und seiner Überzeugung für neue Wege der
Kinderpsychiatrie stark. Felix kehrt aus diesen Erkundungs- und Aufklärungsflügen der
Therapeuten nach Hause zurück. Leider erfahren wir nichts über seinen weiteren Lebensweg.
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Der ethische Aspekt
Weil diese Jahre der Schicksalsentscheidung eine schwere Belastung für die bäuerliche
Familie bedeuten, hat sich der Film eines solchen Falles angenommen. Man hat dafür
Zwillingsbrüdern die Hauptrolle zuerteilt und ist damit dem Kern allen Verstehens
unvermittelt nahe gerückt.
Denn Marc und Eric Hermann erweisen sich als beeindruckend kundig in dem, wie man sich
verhalten muss, um einen Jungen mit diesem „Krankheits“-bilde spielen zu können. Die
Aufgaben sind redlich geteilt, obgleich Eric der empfindsamere unter den beiden
hochbegabten Kindern ist und vermutlich stärker belastet war als der in sich ruhende Marc. In
der Intensität lassen beide nichts fehlen. Wir dürfen uns daher fragen: Wie viel von einem
Asperger-Syndrom trägt ein schöpferisch geniales Kind in sich, und wie viel kostet es die
Gesellschaft, allen Kindern mit einer enorm hohen Empfindsam-keitsschwelle das
auszutreiben? Und wer zahlt den Eltern den Schadensersatz für die Verweigerung der
Behandlungskosten durch die Krankenkasse? Pech gehabt – oder doch mehr?
Der schöpferische Vollzug
Warum lassen sich Kinder nicht gern in die Augen glotzen? – Weil niemand gern jeden
hereinlassen möchte, und das ist auch eines Kindes Recht! – Und warum errichtet dieses
Syndrom sichtbare Abgrenzungen zur Umwelt? Wie viel von dem, was Kinder uns zu sagen
haben, will man denn wirklich hören? – Wie viel seiner Sprache will man denn gelten lassen?
Erschütternd, wie sich „Ärzte“ in Gegenwart ihrer kleinen Patienten um deren Wohlergehen
scheren, sie in ihrer Anwesenheit übelst diffamieren und zu Monstern erklären, und wie wenig
ist ein Professor noch in den 60-er Jahren geneigt, der ein Kind beurteilen soll, dieses zu
begrüßen und ihm die Scheu zu nehmen, die die Leistungsbemessung beeinträchtigen wird?
Erkenntnisse mögen sich erweitern, Methoden verbessern lassen: Wer mit Kindern umgeht,
sollte sie als Patienten mit Würde, Zuneigung und Interesse für ihre Leidenswelt bedenken
oder die Pfoten von ihnen lassen. Auch die Weißkittelfraktion hat noch viel nachzuholen –
immer noch!
Wie urteilt der Leser aus eigener Anschauung?
Wenn ich sage, ein Autist sei weder auf Erwerb noch Gewinn aus, so entspricht dies der
völlig normalen Position eines jeden Kindes: Es wird der Menschheit geschenkt, damit es in
wohl durchdachter Obhut heranwachse. Aber da seine Aufgabe darin besteht, Gesinnungen
reflektierend bloßzustellen, um Fehlerhaftes einzugrenzen, erlebt das Kind das bösartige
Rachesystem von Lohn und Strafe. Und da sich psychologisch der Mensch durchschnittlich
nicht vom Hordenverhalten entfernt hat, fasst man Kinder ebenfalls in Rudel zusammen, was
man Schule nennt, und dressiert sie darauf, dem Leitwolf und dessen Helfern zu gehorchen.
Sie müssen lernen, mit den anderen Beute zu machen, und müssen lernen, so gierig zu sein,
dass man sich seinen Anteil gegen die hungrigen übrigen aus der Beute herausreißt und gegen
die Neider mörderisch verteidigt.
Der tägliche Krieg „normativ gegen schöpferisch“ führt uns die Klientel der Gewinner vor,
und Schöpferische ziehen sich meist auf sich selbst zurück, weil sie den Krieg nicht wollen.
Daher ihr Verhöhntwerden, ihre Diffamierung, ihr Hinuntergestoßenwerden von den Leitern
der jeweiligen Hierarchie normativer Weltgeltung, von der sie sich sowiso nichts erhofft
hätten
Zu welchen Konsequenzen führt ihn seine analytisch bedingte Skepsis?
Das autistische Kind erfasst dieses Klima des homo erectus entweder schon vor oder in den
ersten Jahren nach der Geburt, und es verkapselt sich notgedrungen gegen diese Inhumanität,
um sich in Ruhe mit den Wechselwirkungen zwischen den agierenden Dingen seines
Erlebnisfeldes befassen zu können. Sein Gewissen funktioniert auch nicht als Warnsystem,
sondern zeigt ihm Verlust oder Übereinstimmung mit Wesen, die es liebt und die ihn
entweder nicht verstehen oder ihn stützen und verteidigen. Das Komplexe aller
Wechselwirkungen kann es durchaus darstellen, benutzt dies aber als kommunikativen
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Wegweiser für Menschen, die es „hereinlassen“ möchte, und rebelliert heftig gegen
Eindringlinge, die es nicht hereinbat und als störende Elemente in seinem täglich zu
führenden Dialog Mensch-Schöpfer / Seele-Schöpfungsgeist entheiligend empfinden muss.
Der Autist bleibt lebenslang Kind, also in Abhängigkeit der ihn Duldenden. Was er als
„Gegenleistung“ zu bieten hat, entspringt seinem Kosmischen Wissen: - er durchstreift
Weltenalter, versucht sie aber nicht, „an den Mann“ zu bringen …. Im Autismus – zumindest
dieser hier geschilderten Prägung - ist der Gegensatz aller Begabungen (normativ oder
schöpferisch) ohnehin - bei dieser ungeheuren Größe - aufgehoben
Überschrift
Der kleine Lord (Ricky Schroder)
Vorbemerkungen:
Gero v. Wilperts Lexikon der Weltliteratur bezeichnet Frances´ Burnetts Werk „The Little
Lord Fauntleroy“ (1886 geschrieben, deutschsprachig ab 1946) als sentimental-romantisch).
Aber kein Geringer, sondern Alec Guiness übernahm die Rolle des Großvaters. Ihm zur Seite
ein großartiges Nachwuchstalent! Warum irrte die Regie in dieser Besetzung nicht?
Soviel also zur Literaturkritik ….Dennoch hat Wilpert recht: Der Stil offenbart das Ringen
um die Beschreibung des Monuments „Kindschaft“: Frances Burnett will ein Denkmal
erstellen wie einst Ellen Key. Aber der Autorin aus den USA fehlt die treffsichere
Begrifflichkeit, ohne die ihr eine Charakterisierung nicht gelingen wird. Sie muss das Wesen
dieses Jungen polarisieren und beschreibt den Großvater als das Gegenteil. Doch jede
Handlung ist besser als die Objektbeschreibung. Aber je mehr Burnett über Ceddy oder später
Cedric plaudert, desto schwammiger wird die Plastik, an der sie arbeitet.
Wie löst Johann Gottfried Herder dieses Problem?
a) Er liefert kein Klischee eines braven Kindes mit blonden Locken.
b) Er beschreibt das Nötigste an Mimik, Gestik, Sprache bzw. vermeidet es, sondern lässt an
den Reaktionen des Scheichs Abbas die Wirkung des Kindes auf den Herrscher erleben.
c) Herder bestätigt den Erfolg des königlichen Erziehungsprogramms durch die an Ali Beg zu
beobachtenden Tugenden, die Herder allerdings aufzählt. Damit wird Schweitzers Forderung
erfüllt, „nüchtern- enthusiastisch“ zu werden, nicht euphorisch, denke ich.
Somit schafft Herder dem Leser das Mittel der Überprüfbarkeit und nicht den
emotionsgeschweißten Röhrenblick der Autorin. Das heißt nicht, sie habe sich geirrt und den
Jungen überidealisiert! Nur bleibt sie in der Sprachwelt der Sentimentalität stecken, aus der
sie gern heraus möchte, weil sie ihr Pulver verschießt, bevor sie das Ziel in den Mittelpunkt
stellt.
Denn hier unterläuft ihr die Gefahr, einem Irrtume aufzuhelfen, dass nämlich die Charaktere
zufällig aufeinanderträfen, weil es vom Schicksale nun mal so abgerollt sei. Wir wissen aber,
dass es keine Zufälle gibt und dass mit Burnetts Erzählung der Meinung widerspro- chen
werden soll, dass man irgendwo mal Glück gehabt haben könne. Genau das will sie ja
widerlegen. Denn Cedrics Charakter trifft auf den des Großvaters, und nur das
unbeschreiblich erhellende Wesen gerade dieses Kindes vermag ein Wunder zu vollbringen!
Nur ein solches Kind mit diesen Anlagen und diesen Erziehungszügen hat die Fähigkeit –
nicht irgendwer, denn fast jedes andere Kind hätte an der Situation zerbrechen können!
Worin besteht aber nun die Ethik des Buches und – sie erweiternd – die des Filmes?
Das Werk
Ein englischer Earl holt seinen erbberechtigten Enkel samt Mutter zu sich auf sein Besitztum;
um ihn auf sein Amt als zukünftigen Earl vorzubereiten.
Der Junge ist sozial genialer Natur, von der Mutter Zeit seines Lebens darin bestärkt, und
bringt das versteinerte Empfinden seines Großvaters zum Schmelzen.
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Nicht allein die örtlichen Verhältnisse für Dienstboten und Pächter wenden sich zu
menschlichen Lebensformen, sondern auch das feindliche Verhalten des Großvaters zu seiner
Schwiegertochter wandelt sich zu Anerkennung und bleibender Herzlichkeit.
Der Film steht zum Buche wie die Musik einer Oper zum Libretto: Wären Text und Musik
von gleich hoher Verdichtung, käme der Zuhörer nicht nach, und so ist ein leicht fasslicher
Text die ideale Grundlage der Komposition, dem Zuhörer die Konflikte dramatisch
zuzuführen.
Dazu weicht der Film vom Klischeemalerischen ab, das sich dadurch hartnäckig in die
Betrachtung des Kindes bohrt, weil der Autorin die Argumente seiner Größe ausgehen. So
verzichtet man auf die goldenen Locken: Der Knabe trägt langes, weißblondes Haar, es lebt
ungezwungen mit unterschiedlichen Bekleidungsarten und scheut sich nicht, ein rotes
Halstuch umzulegen, als die Gesellschaft sich auf hohem Niveau zu langweilen beginnt. Auch
der Tanz, den der Knabe vorschlägt, entstammt den Staaten, d. h., er greift auf deren junge
Geschichte zurück und auf die Notwendigkeit, sich vom britischen Mutterlande zu lösen.
Aber für Cedric gilt, was ihn seine Freunde lehrten, anderen Menschen zur Freude
vorzuführen und sie mitzureißen.
Alec Guiness gab mit Übernahme seiner Rolle das Siegel für Seriösität, Professionalität,
Logik der Handlung, Echtheit und daher Glaubwür- digkeit aller Charakter in Haupt- wie
Nebenrollen, Spiegelbildlichkeit des Hungers nach Humanität, die ein ungeliebter Graf
verordnet und zögernd aufgibt, weil ihm die Unschuld das Argument für die Abkehr früherer
Haltung liefert, das ihm Sparsamkeit und Härte verweigert hatten
Wer erziehen will oder soll, muss den Ursprüngen der Seele seines Schülers zu lauschen
verstehen. Der Earl ist zu gebildet, um diese Sprache nicht zu hören und deren Bedeutung zu
entschlüsseln. Humanität, sagt Lessing, wächst durch Bildung, auch und vor allem des
Herzens. Aber der Großvater hört noch etwas anderes: Die Stimme seines Blutes bejaht, was
er selbst schon verneint hatte. Es trifft ihn elementar, was dieses Kind vorlebt, es ist, so
dämmert ihm wieder herauf, Teil seines Selbst. Er kann danach getrost greifen, weil er merkt,
dass es echt, der Lauterkeit entsprungen ist.
Kindschaft ist ihm persönliches Erlebnis, Zusicherung seines Alterns, ein Geschenk, das er
nicht ausschlagen wird. Er hat verstanden, er greift zu, er schafft ihm Raum. Was ihm
zunächst vorlaut erschien, ist ihm zum Gewissen beschieden. Das zuzugeben, ist Größe!
Wie in Herders „Hirtenknabe“ überredet man nicht, sondern überzeugt durch untadeliges
Handeln. Nichts anderes lebt der Knabe Cedric vor; er entscheidet treffsicher richtig, aus dem
Herzen heraus, in voller Überlegung, bereit, dafür die Verantwortung zu tragen – in diesem
Alter wahrhaft frühreif!
Aber so ist er eben.
Eine Vision? – Ich halte dagegen! Es gibt sie, diese Kinder! Wo nicht, haben die versagt, die
davon hätten zehren dürfen, täglich, ohne je satt an ihnen werden zu können.
Der Film hat dies belegt. Das ist sein unbestreitbares Verdienst; alle weiteren Versuche
müssen sich an diesem Kunstwerke messen lassen.
Der ethische Aspekt
Für Normative ein melodramatisch erzähltes Märchen, bedeutet es die filmische Darstellung
des vollendeten schöpferischen Charakters. Das ist ein Idealfall, darum soll er hier gewürdigt
werden.
Jedem Anfluge einer Geringschätzung begegnet der Junge, indem er die Gesinnung zu
falschen Entscheidungen nicht annimmt und deren Korrekturen durch Hoheit seiner
Gedanken herausfordert. Zu jedem hilfsbereit, soziale Rangfolge zwar einhaltend, aber durch
Menschlichkeit und Achtung des anderen zur Würde steigernd, bringt dieses Kind in das
Schloss seines Großvaters die Sonne.
Dem Adel jener Generationen attestiert der Film zudem die Fähigkeit, Größe und Tragkraft
eines Charakters in Verbindung mit der Intelligenz zu erfassen und zu respektieren. Denn der
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kleine Enkel überzeugt durch Gesinnung, Willenskraft, Mut und Ehrlichkeit, was ihm
begegnet, behandelt er mit Respekt, er bläst sich nicht auf, als ihn Schlossgesinde und das
Dorf wie ein nie gekanntes Geschenk verehren, er fordert nur, was ihm versprochen wurde, er
wird nie ausfallend, nie trotzt er, sondern ermutigt den Großvater zu Herzensgüte und Milde,
er verzaubert die Herzen der Gäste, er ist unbefangen und zugleich bescheiden, er redet, wie
es ihn seine Mutter gelehrt hat, scheut sich aber auch nicht, die Dinge der Straße beim Namen
zu nennen, er ist ein unschuldiges Wesen und darum über jeden Verdacht des Eigennutzes
erhaben. Seine Gesinnung gegen jedermann ist selbstlos, er beglückt, wo er sich freut, er
stützt den Großvater und kauft für den kleinen George zwei Krücken, er weiß zu fragen, bohrt
nicht, er streckt die Hand aus, statt sich scheu auf sein Ich zu reduzieren, und während er das
Schloss zu Leben erweckt, hilft derweil seine Mutter den armen Pächtern, ihr Leben wieder
mit Hoffnung anzunehmen.
Alec Guiness in der Rolle des Großvaters verleiht der Aristokratie die von ihr zu erwartende
Würde, indem er sich der Menschlichkeit stellt und sein Anwesen auf Vordermann bringt.
Einzig die Liebe hat dies bewirkt. Seine Helfer verfolgen und bejahen die Wandlung vom
Griesgram zum durch den Enkel beglückten Großvater, sie setzen alles daran, den Jungen
gegen die Bosheit eines erlogenen Erbanspruches zu schützen, und dennoch müssen die
Freunde aus der alten Heimat, den Staaten, nach England reisen, um das Gespenst des
Erbfolgewiderrufs verjagen zu helfen.
Hätte das Drehbuch sich mit der Vorlage der Autorin begnügt, hätte sich ein Konflikt nicht
austragen lassen, wie er sich nach Lage der Charaktere unbedingt anbietet. Aber der
Filmregisseur hebt das Werk über den Stil der Erzählerin weit heraus, er offeriert das
Grundsätzliche, er führt die Tugenden einer staunenden Außenwelt vor, weil die Wirkungen
vom Schlosse aus in das Land getragen werden, wo vormals das Leid herrschte, durch die
Hartherzigkeit des Earls beschieden. Es besteht kein Zweifel, dass der junge Lord mit jeder
Handlung einen weiteren Stein ins Wasser wirft und somit ringförmigen Wellenschlag
verursacht. Gutherzigkeit und andere positiven Merkmale finden ihr Echo, denn auch das
erfahren wir: Humanität hat in jeder Gesellschaftsschicht ihre natürlichen Wurzeln, und die
Menschen, die zwar Untergebene waren, standen in ihrer Ethik oft höher als ihr Graf. Durch
den Enkel wird die entscheidende Brücke geschlagen: - von Augenblick zu Augenblick, von
Generation zu Generation, von Land zu Land, denn sein Selbstbewusstsein wurde dem
Knaben in den Staaten gestärkt, von der Mutter anregend unterstützt, und wo immer das Kind
sich bewegte, wusste es sich auszudrücken und die Dinge beim richtigen Namen zu nennen.
Das verursacht Freundschaften ohne Standesunterschiede, und anders hätte es das Kind gar
nicht ausgehalten, wie auch die Mutter nicht, die den Pächtern Trost und Hilfe ins Haus trug,
wo sonst die Verzweiflung das alltägliche Leben beherrschte.
Wenn das Kind seine Tugenden auslebt, steht es nur formal der höfischen Tradition
gegenüber, aber es bekommt seine Chance, eben weil es nichts ertrotzt, sondern erbittet oder
als Signal aktivierend deutet, dass Großes geplant war und bald geschehen wird. Und ohne
Hintergedanken wird hier ein Spiel entwickelt, bei dem jeder seinen fairen Zug bekommt. Das
Kind aber will nicht gewinnen, sondern nur Herzen öffnen und den Menschen außerhalb
seines Lebens zeigen, wie edel in Wahrheit Menschen sind, wenn man es ihnen nur zugesteht.
Noch erstaunlicher ist, was der Großvater rasch beobachtet, dass sein Enkel sich weigert,
Fehlverhalten als Notwendigkeit in seinem Herzen wohnen zu lassen. Jede Art der
Begründung weist er zurück, indem er eine noch höhere für gute Taten vordeutet und somit
den Weg ebnet, ohne dass jemand sein „Gesicht verlöre“, über seine bisherigen
Anschauungen heraus das notwendig Richtige zu tun, und das ist nun mal die kompromisslose
Humanität!
Und anderes tut auch seine Mutter nicht, die außerhalb des Schlosses lebt und ihren Sohn
täglich einmal sehen darf. Das Kind hat die Bestätigung seiner richtig angewandten Tugenden
ja in seinen Armen, und er liebt die Mutter und liebt den Groß-vater, er fragt, aber er wartet
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die Entwicklung der Dinge ab und weiß doch schon in seinem Herzen, wie sich die Probleme
unter seinen Händen zu lösen beginnen. Dies zu erkennen, konnte ihn seine Mutter nicht
lehren, weil es vom Verstande her kommt, aber das Herz macht richtig, was dem Denken
neue Impulse gibt, Neues und weiter Richtiges zu planen – was muss ein Kind da noch
philosophieren?
Der schöpferische Vollzug
Dem Filme wird gern entgegengehalten, dass es kein Kind auf dieser Welt gäbe, das alle diese
Qualitäten in sich wirksam lebe wie eben der kleine Lord. Dagegen wiederhole ich: Ein Kind
spiegelt in seinem Verhalten die Gesinnungen, durch die seine Gedanken am bedeutsamsten
bestimmt werden. Natürlich spielen Anlagen und frühe Gewöhnung an ethisch hohe Gesittung
eine wichtige Rolle. Dennoch finden sich die Wesenszüge dieses Ideals in unserem Filme in
jedem Kinde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Jesus einer Illusion hingegeben hätte,
als er es für nötig befand, das Tappen nach Rangstufen im Himmelreiche zu beenden. Wir
müssen festhalten, dass der kleine Lord ein schöpferisch begabtes Kind war, dessen soziale
Genialität ihre Herausforderung durch die abweisende Art des Großvaters fand und sich
ausleben durfte. Ferner besticht die Sprache durch Erkenntnisschärfe und begrifflicher
Klarheit, und auch die natürliche Vertrautheit mit den Tieren ist typisch kindlich unbefangen.
Aber es gibt auch Normative, die als Kinder außergewöhnlich sozial begabt handeln. Und
weil ich ein solches Wesen, gerade mal 10 Jahre alt, als Mädchen im Chor unterrichten durfte,
verbürge ich mich, dass es Kinder gibt, die auch schon ohne ersichtliche Heausforderung
sozial-formend einzigartig denken und handeln.
Johann Gottfried Herder schildert in seiner Erzählung „Der Hirtenknabe“ einen Jungen, der
mit solchen Qualitäten entdeckt und in die Obhut hervorragender Erzieher gegeben worden
war. Die Tugenden, die also hier zur Entfaltung kamen, waren bereits in diesem Kinde aktiv.
Wir kennen solche Jungen aus anderen Geschichten, etwa der von Hermann Billung, der auf
seinem Posten gegen alle Befehle des König Otto sein eigenes Wohlergehen zurückstellte,
weil er das Vertrauen seines Vaters höher schätzte als den eigenen Schutz.
Worin unterscheidet sich der ideale Aristokrat, der für das Wohl seiner Untergebenen
verantwortlich ist, vom modernen demokratischen Parlamentarismus?
Verantwortungsträger unserer Staatssysteme reden sich damit heraus, sie seien mehrheitlich,
also demokratisch (?) gewählt. Sie bilden für ihre Entschlüsse Ausschüsse, in denen
wiederum mehrheitlich abgestimmt wird. Der Effekt: Keiner ist allein verantwortlich, alle
tragen die Verantwortung, die aber ist mehrheitlich zu Stande gekommen, demnach ist
niemand verantwortlich, weil das demokratische Prinzip dies ja so vorsehe.
Der Aristokrat, wie ihn der Großvater zunächst negativ verkörpert, wird seiner Pflicht
gegenübergestellt. Höhepunkt ist der Ritt durch das Dorf der Pächter. Der Alte beobachtet das
ihn begleitende Kind, das mit offenem Munde tieferschüttert das Elend erlebt, und jetzt ist
Zeit zu handeln – zu spät, aber für den Anfang mit Cedric, dem zukünftigen
Verantwortungsträger, gerade rechtzeitig. Nach ungefähr einer Stunde Filmdauer hören wir
den Großvater die immer wieder fragenden Blicke Cedrics beantworten::
„Wenn du einmal Earl sein wirst, sei verantwortungsvoller, als ich es gewesen bin.“
Man achte auf „gewesen bin“: Der Entschluss ist bereits gegenüber dem neben ihm reitenden
Gewissen seines Enkels gefasst: Das Elend wird ein Ende haben!
„Der kleine Lord“ hat nicht verdient, dass er von Kritikern verrissen wird, die mit solchem
Charakter nichts anzufangen wissen und ihm deshalb misstrauen! Ihr Versagen in der
gerechten Beurteilung beruht auf ideologischen Modellen, nicht auf ihrem Gewissen!
Ein prophetischer Gedanke schließt diese Konsequenz des handelnden Earls ein:
Jesus sagt: „Was ihr einem dieser Kleinen tut, das habt ihr mir getan!“ Der Film darf glauben
machen, dass der Großvater hundertfach bekam, auf was er sich zögernd, aber ständig stärker
bejahend hatte einlassen mögen. Und darum hat diese Geschichte ein so großartiges offenes
Ende verdient!
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Die prophetische Wirkung eines solchen Kindes ist zudem vergleichbar mit eigenen
Erfahrungen:
Wer sich einem Vorbilde zuwendet, bevor er eigenes zu schaffen strebt, wird zu besserem Stil
der Darstellung geführt. So lese ich Thomas Manns Erzählungen und vermag, Begrifflichkeit
und Logik wirkungsvoller als bisher zu straffen. Lese ich Schweitzer, erhebt sich die eigene
Gedanklichkeit zu hoher Gesittung. Höre ich Dietrich Fischer-Dieskau, strebt mein Gehör zu
tief erlebter Atmung und damit gesundem Gesange.
Sehe ich den „kleinen Lord“, streben alle diese Faktoren gemeinsam dem einen Höhepunkte
zu, der das Ende dieses Filmes aufhebt und dessen Erhabenheit in die eigene Welt fortführt–
was ja auch beabsichtigt ist!
Überschrift:
Little Lord Fauntleroy
Vorbemerkung:
Zunächst in englischer Fassung erworben, gibt es diesen Film inzwischen in deutscher
Synchronisation. Die Hauptrolle spielt hier Freddy Bartholomew, der auch die Schlüsselrolle
in „Manuel“ zusammen mit dem jungen Spencer Tracy gespielt hat. Auch dieser Film
verdient fünf Sterne, wie der hier zu besprechende „Little Lord Fauntleroy“
Das Werk:
Diese Schwarz-Weiß-Fassung dreht bildnerisch die Zeit auf 1880 zurück. In der Handlung
allerdings entdeckt der erstaunte Zuschauer die damals erwünschte Gesittung zwischen den
Generationen und das Fahrrad jener Zeit, das Ceddie zum Geburtstag geschenkt bekommt –
und geschickt nutzt.
Wir entdecken in den handverlesenen Szenen, dem Bildaufbau sowie der sorgfältigen
Ausleuchtung und der reich wechselnden Perspektive die Charakterisierung. Lobt man in der
Fassung mit Ricky Schroder dessen dramatische Weichenstellungen, besticht diese Fassung
durch die Dialogregie und die Zeichen setzende Handlung des Knaben, dargestellt von Freddy
Bartholomew (GE), und wir wissen inzwischen, warum es kein normativ begabter Junge sein
kann: Die Blickrichtung wäre zu direkt, zu linear auf die Reihung der notwendigen Szenen
gerichtet. Schroder und Bartholomew führen ihr mehrschichtiges Denken in ihren Augen und
dem Ausdruck ihres gesamten Körpers als dramatisch zum Höhepunkt strebendes
Mitgestalten aus.
Der ethische Aspekt:
Um die an sich triviale Literatur Burnetts von aller mütterlich schmachtenden
Liebesbezeugung des Werkzeuges Kind zu befreien, bedarf es der Rückführung der Identität
Kindlichkeit auf die Jungdarsteller. Schroders in die Tiefe drängendes ethisch unbestechliches
Wollen hat zur Aufgabe, den Earl zum Großvater zurück-zuverwandeln. Es ist ein
überzeugender Rückführungsprozess, und es bedarf einiger Szenen, um die Wirkung
transparent zu machen, die von dem Knaben auf den alten verbitterten Mann übersetzt.
Bartholomew hat eine andere Wirkung: Er löst den Knoten! Nur die erste Begegnung genügt,
um den misstrau-ischen Sauertopf in eine Honigwabe zu verwandeln – natürlich mit allem
Respekt, die eine gute Erziehung dieses Kind vorbereitet hatte – ohne auf Titel oder Erbe je
spekuliert zu haben. Der Earl akzeptiert das Geschenk, als er dessen Wert erkennt: sofort, und
er ist zu dessen Verteidigung unabdingbar bereit!
Der schöpferische Vollzug:
Es gibt zwei Schaltstellen, wo das ethisch reine Gemüt als öffentlich erkennbare Gabe in
Versuchung geführt bzw. auf die Probe gestellt wird:
Die erste erweist sich in der Beschenkung durch den Boten des Earls, der Ceddie nach
England zurückholen soll und dem Knaben beim gemeinsamen Mahl daheim ermöglicht,
seine Freunden beschenken zu dürfen. Für sich will das Kind nichts – das Glück anderer
zählt!
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Schon die Art der Verabschiedung sollte den homo sapiens unserer Tage – sofern über 15
noch zu haben – die Augen öffnen, um das Wort „Menschenwürde“ und „Freundschaft“
zwischen den Generationen begreifbar zu machen.
Die zweite Stelle erweist sich als Probe, als der Earl dem Enkel das Pony als Geschenk in
Aussicht stellt, dieser sich unverhohlen glücklich zeigt, aber dennoch zuerst seine Mutter
besuchen möchte, die er sehr vermisst. Diese Szene findet sich in beiden Filmfassungen.
Kinder bergen auch heute in sich ihr Wesen, das uns in Ehrfurcht versetzen muss: Beide
Filme, beide Darsteller lehren uns, warum dieses Wesen so fasziniert, werden wir seiner in so
offener Form ansichtig! In diesem Punkte betrifft es alle Kinder – man muss sie nur lassen!
Aber es wird auch deutlich, warum Burnett literarisch vor der sich entfaltenden Dramatik
dieser Charaktere einknickte.
Titel:
Der kleine Lord – ein Remake
Vorbemerkung:
Der kleine Lord – mit Francesco de Pasquale und Mario Adorf – als DVD favo-risiert, die
Originalfassung mit Ricky Schroder und Alec Guiness war zur Zeit dieser Rezension aus dem
Markt-Angebot gestrichen. Eine überwiegend italienisch besetzte Story um einen deutschen
Brauereibesitzer, der sich seinen Enkel kapern will, und einer Mutter als Ärztin, die als
Akademikerin täppisch durch die Auseinandersetzungen trotzt und bei einem
Erpressungsversuch hilflos reagiert. -: Es geht nur um das Öffnen der Schubladen
vorgefasster Meinungen, um den Kosten-Nutzen-Faktor wohl auch, aber nirgend um das
Lindern unternehmerisch verschuldeter sozialer Mißstände. Im Charakterbilde aller
Beteiligten muss sich gar nichts verändern (bei Normativen auch undenk-bar, da sie ihren
Standpunkt haben), sondern es geht um Kompromisse und um Schadensbegrenzung. Und
selbstverständlich wird das ganze Arsenal zu demonstrierender Geldmacht vorgeführt und
von der Ärztin in beleidigter „Selbstlosigkeit“ als Scheck promt zurückgewiesen.
Das Werk:
Man nehme ein Drehbuch, notiere sich Stichwörter zum Handlungsverlauf, bringe diese in die
passende Reihenfolge und verlege die Handlung an jenen Ort, wo sich der Hauptdarsteller,
und das ist Mario Adorf, am liebsten aufzuhalten scheint, nämlich Italien.
Das Faktotum des Geheimnisträgers und Schlüssels zur Lösung des Problems ist eben nicht
„der kleine Lord“ als Erbgekürter eines Geldadligen, sondern das Kindermädchen seines
verunglückten Vaters, Marianne Sägebrecht als Klara.. Und wenn man diese Geschichte dann
mit nur noch Normativen als dramatischen Akteuren besetzt, dann kommt ein
Schablonengeschehen heraus, das den armen Francesco in Aktionen und Reaktionen stürzt,
die er kess und sportlich zu lösen verstehe, wie man den Originalfilm eben falsch verstanden
haben wird, weil das Begabungsprofil der Darsteller/-innen zur Erfassung des Kerns und
seiner Nuancen nicht stimmt. Darum wackelt die Glaubwürdigkeit, wirken Verhaltensweisen
gekünstelt, Bergtouren eines Herzkranken unglaub-würdig, handlungsbedingte personelle
Abhängigkeiten linkisch und manche schauspielerische Szenen wie Pflichtübungen ohne
eigene Überzeugung.
Der ethische Aspekt:
Nicht einen Augenblick ist es dem Normativen um die Erkenntnis zu tun, dass ein Kind die
Weltanschauung eines Griesgrams überzeugend kultivieren kann. Wir hören statt dessen
Vokabeln wie „kindisch“, „unreifes Kind“ und „Kindergarten“ – griffige Schlagwörter, die
deutlich zeigen, dass man im Traume nicht daran denkt, das schöpferische Wesen eines
außergewöhnlichen Kindes in der Handlung zum Zuge kommen zu lassen. - Das Erbe eines
jungen Adligen ist, auf die Verantwortung zu einem Heere von Untergebenen bezogen, nicht
mit lohntariflich gestützten Arbeitern einer Brauerei vergleichbar, denn die
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Abhängigkeitsverhältnisse und das Lebensumfeld eines Pächters unterscheiden sich von jenen
Menschen unseres Jahrhunderts erheblich! Das Gleichgewicht zwischen den hierarchischen
Abstufungen verändert sich in diesem Streifen überhaupt nicht, als dass man hätte spüren
können, wie sich die Giftwolke langsam verzieht. Zu oft winkt Versöhnung und wird von der
Ärztin, des „dramatischen Effektes“ und ihrer emanzipatorisch überzüchteten Rolle wegen,
brüsk zurück-gewiesen. Als Akademikerin, im Kampfe mit den Behörden erprobt, beweist sie
keine Souveränität, eher einen Krampf in ihrem Dominanzbestreben. Solche Erwachsenen
stellen keine Weichen, sondern arrangieren ihr Leben nach Effektivität. Der kleine Lord
hingegen ist, wie oben erklärt, ethisch durchdrungen, nach dem Gewissen altersgemäße
Entscheidungen zu treffen.
Der schöpferische Vollzug:
Erbärmlich plump agieren die Charaktere bei Herausforderungen, und sie kreisen umeinander,
wobei der Knabe allenfalls Schlichter spielen darf, aber nicht Reiniger der Athmosphäre.
Seine Hilfe einem behinderten Jungen gegenüber (im Original) erweist sich hier als denkbar
mögliches Gütesiegel einer dekorativen Rolle. Es geht nicht um das elementare
Verändernkönnen eines eisigen Milieuverwaltens durch ein unschuldiges Kind, son-dern es ist
nur schmückendes Beiwerk. Der Kampf findet zwischen Erwachsenen bis zum Ende statt,
und hätte nicht Mutter Sägebrecht ihre Briefschatulle aufgeklappt, hätte es dem armen
Francesco nichts genützt, „herzzer-reißend“ in seiner „Piratenhöhle“ (= Kind als Outlaw der
Erwachsenengesellschaft) zu weinen und das zu Ende gefertigte Geschenk seines Vaters an
den Großvater von 1965 jetzt doch wieder zu zertrümmern. Es gibt keinen kleinen Lord,
sondern eine Kühlerfigur auf dem Hexenbesen Filmremake, wobei das Buch der britischen
Autorin wohl zuvor durch den Shredder geschoben worden ist. Das hatte seine
Bedenklichkeiten, doch durch die exzellente Rollenbesetzung und durch ein großartig
konzipiertes Drehbuch wurde daraus ein Film, der die Buchvorlage, wie die Musik das
Libretto, im Niveau und der humanitär glaubwürdigen Aussage beträchtlich angehoben hat.
So eine Leistung auf das Unterhaltungsniveau des Normativen zurückzuschrauben, muss „in
die Hose gehen“ – da rettet selbst Francesco de Pasquale nichts mehr, und der ist der
sympathischste in „seiner“ Nebenrolle. .
Überschrift
Der kleine Muck
Das Werk
Faszination der Wahrheit „Kind“, als märchenhaftes Geschenk verpackt. Oder:
Außergewöhnlicher Mensch flüchtet vor dem Zugriff der normativen Weltvorstellung. Oder:
Der Geist wird immer über die Faust siegen. Oder: Faszination der Wahrheit „Kind“, als
märchenhaftes Geschenk – enthüllt!
Beide Darsteller (Kind wie alter Muck) sind schöpferisch Begabte. Wolfgang Staudte hat die
Rollen ideal besetzt.
Danke!
Den Inhalt bietet ein reizendes Märchenbuch – das kriegen sowieso nur die Kinder – was
wunder!
Der ethische Aspekt
„Der kleine Muck“ als orientalisch anmutendes Märchen, in entsprechend prachtvoller
Umgebung einerseits, in dürftigster Armut andererseits sich abspielend, hält der Welt der
Erwachsenen den Spiegel vor – die Funktion des Kindes – und zeigt, wer man ist, wenn man
ge- oder missbraucht werden kann. Dem Kleinen erwachsen die Momente der Rettung aus
dem Inneren: aus Mutterwitz, Welterfahrung (eines „Krüppels“) und der Kraft, etwas zum
Guten wenden zu können. Herzensgüte, Vertrauensbereitschaft und Ergebenheit in das
offensichtlich Ausweglose führen den Kleinen in das Auf und Ab des Lebens. Dass er bei
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gebildeten Menschen höher im Kurse steht als bei Thron- und Identitätsräubern, versteht sich
von selbst.
Der Film zeigt, dass sich Dinge verändern lassen, wenn wir nur bereit sind, in unserer
Verantwortung noch so kleiner Augenblicksentscheidungen das Richtige zu tun. Und richtig
ist, was gut ist, also Leben schützt und verteidigt, und böse, was Leben angreift und verfolgt.
So rettet er die Katze Ibrahim, so nutzt er die ihm übergebenen Zauberkräfte gegen
niemanden, für die Notlage, auch der anderer, und befreit sich von dieser enormen
Verantwortung, indem er die ihm damit verliehene Kraft, Macht und Freiheit wieder in die
Wüste zurückträgt.
Als Töpfer wird er ob seiner verwachsenen Gestalt seit seiner Kindheit verfolgt und gepeinigt
– bis er den Kindern die Augen öffnet und ihren Spiegel umdreht, damit sie Dinge reflektieren
können, an denen die Menschen genesen sollen.
Der schöpferische Vollzug
Wer seine Begabungen nutzt wie Muck sein Erzähl- und Erfindungstalent, verzaubert die
Herzen der Kinder und kehrt ihr Spiegelbild so um, dass sie das Schöne reflektieren und dem
Übel den Rücken kehren können.
Sie ergreifen Partei, wogegen man sie zu agieren vorgelebt hatte, und schützen, wo Hilfe not
tut. Sie begreifen die Willkür der Macht und stellen die Uhr für eine Zeit, in der ihre Seelen
nicht mehr von außen gestört sein wollen. Sie öffnen ihr Herz und fassen mit ihren Sinnen das
Große, das uns hinanzieht, und bewahren es in sich, wie der Mensch der Wüste das Wasser.
Was ihnen gehört, fassen sie in Krüge ihrer Gesinnung, und sie werden sich hüten, jemanden
diese zerbrechen zu lassen. Ihres Schatzes bewusst geworden, hält ihr Drang inne, alles nach
eigenem Gutdünken bewegt haben zu wollen.
Die Welt des Außen muss die Harmonie mit der ihrigen, der inneren, suchen, sonst zerbricht
das Gefüge einer sensiblen Gesellschaft des Füreinander. Wo Kinder ihrer selbst inne werden,
hat der Geist zu schaffen, nicht das Berechnen nach Erfolg, Hab, Gut und Macht.
Thomas Schmidt in der Hauptrolle wuchs zwar auch heran, wurde Arzt, hat uns aber schon
wieder verlassen. Halten wir darum seine kostbare Botschaft fest, so gut wir können!
Überschrift
Der Tank – Michael Kohlhaas der Neuen Welt
Vorbemerkungen
Der Filmbesucher sollte sich die Originalgeschichte in Erinnerung rufen: Heinrich v. Kleists
„Michael Kohlhaas“, um zu begreifen, dass weder diese Novelle noch die U.S.-amerikanische
Variante als Komödie zu verstehen sind!
Wer dies glaubt, tut es in böswilliger Absicht. Er verhöhnt damit die Opfer der Justiz-Willkür
und tritt die Ohnmacht der Wehrlosen mit Füßen.
Sehen wir uns einmal an, was Kleist und das U.S.-amerikanische Drehbuch gemeinsam
haben, um dem Anliegen beider Dramen gerecht werden zu können.
Das Werk
Kohlhaas muss als Rosshändler gut gepflegte Pferde bei einem Junker an dessen Zollstation
zurücklassen und bekommt die Tiere erst wieder angeboten, nachdem man sie zur Feldarbeit
gebraucht und zu Schindermähren abgewirtschaftet hat.
Der Rechtsweg wird dem Geschädigten geschlossen. Alle Instanzen der Gerichtsbarkeit
halten zum Adligen. Als am Ende der Rosshändler seine Frau bittet, beim Könige selbst um
Hilfe zu bitten, wird sie handgreiflich zurückgestoßen und stirbt an der Verletzung. Von
diesem Tage unternimmt Kohlhaas einen Feldzug gegen die Rechtsbrecher und scheut, indem
er Zulauf von weiteren Geschädigten in deren Angelegenheiten erhält, auch vor Gewalt und
Bürgerkrieg nicht zurück.
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Am Ende wird ihm Recht gegeben, aber auch die Gnade zu Teil, dass er nicht zu Tode
gequält, sondern gnädig enthauptet wird.
Der ethische Aspekt
In der Version des „Tank“ verteidigt ein Mitglied der U.S.Army eine junge Frau, die von
einem Polizisten im Lokal misshandelt wird. Der Sheriff bezeichnet das als Angriff auf sein
Amt und lenkt seine Willkür in immer anmaßendere Bahnen, bis am Ende der 16-jährige
Sohn William ins Erziehungslager wandert, weil der Vater sich nicht an die Vorgaben des
Polizisten hält. Die Familie ist ruiniert; die Tyrannei des Sheriffs artet in Terror gegen Sohn
wie Vater aus. Somit greift dieser zum einzig wirksamen Mittel und befreit den Sohn per
eigenen Panzer aus der Gewalt der Gesetzesbrecher. Jetzt ist die Flucht über die Grenze in
den Bundesstaat Tennessee geplant. Die Behörde setzt alles daran, um dies zu verhindern.
Aber immer mehr Zustimmung aus der Bevölkerung beginnt, Partei gegen den Sadisten zu
ergreifen, und stellt sich auf die Seite des mutigen Vaters. Am Ende wird zwar der Panzer
gestoppt, aber die hilfsbereiten Menschen des asylgebenden Bundeslandes helfen mit
vereinten Kräften, das manövrierunfähig geschossene Gefährt in die zukünftige
Rechtssicherheit zu ziehen.
Der schöpferische Vollzug
Dass ein Kohlhaas verlieren musste, begründet die Flucht vieler Bewohner in die Freiheit der
Neuen Welt. So ideal das auch ausgesehen haben mag, haben sich dort inzwischen die alten
Strukturen ebenfalls eingenistet. Aber der Geist der Menschenrechte ist wirksam geblieben,
und der starke Zustrom zu einer Familie, der man das Licht abdrehen will, entsteht aus
ähnlichen Schicksalen, Opfer einer Willkürjustiz, die helfend einschreiten, wo noch Hilfe
möglich, wenngleich sie selbst keine bekommen hatten.
Die Umstände, die Fakten, die Gesinnungen tragen einen Krieg miteinander aus, der aus dem
Übergriff eines einzelnen Geltungssüchtigen entstand. Warum studieren so viele
Jurisprudenz? Wir können oder sollen ahnen oder erkennen, dass diese Leute sich dagegen
absichern möchten, dass man ihnen aus ihren Schweinereien einen Strick drehen könnte.
Wissen, wo die Schlingen liegen, schlau sein, um den Hals rechtzeitig aus der Schlinge zu
ziehen, das allein lohnt bereits das langweilige Studium der Paragraphen – Macht in den
Fingern zu spüren, andere Menschen für sich arbeiten oder leiden zu lassen. Das ist kein Spaß
mehr. Wer darüber noch lachen kann, hat weder Gewissen noch Herz. Ein Schauspieler kann
sich verstellen, ein Jurist muss sich nicht einmal mehr tarnen, um nach dem Golde zu greifen,
statt auf die Strohspinner zu warten, die eben doch keine Schätze zu-sammenknäueln können.
Macht ist eine furchtbare Droge. Kohlhaas rebellierte gegen sie, der verzweifelte Vater
ruiniert seine familiäre und militärische Sicherheit, weil ihm auch der zweite Sohn genommen
werden soll. Das Maß ist in jedem Falle randvoll. Die Botschaft lautet: Bevor du deinen
Untergang selbst mit ansehen musst, hole alle Möglichkeiten der Notwehr zusammen. „Der
Tank“ ist die lebensbejahende dramatische Antwort auf Kleists Tragödie des „Michael
Kohlhaas“. Dass die um ihre materielle Existenz und rechtliche Sicherheit beraubte Familie
spontane Hilfe aus der Bevölkerung erhält, dass ein „verdammter Rocker“ das rettende
Schleppseil mit einem gewagten Sprung mit seinem Motorrade zum Panzer bringen und mit
befestigen kann, ist die „amerikanische“ Hilfsbereitschaft, der Wunsch, mit zu entscheiden,
etwas Sinnvolles für Bedrängte zu tun. Das ist das andere Gesicht der Bevölkerung der USA –
ernstzunehmender, bewundernswürdiger Mut.
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Überschrift
Die Farben des Paradieses
Vorbemerkungen
Um den Jungdarsteller zu würdigen, stelle ich ihn hier einmal vor:
Es ist der schöpferisch begabte Mohsen Ramezani, selbst blind, der seine Rolle mit Bravour
meistert. Aus seiner Welt zu berichten, ist die Aufgabe des Films – er ist dessen Treuhänder,
und wir vertrauen ihm gern, was der Film ihn berichten lässt.
Das Werk
Zu Beginn der Ferien werden alle Kinder der Teheraner Blindenschule von ihren Eltern
heimgeholt, ausgenom-men Mohammad, dessen Vater auf sich warten lässt und die Schule
anfleht, den Jungen doch in der Schule zu belassen. Schließlich muss der Mann den Jungen
doch mitnehmen, und obwohl die beiden Schwestern, die Großmutter und die übrigen Kinder
des Dorfes gern mit Mohammad zusammen sind, sorgt sein Vater hinter dem Rücken der
Großmutter dafür, dass sein Sohn bei einem blinden Schreiner woanders ausgebildet wird.
Der erkennt die Begabung des Jungen und muss zugleich versuchen, den Kummer des Kindes
zu besänftigen.
Die Großmutter will darauf hin den Sohn und die Enkeltöchter verlassen. Obwohl sie dann
doch zurückkehrt, stirbt sie wenig später.
Als der Vater seinen Sohn endlich heimholt, stürzt das Pferd mit dem Jungen von einer
morschen Brücke in den reißenden Fluss. Zunächst im Zweifel, ob er den Sohn seinem
Schicksal überlassen oder ihn doch retten soll, entscheidet sich der Mann für die Rettung,
kann aber nur den vermeintlich Ertrunkenen in die Arme schließen.
Das Ende ist gnädig: In der aufgehenden Sonne des kommenden Morgens sehen wir
Mohammads Hand sich in der wärmenden Sonne regen; die Handfläche zum Lichte kehrend,
wird das Kind dem Leben zurückgegeben
Der ethische Aspekt
Dass man Behinderte in ihrem Leistungsvermögen gern oder zumindest leichtfertig
unterschätzt, ist nicht neu. Darum erleben wir diesen Jungen als Retter eines Vogelkindes, das
aus dem Nest gefallen ist. Das blinde Kind wartet auf den Vater, hört die Hilferufe des
Vögleins, zugleich verscheucht er die Katze, die sich miauend bemerkbar macht, und findet
schließlich das Junge. Er hebt es vorsichtig in seine Hemdbrusttasche und klettert den Baum
hinauf, bringt tatsächlich das Junge in sein Nest zurück – aber er selbst wird vom Vater nur
wider-willig und unter Zwang mitgenommen.
Als der ihn schließlich vom Schreiner aus der Lehre zurückholt, durchqueren sie sumpfiges
Gelände, und ein hilfloses Tier wird vom Vater ebenso wenig wahrgenommen und aus seiner
Not befreit, wie er es mit seinem eigenen Kinde auch nicht vorhatte! Noch im Sturz des
Knaben samt Pferd von der Brücke zaudert dieser in sich Gefangene, spontan zu retten, was
ihm als Leben geschenkt wurde.
Der Umgang mit Mohammad, soweit es Oma und Schwestern angeht, ist beglückend
offenherzig und vertiefend für das Lebensgefühl und die Charaktereigenschaften
Mohammads. Er durchschaut die Niedertracht des Vaters nicht, als der ihn fortschafft, nicht
duldet, dass er in der Dorfschule mit den anderen Kindern eine Gemeinschaft der
Wissbegierigen bilden möchte. Aber den Tod der Großmutter als den Eingriff des Himmels,
dessen Farben-pracht er in sich selbst ausgebreitet hält, spürt Mohammad über die weite
Entfernung.
Uns muss nur eine Frage beschäftigen: Was empfindet, was denkt dieser Knabe, der aus der
Ohnmacht zur Sonne erwacht?
Der schöpferische Vollzug
Das DVD-Cover berichtet von einem blinden Jungen und dessen Schicksal und bezeichnet
das als Fabel mit Bil-dern von „archaischer Wucht und Symbolkraft für die Sinne und was
die Sinneswahrnehmungen der Menschen sensibilisiert“. Normative Kommentatoren sprechen
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gern von „berührt sein“ und „bewegend“ – aber niemand von der weichenstellenden
Dramatik, womit die Thematik das Gewissen der Öffentlichkeit wachrüttelt. Bemerkenswert,
dass nicht einmal der Name des Jungen registriert oder als der Hauptdarsteller einprägsam
genannt wird! Wir müssen beklagen, dass solche Filme dann aus dem Regal genommen
werden, wenn man sich mal 90 Minuten oder sogar mehr an „Gefühl, Emotionalität,
Träumerei oder Romantik“ leisten möchte. Eine zündende Funktion, eine bleibende Mahnung,
ein Initialfunke zum selber sich Erheben zu eigenem ethischen Tun hat das Ganze nicht.
Dann gibt es Personen, die uns erklären möchten, was denn nun diese lange Zeit eines
islamischen Gottesstaates bewirkt haben soll, wenn wir so arme Dorfbewohner erleben, wie
sie der Film uns vorstellt.
Nun blast euch mal nicht auf: Dass die Begabungen von Eltern mit Füßen getreten werden, ist
keine Frage der Armut oder primär einer Konfession, die zu einem humanitären
Menschenbild aufruft. Das ist Willkür bornier-ter Selbstverherrlicher. Und die Ausbildung
etwa in diesen iranischen Schulen soll schlechter sein als unser Bildungssystem mit den
gleichen Spielregeln, Sitzordnungen und Lehrmethoden? Die Kinder schreiben mit ihren
Punktschriftgriffeln ebenso rasch wie unsere Elftklässler im Gymnasium, und ob das alles
fehlerfrei ist, wollen wir unverschämter Weise auch gleich in Zweifel ziehen.
Ihr wollt Eliten? Mohammad zeigt, zu welcher er gehört: der Gesinnungs-Elite – und sie
einzig zählt, das Bild der Menschlichkeit dauerhaft zu erhöhen!
Überschrift
Die Feuerzangenbowle
Vorbemerkungen
Untrennbar mit der Interpretation Rühmanns verbunden, schnobert die „political correctness“
den Biografen in den Archiven herum, dass Rühmann sich vom Vernichter des großdeutschen
Pseudoreiches persönlich die Erlaubnis zur Filmaufführung abgeholt habe, während die einem
hier karikierten Schulsystem entsprossenen Helden Maulkorb-Idylle zu verbreiten hätten.
Aber selbst ein aufgebrachter, hasserfüllter rachsüchtiger Kleinbürger kann gelegentlich über
seinen Schatten hinauswachsen, selbst über den in der Abenddämmerung, den die Sonne warf,
bevor sie im Westen sich zur Ruhe begab.
Das Werk
Es wurde ein heißes Komplott, einen Plan auszuhecken, wie man seine versäumten Schulund Lausbubenstreiche doch noch nachholen könne, ohne dabei wirklich Konsequenzen
befürchten zu müssen, wie sie einem Oberprimaner je nach pädagogischer Erwägung und
Bewertung drohen mochten. Aber Rühmann ging es nicht darum, die Schwachstellen
anzubohren, wie man sich heute im Donnerbalken-Journalismus damit rühmt, sondern hinter
der amtlichen Pädagogik (= Widerspruch an sich) das warme Herz jener Lehrer zu entdecken
und darzulegen, das hinter der preußischen Zucht und Disziplin keine böse Absicht vermuten
lassen wollte. Die „Nichtpreußen“ waren ja auch keinen Deut besser, sondern ebenso
abhängig bis unterwürfig. (In diese Richtung zielte die Lehrer-Beurteilung Thomas Manns).
Der ethische Aspekt
Es sei ein Lob auf die Schule dieser Art und „Übertreibung“, so dass es eine solche Schule ja
gar nicht gebe, erklärt Pfeiffer seinen Zuschauern. Wohl aber, in der Summe positiv erlebter
Schulzeit, bleibt es doch der Dank an Menschen, die es gut meinten und stets die Hand für
eine neue Chance zu bieten bereit waren. Es zeigt die leicht verletzliche Persönlichkeit dieser
„Lehrkörper“, denen Vorbildcharakter abverlangt wurde und die doch ihre Schwächen ohne
jede Deckung preisgaben, weil sie in Gewohnheiten verharrten, während ihr Geist sich um
den Fortschritt ihrer Schüler beständig bekümmerte. Es war der gesunde Kern jener
Reformpädagogik, den der Oberschulrat, selbst in der Tradition seiner Lebensführung erstarrt,
den jungen Kollegen freistellte, und es war die Besorgnis jener Originale, die mit allem
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versöhnte, was sie angreifbar und widerspruchsberechtigt machte. Es fehlte allenthalben die
Gehässigkeit der dünkelhaft genährten intellektuellen Kälte und vorteilsgierigen
Überlegenheit der stets neuzeitinformierten Spaltnatur heutiger sich spreizender Gecken.
Der schöpferische Vollzug
In diesem Film ist nicht der Lausbub Trumpf, der Schadenfreude herauskitzelt, sondern das
faire Duell zwischen Intelligenz und Charakter. Als der Streich mit dem „Baldrian“, dem
gespielten Angetrunkensein, auf die Rechnung des Lehrers gesetzt zu werden droht, stellt sich
Pfeiffer und deckt seine Schuld auf. Verblüffung, als der Streich mit der Baustelle Schule
(welche hintergründige Sym-bolik!) gekonnt abgefangen wird, und Zerplatzen der Luftblase,
als der Eklat Pfeiffers ins Leere agiert und er nicht „gefeuert“ wird, weil Schule das aushält,
weil ihm der Direktor sein Wort gegeben hat: Welche Größe angesichts der möglichen
Niederlage vor den oberen Schulbehörden: – das gegebene Wort gilt! – Muss diese Schule
noch geboren werden?
Die Botschaft heißt: Ändert endlich die Verhältnisse, dann habt ihr glückliche Kinder, die
sehr wohl arbeiten wollen – belastbar bis an die Grenze ihres Schaffensvermögens! Aber dazu
fehlt euch Epigonen der Schaumschläger der Mut, denn wer will sich auf eure gaukelnden
Absichten verlassen?
Überschrift
Die Reise nach Sundevit
Vorbemerkungen
Die in der Original-Publikation kommentierten Szenenfotos müssen hier leider entfallen.
Das Werk
Heiner Carow führt uns in seinem Film durch die Erlebnistage eines noch nicht Zehnjährigen, Sohn eines Leuchtturmwärters. Till verbringt seine einsam scheinende Freiheit
damit, dass er sich Gestalten der „Schatzinsel“ als Sandfiguren aufbaut und mit ihnen
diskutiert. Eines Tages findet sich ein kleines Zeltlager Jugendlicher, mit denen er sich
anfreundet und die ihn zu sich einladen, mit nach Sundevit zu kommen. Bevordie 18
Jugendlichen abreisen, will Till für seinen Vater noch einen Botengang erledigen.
Daraus werden mehrere, und als er endlich mit dem Fahrrade nach Hause kann, stürzt
er und beschädigt sein Rad so schwer, dass er sich hoffnungslos verspätet. Zurückbleiben will
der Junge nun wirklich nicht. Entschlossen reist er der Gruppe nach, und nach einigen
Irrungen durchquert er militärisches Sperrgebiet, wird aufgegriffen und von der Polizei
vernommen. Bei der Wahrheit geblieben, glaubt ihm der Beamte und gibt ihm eine zweite
Chance, sich mit der Gruppe zu treffen. Aber die Fähre ist schon weg. Er trifft einen
Bekannten, muss aber lange auf dessen Hilfe warten, und am nächsten Morgen, nachdem Till
auf dem Baggerwohnschiff übernachten durfte, hilft man ihm weiter, mit Wissen seiner
Eltern, und schließlich findet er sich bei der Gruppe glücklich ein und gelangt nach Sundevit.
Der ethische Aspekt
Sundevit heißt in der Übersetzung dieses Films Ziel eines Kindes. Till verkörpert einen Jungen, der hält, was er verspricht, der bei der Wahrheit bleibt, der sich nichts zu Schulden
kommen lässt, der sich artikulieren kann, um seinen Platz zu verteidigen, der um Hilfe bittet
und sich bedankt, so dass er eine Vorbildfunktion für Kinder seines Alters und darüber heute
für die meisten Erwachsenen unserer Tage darstellt. Seine Hilfsbereitschaft drängt seine
eigenen Wünsche zurück. Till muss sich bescheiden und anderen den Vortritt lassen, weil ihre
Probleme durch ihn rasch lösbar werden, und somit kann er nicht nein sagen. Er kennt das
Maß seiner Verantwortung und lässt niemanden im Stich. Dabei spielt es keine Rolle, ob er
die Person kennt oder nicht. Uneigennützigkeit, Treue im Versprechen, Wahrheitsliebe,
Tapferkeit, Anstrengungsbereitschaft, kurz, Tugenden, die man in Kindern findet, sind hier
lebhaft herausgebildet, und somit wird man heute hämisch von „idealisiert“ oder „Utopie
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eines Menschenbildes“ höhnen, weil man diese Gesinnung samt der in ihr verankerten
Tugenden den Kindern gründlich auszutreiben wusste und weiß. Die Regisseure der DDR
hatten durchaus im Sinne, eine solche Ethik zu verteidigen und ihr ein Gesicht zu geben wie
das eines Ralf Strohbach, der Till spielt und ein Kind mit normativer Begabung ist. Für diese
Abenteuergeschichte konnte der Regisseur getrost auf ein solches Talent vertrauen. Die Portraits, an den Schnittstellen der Handlung festzumachen, sprechen eine deutliche Sprache:
Tills Erlebnisse in ihrer ihm eigentümlichen Charakteristik sprechen für alle Kinder, deren
Gesinnung nicht verdorben wurde
Der schöpferische Vollzug
Unsere Geschichte spielt vor der Gesellschaft der DDR, sie wurzelt auf den dort im Volke
verankerten, anerkannten Werten, und der Wert eines Menschen macht sich am Individuum
fest, nicht am Funktionierenmüssen des Kollektivs, auch wenn es die Fanatiker gern so
gesehen haben möchten. Merkwürdig mag erscheinen, dass wir keine Gleichaltrigen als
Spielgefährten Tills kennen lernen. Das erklärt sich aus der Lage seines „Elternhauses“, der
isolierten Lage des Leuchtturmes. Dass sich Till den älteren Jugendlichen anschließt und
sogar mit ihnen fahren möchte, löst kein Misstrauen bei den Eltern aus. Sie wollen zwar die
jungen Menschen kennen lernen, aber sie haben a priori keinen Argwohn, der scheint
überhaupt in diesem Teile der DDR nicht nötig gewesen zu sein. – Jugend trägt hier das
Symbol eines Vertrauens in die Zukunft, die woanders angesiedelt schien, aber zu Gast war
und die Zelte kurzfristig wie fast vor der Tür aufgeschlagen hatte Was Till vorab erledigt, ist
Hilfsbereitschaft, Uneigennützigkeit und ein enormer körperlicher Einsatz. Allerdings
opponiert der Junge gegen Erwachsene, denen er gegenübertritt, wenn sie nicht erkennen
wollen, was er ihnen an Opfern brachte. Nicht, dass der Junge damit prahlte, aber er verteidigt
die Würde seines Einsatzes und die Mittel, die ihm dafür gewachsen sind. Lieber trägt er sein
Fahrrad nach Hause, als dass er eines Menschen Gegenwart ertrüge, der nicht achten will, was
sich der Junge für andere Menschen abverlangt hat. So wird dieses Kind zur Symbolfigur für
einen Gesinnungskern, der eines Kindes würdig ist, der aber einer ganzen Gemeinschaft inne
wohnen muss, will sie menschlich miteinander umgehen. Es ist auch ein Schutzschild gegen
die Geringschätzung von außen, die noch heute von „Dunkel-Deutschland“ faselt und
vergisst, dass wegen dieser heute fehlenden Tills die jetzige Bundesrepublik ein schwarzes
Loch darstellt, in der Selbstsucht und Konkurrenzdenken alle Humanität geknebelt und gefangen halten. Das ist nicht der Fortschritt, den Kinder, in der Gestalt eines Till zum Beispiel,
gerne gelebt haben möchten.
Überschrift
Die unendliche Geschichte
Vorbemerkungen
Michael Ende verfasste mehrere dramatische Bühnenwerke – ein Pleonasmus – und hatte
keine Erfolge (bei wem wohl nicht?). Es gab ja noch nicht das Internet, da holt man sich dann
statt dessen Magengeschwüre.
Nein, Ende führt die Welt der Realisten gegen die der Tcheumer (Träumer) ins Feld, und es
fällt wohl auch schwer, zwischen Traum und Wunsch zu unterscheiden. Da ist der Papa dann
doch froh, dass er sich mit seinem Sohn Bastian so gut unterhalten kann (= Ich sage, was
läuft, und du antwortest, was ich hören will, und bist brav). Dafür ein Muster:
Über soviel Realität gerät die Welt aus den Fugen: Das Nichts droht, die Welt der Phantasie
zu verschlingen. Die kindliche (nicht „kindische“) Prinzessin ist schon erkrankt, ein
Menschenjunge soll sie retten können, und Atréju, ein Krieger in Knabengestalt, legt seine
Waffen nieder, um die Lösung des Problems zu finden.
Der war wohl nie in einer Fußballmannschaft und hat noch nie an einem Turnier
teilgenommen?
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„Es zittern die morschen Knochen“ gilt doch heute immer noch – mögen sie´s abschwören,
dass die Schwarte kracht!
Das Werk
Bastian, auf der Flucht vor den realistischen Klassenkameraden mit Erziehungsauftrag des
Kollektivs, entkommt dem Müllcontainer und flüchtet sich in ein Antiquariat. Von dort
verschafft er sich den Schlüssel zu sich selbst und flüchtet damit auf den Dachboden seiner
Schule, einer Requisitenkammer der humanistischen Bildung, wo er sich in die unendliche
Geschichte vertieft und am Ende Atréjus Rolle übernimmt. Obgleich der Erfinder der
Geschichte schöpferisch begabt ist, strickt er seine Abenteuer von A nach B. Der Regisseur
besetzt aber die Hauptrollen folgerichtig mit ebenfalls schöpferisch Begabten, weil diese
Kinder auch als Erwachsene ihrer Begabung nicht davonlaufen können. Die Geschichte läuft
….
Am Ende muss Bastian die Rolle Atréjus übernehmen, damit die Botschaft des Buches in die
Hände der Leben-den, also in die Tradition der Leserphantasie, übergeben werden kann.
Als Bastian begreift, dass er nicht seinem Vater gehorcht, sondern seiner schöpferischen
Begabung, ist der Bann gebrochen, und die Geschichte kann unendlich lange auf die
kommenden Generationen geltend gemacht bleiben. Phantasie hat keine Grenzen, solange es
Kinder gibt!
Der ethische Aspekt
Das Buch „Die unendliche Geschichte“ hat, so, wie sie Bastian an sich genommen hatte, den
ethischen Auftrag, der Phantasie Zündstoff zu geben, etwa in der Form, wie Bach, bevor er zu
improvisieren begann, zunächst mit seinen Vorgängern und Zeitgenossen Kontakt aufnahm
und aus ihren Schöpfungen spielte.
Bastian hat den Auftrag, „mit beiden Beinen im Leben zu stehen“, und das unterläuft der
Knabe augenblicklich, als man ihm bedeutet, es gebe Literatur, der er nicht gewachsen sein
könne. Ein schöpferischer Mensch arbeitet keine Aufträge ab, sondern geht ein Problem
sternförmig dreidimensional an, und je verwickelter es sich darstellt, desto entschlossener
drängt das Gemüt des Agierenden auf Eskalation, um die Lösung zu erzwingen.
Jedem normativen Erzieher sei geraten, solche Kinder mit diesem Begabungsprofil nicht
aufzuhalten. Aber genau das versuchen diese Tröpfe und wollen festnieten, was jede
Eingrenzung wegsprengen wird, und koste es das Leben!
Es ist also kein Wechsel der Rollen: Atréju kann solange agieren, bis Bastian begriffen hat,
dass das Buch an ihn gerichtet und er als der Retter in der Rolle des Atréju die Handlung zu
Ende und damit zur Befreiung führen soll. Das begreifen, zu können, ist Endes Kunstkniff.
Der schöpferische Vollzug
Bastian wird in der Schule und auf dem Wege dorthin und von dort kommend nicht von
ungefähr schikaniert und erpresst: Die Wegelagerei begegnet uns in Filmen, wenn es darum
geht, den schöpferisch Begabten oder den normativ Begabten mit hohem ethischen
Bewusstsein das Wasser des Lebensglückes abzugraben. Schule steht bei vielen Regisseuren
in dem Ruf, von nichts zu wissen, Konflikte nicht ernst nehmen zu wollen und sich in allem
unschuldig zu zu fühlen. Symbolisch gesehen kann man sagen: Bastian hat an diesem einen
Tage und in der folgenden Nacht mehr über den Sinn des Lebens erfahren, als Schule jemals
zu erklären oder gar zu verbessern gewillt gewesen wäre.
Auf den Punkt gebracht, heißt die Botschaft dieses Films: Die Kinder sind die Garanten für
eine Welt der Phantasie, Erwachsene die Okkupanten und Zerstörer, wo immer sich eine
Gelegenheit bietet. Phantasie regt zu Lösungen eines Konfliktes an, wer das aufzuhalten
wünscht, hat ein Interesse an der Ausbeutung der Unschuld, der schöpferischen Kraft und der
Redlichkeit, kurz, der Tugenden eines Kindes, und das ist die Kriegserklärung an jede
Zukunft, gleich, aus welcher Gegenwartskatastrophe auch immer.
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Die kindlichen Prinzessinnen, die Atréjus und Bastians haben keine Lobby, auch die Endes
nicht, weil die einen als Kinder beschimpft und die Endes als Kinderbuchschreiberlinge
verhöhnt werden.
Danach sieht diese Welt auch aus.
Überschrift
Die Wildnis ruft
Vorbemerkungen
Gregory Peck
Vater
Jane Wyman
Mutter
Claude Jarman jr.
Jody
(alle drei NE mit großer Prägnanz und Aussagekraft!)
Das Werk
Das Farmerehepaar Baxter lebt mit ihrem einzigen Kinde, dem 11-jährigen Sone Jody, auf
einer „Insel“, einer einsamen Farm in Urwaldgebiet, aber in Flussnähe und in angemessener
Nachbarschaft mit anderen Farmern.
Der Film zeigt die Alltagsprobleme, Sorgen, Pflichten und bescheidenen Wohltaten als
Ausnahmen in dieser Familie. Weil Jody dem Vater das Leben rettet und sich ein Rehkitz
zum Freunde wünscht, wächst Flag auf die- sem Gehöft heran. Es wird groß überwindet alle
Absperrungen und vernichtet die Jungpflanzen, bedroht also das Leben dieser Familie.
Als sich die Eltern keinen Rat mehr wissen, der Vater zudem mit einem Bruch zu Bett liegt,
schießt die hartherzig sich gebende Mutter den jungen Rehbock nieder. Damit es nicht leidet,
muss der Junge selbst ihm den Fangschuss geben – und flüchtet in die Wälder.
Als er – mit viel Glück und Überlebenswillen – nach Hause zurückkehrt, hat er sich verändert,
aber die Familie kann jetzt einmütig die Zukunft aufbauen – Jody wird mithelfen und die
Farm später übernehmen. Aber Flag und alle die damit verbundenen Erlebnisse wollen ihm
nicht aus dem Kopfe ….
Der ethische Aspekt
Der hohe Grad an Wertevermittlung, an die Ethik des Denkens und Handelns, vernalasste
unsere Schule, diesen Film zu empfehlen und verbilligte Karten an uns junge Menschen
auszugeben. Die ausnahmslos großartig besetzten Rollen haben die Botschaft dieser
Geschichte unvergänglich werden lassen. Alle drei Schauspieler sind normativer Begabung,
darum ist ihr Entscheidungsrahmen so klar und unwiderruflich begrenzt, aber die Ethik des
Vaters, vornehmlich seinem Sohne und anderen Menschen gegenüber, hat ihm ein
hochempfindlich spürbar reagierendes Gewissen verliehen. Seine Worte sind angemessen
gewogen, seine Forderungen an sich selbst, an seinen Jungen und als Puffer zwischen ihm
und der Mutter das Positive sehend und bejahend, machen ihn für den Sohn, den er zärtlich
„Burschi“ nennt, zu einem großartig verlässlichen Kameraden. Probleme lösen sie in dieser
Innigkeit, der aufgeweckte Junge weiß in entscheidenden Momenten sehr gut, was zu tun ist,
und er hat Mut, weil sein Vater ihm ein so großartiges Vorbild ist. Als sich dieser ein gutes
Gewehr besorgen will und dafür seinen Hund, der vor dem Bären davongelaufen war,
dagegen eintauscht, gibt Jody zu verstehen, dass er den Handel durchschaut und sich ausmalt,
wenn man dem Vater auf die Schliche kommt. Dieser hat durchaus gewarnt und darauf
hingewiesen, dass der Hund „nichts taugt“ – aber weil er bei der Jagd doch unverletzt
geblieben ist, will ihn der Gewehrtauschende erst recht haben. Es wird später ein böser Krieg
darum entfacht.
Und Jody muss sich von einem Freunde trennen, der so vieles um sich herum sah und deuten
konnte, wie es der Besucher Jody nie gekonnt hätte. Als dieser den behinderten Jungen um
einen Namen für sein Reh bitten will, muss er von ihm Abschied nehmen, als der tot auf
seinem Lager liegt. Er ahnt, was der Tod seinem Freund bedeutet und wovon er Jody Zeugnis
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abgelegt hatte: Als einmalig und unverwechselbar geschaffenes Wesen aus Raum und Zeit der
Materie war er jetzt heimgekehrt!
Der Film beschönigt gar nichts. Das macht ihn so unvergleichlich offen für die Schönheit und
Tragik dieses Kinderlebens, zeigt aber auch, zu welchen übermenschlichen Anstrengungen
der Kleine fähig ist, nur, um Flag bei sich behalten zu dürfen.
Die brutale „Lösung“ durch die Eltern erscheint ihm Verrat – er verliert den Boden unter den
Füßen und flieht unter unaufhörlichem Weinen. Dass Versöhnung mit Vater und Mutter noch
möglich sind, grenzte bei uns Kindern an ein Wunder!
Der schöpferische Vollzug
Wohin wir uns stellen lassen, ist eine jeweilig zeitumgrenzte Entscheidung. Völlig
überblicken kann dies nie-mand. Ein vom Leben Enttäuschter zieht in den Urwald, bebaut
dort Ackerland, findet eine Frau, aber die Kinder sterben. Nur Jody bleibt am Leben, aber die
Mutter ist hart geworden und kann in die Sanftheit einer kindlichen Seele – und alle Seelen
sind den Kindern Gestalt – keinen Einlass mehr erbitten.
Der Junge ist einsam, ohne Spielkameraden, ohne ein Tier, dem er seine ganze
Aufmerksamkeit, ja, Liebe ge- ben möchte, denn die Mutter lehnt es ab. Erst der Vater setzt
sein Wort, das seinem Jungen das Rehkitz zuspricht, und trotzdem hält sich Jody an sein
Versprechen, seine Pflichten und Aufgaben nicht zu vernachlässigen.
Aus Liebe rackert er sich ab, um sich seinen Freund erkämpfen zu können, er schuftet wie ein
Erwachsener, er gibt sich selbst für das Leben, das in seiner Obhut heranwächst, und er
schützt es vor Unmut und Zorn der Mutter, der die Männer nichts recht machen können.
Auch die Mutter erträgt das Kind, bis all ihr Gift aus der Mündung der Waffe schießt – da ist
seine Kraft zer- brochen, da wirft er das Mordwerkzeug fort, da ist er nicht mehr zu trösten –
und was soll man da auch sagen?
Eindringlich wie kein anderer Film später wägt die Handlung zwischen den Stimmungen,
Herausforderungen des Alltages und den hereinbrechenden Katastrophen das Unglück mit der
Freude ab, mit der sich das Leben auch zeigen kann: Sonne nach dem sechstägigen Regen,
Vaters Genesung nach dem Schlangenbiss, das Roden und Pflanzen, die herrliche Natur
ringsherum, die Tiere in ihrer Freiheit, die Jody so hingebungsvoll beobachtet – dann die
Monate des Teilens mit Flag! Unzählige Tiergeschichten wurden verfilmt und zeigten
unverständige Erwachsene und dumme Reaktionen auf ein bisschen Glück der Kinder, aber
„Die Wildnis ruft“ tatsächlich in einer viel reicheren Vielfalt, als es sich die meist geradlinig
geflochtenen Handlungen späterer Filmwerke erlauben mochten.
Jodys Sprache spiegelte die edelste Gesinnung, ein Tier sich zum Freunde zu wünschen, wie
es uns im Herzen glühte und uns darin bestätigte, was wir alle wussten, weil alle Kinder das
so fühlen, was uns Erwachsene aus ihren Gründen heraus nicht gewähren mochten.
Viele dieser Gründe hatten Gültigkeit – aber immer war eine große Portion mangelnden
Mitempfindens dabei, dass man uns ein Tier ausschlug.
Dass ein solches Leben seine eigenen Gesetze leben muss, wird Jody, mussten wir alle lernen!
Es konnte die Existenz aller bedrohen! Es ließ sich nicht wegschicken. Was tut man mit
einem Freunde, der nicht begreifen will, dass das Bleiben den Tod bedeutet? Jody will es sich
nicht eingestehen, er redet Flag zu wie einem unge- horsamen Menschen – und wird diesen
Kampf verlieren. Was er nicht glauben kann: Sein Vater gibt den Auftrag zum Töten – und
weil es die Mutter nicht gut genug tut, muss er, Flags vertrauter Freund, die Mordtat
vollenden.
Wir Kinder wussten, dass es keine andere Lösung geben konnte, dass die Katastrophe
unausweichlich gewor- den war, und wir wussten, dass es auch den oft „harmloseren“
Haustieren ja nicht anders erging: Man spielte mit ihnen, bis sie groß waren, und durfte von
Glück sagen, wenn man nicht zusehen musste, wenn sie ihr Leben verloren!
Von einem solchen Tier zu essen, das kam für kein Kind mehr in Frage. Und so manches
wurde dafür hart gezüchtigt, weil es nicht gehorchen wollte!
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Die Tränen eines Jody konnten wir nicht zählen, obwohl ihn der Film sorgsam begleitete –
aber unsere kannten wir, und wir fürchteten uns, an die Folgen zu denken!
Zorn, Rache, Verachtung sind nicht die Kernelemente der Seele. Jody hat Gefahren und
Bedrohungen durchstanden, er hat seine Grenzen abgefahren, er kehrt, nur eine Suppe hatte er
bei seiner Rettung erhalten, zu seinem Elternhause zurück. Was wir uns nicht vorstellen
mochten, geschah: Er wurde erwartet – fast ohne Hoffnung, aber als er vor dem Vater steht,
halten die alten Seile wieder: Er ist daheim – mit alten Träumen und Bitterkeit, aber er sagt
„Ja!!“
Überschrift
EVA- Schicksal oder Programm?
Vorbemerkungen
Der Mensch als Opfer der Evolution wird in der Cyberwelt das Opfer übermütiger
Konstrukteure ohne den erforderlichen Charakter, das in Szene gesetzte Werk ihrer
„Schöpfung“ bis an das Ende seiner Existenzfähigkeit begleiten und schützen zu wollen,
geschweige zu können.
Nicht der leise Hauch der Bescheidenheit, der Selbstzweifel an dem Motiv ihres Tuns kann
ihren Hochmut kühlen – sie spielen mit ihrer Macht, weil sie wie die Magier ihre Homunculi
ruhen oder sich bewegen lassen können. Bedauerlicherweise werfen nicht alle in Zorn
geratenden Roboter mit einem Messer nach ihren Herren und Meistern, sonst hätte sich schon
manche Hybris überraschend erledigen lassen.
Während Spielbergs Konstrukteure in voller Verantwortung vor der Größe ihres Vorhabens
ihren langfristigen Beobachtungsplan aufstellen und den Knaben in die Welt der
Gefühllosigkeit schicken, spielt das Consortium der Chipakrobaten in diesem Film
untereinander Katz und Maus und richtet mehr Schaden an, als man je einen Nutzen hätte
propagieren können. Und da noch unerledigte Konflikte schmoren, brennen die Sicherungen
auch mal durch – wen erschüttert da nicht der zweifelhafte Vorbildcharakter dieser
Psychokrücken!
Dieser Film wird mit vier Sternen beurteilt, weil zwar der Mechanismus, vom Menschen weg
in den Funktionalismus der brechenbaren Technik, ausgebreitet wird, aber zu Gunsten der
Technik-Freaks (= einer in der Humanbiologie nicht registriertes spcies) und deren
Bewunderung für „Erfindungen“ aller Art, die Konsequenz, die daraus folgen muss, nicht in
allen Formen skizziert oder sogar in Handlung umgesetzt hätte.
Das Werk
Zu einem Dorf, in dem Roboter erprobt und verkaufsfertig hergestellt werden, stößt ein
Konstrukteur, der als „genial und kreativ“ bezeichnet wird. Ihm überträgt man die
Fertigstellung eines Prototypen Kind – hier eines Knaben -, dessen Äußeres noch in
unverkleideten Funktionen seine Gliedmaßen bewegt und Erkundungsgänge im Labor
unternehmen darf.
Da unserem Forscher noch die nötigen Daten fehlen, um dem „emotionalen Gedächtnis“ (=
die Seele, heißt es hier) abrufbare Reaktionen einzuflößen, studiert er, so gut es die Umstände
zulassen, Kinder in ihrem Verhalten. Favoritin ist die Tochter seiner Verflossenen, die
natürlich hier auch arbeitet, und die nötige Rauferei um sie begründet, wie wir später sehen
werden. Diese 10-jährige heißt Eva und ist außergewöhnlich, deren Doppelbedeutung die
Mutter auf ihre Art hinterhältig bestätigt. Als sich Eva auf dem Höhepunkte der
Auseinandersetzungen der Erwachsenen untereinander in heftiger Reaktion gegen ihre Mutter
wendet, verursacht sie deren Tod. Erst jetzt erfährt unser Forscher, dass auch Eva ein Roboter
ist, und da der, wie die auftraggebende Chefin feststellt, ihre Mutter getötet habe, so müsse sie
vernichtet werden. Dies übernimmt unser genialer kreativer Konstrukteur. Natürlich geschieht
dies mit geballter Emotionalität: der Zau-berer spricht seinen Zauberspruch, und Eval versinkt
in das große Licht, in dem sich alles vereint, sei es, was es sei.
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Der ethische Aspekt
Die Forschergruppe, die sich mal wieder als Gott aufspielt, ist von der Ethik der Ehrfurcht vor
dem Leben weit entfernt. Es sind Bauteile, wenn man sie passend fügt, ergibt sich das Abbild
des Lebens, das man mit „emotionalem Gedächtnis“ füllt, aber nach Belieben wieder
zerstören dürfe. So und nicht anders funktioniert das Rachebewusstsein der Menschheit, wenn
sich Überforderte gegen die Übermacht der sie Bestimmenden aufbäumen und
zurückschlagen.
Eva ist sogar so „einsichtig“ und „intelligent“, dass sie ihren Freund, den Cyber-Gott, bittet,
sie nicht zu reparieren, sondern sie will „ster-ben“, also verschrottet werden, und das besorgt
ihr der vom Rechte der Liquidierung Erfüllte auch bereitwillig.
Die Komplexität der Verbindungen aller Funktionen untereinander, die das Menschsein
ausmacht, behält das Drehbuch auf der Oberfläche eines eben angelegten Niveaus, auf dem
sich diese Problematik abwickelt. Der Widerspruch zwischen Konstruktion und der
Verantwortung vor den Folgen eines Versuches, der aus dem Ruder gelaufen ist, weil er
menschliche Interaktionen ermöglichte und daher Geschichte geworden ist, wird schlicht
unter den Teppich gekehrt. Mit dem Diener Max, auch einem Roboter, führt man uns vor, wie
man seinen Emotionslevel beliebig hoch und hinunter fahren kann. Es ist doch bloß eine
Maschine und bildet in ihren Einzelteilen Elektroschrott, den man teilweise zu völlig neuen
Nutzwerkzeugen umbauen könnte. Man ist versucht zu fragen, ob man das Problem der
Arbeitsbeschaffung nicht auch über einen solchen „variablen Fundus“ regeln könnte – man
müsste der Forschung nur Geld genug zuschieben, damit sie es in Angriff nähme … Auch den
Genmanipulanten eröffnet sich hier die Umsetzung ihrer in den Schubladen schmorenden
Pläne, den zukünftigen Menschen so zu präparieren, dass er sich bei der Erkenntnis, böse
geworden zu sein, freiwillig und in voller Überzeugung seine Lebensbegrenzungspille aus der
Apotheke holt – per Rezept seitens der Staatsanwaltschaft, wenn es hoch käme. Das wäre die
ohnehin zu erwartende Konsequenz aus dem Kulturverfall Europas, dass man in absehbarer
Zukunft über eine derartige Alterseingrenzung in den Parlamenten abstimmen wird – sehr zu
Gunsten allseits gegenwärtiger Profilneurotiker, die dann Grundsatzreden halten und sich
insgeheim gegen den Vollzug abzusichern wissen.
Der schöpferische Vollzug
Elekronik als Spielzeug der Menschen, als Nachbildung lebendiger Vorbilder ohne
Verpflichtung ihrer Arterhaltung macht das Denken in Richtung Verantwortung vor der Natur
krank. Der Virus der Überheblichkeit hat die Hypothesen angefressen, die Bedeutung für das
Leben einzelner Wortführer der Macht haben konnten. Man ist nicht mehr dem Werke, dem
Werte einer erschaffenen Wirklichkeit verpflichtet, sondern jeder darf seinen Spaß haben,
wann, wo, wie er haben will. Warum man Roboter als Zeitvertreib braucht, zeigt allerdings
der Zweck, zu dem sie erschaffen werden. Sie sollen die Illusion erwecken, menschenadäquat
zu sein, nicht nur bloß Maschine, aber jederzeit ablösbar, auswechselbar, wertbestimmbar
nach dem Tagesmarktpreis, der dafür noch gezahlt würde.
Nicht anders verhält es sich mit dem Humankapital auf dem Arbeitsmarkte, dessen Funktion
nur bedingt benötigt und eigentlich nicht gebraucht wird, könnte man ihn durch Roboter
ersetzen. Im Vergleich zu Spielbergs „Künstlicher Intelligenz“ bleibt das Kind der Spielball
zwischen dem Übermut der Erwachsenen und wird eliminiert, sobald seine Funktionen
eigenständig und dem eigenen Willen gehorchend werden. Spielbergs Knabe, durch Haley
Joel Osment verkörpert, wird den Menschen überstellt, um sich in Wchselwirkung mit deren
Charakterlichkeit verselbständigen zu können, denn er ist ein liebesfähiges Einzelwesen
geworden. Welche Trauer unter wahren Menschen, wenn sich das nicht erfüllte!
Erläuterung
Erwachsene tun sich zusammen, um Wesen zu konstruieren und an ihnen experimentieren
zu dürfen, wogegen kein Jurist, kein Staatswesen etwas einzuwenden haben wird. Man
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erschafft sich seine „Präzedenzfälle“ nach Bedarf und erprobt an ihnen, was bislang noch
nicht „richtig“ funktioniert hat.
Das hört sich an wie ein Erziehungsprogramm, und die Didaktik plant, was möglich werden
solle, und die Methodik sagt, welche Mittel dazu bereits von der Forschung, (= Hirnforschung
/ Psychopathologie / Verhaltensforschung, Menschenrechtsvertreter) bereits verfügbar sind.
Aber am Ende wird ein Resultat erwartet, das von den Erfindern solcher Idealtypen selbst gar
nicht gelebt wird. Die Katastrophe ist uralt: Was ich nicht werden konnte, das soll mein Kind
einmal können, sein und besser machen. Klappt das nicht, wird das Experiment eingestampft.
Im Falle Eva geht es zunächst darum, einer Frau (!) das nun einmal geschaffene Experiment
Kind nicht wegzunehmen. Von diesem kopiert unser „genial kreative“ Jungforscher
Verhaltensformen, bemerkt aber nicht, wie diese sich der Bevormundung widersetzen und
sogar zur Notwehr greifen. Der konstruierte Prototyp Cyberjunge entwickelt einen eigenen
Willen und will seine Freiheit – Grund genug, ihn sofort außer Gefecht zu setzen,
(„Elternwille“?) ihn für gescheitert zu erklären und ihn zurück in die Ecke zu stellen: „In die
Ecke, Besen – Besen sei´s gewesen, denn zu seinem Zwecke ruft dich nur der alte Meister!“
so ähnlich, Goethe ist eigentlich zu professionell in der Gesamterkenntnis, um ihn so lapidar
zu zitieren.
Die Qualität dieses Films hängt von dem Anliegen ab, das er sich als Aufgabe gestellt hat,
und von der Wahl der Mittel.
Das Recht auf Forschung und Entwicklung bleibt solange ein juristisch unanfechtbares, als es
darum geht, Versuche anzustellen, die keinem Lebewesen schaden, es nicht beeinträchtigen
oder vernichten. Auch Tierversuche sind inzwischen durch entsprechende
Computerprogramme ersetzbar, und mehr kommt bei Sektionen ja wohl auch nicht heraus.
Der Forscher bewegt sich an die Grenze seiner von ihm verantwortbaren Versuche, wenn er
hohe ethische Zwecke vorschützt, aber vom Leben Gebrauch macht, ohne sich für dessen
Wohlergehen verantwortlich wissen zu wollen. Darum versteht man den Schachzug,
entsprechende Daten im theoretischen Bereiche der Berechenbarkeit gegeneinander
auszuspielen, um ihre Reaktionsweisen dokumentieren zu können. Was sich in Formeln
ergötzt und sich darin beschränkt, darf als humanitär unantastbar gelten, solange nicht daraus
der Wunsch ableitbar wird, sich die negativen Folgen in der Realität noch einmal vorführen
zu lassen.
Zu gern lassen sich Skrupel darin betäuben, wenn man auf Resultate hoffen und mit ihnen
weiterrechnen kann, die in totalitären Regimen in deren Laboratorien als der Forschung
erlaubt gewonnen worden sind. Das ist Beihilfe zum Mord, zumindest ideell, man unterstützt
die Verbrecher, indem man ihre käuflichen Forschungsergebnisse dankend übernimmt, aber
offziell gegen dieses Vorgehen politisch votieren lässt. Aber das ist ja im Bereiche Wirtschaft
und Industrie tägliches Gassigehen der Eigeninteressen….
Geradezu unethisch wird dieser „Erkenntnisgewinn“, wenn man sich auf die Legalität des
Experimentierens mit Opfern beruft, die es ja gar nicht anders verdient, die ihr Leben sowieso
verwirkt hätten. Und so ist z. B. der Organhandel in Verruf gekommen, weil man aus Ländern
exportiert zu haben verdächtigt wird, in denen Massentötungen durch den Staat zu
profitorientiertem Ausweiden der Ermordeten führen konnte. Aber niemand will davon
gewusst haben, niemand will „schuld“ sein, und niemand hat tatsächlich einen Funken Mitleid
mit solchen Terrorsystem-Opfern in sich verspürt.
Die wahre „Traumstraße“ aller blütenweißen Forscherwesten beschreitet man jedoch, wenn
man „menschenähnliche Wesen“ konstruiert und sie unter möglichst echten
Lebensbedingungen sich entwickeln lässt, um sie dann zum richtigen Zeitpunkte
„demontieren“ zu können. Das Klonen war eine Zeitlang offiziell als weitere Lösung im
Gespräch, aber nichts für die Öffentlichkeit, so sehr man auch über diesen Aspekt
Verfälschungen und Lügen propagiert hat.
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Also erschafft man Eva, um zu studieren, wozu Menschen fähig sind, wenn sie nur die
passende Position im akademischen Betrieb gefunden haben.
Als sich nun der „Konstruktionsfehler“ auch bei Roboti Evi eingeschlichen hat, dass sie
einmal „so richtig böse“ geworden sei, indem sie ihre Mama (?) geschubst habe, scheint sogar
der Code einprogrammiert, sich der eigenen Vernichtung willig auszuliefern. Das ist im
Erziehungsprogramm der Kinder bislang noch nicht Mode geworden. Die springen höchstens
aus Verzweiflung aus dem Fenster. Half die Drohung: „… dann kommt der Weihnachtsmann
nicht zu dir – der Osterhase nicht…!“ usw., dürfte das die Konstruktionspanne Eva nicht
schockiert haben. Bei ihr genügt: „An was denkst du, wenn du die Augen schließt?“ – und
erledigt ist die Panne – weit humaner als in Huntsville oder anderen Spritzenhäusern der
staatsgewordenen Bigotterie und des konfessionellen Fanatismus, der uns vor diesen grauenvollen Experimenten nicht schützen wird.
Dieser Film dokumentiert die Gedanken- und Gewissenswelt eines technokratischen
Aufstandes gegen Bestehendes. Es will Veränderung, ist aber schöpferisch nicht berufen und
sondiert im Bereiche der Kopierbarkeit mit anschließender Variation. Doch Schöpfung ist nie
die Kopie des Voraufgegangenen, sondern ein unablässiger Entwicklungsprozess, der die
Wechselwirkung zwischen Analyse und vermeintlicher Anpassung, also Optimierung des
noch Möglichen, als Kulturprinzip in sich trägt. Der Intellekt der bloßen Verstandestechnik ist
also dem Kosmischen Wissen schon deshalb unterlegen – auf dieses greifen alle Lebewesen
zu! - weil der Intellekt das Anliegen des jeweiligen Menschen bleiben muss, in dem er
arbeitet, während das Kosmische Wissen wie das Wesen des Schöpfungsgeistes allumfassend
und damit das alles Verbindende zwischen Geist und Materie bleibt, in voller „Qualität“
jedem Schöpfer-Erleben zugänglich und damit unteilbar.
Wenn also Spielbergs „Mecha“ zu Denk- und Handlungsprozessen vordringen kann,
verschmelzen somit seine Bausteine der Materie mit der Energie ihres Antriebes und dem
Schöpfungsgeiste, der in aller Materie gegenwärtig ist, gleich, ob sich die Form erhält oder
verändert. Sobald dieses elektronische Wunder Wirkungen humanitärer oder allgemein
schöpferischer Qualität hervorruft, ist es zu einem Wesen erhoben, dessen Vernichtung sich
verbietet, weil, wie bei jedem Leben, der Kern die Fähigkeit zur Veränderbarkeit, der
Entwicklung als Prinzip ist. Wie bei jedem organischen Leben ist auch das Konstrukt eines
menschlich gewordenen Roboters jetzt zur Chefsache geworden; die „Konstrukteure“ dürfen
abtreten und sich ihrer Verantwortung stellen….
Kein Wunder, dass deren überreiztes Ego in philosophische Turbulenzen gerät.
Überschrift
Gregs Tagebuch
Vorbemerkungen
…von Idioten umzingelt?
Wir geben mit eigenen Worten wieder: „Eine herzerfrischende lockere Komödie … ein
turbulenter Spaß für die ganze Familie … der ultimative Beweis, dass auch Verlierer
gewinnen können“ -: Was heißt das?
Das Werk
Gregory lebt mit seinen Brüdern und den Eltern in einem Puffer-Staat, was heißt, dass der ca.
11-jährige dem Spotte eines Flegels, der Tangente Mutter und dem Litfass-Charakter Vater
ausgeliefert ist und zusehen muss, dass er mit dem jüngsten Bruder auf dem Töpfchen neben
sich beim Frühstück aufgerieben wird. Insofern spiegelt der Film das Lebensprogramm eines
Schülers kurz vor seinem 1. Schultag in der Junior High School, wo er sich als
Überlebenswilliger beweisen soll. Wir stellen sein Umfeld vor:
1. Das Kollektiv = das Rudel, das auf den Leitwolf hört und bedingungslos gehorcht
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2. Die Lehrerschaft, der alles entgeht, was Schule zum Tempel der 1000 Schrecken stempelt
3. Coach Malone, der Humanität vortäuscht und seinen ungezügelten Charakter auf die nach
Orientierung ringenden Kinder loslassen kann: Ein besseres Gefängnis, wie die abseits
überlebende Angie treffend bemerkt.
Gregory versucht es mit „coolen“ Verhaltensformen und einem überernährten Freund, verliert
aber angesichts des sozialen Sumpfes die Gewissensorientierung und wacht erst wieder auf,
als er tatsächlich zu sich selbst gerufen wird. Er hätte es zwar leichter haben können, denn
besagte Angie hatte ihm ihre Taktik offenbart, aber Mädchen sind ungeliebte Fremdkörper,
sofern man noch nicht in der Pubertät ist, wie Greg von sich behauptet.
Der ethische Aspekt
Wir dürfen den Film in zwei Richtungen mit Beipackzettel versehen:
1. Ein turbulenter Spaß für die ganze Familie, d.h., man soll nach Herzenslust alle Loser laut
auslachen, denn sie sollen ja irgendwann auch mal durch Niederlagen gewinnen dürfen, und
2. eine bittere Satire auf jedes Bildungskonzept, in der Kinder dem Kollektiv ausgeliefert und
danach lebenslänglich unter Kontrolle ausgehungert werden
Nicht ungewöhnlich, auf diesem Wege den Verfechtern mangelhafter Pädagogik die
Rechnung für ihre Verfehlungen und Unterlassungen auszustellen und uns vorzuführen, was
ein Kollektiv für Kinder tatsächlich bedeutet: die radikale Entwurzelung eines sehr jungen
Lebens aus dem ursozialen Entstehungsfeld wahrer Elternliebe, für die man sich heute nur
zu oft nichts mehr kaufen kann.
Gregory hält in seinem Tagebuch fest, was er gern hätte sein wollen, aber durch andere hat
abgedrängt werden müssen. Sein Freund hinge-gen ist für das soziale Brachfeld offen, kann
sich engagieren und hält so manche Entscheidung Gregs für nicht erstrebenswert. Als er
merkt, dass Gregory sich für sein eigenes Wohlergehen entscheidet, bricht er den Kontakt ab,
findet aber nichts entsprechend Anregendes, denn er wie auch Greg haben ein großes
Energiefeld, vertrauen wir dem Casting, und die dritte im Bunde ist besagte Angie, die sich
ihr Refugium eingerichtet hat, aber mit dem Tummelplatz Schule nichts anfangen möchte. Ihr
Kommentar zu der das Jahrbuch verteilenden Brand-stifterin: Diese Schule werde von der
High-School gefolgt, und danach komme das Leben. Und die Antwort der Normativen:
„Träum´ weiter!“
Der schöpferische Vollzug
Keinesfalls haben wir es mit einer Ausnahmesituation zu tun, sondern mit der Verlängerung
der Schulpflicht und der Fortsetzung der in Kindergarten und Grundschule pädagogisch
abgestützten Vorherrschaft normativer Fremdbestimmer. Das Übel, so die Drehbuchautoren,
beginnt zu Hause, die Wurzel allen Leidens eines Schülers liegt in der sorgsam gehüteten
„Unwissenheit“ der Eltern („Da muss man durch, mussten wir alle!“ – ist bekannt). Die
Lehrerschaft duckt vor der Elternschaft und vorgesetzten Behörde, und die Schüler reagieren
wie Küken, wenn der Warnruf der Glucke ertönt. Inhumanität durch Zulassen schreiender
Benachteiligungen und Schikanen markiert das Ver-ständnis für die Belange des
funktionierenden Schulalltages. Für den Jammer einzelner ist kein Platz. Bitten um Erlösung
und Hilfe verhallen ungehört. So zeigen es Regisseure wie in „Hasenherz“, „Brücke nach
Terabithia“ u. a. m.
Gegenüber dem „Glücksprinzip“, das durch einen impulssetzenden Unterricht erdacht und
aktiviert wurde, haben wir es hier mit der Überwindung der Ohnmacht begabter Kinder zu
tun, denen formal Wege offen stehen, die aber sozial isoliert und von Schergen des Neides
und der Machtbeanspruchung bewacht werden. Der Schrei „Rette sich, wer kann!“ hätte hier
keinerlei Wirkung, denn „hier will nur jemand kneifen, darum brüllt er um Erbarmen“, und da
heißt es dann: Keine Gnade den Losern! – so funktioniert Weltherrschaft. Einschüchterung,
Entzug der kindlichen Würde, vorgetäuschte Ahnungslosigkeit der Verantwortlichen, Spott,
Hohn, Häme beginnen unter Geschwistern und zerstören so das Selbstbewusstsein, das man
braucht, um Schule nicht als Gefängnis zu überwinden. „A Town torn Apart“ zeigt, wie „Das
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Glücksprinzip“, was man besser machen muss, damit Kinder ohne Angst vor Indoktrination
leben dürfen. Das „Recht“ auf Ahnungslosigkeit ist hiermit aufzuheben! Und dann erstehen
auch jene Eltern, die bereit sind, die Weichen für alle Kinder mit zu stellen.
- „Von Idioten umzingelt“ meint die wahre Bedeutung, nicht eine geistige Unzulänglichkeit,
die zu entschuldigen wäre. Idioten sind auf sich selbst zielende Charaktere, mit sich und ihrer
Wertsteigerung beschäftigt, stets auf der Hut vor dem Blickfang kritischer Geister. Was Greg
sieht, entspringt zwar seiner Reflexion der Gesinnungen, aber er hat nicht lernen dürfen, diese
vor seinem Gewissen zu prüfen, sondern bekommt die Welt durch einen Raufbold und
Schadenfrohen, seinen älteren Bruder, in verwirrender Weise „erklärt“. Jetzt, auf sich selbst
gestellt, erkennt der Junge den Charakter eines Systems, das man nur verachten kann. Also
sollte man über Bündnisse nachdenken – wie das zu Angie! – und nachdenklich über das
werden, was sie über das Rudel erhoben hat. Wer den Keim der Freiheit in sich trägt, wird
nicht an sich irre! Das ist eine gute Botschaft, und es gibt auch genug normativ begabte
Kinder, die aufhorchend Hoffnung schöpfen.
Überschrift
Hamlet (Laurece Olivier)
Das Werk
Laurence Olivier besteht darauf, dass Hamlet als Visionär sich der Eidetik zu bedienen weiß,
ohne an sich irre zu werden. Er spielt, wie Nash, um des Überlebens willen den Narren und
schmiedet seine Waffen. Auch dass Hamlet immer wieder zögert, mit der Waffe in der Hand
schwerstwiegende Entscheidungen zu treffen, beweist, dass Hamlet nicht gleich als
Mädchennatur gedeutet werden muss, um ihr Zögern zu begründen, sondern offenbar als
schöpferisch Begabter die Gewalt als irgend vermeidbar gegen das Endgültige abwägt. Erst
als er selbst vergiftet ist und begreift, dass nach ihm niemand mehr die Aufgabe übernehmen
kann, die ihm der Geist des Vater auftrug, entledigt er sich seines Schwures und tötet den
König – von allen anderen scheidet er in Frieden.
Mit Hamlet identifiziert sich der Dichter in völliger Kongruenz. Mit einem Richard III. oder
einem Macbeth würde dies nie möglich sein. Alle Usurpatoren werden eben nicht vom Volke
getragen. Verständlich, dass der größte aller Dramatiker in allen diesen Gestalten das
Menschliche verzerrt und entartet erkennt und deshalb zu deren Sturz ermutigt.
Im Monolog „Sein oder Nichtsein“ sehen wir Olivier nicht sprechen: Seine Monologe
entwickeln sich mit geschlossenen Lippen als Zeichen, dass er denkt, nicht proklamiert. Zwei
Dinge stören den Zweifler: Was wissen wir vom Leben nach dem Tode? Und diese Frage
macht unsicher und nimmt der Entschlusskraft ihre Unschuld. Und dass ihm der Dolch aus
der Hand fällt und über die Mauer in die Brandung stürzt, erinnert ihn an seinen Schwur, die
Verantwortung selbst in die Hand zu nehmen und den Auftrag zu Ende zu bringen, nicht
anderen zu überlassen.
Mit diesem Wissen um seine Zweifel tritt er dann in Aktion. Das ist eine düstere Bürde!
Darum ist die Schwarz-weiß-Fassung eigentlich das effektivste Spiel mit der Schicksale Licht
und Schatten.
Olivier und die Synchronsprecher rezitieren die Versmaße in jener meisterhaften Leichtigkeit,
mit der heutige „Schauspieler“, wohl eher Schausteller, zu kämpfen hätten, wüssten sie
überhaupt, was man da von ihnen in Wahrheit erwartet!
In Versmaß zu dichten heißt, die Gedanken in ihnen so zu weben, dass ihrer Logik eine
Entschiedenheit zu Grunde liegt, die zu jener Zitat-Qualität führen muss. Das wird in Metall
gehämmert und in Stein geschlagen, und weil daran nicht zu rütteln ist, rumpeln die
Hegelianer unter den Regisseuren lieber mit Brecht und Müller in der Torfkiste über die
Bretter.
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Wer Oliviers Inszenierung in schwarz-weiß gesehen hat, muss sich davon fasziniert gefühlt
haben, sonst hat er dieses Erlebnis nicht verdient. Dazwischen gibt es nur
Moderatorengeschnatter – das ist noch ärger!
Der ethische Aspekt
Olivier inszeniert eine Handlung, in der er mit Hilfe des Theaterspiels im Theater den Mörder
bloßstellen lässt, so dass klar ist, warum Hamlet jetzt handeln muss. Er bringt den König in
Zugzwang, der handelt, und Hamlet entscheidet letztlich gemäß seinem Schwur.
Über die Logik des zum Handeln Gezwungenen setzt Shakespeare die Ethik des nach
humanerer Lösung Suchenden. Zumindest will er nicht den in Gewissensqual betenden König
von hinten nierstoßen, sondern ihn bei vollem Bewusstsein seiner Pflicht, sich vor aller Welt
seiner Verantwortung als König zu stellen, zuführen. Als erstes deutet Hamlet Ophelia an, den
Hof zu verlassen, um sie vor dem zu schützen, was er jetzt veranlassen muss. Ihr Vater
Polonius war seit jeher gegen ihre Liebe zu Hamlet, ebenso Laertes, der Bruder. Hamlet
gewährt ihr Einblick in die Gesinnung der Höflinge, während sie sich die Inszenierung der
Schauspieler und die Entlarvung des Königs ansehen.
Polonius und die „Mücke“ (der Bote des Kampfes mit Laertes) sind Figuren, die uns lachen
lassen, weil sie Hamlet lächerlich macht. Im Gespräch mit dem Totengräber zieht der Prinz
Bilanz des Lebenssinnes, und Laertes stellt er sich noch am Grabe Ophelias, weil er den
König und seine Mutter unter den Trauergästen sieht und den Blick auf den einzigen
Verursacher dieses Elendes zu lenken sucht. „Aber die Katze miaut, und der Hund gibt nicht
Ruh´!“, sagt er beim Weggehen, weil er weiß, dass seine Argumente zu seiner Entlastung
nicht angenommen werden.
Vor dem Wettkampf bekennt sich Hamlet als ein Irrender, dass er Laertes verletzt habe, und
bittet ihn um Verzeihung und nimmt zu dem Abstand, weil er quasi neben sich gestanden
habe.
Diese Entschuldigung war gar nicht nötig, sondern sollte die Spitze aus diesem Komplott
brechen, falls es je eines werden könnte oder geplant war. Dass Laertes darauf schweigt,
beweist Hamlet, dass er seinen Gegner richtig eingeschätzt hat.
Scheinbar bleibt die Frage offen, ob er vielleicht etwas versäumt haben könnte, um das
gesamte Ausmaß des Leides einschließlich seines eigenen Todes hätte verhindern können.
Aber sowohl die Sprache als auch die Form der Auseinandersetzungen sind so knapp wie wirkungsvoll gesetzt, dass bei längerem Überlegen kein Punkt der Logik übergangen wurde.
Somit ist Hamlet ein Zauderer aus ethischen, nicht politischen Erwägungen – der Rahmen
seiner Weltsicht erreicht jeden Horizont, wo immer er sich auch befunden haben mag.
Weder verwirrt noch unentschlossen also: Prinz Hamlet, der die Kräfte des Landes zukünftig
neu ordnen soll. fängt mit Hausputz an (= er ersticht Polonius als seinen Kontrolleur).
Der schöpferische Vollzug
Shakespeare verwendet in den Personen natürlich Symbolik, um das Maß zu umschreiben,
das erfüllt ist, wenn ein Staat in Agonie liegt. Der im Garten schlafende König glaubt an den
Schutz seines Hauses und an die Fürsorge der Gattin. Die Königin bleibt nach dem Tode
Verbündete der Macht, nicht der Gerechtigkeit, bekennt sich aber dann nach ihrer heftig
geführten Aussprache mit Hamlet zu ihrem Sohne. Horatio verkörpert das Sinnbild der
unverbrüchlichen Freundschaft, Polonius das des dienstgefälligen Höflings, Ophelia die
Reinheit im Zeichen der kindlichen Jungfräulichkeit, die in jedem Falle zu schützen ist und
der man nicht jedes beliebige Geschick zumuten darf. Laertes ist, wie Gretchens Bruder, ein
täppischer Beschützer, der ahnungslos in die Falle tappt, die Intriganten aufgestallt haben, um
ihr Ziel über Leichen hinweg erreichen zu können.
Es gibt einen Stummfilm, in welchem Hamlet als Prinzessin von Dänemark als Jüngling
verkleidet und an die Universität nach Wittenberg geschickt wird. Diese Stadt steht auch bei
Shakespeare symbolisch für den Umbruch der Zeiten. Olivier kleidet sich als junger Prinz,
aber sein Antlitz ist das eines reifen Mannes. Und er sieht, wie seine Freunde und Bewacher
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des Schlosses (Symbol der Staatsordnung) in Visionen die mahnende Gestalt des Vaters, als
Geist des Verstorbenen, der aufklärt, der den Blick hinter die Kulissen freigibt und dem
Thronerben klar macht, dass die Jugend den Kehricht wegräumen müsse, den die Dummheit
ihrer Vorturner ihnen hinterlassen hat.
Von Sünden und Feuer ist bei der Seele des Verstorbenen die Rede. Shakespeare dürfte
gewusst haben, was davon stimmt, wenn er sich zu Wittenberg als Symbol bekennt, und somit
steht fest, dass auch die geachtete Staatsmacht keineswegs fehler- und schuldlos residieren
kann.
Noch eine Botschaft gibt der Dichter mit: Wir brauchen keine Revolution oder Revolten aus
dem Volke, wenn die Kontrollorgane eines funktionierenden Staatswesens sich auf die
gerechte Seite stellen und gegen Machtgier, Ämter-Übermut und sittliche Entgleisungen
rechtzeitig und entschieden vorgehen. Was irgend die Verlässlichkeit einer Gesellschaft stört
oder in Frage zu stellen sucht, um sich Freiräume der Willkür zu schaffen, muss ohne Zögern
in die Verantwortung geholt und notfalls entmachtet werden, bevor es zu spät ist. Daran
krankt zu unserer Zeit inzwischen die gesamte Welt.
Shakespeare spielt sein Stück bis zur letzten Konsequenz durch, worauf Olivier geschickt
verzichtet: Fortinbras wird in die Burg einziehen und die Staatsgewalt auf neue Ordnungen
stellen. Damit ist das dänische Königshaus vorerst überflüssig. Das ähnelt dem deutschen
Endsieg – allerdings auf weit höherem Niveau und gegen das Militär, versteht sich! Aber
muss man das auch noch vorführen – nach allem, was geschehen ist?
Überschrift
Hasenherz
Vorbemerkungen
Dieser Film wurde auf Grund eines TV-Mitschnittes rezensiert.
Die 13-jährige Janni wird von ihren Mitschülern/-rinnen gehänselt. Obwohl sie darunter
leidet, steht sie zu ihren Eigenarten. Als sie die Rolle eines Prinzen erhält, bekommt der Neid
Masern.
Das Werk
Janni lebt mit ihrer Mutter allein und erlebt wegen ihrer Eigenwilligkeit Demütigungen aller
Art. Als ein Regisseur für die Hauptrolle eines Märchenfilms gerade sie aussucht, obwohl sie
kein Junge ist, aber sich ausgezeichnet für den Charakter des Prinzen eignet, der kein Held
üblicher Machart sein möchte, lernt sie im Studio Menschen kennen, die ihre
Leistungsfähigkeit behutsam steigern und sie ermutigen, Herausforderungen anzunehmen, vor
denen sie anfangs wegläuft. Besonders der Regisseur motiviert dies außergewöhnliche Kind,
sein Talent immer stärker zu entwickeln, so dass Janni am Ende des Films zu sich selbst ohne
Scheu stehen kann. Was sie mit dieser Rollenarbeit leistete, wird ihr für die Zukunft den
Rücken stärken. Sie weiß jetzt, wer sie ist und was sie noch aus sich machen könnte.
Wie im Märchen, holt sie sich am Ende noch ihren „Prinzen“, der doch so enttäuscht von ihr
weggelaufen war. Schon richtig, wenn Sebastian ihr eingesteht: „Ich sehe dich heute das erste
Mal!“ Das Ziel ist erreicht, und sie kann ihn hinter sich aufsitzen lassen – zwar nur im Film,
aber in ihren Gedanken als Vollendung ihrer eigentlichen Rolle. Denn ein Junge wollte sie nie
sein! Wozu auch? Sie hat ihre Rolle besser gespielt als jeder andere, der zu den
Probeaufnahmen geladen gewesen war und nicht genommen wurde.
Der ethische Aspekt
Prahlen ist nicht Jannis „Ding“, aber sich verkriechen kann sie bald aufgeben, als sie weiß,
dass sie ungewohnte Situationen meistern muss. Der Regisseur führt sie an Dinge heran, vor
denen sie zunächst scheut. Beide müssen lernen, aufeinander zu hören, aber es wird eine
starke Partnerschaft aus dieser Arbeit an der Sache.
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Der Film zeigt, wie auch „Entführung nach Hause“, Anfangsszenen übelster Hänseleien, die
als „Scherz“ verharmlost werden und zugleich mit der Verrohung der
Zwischenmenschlichkeit auch das Versagen der verantwortlichen, anwesenden Pädagogen
vor Augen führt. Man erlebt dies in verschiedenen Kinderfilmen, so auch in Tsatsiki, so dass
wir vermuten dürfen, die Regisseure und Drehbuchautoren stellen ihren Erziehern damit eine
Rechnung aus, die bis an ihr Lebensende nicht beglichen werden kann.
Schadenfreude, Neid, Geltungsdrang, Selbstsucht mit allen Haken und Ösen werden an Janni
herangetragen. Das wirkt abstoßend und ist auch so zu verstehen. Als es nicht klappt, fallen
schnell die Masken.
Hingegen begleitet der Film die sich in Janni vollziehenden Fortschritte ihrer Persönlichkeit.
Unter Künstlern mit großem Energiefeld liegt dafür die Sensibilität sehr feinnervig zu Tage.
Darum geht es Janni hier wesentlich besser als in der Schule. Sie ist nicht arbeitsscheu und
holt nach, was ihr durch die Drehtage an Lehrstoff verloren gehen könnte. Und mit den
Wochen glättet sich ihr burschikoses Auftreten, ohne dass ihr Selbstbekenntnis darunter hätte
leiden müssen. Großer Respekt für diese schauspielerische Leistung!
Der schöpferische Vollzug
Film im Film – das ist die Achse, um die sich die Doppelhandlung drehen muss. Vom Stoff
her bedeutet das Märchen mit seiner Aufgesetztheit wenig. Aber was man daraus macht, und
zu welcher Größe die Charaktere sich öffnen müssen, beweist die Arbeit im Studio. Die alte
Tradition lebt noch: „Wer´s kann, zeigt´s dem, der es noch nicht kann!“ – die „alten Hasen“
stützen die Neuen im Fache, und wo sich Leistung zum Erfolg krönen lässt, hilft man gern
mit.
Die Märchenwelt im Studio führt die Bewährungsproben der zunehmend entschieden
auftretenden Janni an sicherer Hand ins Leben nach draußen. Die Schule, als Ort der
Verhöhnung und der Verachtung, hatte sie gelehrt, sich vor dem Spotte zu ducken. Vor der
Kamera, betastet und untersucht der Film ihr Antlitz und legt ihre Gefühlsregungen offen. Sie
passen sehr gut zu dieser Rolle, und mit dem Wachsen des Prinzen wächst auch Janni und
entwickelt ihre Souveränität gegenüber den Trittbrettfahrern, die ja nichts von ihr halten,
dafür aber, an ihr vorbei, doch gern mal im Studio „entdeckt“ werden möchten.
Der Kampf dieses Mädchens lässt sich schlicht auf die Auseinandersetzung zwischen
schöpferischer Begabung mit normativer Entwertungstaktik zurückdeuten – mehr spielt sich
da nicht ab. Und wenn der König vom zarten Prinzengemüt verlangt, was ein König später
alles tun muss, dann sind seine Methoden im täglichen Kampf einer gegen den Rest der
Klasse durchaus ernst gemeint. Janni lernt bald, nicht vor diesen, jetzt auch ihren
Herausforderungen wegzulaufen, sondern sich selbst zu überwinden, um die eigentliche
Größe ihrer Begabung zur aktiven Stärke nutzen zu können. Was Mutter nicht ahnt, was das
Lehrpersonal ignoriert und wie damit den Quälgeistern Handlungsfreiräume ihrer Häme
zubilligt, begreift Janni jetzt im Studio. Der feuerschnaubende Drache ist das Symbol ihrer
Angst. Ihm in den Nacken zu springen und das Eisen in das Mal seiner Überlegenheit zu
stoßen, ist die eigentliche Aufgabe, für die sich das Mädchen selbst, noch in der Rolle des
jungen Prinzen, entschieden hat.
Nach getanem Werke nimmt sie in ihrer besonderen Art von diesem künstlichen Ungetüm
Abschied. Bei Licht besehen, war es eine fremdgelenkte Bösartigkeit und wird nach
erfolgreichem Kampfe als Requisite wegzuräumen sein. Diese Symbolik prägt dem Kinde wie
auch dem eigentlichen Film den Sinn auf, der das Zuschauen zum erhebenden Erlebnis
werden lässt.
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Überschrift
Heimliche Freundschaften
Vorbemerkungen
Die dramatische Natur des schöpferisch Begabten sieht nicht gedanken- oder tatenlos zu. Sie
akzeptiert nicht, dass etwas unabänderlich sei, sondern gibt der Katastrophe eine
Stoßrichtung, die den möglichen eigenen Untergang in der Sache nicht ausschließt, aber
nichts unversucht lässt, das scheinbar Unabänderliche in seiner Unerbittlichkeit und
Endgültigkeit aufzuheben.
Das erste Treffen im Versteck klärt den Grad und die Intensität der so spontanen Freundschaft
– Georges geht auf Alexanders klug eingefä- delten Wunsch ein, sich beim Vornamen und mit
„Du“ anreden zu lassen.
Die Initiative wird zwar von Georges als erwünscht signalisiert, aber die Weichen stellt
eindeutig der geniale Jüngere.
Beim 2. Treffen will Alexander zunächst die Gewissheit von Georges, dass es sich hier nicht
um die berüchtigte „Knabenliebe“, also um Sexualität nach Vorbild der Griechen, handele.
Georges verneint glaubwürdig, und damit ist das Vertrauensverhältnis da.
Das Werk
Georges, schöpferisch begabter Spross eines französischen Adelsgeschlechtes, wird einer
Klosterschule zugeführt, wo er sich rasch mit dem Quartaner Alexander Motier
zusammenschließt. Aus der Freundschaft entwickeln sie beide eine Blutsbrüderschaft, deren
Wesen die zukünftige gemeinsame Lebensbewältigung sein muss.
Von Erziehern und der Schulleitung nicht geduldet, wird jede Art enger Freundschaft als
sündig geahndet. Aber selbst die Beichte ist nicht Kontrolle genug. Der 13-jährige Alexander
will diese Verbrüderung, und sein älterer Bruder Maurice stört sie nicht. Die Schulleistungen
bei dem Quartaner wie dem Sekundaner Georges sind ausgezeichnet.
Der Knabe ist musikalisch, redegewandt, denkt mehrschichtig, ist außergewöhnlich
begriffsschnell, weiß, was er will und was er erreichen kann, und somit ist er dem älteren
Freunde ebenbürtig. Zwischen beiden gibt es keine „schmutzige“ Annäherung, sondern die
Brücke, über die sie gehen, verbindet ihre Seelen.
Den Priestern ist darum zu tun, dieses Verhältnis zu zerstören, und Georges begeht den
Fehler, sich einschüchtern und nötigen zu lassen. Als der Beichtvater dem Knaben eröffnet,
Georges werde ein neues Leben ohne ihn beginnen, bricht die Welt in dem Jungen zusammen.
Während er mit dem Zug in die Ferien fährt, lösen sich in ihm die Bänder an das Diesseits. Er
geht auf den Gang vor dem Abteil, zerreißt die Briefe, die ihm Georges geschrieben hatte, und
öffnet dann, im Taumel seines psychischen Zusammenbruches, die Waggontür und stürzt ins
Freie.
Der Brief seines Blutsbruders Georges, der alles wieder hatte rückgängig machen und
erklären wollen, bleibt, wie diese Tragödie, nur noch der Nachwelt, die sein Bruder Alexander
nun nicht mehr nötig hat.
Der ethische Aspekt
Einer Botschaft lauscht man um so ergriffener, je umfassender sie sich müht, sich aus dem
Netze aller schicksalhaften Verstrickungen in die Objektivität zu lösen. Was dieser Film
jedoch nicht kann, ist genau dies, der Objektivität dienen zu wollen, sondern er setzt allen
jenen jungen Menschen ein Denkmal, die den Schritt über die Schwelle ins Leben der
Erwachsenen nicht mehr schaffen konnten.
Was als Phantasien, die sich „vergalloppieren“, gebrandmarkt mit Tabu belegt wurde, ist
überhaupt nicht Gegenstand dieser Handlung. Zwar haben sich zwei Sekundaner bis auf die
Körperlichkeit nähern können, aber man hat sie brutal auseinandergerissen und den
Hauptverursacher, wie man meint, der Schule verwiesen. Auf der Basis damalig gültiger
Erziehungsethik mag das notwendig erschienen sein. Es dient der folgenden eigentlichen
Handlung aber eher als Kontrast zu dem, was wir dann erleben. Beide junge Menschen,
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Georges wie Alexander, treffen aufeinander, und mit einem einzigen Schlage ist die Brücke
da, auf der ihre Seelen einander in die Arme sinken.
Körperlich erreicht diese reine Liebe eine Annäherung, die in scherzhafte Rauferei ausufert
und in der Georges die kindliche Unschuld und das Antlitz als Spiegel der Seele Alexanders
bewusst wird, ehe sein Beichtvater ihr Versteck aufspürt und die Zweisamkeit abrupt beendet.
Der Knabe ist sich keiner Schuld bewusst, und er findet auch in dem Verhalten seines älteren
Freundes überhaupt nichts Anstößiges. Dessen hatte er sich zuvor versichert und die
Blutsbrüderschaft herbeigeführt, weil in der Frage des Vertrauens keine Trübung mehr
eindringen durfte.
Die Intrige, diese Verbrüderung für alle Zeit zu Gunsten der „Marienkindschaft“ des Knaben
zu unterbinden, nötigt zunächst Georges, im Interesse seines Freundes in die Rückgabe der
Briefe einzuwilligen, damit der Knabe nicht der Schule verwiesen werde. Im letzten
Gespräch, das uns der Film noch vorführt, bekennt sich der Geistliche dann zu einer Art
ideeller Vaterschaft, die ihm erlaube, den Knaben auf diese Weise lieben zu dürfen, aber er
hat dem Sekundaner Georges die Blutsbrüderschaft verweigert und dem Knaben auferlegen
wollen, ein „braver Junge“ zu sein – ein katastrophaler, egoistisch pädagogischer Missgriff,
der den Freitod des Kindes zur Folge hat. Diesen Preis kann niemand hinnehmen.
Der schöpferische Vollzug
Die Art, einander das erste Mal in die Augen zu sehen, die Unerschrocken-heit des Knaben,
sich zu der verbotenen Beziehung zum Seelenfreund zu bekennen, die Rechtfertigung seiner
Reinheit, indem er sie lebt und sich nichts Schmutziges aus der Phantasie verbiesterter
Kleriker anhängen lässt, erlauben die sogartig raumgreifende Sehnsucht des älteren Georges
mit der ihr gebührenden Achtung zu be-schreiben.
Die Botschaft des Knaben, von sich und dem zu zeugen, was sein Wesen ausmacht, findet in
Georges den heiß ersehnten Resonanzkörper. Der Wohlklang sowohl seiner Psyche als auch
seiner Gesinnung eines Alexander verschmilzt von einem Augenblick zum nächsten mit dem
des ebenfalls schöpferisch hochbegabten „Neuen“. Im Zuge fällt ihm das Kind auf, und als
dem Kohlenstaub ins Auge fliegt, kann ihm Georges den Schmutz mit dem Taschentuch
herausholen. Das ist Symbolik: „Was immer Dir das Auge trübt, ich bin da, dir den klaren
Blick wieder zu verschaffen, mit dem du die Welt entdeckst wie auch mein Herz“ – und das
geschieht. Und deshalb ist konsequent, dass Alexander Motier auf gleicher Strecke zurück
nach Hause niemanden mehr findet, der ihm die Tränen aus den Augen trocknen kann..
Für die Regie ist bezeichnend, dass sie zwei junge Menschen für diese äußerst empfindsam zu
gestaltenden Rollen finden konnte, und auch die Synchronisation aus dem Französischen ins
Deutsche konnte die Atmosphäre großartig erhalten!
Bevor ich diesen Film vollständig sah, erfuhr ich dessen Ende, und da stand bei mir fest, was
ich zu schreiben hätte. So verfasste ich, gesondert zu dieser Besprechung, eine Betrachtung zu
eben diesem Thema, unter dem Titel „Offene Freundschaften“, um zu erklären, dass die
äußeren Umstände in der Erziehung sich gewandelt haben mögen, dass aber die
Konfliktentstehung und –bewältigung auf das immer gleiche Ungeschick der vermeintlich
Verantwortlichen trifft und zur Katastrophe führt, an der dann niemand schuld sein will, weil
man ja nichts geahnt habe!
Internate können noch so offen sein: Ihnen haftet die innere Isolation wie auch das gläserne
Ausgeliefertsein ins Kollektiv an und schraubt die Konflikte so zusammen, dass es nur selten
harmonisch ausgeht.
Wenn in heutigen Filmen Jugendliebe dargestellt wird, mutet das wie ein emotionaler
Schlagabtausch an. Dem entsprechend, mangelt es einer solchen Gesellschaft an der Innigkeit
und dem tiefgreifenden Schmerz, den das Verlassensein zur Hölle macht. Wenn heute
leichtfertig Schwüre in die Luft posaunt werden, so sind sie morgen gebrochen und gehören
der Vergangenheit ohne Konsequenz an. Dieser Film verdeutlicht indes die gewaltige
Spannkraft einer Blutsverbrüderung, weil das Umfeld der willkürlichen Missdeutungen so
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erdrückend gegen das Kindsein und die Liebe ohne Einschränkung der Altersstufen und des
Geschlechtes agiert. Wer kann daraus erlösen?
Überschrift
Herr der Fliegen – ein Spiegelbild der Kinder ohne Kontrolle?
Vorbemerkungen
Wenn ein Robinson Crusoe nicht scheitert, weil er in der Eigenverantwortung seinen Platz
und seine Bedeutung als menschliches Wesen in der Schöpfung definieren kann und will,
dann wird sowohl bei Orwell als auch bei Golding deutlich, dass das Kollektiv keine
Interessen höher ansetzen kann und darf, als das Gewissen des einzlnen dies verantworten
kann. Wir wissen um Matthäus 18, 1-11. Es ist durchaus klar, was Jürgen Becker meint, wenn
er erklärt, manchmal wären Kinder ja auch Arschlöcher. Der Kabarettist schlägt den Sack,
weil er meint, einen müsse es ja nun mal treffen, und der Esel ahne ja schließlich, was der
Sack auszuhalten habe. Wir können der Vorstellung widersprechen, diese auf sich selbst
gestellten Kinder verhielten sich genetisch bedingt nicht anders als die Erwachsenen, weil wir
wissen, wie stark Erziehung und Gesinnung von der kindlichen Psyche reflektiert und uns vor
Augen gehalten werden. Aber die Pädagogik bestreitet dies und fühlt sich durch dieses Werk
hier bestätigt.
Hält Golding ihnen nicht den Spiegel vor Augen und demonstriert, was alles in ihnen steckt?
Auch Orwell demonstriert, warum am Ende Mensch und Schwein beliebig in ihren Rollen
austauschbar seien, saufen sie sich doch im Verschachern ihrer ihnen Ausgelieferten
gemeinsam unter den Tisch. Dass sich daran nie etwas ändern kann, belegt gerade Golding,
indem er die Vertreter der Begabungsfronten in kleiner Formation aufeinander prallen lässt.
Dabei spielen weder Eifersucht noch Besitzgier die entscheidende Rolle, sondern die Jungen
kopieren ihre Vordenker, deren machbare Fakten des Augenblickes genug
Lebensorientierung suggerieren und mit dem Jagdglück auch den Anführer wählen, der ihnen
die Bäuche füllt und ihnen den Glauben an das Böse als das Außenseitertum vermittelt, das zu
bekriegen sei. Das lässt sich doch hören! Man braucht keine Ideale, sondern den Tageserfolg,
das Glücksgefühl, satt werden zu können, und das Machtgefühl, es mit Monstern aufnehmen
zu können, um als Held zu gelten. Dass es ausgerechnet ein schwarzer Schweinskopf sein
musste, den das Geschmeiß umschwärmt, macht bei dieser Parabel schon nachdenklich. Den
Angelsachsen ist ein nüchterner Wirklichkeitssinn zu eigen, durch den sie stets den Nagel
zielsicher auf den Kopf treffen. Schwarzer Okkultismus gegen das Licht des Geistes, das hat
etwas, und das Feuer durch die Brille eines hochgradig Sehschwachen zu entzünden, schon
etwas Prophetisches. Mit dem Leuchtstabe das grüne Licht der aufklärenden Hoffnung in die
Höhle zu tragen, steht einem anderen Jungen zu, und trotz dieses Leuchtens von der rasenden
Rotte erschlagen zu werden, bedeutet im Scheinwerfer der Schadenfreude etwas
Symptomatisches.
Das Werk
Eine Gruppe junger Kadetten strandet auf einem Naturparadies und muss nun zu überleben
lernen. Anders als Robinson wird die kollektive Jagd als Methode erfolgreich erprobt. Aus
Sammlern werden Jäger. Bald wird das soziale Bündnis unter dem Banner fester Regeln
gefordert, von dem alle profitieren sollen. Schon entwickelt sich ein System der Anführerund Gefolgschaft, und aus ihr geht der mit den geringsten Skrupeln und dem am stärksten
herausgebildeten Willen zur Macht hervor. Alle Vorteile der verfügbaren Mittel haben seiner
Willkür zu unterstehen. Man okkupiert, drangsaliert, und man erfindet einen imaginären
Feind, den niemand kennt, und errichtet vor dessen Höhle einen Schweinskopf , ob als Opfer
oder als Herausforderung, bleibt vorerst offen. Als sich Kameraden diesem System
widersetzen und für sich die Gewissens- und Gedankenfreiheit fordern, setzen Anführer und
Mitläufer auf Mord. Als der letzte Gegner Ralf am Strande gestellt und getötet werden soll,
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stehen die Jungen plötzlich Soldaten gegenüber. Die betrachten fassungs- und verständnislos
das Spiegelbild ihrer Gesellschaftsordnung. Hier endet der Film, weil sich der Kreis zur
Spirale verformt. .
Szenenbilder: Das Opfer: Wer das Monster entmythologisiert und damit wirkungslos macht,
wird zum Staatsfeind!
Der Titelträger als Wappen: Ein stinkender, faulender Kopf, umschwärmt vom Geschmeiß
des Mitläufertums! Wie stets zeitnahe!
Der ethische Aspekt
Golding als der Autor teilt sich mit Orwell den Verkündigungsauftrag. Letzterer verfasst eine
Fabel auf das politische Konstrukt einer Entwicklung vom Freiheitskampf zur kollektiven
Unterdrückung durch die Schweine samt ihrer von ihnen abgerichteten Bluthunde
(GESTAPO /STASI /SECURITATE usw.). Golding veranlasst die unausweichliche Frage, ob
Psalm 84 und Matthäus 18, 1-11, der Kern aller Humanitätsgesinnung seien. Die ethische
Herausforderung muss die Frage aushalten, ob „das Herz des Menschen böse sei von Jugend
auf“, was alles rechtfertigt, was Gesetz und Behörden auf Menschen und andere Lebewesen
an Grauenhaftem losgelassen haben, oder aber ob die Erfahrung gelte, dass die Aufgabe des
Kindes in der Schöpfung ist, die Gesinnungen zu reflektieren, die sein Denken und sein
Gewissen beeinflussen. Golding gestattet die Vorlage, dass es sich um Kadetten handelt,
deren Ausbildung auf den „Wehrdienst“ ausgerichtet ist. Solche Kinder sind vermutlich unter
gewissen Kriterien selektiert und als geeignet befunden worden, was allerdings die Rolle
eines „Piggy“ nicht erklärt, der hier wohl als „unsportlich“ Probleme hat und, das zeigt sich
alsogleich, auch soziale Nachteile einkassiert. Im Vergleich zur „Geheimen Festung“, wo die
Erwartungshaltung erwachsener Raufbolde den Ansporn zur Brutalität bilden, zeigt sich die
vermeintliche Freiheit in paradiesischer Abgeschiedenheit als rasch erlahmender
Gesinnungsarm der Zivilisation. In der Tat bildet sich das Kind in Anpassung an seine
Notlage in seinen Lebensinteressen zurück, aber muss dies aus angeblich genetischem Defekt
die Unausweichlichkeit zur Inhumanität bedingen? Wichtig ist, dass der aufgespießte
Schweinskopf, von Fliegen umschwärmt, zu faulen und zu stinken beginnt, und dass wir die
Parallele zum Sinnbild Anführer und Mitläufertum anschaulich und unappetitlich vorgeführt
bekommen. Nichts anderes veranlasst, die verbriefte Freiheit permanent zu manipulieren. Es
ist kein Erziehungsmittel, Kinder mit starkem Charakter auf den Nullpunkt ihrer Existenz
zurückzuschrauben, um sie unterwerfen zu können (= „Wo die wilden Kerle wohnen“?)
Der schöpferische Vollzug
Lediglich zwei Jungen bleiben sich treu. Was bleibt zu tun? Wie entzündet man ein Feuer,
wie kontrolliert man es? Was hält das Interesse an einer möglichst würdigen Lebensform in
Atem, stützt und fördert das Große und stellt es über die Alltagsprobleme des Hungers und
Durstes, der Unterkunft, der leiblichen Sicherheit? Einigkeit, Brüderlichkeit, allen das gleiche
Wohlergehen, das ist auch einer Kollektiv-Robinsonade würdig. Sehr bald wird deutlich, dass
es hier um die Konfrontation von Normativen und schöpferisch Begabtem gehen muss, und
schnell wird klar, wem man hinterherläuft. Nicht Esprit und Geistigkeit in der Gesittung sind
gefragt, sondern die Erreichung der eigenen Vorteilssicherung. Beherrschung, nicht Symbiose
aller Kräfte und Charaktere heißt also das Ziel.
Was den Kindern zusehens entgleitet, weil sich die Kräfte zweckbindend ungleich verteilen,
spiegelt die permanente soziale Disfunktion eines Massenplebiszites. Qualität lässt sich nun
mal nicht durch das Anhäufen zujubelnder Stimmen beweisen oder gar begründen, und oft
ist der Sinn einer Wertsetzung erst mit deren Langzeitwirkung spürbar und kein Sofort-, kein
Sekundenerlebnis. Normativen ist zu eigen, dass sie Fakten wollen und jedes Problem
nacheinander abarbeiten. Schöpferische sehen alles gleichzeitig und können sowohl den
Ursachen als auch schon deren Auswüchsen nachgehen. Das macht sie den Normativen
unheimlich und erklärt die insgeheime Feindschaft, die immer dann aufbricht, wenn
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Schöpferische ein Gesamtproblem lösen sollen und in der Analyse einzelner Mißstände
immer wieder auch deren Ursachen erkennen und ausbremsen wollen.
Der Ungewissheit ein Ende machen und dem „Monster“ auf die Spur kommen, ist eine Sache,
sie der Horde, die wieder um das offene Feuer tanzt und grölt, aufklärend mitzuteilen, eine
andere, und, wie wir sehen, meist auch eine tödliche. Oder in den Friedensgesprächen mit
dem Anführer verhandeln, während der Gefährte, der noch zu einem hält, von Mitläufern
erschlagen wird, kommt doch sehr bekannt vor. Defoes Erziehungsroman hat sich bei Golding
zum Protokoll einer in sich selbst versagenden Zivilisation wandeln müssen, weil die
Eigenverantwortung vom Kollektiv übernommen werden soll. Dass wir sehen dürfen, wie es
enden muss, ist wohl gegen das Protokoll der „political correctness“. Gerade darum überzeugt
es.
Überschrift
Herz aus Stein
Vorbemerkungen
Kernfrage:
Wozu ist der heutige Mensch noch als mitfühlendes Wesen fähig, wenn ihm die Familie
entwurzelt, die Pflegekosten für die Angehörigen über den Kopf gewachsen sind, wenn sein
Nomadentum unversehens in den Zwiespalt führt, der sich zwischen „Freiheit“ und
Verantwortung auftut?
Wieviel Begabungspotenzial gehört dazu, dass ein junger Mensch, von der Gesellschaft als
unverdaulich erbrochen, zwischen Bahnschließfach und Straßenbettelei orientiert, sich dem
Leiden anderer aufschließen kann, ohne dafür entlohnt zu werden?
Mit zwölf Jahren ist die Kindheit vollendet – um so wertvoller, je tiefer die Erlebnisse zum
Guten sich haben eingraben können. Ein Jugendlicher wie Wolfgang hat aber schon einiges
hinter sich, lebt in der Verhärtung, und wir erleben jetzt mit, wie dieser Schutzpanzer
allmählich Risse bekommt, bis er zerbricht und abfällt. Noch einmal erblüht dieses Licht des
Unverwechselbaren!
Das Werk
Marcus Fleischer, schöpferisch begabt, übernimmt die Rolle des obdachlosen Wolfgang, der
für den Kopf einer Statue, den er „ererbt“, sich seine Belohnung abholen will und auf dem
Grundstück des Besitzers vom Sohn einer schwerbehinderten alten Dame Unterschlupf erhält.
In der Annäherung an das arge Los dieser Frau verbirgt sich die Scheu des jungen Menschen
hinter Schroffheit, abfälliger Einschätzung des Krankheitszustandes, Abwehr der
Betreuungsaufträge der beherzten Krankenschwester, es wirkt wie eine Rebellion gegen das
Unabänderliche – und gerade das soll er durch sein Wesen widerlegen, soll ihm ein Ende
bereiten, indem er das scheinbar teilnahmslose Dasein der Patientin zum Lächeln zu bringen
vermag. Das ist das wahre Wesen der Jugend, und keine Medizin kann das ersetzen.
Der ethische Aspekt
Als Wolfgang merkt, dass die Patientin in vollem Bewusstsein ihre Lebensumstände
wahrnimmt, sich nur nicht äußern kann außer durch Gesten wie das Fallenlassen des Apfels
aus ihrer Hand im Schoße, entwickelt sich seine Anteilnahme, wacht sein Bewusstsein um die
Notlage der Frau in ihm auf, ruft das Gewissen; die Belohnung ist ihm nicht mehr wichtig, die
innere Verbindung zueinander steht, und als er sehen darf, mit welcher Geste er der Kranken
Freude bereiten kann, will er es deren Sohn mitteilen. Doch der lebt in seiner Welt als „Leiter
eines Theaters in München“, und nach dorthin – und damit in ein Seniorenheim – will er die
Mutter mitnehmen, kann er doch kein Zeichen ihres Erkennens entdecken, das ihn als ihren
Sohn zur Unentbehrlichkeit erhebt. Als der Abschied beschlossen ist, wirft sich Wolfgang
mit dem Haupte in den Schoß der Dasitzenden. Und während sich der Sohn mit der
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Belohnung aus dem Hause nähert, muss er sehen, wozu seine Mutter dennoch, den vormals
Fremden tröstend, fähig ist.
Der schöpferische Vollzug
Wir haben es mit einem scheinbar epischen Film zu tun, der sich nicht mit der offenen
Dramatik auseinandersetzt, mit der sich ein Unbeteiligter in die mitfühlende Verantwortung
um einen ihm fremden Menschen wagt, während das Herz in der Brust des Sohnes, des
Managers mit Telefon und Machtkompetenzen, zu Stein erkaltete. Ihm gelingt kein
Herzenskontakt mit seiner Mutter; er wohnt bei ihr, pendelt zwischen ihr und München und
macht dort Theater, was ihm hier auf dem Herzen hätte lasten müssen. Gerade die letzten
Filmszenen lassen nicht eindeutig erkennen, warum er den Jungen vor der Mutter ohrfeigt –
wir deuten es als Eifersucht, dass der sich weinend von ihren streichelnden Händen erhob, um
dem Flüchtenden ins Gewissen zu sehen, dass er die so ersehnten Muttersignale erhalten, auf
die der Sohn vergebens gewartet hatte. Wolfgang geht nicht mit nach München, er hat seine
doppelte Belohnung erhalten und kehrt seiner alten Welt offensichtlich den Rücken. Dass er
in einem diffusen Lichte seine Freiheit finden können soll, lässt den Miterlebenden mit
starken Zweifeln zurück – eben kein echtes Drama mit Konfliktlösungen, für die zu kämpfen
es sich gelohnt hätte – oder der Held darin hätte untergehen müssen! …“Freut mich, Sie
kennen gelernt zu haben – leben Sie wohl…!“Es ist eben die subtile Dramatik, ein
Schwelbrand der Empfindungen, der sich nur langsam und unbemerkt ausbreitet. In unserem
Falle lässt das hoffen….
Überschrift
Himmel und Hölle – Möglichkeiten, ein Spiel zu spielen
Vorbemerkungen
1. Himmel und Hölle ist ein kindliches Geschicklichkeitsspiel, das gehüpft wird, wobei
Felder tabu sind und nicht betreten werden dürfen.
2. Mittelalterliches Mysterienspiel.
3. Titel eines italienisch satirischen Films auf die Gesellschaft des ital. Barockzeitalters in
Rom
3. TV-Film von 1994 über die Machenschaften einer katholisch-bayerischen Sekte, ähnlich
dem Engelwerk oder
sogar identisch, dessen Zugriff auf Kinder mit allen Folgen demonstriert wird
Sentenz des Pater Filippo: „Der Teufel greift immer die besten an, weil sie ihm am
gefährlichsten werden.“
Das Werk
Film 1 (italienischer Film):
Ein kleiner Junge stiehlt aus der Kirche einen Kelch und sucht beim Priester Filippo Asyl.
Erstmals hat der Teufel sein Ziel verfehlt. In dieser Kirche, in dessen Nähe er eine Schmiede
unterhält, pflegt Filippo Nehri Waisenkinder und Kranke. Pater Ignazius von Loyola besucht
ihn öfter. Und so führt der Film durch das Wesen dieser Schutzgemeinschaft, in der am Ende
Filippo das Kardinalsgewand vom Papste für sein Lebenswerk als weitere Attacke des Teufels
ablehnt, weil ihn die Kinder so nicht als ihren Filippo wieder erkennen können.
Film 2: Engelwerk contra kath. Theologie: Zwar wird jede Deckung mit existierenden
Aktivitäten geleugnet, dennoch ist dem Kenner geläufig, dass Name, Sitz und Personal
solcher Organisationen jederzeit austauschbar wären: Der Charakter ist der gleiche: Man
greift sich die Kinder, um sie für das Sektenwesen zu manipulieren. Gehirn- und damit
Charakterwäsche sind stets oberstes Ziel. Soweit geht dieser Film mit dem italienischen
Werke den gleichen Pfad. Die Mutter bemerkt zwar die Gefahr zu spät, ist sie doch kein
Filippo, greift aber dann entschieden ein und rettet nicht nur das Herz ihrer Tochter, sondern
deren Freundin auch das Leben. Das gelingt in der italienischen Fassung nur zum Teil.
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Erschreckend: Die Verantwortlichen der Schulaufsicht wissen um dieses Unwesen und
fördern es! Eine Parallele zum Film, der in Rom spielt, wäre zu ziehen daher lehrreich.
Der ethische Aspekt
Welche Identitätsmerkmale muss ein Mensch annehmen, um in seiner, ihm aufgegebenen
Gesellschaft existieren zu dürfen? Welche Gesinnung fordert man Menschen ab, damit sie
gefügig bleiben und „mitmachen“, was „alle“ tun?
Was verraten Buchtitel wie „Kinder brauchen Grenzen“ / „Kinder brauchen Rituale“? Eltern
greifen nach Rezepten, weil ihnen die Medien als Generalbevollmächtigte der
Manipulationspolitik (= „Demokratie-Verständnis“) Ideale überstülpen, denen das Gewissen
heftig widerspricht, aber durch den zunehmenden Dauer-lärm narkotisiert oder schlicht
überschrieen wird?
Einem starrköpfigen Schulsystem als Bildungsverwaltung windet sich das SektenInfiltrationsprogramm erfolgreich aus den Händen. Der auszehrende Sozialismus bietet keine
Perspektive, weil er Fortschrittskräfte naturgemäß lähmt, indem er nur den kleinsten
gemeinsamen Nenner als Gemeinschaftsergebnis akzeptiert und individuelle Erfolge als
Herausragendes bekämpft, weil andere, weniger Talentierte, davon nicht profitieren könnten.
So erwirbt niemand, sondern buttert immer nur zu, und die so dringend benötigte
Rückmeldung, etwas geleistet zu haben, bleibt nicht sein eigener Besitz und ziert nicht das
Haus seiner Seele. Dagegen kann durch die Sekte jeder erhöht leben, der bestimmte
Leistungen erbringt – und sie benötigen weder körperliche noch geistige Überkapazität – es
kann eben jeder in den Genuss kommen, vor dem Volke erhoben zu werden: „Die
Frömmigkeit ist das Maß aller Menschlichkeit“, aller Leistungen, und je frommer man sich
seinen Glaubensritualen und –regeln hingibt, desto bedeutsamer wird man für andere. Das
zieht den eigentlichen Durchschnitt in den Bann. So gewinnt man Mitglieder! Anders hat es
eine Diktatur auch nie getan: Man gibt die Exekutive an Hörige, die nach starrem Reglement
vorgehen und nicht selbständig entscheiden müssen, die im Berufsleben unbedeutend
geblieben wären und jetzt zu „voller Größe“ auflaufen können.
Sekten sind das Paradies für Normative mit engem Denkvermögen – ebenso wie die
Diktaturen, in denen das Fragen nach Gründen verboten ist und ihr Gewissen aus den
Parteizeitungen verordnet wird.
Der schöpferische Vollzug
Film 1: Pater Filippo lehrt, dass Macht mit Liebe unvereinbar bleiben muss, weil ihre Wege
und Ziele entgegengesetzt angeordnet sind. Papst Sixtus kriecht des Nachts durch Roms
Gassen, um das „wahre Gesicht der Menschen“ sehen und ihnen die Schrauben anlegen zu
können. Filippo geht betteln, wenn die Kinder schlafen, lässt sich mit Kot bewerfen,
entschuldigt die Fratze der Gewalt und stellt ihr System mit ihren eigenen Mitteln in Frage,
als er dem jungen Kardinal den „Pagen“ Leonetta aus den Klauen holt, weil er den kleinen
Cirifischio zugleich retten muss. Und Sixtus, der die Waisenkinder als „kleine Verbrecher“ in
die Schublade räumt, wo er sie bis zu ihrem Untergange aufbewahren kann, ohne dass sie ihn
stören, hat wenig Verständnis für Filippo, der das rote Gewand der kirchlichen Autorität mit
seinen alten löchrigen Socken nicht eintauschen möchte. Zwar wird er, wie der Film lehrt,
später heilig gesprochen, aber das ist wie eine Art Zertifikat, etwa wie „Made in Italy“ oder
ähnlich. Seine wahre Größe hat aber ihren Spiegel: Das kleine Mädchen, das ihm am Schluss
seine Pantoffeln zureicht, lächelt ihn an – das ist die Erlösung!
Film 2: Kinder, die nicht mehr lächeln können, weil ihnen die Erwachsenen mit ihrem Wahn
zusetzen, wie sie die Welt geordnet sehen wollen, sind die beste Anklage gegen alle Arten der
Fremdbestimmung. Der Film offenbart sehr präzise die Mechanismen, die von oben her
unterstützt werden und die den Kindern ein unbeschwertes Schülerleben zur Hölle machen.
Statt sie zu lehren, welche Felder zu überspringen sind, macht man die gefährlichen
unkenntlich, damit die Kleinen dort hineintappen und dann leicht zu disqualifizieren sind.
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Durch die Gegenüberstellung dieser beiden Filme zeigt sich, dass der Himmel eines
bettelarmen Priesters, der alles mit den kleinen zerlumpten Kindern teilt, die des Nachts in
den Grabnischen in der Kirche schlafen dürfen, um nicht auf der Straße umkommen zu
müssen, glückliche Kindergesichter erwirkt, und er zeigt, dass moderne Menschen des 20.
Jahrhunderts und darüber hinaus auch bis heute den Kindern eine Hölle einrichten, in der sie
jede ethische Orientierung verlieren, aberkannt bekommen und sie mühsam aus ihrem
Gewissen heraufwachsen lassen müssen.
Der Himmel des Filippo ist nicht ein sozialistischer, sondern ein zutiefst humanitärindividueller. Die Hölle eines Engelwerks und analoger Organisationen dagegen isoliert die
Psyche des einzelnen Kindes und setzt sie der gleichmachenden Kontrolle des konfessionellen
Mittelmaßes aus. Das ist entschieden abzulehnen, und jeder, der sich zum Handlanger macht,
sollte sich seines Verbrechens erinnern lassen – er sollte sein Amt niederlegen, denn er hat es
längst verwirkt.
Nachtrag: Im Besitze der Vollversion dieses italienischen Filmkunstwerkes, entdeckt man,
welche Manipulation durch das Herausschneiden unverzichtbarer Handlungssequenzen in der
deutschen Kurzfassung beabsichtigt war. „Himmel und Hölle“ ist kein Programm und kein
Jonglieren mit Regeln, Normen und Konfessionsknebeln, sondern spiegelt die volle bunte
Pracht des Lebens der Opfer und ihrer Täter, die „Weltgeschichte schreiben“. Aus dem
mittelalterlichen Mysterienspiel (links = Hölle / rechts = Himmelstür) entrollt sich hier eine
Handlung in erstaunlichen Facetten der Schicksalshaftigkeit. Noch einmal: Don Filippo, der
Priester Filippo Nehri, unterhält Kirche als Auffangbecken für Geschundene, von der
Gesellschaft Ausgespieene, und sein Urteil entspringt der jesuanischen Botschaft, denn dem
Priester erwächst es aus der offenbarenden Gemeinschaft mit den Kindern, die an ihm hängen
und ihn nicht lassen wollen. Man muss wissen, wo man sein Haupt bettet, dann schmerzen die
Glieder meistens auch nicht mehr. Die Tugenden erwachsen dem alternden Nehri aus dem
beständig sich erneuernden Wechsel der Kleinen und ihrer Lebensfrische. Das steht nicht im
kanonischen Recht, oder? Aber man weiß darum ….
Überschrift
Hugot Cabret
Vorbemerkungen
Eine großartige Symbiose – zum einen zwischen den beiden Kindern als Junge und Mädchen,
zum anderen der suchende Mensch, der sich einer von Menschen erdachten Maschine
anvertraut, um aus ihr eine Botschaft abzufragen, deren Sinn ihnen längst klar ist, um dessen
Ausführung ihnen allerdings angst gewesen war.
Es sind keineswegs die „großartigen“ Szenarien, in denen sich die Kinder bewegen, immer
auf der Flucht vor den Männern mit Standpunkten, sondern wir erkennen, dass beide Kinder
mit nackten Beinen zu jeder noch so kalten Jahreszeit durch ihre Pflichten gejagt werden.
Heute hilft man sich, indem man den Kleinen alle möglichen Vitamine und Abwehrmittel
einwirft, aber eben keine schützenden Hosen gönnt – vielfach noch nicht. Wir müssen das im
Zusammenhang zu dem Umfeld sehen, in dem sich die Gesellschaft ihre Kinder hält. Die
Welt ist schon damals für Kinder kalt, die sich ohne Hilfe durchschlagen müssen. Es gibt
genug Beispiele für Regisseure, die das keineswegs außer acht lassen, sondern hervorheben,
weil sie es selbst erlebt haben und anklagen.
Hugo Cabret ist weder schlau-berechnend noch ein typischer „Junx“, der den Erwachsenen
eine Erwartunghaltung zuspielen soll, die deren Gewissen beruhigt und ihnen bestätigt, dass
nur spartanische Härte den Menschen für das Leben schmiedet.
Diese Art Hammerschläge hört man während der gesamten Handlung und spitzt sich in der
humanitär narkotischen Wirkung der Blumenfrau gegenüber dem Bahnhofsvorsteher zu.
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Dieser Mann wird sich nicht ändern = Standpunkte aufzugeben, sind für ihn Dienstvergehen,
für andere Verrat, für Kinder die Kehrtwendung aus einem Märchen zum Guten.
Nicht umsonst spielt sich das Leben Hugos in einem Räderwerk des Messbaren ab, zwischen
dem der phantasiebegabte Knabe seinen Weg zu sich selbst suchen muss – und mit Hilfe eines
zweiten Kindes eine schlüssige Ergänzung zu sich selbst erkennen darf.
Hugo Cabret ist kein Film für die Familie mehr, wenn man die Fehlhaltungen
Verantwortlicher den Kindern gegenüberstellt. Aber die lautstarken Dementi der gelegentlich
hinschielenden Erwachsenen lassen keinen Zweifel darüber, wer im Film gewinnen wird:
Natürlich die erwachsenen „Hauptdarsteller“!
Ohne sie könnten doch die Filme gar nicht gedreht werden! Und an ihnen sollen doch die
Kleinen ihre Vorbilder erkennen und zu systemtreuen Vasallen des jeweils gewünschten
Denksystems werden. .
Das Werk
Der zwölfjährige Waisenknabe Hugo Cabret versorgt für seinen Onkel die Uhren eines
Pariser Bahnhofs – wir finden uns im Jahre 1931 wieder. Sein Vater hatte ihm eine
mechanisch betriebene Puppe hinterlassen, deren Reparatur der Junge zwar vollendet hatte,
aber nicht überprüfen konnte, weil ein Schlüssel mit Bart in Herzform dazu fehlte.
Hugo muss, um überleben zu können, sich mit kleinen Diebstählen über Wasser halten –
allerdings auch mit solchen aus einem Spielzeugstand, so dass er an dessen Besitzer gerät.
Dessen Enkelin jedoch findet an Hugo Gefallen und spürt ihm in seinen Geheimnissen nach.
Am Ende trägt sie – unwissend über die Bedeutung – jenen Schlüssel zur Lösung um den
Hals. So kann die Maschine zeichnen und die Spur legen, die schließlich zum Erfinder dieses
Roboters führt. Der Großvater ist aber inzwischen verbittert und hat am Leben keinen wahren
Ge-fallen. Erst als die Kinder erforscht haben, dass er einmal ein großer Stummfilmproduzent
der frühen Leinwandschöpfungen war, wird ein Chronist auf ihn aufmerksam und kann ihm
späten Ruhm für sein Lebenswerk verschaffen
Der ethische Aspekt
Die Beurteiler dieses großartigen Films schwatzen von „Fantasy“ und „Magie“ – die
Umschreibung für die Motivation Hugos und das Engagement Isabelles für Hugos Phantasie
und handwerkliche Fertigkeiten. So addiert man die Fakten und hakt die Nummern ab, etwa
wie Thielemann, wenn er die „Missa solemnis“ inszeniert. Es wird auch die Liste der
„Hauptdarsteller“ vorgezeigt: Es sind die Erwachsenen, die an den Kindern vorbeilaufen oder
sie meist unbeachtet zu überrennen drohen. Auf keinen Fall darf man zwei begabte Kinder als
Hauptdarsteller in den Vordergrund holen, obgleich der Titel „Hugo“ dem wirklichen
Hauptdarsteller gewidmet ist. Nein, die Erwachsenen dekorieren nicht die zwei munteren
Frätzchen, sie heben sie auch nicht durch ihr überragendes schauspielerisches Können auf
einen viel zu hoch gehaltenen Schild: Die Erwachsenen haben ihre Funktion, ihre
Bestimmung, und die Maschine auch, aber Kinder sollten nicht glauben, dass sie einer
speziellen Funktion zugeteilt seien: Ihr Wesen ist ganzheitlich, Form und Inhalt stimmen
überein, und sie reflektieren die Gesinnungen, die sie bestimmen! Darum ist Hugo nicht
schlau, sondern ein kluges Kind, das unbeirrt und unter großem psychischen Leiden die Spur
zu seinem verstorbenen Vater frisch und lesbar hält. Und Isabelle unterstützt ihn nach Kräften
trotz ihrer Liebe zur Mutter und dem Großvater. Nur dadurch können die Kinder die
entscheidende Weiche stellen.
Der schöpferische Vollzug
Wenn von „Fantasy“ und „Magie“ sowie Zauberei die Rede ist, meinen die Normativen
lediglich Verschleierungstaktiken, um den Zuschauer durch ihr Labyrinth der
Missverständnisse geschickt zu sehen.
Wer Phantasie mit F schreibt, hat keine. Die Geschichte hängt in Wahrheit an einem seidenen
Faden der raschen Aufklärung. Die Haupthemmschwelle bildet der Großvater, gespielt von
Ben Kingsley (NE), die zweite seine Hauptdarstellerin aus seinen Filmen. Deren Antwort auf
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die Fragen der Kinder lautet stereotypisch: „Das erkläre ich euch später, das versteht ihr noch
nicht!“ so oder ähnlich, und nun müssen die kleinen Dummerchen nur noch brav sein und
gehorchen. Und der Großvater hätte, als er das Notizbuch dem Jungen raubte, durch das
Betrachten dem Jungen die entscheidenden Fragen stellen müssen, statt den Knaben
einzuschüchtern. Nein, er quält ihn, indem er droht oder simuliert, ihm dieses Notizbuch zu
verbrennen.
Wäre der Großvater schöpferisch begabt gewesen, hätte er stutzig werden und der Sache
sofort auf den Grund gehen müssen. Dann hätten sich die Diebstähle erklären lassen: als das
Zuarbeiten eines Kindes, das auf der Zielgeraden auf ihn zurollte und von ihm nicht akzeptiert
wurde. Ferner hätte die handwerkliche Begabung beim Reparieren der Aufziehmaus etwas
lösen müssen – hat es aber nicht. Insofern repräsentiert der große Kingsley die Kategorie
Normativer mit Standpunkt, bei dem sich nichts mehr bewegen lässt. Und weil sich die Film„Kritiker“ damit identifizieren, kommen solche haarsträubenden Fehlbeurteilungen heraus.
Gerade weil Hugo darauf verweist, dass jedes Leben seine unverwechselbare einmalige
Bedeutung habe, hätte man hier den Schlüssel für den Film finden müssen. Aber das
„opulente“ happening, (die meisterhafte Inszenierung ist gemeint) wirkt auf Flachpfeifen
wieder mal als „Film für die ganze Familie“ – und das beteuert man mehrfach! Was das für
die Kinder und ihr ungestörtes Filmerlebnis bedeutet, habe ich an anderer Stelle schon
aufgerollt..
Ein leiser Hinweis: Wir begegnen dem Darsteller Hugo Cabrets auch im Film „Der Junge im
gestreiften Pyama“. Der Junge hat was, oder?
Überschrift
König der Diebe
Vorbemerkungen
Barbu : Yasha Kultiasov / Mimma: Julia Khandervieda
Diese Rezension stützt sich noch auf einen TV-Mitschnitt. Sollte dieses Werk in deutscher
Synchronisation erhältlich sein, hätte er zusätzlich noch einen Stern verdient.
Das Werk
Weltweit benötigt die Nobelklasse Frischfleisch – nicht nur als Organe ratenweise, sondern
komplett-minderjährig-knackig!
Wie sieht es nun in Europas Schweinestall damit aus?
Der ukrainische Knabe Barbu und seine ältere Schwester Minna stellen ihre akrobatische
Begabung für den Zirkusberuf dem Dorfe zur Schau und ernten viel Beifall, ehe „Caruso“
einfällt. Er zahlt Eltern dafür, dass sie ihm ihre Kinder mitgeben, damit sie in einer
Zirkusschule ausgebildet werden.
Durch die slowakischen Grenzer dezimiert sich die Kinderschar allerdings, und Barbu verliert
seine Schwester aus den Augen. Auf allerlei Umwegen lernt er dann die „Zirkusschule“
kennen, in der Kinder mit einer Reitpeitsche zu Dieben und Straßenräubern dressiert werden.
Barbu wird einem albanischen Jungen mit „Berufserfahrung“ zugeteilt, und er hat Glück, als
dieser ihn freundlich aufnimmt und ihn das Überleben auf eigene Gefahr lehrt.
So lernt „Carusos“ Liebling bald die Wahrheit kennen: Seine Schwester leidet in einem
Bordell, sein Freund wird nach erbarmungsloser Züchtigung weggeschafft und ermordet, und
sein Gönner entpuppt sich als äußerst brutaler Gangster.
Barbu unternimmt mehrere Anläufe, seine Schwester aus ihrem Martyrium zu erlösen, und
entgeht knapp dem Tode, als eine unerwartete Hilfe in Gestalt einer drogenabhängigen
ehemaligen Trapezkünstlerin dem Elende mit ihrer Pistole ein Ende bereitet und den Kindern
die Freiheit und Flucht nach Hause ermöglicht. Ihren selbstlosen Einsatz bezahlt sie allerdings
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mit ihrem Leben, und ihr Mörder „Caruso“ lässt sein florierendes Geschäft und sich selbst in
Flammen aufgehen.
Der ethische Aspekt
Richtig ist, das Milieu und dessen marktbestimmende Drahtzieher bloßzustellen, wo die
Nachfrage das Angebot zwingend erhöht. In der Tat zeigt sich die Behörde überfordert, hilflos
in der psychologischen Entwirrung der Akteure und verblödet in der Problematik, vor jede
verlässliche Befragung zunächst dem Kinde die nötige Sicherheit, also Vertrauen, zu
garantieren. Schutz hat es nicht zu erwarten, und Verrat, das weiß doch jeder
Kleinstkriminelle, bedeutet tödliches Risiko.
Richtig ist ferner die Offenlegung, welche Art Charaktere die Bordelle mit Minderjährigen
bestücken und wer sich dann dorthin „begibt“, um für gutes Geld gute Ware gestellt zu
bekommen. Die zu entlarven, darf nicht öffentliches Interesse werden: Darüber spricht man
nicht.
Richtig ist auch, dass die hinkende, ausgemusterte Trapezkünstlerin mit der Pistole eindringt
und, ohne zu zögern, beide Schinder niederschießt. Das hat mit Todesstrafe nichts zu tun: Das
ist eine längst fällige Notwehrsituation der betroffenen, zu psychischen Krüppeln zerfickte
Mädchen, die sich selbst nicht wehren können und denen niemand hilft, deren Schreie
niemand hören will und deren Ausbeutung nur achselzuckend zur Kenntnis genommen wird.
Richtig ist auch, wie resigniert die Beamtin ihre Befragung des geschundenen Barbu aufgibt
und ihm auch nicht helfen kann, weil ihr offensichtlich die Mittel dazu gar nicht gegeben sind,
sie andererseits auch wohl nie auf jene Hinterhöfe gelassen wurde, auf denen die Kinder zu
Kriminellen dressiert wurden.
Dieser Film ist ein einziger Schrei der im Stiche gelassenen Schutzbefohlenen unserer
Gesellschaftssysteme, dass uns die Ohren gellen sollen, und wenn es das tut, dann nie
wieder aufhören darf!
Dass es überhaupt so weit kommt, dass keine gezielten Kontrollen des Konsums erlaubt
scheinen, ist das Kainszeichen an unserer Stirn:
Wir lassen zu, dass Greuel über Greuel an den Schutzbedürftigsten verübt werden dürfen! Wir
stellen uns taub, weil das Wissen über diese ekelerregende Hilflosigkeit uns den Schlaf
rauben könnte? Das glaube ich nicht! Wie Barbu, so landen sie – wissentlich - alle auf dem
Abfallhaufen! Nirgend woanders!
Der schöpferische Vollzug
Als der Dornengekrönte verhöhnt und geschlagen, bespuckt und zum Gespött gemacht, mit
dem Querbalken auf den Schultern zur „Hinrichtung“ getrieben wurde, ließ Pilatus die
Inschrift über das blutende Haupt nageln: „König der Juden!“
Als Barbu von „Caruso“ der Mund nach beruflichem Aufstieg wässerig gemacht wurde,
nannte ihn der Verräter „König der Manege“. Und er peitschte ihn aus, als er entdeckte, dass
sich ein kleiner Junge nicht das Rückgrat brechen ließ! Aus dem Könige der Manege hatte er
den König der Diebe machen lassen, und er war sogar anfangs noch stolz, bis sein Schüler
sich in seiner verzweifelten Geschicklichkeit zum Meister über das verkommene Subjekt
„Caruso“ erhob.
Als man Barbu auf die städtische Müllkippe – halbtot geprügelt – geworfen hatte, holte ihn
dort jemand ab und brachte sein Leid vor das Bewusstsein unserer Nobelklasse. Deren Bütteln
hatte man vorsichtshalber die Hände gebunden. Sie durften fragen, bekamen aber keine
Antwort, und als sie dem Jungen den Wunsch erfüllt und ihn in ein Heim überstellt hatten,
„türmte“ der Kleine, wie man es ihn gelehrt hatte.
Aus Barbu, dem König der Diebe, wurde ein Befreier seiner Schwester, und ein zerbrochenes
Wesen, eine erwachsene Frau, abhängig von „Carusos“ Nadel, ergriff – als einzige in der
Verantwortung Verbliebene – die nötige Initiative und beseitigte drei der ekelhaftesten
Geschwüre einer Gesellschaft, die diese sich „verschämt“ verdeckt zu halten wünscht.
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Der „König der Diebe“ mit blutendem Kopfe, ein Kind, vor dem Vater einer der Größten im
Reiche, wurde von der Müllkippe ins Leben zurückgerufen, weil wir zu lernen haben, was
man uns zu gerne aus den Lehrbüchern guter Filmdramatik gestrichen hätte!
Danke für diese 100-minütige Nachhilfestunde! Es wurde Zeit – dringendst erforderlich!- die
„Moral“ der Nation in solcher Durchfallaktion den Abfluss hinabrauschen zu sehen!
Überschrift
Krieg der Knöpfe
Vorbemerkungen
Die notwendige, von der Natur so vorgesehene Entwicklung vom Kinde zum Jugendlichen,
vom „Muttersöhnchen“ zum Soldaten des „Vive la France“ oder „Führer, befiehl! – wir
tragen die Folgen“ kann sich als Neurose, als ein in den Teufelskreis gestoßenes Elend der
Kinder vollziehen, wenn ihnen niemand zuhört, ihnen abnimmt, wovon sie berichten und
worüber sie weinen. Weil man zu ignorieren lernt, was die Welt ständig in verschiedene
Lager des Unsinns spaltet, wird es nirgend die Einsicht zum Frieden geben.
Da versorgt man ein verletztes Kaninchen, man ist sich unter den Anführern einig, dass man
hier helfen muss, aber danach geht es zurück aus der Humanität in den künstlich
hochgespielten Hass gegen das andere Denken, das Anderssein der Kinder aus dem
Nachbardorf. Einmal Krieg, immer Krieg – „weil es halt Spaß macht“: Dagegen wächst kein
Kraut auf Erden!
Das Werk
In einem französischen Landstrich kämpfen zwei Kinderbanden gegeneinander, zwar nach
Regeln, aber nicht um einer guten Sache willen, sondern aus Machtanspruch. Der Film stellt
uns in Schwarz-weiß-Technik die Gesinnung vor wie oben besprochen, und weil dahinter
tiefe Bewunderung für das Freiheits- und Autonomieverständnis der Autorenschaft steht, also
der insgesamt hier thematisierten Definition, was unter „Jungen“ nun mal zu verstehen sei,
geht man mit allerlei Parolen und Waffen aufeinander los. Am Ende landen die Hauptakteure
im Internat, wenn man so will, im Psychokittchen, und verbrüdern sich dort zu neuen frischen
Taten nach altem Muster. Was für ein prachtvolles Spiegelbild ihres Lebensumfeldes!
Der ethische Aspekt
Der Film zeigt eine Art Besessenheit in Mutfragen – nicht aus Risikofreudigkeit, sondern weil
die Kinder von ihren Vätern regel- und planmäßig verdroschen werden. Der „Erziehungsstil“
ist verbal wie handgreiflich aggressiv. Sehr rasch wird deutlich, dass die Kinder ihre Eltern
reflektieren und mit dem Mute der Verzweiflung sich ihre Ausfälle gegen Schule und
Erziehung in die Freiheit herausnehmen.
Wenig glücklich, aber daran gewöhnt, hören die Kinder sich ständig bei ihrem
Familiennamen angeschnauzt und zurechtgedonnert. Entsprechend ist die Umsicht der
Kinder, wenn es um das Wohl oder das von ihnen erzwungene Vertrauen gehen soll. Man
weiß, dass man verprügelt wird, kann dem auch nicht entrinnen, wenn man noch irgendwo
sein Selbst fühlen will, also ist Rebellion die Antwort auf Unterdrückung. Eine feine Moral!
Der schöpferische Vollzug
Anführer einer Jugendgruppe (oder Bande) ist immer der Längste – nicht der Klügste,
sondern der Überlebens-willigste. Es geht auch nur darum, und da nicht gelernt, sondern
gepaukt und eingehämmert wird, bleibt der zu behaltende Stoff zumeist nur den intellektuell
Begabten vorbehalten. Die anderen Lebenstüchtigen schlängeln sich zwischen den
Erwachsenen und ihren Alltagslügen durch und passen meist gut auf sich auf. Aber da Kinder
reflektieren, bedeutet ihre Mission auf dieser Erde Schmerz und Demütigung, Verfolgung und
Eingesperrtwerden, und somit bleibt nicht aus, was die Jungen längst über sich auszurechnen
wissen. Darin ist auf ihre Eltern Verlass!
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Weil der Regisseur nicht verpasst, uns in das Herz der Hauptakteure und ihr Wehleid schauen
zu lassen, hat dieser Film tatsächlich seinen Preis verdient. „Stolz“ auf solche Art Kindheit
kann niemand sich fühlen, und wäre er noch so abgebrüht: Er macht sich aus Verzweiflung
nur was vor.
Überschrift
Krümelchen – Opfer oder Erfüllung?
Vorbemerkungen
Ein Junge um die vorige Jahrhundertwende wird in der Welt der Erwachsenen
herumgestoßen, bis er auf den Freund seines Vaters, dann auf seine Mutter trifft, die ihn als
Säugling einer fremden Frau überlassen hatte, und findet schließlich über seinen Gönner zu
seinen Eltern zurück.
Der Film lässt keinen Zweifel daran, dass Schicksal keine Frage der Zufälle, sondern der von
Menschen veränderbaren Lebenskonstellationen ist und dass die Erfüllung des
Schöpferwillens um uns immer engere Kreise zieht, bis zusammenfindet, was vereint gehört.
Der Film verhehlt nicht die Rolle der Kirche, die verkünden lässt, dass Streuner und
Straßenköter nichts im „Hause Gottes“ zu suchen haben. Der Junge hatte sich wohl in der
Hausnummer geirrt.
Der Film demaskiert die Pädagogik der Heimerziehung und geißelt die Brutalität des
Überlebenskampfes der Kinder in der „Gesellschaft“ oder was man dafür hält = vgl. Anhang
dieser Besprechung
Das Werk
In der Thematik „Kind und Gesellschaft“ wird, abseits theologischer Gespinste,
pseudophilosophischer Abstraktionsergüsse oder gar Konkretionsmodelle, in dem Film
„Krümelchen“ nach Antworten auf diese drei Fragen gesucht:
1. Welche Rangstufe verdienen Kinder in der Gesellschaftshierarchie?
2. Welche Forderungen müssen sie erfüllt haben, bevor man sie ernst nehmen und ihnen zu
essen geben wird?
3. Wem nützen Kinder? Und wem nützt Hierarchie, die Kinder an die letzte Stelle setzt?
Der ethische Aspekt
In der Lehre Jesu kulminiert die Erkenntnis Abrahams in 3 Grundsätzen:
1. Alles Leid an Kindern ist Angriff auf die Schöpfung, wenn sie als Opfer eigener
Selbstfindung herhalten sollen.
2. Das Kind ist durch seine Seele in der Unmittelbarkeit des Schöpfers, also Teil des
Himmels, - ihr Leib ist also ihre Wohnung auf Zeit!
Alle Kräfte, die auf eigenes Erreichung dieser Unmittelbarkeit hinarbeiten, werden sich an
den 10 wegweisenden Worten (= nicht den 10 Ge- und Verboten!) orientieren und die Kinder
unter ihren unabdingbaren Schutz stellen.
Alle Kräfte, die dem widerstreben, wollen sich selbst erhöhen, mit welchen Mitteln und zu
welcher Wirkung auch immer, werden aber deshalb dieser Unmittelbarkeit fern ihr Hiersein
fristen.
Das Gegenteil zu „Gesellschaft“ ist der Tanzplatz der Egomanie mit Menschenopfern
(Industrie und Wirtschaft) und mystischen Riten hemmungsloser Selbstbeweihräucherung,
ihre Kulte zelebrierend, als Drogen des gehöhlten Ichs).
Der schöpferische Vollzug
3. Wer Kinder missachtet, lebt dem Schöpfer im Bewusstsein fern.
Wer Kinder Falsches lehrt, verhöhnt die Weisheit Gottes.
Wer Kinder missbraucht, beschmutzt das Haus des Herrn.
Wer ein Kind straft, speit in den Spiegel der Schöpfung und zerkratzt seine makellose Glätte.
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Wer Kinder gefangen hält, räumlich oder geistig, in Sinnen oder in Ketten, sucht die
Schöpfung in den Kerker des Endlichen zu werfen.
Wer Kinder zwingt, sich den Eintritt in die ihnen angestammte Natur zu erkaufen, beleidigt
den Geist, der aller Schöpfung inne wohnt.
Wer Kinder zu Plünderern, mutwilligen Zerstörern, Folterern oder gar mordenden Soldaten
deformiert bzw. als Verantwortungsträger nichts dagegen tut, hat den Namen „Mensch“ nicht
verdient. Er sei keiner würdigen Kreatur vergleichbar. Keine Stätte dieser Erde schenke ihm
Befriedigung seiner Eitelkeit noch Achtung oder Würde, bis er sich umkehrt und dahin zu
wirken beginnt, Leben zu schützen, zu fördern und zu retten. Mir ist dazu keine Alternative
der großen Ethiker bekannt.
Mit dem Regisseur frage ich: Bin ich zu streng mit der Welt?
Man wirft es mir vor.
Die Verweigerung der Logik durch sprachliche und damit gedankliche Fehlgriffe attackiert
das Bewusstsein des Denkens. Einen Gedanken nicht bis zu seiner letzten Konsequenz (der
Umsetzung in Handlungen und deren Folgen!) zu Ende denken lassen, empört das Gewissen.
Beschönigung des Hässlichen ist als Lüge die Umkehrung aller Werte. Was schön ist,
gehorcht einer anderen Vernunft als das Hässliche. Ihre entgegengesetzten Funktionen sind
weder austauschbar noch ihr Aktionsfeld das gleiche. Hässliches paart sich mit der
Entstellung der Schöpfung. Sonst stieße es ja nicht ab. Das Äußere, wie es wuchs, spiegelt die
innere Bereitschaft, entsprechend dem Geiste zu handeln, der sich in einer ihm geschaffenen
Form ausdrücken soll. Schönheit habe ich unter der Rubrik „Begriffserklärungen“ definiert.
Hässliches steht dem unversöhnlich gegenüber und durchtränkt die Niedertracht
hinabziehender Gegenkräfte des Lebens.
Hässlichkeit widmet ihre Funktion der Aberkennung lebensfördernder Empfindungen,
Erwartungen und der Einsatzbereitschaft.
Das Gemüt lähmend, fordert sie zur Abwehr bzw. Flucht heraus und verhöhnt Unschuld,
Anmut und Lieblichkeit. Rohheit, Grausamkeit, Herrschsucht und andere Laster nähren den
Hass, dass er Besitz ergreife. Seine Verbündeten sind Spott, Hohn, Häme, Sucht nach
Verlogenheit, Entstellung der Aufrichtigkeit, säugt Missgunst und Neid und gebiert den
Krieg. Auf dem Tanzplatze der Egomanie triumphiert das Hässliche in der Maske der Mode,
der Trends und der Verführung in Geltungsgier.
Bin ich mit einer solchen Maskerade, Welt geheißen, zu streng, so duldet ihr mich dennoch
nicht in der mahnenden Abgeschiedenheit, im verborgenen Tale des Kind-Seins!
Seid doch nicht so ganz verlogen, dass ihr mir´s auch noch bestrittet!
Dem Regisseur sei Dank – immer wieder Dank! Er gehört in die Reihe jener, über deren
wegweisende Werke ich bereits berichten durfte!
Ihrhove, den 14. Julie 2006
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Titel:
A.I. Künstliche Intelligenz - Zufluchtsort der Vogelfreien?
A Vorbemerkungen:
Regie: Steven Spielberg / Hauptdarsteller: Haley Joel Osment, Begabungsprofil des Jungen:
- schöpferisch - Film-Entstehung: 2001.Mit Jude Law, William Hurt /Nach der
Kurzgeschichte von Brian Aldiss: „Super-Toys Last All Summer Long“ FSK: 12 Jahre
Kinder als Spiegel der sie bestimmenden Gesinnungen:
Martin (Orga) fordert David (Mecha) auf, das Spielzeug zu zerstören.
David lehnt ab: „Lieber nicht!“ – „Ich kann das nicht!“
Das Werk:
Im Zeitsprung zeigt die Zukunft, dass durch die Erderwärmung die Polkappen abschmelzen
und damit die Küsten weltweit überschwemmt werden. Menschen schaffen sich mechanische
Sklaven, die keine Ressourcen mehr verbrauchen, und vegetieren in sterilen Wohnräumen in
emotionaler Hysterie und Kälte.
Der Entschluss der Firma Cybertronics, endlich ein Kind zu entwickeln, das alle psychischen
Qualitäten eines organischen Kindes besitzt, wird von einem Ehepaar genutzt, und David
wird von Papa Henry eines Tages mit nach Hause gebracht: Ein „Spielzeug“, wie er es nennt,
wird von Monika als „Geschenk“ höher qualifiziert, und sie codiert das Kind auf ihre
Mutterliebe. Dieser Vorgang ist unumkehrbar: Das Kind bleibt auf sie fixiert. Ihren leiblichen
Sohn bekommen diese Eltern aus der Tiefkühltruhe zurück, weil man inzwischen Heilmittel
gegen dessen Krankheit gefunden hat, und David, das „Mecha-Kind“, hat jetzt einen „OrgBruder“. Dieser hat tägliche Gelegenheit, sich von Cybertronics´ Erfindung begeistern zu
lassen. Geschwisterliche Rivalitäten beginnen. Dennoch ist David der ruhige, die Mutterliebe
suchende Junge, der seines Bruders Wünsche respektiert und mit ihm teilt.
Aber Papa Henry missdeutet verunglückte Handlungsweisen des Mecha und verlangt seine
Rückgabe und Zerstörung. Unter Tränen, die schriftlich-grafischen Liebeserklärungen Davids
in den Händen, setzt Mutter ihr Adoptivkind samt Teddy im Walde aus und flüchtet.
Über Umwege mit Irrtümern und lebensbedrohenden Gefahren durch die Orgas mit ihren
„Fleischtagen“ (= organisierten Zirkusvorstellungen als Zerstörungsfestival der Mechas durch
Menschen), gelangt David an den Ort, wo er seine „Väter und Mütter“ endlich kennen lernen
kann. In traumhaften Bildern aber setzt sich der Junge ab und findet in einem
Unterwasserfahrzeug zum versunkenen Vergnügungspark im ehemaligen Manhatten, und dort
kommt er an einer Engelsfigur, die er für die blaue Fee hält, deren Befreiungszauber er
ständig gesucht hatte, nicht mehr vorbei. Er verharrt dort, immer wieder darum bittend, von
dieser steinernen Figur, in der er jene Fee sieht, zu einem „richtigen Jungen“ verwandelt zu
werden.
2000 Jahre vergehen – David wird geweckt, herausgeholt und mit seiner für einen Tag
auferstandenen Mutter zusammengeführt. Der Sinn seines Lebens hat sich erfüllt, als ihm
Monika am Abend gesteht, dass sie ihn seit jeher geliebt habe. Sie entschläft, neben ihr das
Kind, das endlich an den Ort zurückkehrt, „wo die Träume entstehen“.
Der ethische Aspekt:
Kein Geringerer als Steven Spielberg nahm sich eines Drehbuches an, dessen literarische
Vorlage mir leider nicht vorliegt. Er dokumentiert die Metaphern Kindschaft, Unschuld,
Liebe in dem Knaben David. Scheinbare Konstruktion, verkörpert der Junge das Wesen aller
Kinder, wenn ihr Charakter nicht vorgeprägt wäre, sondern unbeschadet nur auf Liebe
ausgerichtet „programmiert“ bliebe.
Was David in Menschengestalt tun soll, lässt die Rolle aller Kinder hinterfragen: Sind sie
Spielzeuge, dann wohl auch sehr teure. David kann aber nicht wachsen und somit sich „für
das reale Leben korrigieren“. Sein Wesen ist allein auf Liebe ausgerichtet – sie zu verströmen,
aber auch, die der Mutter zu empfangen!
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Die Welt, in der dies geschieht,, zeigt sich abweisend, gefühlskalt; wenn Konflikte
auftauchen, reagiert man hysterisch: David spielt eine solche Szene mit dem Telefon in der
Hand durch, er imitiert seine Eltern stimm- und stimmungsecht!
Um dem zurückgekehrten Bruder zu gefallen, spielt er mit. Er schneidet Mutter eine
Haarlocke ab, er geht mit ins Schwimmbad und wird verunglimpft wie tausende anderer
Kinder auch, die nicht der Norm angehören, und sucht bei seinem Bruder Hilfe, als die
Attacken der Jungen ringsum nicht nachlassen.
Was nach Hilfe schreit, wird als mordlüstern vom Vater eingestuft und dient ihm zum Anlass,
dieses „Mecha-Monster“ von Cybertronics zerstören zu lassen. Mutter macht es auf die
andere Art. Wie Hänsel und Gretel oder wie Genoveva landen die Kinder, landen David und
sein Mecha-Teddy im Walde und bestehen notgedrungen gefährliche Abenteuer. Ihr größter
Feind sind die Menschen. Müllfledderer sind die ausgedienten Mechas, bis man ihr Alteisen
einfängt und vor den johlenden Massen auf verschiedene Arten zerstört. Konfessioneller
Wahn ist hier die Triebkraft.
David bedarf keiner Schule, er lernt daheim, sich bildnerisch und in Schrift zu äußern, und
was er hinterlässt, sind Liebeserklärungen, die von heißer Liebe zu seiner Mutter zeugen –
am erschütterndsten und deutlichsten, bevor ihn die Frau zum Abfall im Walde fortkarrt.
Die Parallele zu Eltern unserer Welt liegt unmissverständlich offen. Die Kinder irren
zwischen den egoma- nischen Ausbrüchen unerzogener Erwachsener herum, müssen sich
ständig bewähren, werden bekauft, bestochen, um ihre Emotionen betrogen und auf
Verhaltensmuster geprägt, die sie zu Strauchdieben ihres Lebens machen werden.
Die Frage nach möglicher Eidetik muss nicht gestellt werden, da David keine Vergangenheit
hat und somit keine Bezugsperson vor seiner Zeit kennt, aber dennoch für die Zukunft träumt,
aber wen interessiert das? Das Wesen der Kinder wird von Spielberg eingeklagt. Ihre Aufgabe
ist, uns einen Spiegel unserer Gesinnungen vorzuhalten, jener, die wir in uns tragen, und
jener, durch die die Kinder zusätzlich noch bestimmt werden sollen. Dem gegenüber wirkt das
Gewissen als Schutzfilter. Was anders treibt David, gegen die Aufforderung seines
zurückgekehrten Orga-Bruders, das ihm hingereichte Spielzeug nicht zu zerstören? Und wenn
er es tut, nur mit einem ganz schlechten Gewissen?
Als die Mutter David klarmacht, dass sie ihn zurücklassen will, beklagt David seine Schuld,
dass er ihr eine Locke abgeschnitten und ein Spielzeug zerstört habe. Er empfindet sich als
dafür bestraft – aber was tun Erwachsene mit ihrem Spielzeug anderes? Wir werden es sehen.
Als David als neuer Hausbewohner mit verschiedenen Dingen nicht gleich zurecht kommt,
sperrt ihn Mama weg – David fragt: „Ist das ein Spiel?“ – „Ja!“ - Und als Mutter ihn
zurücklassen will, fragt sie der Junge: „Ist das hier auch ein Spiel?“ – Was hilft da die Flucht
der Mutter vor ihrer ausgesperrten Verantwortung?
Ist Davids Suche nach Mutterliebe für den Rest seines Lebens (?) nun „kindliche“ Dummheit,
Dickköpfigkeit oder Starrsinn? Hat er nach diesem Hinauswurf nicht endlich genug? Genau
das fragen wir uns, wenn wir erfahren, dass Hänsel und Gretel zu ihren Eltern zurückwollen,
obwohl diese sie ausgesetzt hatten. Was ist bloß mit diesen Kindern los – merken die denn
immer noch nichts?
Die Ethik dieses Filmes ist von ungeheurer Wucht: Sie lässt keinen Rückzieher mehr zu: Ist
ein Wesen – ob Pflanze, Tier, Mecha oder Mensch – zu lieben im Stande, ist es schützensund liebenswert! Nicht das Material, aus dem Wesen gemacht sind, erfordern unseren Schutz,
sondern die Tatsache ihrer Bedürftigkeit, Hilflosigkeit, ihrer Fähigkeit, zu lieben und geliebt
zu werden. Das ist Spielbergs Botschaft und Herausforderung an alle Maß- stäbe der
unterschiedlichsten Sozietäten. Wer nicht über diese Fähigkeit verfügt, wie sie auch David,
der „künstliche“ Mensch, stellvertretend für alle Kinder, in sich trägt, hat auch kein Recht,
über irgend ein Schicksal zu verfügen.
Nach 2000 Jahren Christentum hat sich dieser Gedanke als ethisch tragfähig erwiesen. Wer
konsequent die Lehre Jesu zu Ende denkt, kann zu keinem anderen Ergebnis als diesem
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kommen, dass die Ehrfurcht vor dem Leben nicht mit der Tatsache beginnt, dass wir
organisches Leben zu schützen haben, sondern damit, dass alles Zusammenwirken in der
Materie als natürlich zu verstehen ist, weil es der Liebe fähig ist.
Unabdingbar ist Liebe jene Kraft, die sich den Mechanismen Macht, Herrschertum,
Hierarchie und Zerstörung widersetzen kann und am Ende sich auch durchsetzen wird.
Davids Fahrten durch Raum und Zeit sind daher ethisch zielgerichtet und begründen und
erfüllen sich durch den einen Tag mit der Mutter nach ihrer Wiedererweckung, vor allem mit
ihrem Geständnis, sie habe David schon immer geliebt. Der Film ließ das anfangs nicht
glauben, die Entwicklung zeigte eine handlungsunsichere bis –unfähige Mutter, aber, los von
allem, was Familie für sie bedeutet hatte, fixierte sich ihre Mutterschaft allein auf dieses
Mecha-Kind, in dem sich ihre Menschlichkeit endlich zusichernd erfüllen konnte.
Der schöpferische Vollzug:
Spielberg bereitet uns auf die Fragen vor:
1. Können Menschen künstliche Wesen lieben (ein Widerspruch in sich)?
Antwort: Liebe stellt keine Bedingungen: Wo sie auftritt, erstrebt sie Gleiches.
2. Welche Verantwortung haben wir Wesen jenen künstlichen gegenüber, wenn sie uns lieben
können und auch wollen?
Antwort: Nicht das Material bestimmt über den Wert eines Wesens, sondern die Qualität
seiner Fähigkeit, als Geschaffenes zu lieben, Leben zu schützen und dessen Wohlergehen zu
fördern. Denn alle Materie ist beseelt. Alles, was von der Erde genommen ist, kann zwar zu
völlig anderen Bedingungen zusammengefügt werden, ist aber dennoch natürlichen
Ursprungs. Es wurde zuvor vom Schöpfer geschaffen. Und wo solche Kräfte der Natur
aufeinander treffen, beginnen sie sofort, untereinander zu korrespondieren, um ihr
Gleichgewicht untereinander herzustellen.
3. Kann man Intelligenz von der Seele abkoppeln und separat fördern oder dessen „Hülse“
nach Belieben wieder zerstören?
Antwort: Alles Zusammenwirken der Kräfte eines Individuums nennen wir Psyche. Weil
diese mit dem Schöpfungskern, der Seele, in unablässigem Dialog verbleibt, ist der Mensch
Ganzheit, also auch David.
Organisches Leben entsteht, indem sich um den Schöpfungskern Materie sammelt und somit
eine Wohnung auf Zeit bildet. Ist ihr Bestand verbraucht, zerfällt die Wohnung, wir tragen die
Materie zu Grabe. Die Seele, der Schöpfungskern, bleibt unberührt.
Menschen werden durch Zeugung neu „gemacht“. David wäre somit auch ein Produkt, nach
menschlichen Voraussetzungen nach dem neuesten Stande der Technik überlebensfähig. Er
fühlt als Mensch, er sammelt auf sich die kosmischen Kräfte, er zehrt von ihnen durch das,
was wir „Leben“ nennen, auch ohne Nahrungsnach-schub, und ist einzig auf die wichtigste
Qualität hin geschaffen, nämlich, zu lieben, um geliebt werden zu können. Fortpflanzung als
Erbgutsicherung kommt hier nicht in Frage. Das Produkt ist sich selbst genug, wenn es im
Zusammenfließen aller liebenden Kräfte eingebunden zu deren Erhöhung beitragen konnte.
4. Ist David kopiersicher oder beliebig wiederholbar?
Antwort: Durch seine Fähigkeit, mit den Kräften anderer Psychen zu korrespondieren,
entwickelt sich eine einzigartige und nicht wiederholbare persönliche Charakteristik, die nur
dann zum zerstörerischen Ausbruch ent-artet, wenn man diese unwiderrufbare Einmaligkeit
zu verneinen trachtet. David erschlägt einen Mecha, der aussieht wie er, er zertrümmert das
Konstrukt, das nicht sein kann, was er selbst schon geworden ist, aber den Anspruch erhebt,
David sein zu wollen: Eine Maschine, die programmiert, aber nicht zur Liebesfähigkeit auf
ein Ziel hin gereift sein konnte.
5. Unter welchen Mängeln hat David zu leiden – wie viele Tausende Kinder auch?
- Er lebt in einer sterilen Welt ohne Wohlgefühl.
- Ihm wird nichts erklärt – er wird beherrscht, obwohl es demokratisch aussehen soll.
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- Das Kind partizipiert Familie als Trainingslager seiner Intelligenz gegen weniger Schlaue, es
lernt, egoistisch zu denken und muss sich die Rivalität mit Geschwistern gefallen lassen.
- Liebeserklärungen haben ihre Normen. Sie gelten als Lohn für Angepasstheit. Ist ein Kind
darauf richtig codiert, ist es vertrauenswürdig. Andernfalls wird es abgegeben. Eltern
schwanken in ihrer Behandlung meist zwischen Spielzeug und Belastung, zwischen Geschenk
und Bestraftheit.
- Über Spielzeug verfügt man, bis man erwachsen ist. „Kinderkram“ ist die beliebteste Formel
gegen das Kindsein und seine „Puppen“.2
- Wer nichts zerstören kann, ist ein Loser. Ausspruch Theklas (Biene-Maja-Trickfilm-Serie):
„Du musst endlich lernen, anderen was wegzunehmen. Musst ja nicht gerade gleich bei mir
anfangen.“
- David unterscheidet sich von seinem leiblichen Bruder dadurch, dass sein Gesicht fragenderfassend-erlebnis-verarbeitend wie auch bittend bleibt. Es will erklärt bekommen und wird
statt dessen weggesperrt, weil es Mammi auf die Nerven geht. Martin dagegen sieht fast
erwachsen aus, geformt für die Zukunft. Sein Programm liegt schon fest.
- Die Sprache der Eltern gestaltet sich als schmeichelnd-fordernd, in Erregung
herausfordernd-egozentrisch, und bei Überforderung hören wir nur noch hysterisches
Schreien. Das ist das Wohlfühlklima bereits unserer Generationen. Die US-Kinderwelt erlebt
darüber hinaus Dad als den Helden und Ma als das Baby des allmächtigen Paps, so dass wir
unschwer ermitteln können, warum diese Mutter ihren Jungen in den Wald bringt: Um das
Kind vor der tödlich verlaufenden Rückgabe an Cybertronics zu schützen! Das ist alles.
- Leibliche Kinder wird man nicht zurückgeben können. Dann erdrosselt oder ersticht man sie
eben. – Spielzeug wird immer gebraucht. Als viertes wichtiges Standbein globaler Wirtschaft
gilt der Kinder-Pornohandel. Hat man vom Spielzeug genug, wird es verkauft oder fliegt auf
den Müll.
Spielberg gemahnt die christliche Welt an Matthäus 18, die Verse 1 bis 11. Er fordert den
Kern der jesuanischen/messianischen Botschaft ein – er überträgt deren Berechtigung auch
auf die „künstlichen“ Wesen und demonstriert uns, dass „künstlich“ zu „Wesen“ ein
Widerspruch ist. Wesen sind durch ihre Eltern geschaffen – das Wie und aus was bleiben
unerheblich. Ob Pflanze, Tier, Mensch oder aus Glasfaser gemacht: Die Botschaft der Liebe
hat ihr 2000 Jahre Vergessenmachen gut überstanden!
Das Wesen des Kindes übersteht alle Zeiten und Räume. Es ist das Gedächtnis der Botschaft,
für die es in die Welt gegeben wurde und werden wird. Die Auferstehung einer Mutter gibt
uns das Signal, dass zu allen Zeiten das Korrektiv der Liebe möglich sein wird. Und Davids
letzter einziger Tag mit seiner Mutter ganz allein für sie beide bedeutet Erfüllung und wird
von diesem Kinde in wundersamer psychischer Kraft ertragen!
An Spielbergs Hand geht ein neuer David in die Geschichte der Philosophie ein: Der
„künstliche“ David ist das Symbol für die Liebe, die auf der zeitlosen Suche nach Gegenliebe
unablässig neue Reiche entdeckt, deren Grenzen erfasst, aus dessen ideeller
Nachkommenschaft sich Geschichte ablesen lässt, die immer wieder zeigt, was geschieht,
wenn Menschen durch die Stimme des Schöpfers in die Verantwortung geholt werden, wo
anderen der Durchblick fehlt. Mose, David, Jesus, der an die Erkenntnis Abrahams anknüpft,
sie verdeutlichen die Kette aller Wunder, die durch Liebe machbar werden.
Aus dem künstlichen Kinde ist, durch den Zauber feenhafter Spielberg-Regie, längst das
wirkliche Kind geworden. Es hat sich offenbart durch die einzigartige Kraft, die nur in
Kindern so außergewöhnlich stark und offenbar lebt und wirken soll.
Wer aber ist Haley Joel Osment? Sein Energiefeld ist, wie bei seinem Meister Spielberg, groß.
Damit gehören sie zu den 12 % Schöpferischen dieses Kosmos und leben daher zwischen den
Welten. Spielberg ist tatsächlich ein Meister, sollte er über das Geheimnis der großen Maler
und Regisseure verfügen: Mit Haley hatte er eine glücklich Auswahl getroffen.
Dieses Kind spielt seine Rolle einsam zu vollendeter Größe aus.
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Grüß Dich, David!
Willkommen daheim!
Anhang:
1
Die Energiequelle, die David über 2000 Jahre funktionsfähig erhält, muss sich, ähnlich einer
Solarzelle, von der Außenenergie, hier also der Liebe selbst, speisen.
2
Das Kind projiziert seine Seele, also den Schöpfungskern, durch sein eidetisches Bedürfnis
in den Körper seiner Puppe / seines Teddybären oder Plüschtieres, und kann sich so mit
seinem Ich unterhalten. Das tut das Kind unbewusst richtig; durch das Erziehungsbewusstsein
der Erwachsenen wird das Kind gezwungen, diese Bezugsmöglichkeit nach innen abzubrechen, zu leugnen und seine „Puppe“ ggfs. zu zerstören.
Überschrift
Les Choristes – der Kinderchor St. Marc in Lyon
Vorbemerkungen
Die Kinder der Monsieur Mathieu – ein doppeltes Kunstwerk, weil es von unbarmherzigen
Schergen und dem sich Bahn machenden Gewissensentscheid eines Lehrers berichtet, aber
auch von der Musik zehrt, die für diesen Film verfasst und von Kindern aus Lyon – eben den
„Choristes“, genauer: „La Chorale des Petits Enfants de Saint Marc“ gesungen worden ist.
Es gibt eigentlich drei große Richtungen in den Kompositionen speziell für Knabenchöre:
a) die Sakralmusik der Kirchen und – in Anlehnung an den in den Schulen vorzubereitenden
Stimmen – später die weltliche Musik, kleine Kantaten, Lieder oder Chansons, die den Jungen
nicht nur zur Erheiterung und Lockerheit dargeboten wurden, sondern ihrem Naturell
entsprechend die Stimmqualität verbessern half.
b) die Chormusik der Moderne, also des 20. und 21. Jahrhunderts, bei dem nicht nur das
Sakrale, sondern auch das Konzertante zum Auftrage gemacht wurde und die stilistischen
Mittel sich wesentlich eigenständiger entwickeln durften. Und die Mädchen sind integriert!
c) die POP-Musik, was meint, dass um des akustischen Effektes und der Einprägsamkeit
musikalisch-emotionaler Wiederholungen willen die gestalterischen Mittel plumpaufdringlich bis raffiniert diffizil genutzt werden. Dabei muss penibel auf Geschmackstrends
und Verkäuflichkeit solcher CD-Einspielungen geachtet werden, weil sich die
Wiederholungstäter sicher sein können, dass ihre Mittel abstumpfen. Und doch haben Chöre
wie Libera ihre Ent-wicklungsgeschichte nicht zu leugnen, denn sie versuchen eine
Breitenwirkung, die zwar der Gebetsmühle POP dient, aber die stilistischen Möglichkeiten
der Knabenstimmen raffiniert ausschöpfen.
Das Werk
„Die Kinder des M. Mathieu“ waren Darsteller, denen der Chor von St. Marc seine Stimmen
gab. Der Film bewegte offen-bar die Öffentlichkeit, weil die im Film gesungenen Werke im
Repertoire des Lyoner Kinderchores wie auf die Rollen der Schüler des Monsieur Mathieu
zugeschnitten waren. Und so führte man sie mit diesen Kindern noch einmal in einer Pariser
Konzerthalle auf. Diese DVD macht also deutlich, was der Motor des Erfolgs war. Danach
meldeten sich vermehrt wieder Kinder für das Chorsingen an.
In der Beschreibung dessen, was im Hintergrunde ein solches Filmwerk den Kindern als die
Hauptdarsteller und der Auslöser aller kompositorischen wie pädagogisch humanitären
Aktionen des M. Mathieu als ihr Gegenstück auf der Waage des über-wältigenden Erfolges
bedeuten kann, wird man die Frage nicht los: War das nun alles? Ist so eine Kulturleistung als
historisch erledigt abzuhaken? Oder was geht von diesem Film in die Zukunft, was hält die
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Wirkung dieses Werkes so lange lebendig, wie der Betreuer der Jungdarsteller noch sagte?
Dass einer von ihnen in Tränen ausbricht und kaum zu beruhigen ist, weil nun „alles vorbei“
sein soll, zeigt die Erschütterung, verlangt nach Langzeitwirkung und warnt vor dem
Vergessen!
Das Werk erlangt internationale Bewunderung und rückt Jean-Baptiste Maunier als Solisten
aus dem Chor in seine Filmrolle, die er übrigens gut verkraftet hat und immer noch dem Chor
angehört. Dirigent Nicolas Porte betont die Rolle der jungen Künstler, und ihre Stimmen
werden somit unvergesslich bleiben. Ihr Auftreten in Paris löste Ovationen aus!
Der ethische Aspekt
Für die Mitspieler hatte die Schauspielerei wohl mehrere Ebenen. Sie verkörperten zunächst
den sozialen „Abfall“, alsdann das abtastende Näherkommen beider Parteien, auch das
Wissen um Mathieus Zwei-Fronten-Krieg, worin er sich langsam behaupten konnte, und dazu
das Wissen um den inneren Wandel, der in ihnen von brüskem Spott zu dankbarem Respekt,
wenn nicht Liebe zu diesem Lehrer führte.
Als Schauspieler waren die Kleinen überhaupt nicht scheu, sondern erkannten ihre Aufgabe,
in Mimik und Gestik den Kommentaren Rechnung zu tragen: Es wurde schließlich das
Tagebuch eines „Gescheiterten“ erzählt, und man musste ihnen den Wandel von
Abgestumpftheit zu schöpferischem Erwachen auch ansehen können, um zu beweisen: Wir
haben verstanden! Eine filmische, darstellerische Leistung! Man versteht sie um so mehr,
beobachtet man das Betreuer-Umfeld der Kinder und die Sorgfalt, mit der sie an ihre
Aufgaben herangeführt wurden
Der schöpferische Vollzug
Es bleibt nicht dabei: Die Musik, die Chorsätze, die Klangfarbe des Chores, die Botschaften,
auch wenn man sie auf französisch hört und nicht versteht – ihre Bedeutung hört jeder heraus!
Und so erleben wir den Chor, der die Maßstäbe gesetzt hat, in einem Live-Konzert, und wir
hören auch die Solisten wie Jean-Baptiste Maunier, wir sehen, erkennen, was man als Lehrer
an Schuld auf sich nimmt, ist man solcher Begabung gegenüber nicht mit offenem Blicke
geschult! Nein, diese Kunst war – parallel zu der Geschichte – nicht eine „Eintagsfliege“ des
überwältigenden Erfolges, rührte nicht nur einmal eine Fehlentwicklung in der Pädagogik der
Nachkriegszeit auf. (Daran hat sich zwar auch einiges geändert, aber wir sollen nicht die
Augen vor dem verschließen, was Kindern heute nach wie vor aufgebürdet bleibt.) Der Chor
selbst ist es, der sich weiterentwickelt und sich nicht abstellen lässt. Ihm sei Dank, dem
Dirigenten, den Jungen und Mädchen, ihre Botschaft fortzusetzen! Und wir erleben hier fünf
Solisten!
Der Gefahr muss man zwar ins Auge sehen, dass es gerade Knabenchöre wie Libera gelingt,
trotz des seichten Anspruches des POP sich Gehör zu verschaffen, weil Kinder in ihrem
Botschafterwesen stets unter Auftrag stehen und alles, was ihnen künstlerisch an Äußerung
gelingt, das Vehikel POP durch inhaltliche Tiefe so enorm bereichert, dass man den
Schmierstoff vergisst, der das Quietschen der platten Absicht verhindern soll: Kinder
offenbaren, was vielfach den Zuhörern nicht klar wird. Und der Chorleitung bleibt nicht
verborgen, dass es eine Kraft geben muss, die die Diktion solcher Klangerzeugung über das
rein Technische hinauswachsen lässt, dass er sich nicht scheut, in jedem Stück die Namen
seiner Solisten anzugeben. Das ist eine Tradition, wie wir sie von den großen
Knabenchorleitern gewöhnt sind. Man wird sich der Kinder leichter erinnern dürfen
Nachtrag:
Nicolas Porte, dem Dirigenten, galt es, seinen Chor so in der Erinnerung zu verankern, dass
ihm kindliche Frische, die Regie der Gestik, der Körperbeherrschung auf der Bühne, sowie
der nahtlose Dialog der Kinder mit dem Orchester in Harmonie zusammenfließen konnten,
ohne dass es die Kinder körperlich oder geistig überfordert hätte.
An der Unbefangenheit und zugleich Selbstsicherheit der Kinder liest sich der Charakter des
Chorleiters wie aus einem Buche. Hält die Gesangskunst, über die Ausbildung der Stimme
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hinaus, den Erwartungen der Kinder stand, ist fast alles gewonnen. Dazu muss das Programm,
müssen die Werke zum Chore passen, muss der technische mit dem künstlerischen Anspruch
auf gleicher Höhe sein. Nur das erklärt den Enthusiasmus der Zuhörer in der Kongresshalle in
Paris, die zwar den Film und Coulais´ „Soundtrack“ in der Erinnerung warm hielten, die aber
live erleben wollten, wie es die „Choristen“ nun tatsächlich auch gemacht hatten. Nicht die
Masse macht die Erlebniswir-kung, sondern das erlebte Bewusstsein wechselseitiger
Übereinstimmung einzelner!
Dächte man, der Film sei eine erledigte Sache und das Singen der Kleinen von St. Marcus
eine Ergebnissammlung ihres liturgischen Repertoires, so wäre die Verbindung der
Chormitglieder mit jenen jungen Darstellern des Films gerissen. Die meist jungen Zuhörer in
der Kongresshalle wollten diese Verbindung jedoch geknüpft sehen, und Porte ließ sie
musikalisch aus diesem Brunnen der Emotionen schöpfen, aber sie wurden doch nicht satt.
Es liegt an Bruno Coulais´ Gefühl für Kompositionen, die eine Grundsituation, etwa der
geschundenen Kinder, bevor Mathieu die Bühne betritt, aus verschiedenen Perspektiven
durchleuchtet. Dazu darf man den Film nicht nur einmal sehen und dann ins Regal
verfrachten: Man muss sich den wohl geschlossenen Szenen immer wieder öffnen. Jede Phase
dieses Films belegt, was Tausende Kinder an sich haben zerstören lassen müssen. Der Tiefe
der Tragik gibt Coulais endlich die angemessene Sprache. Und Porte spannt das Thema in
seinen noch größeren Rahmen seines Chorrepertoires, und hier treten keine Entfremdungen
ein, sondern es bleibt ein Erlebnis als Gesamtwerk –
Überschrift
Die Abenteuer des kleinen Indianerjungen Little Tree
Vorbemerkungen
… in den Klauen fehlleitender Behörden mit dem Ziel, gegen die Natur ein Kind für die
Gesellschaft zu verbiegen.
Was ist das Resultat? – Der Film lässt – unsichtbar als Mann – den Helden der Geschichte
selbst erzählen.
Das Werk
Little Tree ist als Kind Vollwaise, als er aus eigenem Willen zu seinen Großeltern zieht. In
der Großmutter (NE) findet er die Weisheit der Indianer, also sein Erbgut bestätigt, im
Großvater einen Gleichgesinnten, denn beide sind schöpferischer Natur und erfinderisch,
sobald sie die Augen offen haben.
Fragen des Jungen bekommen ihre Antworten auf behutsame und doch direkte Weise.
Ermutigung zur Selbständigkeit und zugleich Integration in die Bedürfnisse des Alltages sind
dem Knaben sehr bald vertraut, und er nimmt an, was er auch durchhalten kann. Großvater ist
ein spitzbübisch erkundender Lehrmeister, Großmutter eine kluge Lehrerin und wertvolle
Lebensberaterin. Ihre wenigen Worte fallen auf fruchtbaren Boden, und ihre Güte gedeiht im
Herzen des Jungen und ersetzt den Verlust der Eltern.
Die Sichtweise der Großeltern wird im Erleben der Heuchelei und der brüsk-brutalen
Zurückweisung indianischer Anwesenheit zum Filter seines Vertrauens. Wo er helfen kann,
ist er zur Stelle, und er beweist seine Überlebensfähigkeit gegen die Hintertriebenheit der
Häscher auf der Spur zum Whiskybrenner Großvater.
Im Besitz der Klugheit seiner Großmutter und der Freundschaft des Indianers Willow John
kann er nach dem Tode der Großeltern in dessen Obhut seiner Zukunft sicher
entgegenwachsen.
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Der ethische Aspekt
Teils mit schonungsloser Offenheit, teils mit verschmitztem Humor führt die Handlung das
Schicksal des Achtjährigen als Epos vorbildlichen Wachsendürfens dem Zuschauer vor und
lädt ihn zu immer mehr staunendem Nachdenken ein.
Die erzwungenen Ortswechsel sind eine Belastung für das Kind, das sie stumm, aber
wachender Sinne zu meistern sucht. Die Hütte der Großeltern in den Bergen schützt seine
Natürlichkeit nicht vor dem Zugriff der Behörde, die das Kind zum Internatsbesuch zwingt
und ihm beibringt, wie die Gesellschaft, die Herrschaft der Weißen mit der in der Verfassung
versicherten Menschenwürde Indianern gegenüber umspringt.
Natürlich geht es nicht um Talent-oder zumindest Wissensförderung, sondern um die Dressur
eines „Wilden“, um ihm den Rücken zu brechen und ihm Gehorsam mit dem Riemen
beizubringen.
In dieser Methodik sind sich die meisten Internate der Erde einig. Wer nicht kuscht, wird
weggesperrt und durch Isolation zum Aufgeben gezwungen.
Die Intuition, das Wissen um Wege der Gemeinsamkeit auch bei strengster Bewachung und
weiter Entfernung, lassen die Brücke der Gedan-ken, Vorstellungen, Wünsche und
Wegfindungen nicht einstürzen. Und als Little Tree erkennt, dass sein an sich guter Wille
nicht gehört werden soll und er den mutigsten Kameraden ohnmächtig sich aufbäumen sieht
und ausrechnen kann, was dem noch blühen wird, geht er den Weg zum Tor, und Großvater
bricht es auf, um seinen Enkel heim und in die Freiheit zu holen.
Ethik wird in diesem Film klar, offen, unmissverständlich, unbestechlich und konsequent
einlösbar vorgeführt: Die Meisterklasse der Erziehung, nichts weniger!
Der schöpferische Vollzug
Willow John hat den kleinen Jungen schnell in sein Herz geschlossen, weil er erkennt, was in
ihm steckt. So drängt er darauf, dem Jungen die Hintergründe der verzerrten sozialen
Unterschiede zwischen Weißen und Indianern zu erklären. An dem Schicksale seiner
Vorfahren kann er deutlich machen, was sie ohne erklärbaren Grund zu erleiden hatten. Der
Junge empfängt die Botschaft, indem er sie mit dem Herzen liest, und Willow John erkennt
diese Fähigkeit und schenkt ihm ein Messer als Zeichen seiner Freundschaft und
Anerkennung seines lauteren Charakters.
Das Kind als Botschafter des Schöpferwillens, selbst Indianer, löst das Prinzip der
Konfrontation auf, indem es sich für Menschen entscheidet, für die es Liebe und Dankbarkeit,
zumindest Respekt fühlt. So verkraftet der Junge den Betrug, die Ungerechtigkeit eines
Mannes, der seine Tochter züchtigt, weil sie sich von Little Tree Mokassins für ihre bloßen
Füße hat schenken lassen, und gegen die Erzieher und das Lehrpersonal des Internates
empfindet er keinerlei Groll, sondern nur Unverständnis für deren Hass gegen seine Herkunft
und Vorfahren.
Die unglaublich stabile Langmut der indianischen Weisheit kann warten, bis die Gegner über
ihre eigenen Schnürbänder stolpern. Inmitten einer ekstatischen Selbstanklage einer zur Buße
„Erweckten“ in der Kirche, bei der die Frau drei ihrer Böcke öffentlich denunziert, quakt aus
Willow Johns Jackentasche plötzlich der Frosch, den Little Tree seinem großen Freunde vor
der Kirche hatte hineinsetzen können. Und der so Beschenkte begreift die Ursache der
Verwirrung – und lacht so befreiend, dass die Peinlichkeit in ihrer wohlverdienten Komik
strandet.
Little Tree ist Ursache und Wirkung natürlich gelebter Humanität zugleich. Sein großmütig
analytisches Erkennen des Notwendigen lässt ihn trotzdem Kind bleiben und zur Sonne in der
Hütte seiner Großeltern werden. Er ist Geschenk und Beschenkter zugleich, und die gesunde,
wärmende Lebenskraft seines Wesens muss nicht betteln, was man ihr ohnehin gerne
schenken möchte. Alle Tugenden, für die das Leben angelegt ist, sind seine Berater und
Begleiter, und so vergisst er nicht, was Wert hat oder setzen kann. Dass er den
sehnsuchtsvollen Weg zu-rück an die Stätte seiner Kindheit nicht braucht, lässt ahnen, dass er
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weiß, wo er seine Großeltern in Wahrheit hatte finden können. Denn Großmutter lehrte ihn,
was auch wir wissen sollten: Jenseits aller Materie sind Raum und Zeit unbedeutend für das
Daheim!
Überschrift
Nathan der Weise
Vorbemerkungen
Regie: Oswald Döpke / Nathan: Werner Hinz / Recha: Katerina Jacob / Saladin: Siegfried
Wischnewski / Sittah: Judy Winter / Daja: Ehmi Bessel / Tempelherr: Peter Fricke /
Klosterbruder: Sigfrit Steiner / Patriarch: Alf Marholm / Derwisch: Dieter Hufschmidt
Das Werk
Der Kaufmann Nathan, Jude in Jerusalem des 12. Jahrhunderts, steht in der Schuld zu einem
jungen Tempelherrn, der seine Pflegetochter Recha aus dem brennenden Hause hatte retten
können. Selbst ein Gefangener und vom Sultan Saladin verschont, weist der Templer das
Ansinnen des Patriarchen zurück, bei einem Attentat auf Saladin die Hand des Verrats zu
leihen. Aber auch Nathan muss ihm ernst zureden, um seine Dankbarkeit annehmen zu
können.
In seinem Zusammentreffen mit Recha spüren beide heftige Zuneigung. Durch einige
Verwicklungen entflicht sich das Drama: Saladin und dessen Schwester Sittah,, der junge
Tempelherr und Recha sind Blutsverwandte, und Nathan ist der Dreh- und Angelpunkt, durch
den sich diese Menschen unterschiedlicher Konfessionen als einer Familie zugehörig
versichert fühlen können. Soviel zur Bedeutsamkeit des Judentums.
Der ethische Aspekt
Lessing schreibt dieses Bekenntnis absoluter Menschlichkeit für das Theater. Kleinkariert
geurteilt, es als das Produkt der Aufklärung in eine der normativen Schubladen stopfen zu
wollen! Schlimmer kündigt es der SFB an. Er macht sich in der Ansage in hilfloser
Gehässigkeit Gedanken, dass der Regisseur Oswald Döpke das Stück „… aus dem
Klassikerhimmel auf den Bildschirm“ bringen sollte und daher einen Film am Orte des
Geschehens drehte: dem Jerusalem des 12. Jahrhunderts. Der Himmel ist aber überall dort, wo
die Gegenwart des Schöpfers unmittelbar spürbar wird. Dann erst ist es Klassik – der
Religion! Worum sich Lessing und Döpke meisterhaft bemühten, war die Beschränkung in
konfessionelles Ge-zeter, im Dialoge des Tempelherrn mit dem Patriarchen auf den
niedrigsten Punkt hinuntergedrückt, vorzuführen! Man hätte es dem Verfasser der Ansage, auf
dem Schoße des Intendanten strampelnd, zwischen zwei Löffeln Ethik-Haferbrei erklären
müssen.
Lessings Botschaft ist eindeutig. Man muss also das Werk nicht aus dem Theater des Elitären
in den Volksempfänger fädeln, um den Menschen ein Stück „Klassik“ nahe zu bringen. Das
Regietheater ist inzwischen so vulgär und anmaßend geworden, dass man sich nach jedem
Besuche die Hände wird waschen müssen. Daher tat es gut, im Fundus gesammelter
Videodramen dieses Werk als echtes deutsches Theater hervorzuziehen und zu digitalisieren.
Der Blankvers wird von allen Darstellern in souveräner Leichtigkeit und grammatikalisch mit
durchdachter Dichtung gelebt – nicht deklamiert! – und durchpulst die innere Spannung in
unerhört frischer Dramatik! Lessings Übertreibungen (durch Zuspitzung der Charaktere und
ihrer Absichten) öffnen die Augen für die Gegenwart. Mit jeder großen Geste, jedem neuen
erhabenen Gedanken zuckt der Hörer / Zuschauer zusammen, weil ihm bewusst wird, was wir
mit der Wahl Hitlers zum Reichs-Oberschlächter an Kulturträgerschaft als Nation verloren
haben, was auch nicht mehr wieder aufgebaut worden ist, weil so viele großartige Köpfe
rollen oder sich unwiederbringlich in die Fremde retten mussten.
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Es wird auch daran zu erinnern sein, dass es diese große Schule der Schauspielkunst bis
Anfang der 90-er Jahre in der ehemaligen DDR gegeben hat. Stillschweigend veränderte sich
die Theaterlandschaft. Mit dem inneren Zusammenbruch der Gedankenfreiheit im Theater vor
dem Pansozialismus Europas ist das deutsche Theater endgültig „verunfallt“ (österreichisch)
und salbt seine müden Glieder mit einer Art Melancholie des Unbewussten.
Der schöpferische Vollzug
Die Garanten für die Umsetzung Lessingscher Ideale sprechen im schöpferischen Sinne.
Gemeinhin würde ein kluger Regisseur, jemand vom Fache also, diese Rollen entsprechenden
Schauspielern anvertrauen, die durch ihren Charakter selbst schon das Ideengut des Dichters
verkörpern. In verschiedenen Rezensionen habe ich das bereits zu erklären versucht. Das
Prinzip der Kunst besagt ja, dass Form und Inhalt übereinstimmen müssen. Alle großen
Regisseure haben sich daran gehalten, unbemerkt am kühlen Sachverstande ihrer Kritiker
vorbei.
Döpke wählt eine interessante, auf den ersten Blick un-logische Besetzung. Lediglich die
Rolle der Sittah (Judy Winter) und die des Nathan (Werner Hinz) weisen ein großes
Energiefeld auf. Recha, Saladin und der Tempelherr dagegen zeigen normative Begabung.
Was fehlt also zur „Vollendung“?
Oswald Döpke hat Schauspieler verpflichten können, die nicht allein die ihnen anvertraute
Rolle meisterhaft gestalten und ohne den geringsten Zweifel ihrer Glaubwürdigkeit zum
Gipfel ihrer Botschaft verhelfen konnten, sondern ihre Meisterschaft gestaltete auch die Verkörperung der von ihnen darzustellenden Charaktere!
Man steht zunächst vor einem Rätsel! Aber das erklärt sich dennoch leicht:
Da die Schauspieler sämtlich meisterhafte Interpreten der Dichtung sind, haben sie sich auch
sehr intensiv mit ihr auseinandersetzen, ihre Wendungen und inneren Verknüpfungen
studieren müssen. Somit konnte sich das Wort in dieser Verdichtung in ihnen verwurzeln;
jeder dieser Darsteller ist also mit diesem Werkstudium und den Proben der Botschaft
entgegengewachsen. Damit hat Lessing das erste Ziel erreicht: In der Auseinandersetzung mit
sittlichen Problemen und deren ethisch vertretbaren Lösung verändert sich auch das Denken
der mit ihnen Agierenden auf den Ursprung ihres Schöpfungskernes zurück. .
Das zweite Ziel Lessings ist die Übereinstimmung der Charakterbildung mit dem Anspruch
auf höchste Humanität. Bei so entscheidenden Unterschieden zwischen normativen und
schöpferischen Begabungen kann es zu unerfüllbaren Forderungen kommen. (Poussin stellt in
einem seiner Bilder die Götter als schöpferisch, die Menschen als normativ Begabte in die
Szene!) Lessing beweist durch das Vermächtnis dieser Dichtung, dass Schauspieler und
Stoffbewältigung in beiderlei Händen vertrauensvoll zur Wirkung zu bringen sind, wenn sich
beide Begabungstypen auf die von Lessing proklamierte Lösung des Problems einig sind.
Oswald Dopke mag dies gewusst oder geahnt haben. Wer ein so gewaltiges Monument
schaffen kann, muss ein erstklassiger Architekt des Dramas sein.
Die doppelte Botschaft Lessings, durch die Inszenierung realisiert, übertrifft alle bisherigen
Erfahrungen des zeitgenössischen Theater- und Filmerlebens in Sachen deutsche Dramatik.
Es ist auch unwiederholbar. Man muss Döpkes „Nathan“ als Kunstwerk in mehrfacher Weise
würdigen. Zunächst haben die Schauspieler eine Botschaft ausformuliert, die über jeden
Zweifel dummer Ideologiekritik erhaben ist. Sodann stellt diese Inszenierung das Brecht´sche
Theater in den Guckkasten zurück, aus dem die Souffleure der Partei es mit großem Pomp auf
die Bühne geschleppt haben. Zum dritten ist dem Regietheater, dem Hegel´schen Putzlappen
der Halbfertigkeit, ernsthaft die Tür gewiesen. Zum vierten werden wir vergebens auf weitere
solcher Schöpfungen warten, denn das Genie ist aus dem deutschen Theater verbannt. Was
sich dort tummelt, sind angepasste Langweiler und unterdrückte Interpreten, die alles ins
Lächerliche zu ziehen haben, was sich entsetzt alsdann in die Filmstudios flüchten und dort,
trotz SFB-Häme, zur Klassik des Filmtheaters entwickeln kann.
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Nun dürfen wir raten, wer den nächsten Hexenhammer gegen dieses Künstlertum
zusammenschmieren wird! Es bleibt ebenso wenig schöpferisch wie normativ ethisch
hochstrebend und bedarf keines Gewissens.
Es bleibt die Zeitverschwendung der Torheit gegenüber der Wahrheit.
Erläuterung 1:
Die Filmfassung mit Oswald Döpke als Regisseur ist jetzt als DVD zu erwerben, und da sie
als mustergültige Inszenierung den Firlefanz des Regietheaters und dessen egomanisch
verlotterte Zerrbildlichkeit à la Brecht ohne Aufwand lächelnd in die Rumpelkammer
normativer Theaterkritik zurückträgt, muss auch der Blick auf die früheren Verfasser der
Literaturgeschichten gewährt sein.
Aus antiquarischem Bestande erworben, überbrachte mir einer meiner Freunde eine
Literaturgeschichte, von deren Rechtschreibung ich auf das erste Jahrzehnt des 20.
Jahrhunderts schließe. Es fehlen die ersten Seiten, so bleiben der Verfasser, der Verlag und
das Jahr dieser Auflage unbekannt.
Mit erstaunlicher Treffsicherheit formt der Autor die historische Einsicht in die Denkweise
der namentlich Großen und auch in die ihrer „Satelliten“, ohne deren Eigenständigkeit im
Schaffen zu mindern – er wahrt deren Verhältnismäßigkeit ihrer Wirkung untereinander und
die Objektivität in der Wertung ihres Charakters. Die „völkische Gesinnung“, die
„vaterländische Voreingenommen-heit“ sind hier nicht zu finden, auch die Bewertung
Schillers in seinem Verhältnis zur Freiheit findet uneingeschränktes Verständnis.
In der Besprechung der Dramen Lessings verwehrt der Autor keinen Augenblick die
Absicht, die Kunstfertigkeit und die Wirkung jenes Anliegens. Und so wird nicht der Leser
manipuliert, sondern ihm die Wertung zur letzten eigenen Entscheidung angetragen. Darum
ist es gut und billig, einen heiteren Blick auf seine Bewertung des „Nathan“ zu werfen, weil er
treffsicher die Charaktere des Nathan wie auch des Saladin auf die höchste Stufe der
Humanitätsgesinnung stellt. Und beider Umfeld zehrt davon, und das Wesen, das man darin
führt, kann die Sicht auf die großen Anliegen des Lebens nicht verengen. Dagegen meint der
Verfasser, Lessing habe die agierenden Vertreter der christlichen Gesinnung nur
unvollkommen und daher ungerecht gestaltet: Ihnen allen fehle die Vollkommenheit in der
Gesinnung, sie seien ihrem jeweiligen Denken verpflichtet und für sie auch zu gebrauchen –
mehr nicht.
Tempelherr, Klosterbruder, Daja und vor allem der Patriarch repräsentierten die christliche
Gesinnung nur ausschnittweise, in der Wirkung mit Einschränkungen bzw. – im Falle des
Patriarchen – sogar negativ.
Die redliche Absicht, Lessings Streben nach Ausgleich aller drei Ringträger-Eigenschaften als
gelungen zu bestätigen, wird also getrübt. Und doch muss der Kundige schmunzeln. Denn wir
übersehen den christlichen Schaffenserfolg des Dichters selbst, der als der Erfinder des
Dramas und dessen Anliegen die Fäden wohl geordnet in Händen hält. Allerdings verbietet
die Bescheidenheit, den Blick des dramatisch einbezogenen Betrachters auf Lessing selbst zu
lenken. Um die Lücke jetzt zu schließen und um der edlen Drei willen der Wink: Seid
unbesorgt: Man kennt sich – auf Augenhöhe um der Gerechtigkeit willen - und im Herzen –
um der Herkunft willen!
Erläuterung 2:
Man behauptet, im „Nathan“ habe sich Lessing mit den 3 großen „Weltreligionen“
auseinandergesetzt. Man verweist auf die Streitschriften mit unbedeutenden Theologen von
gesellschaftlichem Range, so dass man dem wahren Großen das Erwidern ver-bot.
Wir müssen diese Auffassung von der so eingeschränkten Bedeutung dieses Schauspieles wie folgt anzweifeln:
Es sind anfangs die drei konkurrierenden Konfessionen, die jedoch alle auf der Religion
Abrahams beruhen. Hieraus haben sie sich zu Konfessionen verfestigt und durch ihre
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normativen Hauptakteure Paulus und Mohammed zu Gesetzen, Gesittungen und Ritualen
verengt.
Aus Religion wird die Konfession abgeleitet und dogmatisiert, erhält somit ihren
Verbindlichkeitscharakter und kann nun als Waffe gegen „Ungläubige“ jeder Zweiflerart
erfolgreich über Jahrhunderte geführt werden. Als der „einzig wahre Glaube“ wächst sich
diese politische Aggressionsform zum Expansionsprogramm gegen Unterlegene aus. Als
„begründetes Glaubenskonzept“ toben sich dessen Vollstrecker in der Geschichte der Völker
weidlich aus. Die blutige Spur ihres „Wirkens“ bewundern die Historiker in immer neuen
Auflagen ihrer Traktate.
Die vierte große Glaubensrichtung gerät dabei aus dem Blickfelde. In der Gestalt Al Hafis
behält sich Lessing die Autonomie des konfessionslos Gläubigen zurück, die ihre
Humanitätsgesinnung niemandem unterstellen wird und sich aller Ämter und Würden
entledigt, um in der Reinigung im Ganges von schädlichen Gesinnungen frei werden zu
können.
Für Lessing ist der Ganges das Mittel der Dichtkunst, das Drama der Blick in den
Wasserspiegel. Er ist Al Hafi gleich – der eigentliche Erkenntnisgeprägte, der nichts fordert,
sich keiner Hierarchie unterstellt, ein getreues Kind der Schöpfung auch ohne Ring: - und Al
Hafi Lessings wachsamer Bruder, beide also von unsterblicher Bedeutung!
Überschrift
Oberstadtgass (in Zürichs Altstadt)
Vorbemerkungen
Ein Kritiker beurteilt diesen Film aus dem Jahre 1956 als „idyllisch, prüde, leicht
melodramatisch“, ein „gefällig verschönertes Spiegelbild“ (des) „Alltags“! Wir widerlegen:
Die Idylle beginnt mit dem Schandmaul Brander, das jeden durch die Zähne zieht, und die
Nippenburger Honoratioren als Claqueure, die sich gegenseitig moralisch täglich scannen und
kein „Geschwätz“ wollen.
Prüde ist hier niemand: Nirgend sucht der Regisseur schlüpfrig zu werden, also hat er nichts
zu verstecken!
Melodramatisch heißt, das Schauspiel werde musikalisch „untermalt“. Der VorspannSchlager ist jedoch eine Falle, und seine Botschaft: „Abschied von der Gasse“ bildet den
cantus firmus zu allem, was an Bigotterie, Klatschsucht, Heuchelei, schamloser
Verlogenheit, Unbarmherzigkeit, Isolation, Rufmord und Diffamierung wahrer
Menschlichkeit sich darüber hinweg variatiantenreich entwickelt. Daneben ist menschliche
Wärme nur wenigen gegeben; Mäni will vom Dach springen, eine junge Frau zerbricht an der
Teilnahmslosigkeit ihrer Nachbarn und will sich das Leben nehmen – eine herzerfrischende
Idylle Nippenburgs, ganz nach dem Sinne Wilhelm Raabes, und sein Johannes, sein Abu
Telfan feiern hier traurige Auferstehung! Meine Empfehlung an die Kritiker: Nehmt im Kino
gelegentlich die Popkorn-Tüte vom Kopfe: Ihr tut den Leuten bitter Unrecht
Das Werk
Der 12-jähriger Mäni muss sich von den anderen Kindern gefallen lassen, dass diese ihn
wegen der Tätigkeit seiner Mutter verhöhnen. Er ist der Klobengel, und die Urteile über seine
teilweise heftige Notwehr gegen den Hass werden von den Erwachsenen stets auf den
Höhepunkt getrieben: „Der Strolch gehört in ein Fürsorgeheim“.
Dem beherzten Briefträger Albert Jucker fällt das Gemüt und die Verzweiflung des so
verfolgten Knaben auf, er müht sich um dessen Vertrauen und setzt schließlich die
Vormundschaft durch. Als die Mutter des Jungen dann überraschend stirbt, nimmt der
Briefträger gegen den Willen seiner Frau die Waise bei sich auf.
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Immer heftiger versetzt sich die Ziehmutter gegen ihren Mann und den Jungen in Rage. Als
man das Kind dann zum Lügner zu stempeln versucht, flieht der Knabe, um nicht dem
Ehepaare im Wege zu stehen, denn die Frau hat inzwischen ihren Mann verlassen. Als nun die
Suche nach dem Kinde beginnt, wacht die hartherzig Verschlossene endlich auf, kehrt zu
ihrem Manne zurück und nimmt den Jungen in die Fami-lie auf – unerwartet - fast zu schön!
Die Handlung spielt in der Altstadt Zürichs in Schwarz/weiß-Fassung, aber nicht in einer Zeit,
in der das Wünschen noch etwas geholfen hat.
Der ethische Aspekt
Der Film beeindruckt durch die unmissverständlich agierenden Charaktere, deren
Unterschiedlichkeit optisch wie auch handelnd sehr ins Auge fällt. Kein Blatt wird vor den
Mund genommen, um die Welt der Erwachsenen in ihrer Begegnung mit Kindern wie mit
ihresgleichen ans Licht zu bringen. Klatsch und hämischer Tratsch, Vorurteile, Ruppigkeit,
Gedankenlosigkeit, mangelndes Taktgefühl und Sparsamkeit als höchste Krämertugend
bestimmen die Absichten der Personen um das Leben dieses Waisenjungen. Rücksichtslos
wird gegen das Kind Stellung bezogen, aber ebenso freimütig erklärt eine ehemalige,
inzwischen erwachsene Waise, was die Folgen solcher unbarmherziger Herumschubserei für
ein Kind seien. Auch dieser junge Mann, der Kunsthonig herstellt und ihn als noch besser als
echten Bienenhonig an-preist, lässt den Knaben zunächst eine Schuld abarbeiten. Aber der so
zurückerstattete Schaden an Kleidung und zerbrochenem Glase wird der Pflegemutter
überreicht, damit der Junge dafür etwas Nützliches bekommen solle. Das wird auch
begründet, und Frau Jucker, die schon mit dem Koffer den noch arbeitenden Knaben aus dem
Laden fort zu einer anderen Pflegefamilie bringen will, kann zunächst umgestimmt werden,
stellt aber dann doch ihren Mann vor die Entscheidung: Entweder sie oder der Knabe müssen
fort! Der emotionale Hintergrund erklärt vielleicht, warum sie Mäni nicht will: Er soll nicht
an die Stelle ihres verstorbenen Sohnes Albert treten dürfen!
Der schöpferische Vollzug
Um diesen Briefträger ist es dem Drehbuche besonders zu tun. (Wir erleben die
Synchronstimme Jean Gabins, und auch dessen Statur und Ähnlichkeit sind hervorragend
getroffen). Dieser Schweizer Beamte hat Augen und Herz für die Nöte anderer offen, und so
verschenkt er die gerade gekaufte, für seine stets nörgelnde Frau bestimmte Schokolade einer
jungen Frau, deren Todesverzweiflung er spürt und die er zu trösten versucht. Und als die
Mutter des Knaben plötzlich stirbt, öffnet er ihm die Tür zu seiner Welt, kann ihn aber nicht
vor der schroffen, ungnädig abweisenden und zänkischen Frau schützen, die alle
Annäherungen des Kindes, verbittert, im verbissenen Gedenken ihres siebenjährig
verstorbenen Albert, zurückweist.
Drei Personen erweisen sich als charakterfest und treu in der Sache: Der Briefträger selbst,
der Kunsthonig-Hersteller und der Knabe, der alle Ablehnung erträgt, begreift und sich nur
bei akuten Attacken zur Wehr setzt, der aber nicht aus Gefälligkeit oder berechnender
Vorsicht eine ihm angelastete Schmach auf sich nimmt oder seine heftige Notwehr
entschuldigte. Als er erkennen muss, dass es heißt: Erwachsene haben immer recht – Kinder
phantasieren bzw. lügen eben -, verlässt der Junge die Einladung zu leben, wie schon zu
Beginn des Films, als er vom Dach springen will und vom Polizisten mühsam vor dem
rachsüchtigen Prokuristen einer ortsansässigen Firma in Schutz genommen wird. Erst aus
dieser Krise nehmen ihn beide Juckers zu sich. - Kinder zu sich nehmen oder fortjagen – man
muss sich schon entscheiden! –
„Was ihr einem meiner Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan!“ Sie erinnern sich?
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Überschrift
Radio Flyer
Das Werk
Der erwachsene Mike erzählt seinen beiden Söhnen aus seiner Kindheit, weil es um das
Problem eines zu haltenden Versprechens geht. Auf ihm baut sich Vertrauen auf, die
Grundlage jeder sozialen Zelle, und sie wird zerstört, wenn das Vertrauen, also hier das
Versprechen, gebrochen wird.
Mike erzählt von sich und seinem jüngeren Bruder Bobby, die mit ihrer pädagogisch hilflosen Mutter Ende der 60-er nach Kalifornien ziehen. Den Stiefvater, den die Jungen bekommen, erkennen sie bald als Säufer und Schläger, einen Feigling, der sich nicht an Mike,
sondern den viel schutzbedürftigeren Bobby vergreift. Als die Misshandlungen immer
schlimmer werden und weil die Jungen nicht der Mutter ihr „Glück“ mit „King“ zerstören
wollen, beschließen sie die Flucht des kleinen Bobby in einem selbstgebau-ten Fluggerät. Die
Flucht gelingt, Bobby lebt in einer imaginär tolerierten Ferne und wird später einmal Flieger –
wenn er es nicht schon ist.
Der ethische Aspekt
Mike bekundet von seinem Bruder Bobby, der habe einen Blick in die Weite gehabt, den er
als das Wissen um etwas empfand, was ihm Bobby voraus hatte. Der ältere leidet mit dem
jüngeren Bruder, und die Liebe zu einer hilflosen Mutter wird immer opferwilliger, je näher
Bobby den Zeitpunkt kommen sieht, eine Entscheidung treffen zu können, um sein Martyrium
ein für alle Male beenden zu können.
Der Sherriff will helfen, kommt aber an der Geheimnis der Jungen nicht sofort heran. Ein
vorübergehender Gefängnisaufenthalt des Schlägers bringt gar nichts. Wir sehen die klare
Parallele zu „Das Glücksprin-zip“, wo der Lehrer die Mutter unseres jungen Helden
vergeblich warnt, schon deshalb interveniert, weil er die Frau nicht nur liebt, sondern die
Säufermentalität am eigenen Leibe durch seinen Vater erfahren hat.
Mutter Mary ist nicht bereit, ihre Jungen zu schützen. Der einzige verlässliche Freund ist
Shane, der Schäferhund, der sich schützend vor das Geheimnis der Kinder stellt und den
Gewalttätigen sogar angreift. Einen Mordanschlag übersteht das Tier. Aber als Bobby
abheben will, versucht „King“ die Jungen aufzuhalten. Shane, der Bobby hätte begleiten und
fortan beschützen sollen, greift den Prügelnden an und rettet so den Flüchtenden. Und Mike
hat ihn darin unterstützt, obwohl er den Bruder nicht gehen lassen möchte – die Aussicht auf
ein Ende der Qualen für den Kleinen lässt ihn über sich hinauswachsen.
Der schöpferische Vollzug
Bobby teilt das Schicksal all jener seherisch hochbegabten Kinder, die auf Triebtäter eine
faszinierende Anziehung ausüben und bevorzugte Opfer der Gewalttäter sind. Es stimmt
nicht, dass – laut einer Rezension – die Kinder sich in eine „Traumwelt“ (?) geflüchtet hätten.
Das ist normativer Jargon und Blödsinn. Mike, der Vater, erklärt seinen Kindern, welche 7
Fähigkeiten das Kindsein ausmachen, und um die Monster und anderen Störenfriede
bekämpfen zu können, bestellen sie sich ein Rezept für eine Suppe, die sie allerdings im
Schnellkochtopf nicht mehr unter Kontrolle bekommen. Die Auswirkungen bleiben zum
Glück verborgen. Aber es ist symbolisch der Versuch, das Monster King aus ihrem Leben zu
bannen. Während Mike erfinderisch Auswege sucht, hat Bobby den Blick über die dritte und
vierte Dimension längst geweitet und erfasst das Ende aller Ursache, die er in sich selbst
zunächst verkörpert sieht, die ihm aber in der Brutalität des Stiefvaters unüberwindbar
erscheint und der er sich durch die Flucht entziehen möchte.
Es ist also nicht der Weg nach innen, die Resignation, sondern das Streben nach befreiender
Höhe, die den Knaben drängt, aus dem Hier und Jetzt der zerstörerischen Willkür eines
Gewalttätigen auszubrechen. Hätte die Mutter ihr Versprechen, für ihre Kinder immer
schützend da zu sein, gehalten, hätte Bobby sein zu Hause in ihren Armen gehabt. Aber der
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Oberflächlichkeit ihres Wesens will er nicht ausgeliefert bleiben. So hilft der Bruder zur
Freiheit.
Viele Kinder haben die Flucht vor den Erwachsenen gewagt, die meisten verloren. Bobby ist
weg, aber er hat sich in seine Zukunft gerettet. Wie die aussehen mag, erfahren wir durch
Andeutungen und durch eine Postkarte, die Bobby von seinem neuen zu Hause schickt. Von
dort kann ihn niemand zurück in sein Elend holen. Das ist die erschreckend tröstliche
Botschaft dieses Films
Überschrift:
Saint Ralph – ich will laufen, ich will ein Wunder
Vorbemerkungen
Der theologische Hintergrund für das Internatleben ist auf kanadischem Boden der irische
Katholizismus. Es huselt die Konfession insgesamt in allen Bereichen des Gewissens herum,
setzt ihre Duftmarken und bektritzelt die Wände zarten Lebens mit dogmatischen Parolen.
Die meisten Menschen mühen sich den Rest ihres Lebens, sie wieder abzukratzen und die
verunreinigten stillen Winkel zu säubern.
Ralphs Entscheidungen sind elementar gewachsen und aus der Leibesmitte gerechtfertigt. So
bleibt das Wunder auch Zeichen familiärer Mitte, Freunde und Förderer eingeschlossen.
Zelebrieren lässt sich das nicht. Das macht das Epos so unvergleichlich dramatisch und
impulsiv geglückt.
Das Werk
Der 14-jährige Ralph lebt in einem katholischen Internat und gilt als Nichtsnutz, den der
Schulleiter beständig zu reglementieren habe. Nur die Krankheit seiner Mutter hat den Jungen
bislang vor dem Hinauswurf bewahrt. – Ralph fingiert die Existenz seiner Großeltern und
lässt sich in deren Namen von seinem vertrautesten Freunde Chester notwendig werdende
Entschuldigungen ausfertigen.
In der Auseinandersetzung mit seiner Konfession mündet Ralphs lebhaftes Interesse für die
Genesung seiner Mutter in das Phänomen Wunder. Er beschließt, selbst eines zu vollbringen,
um dadurch seine Mutter aus dem Koma zu befreien, indem er aus sich einen Marathonläufer
trainieren möchte. Durch die Förderung seines qualifizierten Lehrers und die Ermutigungen
seiner Freunde wächst ihm die Kraft, sich für den Boston-Marathon zu qualifizieren, und als
er doch nur 2. wird, und obwohl das seine Mutter nicht sofort aus dem Koma befreit, hat sich
der Junge in der Schule als charakterlich und physisch stark offenbart und kann auf bleibende
Anerkennung rechnen.
Der ethische Aspekt
Siegen ist nicht alles! – ist der Wahlspruch unter den schöpferisch Sonderbegabten. Wenn
also ein Junge mit solcher Begabung die Qualen eines harten Trainings auf sich nimmt, muss
schon Großes dahinter wachsen.
Der Leistungssport lebt nur vom Wettkampf, vom ständigen Beweis, wie stark man ist und
wen man zu fürchten und wen hinter sich zu wissen hat.
Ralph setzt sich in der Achtung seiner Lehrer und Mitschüler, seiner Freunde und sogar
Gegner an die Spitze – verdientermaßen, weil er es nicht für sich will, sondern für die
Genesung seiner Mutter.
Es kann nur eine solche Ethik gelten, die ein Übermaß an Kräften herausfordert und die
normale Leistungsgrenze weit hinausschiebt. Dass Ralph nicht gesundheitliche Schäden
davonträgt, verdankt er seinem Lehrer, selbst einmal Läufer der Spitzenklasse gewesen, und
der Respekt vor ihm ist begründbar, nicht nur als hierarchische Pflicht eingefordert.
Sport bekommt durch den konfessionell-philosophischen Überbau sein Dach über dem Kopfe,
und ein blinder Heroismus, den man herbei-zaubern möchte, wütet in diesem Film nirgend.
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Das Wissen um Grenzen und Leistungsvermögen rechtfertigt das Maß an Anstrengung. Die
Absicht, die Begründung für die Entscheidung für dieses Training, ist die Ethik der Ehrfurcht
vor dem Leben der Mutter, die den Sohn motiviert, für sie aus sich selbst etwas Einzigartiges
zu machen. Das löst nicht einzuschränkende Bewunderung aus
Der schöpferische Vollzug
Jede Kraftanstrengung, die für das Wohl anderer nötig ist, drückt die Liebe zum Nächsten, die
Hingabe an das Leben des anderen aus, und dann ist der Sport nicht mehr Selbstzweck,
sondern ein bewundernswertes Mittel der Hilfestellung für den Schwachen.
Aus dem Sport die Ethik zu entwickeln, Hilfe bei Bedarf bereitstellen zu wollen, ist die Kraft,
die sich von den Tempeldienern eigener Körperlichkeit wohltuend abspaltet. Höhere
Leistung als Wohltat für jene, die das nicht erreichen können, veredelt den Sport als Auftrag
an den Nächsten.
Was sich der 14-jährige Erwachte abverlangt, wohl auch unter kompetenter Anleitung, macht
aus dem Entdecken des bloßen Heranwachsens einen mutig Entschiedenen, den nichts mehr
aufhalten kann und der sich Opfer abverlangt, deren Erfolge auch den anderen zukommen
werden Diese Erkenntnis, die mit der Szene ihren Höhepunkt erreicht, dass die Mutter am
Ende doch aus dem Koma erwacht, bringt einen Geist besonderer Erneuerung in die staubigen
Gemächer konservativistischer Gesinnungshärte.
Was nun die Konfession darin bewirken konnte, lässt sich durch die Brille der Lehrmeinung
wenig erläutern. In dem Jungen selbst rebelliert das Ringen um Erkenntnis gegen das Prinzip
dogmatischer Verschleierungstaktik. Der Wille Gottes hängt in seiner Erkennbarkeit vom
jeweilig klerikal verhängten Bilde des Göttlichen ab, und so bleiben Ralph Gebet und
Reinheit zwei wenig verlockende Krücken, um sich die Eintrittskarte in die Welt der Wunder
kaufen zu können. Letzlich entscheidet sein Gewissen, das sich durch niemanden die
Wahrheit verbieten lässt. Und das eben ist Schöpferwille.
Überschrift:
Schlaflos in Seattle – in der Parallele zu dem deutschen Filmwerk „Ein Sommer mit Paul“
(TV-Ausstrahlung)
Vorbemerkungen
Filme, die mit neuen Regie-Mitteln arbeiten, werden von normativen Einfaltspinseln zu gern
kopiert, werden Merksätze auf ähnlich scheinende Fälle angewandt. So ist man heute nicht
mehr nur in Seattle schlaflos, sondern in jedem Kuhdorf, wo man schon wegen des
Provinzialismus ins Koma fallen sollte, können die reaktionären Gemüter nicht mehr ruhig
schlafen. Man spricht auch vom Missbrauch künstlerischer Mittel, aber bei dem allgemeinen
Ideen-Diebstahl und den professionellen Berufslügereien sollte das nicht mehr erschrecken.
Wurde in einem exzellenten Filmkunstwerk das Piano szenisch sorgfältig integriert, klimpert
es heute tv-gekapert; hat man elektronisch passende Reizklangfolgen dezent als dramatisches
Mittel aufbauend verwandt, sind heute die Szenen mit belanglosem Geräuschmüll versalzen
und entwerten schauspielerisches Können. Hier aber sind wir am Original des
Erfindungsreichtums, der Originalität und der subtilen Dramatik – sehen wir mal von dem
Geschrei einer Art Musical-Verschnittes ab.
Das Werk
Sam hat seine Frau, Jonah seine Mutter verloren. Der Sohn muss zusehen, wie sich der Vater
durch Arbeit und Termine zu betäuben versucht. Also ruft er zu Weihnachten eine RundfunkBeratungspsychologin an. Während US-Amerika Zeuge dieses Trialoges wird, lauscht eine
(anderweitig sehr verliebte) Frau im Auto der Sendung. Sie kann sich dem Problem nicht
mehr entziehen: Die Stimme des Vaters, die beherzte Aktivität des Achtjährigen und die
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geschickten Fragen der Psychologin bestimmen die Gedanken einer Frau, die im Begriffe
steht, einen netten Mann zu heiraten.
Je mehr sie in „den Fall“ verwickelt wird, desto stärker belastet sie die Zerrissenheit ihrer
Gefühle. Endlich ver-abredet Jonah mit Hilfe seiner ebenso klugen wie rigorosen Freundin
mit Annie einen Treffpunkt in New York, und hier laufen die Linien von Baltimore und
Seattle zusammen. Auf dem Empire-State-Building hätte man sich fast verfehlt: Es ist Jonahs
vergessener Rucksack, der die drei endlich zusammenführt – mit Teddy Howard im Gepäck.
So etwas vergisst man nicht!
Der ethische Aspekt
Die Parallele zu dem wesentlich jüngeren Filmwerk „Ein Sommer mit Paul“ wird deutlich:
Zwei Männer, zwei Söhne vermissen Frau bzw. Mutter, und die Kinder verarbeiten beide den
Verlust. Die Väter werden gedrängt, etwas zu tun. Sie sind schließlich die Erwachsenen, sie
tragen die Verantwortung, und doch sind es die Söhne, die die Entscheidungen für die
Zukunft einleiten.
In beiden Filmen spielen die Freundinnen der Jungen wichtige Rollen. Sie spannen Brücken,
die den glück-lichen Fortgang des Dramas ermöglichen bzw. beschleunigen.
Es ist eine hommage an Kinder, die nicht zusehen wollen, wie ihnen die Väter entgleiten. Und
es würdigt die Väter, die lernen können, zunehmend die Signale ihrer Kinder wahr- und damit
ernstzunehmen.
Zaudern die Erwachsenen, folgen die Kinder konsequent der von ihnen aufgenommenen Spur.
Es ist ihr beson-deres Begabungspotential, das ihnen Kraft verleiht, gegen die scheinbar
verfahrene Einstellung der „Großen“ konstruktiv und schöpferisch, also handelnd wie
idealorientiert, das Anliegen der jeweiligen Familie zum Erfolg zu führen. Es gibt keinen
Grund zu verzweifeln, heißt ihre Botschaft. Sie gilt.
Der schöpferische Vollzug
Geht es dem 9-jährigen Paul um die Rückgewinnung seines Vaters und dessen Rettung vor
dem psychischen Aus, versucht der 8-jährige Jonah, zwei Menschen aufeinander zuzuführen,
von denen er weiß, dass sie füreinander bestimmt sind. (Zunächst rätseln die Erwachsenen um
den Begriff „Magie“ und das Umeinander zweier Unterbewusstseinsneurosen – die Kinder
kennen sich da wohl etwas souveräner aus!).
Jessica ist ihm dafür Inspiration, Impulsgeberin und Freundin in der Not, ebenso von ihrem
Einsatz überzeugt wie Jonah von dem seinen. Sie bestärkt ihren Freund in dem Gefühl, sich
auf die Kosmischen Kräfte berufen zu können. Ihnen arbeiten Annie und Sam, sein Vater, in
geteilter Auffassung zu, obwohl der Vater es mit größtem Vorbehalt tut. Aber die junge Frau
aus Baltimore akzeptiert die ihr sich offenbarenden Zeichen, und es ist völlig klar, dass sie
und Jonah auf gleicher Wellenlänge senden und empfangen. Das ist eine Brücke, die der
Vater am Ende wie selbstverständlich gehen kann. Ihm ist zudem nicht entgangen, welche
Faszination von dieser jungen Frau ausgeht, als er ihr, ohne sie zu kennen, im Flughafen
erstmalig in die Augen schaut und sie später auf der Straße begrüßt und sie derart verwirrt,
dass sie auf den Verkehr nicht mehr achten kann.
Paul, der seinen Vater aus dem Loch herausholen will, in welchem seine Trauer ihn gefangen
hält, hat mit seiner Freundin Emma eine starke bis kühne Partnerin, die sich wie
selbstverständlich auf das Abenteuer einzulassen weiß: Wie rettet man einen Verzweifelten? –
Alle Kinder erfahren die Wirkung, die von ihnen ausgeht, und sie sind dankbar und glücklich.
Nicht viele wissen, warum! Das möchten die zwei Film-Dramen ausbreiten und vor Augen
führen.
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Überschrift
Mein großer Freund Shane – ein Taugenichts?
Vorbemerkungen
Im Stile eines bekannten Filmlexikons wird Shane als ein Taugenichts und Revolverheld
eingeführt, der am Ende erkennen musste, dass er sein Leben zu ändern habe.
Wer das als Inhalt eines solchen Filme gesehen haben will, sollte sich lieber die
Zappelmalfilme im Trickkanal des Fernsehens „reinziehen“!
Shane erscheint als zurückhaltender Mann, der sich dafür entschuldigt, dass er, ohne gefragt
zu haben, über fremdes Land seines Weges ziehe. Er ist gegenüber der Frau höflich und
erstaunlich verständnisvoll für Joeys Fragen, die er gern beantwortet und sich erst als
waffengeübt entpuppt, als der Junge den Hahn seines Gewehres unvermittelt spannt. Shane
hält sich zunächst aus allen nachbarlichen Besprechungen heraus, erledigt seine Aufgaben auf
dem Hofe ausgezeichnet, weicht zunächst den Stänkereien der Cowboys des Viehzüchters
aus, bezieht aber dann klar Stellung und schlägt zurück, als es nicht anders geht.
In dieser Frage und auch in der respektvollen Umgangsform mit Joeys Mutter erkennt man
nicht die Lebensform eines Taugenichts oder eines Schlitzohres, wie wir es in einer Rolle mit
Dean Martin hätten erleben können. Shane will seine Vergangenheit und die Sparten seiner
Auseinandersetzungen hinter sich lassen. Dass es nicht gelingt, dafür aber sein Kampf die
Interessen der Farmer entscheiden kann, macht ihn zu einem sympathischen Menschen, den
man ungern gehen lässt. Der Mentalität der Gesundbeter und Konfliktignoranten dient dieser
Film keinesfalls. Es ist ein Film für Menschen, die sich ermutigen lassen sollten, wo die
„Gesellschaft“ versagt.
Das Werk
Auf dem Anwesen eines Farmers, eines „Kuhbauern“, taucht eines Tages ein Mann auf, der
wie ein Trapper gekleidet ist und einen Trunk Wasser gern annimmt. Der kleine Sohn Joey
hat schnell herausgefunden, dass sich hinter diesem zurückhaltenden Menschen jemand mit
unbekannten Fähigkeiten verbirgt, durch die man als Mann überleben können wird.
Obwohl sich sein Vater mit den wenigen Nachbarn gegen die Schikanen eines
landräuberischen Rinderzüchters erfolgreich zur Wehr setzen konnte, wird die Luft zum
störungsfreien Überleben für die Farmer immer enger.
In diesen schwelenden Konflikt wird Shane, der Fremde mit dem raschen Revolverzugriff,
eingespannt, und er schlägt sich auf die Seite der Attackierten, bis es zum Eklat kommt. In
seinen Fähigkeiten noch immer geübt, kann Shane den angeheuerten Revolverhelden und
dessen Auftraggeber für immer ausschalten. Sein Versuch, ein „normales“ Leben führen zu
können, ist diesmal vereitelt; die Verpflichtung, sich auf die Seite des Rechtes zu schlagen,
hat ihn zum Vollstrecker der Ordnung werden lassen, weil der Staat niemanden dafür hatte
einsetzen können.
Der ethische Aspekt
Wir erleben einen wehrhaften Farmer, dessen Frau, auf die Shane, ohne es zu wollen, großen
Eindruck macht und die gerne die Probleme an den Grenzen ihres Anwesens hätte liegen
lassen, und einen jungen Bewunderer, den kleinen Joey, der seinem Vater nacheifert und in
Shane einen bewundernswürdigen Verbündeten seines Elternhauses erlebt.
Während der Vater ihn nicht daran hindert, an dem Fremden, der auf der Farm eine wichtige
Hilfe geworden ist, sein Vorbild zu suchen, ist die Mutter bemüht, die Distanz zwischen
ihrem Sohne und Shane aufrecht zu erhalten, weil, wie sie sagt, dieser eines Tages wieder
werden gehen müssen, und dann sei für den Jungen der Abschied doch sehr schmerzhaft. In
Wahrheit glaubt sie an den Frieden, wenn man ihn nur intensiv genug will und die Konflikte
ignoriert, solange sie einem nicht vor die Füße geworfen werden, dass man über sie stolpern
muss.
Es ist am Ende Joey, der Shane in die „Stadt“, der Ansammlung von Bruchbuden, folgt und
den Kampf seines Freundes gegen den vom Rinderbaron angeheuerten Killer und dessen
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Auftraggeber verfolgt. Als Shane den vermeintlich letzten Verbrecher fast übersehen hätte,
warnt der Kleine vom Eingange des Saloons, und Shane überlebt.
Der schöpferische Vollzug
Wer sich in Gefahr begibt, sagt ein Sprichwort, komme darin um. Das ist der Wahlspruch für
notorische Hasenfüße, die jedem Konflikt dadurch entgehen, indem sie ihm rechtzeitig
ausweichen, aber andere die Ka-stanien aus dem Feuer holen lassen.
Joey eifert seinem Vater nach, weil er erlebt, dass dieser ihn in seinem learning by doing
unterstützt, während die Mutter bei allen Kernfragen, denen der Sohn zielsicher auf den
Grund geht, dem Kinde über den Mund fährt und ihn regelmäßig in die Orientierungs- wie
Tatenlosigkeit, also ins Bett und zum Schlafen, schickt. Doch der Kleine hat wache Augen
und übt sich an den Herausforderungen seines natürlichen Umfeldes, und als er den Konflikt
zwischen Viehzüchtern und den befreundeten Farmern erfasst hat, bezieht er klare Stellung
und lässt sich nicht seine Urteilsfähigkeit abkaufen.
In Shane findet Joey die Bestätigung seines Vaters und dessen unbeugsamem Willen, und
somit muss sich der Junge nicht zwischen „Held“ und Interessenskämpfer entscheiden. Sein
Vater macht klar, was ihm dieser Kampf bedeutet, und Shane ist fest entschlossen, ihn darin
zu stützen: Der Viehzüchter denkt nur an sich. Der Farmer wie er und seine Freunde
erwirtschaften sich ihr Anwesen, ihr Lebensrecht für die folgenden Generationen, und was sie
jetzt verteidigen, garantiert ihren Nachkommen die Heimat, um die es sich zu kämpfen
offensichtlich gelohnt haben wird. Die ethischen Ziele sind klar in der Konfrontation zu
blanker Macht- und Kapitalgier, die moralischen Gründe stehen über der Frage nach dem
bloßen Nutzen. Als Shane sein Befreiungswerk vollendet hat, geht er zwar fort, gibt aber Joey
die Gewissheit ins Herz, dass er, wie seine Eltern, einer guten Sache die-nen. So wird Joey
lernen, ohne den großen Freund an seiner Seite seinen Platz zu behaupten, aber er weiß jetzt
um so sicherer, wo der ist. Dennoch wird ihm der väterliche Freund zukünftig fehlen, und das
schmerzt.
Überschrift
Das wundersame Leben des Timothee Green
Vorbemerkungen
Zunächst stellen wir klar, dass es nicht das Leben von, sondern des Timothee Green ist, um so
eher, als es ihm für nur einen Sommer geschenkt worden ist, seine Zeichen zu setzen und
„weiterzugehen“, wie er seinen Eltern sagt.
Hochgepriesen von den Gestaltern des Covers und der „Rezensenten“ stehen Jennifer Garner
und Joel Edgerton in diesem „magischen Gefühlskino“, das dazu auch noch inspirieren soll –
worin, wird nicht verraten. Wir kennen den Jargon der professionellen Hilflosigkeit. Die
Erwachsenen spielen den uns bekannten Durchschnittsbürger, die Kinder werden mit
Wunschbegabungen und –karriereanwartschaft ausgestattet, und schon geht das Auszaunen
der „Elternkonkurrenz“ in die Eselsrunden.
Das Ehepaar wünscht sich ein Kind und schreibt Wunschzettel, wie es einmal werden soll,
hätte man nur eines – und vergräbt diese Zettel in einer Holzkiste im Garten. Die Frage erhebt
sich nun: Was wird geschehen, wenn ein Kind geboren würde, das alle Tugenden, nicht aber
die Laster dieser Erde mit uns zu teilen berufen ist? Und es gibt zwei solcher Kinder, die sich
rasch als identisch identifizieren und ab da unzertrennlich sind – was bei Genies eigentlich
vorausgesetzt sein müsste.
Es ist der Film vom Anderssein, vom Außenseiter, der zu gerne Frieden stiften möchte und
ebenso gern herumgestoßen wird, „weil das ist ja ´n Warmduscher!“
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Das Werk
Abseits aller Logik der Behördeneingriffe findet sich dieser Timothee während eines heftigen
Gewitterregens aufgerufen, von der Wunschzettel-Kiste aus in das Leben seiner Wahleltern
zu treten. Einziges Indiz seiner Herkunft sind die aus den Unterschenkeln wachsenden Blätter,
die sich auch nicht „wegkorrigieren“ lassen. Da es sich bei den Eltern-Schauspielern um
Normative handelt, kann es nur die Liebe zu einem Kinde sein, das sie zur Akzeptanz dieses
Wunders verpflichtet. Es ist nicht für den Kampf, nicht für den Sport geschaffen, verachtet die
Konfrontation und sucht den Ausgleich unter den Gegensätzen. So kommt es, wie bei allen
Eltern gegenüber der Schule, zur Frage, ob das Kind sich nun anzupassen habe, was es nicht
will, oder ob man es in seiner „Entwicklung“ in Ruhe lässt. Und Timothee ordnet die
Lebensansichten seiner Skeptiker, hält sich ihnen gegenüber offen und bemerkt zugleich, dass
die Blätter seiner ihm bemessenen Zeit zu welken beginnen. Er wirft sie nicht heimlich fort,
sondern verschenkt sie an jene Menschen, die ihm während dieser „Saison“ ins Leben
getreten sind. (Alle Kinder, die uns verlassen, hinterlegen ihre Botschaften...).
Um das richtig zu begreifen, sollte man den Ungläubigen den Besuch eines Kinderhospizes
empfehlen. Es verbietet sich jeder Kommentar.
Der ethische Aspekt
Selbstverständlich ist die Frage der Ethik nebensächlich, wenn es darum geht, das
Entscheidungstor zu schießen, und weil dieses Kämpfen um „Rum und Ärre“ lächerlich ist,
trifft der auf das Feld gedrängte Timothee das eigene Tor – und entscheidet somit den Sieg für
den „Gegner“. Das baut doch auf!
Die zweite Frage ist die der Ehrlichkeit. Seine Mutter zerschlägt den Knoten, weil Timothee
das Bild ihrer „Chefin“ mit allen Details zeichnet – meisterhaft und somit deutlich genug, und
prompt wird Mama somit gekündigt. Die Eltern stehen zu dem Jungen. Das ist gegen jede
Diplomatie und schon heldenhaft, will man das rechte Handeln seines Kindes verteidigen.
Wir finden hier so etwas wie eine Identifikation der Eltern mit der ethischen Sichtweise ihres
Kindes auf voller Länge, und hier liegt der Schlüssel dieses „magischen Zauberfilms als
Meerchen für die ganze Familie“: Erkennt das Wesen der Kinder, macht ihr Gewissen zu
eurer Richtschnur, und es stellt jedes so beteuernde Parteiprogramm locker in den Schatten.
Der schöpferische Vollzug
Timothee und seine Freundin sind als Schauspieler schöpferisch Begabte, spielen also auf
einer Erkenntnisebene, von der aus Timothee alle seine Entscheidungen trifft. Es mutet
eifersüchtig an, wenn das Action-Gestrampel der Erwachsenen an erster, C.J. Adams erst an
dritter Stelle genannt wird. Wir kennen das von den meisten Covern und sog. Rezensionen,
die die Schlüsselfunktion solcher Kinderdarsteller nicht begreifen und aus ihrem
hierarchischen Beschwörungszirkus nicht heraus wollen. Dieses Filmwerk ist natürlich voller
Symbolik und Metaphern, deshalb dieser Beschwörungsjargon von „Magie / Inspiration /
Gefühlsfülle / Zauberwelt / Märchen für Klein und Groß“. Es führt uns vor, wie wenig die
vorhandenen Talente, Begabungen und Neigungen der Kinder in das Klischeedenken
Normativer passen, wie man über ihre Köpfe hinweg mit ihren Leistungen „punkten“ möchte.
Die Disney-Produzenten sind nicht grausam: Wenn wir soweit mitleidend vorgedrungen sind,
darf eine Adoption nach Timothees Heimgang berechtigt sein – und wenn es auch ein
Mädchen ist: Kind ist Kind!
Erläuterung 1:
Symbolik ermöglicht Einsicht in scheinbar Unverständliches, indem man Bekanntes in den
Erwartungshorizont bringt und sodann mit dem akuten Geschehen verknüpfen lässt. Es sind
Zeichen, die man kennt, auch für etwas Vergleichbares anwendbar, was man nicht kennt.
Vergleichen heißt, man erkennt es, wie man schon anderes an seinen Merkmalen erkennen
würde.
Die Metapher erlaubt sich, dieses vergleichende „wie“ fortzulassen, und wir sagen nicht
mehr: Das wächst wie die Natur im Garten“, sondern: Die Natur des Knaben. Noch platter:
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Statt: „Er benimmt sich wie ein Straßenköter“ heißt es dann: Der Hund! Dass solche
Metaphern nicht zutreffen, muss dann eine genauere Beobachtung bestätigen. Hier also ein
Prüfbild des aus dem Nichts aufgetauchten Timo-thee Green auf einer „Party“ mit
Swimming-Pool: Die Freundin schaut ihm zu, das motiviert den Nichtschwimmer zum
Sprung in die Tiefe.
Das Herauswachsen deer Blätter am Fußansatze Timothees ist das Symbol für die Dauer
einer Saison, bis zum Herbst, wo die Blätter wieder welken und abgeworfen werden, wo die
Bäume sich in den Winterschlaf zurückziehen, wo das Kindsein endet. Timothee ist das
Grünen und Blühen in Person, und so bekommt der Begriff „Kind“ ganz richtig den Akzent:
„Das Vergängliche der Vollkommenheit“. Wir würden sogar soweit gehen zu sagen:
„Timothee: Der Tod der natürlichen Schöpfernähe!“ Das ist ein Bild, aber noch nicht
umfassend das wahre Geschick, die eigentliche Bedeutung dieses wundersamen Knaben
beschreibend. Seine Freundin trägt als Mädchen ein ähnliches Zeichen, ist somit adäquate
Bedeutungsträgerin und gehört auf gleiche Ebene dieser Analyse.
Es will das überprüfen und taucht – streift dem Jungen den Socken herunter....
Ein weiteres Symbol ist das mühsame Unterdrücken dieser Tatsache: Die Eltern mühen
sich, das wahre Wesen ihres Kindes geheim zu hal-ten, und verpflichten den Jungen, dem
zuzustimmen. Also nimmt der sein Los auf sich und versucht, darin seine Rolle auszufüllen.
Allen Kindern wird „aus erzieherischen Gründen“ nicht das eigentliche Wesen abgenommen
und gefördert, sondern eines interpretiert, das zu-meist tangiert, aber ganz selten trifft. So
vershweigt Timothee sein Dahinwelken, weil die Eltern es sowieso nicht verstehen.
Der Freundin, die seit ihrer Entdeckung zu ihm steht, deckt er seine Bedeutung auf und „lässt
sie gehen“ – mit zwei statt nur einem seiner verwelkten Abschiedsblätter. Beide fürchten
keine Konfrontation, sondern bieten der ihre Argumente, ohne sich von Kritik an ihrem
Wesen beeindrucken zu lassen. Es ist der lange Atem der Unvergänglichkeit, der noch
nachwirkt, wenn längst die Gräber geschlossen sind. Wer sol-chen Abschied übersteht, ohne
an sich selbst zu verzweifeln, sollte sich für eine Adoption bereit halten.
Ein drittes Symbol ist das wie aus dem Nichts und ohne Training abrufbare Wunder
künstlerischer Begabung – Timothee zeichnet, musisziert hervorragend, entwirft Ideen für
Neuerungen im Leben der Erwachsenen – wir erinnern uns des Films „Vitus“, und wir begreifen, wie nahe wir der sog. Realität schon sind. Hochbegabte erproben etwas, ob sie es
können und wieviel Mühe es kosten würde, darin die Meisterschaft zu erwerben. Wissen sie
es, legen sie es solange auf Eis, bis der Bedarf nötig wird. Das Lernen fällt ihnen zu: Bimsen
und Büffeln, die „Tugenden“ der normativen Erfolgsgierigen, erscheinen ihnen lächerlich.
Darin aber gleichen sich alle Kinder. Die Erwachsenen wissen es nur nicht, stellen Normen
und Hürden auf und erwarten den üblichen Gehorsam, denn sie erziehen ja – fördern tut die
Natur im Kinde! Sie gestattet den beständigen Rückgriff auf das Kosmische Wissen, das allen
Kreaturen offen steht, und bevor sie den Kontakt dorthin aberzogen bekommen, können sie
damit die schlimmen Jahre der Missdeutungen und Fehlverplanung überstehen. Nach
Timothee also jetzt ein Mädchen! Wir gratulieren den Eltern. Denn Jungen haben ein strebend
zielfassendes Wesen, Mädchen ein Rotationsdenken, das Gute zu erhalten und das Böse
abzuwehren. Es muss sie hart getroffen haben, wenn sie das aufgeben.
Aus dem Leben Timothees können die Eltern vieles übertragen und haben zugleich gelernt,
dass Kinder keine Litfass-Säulen elterlichen Ehrgeizes sein dürfen. Die Weite der zu
erfassenden Ziele haben sie gespürt; jetzt müssen sie die Kraft aufbringen, dem Gewissen der
neuen Tochter nichts auszureden.
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Überschrift
Tomboy – ein Problem oder nur hoch begabt?
Vorbemerkungen
Die Verfilmung eines Identitäts-Deutungsversuch eines Mädchens bedarf eines subtil
gestaltenden Drehbuches und entsprechenden schauspielerischen Talentes eines Kindes mit
dem Verständnis für diese nicht seltene Problematik. Die Regie hat es verstanden, die
unterschiedlichen Standpunkte und Auffassungen zu diesem Thema ausgesprochen feinfühlig
zu erfassen und in Handlung zu setzen. Großartig der Verzicht auf Parteinahme, meisterhaft
das Vorführen des Versagens der Mutter und der Hinnahmebereitschaft des Vaters, tröstend
die in Nähe beobachtende und geschwisterlich getreue kleinere Schwester! Vor allem
verzichtet man auf „Untermalung“ durch nichtssagendes Geklimper oder Geplärr, es wirken
die natürlichen Umgebungsgeräusche und stellen die emotionale Verbindung zwischen
Betroffenen und Zuschauern her.
Das Werk
Laure ist noch so jung, dass an ihr noch nichts das Mädchen verrät. Als sie mit der Familie in
ein neues Wohngebiet umzieht, erkennt sie rasch die unterlegene Rolle der Mädchen
gegenüber den bestimmenden „Junx“ mit ihren Verhaltensnormen, denen sich die
Schwächeren zu unterwerfen haben. Als Junge bedarf es wenig Tarnung, um das
Mädchenhafte zu überspielen, und Laure kann sogar Lisa täuschen, die sich als Freundin bei
der „Neuen“ verfügbar hält. Natürlich ist die Entdeckung nur eine Frage der Zeit, und die ist
erfüllt, als sich Laure, unter dem Pseudonym Michael, einen der Jungen vorknöpft, der die
kleine Schwester nicht in Ruhe lassen konnte. Jetzt schalten sich die Eltern des unterlegenen
Jungen ein, und nun gilt es, den Ruf der Familie in mehrfacher Hinsicht zu retten, und da wird
die hochschwangere Mutter zur Furie und zwingt die Tochter zum Spießrutenlaufen, um ihr
jeden Rückzug in die Jungenrolle als Michael abzuschneiden.
Der ethische Aspekt
Wenn Eltern inzwischen zugeben, dass sie nicht „vollkommen“ in ihrer Erziehung ihrer
Kinder sind, ist das nicht das Eingeständnis der Kapitulation, sondern man brüstet sich keck
damit, dass man das ja wohl tun dürfe, dass es einem Laien doch zuzubilligen sei, wenn ihm
mal „die Hand ausrutscht“ oder ähnliche „Rosskur“, die sie mit ihren Kindern anstellen, um
ihren Ruf als „ordentliche Familie“ zu verteidigen. Dabei ist das Los der Kinder nur noch
einen Dreck wert. Wir erleben die Mutter, die sich in rücksichtsloser Aburteilung gegen ihre
Tochter stellt und sie zwingt, sich dem Gespött auszuliefern, wohl darauf verweisend, dass ihr
keine andere Lösung zu Gebote stehe, ob denn Laure eine habe – und die schweigt – ich
möchte nicht beschreiben müssen, was in diesem Kinde vorgegangen ist!
Keine Rückfragen auf Motiv und psychischer Voraussetzung, sich als Junge zu tarnen, kein
Funken Verständnis für die möglichen Gründe, wenn ein Kind sich einen Fluchtweg in das
Incognito wählt – das alles zählt nichts gegenüber der Blamage, ein Kind besitzen zu müssen,
das die Eltern so in das öffentliche Gespött zieht….
Der schöpferische Vollzug
Die Charakterbeschaffenheit des Mädchens ist alles andere als besorgniserregend: Wir haben
einen stillen Kern und den physisch bedingten Durchsetzungswillen, um überleben zu
können, einen starken Sinn für das Familienleben. Aber der Vater bemerkt, dass Laure in
seiner Gegenwart plötzlich wieder den Daumen in den Mund steckt, und er erkennt, dass
seine Tochter psychisch stark belastet ist. Aber er stellt keine bohrenden Fragen, er nimmt
sein Kind in die Arme und wiegt es minutenlang schweigend und mit Hingabe, und Laure hat
ihren Ankerplatz. Und als es herauskommt und die Mutter sich hinreichend ausgelassen hat,
ist der Vater der Tröstende, und das tut dem Film und dem Rollenverständnis wahrhaft gut.
Einzig die Frage, warum Laure sich in die Rolle eines Jungen (nicht eines „Junx“) flüchtete,
wird nicht beantwortet. Vermutlich soll der Zuschauer sich zukünftig selbst um diese
Lösungen bemühen: ein frommer Impuls, aber zu 90 Prozent an die falsche Adresse!
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Erläuterung 1:
Haben wir zunächst das Problem der Kinder unter sich im Spannungsfeld mit den
Verhaltensnormen Erwachsener betrachtet, sollten wir uns der Bedeutung des Verhaltens der
Mutter zuwenden.
Das fühlbare Motiv liegt in der Erwartung, dass sich die Kinder dem Willen der Eltern
unterzuordnen haben. Man kann ihn verfügen, man kann ihn schönreden wie in „Karate-Kid
I“, und wir dürfen bestätigen: Der Mutter bleibt keine andere Wahl, denn sie möchte jede
Unterstützung gewähren, weiß aber nicht über die Zusammenhänge Bescheid und hat auch
keinen Argwohn, warum ihr Sohn sich woanders hinwünscht. Auch stimmt dort das Umfeld
für die „Neuen“ gar nicht mehr. In Laures Fall zeigt sich zwar auch eine Hackordnung, aber
sie ist nicht von Erwachsenen bewusst provoziert, sondern beruht auf der Reflexion der
Erwachsenen-Gesinnung, die die Kinder auf ihr Gruppenverständnis übertragen. Laure hätte
sich als Mädchen einfügen können, aber auch die Mädchen-Verhaltensnormen wie
Schminken interessieren Laure nicht, weil sie keine Bedeutung für ein besseres
Zusammenleben haben
Es ist ein französischer Film, und die Rolle der Kinder in deren Gesellschaftsverständnis
war ohnehin lange unter dem Reglement der Erwachsenen-Arbeitsweltordnung vergraben.
Aber die Regie lässt die Kinder nicht nur in ihren Anliegen zu Worte kommen – wobei die
Welt der Jungen nicht beleuchtet wird -, sondern auch in ihrer angeborenen Ästhetik. Und da
nimmt sich das Rasenrotzen der Fußball-Jungen als Ritual aus – einen Sinn hat es nicht, außer
dass sich hier ein Imponiergehabe präsentiert, wie es die „Profis“ täglich auf widerliche
Weise in den Stadien praktizieren. Auch „Michael“ versteht dieses Signal und ahmt es nach –
sichtlich wenig begeistert, eher erstaunt, wozu man das nötig habe, aber man hat, und so fügt
sich das Mädchen. Im übrigen steht es in den Kraftproben nicht hinter den Jungen zurück, und
daher muss nicht verwundern, dass sie sich der Erwartung der Jungen nicht entzieht, sich
schützend vor ihre / seine Schwester zu stellen.
Zunächst verwirrt die Härte der Mutter. Der erste Schlag gilt dem Gesicht der Tochter. Der
zweite ist Psychoterror: Während Laure voll stiller Verzweiflung die Nacht nach ihrer
Entdeckung als Ausgestoßene zubringen soll, ist plötzlich ihre kleine Schwester bei ihr und
nimmt ihr diese beabsichtigte Strafe. Am nächsten Morgen dann der Frontalangriff:
Aufstehen, ein Kleid anziehen, (zu den Eltern des niedergerungenen Jungen war man schon
gewesen,) jetzt zu denen der Freundin Lisa, und die rennt vor Laure davon und schließt sich
in ihrem Zimmer ein. Voller Erfolg der Mutter – aber Laure rennt aus der Wohnung Lisas und
hängt ihr Kleid an einen Ast. Aber die Jungen sind ihr auf den Fersen: Hier gelten die
Dschungelgesetze: Wer anders sein will, muss mit Sanktionen rechnen, und nun will man
sehen, ob Laure tatsächlich ein Mädchen ist oder doch Michael, der Spielkamerad, der sich
nicht drücken wollte. Und es droht natürlich die Schule, es droht die Blamage vor allen
Kindern, denn dafür wird gesorgt, dass niemand ohne Kenntnis gelassen wird. Und die Mutter
benutzt das als wirksame Waffe gegen die Tochter.
Später wird sie ihr ein Tagebuch schenken, weil sie ja ein so inniges Verständnis für ihr
pubertierendes kleines Mädchen hat, und sie wird dieses Tagebuch regelmäßig lesen, ohne
dass Laure es weiß oder auch nur ahnen möchte, damit man die Kinder doch unter Kontrolle
halten und immer wieder auf Kurs bringen kann. Vor allem hat ja der Vater wenig Zeit, das
bringt Geld und die Abhängigkeit der Kinder von der Mutter, die den Zugriff nicht aufgeben
wird, ist sie doch selbst sehr neugierig auf das, was ihr mal entging!
Wir erkennen leicht, dass diese Frau die Rolle der zärtlichen Fürsorgerin ebenso gut und
bedenkenlos spielt wie die eines Kollektivmitgliedes, das die bekannten Gesetze des Rudels
nicht zu verletzen wagt und somit ihr Kind opfert, um die öffentliche Genugtuung zufrieden
zu stellen. Es ist ein einziger Unterwerfungsakt unter die Spielregeln des Kollektivs, in dem
diese neu zugezogenen Familie Akzeptanz und Schutz sucht. Mit allen gut auszukommen
heißt, sein Kind auf den gewünschten Kurs zu trimmen. Da kann eine solche Bruchlandung
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doch nur als Lehre heilen: „Eine Medizin ist um so besser, je bitterer sie schmeckt und je
grausliger die durchzustehenden Körperreaktionen ertragen werden müssen“. Und niemand,
außer vielleicht dem Vater und natürlich der kleinen Schwester, hat dabei ein übles
Empfinden oder ein gar zu schlechtes Gewissen, und wer das hat, sollte zum Liqueur greifen,
denn er hat Sorgen, sagt Busch, „doch wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe…!
Erläuterung 2:
Sieht man von den Cover-Worthülsen ab, wird der Film als DVD seine Breitenwirkung
nicht verfehlen. Allerdings versucht man, ihn und damit das Mädchen Laure in die Schublade
„Tomboy“ zu stecken. Die Wahl, die auf das Äußere Zoé Héran fiel, und ihr
Begabungspotenzial tragen zu dem Erfolg dieses gelungenen Werkes bei. Dieses macht es
möglich, dass das Mädchen aus dem Rotationsdenken in die zielstrebende Freiheit
hinauszutreten vermag, und das überträgt es ohne Scheu auf seine Rolle.
Die Hoffnung, unter der Stabführung Céline Ciammas sei das Anliegen des Feminismus
unterstützt, wird wohl zu Gunsten des Mädchens Laure gegenstandslos. Nicht die
Entschiedenheit des Rotationsdenkens der Mutter, sondern die grenzenöffnende innere Weite
der Tochter lassen aufhorchen. Es ist der alte Kampf zwischen normativer Spurführung und
genialer bzw. universaler Strebungen, die Welt zu durchforschen und dafür auf die
vorgegebenen scheinbaren Sicherheiten der Vergangenheit und der Wissenschaftlichkeit zu
verzichten. Kulturfortschritt kommt nicht durch das Einfrieren des Bewährten, das sich
Verschließen, sondern durch Freiheit in der Verantwortung.
Für die französischen Regisseure sind Themen dieser Art keineswegs tabuisiert. „Mein
Leben ist rosarot“ beschreibt die psychische Niederlage eines Jungen, der sich gern in
Mädchenkleidern seine Zweitrolle ansehen möchte, die man im Leben spielen kann. Und hier
hängt man dem Mädchen das Etikett „Tomboy“ an, womit sein Wesen festgeschrieben sein
soll. Die Sicherheit einer mädchenhaften Burschikosität, der Mut, auch Dinge anzupacken, die
den „Junx“ vorbehalten bleiben sollen, hat sie durch die Freimütigkeit des Vaters und dessen
Freisetzen ihrer Bewegungsräume. Und zudem erleben wir, wie recht das Kind hat, wenn wir
ihre Freundin Lisa beobachten dürfen, die bei den Spielen der meisten Kinder daneben steht
und nicht in das Spiel eingreifen möchte. Durch Leistung die Anerkennung zu erhalten, statt
zu Hause in der Warteschleife mütterlicher Bedürftigkeitsplanung zu vertrocknen, ist daher
legitim, und sei es durch ein incognito.
Der Regisseurin verdanken wir die unbefangene Auseinandersetzung mit der Frage, ob es
Mädchen schade, deren Geschlechtsmerkmale am freien Oberkörper eben noch nicht
feststellbar sind, sich ohne Büstenhalter im Spiel öffentlich zu zeigen, zieht man doch schon
den Vorschulmädchen Büstenhalter über, weil die Frauen ihre Rolle in der Kontinuität
festschreiben wollen. Bei dem Intelligenzstand des Mädchens ist klar, dass dieses
Rollentauschen nur solange funktionieren kann, als man sich nicht komplett entblößen muss,
und das lässt sich später im Klassenverband im Sportunterricht nicht vermeiden. Ein Tomboy
ist also kein Charakterfehler, sondern der Mut, sich in einer anderen Rolle umzusehen, als die
Natur in einem angelegt hat. Darum steht bei der Spielschar der Nachbarskinder das Problem
der Sexualität nicht auf dem Gesprächsplan, weil in diesem Alter die hormonelle Aktualität
noch nicht begonnen hat.
Wir müssen den Jungschauspielern dieses Films insgesamt bescheinigen, dass sie in Mimik
und Gestik ihrer Aufgabe glänzend nachgekommen sind. Es beweist die offene und zugleich
intensive Vorbereitung auf dieses Thema und der Problematik, und die Kinder stehen das
durch. Die Erklärung beruht wohl darauf, dass sie wissen, dass Drehbuch und Regie ihre
Anwälte, ihre Fürsprecher in ihren intimen Sorgen sein möchten. Somit steht wieder einmal
ein französisches Kunstwerk als Auslöser für das bleibende Plädoyer für den absoluten Schutz
der Kinder, und vor allem wird mit Laures Schicksal die Würde der Mädchen wie auch der
Jungen auf eine Stufe erhoben, wie wir sie selten so offen bekannt vorgestellt bekommen. -
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Was ist ein Kunstwerk?
Eine Botschaft, durch schöpferische Prozesse entstanden, in der Dreischichtigkeit geformt:
Das Werk – der ethische Apsekt – der schöpferische Vollzug. Es ist einmalig, unwiederholbar
und stimmt in Form und Gehalt überein. Wir unterscheiden drei Botschafter: Propheten,
Genies und Kinder, wobei diese letztgenannten durch ihren ungehinderten Zugang zum
Kosmischen Wissen die zwei zuerst genannten inhaltlich bezeugen.
Zoé Hélan als Laure: Begabung: schöpferisch / universal denkend / im Streite vermittelnd /
sehr hohe Intelligenz / haptischer Lerntyp / philosophisch-ethisch-religiös sich äußernd.
Wir verneigen uns!
Überschrift:
Unser neuer Bruder – singen wir also das Hohelied der Ignoranz?
Vorbemerkungen
Jill, Toby (stumm) und Casey, der die Taubstummensprache kennt, gegen den Rest der
Akteure
Entsprechend dem Vor- wie Nachspann undurchsichtig; in Originalansicht von tm3
übernommen, mit deutscher Synchronisation. In den Besitz der VHS-Cassette bin ich später
gekommen.
Das Werk
Lehrfilm für Knopfdruck-Pädagogik und deren Folgen:
a) Erwachsene „erziehen“ Kinder nach Norm- Programm
b) Die wichtigste Interjektion heißt (im Hinterkopfe) „Aus!“ und suggeriert die Nähe der
Kinder zu Hunden - alle anderen finden wir im
Zirkus oder Zoo.
c) Erwachsene nehmen Kinder nur „ernst“, wenn sie damit etwas durchsetzen können, ohne
auf Widerstand zu stoßen. Beispiel:
Durch Schock stumm gewordener Junge entdeckt einen Menschenaffen und freundet sich mit
ihm an, wird dabei von seiner jüngeren Schwester unterstützt, und beide entdecken, dass ihr
neuer Bruder die Taubstummensprache benutzen kann. Das hat Casey einer Tierpsychologin
zu verdanken. Nach einem Autounfall entwischte er ihr.
Der zukünftige Stiefvater und die dynamisch-junge Mutter sehen in dem behinderten Jungen
ein Objekt, das man an Herausforderungen gewöhnen muss, auch an den Gedanken,
irgendwann wieder einmal sprechen zu können. Darauf scheint der Film zu zielen (=
melodramatisch-triumphales Ende einer pädagogischen Expedition quer durch die
„Fantasialandschaft Kind“..
Informationen beider Kinder werden nicht aufgenommen; man befiehlt „Aus!“ mit der
üblichen „Therapie“, einer Mischung aus Arroganz, Ungläubigkeit, Besserwisserei und
Attacken gegen Notwehr der Kinder. Obwohl diese Schritt für Schritt belegen, dass sie die
Wahrheit gesprochen haben, wird jede neue Information wie Aktion von ihnen heftig
abgestritten und bekämpft. Das Handlungsarsenal der „Reali-sten“ gegenüber den
„Träumern“ und kindlichen „Spinnern“ ist Widerstand durch Pseudo-Logik, Verweigerung
der Informationsaufnahme und –auswertung und diffuse Verständnislosigkeit (auf der Basis:
Das will ich gar nicht wissen – glaub´ ich sowieso nicht!)
Nach wohlbekannter Manier wird also nicht erkannt, dass die Kinder von dem Affen
beschützt werden, sondern der große Beschützer rennt ins Haus und holt die Flinte – und die
Polizei das Betäubungsgewehr – es muss doch wohl noch das Ballern erlaubt sein!
Der Dompteur wie der Zirkusdirektor spielen die gleiche Leier: Bosse nehmen nichts mehr
auf, sondern erteilen Befehle – da wird man doch mit so ein paar Blagen fertig werden
können, oder?
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Der Abschied der Kinder von ihrem „neuen Bruder“ trägt den Stempel in der Mimik der
Erziehungsbeauftragten: „Hoffentlich ist der verdammte Affenspuk endlich zu Ende!“
Der ethische Aspekt:
Zwar wirken die Beispiele krass, sind aber dennoch realistisch. Jede Szenenfolge zielt auf die
Anklage der Ohnmacht gegen die Allesbeherrscher, der Hilflosigkeit gegen Dummheit,
Verständnisverweigerung und Instinktlosigkeit. Am Ende versagen auch die Tierpsychologin
und ihr Lockruf- oder Befehlssystem: Der neue Bruder verfügt über so menschliche Züge,
dass der den gefährlichen und zugleich sehr kranken Bruder im Käfig überzeugen kann, gegen
die Kinder nichts zu tun, sondern sie als Freunde zu akzeptieren. Dass der am Ende in
Drohgebärden verfällt, ist ein perspektivisch blöde angebotener Irrtum: Der in die Enge
Getriebene, der zuvor noch den Herrn Direktor im Zuge der Befreiung ein bisschen auf dem
Boden herumgerollt hatte, nimmt Drohgebärden in Richtung des stummen Jungen an, weil
sich hinter ihm die Ballerfritzen aufgebaut hatten, heiß darauf, ihm eins auf den Pelz zu
brennen – die Grundregel für Kommunikation hinter dem Rednerpult.
Monsieur Zottelbruder genießt die K.O.-Kugel und bricht zusammen, - eine erfrischende
Rache für seine Ausfälligkeiten gegenüber dem Herrn Zirkusdirektor, - und Freund Casey
lässt sich geduldig in den Wagen führen und darf sich von den beiden Kindern verabschieden
– es muss doch noch mal so richtig rührend zugehen.
Triumph der Pädagogik: Der Junge hat, um seine haarigen Bruder retten zu können, wieder
das Rufen gelernt und genießt daraufhin Tränen der Rührung seiner dynamisch-patenten
Mutter und des Zauselbartes Stiefpapa, der alles glaubt, was ihn in den Hintern beißen kann.
Man hat mit den Tieren Mitleid, aber merkwürdiger- und unverständlicherweise – auch mit
Erwachsenen, denen die Einsicht in Erziehung so gut gelingt wie dem Seeadler der Blick in
die Tiefe eines aufgerührten Tümpels.
Der schöpferische Vollzug
Wenn Schweitzer abends seinen Tieren auf dem Pedalklavier vorspielte, dann nicht, weil er
ein großer Star sein wollte, sondern er sang sogar seinen Antilopen und der Zimmermaus
Choräle vor – evangelische, ich denke, als orthodoxer Lutheraner die vom Dichter selber.
Derartige Botschaften teilen die Ansichten der Weltbevölkerung in 12 % Irre und 88 %
„Realisten“.
Der Film „Unser neuer Bruder“ will nicht übertreiben, am wenigsten mit dieser Überschrift,
auch nicht untertreiben, denn der Film spielt uns in einer sehr ernst zu nehmenden Handlung
die Würde vor allen Kreaturen in die Wohnzimmer.
Natürlich haben Kinder eine erhöhte angeborene Neigung zur Pan-Natur, sie verteidigen sie
bis zur Betroffenheit bzw. Bestrafung, aber die meisten geben auf, wenn ihnen die Normen
ein Bewegungskorsett verpassen, das die übrigen 12 % als Zwangsjacke verlachen und sich
lieber in der Prärie der weiten Sinne verstecken. .
Mit dem Abtransport der Affen als Störern der öffentlichen Ordnung ist die Welt für die zwei
Kinder keineswegs in Ordnung. Sie waren entsprechend nicht aus der Fassung, als sie im
Baumhause auf den erwarteten Besucher trafen, der sich ihnen als handlungsebenbürtig
erwies und den es zu verstecken galt, weil jedem klar war, was die Sprungfeder Mama und
der Hofhund Papa wohl mit Casey anfangen würden. Spätestens das wird klar, als der
freundliche Mitbewohner betäubt auf dem Boden liegt und an allen Vieren in den Zirkus
transportiert wird. Bleiben kann so einer ja nicht – kann er denn etwa mit Papa angeln bzw.
Karten dreschen oder mit Mama ins Freibad fahren? Er kriegt womöglich nicht einmal den
BH auf!
Auch die freundliche Welt des Zirkus verliert hinter den Kulissen seine Maske und zeigt seine
Fratze in Form des Kommerzes. Mag es eine Ausnahme sein: Tier bleibt Tier unter Tieren,
und man darf sich nicht fragen, was aus ihnen wird, wenn sie ihre lustige Nummer nicht mehr
„abziehen“ können!
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Der Film zeigt nicht, dass Kinder nichts von dem verstehen, was Erwachsene „Leben“
nennen, sondern ihr Entsetzen stachelt sie zur Ab- und Notwehr auf – das ist ihr „Vergehen“ –
und es bleibt ihnen keine Chance, den Reglements zu entkommen.
Die Tragödie endet für Tier wie Mensch mit dem Show-Spektakel vor den Kameras, der
Sensation, dass der blöde Affe die Kinder nicht am Ende gefressen hatte.
Gut – in der Globalisierung kommt schließlich jeder mal dran. Also aufgehoben ist nicht
aufgeschoben! Aber der Affe wird es gewiss nicht sein. Gut, dass der Kleine wenigstens noch
wieder das Schreien in Worten gelernt hat – jetzt wird er vielleicht doch noch ein echter
Mann!
Gott ist mit den Erfolgreichen!
Halleluja!
Überschrift
VITUS – oder doch lieber „normal“?
Vorbemerkungen
Hauptdarsteller: Fabrizio Borsani (GE) / Teo Gheorghiu (GE): Es wird Zeit, ihn auf CD zu
hören!
Dieser Film braucht keinen „Oscar“, weil der von Normativen entschieden wird. Sowohl
Fabrizio Borsani als auch Teo Gheorghiu haben die Abrechnung des schöpferischen
„Außenseitertums“ mit dem Neid des Mittel-maßes hervorragend inszenieren können. Kein
sparsames Augenzwinkern, sondern die letzte Konsequenz einer Notwehrgemeinschaft, die
sich organisieren sollte, damit sie überleben kann. Bruno Ganz verkörpert die fami-liäre
Substanz, der hochbegabte Erfinder, Vater des Vitus, droht einer Gesinnung zum Opfer zu
fallen, kann sich auch nicht wehren, weil er gelernt hat, durch Abtauchen in das scheinbar
Bedeutungsarme in Ruhe arbeiten zu können. Erst der Enkel greift in der 3. Generation zur
letzten Konsequenz und dreht den Spiegel seiner Reflexion so, dass sich die Schuldigen darin
begaffen können. Ein großartiges Casting, eine hervorragend durchdenkende Regiearbeit und
ein Höchstmaß an Einsicht in eine an sich erbärmliche Schidksalhaftigkeit!
Ein ganz normaler Junge heißt Mittelmaß – und Vitus weiß, dass er das nicht mehr nötig hat,
wird er doch beständig von dort bedroht! Dem entgeht man nicht durch Weltflucht oder
Wegducken, sondern nutzt die Hintertriebenheit des aggressiven Normativen, das Kunst nur
als Dekoration seines in den Vordergrund zu stellenden Selbst missbraucht. Bei dem enorm
hohen Grad an Rundum-Begabung ist es nur natürlich, dass Vitus seinen Weg in die
Selbstbestimmung dadurch wählt, dass er sich künstlich auf das Mittelmaß zurückschraubt
und mit dessen Weltbild schauspielerisch jongliert. So übertölpelt er jeden Argwohn, bis er
seine Familie und sein Fortkommen gesichert hat.
Das Werk
Was ist zu tun, wenn ein Genie beständig ausgebremst und durch Röhrenblicke verurteilt
werden soll?
Man könnte den Bremser ausschalten.
Man könnte in einen anderen Lebenszug umsteigen.
Man könnte Lokomotivführer werden.
Man könnte den Zug auf ein Abstellgleis fahren lassen und ihm die Lokomotive ausspannen.
Man könnte die Fahrpläne ändern, die Fahrtroute anders planen oder einfach den Zug stehen
lassen und das Flugzeug nehmen. Es geht dann meist schneller.
Vitus, Sohn einer normativen Mutter und eines schöpferisch begabten Vaters, entwickelt sich
früh und geht, zunächst an der Hand des Großvaters, den Weg zu den Sternen, und als der alte
Mann stirbt, setzt der Enkel die entscheidenden letzten Zeichen auf dem Wege zum
unvergänglichen Erfolg.
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Gespielt als zwölfjähriges Musikgenie von Teo Gheorghiu, überzeugt dieses Kind durch das
tatsächlich lebende Genie, aber als der kleine Vitus hat man ebenfalls einen Schauspieler
(Fabrizio Borsani) vor sich mit schöpfe-rischer Begabung, die schon beim Ansehen hält, was
auf sein Wesen schließen lässt. Vitus wird in den Zug zum optisch-akustischen Erfolg gesetzt
und erkennt sehr bald, dass er so nicht akzeptiert bleibt. Also ist Tarnung vor jedermann
nötig. Von hier aus stößt er in die Piratenwelt der Erwachsenen vor, bedient sich ihrer
Strategien und erntet Früchte, wozu andere nicht klug genug waren. Er macht den Großvater
reich und bringt den entlassenen Vater an die Spitze jener Fabrik, für die der durch seine
Erfindungen den finanziellen Durchbruch erreicht hatte. Nachdem all dies erreicht und Vitus
unabhängig geworden, fliegt er seiner Karriere als Pianist entgegen.
Einen Schüler, Vitus vergleichbar, zu unterrichten bedeutet eine Lebensaufgabe auf sehr
knappe Zeit. Es ist ein stetiger Wechsel zwischen Geben und Nehmen – beide lernen
voneinander, oder dieses Bündnis der Treue hält nicht.
Der Regisseur gibt uns in zwei Sequenzen und drei Szenen einen hier augenzwinkernden
Einblick in das Genie des Knaben und lässt uns in seine Lernprozesse sehen.
Der ethische Aspekt
Vieles zeigt uns der Film wie eine Art Fries, wie ein Wandgemälde, den Verlauf eines
historischen oder ideellen Ablaufes schildernd. Das Phänomen der kaltgestellten
Hochbegabungen im „normalen“ Bildungssystem ist ja nichts Neues. Man läuft mit solchen
Kindern regelmäßig gegen die Wand. Dann kommen die ideologischen Grabenkämpfe der
Eltern gegen den Rest der Welt, und am Ende wankt das junge Leben einem mühsam ausgesparten Ziel entgegen. Die meisten bleiben dabei auf der Strecke: Müll unter Sternen. Soweit
folgt der Film mit leisem ironischen Anflug den „Störfällen“ Hochbegabung. Wir erfahren die
Konditionen, die Gesinnung des Mittelmaßes, die hämisch das Erhabene zu schwärzen und
auszuputzen versucht, und wir erleben die spitzfin-digen Demaskierungen durch Vitus, den
durch ihn entlarvten Standesdünkel des Belehrenden, wo es nichts mehr zu lehren gibt, weil
der Junge nebenbei die Aufgaben der Schulstunden erledigt und zugleich auf der Hauptspur
seinem inneren Auftrage folgt. Offener Krieg zwischen Lehrern und Schüler zeigt den Ruin
des kleinsten gemeinsamen Nenners, auch wenn dieser in den verschiedenen Schultypen
unterschiedlich im Werte sein mag. Aber die wahre Hochbegabung eines Vitus wird auch die
Frage beantworten, wie man unbeschadet und an selbsterworbenem Wissen bereichert aus
diesen Bremsmanövern herauskommt. Und der Junge findet die Lösung: Man lässt das
System gegen sich selbst arbeiten! Fällt Asterix auf, dass durch eine irreale Aktenbezeichnung ein Suchmechanismus das ganze System lahm legen kann, warum nicht ähnlich
die Mittel des Kapitals gegen dessen gierige Hüter aufbringen und sie sich selbst damit an die
Kette zu legen? Also spielt Vitus an der Börse und hat dessen Mechanismus rasch genug
begriffen, um sie für, nicht gegen sich arbeiten zu lassen. Wir lernen: Hochbegabung führt
nicht zwangsläufig zu verordneter Ohnmacht, sondern hebelt die Autonomie der Stärke aus.
Hat man die Strategien erst einmal durchschaut, gehören einem die entscheidenden Züge in
solchem Spiele.
Die fulminante Schlussphase eines Pianowerkes wird von Vitus unter den Augen seines
Lehrers brillant zu Ende gebracht, was dieser lobt, aber auch anführt, an bestimmten Punkten
gingen mit ihm die Pferde durch.
Um was es sich dabei exakt handelt, lässt sich der Schüler erklären, begründet aber sein
unvermindertes Tempo und verwahrt sich gegen die „Langeweile“ der von ihm geforderten
Akzentuierungen. Der gravierende Fehler des anderen: Er erklärt nicht den Grund dafür, was
er anders haben möchte, sondern lässt es Vitus schlicht machen. Der beugt sich, zeigt aber
seinem Großvater, der just das Tropfwasser von der Decke sammelt, weil das Dach leckt
(Symbolik!) , was „die russische Klavierschule“ meint, und er spielt einen Tanz mit
parodierten Stauungen des Melodieflusses, was der Alte damit krönt, indem er mit dem Eimer
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vor dem Bauche – als Ersatz für die Dame des Herzens – bedächtig und verhalten durch den
Raum schwebt. Deutlicher geht es nicht – allenfalls plumper.
Einen zweiten Einblick erhalten wir, als wir Vitus in seinem Appartement am Flügel erleben,
wie er eine Passage zurechtrückt, an der es hakt. Es ist kein mechanisches Training:
Zuvörderst langsam, als eine Art Studie der architektonischen Stolperstelle, sodann ein über
die Hände sich klärender Gestaltungsaufbau, sodann der Erprobung des so Erfassten über das
Ohr, sodann im Zusammenhange der gesamten Phrase überprüft: So arbeiten Hirn und Herz,
so arbeiten Intuition und Psyche ineinander – genial angemessen zum Vitus im Film und Toe
Gheorghiu, von dem wir leider sonst nichts erfahren.
Der schöpferische Vollzug
Eine zweite Lehre kann man durchaus ebenso daraus ziehen: Hat man sich dem Würgegriff
der angeordneten Verdummung entzogen, indem man sich finanziell unabhängig gemacht hat,
dann muss man ebenso den Zeit-punkt erkennen, wo man den Markt zwar noch kontrollieren,
aber nicht mehr selbst beeinflussen muss. Man soll sich zurückziehen können und das Kapital
für sich arbeiten lassen, seinen Wächtern vertrauen können und zugleich wachsam bleiben,
und weil sich der Junge saniert hat, kann er seinem Sterne folgen, wie es ihm der Großvater
geraten hatte.
Die wenigsten wissen, dass man im Erfolg nicht aufhört, weil man sich einer noch höheren
Zielsetzung verpflichtet fühlt. Denn in der Steigerung des eigenen Strebens, den Begabungen
zu entsprechen, wachsen die Kräfte natürlich im Verbunde mit den inzwischen gemachten
Erfahrungen auf allen übrigen Sektoren. Der junge Börsenspekulant setzt sich ins Flugzeug
und nimmt seine Klavierausbildung wieder auf, als er weiß, dass ihm niemand mehr
dazwischen kommen kann. Kürzer: Die Tenne ist gefegt, es kann getanzt werden.
Auch diese Erkenntnis zeigt das Wesen der schöpferischen Begabung: Niemals gegen
einzelne Charaktere, sondern stets in der Sache kompetent sein und das Funktionieren einer
üblen Maschinerie dadurch beenden, indem man das Ziel unerreichbar oder den angestrebten
niederen Wert durch weit höhere andere, ethisch überzeugende und begeisternde Werte
widerlegt. Da wird also nach einem Dr. Wolf gefahndet, der einem das Geschäft vermasselt
hat, und es sitzt in seinem angemieteten leeren Übungs-Appartement ein Knabe und probt in
Ruhe an den Werken der großen Klassiker aller Jahrhunderte. Ein wenig blamabel ist das
vielleicht für Norma-tive, uns aber eine nützliche und notwendige Botschaft dieses Films.
Der Banker-Beutegier steht kein ethisch wertvolles Ziel offen. Es rumort sich in die Kloake
der Geschichte, und kein Mensch wird nach ihm fragen, wenn die nächsten dreißig Jahre von
dieser Menschheit ein historisch verlässliches Bild vorweisen sollen. Seinen Verstand, seine
Begabungen zu nutzen, um sich vor den Dieben und aktuellen Bankrotteuren aller Branchen
zu schützen, lohnt das Bekenntnis zur eigenen Begabung! Sie ist ein Geschenk! Nicht also:
„Ich wäre gern normal!“ Um Gottes Willen: Bloß das nicht! Hochbegabte, die sich
anzupassen trachten, geben sich selbst auf und haben längst noch nicht ihre Möglichkeiten
erforscht, erprobt oder gar ausgespielt. Dafür macht dieser Film durch die Persönlichkeit des
Vitus Mut – sehr großen Mut, weil er die Realisten (= Normativen) dafür vom Platze weisen
kann, damit die Luft wieder zum Atmen frei wird. Aber brauchen wir überhaupt eine Arena,
wo im Wettkämpfen Leistungsbemessung und Diffamierung hochstilisiert werden? –
Natürlich nicht! Das Große, das Unumstößliche wächst in der Stille heran. Es braucht Licht,
das Unberührte, das Natürliche, was sich entwickeln kann, wenn sich die Bedingungen des
Lebens unerwartet verändern sollten. So gedeiht die Weisheit, die sich in den Kindern vom
Ursprunge her spiegelt.
Der Regie geht es aber nicht nur um anschauliche Argumente für das wahrhaft Geniale,
sondern begründet dies in der Darstellung psychischer Schlüsselmomente der beiden Knaben
unterschiedlichen Alters. Das macht den Film zur zentralen Botschaft im Sinne des inneren
wie äußeren Wachstums dieser außergewöhnlich hoffnungs-vollen Begabungen. Natürlich
entwickeln sie sich unter einigermaßen günstigen Lebensumständen; mag die Mutter sich
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noch so schmalspurig und einseitig auf die „Karriere“ ihres Jungen fixieren, sie hat einen
begabten Mann an ihrer Seite, der über sich selbst auch nicht viel weiß. Vitus darf leben, weil
die Zeit danach ist. 100 Jahre früher, und wir hätten uns sorgen müssen. Zu Ende ist die
Diskussion um die Hochbegabtenförderung niemals. Aber man wird bald wissen, warum
nicht.
Überschrift
Wege nach Hause - Der Weg nach Hause
Vorbemerkungen
In der Frage, was Menschen gegen das staatliche Erziehungsprogramm des ideologischen
„Einlullens“ hätten denken können, erweist sich an jedem Flecken der Erde die Kraft der
Humanitätsgesinnung als untrügliches Signal des Gewissens, so dass jedem klar ist, was böse
ist und was gut – nicht, was mal recht sein soll oder mal unrecht gehandelt! Die Frage der
Gerechtigkeit versinkt hinter der Sonne der Humanitätsgesinnung, und was scheinbar Recht
sein sollte, wird im Einzelfalle vielleicht zum Symbol der Inhumanität und schreienden Ungerechtigkeit. Sie wägt noch ab, wo das Gewissen längst für das Gute entschieden hat. Und so
hat der Regisseur dieses Films bewiesen, was Humanität gegenüber dem Anspruch eines
Jungen vermag, versorgt zu werden, auch wenn er sich gegenüber seiner Fürsorgerin aus
bestimmten Gründen, die ihm nicht bekannt sein müssen, äußerst ungerecht, scheinbar herzund gefühllos benommen hat.
Das Werk
Sang Woo ist sieben Jahre jung und eine Großstadtpflan-ze modernster Prägung: Alles kreist
um seine Bedürfnisse, wie es die Erwachsenen nicht anders machen, und wenn er sich
durchzusetzen wünscht, tritt er um sich und erhält dafür von seiner Mutter Schläge.
Es ist die Atmosphäre einer Stadt ohne Kultur, so dass ein Kind, das aus dem Fenster springt,
weil es die einzige Freiheit ist, die man ihm nicht verbieten kann, vermutlich als
Abfallprodukt gesehen und entsprechend vom Pflaster gekratzt und „entsorgt“ wird. Sang
Woos Mutter kann ihren Sohn nicht gebrauchen, er nutzt ihr nichts, also muss er abgestellt
werden, und so liefert sie ihn bei ihrer Mutter ab. Diese alte Frau ist stumm, geht nur fast
rechtwinklig gebückt, erledigt aber alle Arbeit des Hauses und des Umfeldes mit Sorgfalt und
großer innerer konsequenter Ruhe
Der ethische Aspekt
Diese Großmutter wendet, ohne es zu kennen, das Summerhill-Prinzip an: Der
Neuankömmling gebärdet sich sozial nicht integrationsfreudig, mault, meckert, beschimpft
die alte Frau und tut alles, um auf die gleichen Reaktionen zu stoßen wie bei seiner Mutter =
dann wäre er ja zu Hause. Aber das Gegenteil geschieht: Was auch immer ihm einfällt, es
erfolgt kein Nein, kein Verwehren, kein Zurückstoßen, kein Ignorieren, und je weniger der
Kleine aufbegehrt, desto mehr Boden wird ihm freigeräumt, desto näher rückt ihm das gütige
Wirken dieser unglaublich geduldigen Frau! Und so entwickelt sich das Verhalten auf einen
zunächst zögernden, aber stetig solideren Dialog dieser beiden ungleichen Familienmitglieder.
Auf jedes Aufbegehren reagiert Großmutter mit Hilfsbereitschaft, Verständnis, baut ihm
Brücken der Zuneigung, bis Sang Woo sich mit dem Wenigen abgefunden hat, was man hier
zum Leben braucht. Jetzt öffnen sich seine Augen für den Bedarf der anderen, und er gibt
zurück, was man ihm zuvor emotional hatte zukommen lassen.
Der schöpferische Vollzug
Der Film ist ein Lehrbuch für den Umgang mit „schwierigen Kindern“ – so scheint es, aber in
Wahrheit eines für den Umgang mit Erwachsenen, die wir als psychische Wracks keinem
Kinde zumuten möchten. Um den globalen Menschen kreisen Egozentrik, Egomanie,
Selbstgefälligkeit, Geltungsgier, Konsumgenuss, Freiheit von allen Pflichten, hemmungsloses
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Einfordern ihrer „Rechte“, und zwischen ihren Interessen werden die zarten Charaktere ihrer
Kinder zermörsert und in den Wind gestreut.
Als Sang Woo von der Mutter überraschender Weise wieder abgeholt werden soll, verfasst
der Junge ein Erste-Hilfe-Briefvorlagenbuch, dessen Seiten die Großmutter, die nicht lesen
kann, bei Bedarf in einen Briefumschlag stecken und ihrem Enkel schicken kann, damit er
weiß, was ihr fehlt. Es steckt in diesem Konversationsbüchlein die Summe seiner Erlebnisse
mit seiner Großmutter, es offenbart die Herzenswärme, die in ihm wieder erweckt werden
konnte, es symbolisiert die Kraft der Jugend, die sich nur lohnt, wenn sie vom Alter ihren
Segen erhalten kann. Sang Woo ist, mit Großmutter in seinem Herzen, endlich zu sich
heimgekehrt
Überschrift
Wer den Wind sät, wird den Sturm ernten (Hosea 8, Vers 7)
Vorbemerkungen
Der Lehrer Bertram Kate steht vor Gericht, weil er Darwins Lehre von der Evolution der
Menschheit den Schülern nahegebracht hat. Es gab ein Gesetz in Nebraska, das diese Lehre
verbietet. Es gilt allein der biblische Wortlaut des Schöpfungsberichtes. Um Kate empfindlich
dafür zu bestrafen, reist Harrison Brady als Chefankläger an. Der Baltimore Herald stellt Kate
einen der besten Anwälte für solche Streitfälle.
Hinweis 1: Nach heutiger Kenntnis bleibt der Zeitfaktor im Schöpfungsbericht außen vor,
sobald die Symbolik der hebräischen Schriftzeichen zum Tragen kommt. In ihnen verbergen
sich Informationen, deren Wechselbeziehungen zu allen übrigen Büchern einander mit
Lebensbejahung erfüllen, keineswegs aber zur Verfolgung der Fragenden aufgerufen hat. Das
lässt die Religion Abrahams nicht zu, und die daraus abgeleitete Konfession des weltoffenen
Judentums forderte nichts dergleichen ein.
Hinweis 2: Bertram Kate ist seiner Aufgabe nicht gewachsen. Jener Journalist bezeichnet ihn
als Exempel Darwinschen Irrtums, es gebe überhaupt die species Mensch – in Wahrheit seien
es immer noch Affen, und Kate habe zu fliegen versucht, sei auf den Baum geklettert und
gesprungen, aber niemand habe ihn aufgefangen.
Ist Kate also kein weitsichtiger, also schöpferisch Begabter? Ist es vielleicht seine Verlobte,
die sich gegen jede Streitursache stellt und vor das Recht zu leben?
Wir studieren die Portraits und kommen zu folgender Messung:
Normative: Brady / Richter / Journalist des Baltimore Herald / Reverend Brown /
Schöpferisch: Rachel Brown / der Anwalt (Tracy) /
Das Werk
In Hillsboro (genauer: Maulwurfshügel) eifert der junge Lehrer Bertram Kates gegen die
Bibel-Wörtlichkeitsgläubigkeit und stellt ihr Darwins Entwicklungstheorie vor. Was parallel
hätte leben sollen, entwickelt sich zum Gesinnungs- und Glaubenskrieg, in den sich das
öffentliche Interesse über die Staatsgrenze Nebraskas hinaus spöttisch interessiert.
Zu allem Überfluss sind Bert und die Tochter des Reverend, Rachel Brown, auch noch
einander verlobt. Als der junge Mann aus dem Unterricht heraus verhaftet wird, beginnt für
die junge Frau der Krieg mit dem fanatischen Vater. Was heute in der Perfidie der
Scientologen ihren globalisierenden Höhepunkt erreichte, offenbart in diesem Film seine
Wurzeln.
Gegner dieses Spuks aus dem 16. Jahrhundert ist ein Anwalt, dessen Wissen um Vernunft und
die Kraft der Philosophie den Kampf mit dem Drachen Fundamentalismus aufnimmt. Als
Atheist verschrieen, tritt er gegen den einstigen Freund, Matthew Harrison Brady, und dessen
hysterische Anhängerschaft an und übernimmt die Verteidigung des Heißsporns.
Fanatismus und Rechthaberei gipfeln in Ignoranz und persönlicher Bedrohung und nehmen
die Zerstörung menschlicher Beziehungen be-denkenlos in kauf. Die dafür verlangten Opfer
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retten jedoch nicht den dumpfen Aberglauben, Bibel sei wörtlich zu fassen und zu befolgen.
Ein logisches Nachbohren in biblischer Darlegung ergibt, dass dieses Buch mehr als nur in
Worte gemeißelte Indoktrination hätte gelten dürfen.
Der Film setzt eine dritte Schöpfung ins Bild (Szenenfoto nicht abgebildet): Der Mensch habe
sich zum Affen zurückgebildet Dennoch muss man einigen dieser hypothetischen Mutanten
Sympathie abgewinnen wie der Vertreter des Baltimore Herald und der Knabe vorn, der
längst Kontakt mit dem Großvater Affe geschlossen hat.
Der ethische Aspekt
„Fanatismus und Dummheit liegen immer auf der Lauer und brauchen Nahrung.“
Spencer Tracy hat eine Rolle übernommen, die als Vermächtnis seiner schöpferischen
Begabung ein Kulturdenkmal schaffen konnte.
In diesem Film geht es nicht um bloße Standpunkte. Hier treten sich schöpferische Begabung
und entblößter Normalismus in aller Konsequenz ihrer Ansprüche auf Geltung gegenüber.
Vermittler wie Rachel Brown als die Unschuld des Glaubens an Menschlichkeit oder der
spottende „Geist, der stets verneint“…, der „sein Gift mit jedem Wort verspritzt“, der
sezierende beißende Spott jenes Journalisten, der Tracy engagierte, können diesen Kampf
nicht mehr verhindern und müssen am Rande des Ringes warten, bis die Kompetenzen
abgeschritten sind.
Das Gericht als Hüter des Gesetzes erweist sich trotz aller Berufung auf seine Objektivität als
Garant eines zu Unrecht geschaffenen Gesetzes, das „wie die Cholera ansteckt“ und
Verursacher wie Opfer gleichermaßen in den Abgrund zieht. Da gewinnt niemand.
Der Schuldspruch und das folgende Urteil, so milde es auch ausfallen mag (100 Dollar Strafe
für Kates) müssen von der Verteidigung (Tracy) zurückgewiesen werden. Nähme man dieses
Urteil an, hätte man sich dem Gesetz gebeugt und es damit anerkannt. Jetzt muss es außerhalb
der Maulwurfshügel-Mentalität vor der Weltöffentlichkeit verhandelt und hinterfragt werden.
Mit der Eingabe der Revision ist der Prozess gewonnen. Die Provinz hat nicht gesiegt.
Wohl aber bleibt der Scherbenhaufen zurück: Die Entzweiung der Tochter mit dem Vater, der
Tod des Brady, die parteiische Gerichtsbar-keit, der Wankelmut der Bevölkerung, deren
wechselnde Parteilichkeit den Sinn einer Demokratie für wirklich Jeden bezweifelt. Solche
Rechnungen stellt nur die Infamie aus. Sie befindet sich außerhalb jeder vertretbaren
Gesittung.
Der schöpferische Vollzug
Der Anwalt zum Zyniker: „Ich wollte, ich könnte alles aus Ihrer Froschperspektive sehen. Das
würde vieles einfacher machen.“
Der Anwalt des homo sapiens befragt die Bigotterie in Person Bradys im Zeugenstand. Er will
wissen, woher Kains Frau stammte, war doch nur von Adam und Eva die Rede. Das Zeugen
als die Erbsünde wird in ihrer Bedeutung hinterfragt – der Widerspruch zum Schöpferwillen
liegt offen: Zeugung ist keine Sünde! Noch wehrt sich der Gottesmann Brady durch Ignoranz
und Belächeln der Wissenschaft. Aber mit der Frage nach den 6 Schöpfungstagen und ihrer
realistischen Schätzung ihrer wahren Dauer beruft sich die Bigotterie auf die Einflüsterungen
Gottes. Jetzt erklärt sie sich zum Apostulat, zur Prophetie, und erst jetzt greift sein Gegner,
auf der Höhe seiner Verteidigung, das Prinzip des Normalismus an und wirft es aus dem
Sattel.
Der Prophet von Nebraska bricht einen Tag später zusammen.
Wer die Wissenschaft zum Maßstab seiner Ethik macht, setzt sich ebenso ins Unrecht, weil er
seine Verantwortung nicht überschaut, wie jene Konfessionalisten, denen es um ihre Mission
geht, jenen Gesinnungskübel, den sie den anders Gesonnenen über den Kopf stülpen und
darauf trommeln.
Spencer Tracy ist ein schöpferisch sonderbegabter Schauspieler gewesen und erweist sich in
der Art seiner Darstellung in der Rolle des Anwalts als vertrauenswürdig, um die
Gedankenfreiheit gegenüber dem Provinzialismus durchzusetzen. Wilhelm Raabe schildert
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ihn im „Abu Telfan“ als das Nippenburg der Schnödlers, einem Rattennest der Duckmäuser
einerseits, der Bigotterie und der unbarmherzigen Versklavung der Freiheitsliebe andererseits.
Wer nicht ins Schema passt, gehört eliminiert. Tracy äußert sich zum Prinzip der Moral als
einem Gitter, das man um jede Person legen wolle, um sie daran zu hindern, jemals daraus
eigene neue Gebiete erkunden zu können.
Dieser Kampf ist aber zu gewinnen. Aber dieser kostet auch einen hohen Preis. Den führt der
Film uns vor!
Rezensionen für Amazon
Überschrift
Fahrenheit 451: „Wenn die Feuerwehr kommt, wird es irgendwo wieder brennen!“
Vorbemerkungen (Hinweis: Diese DVD in Farbe ist in englischer, französischer und
deutscher Sprache!)
Wenn die „political correctness“ nicht offiziell als Staatskonfession zur totalen Überwachung
die Rechtfertigung liefert, muss es einen Katalog der möglichen Verstöße geben, den nur die
Exekutive kennt und dementsprechend behandelt. Und will man die Gesinnungen, die
Gewissensfreiheit, die der Presse und aller übrigen Organe der freien Meinungsäußerung
unter Kontrolle bringen, muss man mit der totalen Medienüberwachung auch den ärgsten
Feind bekämpfen: das Gedruckte, die Bücher, die noch im Besitze der Privathaushalte
oppositionelles Gedankengut verbreiten können. Mit entsprechenden anderen Kunstwerken
wird es sich nicht anders verhalten.
Nun gibt es zwei Methoden, den Leuten das Denken abzugewöhnen. Die „demokratische“ ist
das Gütesiegel des „In sein“, des Gehorsams gegenüber dem Zeitgeiste und der Mode, die
jedes freie Denken lähmen. Wer sich dennoch als Individuum nicht beugt, wird durch
Mobbing ausgegrenzt. Oder es herrscht die totalitäre, indem man alles konfisziert und
vernichtet, was jemals menschliche Gemüter im Zustande der Erschöpfung zu künstlerisch
gewachsenen Aufbaumitteln der Psyche greifen lässt.
Das Werk
Unser Film beschränkt sich auf die Bespitzelung der Bevölkerung durch die
„Feuerwehrleute“, und findet sich ein Buchbesitzer, ist sein Bestand, auch der selbst
verfassten Manuskripte wie etwa diese Rezension, der Vernichtung preiszugeben; bei 451
Fahrenheit Hitze beginnen Bücher zu brennen. Denn im gedruckten Wort liegt jener
Widerstand, den jedes autoritäre System zu fürchten hat; eine Gehirnwäsche durch die
Massenmedien wird wieder unwirksam, sobald der suchende Geist wieder fruchtbare Nahrung
erhält (vgl.: Der Club der toten Dichter). Das System der Macht legt seinen
atembeklemmenden Schatten auf das gesamte Leben. Die technokratische Welt verwaltet das
Menschenmaterial als nutzbringend einsetzbare Masse, und die Überwachung sorgt dafür,
dass niemand seiner Nutzbarmachung entkommt. Was andernfalls geschieht, muss der
Zuschauer nicht auch noch erleben, er kann es sich, dank seiner Kenntnisse der Historie,
durchaus ohne Mühe vorstellen. – Der Feuerwehrmann Montag wird für eine
Lehramtsanwärterin in der Schwebebahn interessant, weil er anders zu sein scheint als die
teilnahmslos dahindösenden übrigen Fahrgäste. So kann sie ihm berichten, dass man sie nicht
in den Beruf lasse, weil sie nicht ins Bild passe. Zu Hause erleben wir Montags Frau Linda als
gläubige Fernsehkonsumentin, und als er ihre Rolle der Angepasstheit stört, weil er selbst
verbotenerweise Bücher ergattert und liest, denunziert sie ihn und treibt ihn so in die Flucht.
Die Lehrerin ohne Arbeit ist schon geflüchtet, als man ihren Onkel verhaftet hatte. Man trifft
sich bei den Buchmenschen wieder: Jeder von ihnen lernt ein Buch seiner Wahl auswendig,
dann wird es vernichtet. Montag hatte sich der Verhaftung entzogen, als man sein Haus
durchsuchte und die Bücher verbrannte, indem er den Flammenwerfer auf seinen
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Vorgesetzten richtete. Weil er danach erfolgreich fliehen konnte, wurde ein anderer,
Unschuldiger statt seiner aufgespürt und vor der Fernsehkamera erschossen.
Der ethische Aspekt
Erwähnten wir die „demokratische“ Aussonderung der sozial Unverträglichen, die sich von
keinem der Plebiszite des befragten Volksgeschmackes beeindrucken lassen, so hat es die
gleiche eliminierende Wirkung wie die physische Verfolgung. Denn die ins Abseits
Gedrängten befinden sich plötzlich in einer Art zoologischem Garten öffentlichen
Meinungsghettos und, je nach dem Grade ihrer Freiheits- und Wehrgelüste, in entsprechend
gesicherten Gehegen wieder. Füttern ist hier streng verboten. Die Masse der Besucher, also
die gefügig gehaltene Menge der Gleichgeschalteten, fühlt sich außerhalb der Gehege als
denen da drinnen geistig und durch die Evolution überlegen, sie dürfen über die
Weggesperrten lachen, weil sie wissen, wie furchtbar die Waffe der Verachtung sein kann –
sind sie ihr doch erfolgreich durch Unterwerfung entronnen.
Wenn also die Geflüchteten sich im Niemandslande unerkannt verbergen und die
markantesten Dokumente der Literatur, der Philosophie, der Erkenntnisse aller Sparten sich
durch Auswendiglernen verfüg- wie vererbbar erhalten, so spiegelt dies die Hoffnung, dass es
immer und zu allen Zeiten Refugien in der Natur gegeben hat, in denen sich abseits aller
Ausrottungsversuche des homo erectus Leben retten und ausbreiten kann. Aber spielt dann
der einzelne noch eine entscheidende Rolle der Einmaligkeit? Das will uns die Handlung
übermitteln: Jedes Individuum lernt nur ein Werk auswendig und gibt dieses an seinen Erben
weiter. So wird erst durch den Zusammenschluss aller Literaturträger eine Gemeinschaft
möglich, in der das individuelle Denken Kultur hervorbringen wird. Dort werden auch
Rezensionen wie diese überleben dürfen.
Der schöpferische Vollzug
In „Fahrenheit 451“ frohlockt der Brandmeister über die einzigartige Gelegenheit, eine ganze
private Bibliothek vernichten zu können – es ist ihm ein Geschenk! Die Besitzerin hat nur
eben noch die Zeit, in ihrem Antlitz das Erleben der absoluten Diskrepanz zwischen
Proletentum und durchgebildeter Humanität wechseln zu lassen, bevor sie selbst das
Streichholz anreißt und auf den kerosingetränkten Literatur- und Denkerschatz fallen lässt.
Sie schützt damit das Geheimnis jener Verschollenen, die abseits aller „Zivilisation“ Kultur
leisten, indem sie die Werke großer Dichter und Schriftsteller in sich aufnehmen und
auswendig lernen.
Und darum bringt es der Feuerwehrmann am Ende seiner „Karriere“ fertig, den
Flemmenwerfer gegen seinen Vorgesetzten zu zünden, weil dieser die Waffe auf ihn richtet
und ihn zu töten droht. Dieser Verzweiflungsschritt ist auch bei Schöpferischen möglich,
wenn sie keine andere Wahl mehr haben und jeder Disput mit der Inkarnation aller Dummheit
sinnlos geworden ist. Aber dieser Brand ist zugleich auch symbolisch zu sehen: Dieser Mann
setzt nicht nur die Mörder aller Bildung und Kultur in Flammen, sondern vor allem das Fanal
zum weithin sichtbaren Widerstand gegen die dogmatisierte, zur Verfassung erklärten
Verblödung des homo sapiens. Ich denke, das ist schon wieder Kultur: - das Übel durch
zündende Argumente einzuäschern!
Überschrift
Amadeus - oder der Oscar-Wahn
Vorbemerkung:
Was der Zuschauer unter dem Werbemüll des Privatsenders Kabel 1 hervorzuziehen vermag,
was er an Bordell-Inspirationen noch abschütteln kann, erlaubt ihm einen Blick in die
Requisitenkammer einer Filmproduktion, welche die Schamröte ins Gesicht treiben muss.
Romantische Naivität, perverse Charakterentstellungen, Motiv-Auswahl aus der Grabbelkiste
des Groschenromans, sprachlich dümmliche Dialoge, ins Rampenlicht gezerrte Albernheit
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zeugen von einem Mordplan an der Begabungsstruktur des Genies an sich, dessen Ergebnis
das fiktiv inszenierte eines Salieri weit unterbietet!
Das Werk:
Salieri, eine Art Plagiator, neidet einem albern agierenden Kalb „Mozart“ die Erfolge bei
Hofe, die Popularität bei den Wienern, die „Genialität“, die vom Kaiser geduldete
Dreistigkeit, Salieri öffentlich korrigieren zu dürfen – kurzum, die Posse, die auf dem Parkett
der Häme tollt, wurde inszeniert, um dem Bedürfnis der Normativen Futter in den Hals zu
werfen: „Genie und Wahnsinn liegen nun einmal dicht beisammen“, erzählt der Aberglaube,
„und zwischen beiden pendeln die „Genies“ hin und her und sind doch nichts Besseres als
Possenreisßer, die sich bedenkenlos der Lächerlichkeit preisgeben, können sie nur damit
auffallen“. Denkt so das Volk?
Was man als „Leben am Hofe“ dem Volke, vor allem dem US-amerikanischen, vorspielt,
widerlegt den Glauben, Regisseure verstünden von dem Milieu etwas, in welchem sie ihre
Schauspieler agieren ließen. Im Sinne des Sozialismus sind auch die Damen in ihren
kostbaren Roben, die Herren mit ihrer „Ehrerbietung“ nicht besser als das gemeine Volk auf
der Straße.
Es gibt unzählige Szenerien aus dem Hofleben. Von dieser Gesittung aber soll der Zuschauer
sich schaudernd abwenden können. Nein, da lebt es sich im Tanze um den Kühlschrank
wesentlich realistischer! Und so sollte es auch verstanden werden: Welche Arroganz, welches
Theater um eine solche Lachnummer „Mozart“, wenn es doch nur um einen Tagträumer geht,
und was für ein Popanz Salieri, der ihm diese „Kunst“ auch noch neidet!
Eingestreute Originalmusik, von Neville Marriner dirigiert, soll Seriösität vorgaukeln, aber
unter diesen akustischen Sahnetupfern stinkt der Misthaufen bösartig präsentierter
Lächerlichkeit „Künstlertum“, wie es die Schadenfreude seit jeher kreiert haben will.
Man glaubt vielleicht, Europas Restauration habe dieses Machwerk böser Verleumdungen in
Auftrag gegeben, um erklären zu können, warum sich der Wiener Hof um dieses Salzburger
Frettchen nicht zu kümmern brauchte – um keines dieser Art!
Die Schlußszenen belegen eine pikante Gesinnung: Das „Begräbnis“ Mozarts in einem
Armengrab sieht vor, dass der in eine Hülle eingenähte Kadaver aus einem Mehrwegsarg
durch eine Klappe in die Grube rutscht und jemand, trotz heftigen Regens, staubigen Kalk
hinunterschaufelt und seines Weges davontrollt. So hätte man es doch auch gern gesehen: Am
Ende fliegt der historische Abfall auf den Müll, und der Adel feiert seine Feste wie jeher
ungerührt auf Kosten des Volkes!
Aber so ganz stimmt dieses böse Märchen nicht: Beethoven bezog von drei, später zwei
namhaften Fürsten Wiens eine Jahresrente, die ihm erlaubte, nicht um jede Partiturseite oder
um irgendwelche affigen Comtesschen die Queue machen zu müssen. So durch die
Nasenlöcher haben eben nicht alle Adeligen ihre Verantwortung betrachtet! Das war noch die
schöne Märchenzeit, als nicht das Geld, sondern bisweilen noch Gewissen Werte schuf –
wenn auch mit peinlichen Aussetzern, aber häufig doch verlässlicher als die PseudoFilmkunst unserer Tage!
Der ethische Aspekt:
Wozu wird eine solche Fehlgeburt der Filmbranche überhaupt ins Leben gezerrt? Was fängt
man mit einem Personenkreis an, dessen Welt doch so unverständlich neben der „Realität“,
dem „praktischen Leben“ nutzlos daherläuft? Wem soll diese misslungene Persiflage auf den
höfischen Ton, auf Etikette, auf Fachkompetenz, auf den tiefen Ernst in den Werken der
Kunst nützen?
Was für alberne Szenen, wenn sich der Kaiser mit Mozart um dessen Operninhalte streitet! So
hat das nie stattgefunden! Wer stellt sich das so vor?
Spielt man uns ein Märchen vor? Europas „Kultur“ als Märchenspiel? Auf welcher
Begrifflichkeit fußt dieser Unfug?
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Von Mozart gibt es zwei österreichische Produktionen, zum einen „Wen die Götter lieben“,
zum anderen „Reich mir die Hand, mein Leben“, aber in beiden Filmen weiß man mit der
Gesittung bei Hofe und dem Leben der einfachen Leute sehr sicher und historisch fundiert
umzugehen. Natürlich spielt auch da die „Romantik“ eine Rolle = gemeint ist eine gewisse
Hartnäckigkeit, im Topfe der Emotionen heftig zu rühren – aber der Würde des Genies wird
man in jedem Falle gerecht. (Gefährlich wird es, wenn Ewald Balser Beethovens Ertaubung
als Moment-Ereignis spielen muss und damit Tragik vom Zaune reißt, die sich in Wahrheit
über Jahre zuspitzte!)
Wir kennen großartige amerikanische Regisseure. Dass dieser Zusammenbruch eines ganzen
Genres mit acht Oscars überkleistert wurde, beweist nur, dass man auf ein solches Machwerk
nicht nur längst gewartet hatte, sondern dass diese Peinlichkeit ver-mutlich bewusst bestellt
worden sein muss. Um solche Provokation des gesunden Menschenverstandes zu schützen,
umstellt man so etwas mit 8 Oscars.
Dieses Exkrement kleinbürgerlich gehässiger Phantasie bedurfte keines genialen Regisseurs,
denn sonst wäre vielleicht noch etwas Sehenswertes daraus geworden, son-dern eine käufliche
Kreatur, die dem Dilettantismus zu verordneter Geltung helfen sollte. Das ist der Bodensatz
des modernen Regietheaters, aus dessen Vermoderung immer erbärmlichere Entstellungen
das Schamgefühl der Ästheten verletzen sollen.
Da gibt es den hinterhältigen Verweis der Musikkenner, die meinen, damit könne man
besonders der Jugend die „Klassik“ wieder näher bringen. Tatsache ist, dass man mit dieser
Art Musik die Drogensüchtigen und Kriminellen aus bestimmten städtischen Regionen
vertreiben kann. Kritische junge Menschen mögen sich zwar dem Zwecke dieser Darbietung
öffnen, sind aber durch ihren Gruppenzwang nicht mehr in der Lage, sich gegen den
„Geschmack“ der Trendbestimmenden und –nachäffern ein eigenes Leben erlauben zu
können. Und wenn sich der Deutsche Musikrat mit VIVA und MTV in ein Boot zu setzen
gedenkt, muss sich niemand mehr wundern, warum das Volk verdummt, während man ihm
einredet, es werde wissend über die eigentliche Größe eines als Genie herausgestellten
Komponisten. Hören wir Albert Schweitzer: „Der heutige Mensch ist ein trunkener Söldner,
der sich sowohl für das Hohe wie das Gemeine anwerben lässt“.
Dieser Film ist ein organisierter, höchst aufwendiger Verriss und gehört demaskiert – was ich
hiermit getan habe.
Der schöpferische Vollzug:
Nicht nur Musiker oder Dichter haben ihre Verantwortung vor der Wirkung, die von ihren
Werken ausgeht – erst recht das Theater in all seinen Variationen muss sich dieser
Verantwortung beugen und stellen wollen – und können. – Dieser Film kann es nicht, und er
soll es auch nicht können, denn er soll alle Maßstäbe für Kunst, Musikwissenschaft und
Geschichte vor dem Volke zertrümmern.
Salieri als abgetaktelter Räsonnierer, der über Mozart wohl den Verstand verloren haben
könnte, wird benutzt, um die Gegensätzlichkeit beider Charaktere noch höher zu schrauben! –
Heraus kommt ein Klamauk des verleumderisch Hässlichen, der inthronisierten Banalität, das
Befummeln einiger „Ohrwürmer“ mit klebrigen Fingern der Heimtücke – das zu bestellen,
das zu wollen, das ernsthaft als betrachtenswert seinen Schülern in die Herzen zu empfehlen,
beweist uns, wie fernab die Reizschwelle für das auslösende Moment eines schöpferischen
Impulses gerückt werden konnte.
In der wabernden Brühe akustischer Geschwülst-Tümpel nimmt sich Mozarts letztes
Lebensjahr als inszenierte Geschmacklosigkeit extrem finster heraus – es gruselt einen,
vergleicht man dies mit jener Szene aus „Reich mir die Hand“, in der Mozart den
Kompositionsauftrag für das Requiem mit jenem über den Dingen stehenden Tonfalle wie
leichthin entgegennimmt, weil er etwas zu beißen haben muss, weil die Familie überleben
soll, koste es seine Gesundheit – aber etwas anderes, Bestandsicherndes drängt von innen
heraus und kommt dem Auftrage gern entgegen. Was räsonniert aber Salieri in diesem „Film-
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Epos“ der rachsüchtigen Verschwörung gegen die Kunst? Und was inszeniert man für einen
affektiv gesetzten künstlichen Klamauk – wie einen Jahrmarkt des Amüsements - um wirklich
jeden Preis?
Tröstlich empfindet der Zuschauer die längeren Sequenzen zwischen den erotisch-anstößigen
Werbeblöcken: Zu so später Zeit werden die „Besucher“ wohl auf einschlägigere Kanäle
umgeschaltet haben?
Der Film entbehrt jeder Spannungsbögen, flicht keine Bezüge zu vorher und nachher, sondern
kittet eine Dummheit an die andere und hofft, dass soviel Dreck im Kopfe bleibt, dass man
sicher sein kann, an diesem Mozart hat die Straße ihr Ergötzen – denn dieser Clown hat ihr
nichts mehr voraus.
Wie würde der Ostfriese knorrig bemerken?
„Sull man läwer Tuffels rüden!“ (Er hätte besser Kartoffeln roden sollen!)
Rastlosigkeit treibt den Akteur Mozarts vor den Kameras her durch die Szenen seiner
Entwürdigungen, spiegelt mangelndes Verständnis seiner Zeitgenossen, aber stellt doch die
Identität des Zuschauers gerade mit diesen Kulturbanausen unablässig wieder her!
Abstoßend hören wir Mozarts Lache, historisch verfälscht Schikaneders Einwände gegen
Mozarts Requiem, hilflos die Interventionen Konstanzes, über deren weiteres Leben nach dem
Tode ihres Mannes die Forscher wenig Lobendes zu schreiben wissen – in dieser
Rumpelkammer der Kostüme und Rollenverwechslungen kann kein Sonnenlicht eindringen –
es störte ja doch nur.
Im Filme „Quo vadis“ verabschiedet sich Petronius von Nero, indem er nicht die Anklage
gegen eine Bestie formuliert, sondern als größtes Verbrechen deren Anspruch zurückweist,
ein Künstler gewesen zu sein! Sollte je die Menschheit objektiv vergleichend über diese
Kaugummi-Zelluloid-Katastrophe ins Gericht gerufen werden, möge ihr Urteil über
Drehbuch, Regisseur und Schauspieler das nämliche werden. Für solche Scheusale darf man
selbst das dekadente Rom nicht einäschern lassen – für niemanden, wer auch immer es für
sich angemessen hielte!
Überschrift
A beautiful mind – Genie gegen Wahnsinnige
Junger Mathematiker erlebt „Halluzinations-Stress durch Überreizung und Versagensangst.
Seine Leistungsfähigkeit gewinnt zunächst die Oberhand, aber seine Persönlichkeit vermischt
die materielle Realität mit der der Vorstellungswelt. Diese drängt sich förmlich auf, ergreift
Besitz von der Psyche des Kranken und dirigiert ihn in eine Scheinwelt, in der Prozesse
ablaufen, die sich der eigentlichen Realität und ihren Herausforderungen feindlich
entgegenstellen.
Raffiniert wird der Zuschauer auf den Leim geführt, und weil er glaubt, es habe sich
tatsächlich so zugetragen, sitzt der Schock um so tiefer, und die Angst, Genie und Wahnsinn
lägen nun mal dicht beieinander, erzeugen die gewünschte Vermischung von gesunder Eidetik
mit Schizophrenie.
Auch die Heirat schützt nicht vor dem Zusammenbruch, sondern es drohen
Verfolgungswahn und Psychiatrie, Insulinschocks und Rückfälle, der Status des
Behindertseins, und es bleibt das lebenslange Provisorium zwischen erwünschter
Realitätseinschätzung und der strikten Ablehnung der „alten Freunde aus grauer Zeit“. So
geht der Nobelpreis an den stets gefährdeten Nash und von dem an die Ehefrau –
verdientermaßen, denn ihr ist zu verdanken, dass die Familie mit der Behinderung
Schizophrenie zu leben gelernt hat.
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Wie aber wäre die Geschichte zu werten, wenn Nash tatsächlich für den Geheimdienst
gearbeitet und dann irgendwann versucht hätte, wieder ins bürgerliche Gelehrtenleben
umzusteigen? CIA und KGB schreiben doch in Fällen der Systemkritiker die gleiche Sprache!
Das Märchen „Rotkäppchen“ - einmal auf maskuliner Schiene:
Es war einmal ein männliches Rotkäppchen, das sich, nach Jungen Art, auch mal allein zur
Großmutter traute. Unterwegs begegnete ihm der böse, alles fressende Wolf. Der versprach
für Großmutter die schönsten und seltensten Blumen auf lauschigen Waldwegen. Das wirkte:
Rotkäppchen pflückte - eine ganze Fensterfront seines Zimmers in einen unersättlichen Korb.
Er plauderte mit seinen Freunden - den unsichtbaren Wegbegleitern des Genies, die kommen,
wenn man sie ruft! Und darüber verging die Zeit.
Statt der Großmutter fand der Junge Nash den gefräßigen Wolf im Bett: Der hatte die arme
Großmutter schon längst verschlungen. Jetzt war der um Hilfe kreischende Rotkäppchenjunge
dran.
(Was das Märchen zaghaft verschweigt: Der Wolf hatte sich - als eine Art gnadenvollen
Aufschubes - Kuchen und Wein von dem vor Todesangst zitternden Jungen servieren und die
kostbaren Blumen in die Vase stellen lassen, - Jetzt aber weiter):
Dann nahte der Förster, der immer zu spät kommen muss, und der ließ den Wolf laufen und
belehrte die befreiten Opfer, dass dies alles nur ein böser Traum gewesen sei, von Nash selbst
geträumt und inszeniert, weil er sich mit seinen unsichtbaren Freunden zu sehr eingelassen
habe. Dass es böse Freunde seien, zeige schon, dass die ihn nicht vor dem Wolf gewarnt
hätten! Und Nash, der das nicht glauben wollte, bekam jeden Tag den Hintern versohlt und
musste schwören, solche Freunde nie wieder sehen zu wollen. Erst danach durfte er wieder zu
seiner Mutter heim.
Unsichtbare Freunde kennen unsere Kinder, indem sie mit ihren Teddys, Stofftierchen oder
Puppen sprechen und mit ihnen Zärtlichkeiten austauschen, welche die Welt der Erwachsenen
in dieser Intensität nicht kopieren könnte. Das Genie Goethe beschreibt seine Gespräche mit
Gedankenfreunden, und Broder Christiansen nutzt diese Kenntnis für seine Schüler, indem er
ihnen sogar empfiehlt, mit solchen Gesprächspartnern zu arbeiten, und das könne jeder, sei
also nicht notgedrungen das Privileg der Genies. - Schließlich besteht die gesamte Prophetie
des Alten wie des Neuen Testamentes aus derartigen „Gesichten“, und es gibt überhaupt
keinen Grund, die Eidetik, also die Fähigkeit, in der Vorstellungswelt sich das Reich der
Seelen erschließen zu wollen, zu verteufeln.
Hingegen entstehen durch Überanstrengung krankhafte Zwangsvorstellungen, etwa wie
beim Fieber, gegen die sich der Patient nicht wehren kann, und diese quälen ihn. Sie fordern
ihn zu Handlungen heraus, die den Bedürfnissen der materiellen Welt, in der sich der Mensch
ja bewähren muss, keinesfalls zuarbeiten. Sie blockieren das schöpferische Denken und
spannen es in Rahmenbedingungen, die ein Genie sowieso nicht und ein hochbegabter
Wissenschaftler freiwillig auch nicht eingehen würde.
Die Geheimdienste der Weltmächte kennen das Mittel, absprungbereite Mitarbeiter in
einem Kokon der Unglaubwürdigkeiten weiterleben zu lassen, wenn sie sich aus gewissen
geistigen Kräften ihrer kontrollierten Aussteiger noch Wertvolles erhoffen, auch wenn sich
der Patient nicht mehr vereinnahmen lassen will. Dazu wird das Opfer für schizophren erklärt,
so dass es nicht nur unter ständiger Fremdkontrolle vegetiert, sondern sich selbst ständig in
Zweifel ziehen muss, damit es in Freiheit einigermaßen weiterleben kann.
Im Erntfalle kann Schizophrenie, wenn sie in der Form tatsächlich vorliegt, wie wir sie bei
John Nash deklariert bekommen haben, als Behinderung akzeptiert werden. Nur lebt diese
Persönlichkeit in eigenem, fast unerträglichen Gespaltensein. Denn eine solche Behinderung
kann nur durch die umsorgende Liebe eines oder mehrerer Vertrauter als lebenswert
empfunden werden. Und genau aus dieser Sphäre wirken die Seelen in der Vorstellungswelt
der gesunden Eidetik! Dass jemand an diesem Zwiespalt, das Gute zu wollen, aber nicht in
seiner völligen Bestätigung leben zu dürfen, überhaupt erträgt, verdient den
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Friedensnobelpreis - gleich zweimal, und nicht nur den für Physik, Mathematik oder was
sonst noch!
Vor der kardinalen Fehlleistung dieses Kinomachwerks soll noch gewarnt werden:
Genies sind die Verbindung von hoher Begabung und schöpferischer Sonderbegabung, über
die nur ca. 12 von hundert Menschen verfügen. Talente mit noch so hohem IQ mögen kreativ
sein - schöpferisch-genial sind sie deswegen noch lange nicht. Bezeichnen wir die Talente als
„Realisten“, dann sind die 12 % die Schöpferischen. Der Film setzt offensichtlich den 88 %
Realisten einen Triumphbogen, und insofern brauchen wir uns auch darüber nicht mehr zu
wundern, dass die „Spinnerten“ ,als Gehirnakrobaten verengt ausgemacht, von Natur aus
leicht durchdrehen können. Mein Vorschlag: Wenn die Realisten immer in der Sonne des
Lebens gestanden haben, wäre ein Tropenhelm da wohl ein sicherer Schutz gewesen?
Der Film grenzt nicht die Schizophrenie gegen die Eidetik ab, sondern nährt den Verdacht,
dass letztere keine verstandesmäßig nutzbare Form, den Lebenssinn zu begreifen, darstellen
könne. In Wahrheit bedient sich der CIA jedoch auch der „Hellseher“ oder anderer Exemplare
der Esoterik. In diesem Falle wäre der Film ein dilettantisches Ablenkungsmanöver.
Die Bereiche kindliche, schöpferische und religiöse Vorstellungswelt werden gar nicht
angesprochen und deren Einflüsse in Betracht gezogen oder gar zu Heilungszwecken dem
Patientien nahe gebracht. Die Wurzeln zu Nash´s Kindheit werden somit radikal gekappt; der
Unglückliche, an akademischen Haltevorrichtungen vertikal gerichtet, vegetiert fortan in einer
chemischen Nährlösung.
Nash wird uns als eine Persönlichkeit geschildert, bei der, wie bei allen intellektuellen
Förderprogrammen, nur die eine hochgezüchtet Blüten und Früchte treiben soll, ohne die
Gesamtheit des Menschen sich ausleben zu lassen.
Der Film erkennt den Unterschied zwischen intellektueller Hochbegabung und Genialität
nicht und verwechselt so die Motivationsherde.
Von den lebensnotwendigen Interaktionen der Schöpfungskerne (= Seelen) zwischen
verschiedenen Zeiten / Räumen weiß man offenbar zu wenig und stellt solche Möglichkeiten
in ihren Auswirkungen als schädlich dar.
In seiner Eigenschaft als Warnung gegen jede Art genialen Alleinganges bedroht dieser
Oscar-Hit das elementar gesteuerte Selbstver-ständnis der kindlichen, der genialen wie der
prophetischen Funktionen. Statt ihrer setzt er Rahmengesinnungen für das Verständnis einer
Weltordnung, die zweckgebunden dem Wohlergehen Auserwählter, Besserwissender,
Spitzenreiter der Gesellschaft zuzuarbeiten haben. Ich blaibe dabei: Es ist ein
kinomatographischer Ausflug in die Untiefen der flachen materiellen Realität, den Untiefen
entgöttlichter Universalität der Vorstellungswelt, der Gedankenfreiheit, der Phantasie, von
mir aus. Zugleich wird ein schauerliches Szenarium entrollt, das jenen blüht, die sich weigern,
an die nur eine Gegenwart zu glauben, in der auch Genies sich an die schon vorgegebene
„Realität“ zu halten haben. Die Harry Potters dürfen eben nur in den Schlössern ihrer
kindlichen Irrealitäten zaubern, bevor sie in das „wirkliche Leben“ zurückgeschickt werden
können. Und da braucht man keine Zaubermittel, egal, wie viele es davon auf dem Markte
auch gäbe! - Wie niedlich!
Ein Gruselfilm der Formalwelt egozentrischer Gottesferne, in der die Seele durch die
Finsternis der Einsamkeit zu jammern hat?
Nicht mit uns, ihr Irrenhaus-Realisten - ihr Zeremonienmeister Eurer Hybris, Eurer
Formelhaftigkeit der normativen Geometrie der kalten Endlichkeit! Lebt mit Euren
Gummizellen des pharmazeutischen Aberglaubens! Denn die Ewigkeit hat ihre eigenen
„Räume“, deren Grenzen sich vor dem Erlebnis der Gottesnähe auflösen müssen.
Wer keine „Phantasie“ hat, kann diese Räume sowieso nicht ausmessen. Und wer sich in der
Vorstellungswelt auskennt, gibt sich vor dem, was sich dem Denken eröffnet, staunend
geschlagen.
Flachwurzler halten solchen Seelen-Orkanen nicht stand. Lasst uns also gefälligst in Ruhe!
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Überschrift:
A Town torn Apart
Vorbemerkungen
Der Publizist Littky fährt ein Leben am Rande der kleinstädtischen Peripherie und lebt mit
einer Musikerin die Freiheit in Eigenverantwortung, als ihm auffällt, dass die Schule dieser
Stadt zu einem Kampfplatz des Faustrechts verkommen ist. Als der Leiter resigniert seine
Koffer packt, meldet sich Littky für diesen Posten und wird, auch auf Grund seiner
exzellenten Zeugnisse und Zertifikate, eingestellt. Da er in dieser Arbeit sein Privatleben
komplett aufgeben muss, zerbricht die Beziehung zu seiner Cello spielenden Lebensgefährtin
– nicht im Streite, nicht in den üblichen Vorwürfen wie „Ich bedeute dir gar nichts – anderer
Leute Kinder sind dir ja wichtiger“ – das hören wir nicht. Aber man begreift dieses Opfer und
verfolgt zunächst mit fragendem Nachdenken den Verlauf seines Ringens. Am Ende siegen
Idealvorstellungskraft und das Zusammenwachsen von Schülern, Lehrerkollegium und
Rektor. Diese Stadt hat ihr Kulturzentrum wieder erreicht, denn von hier aus gehen jeden Tag
Ideen für Verbesserungen der Lebensverhältnisse in die Vorstellungswelt der
Außenstehenden. Diese Schule ist ein Stein, der ins Wasser fällt und immer größere Ringe um
sich her verbreitet. Denn jeder Schüler wird hier angenommen, wie er tatsächlich ist, nicht,
woran er zerbrechen müsste. Ein solches Schulprojekt schreit nach Verbreitung. Aber wir
scheinen unter Taubgewordenen zu leben ….
Das Werk
Eine U.S.amerikanische Schule in ihrer letzten Phase der Selbstauflösung wird durch Energie
und Einfallsreichtum eines Ausnahmepädagogen auf den Zustand eines
überdurchschnittlichen Bildungsinstituts erhoben, indem er sowohl die Lehrerschaft als vor
allem auch die Schüler neu motiviert und das Gebäude zu „ihrer“ Schule aufwerten lässt.
Auch hier wühlt die Bigotterie und der Hass gegen Können und Erkennen eines Fachmannes
und mobilisiert einen harten Kern des Widerstandes zu aktivem Boykott. Gericht und
schließlich das herbeigeführte Plebiszit der einsichtigen Elternmehrheit blockieren diese
Störmanöver und ermöglichen ein reibungsloses Arbeiten
Der ethische Aspekt
Der neue Rektor Littky setzt seine Gesamtpersönlichkeit für die Reanimation dieses Schul„Betriebes“ ein und reißt die jungen Menschen im Soge der Begeisterung zu ernsthaftem
Selbsteinsatze von ihren Stühlen der Apathie. Er vermittelt ihnen das Bewusstsein, eine Tür in
sich zu ihren Begabungen und ihrem ethischen Entscheidungsvermögen öffnen zu können,
wenn sie sich den Schlüssel dafür selbst holen – und sie finden ihn!
Die Methoden Littkys entsprechen den großartigen, rasch und bleibend abgedrängten Ideen
der deutschen Reformpädagogen und deren Musterschulen, in denen am Staatsbetriebssystem
Schule vorbei Kinder in Lernbedingungen geleitet werden, unter denen sie aufblühen und sich
zu Persönlichkeiten entwickeln dürfen, die krisenfest werden. Das wurmt, wie man sich
denken kann, die Verfechter von „Disziplin, Tradition, Ordnung, Zucht, Werte“ …. – wir
kennen den Hülsen-Jargon!
Der schöpferische Vollzug
Manipulierbar ist, wer in Handlungsohnmacht gehalten wird – eine Art Entscheidungskoma,
das künstlich erzeugt wird, indem man den Kindern das Rückgrat bricht. Solche Opfer sind
auch von Pädosexuellen leicht greifbar und können „verbraucht“ werden, wie es den
Schurken gerade recht ist. - Reformpädagogik entwickelt Lehr- und Lernmethoden, in denen
Eigenverantwortlichkeit und Wahlfreiheit des gerade zu Leistenden die Grundlage bilden, und
ganz sicher sind solche Kinder gern bereit, zu Ausnahmeleistungen aufzusteigen, wenn ihnen
das Ziel entsprechend viel bedeutet. Littky stellt ihnen dieses als erreichbar in Aussicht, und
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die Lehrerschaft räumt den Dschungel der Vorurteile und üblen Nachreden auf, damit es nicht
zur Quälerei wird. Das hierarchische Prinzip wurde, sehr zum Entsetzen der Frömmler und
Spießbürger, über Bord geworfen und die allumfassende Zuneigung zu Förderbarem und
Förderern zur Grundlage der jungen Menschen erhoben. Wir stufen diesen Film als
pädagogisch sehr wertvoll für angehende und amtierende Lehrer ein, die noch nicht aufgeben
wollen. Daher dränge man auf die Ausgabe in deutsch-synchronisierter Fassung!
Albert Schweitzer – der Film in restaurierter Fassung
Vorbemerkung:
Armut durch Benachteiligung ist hierarchischer Bestand einer Lebensordnung, die ihren Zoll
von jedem fordert, der sich in ihrem Einflussbereich befindet. Da sich diese Systeme in allen
Erdteilen ähneln, ist es eigentlich gleich, wo man die Axt an die Wurzel der Ausbeutung legt.
Wer das unternimmt, kämpft nicht gegen Windmühlenflügel, sondern gegen erbitterte
Gegner, und er wird verlieren, wo er in dieses verderbliche Planen einzugreifen versucht.
Der bessere Weg ist, eigene Pläne zu entwickeln und im Ausweichen auf Gebiete, die für die
Täter uninteressant sind, deren Durchsetzung zu verfolgen.
Schweitzer entschloss sich, nach Afrika zu gehen, als er die akademischen Möglichkeiten
seiner Ethik genügend studiert hatte. Das Lehren allein ist nicht die Lösung: Es entscheidet
die Tat. Dazu ist jeder Mensch fähig und berufen, und sei es im kleinsten Beginnen. Zu dieser
Charakterleistung jemanden zu befähigen, gibt dem gemeinschaftlichen Streben seinen Sinn. .
Schweitzers Tätigsein gegen den Strom seiner Kritiker hat bis heute, wie Sie sehen, ihre
Sogwirkung nicht verloren. Womit kann uns der Film also speisen, dass er „neu“ aufgelegt
wurde?
Das Werk:
Bislang war nur die VHS-Kassette im Handel erhältlich. Als ich den Film das erste und
einzige Mal im Kino sehen durfte, entdeckte ich eine Klientel der Zustimmenden und einiger
Neugieriger. Es war Schweitzers Stimme, die in elsässischem Tonfalle über Ursprung, Quelle
und wachsende Tatkraft zum Dienst am Nächsten berichtete.
Als ich den Film im Religionsunterricht der OS den Kindern vorstellte, brach eine Schülerin
in Tränen aus – die Klasse respektierte das, es kam kein bissiger Kommentar.
Lambarene ist die Initialzündung, durch die dann andere humanitäre Tatkräftige ihren Dienst
an den Aus-gestoßenen vornahmen. Der Bann war gebrochen, dass man es seinem Stande
oder seinem Ansehen schuldig sei, sich nicht „unter das gemeine Volk“ zu mischen. - Freilich
hat man in Westdeutschland nicht versäumt, das Gift des Neides und der Schmähungen über
dem international geachteten Ruf Lambarenes aufzuhäufen. Noch heute liest man immer
wieder Attacken gegen Schweitzer, klägliche Versuche, ihn niederzuziehen.
Der ethische Aspekt:
Der Grund mag vielschichtig sein – wir konzentrieren uns auf den einen: Schweitzers Ethik
der Ehrfurcht vor dem Leben ist das weltweit aktive Gewissen der Menschheit gegen die
räuberischen und mörderischen Machenschaften seiner Gegner, der Tierhalter, der
Genmanipulanten und der Lebensmittel-Monopolisten. Wäre die Politik stark und selbständig, könnte sie der Hydra alle Köpfe gleichzeitig abschlagen. Aber es geschieht nichts – aus
bösem Grunde! Was sich irgend verändert, ist eine jeweilige Vierteldrehung an der Schraube
gut funktionierender Mißstände, und damit können Persönlichkeiten wie Schweitzer, Jahn,
Raiffeisen oder andere Weichensteller nicht leben. Und das müssen sie auch nicht.
Also ist es wichtig, das Zeugnis der immer besser funktionierenden Ethik der Ehrfurcht vor
dem Leben in den Gesellschaften aller Länder in unverbrüchlicher Frische kursieren zu
lassen, und somit hat man die Spur zu diesem Film der Erika Anderson wieder aufgenommen.
Der schöpferische Vollzug:
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In der Regie Jerome Hills, eines sehr talentierten Filmschaffenden und zugleich Geldgebers,
konnte die Urfassung Ende der fünfziger Jahre erstellt und in die Kinos gebracht werden. Mit
der VHS-Speichermöglichkeit war dann der Privatbesitz ein weiterer Schritt, diesen
Gesinnungsschatz zu bergen, wenn nicht sogar zu verbergen, denn die später erfolgten
Filmstories um Schweitzer waren geplante Entstellungen seiner Persönlichkeit, mit dem
Zwecke, sie jederzeit angreifbar zu machen. (vgl. „Amadeus“).
Zu bescheiden reagierten die Freunde und Lordsiegelbewahrer seines Lebenswerkes, zu
versöhnlich und beschwichtigend, so dass man Schweitzer leicht aus dem Bewusstsein der
Jugend verdrängen konnte. Das Fern-sehen nahm immer wieder die Witterung auf und
stänkerte, damit das Interesse an diesem Manne auf Sparflamme gehalten wurde, konnte man
sie nicht gar löschen. Aber auch im TV gab es Fürsprecher!
Die Restaurierung dieses unschätzbaren Dokumentes ist großartig gelungen; letzte technische
Schwächen werden durch die übermächtige Fülle des Inhaltes spielend übertroffen.
Was immer der aufflammende Neid in eine TV-stupide Verbraucherzone posaunen mag: Wir
rufen ihnen mit Spengler zu: Nicht meckern: Schafft Ebenbürtiges, oder schweigt für immer!
Aber der Wolf muss heulen, und die Bosheit sammelt die Spiegel ein.
Also auf Selbsterkenntnis keine Hoffnung? Aber sicher doch: Hier ist der Beweis!
Michael Gees – der Tod und das Mädchen
Vorbemerkung:
Im Begleitheft einer seiner CD´s („Michael Gees spielt“) erläutert der Komponist und Pianist
seinen Lebensweg, weniger seinen Werdegang. Dies hat seinen Grund darin, dass dieses
Werden ein in sich ruhendes Programm war, das sich nicht in vertikaler Anerkennung seiner
steigenden Leistungen hätte artikulieren sollen. Die Begegnung mit dem 11-jährigen in der
Oetker-Halle und danach bei der Familie Gees zu Hause hatte den einzigen Zweck, den
Impuls eines Außergewöhnlichen aufnehmen und „speichern“ zu können. Gewiss waren
unsere Lebenswege unabhängig voneinander nicht karrieregeschniegelt, sondern prägend
bestimmt, aber in der Durchsetzung seiner Botschaftsgewissheit muss man auf niemanden
mehr hören, dessen Sendefrequenz nicht für einen bestimmt ist.
Das Werk:
Der Tod trifft auf die Schönheit, die Vergänglichkeit und vor allem die ahnungslose
Lebenssicherheit eines jungen Menschen, um sie abzuholen, um vielleicht auch zu
dementieren, er sei entsetzlich, er, der wilde Knochenmann, die Geißel des Lebens. Gees
begleitet, so will es die Komposition, den Sänger, der von der ekstatischen Angst des Jetzt zur
fundamentalen Tiefe des Seins von einer zur anderen Strophe zu wechseln hat. Sängerisch
eine Herausforderung, erwartet man vom „Begleiter“ am Flügel die dramatische Stütze.
Hier begegnen wir Gees: Er erfüllt keine Funktion, sondern reichert den Gesamtausdruck
durch die Autonomie seiner eigenen Dramatik an. Es ist Gees´ Wesen, nicht eine
Komposition auf ihrem Postamente zu verehren, sondern ihr die Möglichkeit zu verschaffen,
von der Aussagestatik in die Entwicklung in die gegenwärtige Zuhörerschaft zu wachsen.
Kunst ist also nicht Dokument mit festgefügter Botschaft. Die rühren weder Gees noch
Loussier an. In der Nachgestaltung ruhen die Mittel, die Botschaft des / der Interpreten zur
Symbiose mit dem Werke selbst zu wecken. So verhindert man das Zelebrieren einer
Verkündigung, sondern steht als ihr Mittler in voller aktiver Verantwortung für deren
Wirkung.
Der ethische Aspekt:
Der gereifte Künstler sieht in der Werksinterpretation die Verpflichtung, dem Komponisten
„nicht dazwischenzukommen“, sondern sich als Diener am Werke den beabsichtigten
Aussagen zu beugen. Sofort droht die akademische Hierarchie, das Verfügen über richtig oder
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falsch, und so bindet man dem schöpferisch Aufbereitenden durch das Regelwerk der
verbrieften Forschung, sich in Regionen der Erkenntnis und Tiefen eigenpersönlicher
Einbindung zum Botschafter erheben zu können, der weiß, was sich hinter dieser tatsächlich
zum Leben erheben kann und wird.
Gees schiebt derartige Blockaden zur Seite. Sein Programm, mit Laien und Kindern zu
arbeiten, will Spontaneität, Originalität, Forscher- und Entwicklungsdrang, und so gibt es
Aufnahmen vom Komponisten, die er als Improvisationen vorstellt und die eine Art fahrenden
Zug darstellen, auf den man aufspringen kann, wenn man Mut genug dazu hat. Es ist eben
kein Paternoster, sondern die Expansion in der Horizontalen, vom Kern ausgehend.
Der schöpferische Vollzug:
Die eigene Erfahrung mit Kindern auf schöpferischem Aufgabengebiet hat gelehrt, dass wir,
lassen wir den jungen Menschen alle Freiheit des Entdeckens, Erprobens und Vollendens, in
Gebiete geführt werden, die wir selbst nicht entdeckt haben würden. Es sind also
Impulsträger, die nur darauf warten, das bestehend Erstrangige durch die Wand von Zeit und
Raum im Universum aller schöpfeerischen Denkfähigkeit spazieren zu führen. Sie tun es mit
einer Selbstverständlichkeit, die Gees nicht kopiert, sondern mit den Grundzügen seines
Wesens in Einklang bringt. Was er ist, kann er anderen befreien. Verbrüderung durch die
Kunst ist jenseits aller Begabungsprofile, denn je näher an der Schöpfung, desto
symbiotischer das Zusammenwirken aller wahren Künste.
Rezensionen in der Warteschleife:
Zur Erläuterung:
Die Rezension „Herr der Fliegen wurde von amazon nicht publiziert. Ein Ringen um
Erklärung kommt nicht in Frage: Hatte ich mich gegen das Verlegertum und ihre
Lektorenhäme entschieden, werde ich an anderer Stelle nicht neue Breschen zu schlagen
versuchen. Inzwischen gehen die Publikationen in die nächste Runde.
Eine ganz andere Waffe hat sich inzwischen bewährt. Hieß es vormals: Die Partei hat immer
recht! – so schielt man heute nach dem Angesagten, nach dem, was „correctness“ jeder Art
bedeutet, und kommt zu der Erkenntnis: Das Kollektiv hat immer recht.
Von hier aus wird der perfide Plan umgesetzt, einen nie gekannten Kulturpessimismus als
Schimmelpilz des Selbstwertempfindens unter das Volk zu blasen. „Wer liest das schon?
Warum machst du das überhaupt? Was bringt dir das ein? Willst du etwa so berühmt werden
wie Michael Jackson?
Werte und Maßstäbe haben sich zum gemeinsamen kleinsten Nenner nach unten verschoben.
Alle meinen es gut, alle finden, was man künstlerisch hervorbringt, „großartig“, nur raten sie
im nächsten Atemzuge ab, sich Hoffnungen darauf zu machen, dass das jemanden
„interessieren“ könnte.
Indem man die Hände in den Schoß legt und den Kopf in den Sand steckt, hat der Leitwolf
das Heulen, hat das Rudel seine Sicherheit, gibt es keine Zweifel mehr, was richtig oder
falsch ist.
Somit sind die von mir veröffentlichten Rezensionen der Sand, mit dem man bei Glatteis der
Meinungsunsicherheit streuen kann. Für die Sanduhr taugt er nicht; wer will schon wissen,
wann der Kultur die letzte Stunde schlägt?
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Wenn niemand mehr an einen glaubt, niemand mehr begreift, was der Kern einer
künstlerischen Botschaft ist, wird Kulturverfall Gegenwart.
Nicht an diesen Kulturpessimismus seinen inneren Auftrag abzuliefern und sich lebendig
begraben zu lassen, veranlasst mich, meine publizistische Tätigkeit fortzusetzen. Zugegeben,
ein Lambarene der Tat hätte mir wohlgetan, dort hätte ich wirken können. Aber mein
Berufsleben, der Brunnen aller Erkenntnis, mit Kindern arbeiten zu dürfen, ist leider
Vergangenheit. Dort wohnte meine Lebensberechtigung. Jetzt schickt man sich an, sie mir
auch an dieser Stelle abzusprechen. „Kritik ist Widerstand“, schrie ein braun Uniformierter
meinen Vater an. Vox populi? – Versuchen wir zu überleben, solange noch Zeit ist.
Überschrift:
Wilder Days – die wilden Tage und was wirklich zählt
Vorbemerkungen:
Wir stehen vor den Worthülsen „gesunder Menschenverstand“ / „praktisch veranlagt“ und
„ein echter Kerl“ und begreifen, was wirklich zählt: der Ruhm, gemessen an der Dezibelzahl
des Applauses, die Beliebtheit, dass man gleich unter Gleichen sein will, und der Erfolg, der
sich auf dem Bankkonto nachweisen lässt. Fehlen diese drei Pfänder der Lebenstüchtigkeit,
wird man solange in der Familie gelitten, als man nicht vollends lästig zu werden beginnt.
Das Werk:
Zitat TV-Top (Beilagenheft TV Hören und Sehen):
„Chris Morse (J. Hutcherson) und
Opa James (Peter Falk) tauschen
gern
Abenteuergeschichten aus. James´ Sohn hat dafür wenig Verständnis. Eines Tages begeben
sich Opa und Enkel auf die Suche nach dem magischen Zirkusschiff „Wilder Days“.
Premiere START.
Nachtrag:
Grund des Aufbruchs: Opa reißt aus der Altenpflege aus, in der er verenden soll, und wird
dabei von seinem Enkel Chris unterstützt – dessen jüngere Schwester hat leider noch nicht die
Initiative für so etwas ergreifen können, aber sie steht auf der Seite ihres Großvaters und ihres
Bruders, davon gehen wir aus.
Wovon Großvater in seinen Geschichten erzählt, geschwärmt hatte, was durch ihn zum
Mythos zu verklären schien, erweist sich als Schlüssel zur Familiengeschichte, an der James´
Sohn keinen Anteil haben konnte, aber auch kein Verständnis hatte entwickeln mögen. Lässt
sich denn aus so etwas Geld machen? – Und Opa nimmt den Enkel auf seiner Flucht mit!
Verfolgungsjagden des Sohnes wirken etwas tollpatschig und teilweise als SelbstmitleidsPosse, aber es geschieht unter Ausschluss der Kinder, und damit ist sein Ruf als eigentlich
fürsorglicher Vater nicht in Gefahr. Auch ihm lässt der Film die Würde, soweit er sie nicht
selbst unsinnig aufs Spiel setzen will.
Der ethische Aspekt:
James wird vom Sohn vorgeworfen, er habe sich ja um ihn früher nicht gekümmert, und jetzt
besetze er seinen Sohn mit Phantastereien, an die die „Erwachsenen“ im Hause sowieso nicht
glauben. Der Großvater bestreitet das nicht, er will einfach eine „zweite Chance“ – auf die
habe jeder Anspruch, der sich zu verbessern wünscht. Als ihm der Sohn die verweigert, weil
er sich dem „Realismus“ des Diesseits verschrieben weiß, erwächst aus der Konfrontation der
„Rentnerknast“ als späte Rache des Sohnes. Frau und Kinder spielen dabei keine Rolle.
Großvater hat einen langen Atem. Körperlich angreifbar, bereitet er dem Jungen den Weg, in
die Vergangenheit seines Opas blicken zu können, und die entrollt sich schubweise als
geschehene Wirklichkeit – ein Stück Familiengeschichte, in der sich Phantasie und Erlebnisse
die Waage halten dürfen.
So ist der Enkel, als er Hilfe für den Großvater holen will, mit ihm am Ziel, und er darf
erleben, wie auch sein Vater sich um den Verletzten kümmert, während Chris Hilfe holt, aber
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er kann auch den Tod des Großvaters hinnehmen, nachdem er weiß, welches Geheimnis er
mit seiner Familie hatte teilen wollen und nur Chris hatte ihm glauben mögen, und auch das
mit aufkommenden Zweifeln, aber am Ende für seine Treue belohnt.
Der Film zeigt, was Menschen in sich tragen, was sie zu eröffnen haben, statt in der bezahlten
Versorgungsstation psychisch anonym ertragen und gegen Geld gelitten zu werden.
Nicht der Sohn wird das Vermächt-nis des alten Mannes empfangen und bewahren, sondern
die Enkel, unterstützt von der Mutter und jetzt gelitten von einem Vater, der doch den „Sinn
für das Praktische im Leben“ immer wieder verwzeifelt beschwören wird.
Da die Geschichte eine Parabel auf das zu verwurzelnde Erbe einer jeden Familie und deren
Kampf mit der Gleichgültigkeit Unbeteiligter darstellt, wächst ihre Bedeutung über die
Einzelerlebnishaftigkeit hinaus und setzt Wegzeichen.
Der schöpferische Vollzug:
Was dem Großvater die Kraft verleiht, gegen alle Zweifel eine gewaltige Kraftanstrengung
auf sich zu nehmen, ist die Aufdeckung eines Geheimnisses und die wiederherzustellende
Glaubwürdigkeit vor den Kindern, die in ihrer Fähigkeit zu Hause sind, zwischen den
Realitäten des Hier und des Seins mühelos hin- und hergehen zu können. Großvater weiß um
die Energie seines Enkels und dringt darauf, sie in die Freiheit zu holen, die er selbst sich
auch nicht nehmen lassen will.
Es ist der Enthusiasmus seines Enkels und die eifrige Hingabe der Enkelin an seine
Eigentümlichkeiten, aus der sich der alte Mann seine Kraft holt, sich dem Diktat des
Abgeschobenwerdens zu widersetzen. Der selbstverständlichen Weltsicht des kleinen Chris in
der Verkörperung Josh Hutchersons findet sich ein souverän planender Großvater in der
Person Peter Falks als entsprechendes Gegengewicht, und geringer hätte es nicht ausfallen
dürfen, denn dazwischen gehört ein dynamisch aufgetriebener Allerwelts-Realist und eine
Pseudo-Mutter-Selbsttypisierung, zwischen deren Verständnisfähigkeit bzw. leiser Ironie die
Aktionen notgedrungen und logisch sich entwickeln müssen. Anders gesagt: Die Botschaft
lautet in der Regel: Lernt zuzuhören, bevor ihr Entscheidungen trefft.
Die Begleitfiguren sind menschlich präsent, ihr Erscheinen entspricht keiner Schablone,
obwohl es so aussehen könnte, und die Handlung ist mit Nebenakteuren nicht befrachtet – sie
treten notwendig, aber nie dramatisch gekünstelt ins Bild.
Chris und seine Schwester erscheinen wie Durchschnitts-Brave mit unerheblichen winzigen
Aufsässigkeiten – sie tun es nie aus Prinzip, sondern nur, wenn es nötig ist. Aber Chris setzt
sich gegen alles zur Wehr, was dem Niveau seiner Entscheidungsfähigkeit schaden will. Er
riskiert das Nötige und nimmt sich zurück, wo er nicht gebraucht bzw. herausgefordert wird.
Ein solches Kind verdient volle Aufmerksamkeit – nicht nur in seiner Rolle! Darin ist er Peter
Falk ebenbürtig.
Erläuterungen:
Ein „mittelmäßiger Vertreter“ hatte versucht, seine Erlebnisse in Form der faltbaren POP-UPBuchform für die Jugend auf den Markt zu bringen. Dass er damit gescheitert ist, für seine
Familie berufsbedingt auch nicht jeder Zeit erreichbar war, trägt ihm sein „realistischer“ Sohn
zeitlebens nach. Dass „POP-UP“, jetzt als Großvater, dazu noch dem Enkel seine
„Geschichten“ erzählt, findet der empörte und enttäuschte Vater des Jungen widerlich. Sein
Bemühen, dem Knaben einzureden, Großvaters Erzählungen seien nichts weiter als wilde
Phantasien, Erfindungen der übertreibenden Art, eskaliert, als er den alten Mann nach einem
häuslichen Sturz in ein Altenpflegeheim abschiebt. Der Inhaftierte kann mit Hilfe seines Enkels fliehen und holt sich dabei auch sein Cadillac-Cabriolet wieder, das bereits verkauft
werden sollte. Er reist mit seinem Enkel an den Ort, wo der Beweis für die Wahrheit seiner
Geschichten steht. Als ihm sein Sohn nachreist, um ihm seinen Leibeigenen wieder
abzujagen, muss er den Tatsachen aus dem Leben seines Vaters in die Augen sehen. Der
Knabe hingegen hat endlich Ruhe vor dem um sich schlagenden Realismus des
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Berufsdesillusionisten – es bahnt sich eine Familien-Idylle an, allerdings ohne den
gefürchteten POP-UP: Er fand bei diesem Abenteuer den Tod.
Der ethische Aspekt:
Peter Falk vertieft sich in die Rolle des phantasievollen Künstlers, der, um überleben zu
können, als Vertreter Klinken putzen muss – auch bei den Verlagen, und immer wieder erlebt,
dass man ihn abweist.
Seinem Sohn hatte er ein Ballonfahrer-Erlebnis versprochen; der Termin war, nicht durch
eigene Schuld, nicht einzuhalten, und seitdem galt der Vater für den Sohn als Lügner und als
nicht vertrauenswürdig. Er schlug sich auf die Seite der Mutter, und als die starb, hatte er
seinen Vater gestrichen.
Dies eben verlangt er letztlich auch von seinen Kindern, und seinem Sohn Chris versucht er
jede Chance zu nehmen, den Geschichten des Großvaters zu vertrauen. Fast wäre es ihm
gelungen – bis sich Vater, Sohn und Enkel in der Hütte wiederfinden, die aus dem Holz des
zerstörten Zirkusschiffes errichtet worden war.
Die eigentliche Tragödie eines gescheiterten Künstlerlebens kommt nur zögernd ans
Tageslicht. Bis man begreift, was dieser Mann für seine Kunst auf sich genommen und sich
dafür den Vorwurf eingehandelt hatte, ein Rabenvater gewesen zu sein, steuern Enkel und
Großvater schon der Katastrophe entgegen. Die Schwächeanfälle des Großvaters, die
hysterischen Verfolgungsjagden des Sohnes, die zweimalige Kündigung der Vertrauensbasis
durch den überforderten Enkel tun das ihrige, um die Widerstandskraft und den
Durchhaltewillen des alten Mannes zu untergraben. Als er dann, nach glücklich erfolgter
Beweisführung seiner Glaubwürdigkeit, bei nächtlichem Ausflug stolpert und sich tödlich
verletzt, kann der Sohn sich zwar auf die Situation endlich einstellen, aber die Hilfe von
außen muss der Enkel herbeiholen – und die kommt leider zu spät.
Der schöpferische Vollzug:
Der Vorwurf des Enkels dem Vater gegenüber gipfelt in dem Kernsatz: „Du hörst mir ja nie
zu!“ Und das führt dazu, dass der hysterische Vater alle Signale überhört, übersieht und
überfährt und nichts an sich heranlässt, weil alle nicht so realistisch denken wie er und darum
die Situationen nicht richtig einschätzen können – wie er ihnen vorhält.
Fast schon therapieresistent, darf er endlich mit seinen Kindern das Erbe ihres Großvaters
aufschlagen und mit den Augen seiner Kinder zu deuten und wertzuschätzen versuchen.
POP-PUP bat seinen Sohn um die zweite Chance, die jeder haben soll, und er stieß auf
erbitterte Gegenwehr, weil der Realist verbietet, daran glauben zu lassen, dass es eine
menschliche Entwicklung geben könne. Der Film lässt offen, ob der Erbe es jemals versuchen
wird, Großvaters Bücher Jahrzehnte später einem Verlag vorzulegen, und es bleibt ferner
offen, ob es je solche Verlage geben wird, die den Enkeln ermöglichen, zu glauben, dass es
die Orte überhaupt gibt. Man muss, so POP-UP, selber hinfahren und sich von der
Atmosphäre einfangen lassen, die das ererbte Wissen und das sich hier bewahrheitende
historische Bild vermitteln.
Abenteuer entstehen in der Phantasie, auch Ängste: „Wer keine Angst hat, hat keine
Phantasie“, bestätigt auch Erich Kästner. Jener Angst, die aus lebendigen Landschaften
Wüsten schafft, „spucken wir ins fette Gesicht“, rät Großvater seinen Enkeln. Er will nicht
mit ansehen, wie aus dem phantasiebegabten Knaben ein Abhängiger von Fakten und Normen
wird, und diese Offenheit zu allem Neuen will er durch die gemeinsame Flucht retten, zurück
zu dem Ausgangspunkt seiner Selbstbestätigung: Nur, was man selbst hat bewältigen können,
kann man seinen Kindern und Enkeln glaubwürdig anvertrauen.
Und die Enkel nehmen dankbar an. Der Weg zu freier Sichtweise bleibt ihnen somit offen.
Überschrift:
Das Geheimnis der Spiderwicks
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Vorbemerkungen:
Von der Presse als Action-Film gefeiert, erstellt er in Wahrheit ein umfassendes Bild jener
psychischen Verfassung, wie sie Freddie Highmore in der Rolle des Jared sowie dessen
Zwillingsbruder Simon verkörpert:
Beachten wir das Begabungs-Profil dieses Jungen, können wir dem Casting erstklassige Wahl
bescheinigen.
Ähnlich wie in „Brücke nach Terabithia“ muss ein Weg gefunden werden, um die Emotionen
in übersichtlich begründete Handlungsgestalten zu übersetzen. Dort zeichnet der Junge, dort
agiert das Mädchen, und als diese Brücke in die innere Souveränität nicht mehr hält, stürzt das
Mädchen zu Tode.
Jared muss seinen Erlebnissen weiträumig Ausdrucksformen geben; es genügen vermutlich
keine Zeichnungen oder Lärmexzesse mehr – es ist davon die Rede, dass er seine Wut unter
Kontrolle bringen wolle! – und niemand ahnt, wie dieser Vulkan kurz vor der Explosion steht
– am wenigsten die Mutter und die dominante Schwester! Was aber für eine Welt der
Vorstellungen im Herzen dieses Jungen! Ein psychologisches Meisterstück: Eine hommage
an alle Kinder, die ähnlich leiden wie dieser Junge!
Das Werk:
Die Brüder und ihre ältere Schwester ziehen mit ihrer Mutter von der Großstadt in ein
abgelegenes Landhaus. Der Vater kommt nicht mit; er will, so verspricht er per Telefon, seine
Kinder dort besuchen.
Dass Kinder unter der Trennung leiden, weiß jeder. Dass ein so hochgradig empfindsamer
Knabe wie Jared schon die leiseste Erschütterung seiner existenziellen Bedeutsamkeit spürt,
weil er ein weiträumig ausgespanntes Netz der Empfindungen hält, zwingt ihn in die Notlage,
die Probleme und die Konfliktauslöser aus sich heraus projizieren zu können. Das machen
alle Kinder, wenn sie ihre Puppe oder ihr Stofftier zu Rate ziehen. Hier aber geht es um die
Inszenierung der ganzen Wucht psychischer Belastung, die zum Mittel der personifizierten
Unheilbringer greifen lassen. Jared schlägt das geheimnisvolle Buch auf, das ihn aus dem
Paradiese seiner vermeintlichen Unwissenheit jagen wird, er tritt seinem Kosmischen Wissen
klaren Auges gegenüber, er will die Wahrheit wissen! Wie alle schöpferisch Begabten wartet
er nicht ab, bis die Konflikte kulminieren, sondern er treibt sie zusammen, fordert sie zum
Äußersten ihres Wesens heraus und nimmt gegen sie den Kampf auf.
Die größte Gefahr erweist sich in der Versuchung, dem plötzlich eintretenden Vaterbilde zu
vertrauen. Jared prüft es, und als er sicher ist, dass es nicht der Vater ist, den er gesucht und
erwartet hat, kehrt sich die Bestie des machtgierigen Gewalttäters heraus. Das heißt, jetzt gibt
es dieses Vaterbild nicht mehr. Eine Lösung ist das nicht – wohl aber ein notwendiger Bruch,
um sich in die Zukunft retten zu können
Der ethische Aspekt:
Dass Jared seinen Bruder Simon gern aus seiner dramatischen Selbstentfesselung
herausgehalten hätte, erweist sich im entsetzten Antlitz des Knaben, als er Simon in der Welt
des Boshaften gefangen gehalten sieht und ihn zu befreien sucht. Es sind die Frauen, die dem
Jungen zum Verluste des Vaters noch zusetzen, und so zieht er zunächst die Schwester in das
Miterleben seiner aufgewühlten psychischen Lage, und als endlich die Mutter in die
Verantwortung zu holen ist, zerbricht der Schutzkreis um das Anwesen, also gilt es, die ganze
Familie vor dem Auseinanderbrechen zu schützen.
Der Mutter sagt Jared schonungslos die Wahrheit, schleudert ihr seine unbestechlichen
Beobachtungen ins Gesicht, beschuldigt sie, den Vater aus dem Hause getrieben zu haben. Es
sind also die unterschwellig mitgebrachten unerledigten Probleme, die sich jetzt als Kobolde
boshaft an dem Hausfrieden zu schaffen ma-chen. Der den Menschen das Glück zu nehmen
trachtet, ist ein fürchterliches Unwesen, eine Gestalt, weitaus prächtiger, als mein homo erectus unter der Rubrik „Zeitgeist“ dieser Seite gewesen ist.
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Als ihm alle Verwandlungen nichts nützen, kommt dieser Ungeist am Ende in der Rolle des
Vaters daher, der Jared nur hatte sagen wollen, dass er ihn liebe. Und Jared: „Falsche
Antwort!“ Das hieß: Du bist durchschaut! Und jetzt tobt die Bestie bis zum Untergange!
Mit dem Mittel der Symbolik hat die Literatur schon immer das Unaussprechliche inszeniert.
Der Film unserer Zeit überträgt es in die Welt der Fabelwesen, deren Bedeutung mit ihrer
Rolle genannt bleiben. Es erklärt sich alles viel leichter.
Den Normativen sind die greifbaren Fakten das einzig glaubwürdige Evangelium. Kinder wie
Jared jedoch denken in drei Ebenen gleichzeitig. Das muss mit weitaus monumentaleren
Mitteln beschworen werden!
Der Regisseur will uns vor Augen führen, welche Kämpfe im Inneren eines so hochbegabten
Kindes toben – in der Vasallenmentalität nennt man es „Äktschen“!
Der schöpferische Vollzug:
Es gibt grundlegende Irrlehren, die den Zugang zu Kindern unrettbar vermauern.
Eine ist das Abdrängen in die Uninformiertheit – Kinder werden für blöd verkauft und „auf
ihr Zimmer“ geschickt, wenn sie zu fragen anfangen.
Eine zweite behauptet, Kinder könnten die Welt der Erwachsenen gar nicht erfassen: „Dazu
bist du noch zu klein!“ Jared – in der Person des hochbegabten Freddie Highmore –
beobachtet scharf und trifft mit seinem Urteil unwiderruflich sekundenschnell die Zwölf! Er
bezieht Misstrauen und nimmt Schuld auf sich, wenn Schwester und Mutter einen Schuldigen
suchen. Es ist Jareds naturgemäße lebenslange Unruhe, und jeder Konflikt wird unbestechlich
sicher bis zum Höhepunkt getrieben, damit er auseinander knallt – dann ist die Luft rein, dann
kann man sich in die Augen sehen! Es ist Jared, der vom Kosmischen Wissen auf den Kern
aller Ursachen zusteuert und das Buch der Rätsel um die Familie löst – koste es, was es wolle.
Ich glaube nicht mehr daran, dass es Eva war, die den Apfel zum Vorwand nahm, um den
Mann in ihr Rotationsdenken und –trachten zu ziehen. Es ist der stetig ein Ziel anstrebende
Mann, der nicht ruhen kann, mit neuen Resultaten Bewegung in der Schöpfung zu halten.
Jared ist ein Knabe, gesund und voller heißer Empfindungen für das Große. Der Kleinkrieg
um die Verstecke der Mutter und der Schwester, des Vaters und der Mitwisser ringsum
fordert den Jungen zum Duell mit der Welt, und er greift ihre Verlogenheit so an, wie er es
mit seiner Schwester im Fechten auch tut. Man kann nicht dem Verfall zusehen, sondern wird
an ihm mitschuldig, wenn man nichts tut, oder macht der schleichenden Katastrophe ein
Ende, weil man sich weigert, ihr Gift täglich zu schlucken!
Eine dritte Irrlehre verlangt, dass ein solcher „Familienfilm“ am Ende der Mutter in ihrer
Maskerade verzeihe. Jared tut es, weil er die Familie retten will. Wir tun es nicht! Diese Zugeständnisse sind inakzeptabel, richten sie doch Verheerungen genug in den Kindern an! Das
sollten „Mütter“ doch erkennen können. Nach ihnen bin ich auf der Suche….
Überschrift:
Beim Leben meiner Schwester
Vorbemerkungen:
Mit der Legalisierung des Gesetzes zur Befragung (?) eines jeden Bürgers, ob er seinen
Körper zur Organspende freigeben werde, haben wir die Schwelle zu einer neuen Form des
Sozialismus überschritten.
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Es bedarf nur noch der Definition, um ein weiteres Gesetz gegen die Freiheit des Bürgers in
Stellung zu bringen: Erklärt man die Gesundheit eines Menschen nicht als die
Grundvoraussetzung für ein glückliches Leben, sondern als Privileg (etwa der Pharma- und
Futtermittel- und Düngermittelfabriken), als ein von der Volksgesundheit geliehener
Reichtum, wird man folgerichtig fordern: „Reichtum verpflichtet“, und alsbald folgt aus der
Weigerung, sich nach seinem Tode ausweiden zu lassen, die soziale Ausweisung aus dem
Kollektiv und dessen Druck gegen die sich Verweigernden. Das vorletzte Gesetz verfügt über
die Verwertbarkeit dieses Leihgutes von Volkes Gnaden, und das letzte legt endlich die
Grenze der Lebensberechtigung als Bleiberecht unter den Lebenden fest.
Der Organhandel hat längst seine verdeckten Lobbyisten.
Auf meiner Webseite befindet sich in einer der Satire-Dateien eine Erzählung „Kannibal“, in
der mir am Herzen lag, die Absichten jener Eltern deutlich zu machen, die tatsächlich durch
Klonen ihrem Sohne ein lebendes Ersatzteillager schaffen wollten, aber nicht verhindern
konnten, dass sich die Jungen als Brüder liebten und die Absichten der Eltern zu unterlaufen
trachteten. Am Ende wurde der „richtige“ Sohn versehentlich geschlachtet und zerlegt
tiefgekühlt, während der „Geklonte“ in Sicherheit leben konnte und die „verzweifelten
Eltern“ (?!) nur zu gern zurückließ.
Mir scheint, der Film hat hier eisern durchgegriffen und die Gesinnung bloßgelegt.
Dass die Blankoversicherung, eine Mutter kämpfe um jedes ihrer Kinder, einen unkittbaren
Riss erhalten hat, spiegelt zeitgemäßes Denken und wurde sorgfältig zugespitzt beobachtet. Es
scheint, es bewege sich etwas in Richtung Humnaitätsgesinnung. Der Geist von Lambarene
rückt wieder hoffnungsvoll näher!
Das Werk:
Die Familie Fitzgerald lebt auf der „Erfolgsseite“, als die Tochter an Leukämie erkrankt. Da
die Mutter das Problem der Spendersuche auf der sicheren Seite haben möchte, lässt sie sich
ein Designer-Baby im Reagenzglas nachmachen. Dieses lebende Ersatzteillager führt mit dem
Bruder und der älteren Schwester ein Leben „auf Pump“: Solange sie lebt, solange auf sie
Verlass ist, kann auch die ältere Kate an eine Zukunft glauben.
Als nach elf Jahren gebunkerter „Sicherheit“ die Leukämie die Nieren außer Funktion setzt,
verlangt die Mutter von ihrer jüngeren Tochter eine ihrer Nierchen, dami ihr Liebling
existieren kann.
Das auszuweidende Opfer sucht sich – mit Einverständis ihrer beiden Geschwister – einen
Anwalt und verlangt das Recht auf medizinisch-biologische Selbstbestimmung. Es kommt
zum Prozess, in dem auch dort die Mutter unvermindert ihr Recht auf Elternwillen geltend
macht, um ihr Kind ausnehmen zu können. Die Richterin hat selbst ihre Tochter verloren. Sie
spricht mit den beiden betroffenen Mädchen.
Kate aber stirbt, bevor ein Urteil gefällt und damit als Präzedenzfall rechtskräftig werden
kann.
(Kann mir jemand verraten, was die nachgereichten Versöhnungsszenen für eine Bedeutung
haben – trotz ihrer grausigen Vorgeschichte?
Familie definiere ich anders!)
Der ethische Aspekt:
Dass ein Film in derart schonungsloser Weise das Prinzip des Organhandels in die zweite
Reihe schiebt und das familiäre, emotional direkt belastende in den Vordergrund holt, macht
zwar die Thematik um so brennender, zeigt aber eine unerwartete Veränderung des
öffentlichen Gewissens. Dass ein Mensch erzeugt wird, damit man ihn als Ersatzteillager
verfügbar hat, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wird aber von der Justiz ausgeblendet: Die Mutter wird deswegen nicht als in ihrer Gesinnung verwerflich gekennzeichnet:
Eine Mutter darf eben alles, muss alles versuchen, um ihr „Baby“ zu retten – selbst auf
Kosten eines anderen Familienmitgliedes.
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Letztlich entscheiden die Kinder selbst und hebeln die Inhumanität ihrer „Mutter“ aus. Mit
dieser Erkenntnis will sich dies hysterisch reagierende Frau nicht abfinden. Indem ihr Kate
bestätigt, dass sie ihre Schwester nicht zum Ausweiden will, sondern ihr Leben liebt und es
ihr nicht zerstören möchte – nach allem, was man dem Mädchen ihretwegen angetan hat –
macht das die Frau nur wütend. Sie will die Transplantation der Niere, und sie opfert
kaltblütig die Zukunft ihrer gesunden Tochter, um ihren Kopf durchgesetzt zu haben, dass ihr
Liebling noch ein paar Monate länger leben darf.
Dass Kate letztlich „beim Leben ihrer Schwester“ nicht an der zerstörerischen
Ausplünderungstaktik interessiert ist, fordert die Bewunderung aller. Schon deshalb hat ihre
Schwester nachträglich das Urteil vom Anwalt überreicht bekommen: Sie hat gegen ihre
„Mutter“ gewonnen! – Nicht so wir: In Gesprächen mit Frauen wird eindeutig für die Mutter
Partei ergriffen. Warnung an alle Ungeborenen: Bleibt, wo ihr seid, bevor ihr organisch
interessant werdet!
Der schöpferische Vollzug:
Wir erleben einen Vater, der nur in der Vermittlerrolle halbwegs geduldet, aber stets als
Willensvollstrecker seiner dominant kreischenden Frau eingesetzt wird.
Der Bruder spielt seine Beobachterrolle mit wachsendem Widerwillen gegen eine Frau, der er
nichts bedeutet, sondern als Statist ihre Hysterie-Events miterleben darf, wie eiskalt ihr Urteil
gegenüber ihrer zweiten Toch-ter zuschlägt. Er muss sich darüber im klaren gewesen sein:
Hätte er die passenden Spender-Voraussetzungen gehabt, hätte sie seine Gesundheit gewissenlos ausgeplündert. Das letztlich lässt ihn in den Prozess-Verlauf eingreifen, und er
bekennt sich dazu, der jüngeren Schwester bei ihrem Beschluss geholfen zu haben, sich nicht
mehr ausweiden zu lassen.
Dieses Prinzip ist im Prozess nicht angeprangert worden. Das muss uns stutzig machen.
Eigentlich hat der Wille der Eltern damit das Recht, sich Kinder ins Regal legen zu dürfen,
die man bei Bedarf für seine Zwecke einsetzen wird, die man für nötig hält.
Die Aktionskette ist schlüssig und in ihrer Konsequenz das Selbstvernichtungsprogramm
einer Menschheit, die es nicht verdient hat, noch fruchtbar zu sein, um Kinder in ihre
verplanten Bosheiten werfen zu können.
Die Welthandelsrenner sind nach wie vor: Drogen-, Waffen-, Organ-, Kinderpornohandel,
inzwischen geht es mit den Nahrungsmitteln unvermindert weiter. Nach der Legalisierung
dieser Mrs.-Fitzgerald-Ersatzteillager-Strategie wird man sich angesichts der
Nahrungsmittelstrategie überlegen, auch den menschlichen Körper zu Futtermittel zu
recyclen, und wenn es mit den grünen Plättchen klappt, hat die Menschheit ihre unterste Stufe
schon unterschritten.
Überschrift:
The Lost Son - Der Zorn des Jägers
Vorbemerkungen:
Der Originaltitel zeigt die Thematik als Auslöser der Hintergrundrecherche mit
katastrophalem Tatbestand, der deutsche Titel formuliert die Thematik des Vorgehens unseres
Helden, der, je mehr er erfährt, sich um so tiefer, energischer und kompromisslos in die Welt
der Verursacher eingräbt und sie mit ihren eigenen Methoden zur Strecke bringt.
Im ersten Thema beginnt ein Puppenspiel, die richtigen Schatten in der richtigen Richtung zu
werfen, nämlich an die Leinwand des öffentlichen Interesses. Im zweiten Thema suggeriert
uns der Titel ein persönlich motiviertes Anliegen und den Wunsch, seine Beute auch
aufspüren und erfolgreich niederstrecken zu können. Die Sprache der Handlung und die
Gegenüberstellung der sexuellen Motivationen bringen uns auf den Kernpunkt: Was ist die
Würde des Menschen wert, wer definiert sie, wer gewährt ihr vorbehaltlos Schutz – und ist
Würde ein statisch unverrückbarer Begriff, oder ist er in der Wertigkeit ein schwankendes
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Phänomen, das fallen oder steigen kann? Dem nachzugehen, regt dieser Film nicht nur an: Er
fordert uns angesichts einer Kriegssituation geradezu heraus – um des Überlebens einer
Population willen, die sich als Menschen bezeichnet, aber wohl zumeist nur in dieser Gestalt
sein Unwesen unter den Kreaturen treibt, und das mit um so größerer Raffinesse und
Skrupellosigkeit, je wehrloser seine Opfer sind.
Gewährt das Tier eine letzte Chance, damit das Opfer sich noch seines Lebens erwehren mag,
so hat diese Spezies Mensch weder Gnade noch Mitleid, weder Respekt noch irgendeinen Zug
an sich, die es als einstmals durch Liebe ins Leben gerufenes Wesen auszeichnete.
Welche Würde vom Gesetz geschützt wird, unterliegt keiner Pauschalwertung oder einer
generellen Unverletzlichkeit: Das Beschneidungs-Urteil dieser Tage zeigt die
Verfügungsgewalt Erwachsener über den zu verteidigenden Status der Unversehrtheit ihrer
Kinder. Grenzen sind für andere – nicht für die, die sie selbst gesetzt haben.
Das Werk:
Der ehemalige Polizist Lombard schlägt sich in London als Privatdetektiv durch, als er durch
einen Ex-Kollegen zu Hilfe gerufen wird: Dessen Schwiegereltern vermissen den Sohn, also
seinen Schwager, und Lombard wird beauftragt, ihn zu suchen. Carlos, jener Freund aus
früherer gemeinsamer Polizeiarbeit, steht ihm zur Seite, während dessen Schwägerin – die
Schwester des Verschollenen –unverhohlenes Misstrauen gegen Lombard in die Familie trägt
und endlich die Eltern veranlasst, den Detektiven zu entlassen.
Dieser verfolgt die Spur und gelangt an Kontaktpersonen, die ihm Material zustecken, das der
Suche eine völlig neue Richtung gibt.
Lombard erkennt, dass der verlorene Sohn längst kein Tunichtgut ist, sondern sich als Retter
eines Jungen erweist, dem er einer Verbrecherorganisation entreißen konnte – samt einem
Videoband, das zeigt, was man mit solchen Kindern macht.
So lässt sich Lombard einschleusen, um an die Hintermänner zu gelangen, die für das
Verschwinden Leons, des Vermissten, verantwortlich sein dürften. In Mexiko wird er
schließlich fündig, durchleidet Qualen und kann sich endlich mit den Kindern, die hier auf
ihren „Export“ vorbereitet werden, befreien. Zurück in London, trifft er die letzten
Maßnahmen, um den wahren Drahtzieher und Auftraggeber für den Mord Leons
vorzubereiten. In der Entscheidungsschlacht rettet ausgerechnet der von Leon in Sicherheit
gebrachte Knabe Shiva Lombard das Leben und erschießt seinen Peiniger.
Auch das ist konsequent: Leons Schwester erkennt am Ende, wie recht Lombard mit seiner
Wegsuche hatte – und dieser macht ihr die Rechnung auf, wessen Tod sie durch ihr
Hintertreiben begünstigte:
Der ethische Aspekt:
In diesem Film tragen die ethischen Entscheidungen verschiedener Charaktere dazu bei, das
Milieu und die Grausigkeit der Verbrechen an Kindern bis auf den Grund zu loten. Man
scheut sich keineswegs, die Hilfsbereitschaft der Prostituierten Natalie zum Schlüssel für das
entscheidende Eindringen Lombards in die Verbrecherkreise werden zu lassen. Lombard
selbst ist in dem Augenblick nicht mehr der berufsbezogene Recherchierende, der das
Anliegen einer Familie vertritt, sondern macht das Wissen und die Erkenntnis um das, was
man den Kindern antut, zu seinem persönlichen Anliegen. Und Lombard geht in der gleichen
Weise gegen diese Verbrecher vor, wie die es mit den Kindern geschehen lassen: Er erzwingt
die Auskünfte, die er braucht, mit brutaler Gewalt, denn die Uhr läuft, und jeder Tag kostet
vermutlich Kindern das Leben, die ihren Quälgeistern ausgeliefert sind. Die Entrüstung
steigert sich tatsächlich in Zorn, nicht in Wut, die aufwallt und sich wieder legen wird,
sondern der Zorn wird zum Motor für seinen selbstlosen Einsatz, für den ihn niemand bezahlt,
sondern bei dem er als Begleitpräsent sogar die Auskunft über Leons Verbleib und Tod aus
seinen Folterknechten herausprügelt.
Eindeutig steht die Ethik der Prostituierten Natalie über der jener Schwester Leons und im
krassen Gegensatz zum Sex mit Kindern. Prostitution hat therapeutische Züge und kann
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Schlimmeres verhüten. Was sich Männer und bisweilen Frauen mit Kindern erlauben, ist Lust
auf Machtrausch und Gier nach dem Niederzwingen aller Versuche, sich der Vergewaltigung
zu verweigern. Und so ist erklärlich und die Konsequenz, dass „Boy Nr. 6“ über dem von
Lombard niedergeschos-senen Wächter uriniert. Das ist das Signal dieses „abgerichteten
weißen Welpen“ für den Stand der Menschenwürde, die einem Kinde wie ihm aberkannt
wurde – und wird! Wir rufen uns die Preise für 24 Stunden Gewalt mit und durch Sex mit
Kindern ins Bewusstsein:
5000 Pfund für braune Welpen, Weibchen oder Rüden, nicht abgerichtet, und 10 000 Pfund
für weiße.
Der schöpferische Vollzug:
Lassen Sie mich ein Wort zur Menschenwürde setzen:
Sie ist nicht statisch, sondern ihr Wesen hochempfindlich in der Lebenspraxis jener, die
Anspruch auf sie haben sollen. Die Regel muss lauten: Je höher die Humanitätsgesinnung,
desto erhabener die Würde der Person, die sie ausübt, desto achtunggebietender deren
Gesinnung.
Laut Matthäus 18, 1-11, basierend auf dem 84. Psalm, kommt das volle Ausmaß der
Menschenwürde den Kindern zu. Und ausgerechnet sie leben als Fußmatte der Willkür.
Bei den Repräsentanten des Machtstrebens hingegen orientiert sich das Maß der Würde an der
äußeren Erscheinung sowie an den sichtbar anerkannten Erfolgen. Wir wissen, was der
Nazarener über dieses Weltbild zu urteilen hatte: Es ist nichts wert. Es sorgt dafür, dass die
vier Weltwirtschaftszweige immer radikalere Triebe ins Leben schießen: Waffen, Drogen,
Organe und Kinder als Ware sind die Hauptkapitalvermehrer. Der Film artikuliert das
schonungslos und zeigt die Brutalität, mit der das Geschäft in Mafia-Struktur ausgebaut wird.
Bedenkt man, dass Waffen und Drogen erst hergestellt werden müssen und also
Produktionskosten verursachen – zudem lästige Arbeitsplätze bereitstellen muss -, so kann
man im Organhandel auf Ressourcen zurückgreifen, die weltweit kostenlos wachsen und
buchstäblich nur von der Straße aufzulesen sind.
Bei Kindern ist es ganz das gleiche: Sie sind unerschöpflich nachwachsender Rohstoff,
können eingesammelt und vermietet werden, und Todesfälle sind sogar erwünscht, weil die
Ware verbraucht wird, denn wer von den Zahlenden möchte eines Tages in sei-nem Leben als
Quälgeist von einst wiedererkannt und gestellt werden?
Verknüpft man nun die Wirtschaftszweige Organ- mit Kinderhandel, so kann man die zu
entsorgenden Überfälligen den Ausweidern überstellen und an den noch verkäuflichen Organen des weiteren verdienen.
Dieser Film öffnet konsequent den Weg, diese Erkenntnis zu Ende denken zu müssen.
Ich kenne keine Staatsmacht oder kein gesellschaftlich durchschlagendes Interesse, die diese
Greuel ernstlich verhandelt und verhindert.
Zum Bild-Nachtrage der Originalfassung meiner Website:
Mit einer Auswahl einiger Bilder aus dem Hauptfilm und der Gegenüberstellung mit dem
Portrait eines Thomaners möchte ich die Situation der Kinder klassifizieren:
Gleich, wohin man sie stellt: Ihr Wesen bleibt ein Geschenk an die Menschheit, ihr Leib ist
die Wohnung des Schöpfers, ihre Übereinstimmung von Körper und Psyche dürfte selbst
einem Halbblinden auffallen. Sie sind unantastbar, und man muss sich fragen, was die Altphilologen dazu veranlasst hat, das Wesen der griechischen „Kultur“ dahingehend zu
verfälschen, dass man den Schülern der Lateinstudie verschwiegen hat, dass man ihre
Altersgenossen regelmäßig zu sexuellem Missbrauch gezwungen hat. Ziel war die Bindung an
das Schicksal ihres Analbesuchers, die Bindung durch einen immer wiederkehrenden Akt der
körperlichen Übergriffe, den man als das Idol aller Manneserziehung proklamierte und auf
den sich auch Gerold Becker berufen hat.
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Überschrift:
Valo und Ville
Vorbemerkungen:
Es berührt den Leser, wenn er sieht, wie sich UNICEF um die Rechte der Kinder so innig
bemüht – denn es gibt sie ja! Aber Valo muss sie erst erkämpfen, um sie von den
Erwachsenen einfordern zu können. - Welche Charaktere hat der Regisseur sich für diesen
Film für die Hauptrollen eingeladen? Wir forschen:
Das Werk:
Valo wird mit seinem Vater auf Grund aufrührerischer Aktivitäten für zwei Jahre in ein Dorf
verbannt. Dort trifft der Junge auf eine Lehrerin, die über Charles Dickens die
Humanitätsgesinnung der Kinder aus ihrem Eise befreit. Valo schließt sie in sein Herz, denn
„sie ist anders und hört zu, wenn Kinder mit ihr reden“.
Als Valo den Dorfwächter als die Person zeichnet, vor der er und die Kinder sich am meisten
fürchten, wird die Lehrerin abgeholt und die Schule geschlossen. Und weil Valo den Kindern
dennoch das Lesen, Schreiben und Rechnen beibringt, wird er als „Handlanger seines Vaters
und der Hebamme Katarina“ ins Gefängnis gesteckt. Unweigerlich wäre er für 10 Jahre in ein
Kindergefängnis gewandert, hätte nicht sein Freund Ville ihn im Prozess verteidigt und den
Richter von ihren guten Absichten überzeugt. So dürfen die Kinder zurück und sich eine
eigene Schule einrichten. Das ist der Durchbruch aus einem Überwachungsstaat, in dem
Zeichnen und Tagebuchführen bereits als Aufruhr eingestuft werden.
(In Wahrheit ist es der Aufstand des Schöpferischen gegen das Standpunkt-Wesen des
Normativen)!
Der ethische Aspekt:
Zeitkritik grenzt ein Gesinnungsproblem auf Fakten ein. Dieser Film kristallisiert das Wesen
der Kinder (nur ein Produkt ihres Umfeldes?) als vom Kern her unzerstörbar heraus. Man liest
in diesem Werk, als betrachtete man den Boden einer Quelle im reinsten Wasser. Natürlich
pocht UNICEF auf die Rechte – aber die gab es zu Valos Zeit doch gar nicht. Ebenso wenig
war ein Kind heutiger Erkenntnis überhaupt nicht denkbar. Und doch brechen die Lehrerin
und in Folge die Hebamme als die eigentlichen Kulturinitiatoren die Bahn. Aber hätten die
Kinder nicht längst den Geist Valos und ihr untrügliches Bewusstsein für gut und böse
aufgesogen und in ihrem Gewissen an die oberste Stelle gesetzt, hätten die zwei Erwachsenen
und die mutigen Kinder ihren Kampf verloren.
Dieses Dorf als Endstation für Verbannte ist nicht historisch festzulegen. Es ist der Zustand
eines bewachten Kollektivs, das ziellos in den Tag vegetiert und die Kartoffeln für die
tägliche Mahlzeit abzählen muss. Das ist unsere Gegenwart: Verächtlich hinterher geworfene
Niedriglöhne, höhnische Platzverweise und Zynismus bei dem Bestreben, seiner Arbeit auf
Grund seiner Begabungen treu bleiben zu wollen! Der Film ist eben nicht nur Programm,
sondern Perspektive einer Gesellschaft, die sich durch die Anwendung der Humanitätsgesinnung jeder Zeit gegen Verfall durch Unterdrückung aller Art regenerieren kann.
Der schöpferische Vollzug:
Reanimation entdeckt der Zuschauer durch die kraftvoll sich entwickelnden Begabungen
Valos: Er zeichnet, durch Julia kann er sich artikulieren und Zeitzeuge werden, er saugt die
Ethik seiner Lehrerin auf, er stellt sich der Wahrheit, seine lauteren Gedanken mobilisieren
die Fürsorge für das Leiden seiner Mitschüler durch brutale Eltern, er findet in seinem Vater
den Verbündeten, der Fortbildung der Dorfjugend auf eigene Faust neuen Auftrieb und neue
Heimstatt zu geben, und er erntet die Frucht seines Kämpfens, indem ihn vor Gericht sein
Freund Ville verteidigt, der ihm so dankbar ist, dass er durch ihn lesen und rechnen, dass er
hinter die Kulissen erwachsener Allmacht schauen und begreifen kann, was ein
Potemkinsches Dorf in seiner Fernab-Idylle bedeuten muss.
Schweitzer sagt, eine Gesellschaft verändere sich nicht durch Administration oder Organisation, sondern durch die Ideen begabter Denker. Valo löst die Begabungsweckung aus, und
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er, Ville und Julia ermutigen die Kinder, sich ihr Selbstbewusstsein nicht mehr nehmen zu
lassen. Das ist in der Tat Aufruhr – einer, der das zaristische Russland, den Faschismus und
den Kommunismus und alle übrigen Mechanismen des Ausbeutens zum Wanken bringen soll
und muss.
Übrigens, meine Freunde vom Sterne U., was ist denn mit den Rechten der verscharrten
Kinder, zu deren Auffinden ich mich privat hatte einsetzen wollen? Auf meine Anfrage habe
ich bis heute keine Antwort bekommen!
Nachtrag:
Wunder, so die Theologie, sind von 3 Faktoren abhängig: dem Glauben an sie, vom Gebet
und von der Reinheit. Ralph, der den Boston-Lauf gewinnen und somit ein Wun-der möglich
machen möchte, will seiner Mutter damit aus dem Koma helfen. Für Valo und seine Freunde
nimmt sich das so aus:
Valo glaubt an das Recht auf Werte, die das Gute ermöglichen und stärken, und diesen
Glauben teilt er unter den Kindern aus und findet sich in der Lehrerin bestärkt. Das Gebet als
Dialog zwischen Seele (= Schöpfungskern) und Schöpfer ist der Kinder ureigene Sache. Die
Reinheit ist Kern der Kinder, also sind wir mit Valo und seinen Enthusiasten für das Lernen
an der Quelle.
Man braucht nur die Reaktionen der Welt der Erwachsenen dagegen agieren zu lassen, um zu
wissen, wie viele man auf seiner Seite hat. Aber man kann daran arbeiten – eben durch die
Lauterkeit seiner Absicht auf das Leben!
Wenn ich sage, der Film sei nicht mehr nur Programm, sondern erstelle eine Perspektive,
aus der heraus „Gesellschaft“ noch kontrastreicher und schärfer in den Gegensätzen
erscheinen soll, dann muss man der Symbolik der Figuren eben auch Rechnung tragen:
Valos Vater ist Schornsteinfeger = er putzt den Leuten den eingebrannten Ruß aus dem
(R)ohr und sorgt für einen raschen Abzug von Rauch und Qualm, von Dampf und Hitze,
denen die Bewohner des Hauses (des Staates) ausgesetzt sind. Natürlich versetzt es den Staat
in Aufruhr, hat er doch durch seine Administration eine furchtbare Waffe der Exekutive in
den Klauen! Jedes noch so verrückte Gesetz wird von ihr umgesetzt – auf Punkt und Komma!
Da muss man gelegentlich auf´s Dorf ziehen, um das Gras wachsen zu hören!
Die Schlüsselfigur ist Valo. Ohne positive Verstärkung wäre der Junge untergegangen. Wir
begegnen ihr in der Lehrerin, die mit dem (nach heutigen pervertierten Begriffen pädophilen)
Charles Dickens die Botschaft unter die Kinder bringt, dass es um sie und ihr Wesen geht,
dem Dickens auf die Spur kam, und wir erleben die Hebamme mit ihren „Sauereien“ an
Bildern und Skulpturen in ihrer Wohnung, die –ach Gott!! - den Kindern zu eigenständigem
Lernen verhelfen wird.
Lehrerin heißt im positiven Sinne, eine Botschaft in sich tragen, reifen und unter den
Menschen sich entwickeln lassen. Hebamme heißt, dem neuen Leben mit allen seinen
Kräften, Fähig- und Möglichkeiten den Weg unter die Menschen zu bahnen. Dem Wissen
unter den jungen Menschen zum Leben zu verhelfen, ist Anstiftung zum Verrat gegen die
Administration als Symbol der unverrückbaren Idiotie. Die entsteht, wenn abseits aller Werte
ein Entschluss durchgesetzt wird.
Ville bedeutet das Symbol für das Zukünftige einer Gemeinschaft, die dankbar aufnimmt
und zur Verbesserung der Lebensverhältnisse für sich in die Tat umsetzt, was an guten Gedanken hineingetragen wurde. Valo wie auch die Lehrerin leben nicht für sich, sondern immer
im Bezug zum allgemeinen Wohlergehen. Ville lernt zu lesen, bekommt also den Schlüssel zu
vergeblich einbehaltener Information, woher er sie auch beziehen mag, und das befähigt
diesen außergewöhnlichen Jungen, sich endgültig gegen seinen Vater (ein Trunkenbold)
aufzulehnen. Das Plädoyer gegen die Schnapssucht ist sowohl eine Abrechnung mit seinem
„Alten“ als auch der Probelauf für sein Plädoyer für Valos Unschuld später vor dem Richter.
Es wäre schön, wenn das Schule machte. Es liegt nicht an den Kindern. Es liegt am
Stumpfsinn derer, die ihren Standpunkt gegen Kinder zur Grundlage ihres „Sozialwesens“
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machen. Die Botschaft des Films liegt in den Kindern; große Menschen wissen das und ebnen
ihnen das Feld.
Überschrift:
Witness / Der einzige Zeuge
Vorbemerkungen:
Samuel ist der Prophet, der schon als Knabe berufen wird, Zeugnis vom Willen des Vaters vor
seinem Lehrer und Priester Eli abzulegen. Samuel, Sohn des Jakob und Rachels, Titelgestalt
des Films, wird in mehrfacher Weise aufgerufen, gegenwärtig zu sein:
1. beim Tode seines Vaters und dessen Begräbnis
2. bei der Ermordung eines Polizeibeamten in einer Bahnhofstoilette
3. bei der Rettung seiner Familie und John Books durch drei korrupte Polizisten.
Das Auge des Jungen ist unbestechlich, das Personengedächtnis ausgezeichnet, das Wissen
um Geborgenheit in seiner Gemeinschaft der Familie, Verwandten und Freunde, das
Gewissen hellwach und treffsicher in der Notwendigkeit, bereit zur Not- und Gegenwehr –
anders als die Amish-People, denen er angehört. Samuel wird gespielt von Lukas Haas. In der
Beziehung zu Harrison Ford als den sie beschützenden Detektiven verstehen sich die beiden
jenseits aller Altersunterschiede in Notwendigkeit und Solidarität.
Das Werk:
Samuel wird Zeuge eines Mordes und kann den Mörder identifizieren. Es ist ein geachteter
Polizist, und als der weiß, wer gegen ihn vor Gericht aussagen wird, setzt er mit seinen
Amtsanhängern alle Hebel in Bewegung, um das zu verhindern. Book als Polizist, der Samuel
und die Mutter beschützt, überlebt den Mordversuch in einer Tiefgarage und kann die beiden
zu ihrer Familie bringen, bevor er zusammenbricht. Die Amish-Leute, denen rasch klar wird,
in welcher Gefahr sich Samuel befindet, pflegen John Book gesund. Zum Dank für seinen
Aufenthalt arbeitet dieser auf dem Hofe mit. Als eine Scheune aufgerichtet werden soll, kann
sich Book als ehemaliger Schreiner hervorragend einsetzen und erwirbt die Achtung der
Dorfgemeinschaft. Als die Mörder eines Morgens anrücken, um die Zeugen ihres
Verbrechens zu beseitigen, kann Book sie ausschalten, und indem Samuel die Glocke läutet,
werden die befreundeten Menschen auf den Feldern herbeigerufen, und die Macht der
Korruption ist gebrochen. Book kehrt, trotz der Liebe zu Rachel, in seine Welt zurück.
Der ethische Aspekt:
Der konservative „Bibeltreue“, wenn er sektiererische Freiheiten für sich in Anspruch nimmt,
begnügt sich nicht mit der jesuanischen Botschaft vom liebenden Gott: Furchtbare Gebote,
Verbote und Strafen werden aus dem AT nach Bedarf zur Einschüchterung und
Vereinnahmung Abhängiger zusammengestoppelt. So verkehrt sich die neue Botschaft des
NT zur Scheinbotschaft eines rächenden Gottes. Die Amish-People lehnen zwar den sich
aufblähenden Wohlstand ab und bescheiden sich in der Nutzung ihrer technischen
Möglichkeiten, widersagen aber auch jeder Gewalt und erdulden Ungerechtigkeiten der sie
verhöhnenden „Engländer“, die sie als Touristen heimsuchen oder sie in der Stadt belästigen.
Einen Menschen als böse zu bezeichnen, empfinden sie als anmaßend. Als Samuel sagt, er
würde sie ja an ihren Taten erkennen, will Großvater Eli das nicht gelten lassen. Sein Enkel
hat aber für den Pragmatismus Books Sympathie, weil er weiß, wie schnell etwas um Leben
oder Tod gehen kann und man das nicht dulden muss. Er darf eingreifen, ohne selbst eine
Waffe zu benutzen , als er durch die Glocke um Hilfe läutet, obwohl die Mörder das Haus mit
der Familie besetzt halten.
Der schöpferische Vollzug:
Die Botschaft des Films projiziert den Vorsatz, jede Art der Gewalt abzulehnen, an die
Entscheidungsgrenze, ob man sich mit seinem Kinde in das scheinbar Unabänderliche
wehrlos ergibt, oder ob man sich mit einem Menschen verbündet, der von Amts wegen eine
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Waffe führt, um nicht selbst umgebracht zu werden. Man kann sich also nicht aus dieser
Entscheidung tatenlos entfernen, man muss die Weichen stellen oder stellen lassen und dies
bejahen. Zwei Welten müssen sich aufeinander abstimmen. Beide wollen das Gute, wollen
das Töten nicht hinnehmen, wissen, dass ein Gebet der eine Weg, ein durchsetzbarer
Entschluss zur Lebensrettung der andere sein muss. Und so kann das Unrecht ausgelöscht,
unwiederholbar gemacht und nicht fortgesetzt werden.
- Der Titel „Der einzige Zeuge“ führt irre. Es geht nicht um das Wegnehmen einer Spielfigur
in einem Justizdrama. Der Originaltitel heißt: Witness -–Zeuge. Wir erläutern: Der
Bezeugende, der Zeugnis Ablegende, der, der alles erlebt, gesehen, gehört, an sich erfahren
hat. Und er bezeugt beide Lager in ihrer Weltanschauung, ihren Reaktionen auf die
Herausforderungen, in ihrem Anliegen den Betroffenen gegenüber. Samuel erfährt in seiner
Rolle als Botschafter des selbst Erlebten, was die Keimzelle des Unglückes ist, und fürchtet
sich nicht, auf das Leck in der Rechtsbewahrung zu zeigen. Dafür steht er auf der richtigen
Seite, und was geschieht, er wird es – unter John Books Schutz wie auch allein - der Nachwelt
bezeugen.
Gestatten Sie mir noch einen Nachtrag, abseits der amazon-Rezensionen:
John Book = Johannes, das meint das Buch der Offenbarung energetischer Kulminationen
aus der Vergangenheit in der Gegenwart für die Zukunft, was wir, völlig irrelevant, als
„Zufälle“ fehldeuten.
Denn Zufälle gibt es nicht: Samuel, der Prophet des AT, wird uns mit Johannes, dem
Propheten des NT (= eigentlich das letzte Buch des NT), den Brückenschlag des biblischen
Dauerkontextes beider Bücher voleben.
Überschrift
Die Spur des Windes
Vorbemerkungen
Menschen in Gefahr bilden, sofern sie klug sind, Not- und Wehrgemeinschaften. Sie erfordern
Kompromissbereitschaft und Respekt vor den Eigenheiten jedes einzelnen, Einsichtsfähigkeit
in die Ratschläge besser Erfahrener, als man selber sein kann, Einsatzbereitschaft für das
Leben aller und Mut zur Situationsbewältigung unter Gefahr des eigenen Lebens.
Unsere drei Flüchtlinge führen uns in diesem bemerkenswerten Streifen vor, welche Stufen
der Erkenntnis und Leistungssteigerung junge Menschen durchleben, um ihr Ziel zu
erreichen, ihr Leben zu retten und die Mörder der Gerechtigkeit zuzuführen und die
Hintergründe ihres Handelns vernichten zu lassen.
Nonnie Parker lebt mit ihren Eltern als Wildhüter und Forscher am Rande der Kalahari. Am
Tage, als ein junger U.S.amerikanischer Junge ziemlich gleichen Alters mit seinem Vater zu
ihnen als Gäste stößt, braut sich eine Entscheidung an, deren Auswirkungen die beiden jungen
Leute nur deshalb überleben, weil sie bei einem jungen verletzten Buschmann in der Nähe in
einer Höhle übernachtet haben. Nonnie kann die Mörder ausmachen und ihre Fahrzeuge noch
zerstören, bevor sie in die Kalahari flüchten, ihre Verfolger auf den Fersen.
Es bleibt nur dieser eine Weg, da die Verbrecher ihnen jeden Fluchtweg in anderen
Richtungen abgeschnitten haben. Und diese Flucht kann nur gelingen, wenn ein eingeborener
Führer die jungen Weißen auf kundigen Wegen durch die mörderische Wüste geleiten können.
Das Werk:
Der Film spitzt die Problematik zwischenmenschlicher Annäherung so zu, dass aus der
anfänglichen Verachtung für die unglaubwürdige Welt der Geisterseher ein inniges Vertrauensverhältnis sich entwickelt, bis der Jugendliche lernt, mit dem jungen Buschmanne zu
denken, um so überleben zu können. Als Technik und Zivilisationsvorsprung versagen, wird
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es an der Zeit, sich mit den Zeichen der Natur zu befassen, um sie zu deuten und aus ihnen
Hilfestellungen zu lesen. Das ist das Kernprogramm allen Überlebens.
Man lernt, Wasser zu finden, man lernt, das Leben einer erlegten Antilope so zu würdigen,
dass alles verwertbar werden kann und Harry der ihm an Erfahrung überlegenen Nonnie aus
dem Fell ein Gewand schneidert und ihr schenkt – natürlich mit des getreuen Afrikaners
Hilfe.
Der ethische Aspekt:
Als Harry einfällt, durch ausgefüllte Kleidungsstücke die wahre Absicht der aus dem
Flugzeug Schießenden zu provozieren, glaubt er, besonders dafür gelobt werden zu müssen.
Aber bald lernt er, dass jede Hilfestellung seiner beiden Freunde gleich hohen Dank verdient
hat; er lernt, bescheiden zu werden. Und als die Elefanten durch die Fürsprache des
Buschmannes bereit sind, die Spuren zu verwischen, hat die Skepsis bald ein Ende, denn auf
jeden Zweifel folgt der praktische Beweis, dass Misstrauen und Hochmut ungerecht urteilen:
Tier und Mensch verbünden sich. Er ist, lehrt dieser Disney-Film, nicht in der Natur sich
selbst überlassen, sondern es gibt die Mittel einer geistigen, also nicht materiell zu
verankernden Korrespondenz der Naturkräfte und der Lebewesen, die unter deren Einfluss
stehen. Es mögen Gleichnisse sein, vielleicht sogar Metaphern, aber es sind Steuerungen der
Schöpfung, ob wir wollen oder nicht. Dass Tiere Menschen beschützen, ist also eine
hinlänglich bewiesene Urerfahrung.
Der schöpferische Vollzug:
Der Buschmann weiß um die Gefahr, bevor die Kinder sie hören und Zeuge werden können.
Ebenso ist auch der Hund voller Unruhe und schlägt an, während die Menschen seine Signale
nicht sofort aufnehmen möchten.
Menschenkenntnis hätte, sagt Nonnie, den Vater vor einem Freunde warnen müssen, der sein
doppeltes Spiel mit den Menschen auf dieser Station zu treiben wusste. Je näher der Mensch
in seinem Bezuge zur Natur steht, desto ungehinderter hat er Zugang zum Kosmischen
Wissen. Einen solchen Menschen zum Freunde zu haben wie dann die beiden jungen Weißen,
würde eine völlig andere Art der Beratungen ermöglichen. Kinder und vor allem Tiere
drücken ganz offen aus, was sie von einem Menschen halten, und stößt ihr Charakter sie ab,
so zeigen sie es. Wehe, wer aus blinden Zwecken ihre Warnzeichen zu entkräften sucht!
Als der Marsch durch die Kalahari gelungen ist, kann das Verbrechen endlich aufgedeckt und
der Raub vernichtet werden. Zwei junge Weiße haben ihre Übereinstimmung eingestanden.
Der junge Afrikaner hat versprochen, nicht zurückzuschauen. Er bleibt im Bunde nicht mehr
der Dritte. Das ist schade und ein Verlust für die Qualität der Zukunft. Er ist würdig, durch
seinen Darsteller ein Denkmal gesetzt zu bekommen:
Xhabbo
= Sarel Bok
Nonnie Parker = Reese Witherspoon
Harry Winslow = Ethan Randall
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Überschrift
Der Italiener – russisch mit deutschen Untertiteln
Vorbemerkungen
Das Ziel: Wanja begegnet endlich seiner Mutter und weiß: Sie muss sich nicht vor den Zug
werfen, weil man ihr Kind ins Ausland verschoben haben würde.
Dieser Kampf ist der rote Faden durch die gesamte Handlung, und weil es stattgefunden hat,
wünscht man sich endlich eine Wende im Umgange Erwachsener mit Kindern – wohl
vergebens!
Das Werk:
Wanja (Kolja Spiridonow) gehört einem russischen Kinderheim, das gegen Geld an
Adoptiveltern „vermittelt“ – je höher die finanzielle Erfolgsquote, desto länger kann der
Heimleiter sich betrinken.
Für Wanja interessiert sich ein italienisches Ehepaar und verspricht, nach Erledigung aller
Formalitäten den Jungen zu sich nach Italien zu holen.
In dieser Wartezeit taucht die Mutter eines Jungen auf, den man vorher verkauft hatte, und als
sie auf die Straße gesetzt wird, hat sie mit Wanja an der Bushaltestelle ein letztes Gespräch,
bevor sie sich später vor einen Zug wirft, weil sie ihren Jungen nicht wiederfinden und
behalten können wird. Diese Begegnung reicht, um den Sechsjährigen auf die Suche nach
Hinweisen auf den Namen und den Verbleib der eigenen Mutter zu bringen. Am Ende finden
Mutter und Sohn wieder zusammen, und den adoptivwilligen Italienern schreibt der Kleine
einen Brief, wie gut es ihm gehe.
Der ethische Apsekt
Der Film enthält eine Botschaft und zugleich ein Heftchen, in welchem jemand behauptet,
Waisenkinder gebe es nur noch wenige, denn die elternlosen Kinder seien meist von Verwandten aufgenommen worden. Es wird viel um diese Art Kinderfilm-Honorierung ein
Wesen gemacht, bei dem sich ständig Leute produzieren, die sich besser still gehalten hätten.
Natürlich ist es bewundernswürdig, dass ein Junge in diesem Alter sein Schicksal in die
eigene Hand nimmt, aber unter welchen Bedingungen und unter welchen Zumutungen seines
Umfeldes, wird hier unterschlagen. Dem Regisseur gelingt es, die Atmosphäre so natürlich
einzufangen, dass es einen graut, sieht man diese Kinder in den Fängen täglicher Grobheiten
und Brutalität. Dem Klima entspricht die rohe Gesittung, dem rauhen Wetter der Hang zu
Gewalttätigkeit, und insgesamt ist das Prinzip Zuwendung das Gegenteil zu Liebe, so
entsetzlich sparsam geht man miteinander um.
Wir blicken durch ein Schaufenster in die Welt der auf sich Gestellten, den Kampferprobten,
denen Gesittung und künstlerische Ambitionen wie Spott erscheinen müssen.
Der schöpferische Vollzug
Aus einem totalitären System in die vermeintliche Freiheit ausgewildert zu haben, ist kein
politisches Heldenstück, sondern verantwortungslos, und die Bruchbuden, in denen Menschen
ihr Dasein fristen, das Symbol für den staatlichen Ruin, als die Kapitulation der Herrschenden
an die Kinder, an die Zukunft, an das, was wir mit „Glück“ zu bezeichnen wagen.
Wir kennen auch Filmdokumente, in denen Kinder von ihren Familien begabungsfördernd in
Obhut leben, und der russische Mensch leidet ebenso mit seinem Kinde wie alle Eltern dieser
Erde, es sei denn, sie sind psychisch so deformiert, dass sie ihre Kinder nicht mehr als lebensund erhaltenswert betrachten und aus dem Fenster werfen, mit dem Hammer erschlagen,
totschütteln oder abstechen.
Es kann nicht als lohnend angesehen werden, als Geschiebemasse industrieller Ausbeutung in
die Welt geboren zu sein, um sich nach den ersten Jahren der Demütigungen durch
existenzielle Dauerbedrohungen durch das Management nach Erlösung zu sehnen.
Dieser Wanja macht uns klug, sehend für das, was in ihm nach Leben schreit; es beschämt
mich und nimmt mir den Atem!
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Überschrift
Eine Hand voll Gras
Das Werk
Mit dem Drehbuch Uwe Timms wird ein Filmdrama eingefädelt, das so idyllisch und
unverfänglich zu beginnen scheint, aber doch sogleich akustisch und optisch auf den Kern der
Handlung zielt:
Der Knabe Kendal wird gegen Geld von seiner Familie gekauft und mit nach Deutschland
genommen, um ihm dort eine gute Zukunft zu ermöglichen, wie der Onkel verspricht.
Recht bald wird aus dem unschuldigen Knaben ein strafunmündiger Rauschgifthändler
gezogen, und als sich ein Taxifahrer um dieses Kind aus Kurdistan kümmert, geraten beide in
die Interessenskreise der Dealer..
Wir erleben das Ringen um die Überlebenschancen für Kendal, und als man sich sicher fühlt
und glaubt, die angeblichen Familienangehörigen abgeschüttelt zu haben, wird der „Verräter“
bestraft. Statt mit seinem erwachsenen Freund, Taxifahrer und Ex-Polizisten, auf den Turm
des Hamburger „Michel“ steigen zu dürfen, nimmt Kendal, übelst zugerichtet, sterbend von
seinem Beschützer Abschied.
Der ethische Aspekt
Die Ethik dieses Films ist hoch angesetzt, weil es um das Problem der Schutzgarantie für
Kinder, aber auch um die Vorführung der völligen Hilflosigkeit der Politik und der von ihr
verlassenen Behörden geht. Wir erleben die Undurchschaubarkeit des Großstadtbetriebes, und
mit den Augen des schafehütenden Kendal, der in diesen Hexenkessel der unvorbereiteten
Signale auf keine Erfahrung aus seiner bisherigen Kindheit zurückgreifen kann, erlebt man
die Anhänglichkeit des Jungen, der Schutz sucht, kein Wort Deutsch und nur die Nerven
bewahren kann, bis er die Sprache zielstrebig erlernt, mit der er sich langsam zurechtfindet.
Die Verwandten, die ihn auf die Straße schicken, erpressen ihn, die Polizei, die ihn erwischt,
will ihn zur Denunziation zwingen, ohne dem Jungen Schutz gegen die noch nicht gefassten
Verbrecher gewähren zu können. Darum ist dieser Film die längst fällige Anklage!
Der schöpferische Vollzug
Kendal hätte in Kurdistan ein wundervolles Heimatland gehabt. Aber weil man nachts die
Häuser aufbricht und die Menschen erschießt, die dem Staate gefährlich erscheinen – und so
auch Kendals Bruder – hoffen die Eltern auf das Versprechen, dass der Onkel auf den kleinen
Jungen aufpassen wird, damit ihm nichts zustößt. Der Verrat ist Programm – vom Regen in
die Traufe, fort von den Eltern, die den Sohn mit großen Sorgen nach Deutschland ziehen
lassen, der Vater Kendals seinem Bruder vertrauend, die Mutter mit einer Wunderblume, die
dem so Herumgereichten, Geschlagenen, schließlich zu Tode Geprügelten einmal blühen
durfte – ein Menschenleben für ein Verbrechen: im politischen Mikro- spiegelt sich der
Völker-Makrokosmos des professionellen Schiebertums und der hemmungslosen Geldgier,
bei der nur noch eine Ehre gilt: Die Verbrecher nicht zu verraten! Statt Befreiung schnappt
diese Falle zu.
Was also wollt ihr tun?
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Überschrift:
Mariken
Vorbemerkung:
Die Präsentation in deutscher Sprache hat auf sich warten lassen, ist aber zu sehr guter
Qualität als Kauf-DVD im Handel erhältlich.
Das Programm der Jungen Journalisten hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mittelalter zu
thematisieren und eine Handlung vorzustellen, in der das Leben der Kinder im Umfelde der
Erwachsenen nachempfunden werden kann.
Dabei ist fraglich, ob dieser Grad an humanitären Entscheidungen das Wesen der damaligen
Epoche spiegelt oder nicht eher an den jeweiligen Ermessenshorizont der regionalen
Potentaten zu koppeln ist. Viele Fragen mussten deshalb aus didaktischen Gründen ausgespart
bleiben; es genügt aber das Spiel um Mariken, die dumpfe Vorstellung der Konfession von
Gott und seinem Wirken im Wechsellichte der Ereignisse vor Augen zu führen.
Das Werk:
Das Findelkind Mariken wächst bei dem Einsiedler Archibald im Walde heran und lernt lesen
und schreiben, ehe es sich auf den Weg macht, einen Ersatz für die ihnen geraubte Ziege in
der Stadt zu beschaffen.
Weil die Kirche keine wirkliche Rettung garantiert, hat Mariken die Spannbreite zwischen
Gauklertum und Edelfräulein zu durchmessen. Das Mädchen entscheidet sich für Isabella und
ihren Mann Joachim, und der in Ketten gehaltene Knabe Jan, der als Spielgefährten Ratten
um sich hegt, wird durch Marikens Initiative von den Gauklern der Tante mit Teufelsspuk
abgepresst und samt der schwarz gefärbten Ziege in die Freiheit mitgenommen. - Einige
Rätsel um Archibald sowie um den Verbleib Marikens und ihres Freundes Jan können gelöst
werden.
Mariken wird mit Jan und den Gauklern fortziehen, ihr Ziehvater Archibald mit humorvollen
Vorsätzen sowie der neuen Ziege ins Kloster gehen Noch einmal Glück gehabt, denkt der
Zuschauer!
Der ethische Aspekt:
Mariken hat nicht nur das Lesen erlernt, sondern stellt außergewöhnlich weitreichende Fragen
– man könnte sagen: Weichenstellende Fragen, so dass ihr freimütiges Wesen ihr fast eine
Erziehung im Bannkreise der Gräfin der Stadt eingebracht hätte. Auch sonst bewegt sich das
Mädchen in einer Sphäre der vorausdeutenden Ahnungen und hat keinesfalls Unrecht, wenn
sie sagt, sie habe alles gewusst, sei aber jetzt irritiert. Laurien von den Broek hat ein großes
Energiefeld, wie ihr Bruder, der den Rattenjan spielt, und somit überstehen sie den Wahn der
Schwarzen Witwe, Jans Tante, und die eisige Atmosphäre klerikaler Weltfremdheit.
Der schöpferische Vollzug:
Das Mittelalter ist, wie der Kommunismus, eine Zeiterscheinung mit Glaubensfanatismus der
Minderheit, mit gesunder Distanz zu Spuk und Zauberschwüren.
Mariken verkörpert die Zukunft der Niederlande, der Nation, an der sich der gallige Herzog
Alba die Zähne ausbeißen wird, und Rattenjan das Elend der unschuldig Verdammten durch
Hexenkult und blindwütiger Unterstellungen.
Während das Volk um das Überleben ringt und sich mühsam ernährt, spielen die Gaukler die
klug Hinterfragenden, die die Ursache des Übels nicht nennen dürfen, aber doch damit
kokettieren. Als die Gräfin ihren Anspruch bemerkt, spürt sie die würgende Enge ihres Loses,
das sie an das Erbe eines grausamen Vaters gekettet hält. Als ihr Isabella die Dauer ihrer
gültigen Regentschaft vor Augen führt, begreift die kluge Frau, dass eine Mariken in die
Freiheit zu entlassen ist, um sie nicht in Etikette ersticken zu müssen. Charakter hat nur der
Unabhängige, oder, wie Rosegger sagt: Genies haben die Größe – der Rest ist Rudel.
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Überschrift:
Die Brüder Löwenherz
Vorbemerkungen:
Jonathan, der ältere der Brüder, ist symbolisch der Wegbereiter, der Bereinigende.
Lindgrens Begriff der Geschwister hat Dimensionen, die über die bloße Symbolik
hinausgehen.
Symbolik heißt hier Blutsverbundenheit: Kain, der mit Abel den Frieden hält, oder Esau, der
Erstgeborene, der nicht um ein Linsengericht sein Erbe versetzt, - weil sich beide Brüder
charakterlich gleichen und der eine des anderen Wohl ergänzt.
Über diese Symbolik hinaus deutet Lindgren die Seele des einen als die leibliche
Entsprechung des anderen. In „Allerliebste Schwester“ erfahren wir, dass die
Verschwisterung von Schöpfungsgeist mit der Materie eine Einheit bleiben muss. Nichts ist
wirklich käuflich oder bestechlich. Wer seine Seele verrät, wird innerlich verdorren. Der Eingang zu ihrem Reich wird verborgen bleiben: Der Verrat bedeutet den Hinauswurf aus dem
Garten Eden. Das zu verhindern, heißt bei Krümel: „Ich will kein Dreck sein!“
Im Sterben wird die Zweisamkeit als Einheit Materie-Schöpfungsgeist erneut beschworen,
die Vollendung Mensch in der Gestalt des Kindes bestätigt sich, und so fällt vom Tode alle
Furcht ab.
Das Werk:
Karl Löwe droht zu sterben. Er ist 10 Jahre alt und lebt mit Mutter und Bruder zusammen. Die
Brüder sprechen über den Abschied, und der große tröstet den kleinen, dass sie sich
wiedersähen. Und würde Jonathan auch 90 Jahre alt, so wären das für Karl, den er zärtlich
Krümel nennt, doch nur eine Frage von Tagen – lächerlich kurz, und sie wären wieder, und
diesmal für immer, beisammen.
Eines Tages brennt das Haus. Jonathan stürmt in die Flammen, das Obergeschoss hinauf,
nimmt den kleinen Bruder auf den Rücken und springt zum Dachfenster hinaus.
Karl überlebt, Jonathan aber stirbt.
Als Krümel seine Lage überdenkt, sinkt er in den erlösenden Schlaf, hinüber in die
Offenbarung, und von dort, nach vielen bedenkenswerten Abenteuern, wandern sie beide ins
große Licht.
Offenkundig sterben beide Brüder in völliger Übereinstimmung, die schon vor der Geburt
bestand, sich im Leben bewahrheitete und den Weg aus ihm heraus zurück zum
Allumfassenden nicht zu scheuen braucht.
Die Bedeutung Leben fasst Lindgren als das Friedensstiftende mit dem Begriff „Kind“
unwiderlegbar zusammen.
Der ethische Aspekt:
Lindgren stellt sich mehrfach der Frage der Kinder: Was ist der Tod? Wie nimmt er sich der
Kinder an? Wohin führt er sie? Und warum muss er sein – so früh?
Eine solche Fragestellung muss zu einem Ergebnis gelangen, das den Kindern wörtlich
einleuchtet. Der Tod ist auch bei Kindern alltäglich, minutenversetzt sterben sie weltweit, und
die Frage nach dem Warum klingt zwar einfach und logisch, aber sie ist überhaupt nicht
einsehbar, denn die Erwachsenen haben ihn zu verantworten, gerade die, auf deren
Vertrauensbasis Kindheit nicht ruhen durfte.
Krümel und Jonathan erleben in der Welt der Träume die Parallelität des Grauens, das sich
Menschen gegenseitig zumuten, und nachdem das Gute siegt, sind die Kinder müde – was
anderes weiß ihnen die Welt ja auch nicht zu berichten.
Mut haben sie, die Kleinen, das Grauen durch ihr Warum zu besiegen, den feuerspeienden
Drachen der Dummheit zu überlisten und sich in die so vertraute Zweisamkeit
zurückzuziehen, denn diese Art Kämpfe haben sie satt. Das ist Lindgrens Botschaft – die
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Lächerlichkeit des Unterwerfens wie Siegens gegenüber der kindlichen Unschuld, die keiner
beschützen kann, weil er nicht weiß, wie und warum er das machen soll. Die Eidetik wird fälschlich als Träumen bezeichnet. Sie erprobt vorab das Programm, das
die Autorin durch die Kinder zitieren lässt und das sie sich ins Gepäck legte, bevor sie
Mensch wurde. Es konnte sich auch hier bewähren!
Der schöpferische Vollzug:
Die große, geniale Schwedin ist zwar keine Prophetin, jedoch der unbestechliche Anwalt der
Kinder und ihres Wesens, ihrer Zeit weit voraus.
Literatur muss bei ihr, wie alle Kunst, Verkündigung sein. Ihre Botschaft bewegt sich in
eindringlicher und doppeldeutiger Bildlichkeit. Das scheinbare Ausklinken aus der Normativität gilt nicht als Revolte oder Rebellion, sondern bezeugt eine Welt, die ewig bestand
und ewig bestehen wird, die aber weder Zeit noch Raum kennt und somit der Mittelpunkt der
kindlichen Seele ist.
Aus ihnen entwickelt die Autorin das Begreifen des Schöpferwillens. Tod ist identisch mit
ewiger Existenz, sehr anschaulich und begehrenswert in Jonathans Beschreibungen
vorgeführt, aber die Voraussetzung, wieder in die Heimat zurückkehren zu können, ist auch
an die Erwartung zu knüpfen, dass die alten Spielregeln dieser Erde nun eben nicht mehr
gelten, denn was sie bewirken, ist Grund zur Flucht aus ihr, ist Erlösung, wünschenswerter
Lohn statt Entwürdigung, Missachtung, Hunger, Vergewaltigung, Sklaverei unter der Knute
der Macht- und Profitgierigen.
Lindgren zeigt nicht die Extreme kindlichen Leidens, sondern befestigt ihre
„Traumdeutungen“ an der Welt ihrer heimischen Kinder.
Das Werk schließt nicht traurig, denn wir sehen niemanden, der sie beweint. Wohl aber
machen sie sich auf in das helle Licht, weil sie Menschen wieder treffen wollen, die ihnen
vorausgingen und ihnen so sehr viel bedeuteten. Auf in die Heimat! – heißt die Losung. Die
treuen Gefährten warten mit den offenen Armen der Liebe.
Überschrift:
Die geheime Festung
Vorbemerkungen
Das Werk:
Der kanadische Film führt uns auf der Basis eines Feriencamp-Programms die Kernfrage nach
Ursache, Veranlassung, Sinn und Resultat der Kriege vor Augen. Die Inszenierung beginnt an
der Basis, der Spiegelbotschaft des Kindes, das uns die Gesinnung der verblödenden
Verlogenheit der Erwachsenen vorführt.
Seit Generationen kämpfen und bekriegen sich das Nord- und das Südufer, wobei die
Spielerei an der Stellschraube „Regeln der Kriegsführung“ die Gegnerschaft bis zur Eskalation treiben wird.
Die Erwachsenen sind auf dieses „Spiel des Lebens“ geradezu stolz, denn sie können auf die
Verlierer hinabhöhnen und ihre Kinder als „Helden“ und echte Lebenskämpfer feiern lassen.
Die Aufzucht zum Berufssadisten gerät durcheinander, als sich aus dem Gros der Berufsgehorsamen drei Kinder zu viele Gedanken machen und den Unfug hinterfragen.
Als zwei von ihnen in Gefahr geraten und bei der Suche sogar ein Waldbrand ausgelöst wird,
gerät diese Treibjagd nach dem „Darwinschen Prinzip“ endlich ins Stocken.
Die triumphale Heimholung der wiedergefundenen Verlorenen am Schluss des Films dürfte
unglaubwürdig sein, denn einen Gesinnungswandel wird es unter den Erwachsenen wohl
nicht gegeben haben.
- Obgleich manche Übergänge etwas geschnitten erscheinen, wird die Handlung nicht nachträglich gekürzt worden sein, d.h., sie wurde in kluger Abwägung der Aussagemittel mit den
Kindern durchgespielt.
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Der ethische Aspekt:
Warum funktioniert eine so großartige Lebenslehre wie das Ausfechten der
Hierarchiesprossen auf einmal nicht mehr? Warum zögert der Sohn und warum vertreibt sich
dessen Schwester mit dem Anführer der Gegenpartei nachts am Feuer die Leere auf all ihre
Fragen?
Die für diese Rollen ausgesuchten jungen Darsteller spielen, was ihr Leben in ihnen
verkörpert. Auf einen Platz gestellt, mit dem Auftrag versehen, die Welt der Erwachsenen mit
„Heldentaten“ zu garnieren, tun sie, was sich vertreten lässt, aber sie halten inne, als sie
merken, dass nach den Siegen / Niederlagen nichts besser, schöner, erlebnisreicher wird. Sie
erkennen die Sinnlosigkeit dieser Lust am Prügeln und kündigen den Erwartungsvertrag mit
ihren Einpeitschern.
Grund: Sarah, Julien und Marc sind schöpferisch sonderbegabt, und so hat man ihre Darsteller
auch ausgewählt. Dass Juliens Eltern, gleich begabt, aber gedankenlos, das nicht zu
verhindern suchen, dass der Kunstmaler, auch schöpferisch begabt, dem wie abwesend
zuschaut, sagt auch etwas über die Lethargie aus, die dieser Begabungstyp als Schutzhülle um
sich panzert, um seinen Frieden zu haben. Gegen eine Übermacht rumort man nicht, sondern
steht erst dann auf und schafft Tatsachen, wenn es auf friedlichem Wege nicht mehr geht.
So idyllisch das auch aussehen mag: Es ist ein sozialer Krieg, eine Beschäftigung aus der
untersten Kiste der Gewaltbereitschaft, und am Ende, als sich Marc zurückziehen möchte, wie
Julien auch, übernehmen wieder die Normativen die Führung, und Guantanamo beginnt.
Der schöpferische Vollzug:
Die Regie hat sich eine grandiose Aufgabe gestellt, indem sie nicht den moralischen Aspekt in
aller Brutalität aufleuchten lässt, sondern die Kinder als die Spiegel der Gesinnungen unter
den Erwachsenen in letzter Konsequenz alles durchzuspielen heißt, was zum Kriegshandwerk
(?) gehören soll. Während der Einpeitscher dem Sohn den Sinn des Lebens zu erklären sucht
und der Tochter rigoros den Mund verbietet, läuft im Fernsehen ein Bericht über das
Terrorwesen der Kindersoldaten, und der Vater zweier großartiger, friedenssehnender Kinder
nimmt es nicht einmal wahr, dass er in der Wurzel seines Denkens nichts anderes tut als das,
was dort im Fernsehbeitrag blutige Wirklichkeit ist. Die Dummheit schwillt sich groß,
während das Resultat dieses schlimmsten aller Laster gerade vorgeführt wird. Die Kinder
kommentieren es in diesem Augenblick nicht, weil sie in der Verbalzange des „Vaters“ klemmen, aber sie handeln später!
Was irgend der Film an Steigerung der Kampfmittel zeigen konnte, hatte durchaus mit
hoher Intelligenz zu tun, und der Junge, der den Bienenballon konstruiert und zur Waffe
ausgebildet hatte, war gewiss ein sehr begabter Konstrukteur und kannte seine Mittel. Aber
dieses Kind macht auch deutlich, wie verheerend Intelligenz gegen Humanität und
Menschenrechte einsetzbar wird! Aus einer Denksportaufgabe wird eine gefährliche Waffe –
soweit können auch normative Kinder kommen. Das ist also nie ein Spiel gewesen, und wenig
überzeugend dürfte darum der Schluss sein, der suggerieren soll, alle seien endlich zur
Vernunft gekommen! Nein, man hatte sich nur ein bisschen weit vorgewagt – wie immer: Erst
die erlaubten Waffen, dann das Gas, dann die Bomben, die Chemie, dann die A-Bombe, und
so weiter ….! Die Kinder hatten zumindest erst einmal genug. Die Erwachsenen wohl immer
noch nicht, und so wird es bleiben!
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Überschrift:
Die Kinder der (des) Verdammten
Vorbemerkungen
Der englische Titel heißt: „Children of the Damned“, und meines Erachtens kann dies sowohl
Singular wie Plural bedeuten.
Da aber von einem Vater die Rede ist, der 6 Kinder über die Inkarnation der Jungfräulichkeit
an sechs verschiedenen Orten dieser Erde in die Materie berief, muss es wohl „der
Verdammte“ sein – eine vorweihnachtliche Hypothese des Atheismus, der sich in transzenden
Gefilden bei permanenter Dunkelheit nicht auskennen wird. - Wir dürfen auch hier einen
Calvinismus vermuten, wie ihn die Kirche heute nicht lehren dürfte, und somit müssen diese
Kinder Werkzeuge des Bösen sein. Das Ergebnis ihrer letzten Erkenntnis heißt: „Wir sind
hier, um zerstört zu werden“ – was zunächst der Situation Jesu gleichkommt, der nach seinen
40 Tagen Fasten in der Wüste genau wusste, was ihn erwartete, auf was er sich da einließ,
aber auch, warum er diesen Weg trotzdem gegangen ist.
Es gibt Film-Inhaltsangaben, die uns vorräubern wollen, die 6 Kinder wollten die Menschheit
beherrschen und sie zerstören. Das sind die alten Lügen: Der Irak hat die Atombombe – also:
drauf!
Kein Wort der Liebe, der Güte, der ausgestreckten Hand ihrer Beherrscher: Das Urteil über
Charakter und Absichten der Kinder steht von Anfang an fest, und darum muss der
Kammerjäger her.
Und das Todesurteil über Gottes Kind um das Jahr 33? Da fand sich auch schon was: Wer
Matth. 18, 1-11, zur Kernaussage seiner Lehre macht, gehört eliminiert …..
Das Werk:
Weltweit werden 6 Kinder ausgemacht, deren IQ bei exakt dem gleichen Leistungsniveau
liegt, also auch die gleiche Lösungsgeschwindigkeit. Selbstverständlich ist hier ein Potenzial
zu heben, dessen Nutzung militärisch Vorteile vor anderen Staaten verspricht. Diese wiederum könnten Attentate auf die jeweils 5 anderen „Genies“ anordnen, um im alleinigen Besitze
dieses „Humankapitals“ zu bleiben.
Den Kindern gefällt es nicht, was man mit ihnen vorhat, und mehr Kommunikation braucht es
auch nicht: Befehle empfangen, Tests ausführen, über sich verfügen lassen! Als der Zugriff
der Hierarchien beginnt, ziehen sich diese Hochbegabten zur Phalanx der allseits Wissenden
in eine Kirchenruine zurück und verteidigen ihr Lebensrecht, bis eine Schachmatt-Situation
eingetreten und „bei allgemeiner Infamie Widerstand zwecklos ist“ (Fernau). D. h., es
erübrigt sich, ihre Mörder sich permanent gegenseitig ausrotten zu lassen – man erkennt, dass
man um Jahrtausende zu früh geboren wurde und besser zurückkehren sollte. Im Feuerhagel
und den tabula-rasa-Detonationen entledigen sie sich ihrer Wohnungen und sind, was sie
zuvor waren: Kinder Gottes!
Der ethische Aspekt:
Wie schon im „Das Dorf der Verdammten“ verändert sich die Optik der Kinder, wenn sie in
Verteidigungsposition gehen. Deren Begabungsprofil ist jetzt im Verhältnis richtig gemischt:
Paul ist der einzige schöpferisch Begabte, die anderen fünf normativ. Erstaunlich, dass ihre
Willensbildung einmütig einsetzt und sie sich in nichts unterscheiden, was ihre ethische
Substanz betrifft: Was geschieht, ist gemeinsame Sache auf gleichem Niveau, von jedem
beschlossen, von allen gebilligt.
Ansprechpartner bleibt Paul, aber keiner ist geneigt, sich aus der Sechsergruppe brechen zu
lassen. „Gemeinsam sind wir stärker!“
Wir können auch beobachten, dass ihnen die Pläne und Handlungsschritte ihrer Gegner von
Anfang an offen vorliegen und jeder Versuch, ihnen etwas vorzumachen, eine angemessene
Konsequenz zur Folge hat.
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Wir sollten diesen Film als apokalyptisches Schattenspiel verstehen: Kinder dieser
Begabungskategorie sind Zweckkapital, sind Ressourcen, die sich zur Verfügung zu halten
haben – ein Eigenleben würde man ihnen niemals zugestehen wollen. Es ist der Missbrauch
auf wirtschaftlich-militärischer Ebene; 6 Sklaven stehen ihren Ausbeutern, der Menschheit,
gegenüber, und ihr Schicksal unterscheidet sich nur in der Art der Ausbeutung von jenem der
Millionen übrigen Kinder, die zu Sklaven ihrer Zeit, ihres Kommerzes und ihrer
Ausplünderung herangefüttert werden. Als sie sich der Inhumanität zu entledigen suchen,
stuft man sie als keine Kinder mehr ein, und damit „rechtfertigt“ man ihre Ermordung.
Der schöpferische Vollzug:
Das Vorhaben, Kinder in eine künstlich erzeugte Abnormität zu drängen, um ihnen die
negativen „Qualitäten“ Erwachsener andichten zu können, ist Blasphemie vor dem
Hintergrunde des 84. Psalms und Matthäus 18, 1-11.
Wer nicht beherrschbar, kontrollierbar, verfügbar sein will, wird eliminiert. Dieses Urtail ist
wie eine Neurose: Es schleicht sich ein erster Fehler ein, der eine Folge weiterer
Fehlentscheidungen benötigt, um existent bleiben zu können, und das wiederum löst den
nächsten folgenschweren Schritt aus usw. Mit jeder weiteren Verfehlung wächst das
Schuldbewusstsein und will um so vehementer kaschiert sein.
In der Tat ist von einem Vater aller 6 Kinder die Rede, und weil sein Zeugnis außerhalb der
Materie möglich war, wurden die Kinder ohne Vater geboren, und ihre Mütter haben sie
gehasst. Ein wahrhaft alternatives Weihnachten, etwa mit „Rosemary´s Baby“ von Polanski
vergleichbar, wobei hier Satanas sein Imperium ohne Maske gern bezieht.
Dass man Kindern außergewöhnliche Fähigkeiten wie „Ahnungen“ oder „Vorgefühle“ übel
nimmt, ist nur eine Variante des Hasses auf ihre natürliche Eigenschaft, über ihr Kosmisches
Wissen zu ethischer Sicherheit zu gelangen, was Erwachsene meistens heftig erregt. In
diesem Film zeigen sie, was sie wie und vor allem wen sie bestimmen möchten, und als ihnen
die Kinder ihre Autonomie beweisen und ihnen Grenzen setzen, dreht die Abordnung der
Wissenschaft durch – die Drecksarbeit darf dann das Militär erledigen.
„Im Westen nichts Neues“ – wen wundert´s?
Überschrift:
Die letzte Legion – jenseits des Sagenhaften
Teil I:
Vorbemerkungen
Der eigentlichen Sage von Merlin und König Arthus schaltet dieser Pseudo-Historienfilm eine
sagenähnliche Phantasiehandlung vor, die den 12-jährigen Kaiser Romulus Augustus als
letzten Cäsaren in die Fänge Odoakars fallen lässt und die Getreuen des Römischen Imperiums verzweifelt um die Befreiung und Re-Inthronisation bemüht sind. Merlin wechselt als
Tarnung in die Rolle des jungkaiserlichen Lehrers Ambrosinus, und Ben Kingsley führt uns
vor, was Sage, Legende, Prophezeiung und Excalibur als Symbol des Sieges der Wahrheit
alles zugeschrieben bekommen.
Kingsley verkörpert den normativen Zauberertyp, wehrhaft und zugleich weise genug, und so
bewegt sich die Geschichte auf der Formel „Kampf für die Wahrheit“. Einzig der beherzte
Knabe macht dem Epos ethisch zu schaffen – wir werden sehen.
Das Werk:
Odoakar macht seinen Anspruch auf ein Drittel Italiens geltend, und als ihm das verwehrt
wird, weil es nicht vertraglich vereinbart gewesen sein soll, geht es dem Knaben Romulus
Augustus an den Kragen. Der Palast wird überfallen, die Eltern getötet, Ambrosinus, vom
Vater in Schmach verjagt, setzt sich auf die Spur des verschleppten Schülers. Der entdeckt auf
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Capri, wo er gefangen gehalten werden soll, das Schwert der Cäsaren, in Britannien
geschmiedet, im Blute eines Löwen gehärtet – was kann da groß passieren? Man darf
entkommen und schlägt sich nach Britannien durch, wo man die letzte, die 9. Legion, unter
Waffen vermutet. Aber dort herrscht wieder ein „Barbar“, der das Zauberschwert will und
damit das Leben des jungen Kaisers fordert. Sein alter Rivale Ambrosinus hingegen
verhindert dies alles. Nach Rom kann man nicht zurück. So wird die Entscheidungsschlacht
auf Britanniens Boden zu Gunsten der Vorherbestimmung geschlagen, und die letzten Römer
gehen in diesem von ihnen geschützten Staate in dem sich neu formenden Volke auf.
Der ethische Aspekt:
Als Legende bezeichnet, weil es „das Schicksal sich erfüllend“ zeigt, wie es vorhergesagt
ward, ist dieser historische Ausreißer die Symbolik für normative Werte, die nicht untergehen
dürfen, weil Gesellschaft, Volk, Nation auf ihnen gegründet stehen müssen. Dazu zählt vor
allem „Treue für Cäsar bis zum letzten Atemzuge“, der ritterliche Schutz für Unschuldige, die
Entscheidung für Recht und Ordnung nach römischem Vorbilde, und somit ist auch der
freiwillige Zustrom indischer Kampfkunst durch eine Frau durchaus im Denkhorizonte Roms
willkommen, vorausgesetzt, man akzeptiert die Rangfolge Römer – Verbündete – Barbaren –
Frau.
Das Feindbild steht in knapp einer Minute und wird szenisch nur noch „präzisiert“, in
Odoakar, dessen Getreuem Wulfila und den unter einer Goldmaske randalierenden Tyrannen
Britanniens sogar personifiziert.
Einzig der 12-jährige Knabe befasst sich mit dem Warum des ganzen, der Notwendigkeit, das
Gemetzel, das zunächst um seinetwillen stattfindet, was aber das Prinzip der Machterhaltung
mit allen Konsequenzen praktiziert, in welchem der junge Kaiser nur eine von vielen
Schachfiguren darstellt, die zur Rettung Roms längst auf einem Seitenfeld der Dinge harrt.
Am Ende wirft der Knabe das Schwert Excalibur fort.
Der schöpferische Vollzug:
Dieser Akt der Entsagung aller Macht erhöht die Bedeutsamkeit des Kindes und liefert die
Ausgangsposition für die nächste Gestalt, die des Knaben Arthus, dem Ambrosinus diese Geschichte erzählt und der sich zu dem Felsen in seiner Nähe absetzt, in welchen das Schwert,
einst von Romulus Augustus nach der Entscheidungsschlacht fortgeschleudert, gefahren war,
um als der jetzt dafür Vorherbestimmte dieses Schwert herauszuziehen, um erneut für Werte
kämpfen zu können, wie es Art der normativen Weltanschauung seit jeher war. Excalibur
aber verkörpert das Symbol jener Aufgaben, die von Erwachsenen nicht angegangen und
gelöst werden können. Es sind die angestammten Tugenden der Kinder, und ihre Funktion
wird zwar vereinzelt herausgehoben, aber auch dies meint – symbolisch – das Wesen aller
Kinder, das allein möglich macht, was der Welt zu gern abhanden kommt: Die redli-che
Überzeugung, Frieden schaffen zu müssen – nicht Kriege anzuzetteln.
Teil II:
Wenden wir uns jetzt der ethischen Ebene dieses Films zu und betrachten dessen Absicht
vor dem historisch verbürgten Geschehen, erweist sich Odoakar nicht als der einfallende
Barbar, sondern mit der Inthronisation des jungen Romulus, den die Soldaten „spöttisch
Augustulus nannten“, rebellierten die Truppen, die überwiegend aus Nichtrömern bestanden,
wählten Odoakar, der Romulus absetzte und sich selbst auf den Thron hob.
Von Barbarei kann ferner nicht die Rede sein, wenn wir den kulturellen Verfall Roms ins
Auge fassen und feststellen müssen, dass sich Italien längst selbst aufgegeben hatte. Romulus
war der verzweifelte Versuch, das Wesen Roms unter Garantie zu bringen, obwohl sie keinen
mehr interessierte und die Konfessionen Konstantinopels und Roms sich den Volkskadaver
aufzuteilen begannen.
Eines bleibt bemerkenswert: Der Film hält die Geschichte an wie Mark Twains erfundene
Episode des Prinzen und des Bettelknaben!
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Was wäre, wenn …? Twain schließt aus der nie stattgefundenen Möglichkeit eine sehr
hoffnungsvolle Regentschaft – aber die stirbt mit 16 Jahren, und, wie wir vermuten dürfen,
war das Schicksal barmherziger als das des gleichaltrigen Conradin, dessen Leben in Neapel
unter dem Beil endete. Und für den hier 12-jährigen Romulus in diesem Filme treibt man den
Blutzoll für eine fixe Idee so enorm in die Höhe, dass der Knabe in die Verantwortung
gedrängt wird, dem ein Ende zu machen, indem er sich seinen Widersachern ausliefere.
In diesem Punkte setzen die Feldherren ihre Ehre aufs Spiel, und die besteht darin, dass sie
einerseits für die Sicherheit des jungen Kaisers die Garantie geschworen haben, andererseits
aber auch nicht zulassen können, dass ihr militärisches Mitspracherecht ausgehebelt werde.
Soweit es also um die auctoritas und die potestas gleichermaßen geht, überlassen wir dies
den Verantwortlichen, dem Terror durch Gewaltlüsterne entgegenzuwirken. Aber die
Funktion des Romulus in diesem Filme übersteigt das politische Anliegen seiner Zeit und
seiner Anhän-ger. Es geht dem längst abgesetzten jungen Kaiser also nicht um seine
Rückkehr nach Rom, es geht auch nicht um irgend einen anderen Anspruch auf Macht auf
von Römern erobertem Territorium, sondern um die Humanitätsgesinnung, die dem Ringen
um die Preise, die Siegern in der Geschichte zuerkannt werden, ein Ende zu setzen wünscht.
Nur eine Gewalttat macht ihn zum berechtigten Wortführer einer neuen Welt: Die
Annullierung eines Lebens, das sich an dem seiner Eltern vergriff! Es geht nicht um Rache
oder Vergeltung oder gar Strafe (= Tarnbegriff): Es geht um die endgültige Klarstellung, dass
niemand damit durchkommen darf, was hier vom Stapel gelaufen war. Damit aber auch das
Aus für Excalibur!
Der junge Darsteller des Romulus Augustulus, Abbild aller verspotteten Botschafter einer
bedeutsam anderen Welt, sollte uns aufschrecken: Es ist das Antlitz eines Thomas Sangster,
dessen Filmrolle als geniale zweibeinige Datenbank hunderten Juden das Fortkommen aus der
Diktatur ermöglichte. Es ist das offene große Auge des forschend Wissenden, auf die
Auslöser alles Möglichen prüfend gerichtet, wohl ahnend, wenn nicht klar vorausschauend,
was sie damit bewirken. Und es ist der Knabe Rory James als der Sohn des Romulus, der
Arthus, der am Ende dieser Erzählung den alten Merlin verlässt, um sich das Symbol alles
durchsetzbar Edlen, was jemals Menschen zu ihrer angestammten Größe erheben kann, aus
dem Steine zu ziehen. Solange es Kreaturen gibt, die sich an Gewalttätigkeiten erfreuen, wird
es jene auf den Plan rufen – und dies von Anfang ihres Hierseins an! – um den
Brandschatzungen ein Ende zu setzen. Im Geiste sind sie ihrer Aufgabe längst gewachsen. Im
Herzen bleiben sie ihrem Schöpfer treu, so schwer man es ihnen auch mache! Sie sind das A
und das O, der Anfang, der in sein Ende erneuernd mündet, wie alle Schöpfung, die im
Opfertode des Vergehens zu neuem Leben bestimmt ist.
Teil III:
Als dritter und entscheidender Teil unserer Analyse kreist die Historie, fälschlich als
Legende angepriesen und als Sage gemeint, um die Erfüllung einer Prophezeiung. Warum ist
die nun wichtig?
Ambrosinus führt den abgesetzten jungen Kaiser, seinen Schüler, auf der Flucht vor seinen
Mördern schon in der Festung des Tiberius auf Capri an den Kern aller Erfüllung: Aus der
Hand der Statue holt sich Romulus das sagenumwobene Schwert, weil es für ihn bestimmt
scheint. Aus der Sage webt sich aber erst die Legende, als sich Romulus an die Bestimmung
dieses Schwertes koppelt und ihm eine ethische Entscheidungsrolle zuerkennt. Soweit ist er
noch Schüler des Ambrosinus. Aber braucht, wie der sich als Merlin Offenbarende in die
Schluss-Szene spricht, die Welt immer wieder Helden? Und was sollen die gegen die
Hierarchien unternehmen, wenn man sie dann ihrerseits in neuen Unsinnigkeiten für die
Nachwelt einmauert?
Helden sind Persönlichkeiten, die ihr eigenes Wohlergehen zu opfern bereit sind, wenn sie
damit das Leben anderer Kreaturen retten können. Wer fragt da noch nach „Glück gehabt“?
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Wen interessiert, ob es wieder die „Vorrsähonk“ gewesen ist? Diese Charaktere schaffen Taten, aus denen man Sagen oder Legenden, sofern sich darin sakrale Elemente verweben,
hämmern wird.
Normative hangeln sich an Fakten durch die Geschichte. Schöpferische schaffen Wirkungen,
die auf Vergangenem beruhen und die Zukunft formen werden. Prophetie besagt also nichts
anderes als die Ausformulierung des Schöpferwillens, und der sagt: Schaffe Gutes, denn es
schützt und fördert Leben! Verhindere Böses, denn es ist der Feind allen Lebens! Das steht
am Anfange der Menschheitsgeschichte, unter der die Welt leidet!
Prophezeiung um einer profanen Wertigkeit willen, etwa: Was dem Volke nützt! – braucht
Verklärung des Banalen, braucht Rituale, braucht Magier, Priester, Druiden, erfindet sich
Götter und Fabelwesen – ihre Maske ist also Prophezeiung? Will man ein „Geheimnis“
verstecken, damit sich Tollkühne aufmachen, um mit Schwert und Brandfackel Schätze zu
heben, Herrscher zu inthronisieren, Erben aufzurufen, aus Zauber und Romantik-Nebel
Fixpunkte zum Leuchten zu bringen, die Hegel und Lenin dann löschen? Wozu das
„Sakrileg“, die Codierungen in Malerei, Musik und Buchdruckerwesen, die Mystik, die Mythen der Völker, in denen sich „geheime Mitteilungen verbergen“ sollen? Alles derartige
Mühen krallt sich verzweifelt am morschen Mauerwerke der Geschichtsforschung fest und
fühlt den wohligen Schauer beim Blick in die tödliche Tiefe …. Das alles deutet auf
psychische Hilfsbedürftigkeit hin, aber nicht auf die Erklärung, was wohl „die Welt im
Innersten zusammenhält“.
Alle gesellschaftlichen Umwälzungen beruhen auf der gewaltsteuernden Energie einzelner –
Alexander, Alarich, Attila, Odoakar, Theoderich, Dschingis Khan lösen nur ihre Vorgänger
ab, und die Historiker verbrämen ihre Greuel und beschwören ihre „Heldentaten“! – Wenn
Ambrosinus/Merlin das bewundert, das als notwendig erhält, ist nur zu verständlich, dass
seine Schüler sich selbständig machen und ihres Weges ziehen, den ihnen ihr Herz, ihr
Gewissen und ihr im Kosmischen agierendes Wesen ihnen rät. Und hier sind sie – die
Weichensteller, die aus Sage und Legende in die unverrückbare Ethik herausführen:
Ein Bildnachweis aus dem Film: Romulus Augustus (Thomas Sangster) und sein späterer
Sohn, der junge Arthus: (Rory James – beide GE)
Überschrift:
Ginostra
Vorbemerkung:
Dem Hauptdarsteller wird in der Hierarchie der Schauspieler der 6. Platz eingeräumt: Mattia
do Martino! Er spielt den elfjährigen Ettore Greco, Sohn und einziger Überlebender einer
Familie, die von der Cosa Nostra eliminiert wurde, weil jemand von ihnen auffliegen sollte.
Wir sehen uns dieses Kind jetzt an:
Ettore ist gezwungen, an den Erwachsenen vorbei sein eigenes Sicherheitskonzept zu
verfolgen. Er wird allseitig unterschätzt. Als man begreift, wer er ist, eskaliert das Ränkespiel.
Einzig den Jungen zu retten, kann das Ziel jetzt heißen – und das zumindest geschieht in
letzter Minute. Er wird von Matt Benson außer Landes gebracht – vermutlich Teil seiner
eigenen Familie, der Ettore das Leben rettete.
Das Werk:
Der FBI-Detektiv Matt Benson bezieht in der Nähe des Vulkans Ginostra eine Villa mit Frau
und Tochter und dem überlebenden Ettore Greco, dessen Vater Koch bei einem der MafiaBosse Manzella war und jetzt auspacken wollte.
Schritt für Schritt kommt Benson mit zögernder Hilfe des noch verschlossenen,
traumatisierten Ettore der Wahrheit auf die Spur. Jetzt agiert die Mafia auch gegen ihn und
seine Familie. Am Ende kann Benson das Netz zerreißen; Ettore hat sich selbst den MafiaFeind seines Vaters vom Halse geschafft; Benson nimmt ihn mit in die USA, um für ihn
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sorgen zu können, bevor auch der Knabe das Opfer der rächenden Mafia wie auch seiner
gegen ihn aufgebrachten Verwandtschaft wird.
Der ethische Aspekt:
Weder die Unethik der Mafia wird umfassend aufgearbeitet, noch wird dem Knaben
moralische Stütze in seiner Rachebereitschaft zu Teil, so dass er der Justiz die Aufdeckung
der Morde hätte überlassen können. Im Gegenteil: Ettore behält die Übersicht in den
Ausmaßen der Bedrohung und ist in seinen Ahnungen wie auch der Kenntnis der MafiaGesinnung sowohl Benson als auch dem verräterischen italienischen Polizeibeamten voraus.
Der Kardinalfehler der Ermittler ist, dass sie keine Vertrauensbasis für den Jungen schaffen,
so dass der sicher sein dürfte, dass er, im Gegensatze zu seinem Vater, bestens vor der Rache
geschützt sei. Er entwischt den Mördern durch die Lücken, die Benson in der Bekämpfung
der Wege und Mittel seiner Gegner nicht schließen kann. Und er stoppt die Lawine der ihn
Verfolgenden, indem er den Befehlsgebenden ausschaltet. Den Kriegszustand hält er aber
nicht auf. Die noch in Kraft gesetzten Befehle werden gegen Ettore ausgeführt, bis nun auch
Benson zur Waffe greift und die akute Gefahr für seinen Schützling im Teich versenkt.
Der schöpferische Vollzug:
Dass ein schöpferisch begabter Verfolgter aus Verzweiflung seinen Gegner mattsetzt – hier:
ihn erschießt! – beweist, dass ihm die eigene Zukunft letztlich gleichgültig ist, denn er weiß:
Solange er in seiner Heimat Ginostra bleiben wird, muss er mit der Rache der MafiaÜberlebenden rechnen. Und es wird deutlich, welche Fäden dieses Spinnennetz an perverser
Gesinnung halten!
Sehr bald wird klar, dass Ettore von seiner Familie verstoßen ist, und sein Bleiben bedeutet
Gefahr für viele, die darin verstrickt sind. Es macht auch klar, warum so entsetzlich viele im
Netze der Mafia hängen und nicht herauskommen können: Jeder lebt in Abhängigkeit zu den
Machthabern abseits der politischen Amtsinhaber. Es kann nur eine Lösung geben, und
Benson begreift das als letzter: Der Junge braucht lebenslangen Schutz! Das lässt sich
übrigens auf alle Kinder dieser Erde übertragen – nur die Zusammenhänge sind meist andere,
werden aber ebenso wenig erkannt
Ginostra, der explodierende Vulkan, wird das Symbol für eine ursprüngliche, nicht zu
bändigende Energie des Lebens gegen verstopfende Enge.
Überschrift:
Vogelscheuche – Mobbing als Waffe des Kollektivs
Vorbemerkungen
Dieser Film ist sowohl soziologisch als auch historisch, psychologisch wie ethisch eine
Fundgrube für eine Charakter- und Zeitanalyse glorreicher Kollektive – ob kommunistisch
oder faschistisch, tut den damit praktizierten Unterdrückungsmechanismen keinen Abbruch.
Der Regisseur und Drehbuchautor hingegen findet durch die Codierung seiner
Rollenbesetzung das Mittel, seine Botschaft an eine freiheitlich gesonnene Gesellschaft abzusetzen. Ob sie verstanden wurde? Schlagen Sie doch mal in den Bildungs- bzw.
Begabungsverhinderungsprinzipien Ihres Landes nach! Sie werden staunen, was Sie
versäumen mussten!
Das Werk:
Vom ersten Schultage an wird „die Neue“ als Vogelscheuche tituliert. Damit sichert man sich
den Platz im Kollektiv, und somit lacht die so Ausgegrenzte mit und erträgt die
Verunglimpfungen.
In einem ihrer Mitschüler glaubt das Mädchen (6. Klasse) einen „toleranten“ Jungen zu
finden, der auch von dem Mädchen beeindruckt scheint, und beide sitzen von nun an
nebeneinander, tauschen auch in ihrer Freizeit ihre Gedanken aus und fühlen gleiche
Interessen, bis eine „gemeinsame“ Aktion der Klasse von jemandem der Lehrerin „verraten“
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wird. Eine Mitschülerin mit dem Attribut „die eiserne“ führt die Untersuchungen durch, kann
aber zu keinem Ergebnis kommen. Da nimmt die „Vogelscheuche“ die Schuld auf sich, um
ihren Freund damit zu decken.
Obzwar nicht beweisbar, wird dieses Opfer gern angenommen, und jetzt setzt die Jagd auf die
„Vogelscheuche“ erst richtig ein. Der eigentlich Schuldige und zwei weitere Zeugen
schweigen beharrlich und lassen die „Außenseiterin“ leiden. Am Ende verlässt das Mädchen
die Schule und den Ort ihres Martyriums.
Der ethische Aspekt:
In vermeintlichem Konsens mit dem damals herrschenden politischen System zeigt der Film,
welche Macht das Kollektiv gegen Außenseiter, Abweichler oder Individualisten entwickeln
kann und auch soll. Die Lehrerin und die sonst die Grausamkeiten beobachtenden
Erwachsenen mischen sich erst gar nicht ein. Die Sechstklässler erledigen diese „Säuberungsaktion“ präzise – bis hin zur symbolischen Hexenverbrennung in einer Bauruine. Keine
Gnade für das Opfer ist die Grundaussage, die immer wieder proklamiert wird. (vgl. KarateKid I). Eine Logik der zu recherchierenden Tathergänge zählt nicht. Dass jemand sich einem
Beschluss widersetzt, gibt es nicht. Die Einsicht an sich hält nur dann Einzug, wenn die
Mehrheit das genehmigt. Gefällt der aber das genüssliche Herumstochern im Nebel der
Anschuldigungen, ist das Opfer „dran“.
Menschenjagd ist seit jeher der Aderlass des Gesinnungsmobs. Warum aber tun das Kinder?
Diese reflektieren eine Gesinnungswelt der Erwachsenen, die der Regisseur in ihrer
wahrhaftig konsequentesten Weise durch die Kinder Realität werden lässt. Am Ende, als die
„Vogelscheuche“ mit kahlgeschorenem Kopfe ihren „Hexentanz“ auf der Geburtstagsfeier
ihres Klassenkameraden perfekt inszeniert, dämmert es den klügeren unter den Verfolgern.
Jetzt möchten sie aussteigen. Schließlich sind sie ja doch unschuldig: Das Kollektiv hat ihnen
die Verantwortung als einzelnem abgenommen! Also: In jedem Falle Freispruch!
Der schöpferische Vollzug:
Dem drohenden „Freispruch“ – ob FDJ, ob HJ/BDM oder Junge Pioniere – tritt der Film
durch die Codierung im Gewande der Symbolik entgegen.
Unsere Heldin wächst beim Großvater auf, einem verdienten Militär im Ruhestande, in einem
Hause mit wertvollen Zeugnissen einer traditionsreichen Familie, mit Bildern, die als Brücke
in die Gegenwart reichen, und eines dieser Bilder zeigt eine junge Frau, Vorfahre des jetzt
hier lebenden Mädchens, fast zum Verwechseln vorausgeschaffen!
Dem Großvater berichtet dieser junge Mensch voller Empörung und Enttäuschung von
seinem Los, als Verfolgte nicht mehr geduldet zu werden: selbst das Haus des alten Mannes,
der in dem Ort ohnehin nur Zielscheibe des Spottes und der Verachtung geworden ist (für den
sich das Mädchen vor ihrer Klasse zu schämen hatte, wollte sie in Ansätzen bestehen), wird
frech behelligt!
In Sequenzen stellt der Film die Phasen kollektiver Ablehnung und des zunehmenden Hasses
zur Schau. Warum das Mädchen aber „Vogelscheuche“ gerufen wird, weiß niemand. Jeder
Schüler der Klasse spürt aber das Außergewöhnliche dieses Kindes. Aber das Rätsel lüftet
seinen Schleier, ermittelt man das Energiefeld der Handelnden.
Alle Akteure einschließlich des Großvaters und der Lehrerin sind normativer Begabung.
Einzig die „Vogelscheuche“ besitzt ein großes, also schöpferisches Energiefeld.
Messerscharf und unbarmherzig schneidet sich die Gesellschaft solche „Geschwüre“ des
Herausragens aus dem Fleische – in einigen Ländern, auch nicht diktatorisch regierter
Gesellschaftsformen, bis heute!
Lehrsatz dieses Films: Wage es nicht, das Mittelmaß zu überragen! Du kannst nur dazu
dienen, einfallendes Fremdgetier aus der Luft zu erschrecken! Nach der Ernte wirst du dann
verbrannt, wenn du nicht freiwillig umfällst!
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Dem Großvater wird die Lage seiner Enkelin dennoch bewusst: Er überlässt dem Ort sein
Haus samt der Bilder. Einzig jenes der jungen Dame, der seine Enkelin so verblüffend ähnlich
sieht, schenkt er der Schule. Und die Lehrerin bedankt sich begeistert und freut sich über
diese Kostbarkeit auf der Leinwand, während ihr Schützling dem Ort entflieht, weil ihre
Lehrerin für sie weder ein Auge noch ein Herz gehabt hatte.
Ist der Regisseur Kommunist, heißt seine Botschaft (nach Orwells „Farm der Tiere“):
Kämpfer der ersten Stunde werden an den Abdecker verkauft; die Schweine beherrschen jetzt
die Szene und schachern mit den einstigen Unterdrückern und Schlächtern auf Kosten jener,
die sich um das Wohlergehen aller ernste Gedanken zu machen trauen. Ist der Regisseur
Mensch, erhebt er Anklage – mit dem Großvater zusammen, der seine Enkelin aus dem Dreck
aufhilft und mit ihr fortzieht, weil der stumpfe Kollektivismus die Kinder sich selbst und einer
Welt ohne Sinn und Zielgerichtetheit überlassen hat.
Überschrift:
Machuca
Vorbemerkungen
Gonzalo hat grundlegend andere Startchancen ins Leben als sein Freund Machuca, der einer
Privat-schule aufgezwungen und vom Leiter derselben als gleichwertiger Mensch der Klasse
vorgestellt wird. Die beiden Elfjährigen knüpfen ein loses Band der Freundschaft, das zwar
Bewährungsproben aushält, aber gegen das Gift des Hasses so verätzt wird, das es am Ende
reißen muss. Angesichts des militärischen Terrors nach Alliendes angeblichem Selbstmord
trennen sich die Wege der Freunde. Im Gedächtnis Gonzalos bleibt der zu Tode getretene
Beschützer der Familie Machucas und die erschossene Schwester, ein Mädchen voller Hass
gegen die herrschende Klasse, das versucht, den zu Boden Geschlagenen vor dem Martyrium
durch die irrsinnig um sich prügelnden Soldaten zu retten.
Das Werk:
Machuca wird mit einigen anderen Jungen während der Regierungszeit Alliendes einer
Privatschule zugesellt und er-lebt die Gesinnungsreflexion seiner Mitschüler. Sein gleichaltriger Sitznachbar Gonzalo (= aus gutem Hause!!) sondert sich davon ab und hilft dem
Nachkommen der chilenischen Ureinwohner, sich zu bewähren. Gonzalo wird von seinem
Freunde in dessen Lebensumfeld eingeführt und beobachtet die Verbindung von Armut und
kommunistischem Hass. Machuca geht es im Hause des Freundes nicht anders, nur dass es
hier faschistoides Überlegenheitsgebaren zu erleben gilt. Gonzalos Umfeld ist dekadent
und gebärdet sich im Kern nicht anders als jede Gesellschaftsgruppe eines Landes, das zu
wahren Reformen viel zu abgestumpft ist, als dass es begriffe, worauf es ankommt.
Rechte und Linke liefern sich brüllend Parolenschlachten, die kleinen Leute verdienen an
beiden Gruppen, um überleben zu können. Aber Gonzalo erkennt die Zeichen ringsum, die
Gründe für den Hass, und als Machucas Vater, betrunken wie immer, nach Plünderung der
Haushaltskasse für den nötigen Sprit dem Sohne den Grund für seinen Hass erklärt, und auch,
als die Schwester des Freundes seine Mutter als Hure beschimpft, schweigt er, in allem
betroffen, aber mutig genug, nicht die Augen vor der eigentlichen Not zu verschließen.
Der Film gipfelt in der Gegenüberstellung der mörderischen Übergriffe des Militärs in den
Slums und der Welt der herrschenden Klasse, die von alle dem nichts erfahren möchte
Der ethische Aspekt:
Chile ist, wie ganz Südamerika, ein offenes Konto, auf dem die europäischen Vorfahren
immense Schulden aufgehäuft haben: Verletzung der Menschenrechte, Völkermord,
Sklaverei, Ausplünderung der Bodenschätze und dergleichen mehr. Das wäre Geschichte,
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hielte es nicht bis heute an. Und so bleiben die Länder immer noch Spielball europäisch-USamerikanischer Interessen, weil sich die völlig verarmte Bevölkerung nicht mit ihren
Regierungen identifizieren kann, sofern diese sich in Abhängigkeit zu den Industrienationen
befinden. Menschen leiden, weil sie keine Justiz hinter sich haben.
Alliende hat diesen Fehler ebenso gemacht wie die Diktatoren vor und nach ihm. Indem sich
das Volk nicht mit seiner Staatsführung aus reinem Herzen auf gleichem Niveau befindet, und
zwar dem erreichbar höchsten, kann ein Präsident entscheiden was immer er an Humanität
verwirklichen will. Er bleibt verehrt, aber in der Ferne – unerreichbar. Der Film zeichnet den
Schulleiter und die Initiative der kirchlich getragenen Privatschule als liberal, aber die
Elternschaft hält dieses Konzept in den Klauen und lässt das Prinzip Bildung für alle einfach
nicht gelten. Ideologien, hier also geheuchelte edle Absichten auf das Wohlergehen der
Jugend allenthalten, bestimmen die Argumente scheinbar Besorgter. In der Debatte um die
„Neuen“ und ihren „störenden“ Einfluss kündigt sich das Potenzial der Restauration
blindwütig an und signalisiert, dass die Reformen eines Alliende keine Chance haben werden.
Der Präsident selbst soll sich angeblich mit einem Geschenk Fidel Castros geschmückt und
erschossen haben. Doch hat sich der Kommunismus in sich selbst absurd gemacht. Indem er
die Welt in edel und verkommen aufteilt, gibt es ihn nur als die Zusammenrottung der
„Edlen“ im Proletariat. Das hat keine Macht und keine Bildung, um sich durchsetzen zu
können. Und es gibt keinerlei Brückenbau zu jenen Demokratien, in denen die bürgerliche
Stärke der Mittelstand ist, der die Ausplünderung der Unterprivilegierten noch aufhalten kann.
Kommunismus ist, wie der Faschismus, verbohrt und besitzt, wie auchdie Gewerkschaften,
nur eine Scheuklappenanalytik gesellschaftlicher Veränderungen.
Alliende hatte keine Chance, sonst hätte sich vermutlich in Chile eine Demokratie langsam
entwickeln können, die sich von den Hass-Kloaken der Ideologiekritiker und Volksverhetzer
wegbewegt hätte. Solche Säkularisationsprozesse sind naturgemäß heilsam und hätten sich
von der Stagnation des stalinistisch/ leninistischen Terrors wohltuend abgehoben.
Klassenkampf oder Humanitätsideale – was hätte wohl mehr Bestand? Diese Frage
konnte das Militär nicht interessieren. Es hatte sich der Gewaltbereitschaft verbrüdert, sie war
ihm Gesetz
Der schöpferische Vollzug:
Wir sehen in einigen Bildern deutliche Zeichen eines an sich gesunden Volkes, dem aber
keine Integration ihrer unterschiedlichen Kräfte gegönnt wurde.In der Frage, sich an Machuca
zu rächen, der ihn beworfen hatte, stellt sich Gonzalo außerhalb der ihm aufgezwungenen
Chance, dem Jungen, den einige festhielten, Verletzungen zuzufügen.
Machuca ermöglicht dem neuen Freunde den Einblick in das Resultat der Unterdrückung des
Volkes durch das Kapital, und der Junge erlebt die Armut hautnahe. Gonzalo führt den
Freund in seiner Familie ein. Er wird akzeptiert wie ein Hund, der erst noch stubenrein
getestet werden muss und keine Läuse oder Flöhe haben darf. Die beiden Jungen überwinden
diese Atmosphäre der Missachtung bzw. des Hasses. Machucas Schwester strebt den
Klassenkampf auf offener Straße an. Sie stellt sich keiner Schulgemeinschaft mehr. Sie kann
abtauchen und wieder zur Stelle sein, wie es eben die Taktik des Überlebenskampfes verlangt.
Gonzalos Schwester raucht, trinkt Alkohol und darf sich darin sicher fühlen. Sie spart auch
nicht mit Druck, den elfjährigen Bruder dahin zu drängen, es auch zu tun. Kinder unter sich
spiegeln auch dort noch die Gesinnungen derer, die ihr Denken und körperliches
Wohlbefinden steuern, und somit bleiben die Jungen, die der Schule laut Regierungsbeschluss
zugeführt wurden, Fremdkörper. Es zeigt sich während des Schwimmunterrichtes, wo diese
Kinder nur mit einer Unterhose ins Wasser gehen können, die übrigen haben Badehosen.
Auch wo alle gleich, also nackt sind, gehen die Klassenunterschiede weiter: Die Hackordnung
wird erbarmungslos durchgesetzt. Vom Lehrstoff und den Anschlussmöglichkeiten für die
Kinder der Armen erfahren wir nichts. Die Neuen werden nachgehinkt haben.
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Konfliktbesprechungen in der Klasse gibt es nicht; was die Jungen unter sich, auch unter der
Dusche, an Hässlichkeiten austoben, bleibt ihre Privatsache. Auch einen Kampf unter
ihnen bewertet der Schulleiter nicht ganz korrekt. Insgesamt müsste es also eine Pädagogik
der Vorbereitung demokratischen Zusammenlebens geben. Einzig das Gewissen entscheiden
zu lassen, bleibt dem schöpferisch begabten Gonzalo Auftrag. Deshalb ist alles martialische
Druckmachen durch Demonstrationen die Demontage des Dialogs. Er scheint auf allen Seiten
gar nicht möglich. Die Kinder allein, ließe man sie zu sich selbst kommen, können Frieden
bedeuten. Man muss sie nur nicht voll Hass spritzen. Dann heißt das mit Gonzalo:
„Arschloch!“ Hier gibt es nichts mehr zu „spicken“! Die „Zukunft“ gehört der
Gewaltbereitschaft. Sehe ein jeder zu, wie er der entgehe -: Gonzalo hier, Machuca vor den
Gewehrläufen dort, ihnen bleibt nichts als Trauer oder das Laufrad des Hassens und
Verzweifelns. Dem aber widerspricht Schöpfung end-gültig!
Überschrift:
Spuren im Schnee – Prüfsteine der Reue
Vorbemerkungen
Zu den Bibeltreuen Christen: Ein sich widersprechender Begriff, da die Lehre Jesu den
Kontext göttlicher Liebe nachweist, das AT jedoch alle Auseinandersetzungen mit dem
Wirken Gottes darlegt und man sich erlaubt, aus den Irrtümern einer fehlenden Jesuanischen
Gottessicht Regeln, Rituale und Gesetze abzuleiten.
Das Werk:
Annette und Lucien haben als Nachbarkinder ein Problem, das dazu führt, dass sie ihn
ohrfeigt und er dafür ihren kleinen Bruder Dani ärgert. Dies gipfelt darin, dass Lucien dessen
Kätzchen über einen Abgrund hält und sich das kleine Wesen gerade noch im Fall retten
kann. Von dort möchte es Dani zurückholen, stürzt dabei ab, und Lucien rennt davon,
verkriecht sich, und am Ende muss er zusehen, wie der verletzte Junge mit einer körperlichen
Behinderung ins Leben humpeln soll.
Ausgestoßen von allen, außer der Großmutter Annettes und Danis, isoliert sich Lucien, bis
ihn ein alter Mann schnitzen sieht und ihn zu sich holt. Indem er seine Begabung ermutigt und
fachmännisch fördert, erreicht er, dass der Jun-ge wieder Selbstvertrauen gewinnt und nun
versucht, mit seiner Schnitzkunst die Versöhnung und Gutmachung bei Dani und seiner
Familie zu erreichen. Aber Annette boykottiert Luciens Bemühungen. Als sie dann im Schnee
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stürzt und selbst in große Gefahr gerät, kann sie Lucien retten, und das rachsüchtige Mädchen
beginnt zu begreifen, was sie inzwischen angerichtet hat.
Als Lucien von seiner Schwester erfährt, dass es einen Arzt gibt, der Dani helfen könnte und
für ihn erreichbar ist, wagt er den Weg über den Pass zu dem Hotel, wo sich der Mann gerade
aufhält. Unter Aufbietung aller Kräfte erreicht der Knabe sein Ziel und kann in die Wege
leiten, was schließlich dem Kleinen die Behinderung nehmen wird.
Der ethische Aspekt:
Der Film verheimlicht keineswegs sein konfessionelles Ziel, die Ethik der
Schadensbegrenzung, die Ablehnung der Rache und die Tugend der Versöhnlichkeit
herauszuarbeiten. Dafür zeichnen die Herausgeber gegen. Aber sie tun es auf einem hohen
Niveau und ohne Penetranz und billiges Vereinnahmen der Zuschauer-Emotionen. Weil die
Geschichte in den Schweizer Alpen spielt, wird klar, wie rasch ein Unfall zur tödlichen Falle
werden kann, und es wird deutlich, dass hier niemand nur für sich leben kann, sondern dass
die absolute Hilfsbereitschaft das soziale Gefüge eines solchen Dorflebens garantieren muss.
Gesteigert wird diese Voraussetzung durch die Persönlichkeit der sehr verständnisvollen, alles
bedenkenden und abwägenden Großmutter der beiden Bauernkinder. Sie reguliert nicht,
sondern gibt zu bedenken. Strafe liegt ihr fern, sondern sie baut die Brücken zum
Gegenspieler, sie argumentiert aus der Sicht des für sie stets agierenden Schöpfers, auf einer
für sie fassbaren und den Kindern erklärbaren Höhe.
Ihr tritt jener alte Mann gegenüber, der Lucien gerade dort aufliest, wo ihn die Gemeinschaft
ausgespuckt hat, holt ihn zu sich, weil er von Luciens Schnitzarbeit überzeugt ist, und die Art,
wie dieses Kind mit dem ihm neuen und jetzt verfügbaren professionellen Schnitzwerkzeug
des Gönners und Förderers umgeht, gibt jenem recht, der den Jungen ermutigt, ganz sich
selbst zu sein und die Türen seines Herzens für das zu öffnen, was durch die Kunst möglich
wird: Die Offenbarung seines wahren Charakters, und den hat er rasch gewittert.
Lucien enttäuscht ihn nicht, und eines Tages, als der Junge wieder in einer schweren
Bewusstseinskrise steckt, berichtet der Mann aus seinem Leben, von seinen Fehlern und von
dem heißen Wunsche, es an seinen Kindern wieder gutmachen zu dürfen. Sie aber wissen
nicht, wo er lebt und ob es ihn überhaupt noch gibt.
Kargheit zeichnet die Sprache auch der Kinder: Sie ist direkt, urteilt, verurteilt, wie es auch
die Erwachsenen ihnen vorgemacht haben, und auch der an sich verständnisvolle Lehrer kann
nicht verhindern, was Annette mit dem Nachbarjungen unternimmt, um Lucien zu bestrafen.
Die Schuldfrage spitzt sich zu, aber sie bringt nicht die Lösung. Annette selbst muss an sich
erfahren, wohin ihr Hass führt, und als ihr Lucien bezeugt, dass dies nicht sein Gewissen
beeindruckt und er ihr hilft, weil es seine Pflicht ist, aber auch, weil man so eine Abhängigkeit
nicht ausnutzt, kann er den Bann brechen, den man gegen ihn ausgesprochen hatte.
Der schöpferische Vollzug:
Ist schon die Botschaft des Films eindeutig und über alle engstirnige Konfessionalität der
Lohn-Strafe-Schuld-Sühne-Vergebung oder Verdammnis erhaben, beweist er zugleich, dass
es keine so beglückende Lösung gegeben hätte, wüsste das Geschick nicht die Einmütigkeit
aller verantwortlich Beteiligten, abgesehen von Annette, die nachreicht, was ihr zuvor nicht
möglich war. Zu viele der Erwachsenen erweisen sich als unbeeindruckt in der Möglichkeit,
Lucien ihrer Rache oder Verachtung auszusetzen. Und der alte Holzschnitzer vertraut dem
Knaben sein gesamtes Erspartes an, damit der Arzt – übrigens sein Sohn – bedenkenlos die
schwierige Operation bei Dani versuche und erfolgreich durchführe, was dann auch geschieht.
Motor des gesamten Kulturfortschritts bleibt jedoch Lucien selbst. Er ist zwar der
Verursacher, aber zugleich der Glücksbringer für ein Gefüge des Idealen an sich. Er hat nicht
nur eine glückliche künstlerische Hand, er hat auch das Herz dazu, mit den Mitteln der Kunst
die Verkündigung des irgend Möglichen unter Menschen zu betreiben.
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Bis zum Schlusse, bis zur glücklichen Rückkehr der beiden Kinder aus der Klinik des
rettenden Arztes klopfen an Luciens Herz die Gewissensschläge als das Unvergessliche seiner
nicht gewollten, aber doch ausgelösten Schuld – eine Belastung, die den Jungen vermutlich
hätte umwerfen können, wäre nicht der Holzschnitzer auf der einen, die Güte der Großmutter
auf der anderen, die Hilfsbereitschaft des Arztes auf der dritten Seite gewesen, den schwierig
zu lösenden Gordischen Knoten vom Knaben Lucien durchhauen zu lassen. Denn vor den
Toren seines Paradieses wartet jetzt die Gewissheit, wer er ist und was er zu leisten
vermochte, über alle Angst vor dem eigenen Tode hinaus – in den Stunden im Schneesturm
auf der Passhöhe, der Scheidewand zwischen Auftrag und Zusammenbruch.
Es ist ein Filmkunstwerk, das uns den Leichtsinn, die Folgen, die Gewissensqualen, die
Öffnung seines wahren Charakters zum einzig Guten so eindringlich vor Augen führt, dass
wir ahnen, was für einen Sturm der Zweifel, der Schuldfragen und der Angst, als Mensch
versagen zu müssen, das Herz dieses Knaben schwer belastet haben. Und der Film nimmt sich
dafür die Zeit, auf diese Konflikte mit allem nur möglichen Feingefühl und doch zugleich
kindgerechter Deutlichkeit hinzuführen. Aus der anfänglichen Ablehnung eines bloßen Täters
wird die Sorge des mitverfolgenden Betrachters und dessen Beglückung am Ende der
Geschichte.
Es ist kein flaches emotionales Wetterleuchten. Es steigern sich die Bekenntnisse aus den
konsequent sich entwickelnden Notlagen eines Kindes. Das verdient Hochachtung.
Überschrift:
Die 7. Papyrusrolle
Vorbemerkungen
Eingetaucht in das Genre eines Abenteuerfilmes, führt der pharaonische Sklave und Gelehrte
Taita (GE) Archäologen zu seinem Grabe und offenbart sich in sieben Papyrusrollen. Als
Tagebücher verfasst, stellen sie das Protokoll eines Dramas dar, dessen Verlauf sich mit dem
Geschick der fündig werdenden Archäologen koppelt. Es sind die Charaktereigenschaften der
Akteure und das kosmische Wissen mit Brennpunkt auf die Lösung des historisch noch
ungeklärten Rätsels um Hapis Eltern, die in der Gegenwart unauffindbar bleiben mussten und
die jetzt die Wege öffnen ….
Eines wird mir nicht klar: Hapi (GE), dem nachgesgt wird, er sei ein ungewöhnliches Kindwird auf unerklärliche Weise von einer Flußschlange (= der Nil) gerettet - warnt im
Straßenverkehr, weil er die Handgranate bemerkt, die ins Auto geworfen wird- kann
Ereignisse vorhersehen – man sagt, er sei der Auserwählte, weil er das Zeichen des
Flussgottes trage, aber seine Mutter bemerkt es nicht und kann es nicht auswerten!
Archäologie und Genialität müssen erst eine Symbiose bilden, um Weg und Ziel in deren
ersten Existenz vor über 3000 Jahren zu zeigen, weil Hapis Eltern damals ihr Kind nicht
heranwachsen sehen durften. Symbolik wie Eidetik lassen den Ring drehen, durch den sich
geheime Zugänge öffnen.
Das Werk:
Taita setzt den neugeborenen Sohn des Pharaos in einem Behältnis auf dem Nil aus. Der Gott
des Flusses bewahrt den Knaben fortan vor Gefahren. Und was vor über 3000 Jahren
geschehen sein soll, blendet sich in das Leben eines Archäologenehepaares ein, das einen
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Knaben gleichen Names adoptierte und das an allem teilnimmt, woraus sich der Alltag der
Adoptiveltern (NE) ergibt.
Hapi führt sie schließlich in die Geschichte ein, wo er das erste Mal geboren scheint, und
lässt sie die Ruhestätte seiner wahren Eltern finden. Es geht zunächst um den Ruhm und die
Ehre, das Grab jenes Pharao zu finden, unter dem Taita diente und dessen Frau, von ihrem
Geliebten, nicht vom Pharao, jenen Knaben empfing, den die junge Mutter, schon bald Witwe
geworden, Hapi nannte und den Taita dann dem Nil anvertraute, gemäß dem Orakel, dessen
Steine er warf und die unser gegenwärtiger Hapi von Nick Harper, dem Freunde seines
Vaters, am Tage des Begräbnisses geschenkt bekommt. Wegen der Ermordung des Vaters
will er das Vertrauen des Jungen erwerben. Und es sind diese Steine, mit deren Hilfe Hapi
schließlich der Weg zum Grabmale des Pharao öffnet. Als Hapi des Diesseits seine toten
Eltern über die Vorstellungswelt eines Sterbenden findet, entscheidet er sich, trotz seiner
Liebe und des Glückes, sie gefunden zu haben, der Gegenwart und der Zukunft zu gehören.
So gibt ihn der Wunsch seiner Eltern an das Jetzt zurück und lässt ihn geheilt gehen.
Der ethische Aspekt:
Geht es den einen um Schatzsuche und Abenteurerruhm, so scheuen sie kein Geld und kein
Opfer und trampeln sich ihren Weg über Leichen frei. Den anderen geht es um die Gewissheit
archäologischer Exaktheit und Fündigkeit, um die Aufklärung einer Epoche, um die
Hintergründe einer Kette von Ereignissen, die Schicksale entschieden, und um
Lebensleistungen jener Menschen, die den Herrschenden dienten und ihr Leben auf Zeit als
Akt der Gnade empfunden haben werden. Deshalb ist nicht verwunderlich, dass mit dem
Auffinden der Leiche des Pharao in einem äthiopischen Kloster die Suche keineswegs zu
Ende sein konnte. Noch mehr verwundert das vorschnelle Urteil über den Charakter des
Gelehrten Taita, der dieTochter seines ersten Herren, des Schatzmeisters, verehrt und
heimlich liebt und dafür kastriert wird, der sich Lösungen ausdenkt, die Schlimmes
verhindern, und der von den Forschern als Mistkerl bezeichnet wird. Mit Fehlurteilen nähert
man sich keiner Phase der Vergangenheit und weiß somit auch den Staub nicht zu ehren, aus
dem die Stimme des Verfalls von der Vergangenheit erzählt. Mit dem aggressiven Eingreifen
eines Geschäftsmannes (Schiller) in die Suche nach dem Pharaonenschatz spricht eindeutig
die Gegenwart des Raubtierkapitalismus, der die Forschung für sich nutzt, um noch größere
Beute zu machen als andere. Das prophetische Wesen des Knaben Hapi hingegen steuert die
Verantwortungsbereiten auf ihr Ziel zu.
Bedenklich erscheinen einige Dialoge, in denen Bedeutsamkeiten anzusprechen sind, so die
Aufnahme Hapis in seine jetzige Familie oder der Versuch Harpers, den Schöpfungskern
Taitas davon zu überzeugen, warum er und die Eltern kein Recht haben, ihren tödlich
getroffenen Sohn zu sich in die Vergangenheit zu nehmen. Da sie ihn jedoch freigeben,
schließt sich die Wunde, und es hat keine Verletzung gegeben. Wir erkennen, dass das
Drehbuch nicht in allen Phasen der Sonderrolle Hapis gerecht geworden ist. Einzig das
Ermessen der Bedeutung Hapis auf allen drei Gestaltungsebenen berechtigt zu fünf Sternen.
Davon lebt dieses Werk. Hapi ist das Bindeglied zwischen dem antiken und dem
gegenwärtigen Ägypten.
Der schöpferische Vollzug:
Ob Jude, Moslem oder Christ – sie alle haben der Profitgier die Ethik der Ehrfurcht vor dem
Erbe ihrer Ahnen voraus und steuern den blutigen Beutezügen entgegen. Ihr Auftrag
geschieht von innen und entzieht sich dem Profanen in dem Maße, in welchem sich die
Bedeutsamkeit Hapis für dieses Unternehmen heraushebt. Es ist, als trügen alle Würdigen
dem Knaben zu, was längst in ihm beschlossen ruht. Dem Vater gelingt die Entzifferung der
siebenten Papyrus-Fragmente, er stattet sein Kind mit dem Zeichen des Auserwählten
aus, das im Kloster später ein junger Mönch sofort erkennt, und Harper, anfangs als
zwielichtig vorgeführt, dann integrativ-beschützend in das Hauptgeschehen einbezogen,
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überlässt Hapi die Orakelsteine, mit denen Taita das Glückslos über Hapis doppeltes
Geschick geworfen hatte. Sowohl das Mittel der kindlichen Eidetik als auch die
Informationsquelle der Symbolik sind die Spuren auf dem Wege zur Lösung des Rätsels. Als
es gelöst ist, wird es dem Zugriffe der Habgier entzogen und aufs neue durch die Wasser des
Flussgottes Nil versiegelt. Dem fühlt sich das Kind auf immer verpflichtet. Es wird
wiederkommen, verspricht Hapi, sich seinem Schutze anvertrauen, die Treue zu den Schätzen
seines Volkes wahren und in sich hüten, wozu es berufen. Bloßes Entdecken, Sammeln und
Archivieren hat eine Projektion in die Sichtbarmachung göttlichen Wollens geschaffen, das
sich im Wesen Hapis darbietet und uns in das unablässige Staunen überführt.
Überschrift:
Es geschah am hellichten Tag
Vorbemerkungen:
Von Dürrenmatt erfunden, bedeutet dieser Film Zeitkritik. Er offeriert dem
entsetztenZuschauer den Zustand der Kinderpsychologie der 50-er Jahre, den Umgang mit
Personen,die in Untersuchungshaft genommen werden, weil sie das Opfer gefunden und sich
„atypisch“ für Unschuldige verhalten haben, und es zeigt den Umgang des Volkes mit seinen
vagen Verdächtigungen durch die „Logik des Kleinen Mannes“. Die Besetzung der Rollen
macht diesen Film außergewöhnlich durchsichtig und klärt die Sachverhalte schonungslos in
ihrem Mechanismus des Ineinandergreifens dieser Tragödie. So wird aus einem ProvinzKriminalfall das Prinzip blinder Rache gegen Unschuldige entwickelt, und zugleich lernen
wir, dass Fehler in der Behandlung eines „Falles“ unnötige Verletzungen des Rechts- wie des
logischen Denkens nach sich ziehen müssen. Das Märchen vom „unauffälligen“ Täter wollen
wir nicht verstärken oder gar gut
heißen. Wenn jemand nie „auffällt“, muss zumindest zu klären sein, was man unter
„auffallen“ in welcher sozialen Struktur zu meinen glaubt. Kontrolle des Staates über seine
Bürger ist immer der direkte Weg in die Dikatur. Lasst euch was einfallen!
Das Werk:
Das Grundschulmädchen Gritli wird ermordet aufgefunden. Der Hausierer, der es der Polizei
mitteilt, wird verhaftet und als Täter solange in die Zange genommen, bis er gesteht und sich
darauf in seiner Zelle erhängt, weil ihm niemand glauben will. Das wird ihm als Schwäche
ausgelegt, nicht als Schuld der Polizei! Der die Ermittlungen hätte leiten sollen, wird gerade
in den Ruhestand verabschiedet und muss erleben, wie seine Nachfolger „verhören“. Also
kehrt er auf eigene Faust in die Nachforschungen zurück und findet Zusammenhänge heraus,
die ihn veranlassen, eine Mutter mit einer Tochter, so alt wie das Gritli, zu sich zu nehmen,
um eine Tankstelle an jener Straße zu unterhalten, auf der sichvermutlich der Mörder seine
Opfer aussucht. Der Coup gelingt, aber das Leben des kleinen Lockvogels wäre beinahe
geopfert worden. Während der Täter von der Polizei kampfunfähig geschossen wird, spielt
der Kommissar seiner kleinen Freundin das Puppenspiel des „großen schwarzen Zauberers“
weiter vor, um dem Kinde die Wahrheit schonend vorzuenthalten.
Der ethische Aspekt:
In Wahrheit bedeutet dieser Film eine einzige Kette an Warnungen, mit kindlichen Aussagen
sorgfältig umzugehen und den Kleinen zu glauben, was sie einem wie durch einen Code
mitteilen. Auch der Psychologe, der ein exzellentes Täterprofil erstellt, erweist sich der
kindlichen Psyche gegenüber als hilflos, er wird aber auch gar nicht erst darum bemüht, mit
den Kindern zu reden. Den Hausierer so in die Enge zu treiben, dass sich der alte hilflose
Mann schließlich voller Verzweiflung das Leben nimmt, kennzeichnet einen
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Behördenapparat, dem es um Erfolge nach außen zu tun ist. Der kleinen Ursula, Freundin der
ermordeten Gritli, zu unterstellen, sie erzähle Märchen, die es von der Freundin gehört habe,
ist ein Skandal, gegen den sich das Mädchen zwar innerlich empört, dem man aber, als
allwissender Erwachsener, über den Mund fährt und nichts davon ernst nehmen möchte.
Ein Kind zum Lockvogel zu machen, um einem gefährlichen Psychopathen auf die Sprünge
zu helfen, ist ein nicht begrüßenswertes Mittel, weil die Methodik der Überwachung versagt.
Dies ist allerdings mit der Weigerung der Polizei zu erklären, die dem Kommissar im
Ruhestande jede Unterstützung nimmt. Lediglich auf die Hilfe alter Vertrauter kann dieser
zurückgreifen. Völlig unerklärlich hingegen ist das Zerreißen des Bildes der kleinen Gritli,
auf dem alles erklärt steht, was zur Sachlage der Kindermordserie beitragen kann. Selbst
wenn man den Glauben an diese Zeichnung verliert, hat man kein Recht, diesen Nachlass
einfach zu zerreißen!
Der schöpferische Vollzug:
Die Kindermordserie, über Jahre verteilt, erklärt sich aus dem Prinzip der Unterdrückung
eines Mannes, der seiner Frau und ihrer finanziellen Überlegenheit nicht gewachsen ist und
sich deshalb an kleinen Mädchen „rächt“, obgleich er zunächst zu ihnen Kontakt sucht, weil
er aus seiner inneren Gefangenschaft nicht frei kommen kann. Mit dem Schlachten der
Mädchen hat er symbolisch Widerspruch gegen das ewig „Weibliche“ eingelegt, ohne
allerdings die Kraft zu haben, sich dem Knebeln seiner herrischen Frau durch eigene Leistung
zu entziehen. Er macht also die Mitwelt für sein Versagen verantwortlich und schneidet den
Platzhaltern dieses für ihn unerträglichen Lebens die Kehle durch. Nur so, glaubt er, komme
er der Erlösung aus seiner Ohnmacht ein Stück näher. Und genau das ist auch das Motiv jener
jungen Leute, die meinen, mit dem Abknallen aller Platzhalter des Unterdrückungssystems
Gesellschaft (= „Establishment) endgültige Zeichen setzen zu können, eine Art Lehrstück für
die Zukunft schreiben zu müssen, dass jeder weiß: Zwar bin ich in diesem speziellen Falle
nicht persönlich mitschuldig, aber ich gehöre zur Klientel jener, die ja doch von dem
profitieren, was man den Verlierern wegnimmt. Es gibt bei diesen Tätern keine Unschuldigen
– die Frage nach Schuld oder Nichtschuld spielt gar keine Rolle mehr: Wer lebt, trägt am
System Leben auf Kosten anderer bei, darum ist jeder eliminierbar, der sich in der Schusslinie
befindet. Der Psychopath Schrott grenzt den Opferkreis deshalb ein, weil er sich lediglich als
Opfer der Frauen sieht, nicht als Personen, sondern durch ihr Wesen, das ihm schon in den
Kindern als fatale Fehlkonstruktion der Schöpfung bewiesen erscheint. Als er sein letztes
Opfer tot vor sich liegen glaubt, schreit er wütend auf: Das war doch sein Mord, das
Schlachten, das ihm so viel bedeutet hatte. (Es war eine Puppe, die dort lag!) Aber sie
demaskiert die Ursache aller Morde: Krieg gegen die Schutzbedürftigen (hier = kleine
Mädchen) als Rache gegen Überlegenheit (hier = der Frauen!), der man sich ausgeliefert
fühlt.
2014:
Überschrift:
Vorstadtkrokodile – die collste Bande der Stadt
Vorbemerkungen
Wer sich anmaßt, Kinder- und Jugendbuchautoren nach ihren Motiven und Zielen zu
analysieren, tanzt barfuß auf heißen Steinen. Er verfängt sich in einem Sakrileg, das ihn
einholen und sich vernichtend an ihm rächen wird. Denn in den Gehegen des Zoologischen
Gartens „Kultur“ zeigt man nicht gern Wesen, die mit dem Finger aus dem Käfige heraus auf
die Besucher zeigen!
Das Werk:
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Hannes lebt, wie seine von ihm bewunderten Freunde, in sozialem Randbezirk eines
Gemeinwesens Stadt, dessen Kennzeichen mit DO beginnt. Industrie im Wandel, die
Hysterie, schnell reich zu werden, damit man „in“ bleibt oder wird, lässt seinen Lockruf der
Desperados der Steinwüste hören. Motto dieser Bande (!) proklamiert Mut, Stärke und
Ehrlichkeit. Letztere hat ihre Sollbruchstelle, Stärke lässt sich mit Tollkühnheit umschreiben,
aber auch Charakter, und den Mut muss man in einer Probe beweisen, der auf Selbstmörder
zugeschnitten und daher zurückzuweisen ist. Hat man bestanden bzw. überlebt, trägt man sein
Enblem um den Hals und probt den Ausstieg aus der Langeweile oder Verpflichtungen
daheim. Bestechend ungestörter Freiraum für Abenteuer und Unternehmungen jener Art, die
den Widerstand der sich etablierten jugendlichen Kriminellen heraufbeschwört. Da die Mutter
des Helden Hannes in ihrem Geschäft beraubt wurde und somit der Ruin ansteht, engagiert
sich die Bande für die Aufdeckung der Verbrecher. Die soziale Kompetenz der uns
vorgeführten Jugend schwankt; ein Junge im Rollstuhl, der Hannes das Leben gerettet hatte,
wird schonungslos attackiert, sobald er durch seinen Einfallsreichtum andere in ihrem Ego
stört. Aber am Ende werden die Verbrecher ausgebremst, und die Polizei kann sie
einsammeln.
Der ethische Aspekt:
Das schriftstellerische Anliegen beschwört eine neue Generation Großstadtkinder herauf, was
scheinbar eine Art Subkultur hervorruft. Aber gerade die gibt es nicht: Von Kultur zu
schweigen, bedeuten die einzelnen Gruppierungen die Gesamtheit aller existierenden
Lebensformen. Wer darin die Dominanz hat, bestimmt den Grad der Kulturfähigkeit; der liest
sich aus den Gesinnungen ab und beweist sich in den daraus folgenden Taten. Mutproben sind
nicht nötig und sollen beweisen, was jemand dem Kollektiv gegenüber zu opfern bereit ist:
Regenwürmer essen, sich körperlich unverhältnismäßigen Belastungen aussetzen, Angst
überwinden, sich bedingungslos unterwerfen können. Max von der Grün lässt als Autor
Verhaltensschablonen erstehen und erlaubt zumindest drei „Tugenden“, durch die eine
„Bande“ sich als lebensberechtigt ausweisen kann. Nur zeigt bereits der Vorspann, wie weit
das gehen können soll, und der Film lässt keinen Zweifel darüber, dass keine Erwachsenen
hier etwas zu suchen haben. Wo sich der Parkwächter als Trampel der Stadt äußert, wird er
geleimt. Was die Polizei für Brücken des Vertrauens baut, schreckt ab. Wer am Rande
sozialer Akzeptanz lebt, muss für sich selber sorgen, und danach ist den Kindern der Mund
gewachsen. Aber ist es auch das Herz?
Der schöpferische Vollzug:
Wer mit sich selbst alle Hände voll zu tun hat, wird wenig Lust verspüren, sich für das
Gemeinwohl nützlich zu machen, ist er doch selber „vergessen“ worden. Aber zwischen
Kästners „Emil und die Detektive“ und dem Gütesiegel „Vorstadtkrokodile“ besteht der
Unterschied, dass Kästner das Herz der Berliner Jungen als sozial stark und positiv einsetzt,
Grün dagegen ein Programm mit einem Satz an Parolen locker macht, wenn wir der Botschaft
des Films glauben sollen. Diese Kinder lassen Erwachsene nur bedingt an sich heran. Die
Kinder haben dieses Programm als ihre Rolle übernommen und geben sich entsprechend der
Regie. Ihnen fehlt die dafür gewachsene Routine, denn am Intellekt scheitert das gewiss nicht.
Man vermisst das natürliche Bedürfnis, etwas zu bewegen, etwas positiv zu verändern, agiert
in ureigener Sache, und ich bin sicher, dass die Anreize, sich sozial nützlich zu machen, nach
dieser Detektivgeschichte in sich zusammensinken werden. Erschreckend dagegen die
unverhohlene „ehrliche“ Ablehnung des „Spastis“, der sich seine Mitgliedschaft wie das
Mädchen auch durch besonderen Einsatz verdienen muss. Warum es Banden geben muss, die
sich Straßenkämpfe liefern sollen, ist mir bei der Spreu der Kinderbuchautoren nicht klar.
Kinder so in Aktionen zu projizieren, dass sie sich wie gestylte Erwachsene benehmen, nur
ohne jede Scheu vor ihren Grenzen, erscheint mir eher als der billige Versuch, sich die
entsprechende Klientel an Lesern zu beschaffen. Das Protokollieren des üblichen, sich stets
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wandelnden Jargons, der Verhaltens- und Denkweisen entsprechend dem Zeitgeiste, rumort
schon in den Texten, die am Fließbande hergestellt werden. Der Film katapultiert das Wesen
des Kindes zum Prinzip des coolen Allround-Managers in allen Lebenslagen, die mit ihren
Eltern an der Leine Gassi durch das „moderne und zeitgemäße“ Weltverständnis gehen. Von
der Substanz kindlicher Tugenden haben die Damen und Herren Autoren keine Ahnung, und
die Filmproduzenten stellen ihre jungen Darsteller auf die Probe. Möge es ihnen nicht so
ergehen wie Bobby Driscoll, nachdem er ausgemustert worden war.
= nicht veröffentlicht, die untere Fassung ist die bessere!
abgesandt an amazon am 18.06.2014
Überschrift:
Vorstadtkrokodile
Vorbemerkungen:
Die hier vorgestellte Rezension stammt aus den Anfängen meiner Filmbesprechungen, und
die DVD wurde m. W. nicht über amazon bezogen. Aber auch im Falle einer fremden Quelle
halte ich Rezensionen dann für sinnvoll, wenn es darum geht, den Wert eines
Filmkunstwerkes in möglichst verzweigtem Gedankenforschen zu beschreiben, um so den
Kauf zu empfehlen – oder abzuraten. Diesen letzteren Weg halte ich für nicht aufgeschlossen,
denn im Studium angreifbarer Intentionen ergeben sich öffentlich zu machende
Begründungen, die ein ungerechtfertigtes Lob bei ethischer Inkompetenz geraderückt.
Bezogen auf literarische Vorlagen, tummeln sich zunehmend normative Verbalhandwerker
auf dem Kinderbuch-Markt, deren Strickmuster überall die gleichen erlernbaren sind. Schon
als Jugendlicher empörte mich die Heimtücke, den natürlichen Forschungsdrang junger
Menschen in Sackgassen zu führen wie: ein Geheimnis aufdecken, Schätze suchen und
finden, Bösewichter enttarnen und zur Strecke bringen, und dies alles immer in Abstimmung
mit dem Phänomen „cooler Junge oder Mädchen“, wobei die natürliche Angst als Feigheit
deklariert und das mangelnde Verlangen nach Streit als Schwäche ausgelegt wird. In dieses
Wespennest der Manipulanten zu stochern, erfordert entsprechende Schutzkleidung.
Das Werk:
Der Film „Herr der Fliegen“ gipfelt in der Verzweiflung: „Wir haben doch alles so gemacht
wie die Erwachsenen – was haben wir falsch gemacht?“ – und die Antwort kann nur lauten:
… dass ihr euch die zu Vorbildern genommen habt.
Die Vorstadtkrokodile bilden eine Inselkolonie inmitten der Welt der Erwachsenen, die sich
keineswegs ausklammert, sondern mit der die „Superhelden“ jeder Zeit kollidieren. Sie spaltet
sich in die Mütter, die „allein erziehend sind“, also nicht allein erziehen, das wäre ja gelogen,
und die ihre Kinder gelegentlich frequentieren, wenn eine Krise ins Haus steht, sie spaltet sich
in die Teilnahmslosigkeit allgemeiner Öffentlichkeit, in die kriminelle Anspruchswelt
Halbwüchsiger oder Jungasozialer und die Bullen, also die Präsenz des Staates, der darauf
spezialisiert ist, auf Rot loszugehen – soviel zum politischen Hintergrund. - Die lieben
Kleinen überspielen ihre Dauersituation des Ausgesetztseins durch Koddrigkeit, irrwitzige,
lebensbedrohende Tollkühnheit und das Diktat des Kollektivs, also einer Horde mit
ideologischem Anführer. Natürlich ist es chique, heiser zu sprechen, aber unter Druck ihrer zu
spielenden Rolle kommen die Kleinen rasch auf ihre Existenzpumpe zurück. - Wir erleben
einen Pseudo-Kästner, was die Vorspiegelung hehrer Ideale angeht, und befinden uns im
übrigen in der Scheinwelt des sich Großschwellens gegenüber der Welt versagender Erwachsener. Dabei ist für alle klar, dass Körperbehinderte sozial in Frage zu stellen sind. Die
verbalen Attacken gegen den Rollstuhlfahrer sind ein Lehrbuch für Euthanasieanfänger, aber
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markige Argumente für jeden, der sich a priori um Humanität bemüht. Hingegen steht man
„Ausländern“ wohlwollend gegenüber. Auch gut!
Der ethische Aspekt:
Das Kernproblem ist die Rotation einer Rotte normativer Sprücheklopfer um das Warum ihrer
täglichen Aktionsbereitschaft. Mut, Stärke (=Tapferkeit?) und Ehrlichkeit (= mit
Sollbruchstelle) genügen eben nicht, um der Welt ahnungsloser Erwachsener eine bessere der
„Kampfbereitschaft für gute Taten“ gegenüberzustellen. So edelmütig offeriert sich das
Geheimbündeln und die Witzelei aus dem Katalog der Schadenfreude und provozierenden
Verächtlichmachung des anderen eben nicht.
Bedenklich stimmt, dass diese Lektüre, die mir nicht vorliegt und mit der Wirkung des Filmes
auch gar nicht relevant ist, in Klassenzimmern zu Hause und im Denken der Kinder heute
verankert sein soll. Wir erfahren mit „Die wilden Kerle“ und „Die wilden Hühner“ geradezu
eine Schablonierung Kindheit und Jugend, wie sie Kästner und Kollegen gleichen Niveaus nie
gewollt haben. Kinder tun sich bei ihm zusammen, weil ihnen Erwachsene nicht zuhören oder
ihnen nicht glauben. Aber die Ethik der Kleinen ist in Ordnung, ihr Edelmut ungetrübt und
beschämend gegenüber dem, was sich auf den Straßen der 20-er Jahre zusammenzurotten
begann. Nein, wir erleben hier keine Kinder, sondern die perfekte Spiegelung einer
bestimmten Schicht erwachsener Großmäuligkeit, nur ohne Uniform, Koppel und
Schaftstiefel, nicht einmal mit Kniestrümpfen und Braunhemd oder rotem Halstuche. Sie sind
technisch für ihre Zwecke ausgerüstet, sie haben „alle nötigen Tricks drauf“, sie arbeiten
professionell zusammen, besser als die Polizei es je könnte, und so erleben wir die
Ideologisierung der Kinder und Jugendlichen in neuer Geheimbündelei, von der wir doch
eigentlich die Nase voll hatten.
Bemerkenswert, dass ich eine DVD erworben habe, die zunächst elektronische Defekte
punktuellen Auftretens aufweist, aber neu eingeschweißt, für weniger Geld, als es den
Erfindern lieb gewesen sein mag, wieder auf den Markt geworfen worden ist (nicht von
amazon bezogen!). Die Form eines solchen Handelsobjektes entspricht unbeabsichtigt dem
Inhalte: In der Gesinnung liegt der eigentliche Defekt der Ethik dieser Kinderbande (ein
ideeller Widerspruch!), und darum hat sie ihren Anspruch auf Gültigkeit verspielt.
Der schöpferische Vollzug:
Eine tägliche Unzahl kindheitsbelastender „Jugendbücher“ wird auf den Markt geschüttet,
eine bösartige Kette der Verleumdung der kindlichen Psyche umgürtet das öffentliche Denken und verzerrt das Bewusstsein um die wahre Tragik verlorener Kindheit so ungeheuer
vieler Menschen. Über diese Art Literatur wird Ideologie beständig neu aufgekocht und
serviert – nach Altersstufen plätschern die literarisch fragwürdig formulierten Plattitüden über
die Köpfe der gläubigen Gemeinde hernieder.
Natürlich gibt es berufene Autoren, aber die Gefahr, unter die Kleie der massenhaften
Fehlproduktionen gemengt zu werden, ist einfach zu groß, und der Buchhandel bildet nicht
mehr zur Beratung aus, sondern richtet die Verkäufer auf Umsatz ab. Und was soll Ihnen der
Buchhändler auch sagen? Selbst wenn er es wüsste, müsste er sich persönlich beratend auf die
Seite der Kleinen stellen – und tut er das, angesichts der Dominanz, die bestimmt, was das
Kind der Mode nach zu konsumieren wünscht – wenn es überhaupt noch liest und nicht vor
dem Monitor verenden soll?
Der Zweck heiligt niemals die Mittel, und die Ethik der meisten Bücher ist entweder völlig
aus dem Blickfelde gerückt oder, wie in diesen verfilmten Traktaten, so verzerrt oder zum Gegenteile verbogen, dass ich solche Machwerke als Gefahr für die Kinder und Jugendlichen
brandmarke.
In Wahrheit spiegelt der Verfall guter Jugendbuchliteratur den Gesamtzustand unserer
Kulturschätze. Aus Dichtern und Sängern sind Schriftsteller und Macher geworden, Songschreiber und –plärrer, und natürlich muss auch in diesem Film eine U.S.-Adaption eines
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Stimmungswimmerns als Bindeglied zwischen Superheldentum und Verbrechensbekämpfung
eingeblendet sein. Wir sind ein Volk der Imitation geworden und brüsten uns mit dem
Realismus des Gespiegelten, prahlen mit unseren Kindern als Superhelden und merken nicht,
dass sie als Karikaturen einer sittlich deformierten Erwachsenenwelt durch die Szenen albern
und ihren Sprachschatz aus der Gosse auffrischen. Und die Masse des Eisberges wird sichtbar, wenn wir aus den TV-Verblödungsbassins das Wasser ablassen und sehen, was Kindern
noch bleibt.
Drei Sterne – allein für das schauspielerische Bemühen der Kinder – sonst bliebe nur ein
fernes Glimmen!