Klangwolke in Gerüsten

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Klangwolke in Gerüsten
KulturKreisKassel
Montag, 13. Juli 2015
KS-KUL1
Helles im
Zwielicht
Kultur Termine
Bühne
Programm der Schultheatertage im Theater im Fridericianum
(tif), heute, 12.15 Uhr: „Vor der
Tür“ (Carl-Schomburg-Schule).
14.30 Uhr: „Tanz, Sinfonie“
(Lichtenbergschule). 19.30 Uhr:
„Blut am Hals der Katze“ (Gustav-Stresemann-Gymnasium,
Bad Wildungen). Dienstag,
12.15 Uhr: „Gestrandet“, KätheKollwitz-Schule + Gustav-Heinemann-Schule. 14.30 Uhr:
„Traumwelten“ (HerrmannSchafft-Schule, Homberg).
19.30 Uhr: „Das verräterische
Herz“ (Friedrichsgymnasium).
„Aschenputtel“ zeigt das Spielraum-Theater Dienstag, 16.30
Uhr, beim Brüder-Grimm-Festival im Park Schönfeld. Ab vier
Jahren. Vorbestellung fürs Theaterzelt bei Regen: 0561/710689.
Molières „Der Geizige“ spielt
die Oberstufen-Theater-AG der
Engelsburgschule Dienstag,
Mittwoch, Freitag und am 20.
Juli, jeweils 19.30 Uhr, in der
Schulaula, Richardweg 3 (Eingang Akazienweg).
Lesung, Vortrag
„Lyriksplitter“ und „Flächentexte“ liest der Autor Hans
Horn Dienstag, 20 Uhr, im Autoren-Café der Werkstatt, Friedrich-Ebert-Straße175.
„Iphigenie in Weimar – Goethe
und die Schauspielerin Corona
Schröter“ heißt der Lichtbildervortrag von Prof. Friedmar Apel
(Uni Bielefeld) Dienstag, 19.30
Uhr, im Naturkundemuseum,
Steinweg 2. Veranstalter: Goethe-Gesellschaft.
Zum Abschluss der Uni-Ringvorlesung „Kassel 4.0 – Stadt
der Transformationen“ fragen
Politikwissenschaftler Prof. Dr.
Wolfgang Schroeder (Uni Kassel) und Jan Schlüter (stellvertretender HNA-Chefredakteur)
Dienstag, 18.15 Uhr, im Hörsaal
II, Diagonale 3: „Wohin entwickelt sich Kassel?“
Kunst
Die Ausstellung „60 Jahre documenta-Architektur – Temporäre Bauten zu documenta 1-13“
wird Dienstag, 19.30 Uhr, im Kaz
im Kuba, Rainer-Dierichs-Platz 1,
eröffnet. Zu sehen bis zum 19.
Juli Mi-Fr 17-20 Uhr und Sa-So
16-19 Uhr.
Wegen einer internen Veranstaltung der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK)
bleiben am Dienstag geschlossen: Neue Galerie, Astronomisch-Physikalisches Kabinett,
Planetarium, Marmorbad, Weißensteinflügel und Schloss
Friedrichstein.
Die VokaLisen sangen
in Ihringshausen
VON GERHARD RASSNER
Gelungenes Experiment: Kantor Eckhard Manz (rechts) mit der Kantorei St. Martin in der Martinskirche.
Klangwolke in Gerüsten
Ein außergewöhnliches Chorkonzert auf der Baustelle in der Martinskirche
VON WERNER FRITSCH
KASSEL. Die Gerüste türmen
sich auf mehreren Ebenen bis
unter das Gewölbe, flackernde
Lichter erhellen die Martinskirche, die derzeit eine riesige
Baustelle ist. Etwa 150 Menschen haben sich hier eingefunden, um alter Chormusik
zu lauschen. Eine eigentümliche Konzertatmosphäre, in der
sich ein unfertiger Raum und
vollendete Musik begegnen.
Zu Anfang hat sich die Kantorei St. Martin geteilt. An bei-
den Enden des Raums stehen
die Sänger, in der Mitte hat
sich Chorleiter Eckhard Manz
positioniert, um die Chorsätze
„Wohl denen, die das wandeln“ und „Tue wohl deinem
Knechte“ von Heinrich Schütz
zu dirigieren – zwei doppelchörige Motetten aus dem „Schwanengesang“, die der 86-jährige
Heinrich Schütz 1672, im Jahr
seines Todes, komponierte.
Jener Heinrich Schütz, der
in Kassel seine erste musikalische Ausbildung erhielt. Ein
Hörerlebnis, wie die ganz von
der
Wortdeklamation
bestimmte Musik den Raum von
zwei Seiten erfüllt. Das wird
noch gesteigert bei der dreichörigen Motette „Nunc dimittis“ von Schütz’ venezianischem Lehrer Giovanni Gabrieli. Drei kompakte Chöre, deren
Klang fast so fest steht wie das
Gemäuer.
Dann wird es akrobatisch.
Die Sänger erklimmen die
zweite Gerüstebene und singen dort die Motette „Deo Gratis“ des Renaissance-Meisters
Johannes Ockeghem, ein Ka-
non, der in bis zu 36 Stimmen
aufgefächert werden kann. Ein
Experiment, das einen kleinen
Wackler zur Folge hat, aber
dennoch dieses außergewöhnliche Konzert krönt.
Ein Hörerlebnis ganz anderer Art bescherte der Perkussionist Olaf Pyras den Zuhörern zwischen den Chorwerken mit den Klangsteinen der
Martinskirche und einem Metallofon – bis hin zu einem gestrichenen,
sphärischen
„Stein-Flageolett“. Sehr langer
Beifall.
Vom Sandmännchen bis zu den Vampiren
Die Schüler des Wilhelmsgymnasiums servierten bei ihrem Sommerkonzert eine Fülle origineller Themen
VON STEVE KUBERCZYK-STEIN
KASSEL. Schulkonzerte sind
wie Feiertage. Die Mädchen
sind schick herausgeputzt, die
Jungen auf ordentlich gebürstet, und die ganze Familie
kommt zusammen. So auch
beim Sommerfest des Wilhelmsgymnasiums. Die große
Aula war bis auf den letzten
Platz gefüllt. Weit über 200
Schüler präsentierten sich.
Lauter starke
Stücke in der Nacht
„Starke Worte“ hieß das
Motto. Aus der enormen Fülle
der vielseitigen Beiträge seien
hier einige beispielhaft genannt. Schwungvoll eröffneten
das Vororchester und der Unterstufenchor mit „Bring mich
pünktlich zum Altar“ aus „My
Fair Lady“ und einem russischen Volkslied den Abend.
Die Bläser-Anfänger musizierten schon auf dem Weg zur
Bühne ihren „Hardrock Blues“,
dem Musical „Elisabeth“. Auch
für Humor war gesorgt. Mit
Schwung, guter Laune und
Handpuppen servierte der
Schulchor den Titelsong aus
der „Muppet Show“, während
der U-Chor „Sandmann, lieber
Sandmann“ sang.
Es gab keinen Beitrag, der
nicht mit lautstarkem Applaus
gefeiert wurde. Das gilt auch
für das klangschön intonierte
„Words“ von den Bee Gees. Be-
vor die Big-Band mit dem
schwer zu spielenden „Birdland“ von Joe Zawinul und
dem Jazz-Klassiker „Minnie
The Moocher“ einheizte, gab’s
Gruselstimmung: Die Sänger
des Schulchors intonierten den
„Tanz der Vampire“ und überzeugten sogar mit angedeuteter Blutspur an den Lippen.
Riesenapplaus für alle Teilnehmer unter der Leitung von Julia
Huss und Michael Fink.
US-Jazzsänger Kurt Elling glänzte im Kulturzelt mit Riesenstimme und Till Brönner
VON STEVE KUBERCZYK-STEIN
VON GEORG PEPL
KASSEL. Gut sieht er aus: schicker Anzug, Einstecktuch,
Krawatte. Das Beste aber: Der
Mann hat eine umwerfende
Stimme und ein Charisma in
der Kehle, bei dem man unweigerlich an den legendären
Frank Sinatra denken muss.
Für die „New York Times“ ist
der aus Chicago stammende
Kurt Elling der herausragende
Jazzsänger unserer Zeit.
Mit vier ebenfalls großartigen Musikern und Jazz-Trompeter Till Brönner, der das
Quintett später ergänzte, präsentierte der 47-jährige Grammy-Gewinner am Samstag im
bestens gefüllten Kasseler Kulturzelt sein aktuelles Album
„Passion World“.
„Liebe Freunde, es ist so
schön, dass ihr heute gekommen seid“, radebrecht er zur
Begrüßung in wackligem
Deutsch.
Das
Publikum
schließt ihn dafür sofort ins
Herz. Auch im Verlauf des
Konzertes wird Elling mit sei-
(Violine), Ludovic Levionnois
(Viola), Tatiana Gracheva (Violoncello) und der Kasseler Musikakademie-Dozent Michael
Kravtchin (Klavier) spielten mit
überschäumendem Elan und
beschlossen
damit
ihren
durchwegs feurigen Auftritt.
Lauter starke Stücke hatten
sie aufs Programm gesetzt. Vor
Brahms gab es den Klavierquartettsatz a-Moll des 16-jährigen Gustav Mahler. In manchem erinnert dieses Frühwerk des späteren Sinfonikers
noch an Vorgänger wie Schumann und Brahms, aber es ist
ausdrucksstarke Musik – man
spürt die Pranke des Löwen.
Begonnen hatte das Konzert
mit Mozarts Klavierquartett gMoll KV 478, das sich im ersten
Satz energisch-trotzig gibt, um
dann in gelöstere Gefilde zu
führen. Zu genießen war ein
temporeiches Musizieren – gekrönt von Michael Kravtchin
mit Brillanz und Leichtigkeit
an den Klaviertasten.
dem die fortgeschrittenen Bläser das „Pink Panther“-Thema
folgen ließen.
Schon jetzt war die Stimmung prächtig. Der Jungenchor, der per Applausabstimmung in Knabenchor umgetauft wurde, schmetterte: „Kuckuck ist ein braver Mann“.
Mit viel Gefühl sang der MiniExtrachor „Breaking Free“.
Ebenso zärtlich: der U-Chor
mit „Ich gehöre nur mir“ aus
Seine Vorfahren brauten Bier
Konzert in Rothenditmold mit Klavierquartetten
KASSEL. Fußgetrampel ist
nicht unbedingt etwas, das
man bei einem Kammerkonzert erwartet. Beim elften
Nachtkonzert in der evangelischen Kirche Rothenditmold
war diese Kundgabe der Begeisterung umso auffälliger. Und
sie kam nicht von ungefähr.
Zu hören war Johannes
Brahms’ Klavierquartett g-Moll
op. 25, ein 1861 entstandenes
Meisterwerk, das ebenso viel
Leidenschaft wie konstruktive
Intelligenz zu bieten hat. Besonders berühmt ist letzte Satz
„Rondo alla Zingarese”, den
man als frühe Weltmusik bezeichnen kann. Bei guter Wiedergabe wirkt dieses „zigeunerische“ Presto-Rondo so energisch, dass die sprichwörtlichen Fetzen fliegen.
Genau dies geschah in Rothenditmold, was den Überschwang der knapp 50 Zuhörer
erklärt. Diana Mykhalevich
Foto: Fischer
FULDATAL. Wenn fünf junge
Sängerinnen, die sich VokaLisen nennen, ein Programm
gestalten, das mit „Zwielicht“
betitelt ist, so heißt das nicht,
dass zwielichtige Lieder nur
aus Vokalisen bestehen. Vokalisen sind Tonübungen für die
Gestaltung der Vokale, aber
auch lange Tonfolgen auf einem Vokal in Arien und Liedern wie in dem russischen
Volkslied „Ach du liebe Nacht“.
Für den Auftritt in der evangelischen Kirche Ihringshausen hatte Leiterin Nicoline
Hake den Gegensatz von hell
und dunkel, der sich im Zwielicht spiegelt, auf Emotionen
übertragen. Die Stücke wählte
sie für Anna Bünsow, Katharina Schlein, Elena Storz, Kerstin
Tinnefeld und Hedwig Warnek
nach emotionalen Gegensätzen, Ausbildungsstand und
Stimmlage aus.
Allen Sängerinnen war die
Freude am Singen anzumerken. Das gilt auch für die im
Chor gesungenen Stücke, einfallsreich gestaltet von Hake.
Ihre große Musikalität konnten die vier Sopranistinnen in
dem Schumann-Lied „Mondnacht“ zeigen, das tatsächlich
wie eine Stimme klang.
Mit den drei letzten Stücken
wie „It’s Raining Men“ zeigten
die VokaLisen begleitet von
Ralf Günther am Klavier ihr komödiantisches Talent, das vom
Publikum mit viel Beifall aufgenommen wurde.
Weitere Auftritte: 17. Juli (20
Uhr), Waldorfschule. 18. Juli (18
Uhr), Adventskirche. 19. Juli (18
Uhr), Marktkirche Eschwege.
Kongeniale Partner: US-Sänger Kurt Elling (links) und sein Gast,
der deutsche Trompeter Till Brönner.
Fotos: Fischer
nen Deutschkünsten immer
wieder für Schmunzler sorgen. Für Hochachtung sorgt
sein Gesang. Mit dem Stück
„The Streets Have No Name“
beginnt er und sofort krabbelt
Gänsehaut über den Rücken.
Elling verquickt auf sensationelle Weise gesangstechni-
sche Höchstleistungen mit tiefer Emotionalität. Die Gesangslinien kommen perfekt
intoniert, zudem aber auch
berührend warm und dezent
melancholisch. Vier Oktaven
attestiert man ihm. Bei einigen Stücken schöpft er seine
ganzen Möglichkeiten aus,
brilliert aber eindeutig am
stärksten, wenn er in der Mittellage bleibt, seinen Bariton
wie ein Instrument und zum
Streicheln einsetzt.
Seinen starken Begleitmusikern – Gary Versace glänzt am
Piano, aber auch auf der Hammond-B3-Orgel aus dem Theaterstübchen, John McLean an
der Gitarre, Christian Euman
am Schlagzeug und Clark
Sommers am Bass – lässt er
viel Raum für mitreißende
Soli.
Nach einer Stunde gesellt
sich Till Brönner dazu und
zeigt besonders bei Stücken
wie „Si Te Contara“ und „Bonita Cuba“, wie enorm facettenreich er zu spielen vermag. Zudem übernimmt Brönner, der
erst im März im Staatstheater
gastierte, etwas die Moderation, lobt Elling („Er spricht
doch fantastisch Deutsch“)
und sorgt mit Hintergrundwissen für Lacher: „Ellings
Vorfahren sind Deutsche. Sie
brauten in Einbeck Bier.“ Riesenapplaus, eine Zugabe.