Der Unterrichtseinstieg im schulischen Alltag
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Der Unterrichtseinstieg im schulischen Alltag
Der Unterrichtseinstieg im schulischen Alltag – Steigerung der Motivation und Förderung des Lernprozesses durch Berücksichtigung der verschiedenen Lerntypen Selbstständigkeitserklärung Hiermit erkläre ich, Nathalie Wagener, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Gedanken, die ich dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken entnommen habe, werden unter Angabe der jeweiligen Quelle als Entlehnung in den Fußnoten kenntlich gemacht. Ebenso versichere ich, dass die hier dargestellten Unterrichtsstunden meinen Schilderungen entsprechend stattgefunden haben und dass die angeführten Schülerbeispiele authentisch sind. Diese Arbeit ist noch keiner anderen Jury vorgelegt worden. Echternach, den ____________________ _________________________ NATHALIE WAGENER Candidat au Lycée Classique de Diekirch TRAVAIL DE CANDIDATURE Der Unterrichtseinstieg im schulischen Alltag – Steigerung der Motivation und Förderung des Lernprozesses durch Berücksichtigung der verschiedenen Lerntypen Lycée Classique de Diekirch 2011 ZUSAMMENFASSUNG Man geht als Lehrperson oftmals davon aus, dass ein Unterrichtseinstieg, der die Neugier und das Interesse der Schüler weckt, dazu führt, dass sie auch bei der weiteren Erarbeitung des Lernstoffs Freude und Engagement zeigen. Die vorliegende Arbeit befasst sich deshalb mit der Frage, ob der Unterrichtseinstieg Schüler wirklich motivieren kann oder ob dafür letztendlich ganz andere Faktoren ausschlaggebend sind. Ebenso wird analysiert, wie der Einstieg motivationsfördernd gestaltet werden kann. Da jede Form von Unterricht immer auch einen Lernprozess anvisiert, geht es in dem hier dargestellten Projekt ebenfalls darum, den Unterrichtseinstieg im Hinblick auf die Förderung desselben zu untersuchen. Der Einstieg kann die verschiedenen Lerntypen (akustisch, visuell, handelnd) berücksichtigen und so die Sinneskanäle ansprechen, über die die Schüler den Lernstoff am einfachsten wahrnehmen. Hieraus ergibt sich die Frage, ob Unterrichtseinstiege jedem Schüler das Lernen erleichtern bzw. ermöglichen können. Darüber hinaus wird untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen Einstiegen, die bestimmte Lerntypen berücksichtigen, und der Motivation der Schüler gibt. Diese Arbeit beinhaltet neben allgemeinen theoretischen Überlegungen zum Einstieg einen praxisorientierten Teil: Beschrieben und reflektiert werden Einstiege, die auf mehreren Klassen verschiedener Stufen durchgeführt und von den Schülern im Hinblick auf die Motivation bzw. den Lernprozess bewertet wurden. Die Beobachtung des Schülerverhaltens und die Auswertung des Feedbacks erlauben das Fazit, dass Unterrichtseinstiege in ihrer Funktion der Hinführung zum Thema unabdingbar sind und dass sie Schülern durchaus den Lernprozess vereinfachen können. Allerdings garantiert die Berücksichtigung der verschiedenen Lerntypen nicht unbedingt den erfolgreichen Lernprozess, denn dieser ist sehr komplex und von anderen Faktoren abhängig, wie z.B. der Motivation. Diese kann vom Einstieg nur für den Moment gefördert werden. Auf Dauer entscheiden andere Aspekte, wie die Lehrerpersönlichkeit, das Klassenklima und das Wohlbefinden des Lernenden über sie. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung .................................................................................................... S.9 2. Der Unterrichtseinstieg – Theoretische Vorüberlegungen ..................... S.11 3. Die Lerntypen .............................................................................................. S.17 3.1 Definition .......................................................................................... S.17 3.2 Der Lernprozess und die Motivation................................................. S.21 3.3 Bedeutung des Unterrichtseinstiegs für die Lerntypen und die Motivation............................................................................................... S.29 4. Analyse des Unterrichtseinstiegs im Rahmen einer Ganzschrift ........... S.35 4.1 Unterrichtsvoraussetzungen ............................................................ S.35 4.2. Allgemeine Sachanalyse ................................................................. S.36 4.3 Didaktische Analyse ......................................................................... S.37 4.4 Durchgeführte Unterrichtseinstiege .................................................. S.38 4.4.1 Übersicht ............................................................................ S.39 4.4.2 Beschreibung und methodische Analyse ............................ S.40 4.4.3 Mittel zur Lernerfolgskontrolle............................................. S.52 4.4.4 Schülerfeedback ................................................................. S.53 4.4.5 Auswertung und Reflexion .................................................. S.60 4.5 Weitere Unterrichtseinstiege für Ganzschriften ................................ S.63 5 5. Einzelfallstudie ........................................................................................... S.69 5.1 Unterrichtsvoraussetzungen ............................................................ S.69 5.2 Beschreibung und methodische Analyse ......................................... S.69 5.3. Schülerfeedback ............................................................................. S.70 5.4 Auswertung und Reflexion ............................................................... S.73 6. Erste Textbegegnung bei literarischen Texten ........................................ S.75 6.1 Unterrichtsvoraussetzungen ............................................................ S.75 6.2 Beschreibung und methodische Analyse ......................................... S.75 6.3 Schülerfeedback .............................................................................. S.76 6.4 Auswertung und Reflexion ............................................................... S.78 7. Der Unterrichtseinstieg in weiteren Arbeitsbereichen des Deutschunterrichts.................................................................................. S.79 7.1 Textproduktion ................................................................................. S.79 7.1.1 Unterrichtsvoraussetzungen ............................................... S.79 7.1.2 Beschreibung und methodische Analyse ............................ S.79 7.2 Literaturgeschichte ........................................................................... S.81 7.2.1 Unterrichtsvoraussetzungen ............................................... S.81 7.2.2 Beschreibung und methodische Analyse ............................ S.81 7.3 Sachtexte, literarische Texte und Lyrik ............................................ S.83 7.3.1 Unterrichtsvoraussetzungen ............................................... S.83 7.3.2 Beschreibung und methodische Analyse ............................ S.84 6 7.4 Grammatikunterricht......................................................................... S.85 7.4.1 Unterrichtsvoraussetzungen ............................................... S.85 7.4.2 Beschreibung und methodische Analyse ............................ S.86 7.5 Schülerfeedback .............................................................................. S.87 7.6 Auswertung und Reflexion ............................................................... S.102 8. Fazit ............................................................................................................. S.105 8.1 Bedeutung des Unterrichtseinstiegs für den Lerner ......................... S.105 8.2 Funktion des Einstiegs für die verschiedenen Klassenstufen und Unterrichtsbereiche ................................................................... S.107 8.3 Lehrerzentrierter Einstieg versus schülerzentrierter Einstieg ........... S.107 8.4 Möglichkeiten und Grenzen der Unterrichtseinstiege im Hinblick auf die Motivation............................................................................. S.108 8.5 Die Messbarkeit des Erfolgs von Unterrichtseinstiegen ................... S.110 8.6 Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse ......................... S.111 9. Bibliographie............................................................................................... S.113 10. Anhang ...................................................................................................... S.117 7 8 1. Einleitung Wenn ich mich nicht am Anfang für die Stunde begeistern kann, interessiere ich mich nicht für den restlichen Unterricht. Man muss interessiert sein am Anfang, weil man dann möglicherweise neugierig ist für den Rest der Stunde. Meiner Meinung nach ist der Unterrichtseinstieg sehr wichtig. So lautete die Antwort eines Schülers einer 8eTE im Schuljahr 2009/2010 auf die Frage, ob der Unterrichtseinstieg seiner Meinung nach von Bedeutung sei.1 Deutlich wird, dass dieser Schüler den Einstieg mit Interesse und Neugier verbindet. Die ersten Unterrichtsminuten scheinen demnach für den Lernenden nicht nur wichtig, sondern geradezu unabdingbar zu sein, damit er sich auf den Arbeits-und Lernprozess einlässt. Dieser Schülerkommentar ist einer von vielen, die ich im Rahmen meines Forschungsprojektes erhalten habe. Auf den ersten Blick scheint er durchaus gerechtfertigt und nachvollziehbar, aber die folgende Arbeit wird darlegen, dass das Konzept des Unterrichtseinstiegs von den Schülern auf ganz unterschiedliche Weise wahrgenommen und bewertet wird, sodass man als Lehrer2 eben nicht vorschnell urteilen und denken sollte, dass ein interessanter Einstieg notwendigerweise einen funktionierenden Unterricht, begeisterte Schüler und einen erfolgreichen Lernprozess zur Folge hat. Es bedarf hier einer ausführlichen Reflexion und Relativierung, schon alleine dadurch, dass die Motivation und der Lernprozess nur dann auf positive Art und Weise von Einstiegen beeinflusst werden können, wenn der Lehrer diese sorgfältig plant und durchdenkt und wenn der jeweilige Einstieg zu seiner Person, aber auch zu der Klasse und dem zu vermittelnden Lernstoff passt. Es gilt also einiges zu berücksichtigen, bevor man Einstiege als immer wirksame Garanten für die Entstehung von Motivation und die Realisierung von Lernprozessen ansieht. Um die Ergebnisse meines Projekts mit der didaktischen Forschungsliteratur zu verknüpfen, wird in dieser Arbeit zunächst eine allgemeine Einführung in die theoretischen Grundlagen bezüglich des Einstiegs und seiner Funktion für das 1 Der Fragebogen, der diese Antwort enthält, befindet sich in Anhang 16 S.159 Aus Gründen der Vereinfachung gebe ich im Folgenden immer nur die maskuline Form des Begriffs ‘Lehrer‘ an, obwohl ich mich damit auch auf die weiblichen Lehrpersonen beziehe. 2 9 Lernen dargelegt, wobei auch die Verbindung mit den verschiedenen Lerntypen und der Motivation berücksichtigt wird. In einem nächsten Schritt widmet die Arbeit sich der Praxis im Schulalltag, wobei vor allem die Ganzschrift „Happy“ von Doris Dörrie im Hinblick auf mögliche Einstiege analysiert wird. Eine Einzelfallstudie steht ebenfalls im Fokus der Überlegungen. Der Umgang mit ersten Textbegegnungen sowie weitere im Deutschunterricht durchgeführte Einstiege werden in zwei weiteren praxisorientierten Kapiteln dargestellt und reflektiert. Die Einstiege werden nicht nur von mir als Lehrperson bewertet, sondern auch – natürlich allgemeiner – von den jeweiligen Schülern. Die theoretischen Erkenntnisse und die praktischen Erfahrungen ermöglichen es, im Schlusskapitel ein Fazit bezüglich der Bedeutung, Vorteile, aber auch problematischen Aspekte des Unterrichtseinstiegs ziehen zu können. Die detaillierte Beschreibung und Reflexion von Einstiegen im Sinne einer methodischen Bewertung ist dabei nicht das Ziel dieser Arbeit. Ebenso wenig sollen hier der Deutschunterricht revolutioniert und dem Leser ganz neuartige Unterrichtseinstiege vorgestellt werden. Aus diesem Grund beinhaltet mein Projekt neben etwas außergewöhnlicheren Einstiegen ebenfalls die ganz traditionellen. Auch die Hausaufgabenbesprechung, die als Eröffnung einer Unterrichtsstunde etwas banal erscheinen mag, wird berücksichtigt, da diese fester Bestandteil des schulischen Alltags ist und der Unterricht oftmals mit ihr beginnt, um dann den jeweiligen Lernstoff weiter zu bearbeiten. Die Frage, die im Vordergrund steht, ist letztendlich die, ob Einstiege wirklich zum entscheidenden Faktor werden, wenn man erfolgreich sowie lerntypengerecht lehren und Schüler motivieren will. 10 2. Der Unterrichtseinstieg – Theoretische Vorüberlegungen3 Anmerkung: Es gibt viele weitere Bezeichnungen für den Unterrichtseinstieg, z. B. 'Vorbereitung', 'Einleitung', 'Hinführung' oder 'Themenfindung'.4 Die Begriffe weisen keinen inhaltlichen Unterschied auf. Ich werde im Folgenden den Begriff 'Unterrichtseinstieg' bzw. 'Einstieg' verwenden. Die erste Phase des Unterrichts wird als Unterrichtseinstieg bezeichnet. Sie nimmt allgemein einige Minuten in Anspruch und die restliche Unterrichtsstunde baut auf ihr auf: „Der Einstieg spielt […] eine entscheidende Rolle für den Verlauf der folgenden Lerneinheit.“5 Der Unterrichtsteinstieg eröffnet demnach die jeweilige Unterrichtsstunde, er kann aber darüber hinaus parallel noch als Einstieg in eine ganze Unterrichtssequenz fungieren. Unterschieden wird allgemein zwischen den Anfangsmomenten, die regelmäßig bzw. täglich im Unterricht stattfinden, den „Stundeneröffnungsrituale[n] und Aufwärmübungen“6, und den thematischen Einstiegen. Erstere dienen dem „Herstellen einer positiven Anfangsatmosphäre“ 7 und können z. B. aus Begrüßungsritualen oder Entspannungsübungen bestehen. 8 Letztere bilden den Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit und beziehen sich auf den Einstieg ins Thema, d.h. eine erste Begegnung mit dem jeweiligen Lernstoff findet in dieser Phase statt.9 Der Einstieg kann auch eine Hausaufgabenbesprechung beinhalten, denn diese eröffnet den Unterricht oftmals in Form einer vorbereitenden oder auch einer nachbereitenden Hausaufgabe. Das Ziel einer Hausaufgabenbesprechung am Anfang der Unterrichtsstunde ist es, das Thema anhand von Schülerbeiträgen einzuführen, um es dann in den Erarbeitungsphasen zu vertiefen. Die Hausaufgabenbesprechung als Einstieg ist 3 Die theoretischen Grundlagen zum Unterrichtseinstieg basieren auf meinen Ausführungen in der während meines Referendariats verfassten Arbeit mit dem Titel Doris Dörrie: „Happy“ – Mögliche Unterrichtseinstiege bei der Erarbeitung einer Ganzschrift. 4 Vgl. Meyer, Hilbert: Unterrichtsmethoden. Band I: Theorieband. S. 129 5 Thömmes, Arthur: Produktive Unterrichtseinstiege. 100 motivierende Methoden für die Sekundarstufen. S. 9 6 Greving, Johannes und Liane Paradies: Unterrichts-Einstiege. Ein Studien- und Praxisbuch. S. 16 7 Thömmes, Arthur: Produktive Unterrichtseinstiege. 100 motivierende Methoden für die Sekundarstufen. S. 14 8 Vgl. ebd. S. 14f. Vgl. auch: Greving, Johannes und Liane Paradies: Unterrichts-Einstiege. Ein Studien- und Praxisbuch. S. 16 9 Vgl. Thömmes, Arthur: Produktive Unterrichtseinstiege. 100 motivierende Methoden für die Sekundarstufen. S. 48 11 insofern schwierig, als man von den Erarbeitungen und Ideen der Lernenden ausgeht und davon in gewisser Form abhängig ist: Man kann nicht wirklich voraussehen, wie engagiert die Schüler Hausaufgaben begegnen, welche Informationen während des Einstiegs dargelegt und welche zusätzlichen Erklärungen nötig sein werden.10 Bedacht werden muss hier jedoch, dass jede Art von Unterrichtseinstieg der ernsthaften Bemühungen der Schüler bedarf, sodass die Hausaufgabenbesprechung als Einstieg nicht als nachteilig anzusehen ist. Der Einstieg sollte fester Bestandteil der Unterrichtsplanung sein, jedoch lässt er sich ebenso wenig wie die Erarbeitungsphase ohne einen bestimmten Grad an Flexibilität seitens des Lehrers durchführen: Unterrichtseinstiege sind planbar, aber ob sie in dieser geplanten Form auch durchführbar sind, hängt von vielen aktuellen Faktoren ab. Da spielt die Lernumgebung eine Rolle, die Befindlichkeit von Lehrern und Schülern, die Lernatmosphäre, das Thema oder die Lern- und Lehrlust. Unvorhergesehene und überraschende Ereignisse verlangen häufig das Improvisationstalent des pädagogischen Profis. Gerade in der Einstiegsphase des Unterrichts muss der Lehrer also genau hinhören und hinsehen. Er sollte bereit sein, spontan und flexibel handeln zu können. 11 Demnach kann die Lehrperson sich immer nur auf begrenzte Art und Weise auf den Unterrichtseinstieg verlassen. Sie kann sich zwar durchaus ausmalen, wie die Schüler im Idealfall reagieren, muss sich aber auch im Vorfeld schon Gedanken darüber machen, welche Schwierigkeiten sich ergeben könnten, um sich so wenigstens weitgehend auf diese ersten Momente des Unterrichts vorzubereiten. Der genaue Verlauf des Einstiegs bleibt dem Lehrer immer unbekannt, bis er tatsächlich vor seinen Schülern steht und diese Phase durchführt. So ist ein fester Bestandteil der Definition des Unterrichtseinstiegs eine gewisse Unvorhersehbarkeit. A. Thömmes (2005) erklärt gar, dass ein „gelungener Unterrichtseinstieg nicht unbedingt ein Garant für das Gelingen der gesamten Stunde“ 12 ist. Ebenso vertritt er die These, dass ein Einstieg, der misslingt, trotzdem noch in einen gelingenden 10 Vgl. http://klett-verlag.de/sixcms/list.php?page=ref_praxisfit_artikel&sv%5Bid%5D=123599 Thömmes, Arthur: Produktive Unterrichtseinstiege. 100 motivierende Methoden für die Sekundarstufen. S. 9 12 Ebd. 11 12 Unterricht münden kann.13 Man kann also als Lehrer immer erst im tatsächlichen Unterricht erfahren, inwiefern der Einstieg sinnvoll und hilfreich für die Erarbeitungsphase ist. Laut Thömmes stellt die Planung des Einstiegs den Lehrer damit vor folgende Aufgabe: „Die Aufnahmebereitschaft und die Aktivitätsbedürfnisse müssen berücksichtigt und der Einstieg muss den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Schüler angepasst werden.“14 Der Unterrichtseinstieg darf nach dieser Auslegung nicht um seiner selbst willen durchgeführt werden, sondern immer in Verbindung mit dem Ziel, dem Schüler den Lernprozess zu ermöglichen. So ist also auch die Verknüpfung mit dem Lernprozess ein Punkt, der bei der Definition des Unterrichtseinstiegs nicht fehlen darf. Bedenken sollte man hier allerdings, dass die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler auch Auswirkungen darauf hat, ob ein Lernprozess stattfindet. Wenn Schüler sowieso die Unterrichtskonzepte des Lehrers ablehnen oder sich im Unterricht nicht akzeptiert und verstanden fühlen, kann auch der Einstieg kein geeignetes Lernklima herbeischaffen.15 So kann man also den Einstieg nicht per se als Garant für den gelingenden Lernprozess definieren. Neben dem Lernprozess soll der Einstieg den Forschern zufolge eine gewisse Motivation der Schüler bewirken. Er soll ihr Interesse, ihre Neugierde und ihren „Entdeckergeist“16 wecken, sie zum eigenen Nachdenken anregen und sie zum eigentlichen Thema führen. Nach H. Meyer (1991) besteht die Hauptfunktion von Unterrichtseinstiegen darin, „den Schülern den Einstieg in ein neues Thema bzw. eine neue Lernaufgabe zu erschließen“17. Er führt zwei passende Bilder an, um den Einstieg zu definieren: „Er ist sozusagen das Tor, durch das der Schüler in die neue Lern-Landschaft hinauswandert, oder die Hefe, die den angerührten Teig zum Aufgehen bringt.“18 A. Thömmes (2005) definiert ihn als „eine Art Warm-up, eine Anwärmphase für Körper, Geist und Seele, denn ein Kaltstart fördert selten die 13 Vgl. ebd. S. 9 Ebd. 15 Vgl. ebd. 16 Ebd. S. 10 17 Meyer, Hilbert: Unterrichtsmethoden II: Praxisband. S. 122 18 Ebd. 14 13 Lernbereitschaft“19. Wenn der Unterricht die Schüler schon zu Beginn nicht wirklich mitreißt, wird es schwierig sein, ihre Konzentration und Arbeitsbereitschaft für die eigentliche Erarbeitungsphase zu gewinnen. Ihr Lernprozess wird demnach gehindert. Im Gegensatz dazu verhilft ein gelungener Unterrichtseinstieg den Schülern dazu, sich dafür zu interessieren, was sie in der Erarbeitungsphase erwartet. So wird der Lernprozess erleichtert und die Schüler sehen eine klare Struktur im Unterricht, da der Einstieg sie auf logische Art und Weise zum Thema führt, das in der darauf folgenden Phase erarbeitet und in der abschließenden Phase abgerundet und gesichert wird. Der Unterrichtseinstieg zielt nicht nur auf den reinen Wissenstand des Schülers und die Aktivierung desselben ab, sondern er geht weit darüber hinaus, denn er „hat nicht nur eine kognitive, sondern auch eine affektive (= auf Gefühle, Einstellungen und Werthaltungen bezogene) und manchmal auch eine psychomotorische (= auf die Verbindung von Kopf- und Handarbeit zielende) Dimension“20. H. Meyer (1991) unterscheidet fünf Kriterien, die für „die Planung und Beurteilung von Unterrichtseinstiegen“21 von wesentlicher Bedeutung sind: 1. Der Einstieg soll dem Schüler einen Orientierungsrahmen vermitteln. 2. Der Einstieg soll in zentrale Aspekte des neuen Themas einführen. 3. Der Einstieg soll an das Vorverständnis der Schüler anknüpfen. 4. Der Einstieg soll die Schüler disziplinieren. 5. Der Einstieg soll den Schülern möglichst oft einen handelnden Umgang mit dem neuen Thema erlauben. 22 Meyer misst dem Punkt, die Schüler „mit der Zielstellung der Stunde vertraut zu machen“23 große Bedeutung bei. Die Vorteile davon legt er folgendermaßen dar: Wenn den Schülern zu Beginn einer neuen Unterrichtseinheit gesagt und eventuell unterstützend auf der Tafel oder einem Arbeitsblatt festgehalten wird, was auf sie zukommt, so können sie sich leichter auf das Thema einstellen. Es fällt ihnen dann auch 19 Thömmes, Arthur: Produktive Unterrichtseinstiege. 100 motivierende Methoden für die Sekundarstufen. S. 9 20 Meyer, Hilbert: Unterrichtsmethoden II: Praxisband. S. 122 21 Ebd. S. 129 22 Ebd. 23 Ebd. S. 130 14 leichter, mitzudenken, mitzuplanen und zu kontrollieren, was im weiteren Unterrichtsverlauf passiert. Sie können Änderungsvorschläge machen und deren Einhaltung besser überprüfen. 24 Wie oben dargelegt, dient ein guter Einstieg nach Meyer ebenfalls der Herstellung von Disziplin, was man als Lehrer wohl spontan nicht unbedingt zu den primären Funktionen von Unterrichtseinstiegen zählen würde. Gemeint ist hier allerdings die Selbstdisziplin, d.h. eine Disziplin, die ohne Druck und Sanktionen von außen existiert: „Selbstdisziplin bezeichnet die Fähigkeit der Schüler, sich durch eigene Kraft auf das Thema der Stunde einzustellen und sich weder durch unerwartete Schwierigkeiten noch durch äußere Ablenkungen davon abbringen zu lassen.“ 25 Bei A. Thömmes (2005) finden die oben dargelegten Kriterien in ähnlicher Form Erwähnung26. H. Meyer (1991) stellt noch ein weiteres interessantes Kriterium für Studenten und Referendare auf: „Für Studenten und Referendare, die erstmalig vor eine Klasse treten, hat der Einstieg zusätzlich die Bedeutung einer Visitenkarte: Sie sagen damit, wer Sie sind, was Sie können und was Sie wollen.“ 27 Dies ist durchaus der Fall, denn in jeden Unterrichtseinstieg, den man selber plant, fließt die eigene Persönlichkeit mit ein, denn immerhin hat man sich dafür entschieden, den Einstieg so und nicht anders zu organisieren und durchzuführen, damit er die Schüler erreicht und motiviert. Auch J. Greving und L. Paradies (1996) legen dar, welche Funktionen der Unterrichtseinstieg im Idealfall erfüllt, wobei ihre Ausführungen die fünf Kriterien von Meyer beinhalten. Der Einstieg soll die Neugierde und das Interesse der Schüler aktivieren, „eine Fragehaltung bei den Schülerinnen und Schülern hervorrufen“ 28, gezielt zu den Hauptaspekten des neuen Themas führen, „die Verantwortungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler für das, was und wie sie selber lernen wollen, ansprechen und wecken“29 und Disziplin in der Klasse herstellen.30 Des 24 Ebd. Ebd. S. 133 26 Vgl. Thömmes, Arthur: Produktive Unterrichtseinstiege. 100 motivierende Methoden für die Sekundarstufen. S. 10 27 Meyer, Hilbert: Unterrichtsmethoden II: Praxisband. S. 130 28 Greving, Johannes und Liane Paradies: Unterrichts-Einstiege. Ein Studien- und Praxisbuch. S. 17 29 Ebd. 30 Vgl. ebd. S.18 25 15 Weiteren kann der Einstieg laut Greving und Paradies weitere Funktionen31 erfüllen, die den hier schon vorgestellten stark ähneln. Hinzufügen möchte ich allerdings zwei Aspekte, auf die Unterrichtseinstiege Greving „das und Paradies Verständnis um Zusammenarbeitens hervorrufen und fördern“ 32 eingehen. die Demnach Notwendigkeit können regelgeleiteten und „den Schülerinnen und Schülern zur Selbsterfahrung innerhalb einer Gruppe verhelfen und damit sowohl das Selbstvertrauen als auch die Sicherheit im Umgang mit anderen stärken“33. So kann man beispielsweise den Unterrichtseinstieg in Form einer Gruppen-oder Partnerarbeit organisieren oder auch eine Gesprächsrunde führen, für die die Lernenden ein bestimmtes soziales Verhalten, wie z. B. anderen zuhören und ihnen gegenüber tolerant sein, aufweisen müssen. Diese Methoden werden oftmals während der Erarbeitungsphasen angewandt, können aber durchaus auch den Unterrichtsbeginn ausmachen und so ins Thema hineinführen. Diese soziale Seite von Unterrichtseinstiegen ist von sehr großer Bedeutung, es stehen also bei der Planung von Motivationsphasen nicht nur fachlich-inhaltliche und kognitive Ziele im Vordergrund. 31 Vgl. ebd. Ebd. 33 Ebd. 32 16 3. Die Lerntypen 3.1 Definition Der Lernprozess steht unmittelbar in Verbindung mit den Sinneswahrnehmungen, die der Lernende erlebt. Allerdings löst ein und dieselbe Wahrnehmung nicht bei jedem Schüler denselben bzw. einen erfolgreichen Lernprozess aus: Der eine lernt am besten über das Auge und behält dann besonders gut, wenn er sich ein Bild ansieht oder ein Video anschaut (visueller Typ); ein anderer kann Informationen gut verarbeiten, die ihn über das Ohr erreichen und ihm bei Verstehensproblemen erklärt werden (akustischer Typ); und ein Dritter prägt sich den Lernstoff dann leicht ein, wenn er selbst etwas macht, wie Vokabeln abschreiben oder einen Versuch durchführen (handelnder Typ). 34 Der visuelle Typ lernt demnach über das Sehen, d.h. sein Lernprozess ist am erfolgreichsten, wenn er sich beispielsweise Bilder oder Skizzen anschaut, wenn er die Lerninhalte als eine Art Film vor seinem geistigen Auge Revue passieren lässt, aber auch, wenn er selbst Zeichnungen, Poster usw. anfertigt, um den Lernstoff zu visualisieren.35 Über das Hören lernt der akustische Lerntyp. Nicht nur Vorträge oder Erklärungen von Außenstehenden helfen ihm beim Lernen, sondern auch dann, wenn er das Gehörte in seinem Inneren mitspricht, anderen oder sich selber etwas erklärt oder auch den Lernstoff aufnimmt und abspielt, wird sein Lernprozess gefördert.36 Der handelnde Lerntyp ist auf Basteln, Zeichnen, Anfassen, Gestik, Mimik, Textmarkierung, Rollenspiel, Experimentieren und Ähnliches angewiesen, damit die Lerninhalte sich ihm einprägen.37 Er muss demnach selber aktiv sein, das reine Zuhören oder Betrachten der Lerninhalte reicht nicht, um einen erfolgreichen Lernprozess zu ermöglichen. G. Keller (2005) erstellt eine Lerntypengliederung, die aus „Hör-, Lese-, Seh- (Bilder-) oder Handlungstypen“38 besteht und lässt sich also damit weitgehend mit den 34 Holtwisch, Herbert: Power Pack lernen. Lern- und Arbeitsmethoden für die Klassen 8-10. S. 24 Vgl. ebd. S. 25 36 Vgl. ebd. 37 Vgl. ebd. S. 26 38 Keller, Gustav: Lerntechniken von A bis Z. Infos, Übungen, Tipps. S. 89 35 17 Darlegungen von H. Holtwisch (2007) verbinden. Allerdings gibt es in der Forschung immer wieder Bemühungen, die Lerntypen noch detaillierter zu kategorisieren: H. Gardner (1996) geht von sieben verschiedenen Lerntypen aus: intelligence langagière, intelligence logico-mathémathique, intelligence spatiale, intelligence musicale, intelligence kinésthésique, intelligence interpersonnelle, intelligence intrapersonnelle. Er merkt an, dass diese Lerntypen alle noch weiter unterteilt werden könnten.39 So könnte z.B. die intelligence spirituelle oder morale anerkannt werden, doch sie ist letztendlich eine Mischung von interpersonneller und intrapersonneller Intelligenz und überdies stark abhängig von den jeweiligen kulturellen Werten.40 „Fondamentalement, Den je Begriff considère intelligence definiert l’intelligence er comme folgendermaßen: un potentiel biopsychologique. C’est-à-dire que chaque membre de l’espèce a la potentialité d’exercer l’éventail de facultés intellectuelles propres à l’espèce.“41 Es ist laut Gardner das kulturelle Umfeld, das das Wesen des Einzelnen beeinflusst und bestimmt, nicht der Zufall. Ein Lernender braucht einfach nur Gelegenheiten, um sich weiterentwickeln zu können.42 Gardner beklagt die „conception unidimensionelle de l’esprit“43 und sieht die Anerkennung und Berücksichtigung der verschiedenen Lerntypen im Allgemeinen und vor allem im Unterricht als notwendig an. Er erkennt darin sogar eine Möglichkeit, die Welt zu verbessern: Il est essentiel de reconnâitre et de cultiver tous les types d’intelligence humaine, ainsi que toutes leurs combinaisons. C’est par la combinaison de nos intelligences que nous différons tous les uns des autres. Le reconnâitre, c’est avoir une meilleure chance de régler les nombreux problèmes auxquels nous sommes confrontés dans le monde. Si nous réussissons à mobiliser tout l’éventail des capacités humaines, non seulement nous nous sentirons plus à l’aise et plus compétents, mais probablement aussi plus engagés, plus capables de nous lier avec le reste du monde et d’œuvrer pour le bien commun. Si nous parvenons à mettre en œuvre l’ensemble des intelligences humaines et à les allier 39 Vgl. Gardner, Howard: Les intelligences multiples. Pour changer l’école: la prise en compte des différentes formes d’intelligences. S. 20f. 40 Vgl. ebd. S. 65 41 Ebd. S. 55 42 Vgl. ebd. S. 67 43 Ebd. S. 51 18 à un sens éthique, peut-être augmenterons-nous alors nos chances de survie sur cette planète, et même contribuerons-nous à sa prospérité. 44 E. Arnold (2007) verweist auf die Musik-Lerntypen (musikalisch-rhythmische Lerntypen), die Bilder-Lerntypen (visuell-räumliche) Lerntypen, die Körper-Lerntypen (körperlich-bewegungsbezogene Lerntypen), die Wörter-Lerntypen (verbal- sprachliche Lerntypen), die Zahlen-Lerntypen (logisch-mathematische Lerntypen), die Ich-Lerntypen (intrapersonelle Lerntypen), die Menschen-Lerntypen (interpersonelle Lerntypen) und die Natur-Lerntypen (naturbezogene Lerntypen).45 Den Kategorisierungen von Arnold und Gardner entsprechen auch die Lerntypen von H. Puchta u.a. (2009). Hier wird zwischen den logisch-mathematischen, musikalischen, körperlichen, sprachlichen, intrapersonalen, räumlichen, interpersonalen, naturkundlichen und spirituellen Intelligenzen unterschieden.46 Nur selten lassen Schüler sich ganz eindeutig, d.h. „in reiner Form“47 einem Lerntyp zuordnen, meist agieren alle Sinneskanäle, obwohl vielleicht einer stärker ausgeprägt ist als die restlichen. G. Keller (2005) spricht hier von „Mischtypen“ 48. Auch H. Gardner (1996) ist der Meinung, dass die Kompetenzen, die mit den verschiedenen Lerntypen verknüpft sind, jedem Menschen innewohnen: „[…] tous les hommes possèdent des capacités centrales dans chacune des intelligences.“49 Diese Vielseitigkeit des Lernenden hat Vorteile: „Je mehr Sinne jedoch beim Lernvorgang beteiligt sind, umso mehr Wissen kann im Gehirn vernetzt und gespeichert werden.“50 Ein Lernender, der versucht, über einen bei ihm nicht oder kaum ausgeprägten Sinneskanal zu lernen, wird ernsthaften Lernschwierigkeiten begegnen. So ist es also von Vorteil, wenn man weiß, welchem Lerntyp man angehört. Die verschiedenen Lerntypen sollten Schülern demnach im Unterricht erklärt und zugänglich gemacht werden: „Pour la théorie des intelligences multiples, 44 Ebd. S. 25 Vgl. Arnold, Ellen: Jetzt versteh‘ ich das! Bessere Lernerfolge durch Förderung der verschiedenen Lerntypen. S. 14f. 46 Vgl. Puchta, Herbert u.a.: Multiple Intelligenzen im DAF-Unterricht. Aktivitäten für die Sekundarstufe und den Erwachsenenunterricht. S. 126 47 Holtwisch, Herbert: Power Pack lernen. Lern- und Arbeitsmethoden für die Klassen 8-10. S. 24 48 Keller, Gustav: Lerntechniken von A bis Z. Infos, Übungen, Tipps. S. 89 49 Gardner, Howard: Les intelligences multiples. Pour changer l’école : la prise en compte des différentes formes d’intelligences. S. 44 50 Holtwisch, Herbert: Power Pack lernen. Lern- und Arbeitsmethoden für die Klassen 8-10. S. 24 45 19 une intelligence peut servir aussi bien comme contenu d’un enseignement que comme moyen, ou médium, pour communiquer ce contenu.51 Um herauszufinden, wie man sich am besten Wissen aneignet, kann man einen Lerntypentest durchführen52. Allerdings sollte man sich auch mit dieser Erkenntnis nicht nur auf den „starke[n] Lernweg“53 beschränken: „Damit der Lernstoff fest verankert wird, müssen auch die übrigen Sinneskanäle miteinbezogen werden.“ 54 So kann man gezielt an den individuellen Stärken und Schwächen arbeiten und aktiv auf das Gelingen des Lernprozesses einwirken. Lernen ist und bleibt demnach ein komplexer Prozess, der nicht einfach auf die Wahrnehmung über einen bestimmten Sinneskanal reduziert werden sollte. Dieses Wissen um die Lerntypen, ihre Strukturierung und vor allem ihre Bedeutung im Rahmen des Lernprozesses stellt Lehrer vor die wichtige Aufgabe, ihren Unterricht abwechslungsreich zu gestalten, sodass die verschiedenen Lerntypen angeregt werden und die Schüler in den Lernprozess eingebunden werden können. Natürlich sieht die Lehrperson sich hier mit Grenzen konfrontiert, da nicht jeder Lerninhalt und nicht jede Methode immer alle Lerntypen gleich stark berücksichtigen kann. Außerdem ist der eigentliche Vorgang des Lernens für den Lehrer oft wenig transparent und einschätzbar, da er die Innenwelt seiner Schüler nie ganz zu (er)kennen vermag. So kann ein Schüler sich beispielsweise mittels mangelnden Einsatzes selber am Lernen hindern, obwohl der Unterricht seinem Lerntyp entspricht. Umso wichtiger ist es, dass auch die Schüler über Lerntypen informiert werden und erkennen, wie sie am besten lernen, um sich so den Lernstoff nach den individuellen Bedürfnissen eigenständig umgestalten zu können. Diese Fähigkeit wird ihnen das Lernen erleichtern, ihre Autonomie und ihr Selbstbewusstsein stärken und ihnen während ihres ganzen Lebens von Vorteil sein. Dass es hierbei auch mit dem Wissen und der Lehre über die Lerntypen Grenzen gibt, legt H. Gardner (1996) dar: „[…] il n’existe pas de recette pour une éducation des intelligences multiples. La 51 Gardner, Howard: Les intelligences multiples. Pour changer l’école : la prise en compte des différentes formes d’intelligence. S. 49 52 Vgl. Holtwisch, Herbert: Power Pack lernen. Lern- und Arbeitsmethoden für die Klassen 8-10. S. 24f. Vgl. auch: Keller, Gustav: Lerntechniken von A bis Z. Infos, Übungen, Tipps. S. 90f. Vgl. auch: Arnold, Ellen: Jetzt versteh‘ ich das! Bessere Lernerfolge durch Förderung der verschiedenen Lerntypen. S. 11-16 53 Keller, Gustav: Lerntechniken von A bis Z. Infos, Übungen, Tipps. S. 89 54 Ebd. 20 théorie des IM cherchait à décrire l’évolution et la topographie de l’esprit humain, et non pas à développer un certain type d’esprit, ni à faire croître un genre particulier d’être humain.“55 Möglich ist jedoch eine Erziehung bzw. ein Unterricht, der im Sinne der Theorie der multiplen Intelligenzen agiert.56 Anmerkung: In der vorliegenden Arbeit wird eine grobe Strukturierung der Lerntypen vorgenommen: Der Akzent liegt auf den visuellen, den auditiven (akustischen) und den handelnden Lerntypen. Dort, wo für die Beschreibung und Darlegung des Forschungsprojekts eine genauere Untergliederung sinnvoll ist, werden Untertypen der drei großen Hauptlerntypen berücksichtigt, so z. B. der motorische (körperliche Lerntyp), der als eine Form der handelnden Lerntypen angesehen werden kann. 3.2 Der Lernprozess und die Motivation Schüler werden jeden Tag mit verschiedenen Schulfächern konfrontiert und sie müssen sich vieles aneignen und einprägen. Mit Lernen ist allerdings nicht das bloße Behalten von Fakten gemeint, denn es handelt sich beim Lernprozess um einen sehr dynamischen Vorgang, an dem alle menschlichen Dispositionen beteiligt sind: alle Sinne, Werte, Emotionen, kognitive Abläufe (Verstehensprozesse), aber auch Handlungen. D.h. Lernen besteht nicht nur aus der Aufnahme und der Speicherung von Informationen, sondern in gleichem Maße aus der Umsetzung der Information in Handlung in Form von Sprache, Planung, dem Setzen und Erreichen von Zielen. Erst durch die praktische Umsetzung wird der Lernprozess vollendet.“ 57 Lernen lässt sich auch nicht losgelöst von der menschlichen Gefühlswelt realisieren, man begegnet dem Lernstoff immer auch mit bestimmten Gefühlen, die positiver oder negativer Art sein können. Außerdem gilt: Nun sind Gefühle nicht nur auf Lerngegenstände bezogen, sondern auch auf Lernkontexte. Wir lernen immer und überall auch die jeweils bestehenden emotionalen Anteile einer Situation mit. Motivationale Antriebe, Begeisterung, Unwohlsein, Lernfreude 55 Gardner, Howard: Les intelligences multiples. Pour changer l’école : la prise en compte des différentes formes d’intelligences. S. 72 56 Vgl. ebd. 57 Arnold, Margret: Brain-Based Learning and Teaching – Prinzipien und Elemente. In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik. S. 145 21 und Lernängste entstehen z. B. auch durch die, die in Lernsituationen mit uns agieren. Das bezieht sich auf Lehrer/innen ebenso wie auf die Mitschüler/innen. 58 Wenn man etwas lernt, kann dies nur gelingen, wenn man es in irgendeiner Form mit Vorwissen verknüpfen kann, ein Aspekt, den gerade Lehrer berücksichtigen sollten: Neue Lerninhalte werden von neuronalen Netzen in bestehende Netze integriert. Falls das nicht gelingt, wird diese »sinn-lose« Information mehr oder weniger schnell gelöscht. Die Qualität und das Niveau der neu lernbaren Inhalte werden deshalb wesentlich bestimmt von der Qualität und vom Niveau der dazu passenden bereist gespeicherten Inhalte. Das Neue bestimmt auf diese Weise das Alte und für die Didaktik noch wichtiger, das Alte stets das Neue. 59 Jeder Schüler kann lernen, auch wenn die Zeit, die für das Lernen gebraucht wird, individuell variiert. Die neurologischen Voraussetzungen sind für alle gesunden Jugendlichen allgemein gesehen die gleichen: „Neurophysiologisch betrachtet haben wir es durchaus bis zum Beginn des dritten Lebensjahrzehnts mit Gehirnentwicklung zu tun. […] kurz vor der Pubertät beginnt noch einmal ein Entwicklungsschub […].“60 Diese Weiterentwicklung des Gehirns zielt vor allem auf soziale Faktoren ab: Die Beziehungen des Jugendlichen zum anderen Geschlecht verändern sich, er übernimmt seine weibliche oder männliche Geschlechtsrolle, strebt nach Unabhängigkeit von den Eltern oder anderen Erwachsenen und beschäftigt sich mit Berufsbildern, Familie, moralischen Werten, Verantwortung und seiner Rolle in der Gesellschaft.61 Roth (2006) sieht die folgenden Punkte als ausschlaggebende Faktoren für den gelingenden Lernprozess an: 1. die Motiviertheit und Glaubwürdigkeit des Lehrenden, 2. die individuellen kognitiven und emotionalen Lernvoraussetzungen der Schüler, 3. die allgemeine Motiviertheit und Lernbereitschaft der Schüler, 58 Schirp, Heinz: Wie »lernt« unser Gehirn Werte und Orientierungen? In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik. S. 206 59 Friedrich, Gerhard: »Neurodidaktik« - Eine neue Didaktik? Zwei Praxisberichte aus methodischdidaktischem Neuland. In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik. S. 218 60 Becker, Gerold u.a. (Hrsg.): Lernen. Wie sich Kinder und Jugendliche Wissen und Fähigkeiten aneignen. S. 25 61 Vgl. ebd. S. 26 22 4. die spezielle Motiviertheit der Schüler für einen bestimmten Stoff, Vorwissen und der aktuelle emotionale Zustand, 5. der spezifische Lehr- und Lernkontext.62 Dass unmotivierte, unsichere und nicht authentische Lehrer ihre Schüler nicht motivieren können, ist leicht nachvollziehbar. Was Punkt 2 betrifft, sollte bedacht werden, dass jedes Gehirn individuelle Stärken hat, sodass auch das Lernen bei jedem Schüler auf geradezu einzigartige Art und Weise funktioniert63. So kann man als Betreuer einer Lerngruppe allgemeine Bereiche ausmachen, in denen Lernende Stärken bzw. Schwächen aufweisen. Es handelt sich hierbei um die Einordnung der Lernenden zu den oben schon dargelegten Lerntypen. Um erfolgreich lernen zu können, bedarf es der Beobachtung und Unterstützung des Lehrers: „Nicht jeder hat für alles gleich gute Voraussetzungen. Jeder Schüler sollte aber nach und nach verstehen, wo die eigenen besonderen Fähigkeiten liegen.“64 Dies gelingt Schülern nur dann richtig, wenn der Lehrer sie dabei berät und begleitet. Punkt 3 und 4 beinhalten eine gewisse Komplexität, denn die Motivation als solche ist ein schwer greifbares und messbares Phänomen, das Lehrer oft vor eine große Herausforderung stellt. Gemeint ist mit Motivation, dass man dazu angeregt wird zu lernen und dass nichts einen daran hindert, sich für den Lernprozess zu öffnen: Unter Motivation versteht man all das, was unser Verhalten in Gang setzt bzw. aufrechterhält. Sie ist der Motor des Verhaltens. Motivation kann sowohl von innen her kommen (Interesse, Tätigkeitsdrang) als auch von außen (Druck, Lob). 65 Die Motivation kann sich auf verschiedene Ebenen beziehen. So zielen soziale Lernmotive eher darauf ab, das menschliche „Bedürfnis nach Zuneigung und Geborgenheit“66 oder das „Bedürfnis nach Geltung und Anerkennung“ 67 zu befriedigen. Dieses beeinflusst vor allem die Motivation jüngerer Schüler. Kognitive 62 Roth, Gerhard: Warum sind Lehren und Lernen so schwierig? In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik. S 53 63 Vgl. Herrmann, Ulrich: Gehirnforschung und die neurodidaktische Revision des schulisch organisierten Lehrens und Lernens. In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik. S. 127 64 Becker, Gerold u.a. (Hrsg.): Lernen. Wie sich Kinder und Jugendliche Wissen und Fähigkeiten aneignen. S. 24 65 Keller, Gustav: Lerntechniken von A bis Z. Infos, Übungen, Tipps. S. 106. 66 Schlag, Bernard: Lern- und Leistungsmotivation. S. 19 67 Ebd. 23 Lernmotive haben zum Ziel, „Neues zu verstehen, es erkennen, ordnen und konstruieren zu können“68. Dieses Motiv wird zum Anliegen des Lehrers, denn zu seinem Beruf gehört es, dieses bei den oft unmotivierten Jugendlichen zu fördern. Demnach kann man nur dann erfolgreich unterrichten, wenn man neben der Berücksichtigung der individuellen Stärken bzw. Schwächen der Schüler auch auf ihre Motivation achtet. Der Lernprozess ist eng mit der Motivation verknüpft: Was immer es auch ist, das man lernt: Man weiß und man kann hinterher mehr als vorher. Lernen ist also eine Tätigkeit, bei der ein Mensch sich aufgrund von Erfahrungen geistig entwickelt und verändert. Weil immer etwas Neues dazu kommt, ist das Lernen eine persönliche Bereicherung. Wer lernt, hat mehr Möglichkeiten als derjenige, der nicht lernen kann oder nicht lernen will. Lernen ist also etwas Positives. Man muss es nur wollen. 69 Aus diesem Grund „bringt ein Unterricht, in dem nicht viel Wert auf Motivation gelegt wird, nicht selten Disziplinschwierigkeiten mit sich“70. Letztere sind oftmals auf einen Mangel an Schullust zurückzuführen und so „kann man dann mit der richtigen Herangehensweise in der Regel auch die Schüler erreichen, die ihr Interesse am Unterricht gänzlich verloren zu haben scheinen“71. Jugendliche regieren nicht nur aufgrund persönlicher Probleme oft mit Ablehnung auf den Unterricht. Es kann für sie geradezu von großer Bedeutung werden, dem Lehrer zu missfallen, um bei den Gleichaltrigen auf Anerkennung zu stoßen. Außerdem kann es sein, dass sie sich durch mangelndes Selbstvertrauen, negative Bewertungen und allgemeine Misserfolge als untalentiert oder gar als dumm ansehen, was ihre Motivation regelrecht erstickt: Die Schüler versuchen, sich davor zu schützen, von ihren Klassenkameraden, Eltern oder Lehrern als dumm und unfähig angesehen zu werden und verweigern ihre Arbeit ganz – und sich selbst damit natürlich auch die Möglichkeit, ihre Kenntnisse unter Beweis zu stellen. 72 68 Ebd. S. 20 Mattes, Wolfgang: Methoden für den Unterricht. 75 kompakte Übersichten für Lehrende und Lernende. S. 86 70 Mendler, Allen N.: Uninteressierte Schüler motivieren. S. 9 71 Ebd. S. 10 72 Ebd. S. 15 69 24 So sollten also die Unterrichtsatmosphäre und das Gemeinschaftsgefühl unbedingt stimmen, wobei Respekt, Vertrauen, Lob von Stärken und Akzeptanz von Fehlern zu wesentlichen Elementen werden, die einen funktionierenden Unterricht ermöglichen. Wenn es um Motivation geht, ist eine Frage unabdingbar: „Ist das Handeln stärker durch die jeweilige Situation (außen) oder durch die handelnde Person selbst (innen) bestimmt?“73 Man spricht hier von extrinsischer bzw. intrinsischer Motivation oder auch von „Tätigkeits- gegenüber Ergebnisorientierung“74. Widmet man sich einer Tätigkeit wegen ihrer Konsequenzen (Erreichen positiver Konsequenzen oder Vermeiden negativer Konsequenzen), so wird diese Tätigkeit als extrinsisch motiviert bezeichnet. Wird die Tätigkeit hingegen um ihrer selbst willen ausgeführt, so gilt sie als intrinsisch motiviert. Im einen Fall liegt die Befriedigung im Erreichen bestimmter äußerer Zwecke, im anderen Fall im Vollzug der Tätigkeit selbst. 75 Der Lehrer verfügt nur über extrinsische Motivationsmittel, kann die Entstehung der intrinsischen Motivation aber unterstützen76. Extrinsisch motivieren kann er beispielsweise durch die Notengebung, schriftliches bzw. mündliches Feedback, Sanktionen bei Arbeitsverweigerung, aber auch durch eine Belohnung, wie z. B. eine Klassenfahrt. Die intrinsische Motivation kann er fördern, indem er den Schüler mittels passender Unterrichtsmethoden oder auch seiner Lehrerpersönlichkeit dazu bringt, sich eigenständig stärker für ein Thema zu interessieren und sich mit dem Lernstoff zu beschäftigen, ohne sich dabei an von außen einwirkenden Motivationsfaktoren festzuhalten. Es geht ihm um die Begegnung mit dem Lernstoff sowie die Erarbeitung und Verankerung desselben. Dabei handelt der Schüler aus innerer, intrinsischer Motivation heraus und diese wirkt sich positiver auf den Lernprozess aus als eine rein an äußeren Kriterien orientierte Motivation: Intrinsische Motivation gilt im allgemeinen [!] als der extrinsischen Motivation überlegen in bezug [!] auf die Freude am Lernen und auf den Lernerfolg. Es ist zu erwarten, daß [!] der intrinsisch motivierte Schüler sich dem Gegenstandsbereich ohne äußeren Druck, möglichst häufig und ausdauernd zuwendet. Der zu erwartende Lernerfolg wird größer sein als bei ausschließlich extrinsischer Motivation, die weniger am Verständnis des 73 Schlag, Bernard: Lern- und Leistungsmotivation. S. 12 Ebd. S. 24 75 Ebd. S. 21 76 Vgl. ebd. S. 23 74 25 Gegenstandsbereichs als an der Instrumentalität der Leistung zur Erreichung äußerer Zwecke interessiert ist. 77 Der Mensch ist von Natur aus neugierig und lernwillig. Es handelt sich hierbei um eine intrinsische Motivation, da er aus sich selber heraus lernen möchte. Allerdings rückt diese bei vielen Schülern im Laufe ihrer Schullaufbahn in den Hintergrund: Die meisten Kinder beginnen ihre Schullaufbahn mit einem starken Erkundungs- und Wissensdrang. Sie sind neugierig, ihr Leistungsstreben kommt von innen und sie sind an der Sache interessiert. In der Schule werden die Kinder dann häufig in Leistungsvergleiche hineingezwungen, ihre Eltern, teilweise die Lehrer und auch sie selbst beginnen sich an den Leistungen anderer und den Erwartungen der für sie wichtigen Personen (Eltern, Lehrer) zu orientieren. Ihre Leistungen werden von außen bewertet, sie erfahren teilweise Rückmeldungen, die sie in ihrem Selbstwertgefühl kränken. Ihre ursprünglich eigenständige Leistungs- und Erfahrungsbereitschaft wird in ein Vergleichs- und Konkurrenzsystem sozialisiert, intrinsische wird zu extrinsischer Motivation, kann diese jedoch in ihrer Wirksamkeit nicht erreichen. Es kann ein Prozeß [!] der Entfremdung gegenüber dem Lerngegenstand einsetzen; Schule wird dann 78 zunehmend als nicht selbstgewählte Institution der Fremdbestimmung aufgefaßt [!]. In diesem Sinne kann die Schule für den Lernenden zur lästigen Pflicht werden, er fühlt sich von den Eltern und Lehrern dominiert und in seiner Freiheit eingeschränkt, da er seinem Schülerdasein nur nachgeht, weil die Gesellschaft dies von ihm verlangt, nicht weil er wirklich daran interessiert ist. Gerade Jugendliche befinden sich in einer Phase, in der sie sich von den Erwachsenen distanzieren wollen, um ihre Identität auszudrücken, sodass die schulischen Aufgaben oftmals nur dann wahrgenommen werden, wenn von außen belohnt bzw. sanktioniert wird. Jugendliche sind demnach oft vor allem für extrinsische Motivationsmittel empfänglich. Gerade jüngere Schüler können beispielsweise durch drohendes Fernsehverbot oder ein Geschenk der Eltern motiviert werden. Die Bedeutung der intrinsischen Motivation sollte Schülern demnach deutlich gemacht werden, denn wenn sie sich immer nur extrinsisch motivieren, hat dies Konsequenzen für ihre (schulischen) Leistungen: 77 78 Ebd. S. 22 Ebd. S. 99 26 Die Lust am Lernen kann von vielen Dingen abhängen. Aber letztlich braucht man dazu keine Eltern und keinen Lehrer. Man macht sich die Lust selbst, indem man sich sagt: „Ich will etwas lernen!“ Diese innere Einstellung ist die wichtigste Voraussetzung und von ihr hängt es oft ab, ob die einen gut und die anderen schlecht lernen. 79 Schüler sollten sich also selber motivieren, indem sie sich aus ihrem Innern heraus für den Lernprozess öffnen. Dafür müssen sie ihr Bild der Schule ins Positive verändern, ihre Freude am Lernen, ihre Interessen und Stärken entdecken. Hier kann die Selbstreflexion dazu führen, dass man sich von den extrinsischen Motivationsmitteln löst. Besonders ältere Jugendliche haben oftmals einen bestimmten Berufswunsch vor Augen, der ihre Interessen umfasst, sodass ihnen das Arbeiten in diesem Bereich schon in der Schule Freude bereitet, ohne dass sie extrinsisch motiviert werden. Dies bringt ihnen Vorteile, denn Lernende, die intrinsisch motiviert sind, werden auf Dauer erfolgreicher sein als extrinsisch motivierte Schüler: „Alle materiellen und sozialen Verstärker sind immer extrinsischer Art und von daher einer starken intrinsischen Motivation als Grundlage der Leistungsbereitschaft auf Dauer unterlegen.“80 Anzumerken bleibt, dass es schwer ist, den Grad der intrinsischen Motivation zu erfassen, da oftmals eine Verknüpfung mit der extrinsischen Motivation besteht, z. B. guten Noten oder den lobenden Worten des Lehrers. Dies ist ein Phänomen, das sich auch bei Erwachsenen beobachten lässt, die ihren Beruf zwar durchaus aus Interesse und Freude an der Tätigkeit ausüben, dies aber trotzdem z. B. im Hinblick auf die Ernährung ihrer Familie und damit dem Wohlbefinden derselben tun. Es gibt allgemeine Methoden, die der Lehrer einsetzen kann, um die Motivation seiner Schüler positiv zu beeinflussen. So motiviert es z.B., Schülern „kleine Ziele [zu] setzen“81, die sie nicht überfordern. Diese Ziele sollten auch immer eine Verbindung zum Alltag des Jugendlichen aufweisen, sodass er sie leichter nachvollziehen kann: „Der Unterricht ist nur dann wirksam, wenn er von Zielen geleitet wird, die nicht nur für den heutigen Tag gelten, sondern auch darüber hinaus.“82 Außerdem sollte den Schülern auch bewusst sein, warum es zu einem 79 Mattes, Wolfgang: Methoden für den Unterricht. 75 kompakte Übersichten für Lehrende und Lernende. S. 86 80 Schlag, Bernard: Lern- und Leistungsmotivation. S. 154 81 Mendler, Allen N.: Uninteressierte Schüler motivieren. S. 37 82 Ebd. S. 49 27 bestimmten Moment sinnvoll ist, auf den jeweiligen Lernstoff einzugehen: „Schüler werden Aufträge oder Forderungen eher ausführen bzw. befolgen, wenn ihnen klar ist, warum sie etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt tun sollen.“83 Der positiven Verstärkung, d.h. dem Hervorheben und Loben von Stärken und Erfolgen des Schülers kommt hierbei eine wesentliche Rolle zu: „Ein sehr effektiver Weg Schüler zu motivieren, besteht darin, sie auf ihre bereits vorhandenen Fähigkeiten aufmerksam zu machen.“84 Immerhin hilft das Fachliche nur wirklich interessierten Schülern, ihre Motivation nicht zu verlieren. Ansonsten sind ganz andere Komponenten unabdingbar: „In erster Linie brauchen Schüler innere Stabilität, Stolz und Selbstvertrauen, um Motivation aufbauen und erhalten zu können.“85 Als Lehrperson sollte man demnach seine Schüler beobachten, um erkennen zu können, auf welche Art und Weise sie den Lernstoff am einfachsten und am langfristigsten verarbeiten. So kann man ihnen Erfolgserlebnisse ermöglichen, die sie für das weitere Lernen motivieren. Für das erfolgreiche Lernen ist es unabdingbar, den Motivationsaspekt zu berücksichtigen, wobei man immer auch bedenken muss, dass Jugendliche sich in der schwierigen Phase der Pubertät befinden, in der temporäre Unlust im Unterricht sich nicht immer vermeiden lässt. Hier sollte man als Lehrer erst einmal abwarten und erst eingreifen, wenn der Motivationsmangel sich als dauerhaft erweist: Wenn Schüler sich in schwierigen Lebenssituationen befinden und Probleme mit sich herumtragen, sind sie verständlicherweise wenig empfänglich für Schule. Dann helfen auch keine didaktischen Tricks oder Kniffe, sondern eher ein klärendes Gespräch. Manchmal ist auch eine kleine Auszeit völlig angebracht. Wenn sich Schüler zeitweise ohne ernsthaften Anlass aus dem Unterricht ausklinken und das keine negativen Folgen für die Arbeitsatmosphäre in der Klasse hat, ist das zunächst einmal keine beunruhigende Situation. Nicht jedes Motivations-Tief ist wirklich ernst zu nehmen und bedarf einer Abhilfe. 86 83 Ebd. S. 42f. Ebd. S. 83 85 Ebd. S. 85 86 Ebd. S. 10 84 28 Bedenken sollte man demnach, dass die Jugendlichen nicht nur Lernende, sondern auch Menschen sind: „Schüler tragen nicht nur ihren Kopf zur Schule, sondern bringen auch ihre Sorgen und Ängste, ihre Bedürfnisse, Interessen und Vorlieben – kurz gesagt: ihre ganze facettenreiche Persönlichkeit mit.“87 Ein Lehrer, der dies nicht berücksichtigt, reduziert seine Schüler auf einen Aspekt ihrer Person, nämlich das Schülerdasein, und wird kaum erfolgreich unterrichten können. Jeder Schüler ist als Individuum zu betrachten, das den passenden Lernweg erkennen und gehen muss: Untersuchungen zu Unterrichtsmethoden und Lerntypen machen deutlich, dass es kein Ideal gibt, nach dem sich alle Schüler richten können. Einige lernen am besten beim Zuhören, andere beim Zuschauen, andere wiederum, indem sie etwas selbst tun. Es gibt auch Schüler, die beim Lernen verschiedene Lerntechniken kombinieren. 88 Unterricht sollte sich also nach den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten richten und dafür ist der Lehrer zu einem großen Teil mitverantwortlich, da er den Unterricht plant, durchführt und so dafür sorgen kann, „dass jeder nach seiner Fasson etwas lernt.“89 3.3 Bedeutung des Unterrichtseinstiegs für die Lerntypen und die Motivation Allen Lerntypen ist eins gemeinsam, nämlich das Gedächtnis, das den Lernstoff verankern und zum festen Wissensbestand machen soll: „Gedächtnis ist die Fähigkeit, Informationen zu speichern und später wieder abzurufen. Es ist eine unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiches Lernen und Denken.“ 90 Noch immer ist nicht ganz erforscht, wie das Gedächtnis funktioniert, aber allgemein anerkannt wird die Einteilung in Ultrakurzzeitgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis.91 Das Ultrakurzzeitgedächtnis nimmt Informationen lediglich für Bruchteile einer Sekunde wahr. Holtwisch (2007) spricht vom Wahrnehmungsspeicher, da die Sinneswahrnehmungen, also das Sehen, das Hören, das Schmecken, das Riechen und das Tasten zuständig sind für das, was im 87 Ebd. S. 34 Ebd. S. 107 89 Ebd. 90 Keller, Gustav: Lerntechniken von A bis Z. S. 40 91 Vgl. ebd. Anmerkung: Herrmann (2006) teilt das Gedächtnis noch detaillierter ein. Eine Darstellung der von ihm ausgemachten Gedächtnisbereiche würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. 88 29 Ultrakurzzeitgedächtnis gespeichert wird.92 Das Kurzeitgedächtnis nimmt die Information auf, wenn ihr genug Bedeutung zukommt.93 Die Informationen bleiben dort etwa 30 Minuten.94 Hier wird darüber entschieden, „was auf Dauer behalten wird und später auch wieder abrufbar sein sollte“.95 Vergessen wird die Information jedoch wieder schnell, es sei denn, man verankert sie im Langzeitgedächtnis: „Wird der neue Gedächtnisinhalt genügend wiederholt, mit bereits vorhandenem Wissen verknüpft und gut geordnet, kann er in das Langzeitgedächtnis übergehen, dessen Aufnahmevermögen nahezu unbegrenzt ist.“96 Das Langzeitgedächtnis speichert die Informationen auf unbegrenzte Dauer. Allerdings müssen auch hier die Informationen regelmäßig wiederholt bzw. angewendet werden, sonst „verblasst Gelerntes schnell wieder und das Erinnern bereitet dann Probleme.“97 Um die Verankerung des Lernstoffs zu gewährleisten, ist besonders die Einstiegsphase sinnvoll, da hier ein neues Thema eingeführt wird, wofür die Aufmerksamkeit, Motivation, aber auch der Verstehensprozess der Lernenden angeregt werden müssen. Es ist überdies hilfreich, wenn man weiß, dass besonders die Visualisierung des Lernstoffs eine wichtige Rolle für das Lernen spielt, da hier das menschliche Gehirn in seiner Gesamtheit berücksichtigt wird: „Die linke Hälfte [des Gehirns] ist für das theoretische Lernen zuständig, die rechte speichert die Bilder. Je besser es uns gelingt, diese beiden Teile des Gehirns zur Zusammenarbeit anzuregen, um so mehr kann das Gehirn insgesamt leisten und um so [!] besser können wir lernen.“98 Visuell veranschaulichen kann man beispielsweise mit Hilfe von Tabellen, Mindmaps, Skizzen oder Zeichnungen.99 Grafische Darstellungen und andere Formen der Visualisierung tragen dazu bei, Textinhalte verständlicher darzustellen. Mithilfe dieser Methode werden Informationen optisch übersichtlich angeordnet und inhaltlich auf Schlüsselwörter und knappe Formulierungen verkürzt. Durch diese Form der Bearbeitung setzt man sich intensiv mit dem Lernstoff auseinander. Visuelle Darstellungen erleichtern das Verstehen und Behalten 92 Vgl. Holtwisch, Herbert: Power Pack lernen. Lern- und Arbeitsmethoden für die Klassen 8-10. S. 22 Vgl. ebd. 94 Vgl. ebd. 95 Ebd. 96 Keller, Gustav: Lerntechniken von A bis Z. S. 40 97 Holtwisch, Herbert: Power Pack lernen. Lern- und Arbeitsmethoden für die Klassen 8-10. S. 23 98 Mattes, Wolfgang: Methoden für den Unterricht. 75 kompakte Übersichten für Lehrende und Lernende. S. 89 99 Vgl. Holtwisch, Herbert: Power Pack lernen. Lern- und Arbeitsmethoden für die Klassen 8-10. S. 62 93 30 besonders dann, wenn man sie selbst erstellt hat.100 Eine Unterrichtsphase, in der dies berücksichtigt wird, spricht visuelle sowie handelnde Lerntypen gleichermaßen an, während auch der akustische Lerntyp miteinbezogen kann, indem man die Ergebnisse beispielsweise laut vortragen lässt. Der Unterricht sollte sich allerdings nicht nur auf die Lerntypen konzentrieren, um Schülern Erfolgserlebnisse zu vermitteln, sodass sie hinsichtlich des Lernens motiviert sind. Berücksichtigt werden sollte ebenso, dass die Eigeninitiative grundlegend für die Entstehung von Motivation ist: Dass Lernen Spaß machen kann, müssen Schüler selbst für sich entdecken können. Diese Entdeckung ist die beste Motivation. Ein Unterricht, der das berücksichtigt, motiviert schon von sich aus. Genauso, wie sich Erfolge zu erkämpfen, müssen Schüler aber auch lernen, Misserfolge zu ertragen. Auch das ist ein Teil des Lernprozesses 101 Hier gehört es zur Aufgabe des Lehrers, das Klassenklima so zu schaffen, dass die Schüler sich wohlfühlen, sich durch ihre Erfolge geschätzt, aber durch ihre Misserfolge nicht gehemmt fühlen. Das Klassenklima fungiert als Basis für Motivation: Wenn sich Schüler in der Klasse/Schule nicht wohlfühlen und die Angst, sich zu blamieren, überwiegt, kann der Unterricht noch so motivierend sein – die Bereitschaft, sich einzubringen und damit auch Risiken einzugehen, wird sich bei diesen Schülern nur schwer einstellen. 102 Die Lehrperson muss demnach neben den fachlichen Kompetenzen vor allem kommunikative, soziale und psychologische Fähigkeiten aufweisen, denn damit Kinder und Jugendliche aber tatsächlich etwas leisten können, müssen sie in ihrer ganzen Persönlichkeit wahrgenommen und respektiert werden. Denn erst, wenn sie sich als Person angenommen fühlen, können Schüler etwas von sich preisgeben und Risiken beim Lernen eingehen. 103 Die pädagogischen Kompetenzen des Lehrers sind trotzdem nicht wirkungslos, wenn er seine Schüler motivieren will. So kann er die Bedeutung von Motivation und 100 Ebd. Mendler, Allen N.: Uninteressierte Schüler motivieren. S. 14 102 Ebd. S. 15 103 Ebd. S. 35 101 31 Lerntypen für den Lernprozess in seine Unterrichtsplanung miteinbeziehen und seinen Unterricht schülergemäß, d.h. interessant, spannend und anregend gestalten. Hier soll der Unterrichtseinstieg zum unbedingten Bestandteil des Unterrichtens werden. Er soll die Schüler ansprechen und sie aktiv werden lassen, sei es auf abstrakter Ebene, durch Denken, oder auf konkreter Ebene, durch Handeln. Der Lehrer soll sich dessen bewusst sein, dass die reine Informationsvermittlung Jugendliche kaum erreichen wird: Inhalte sprechen nur in seltenen Fällen für sich – die Form ihrer Darstellung hat entscheidenden Einfluß [!] darauf, ob Menschen sich diesen Inhalten zuwenden und sich selbstständig mit ihnen weiter beschäftigen. Deshalb sollte der Einstieg in ein Thema „Lust auf mehr“ wecken und den Wunsch entstehen lassen, sich selbst auf Entdeckungsreise zu begeben. 104 Der Unterrichtseinstieg soll die Schüler auch keinesfalls überfordern, denn: „Ein Erfolgserlebnis am Lernbeginn erzeugt eine positive Lernstimmung, die das Bewältigen der folgenden Lernaufgaben erleichtert.“105 Der Einstieg kann den verschiedenen Lerntypen, denen die Schüler angehören, gerecht werden. Dies soll als grundlegendes Prinzip für den Aufbau von Unterrichtsstunden gelten, denn wenn man einen Einstieg z. B. nur auf gesprochenen Worten beruhen lässt, werden die Schüler, die nicht oder kaum zu den akustischen Lerntypen gehören, nicht viel lernen können. Ebenso soll man beispielsweise einen Tafelanschrieb immer auch akustisch begleiten und von den Schülern notieren lassen, damit nicht nur die visuellen, sondern auch die auditiven und handelnden Lerntypen angesprochen werden. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Unterrichtsplanung im Idealfall unter Berücksichtigung der wesentlichen Lerntypen und der Motivation stattfindet, denn diese bilden zwei Aspekte, die den Lernprozess überhaupt erst ermöglichen. Sie sollen vom Unterrichtseinstieg angesprochen werden, damit dieser seine Funktion, das Vereinfachen des Lernprozesses und das Anregen von Interesse, nicht verfehlt. Zu bemerken bleibt, dass die Motivation des Lehrers wohl als wichtigstes Element in die Motivation des Schülers einfließt: „Wenn Sie Ihre Schüler für Ihren Unterricht 104 105 Schlag, Bernard: Lern- und Leistungsmotivation. S. 146 Keller, Gustav: Lerntechniken von A bis Z. Infos, Übungen, Tipps. S. 106 32 begeistern wollen, müssen Sie selbst von ihm begeistert sein!“106 Somit kann auch der Unterrichtseinstieg nur erfolgreich und motivierend sein, wenn der Lehrer eigene Motivation verspürt und auch ausstrahlt. Wenn er seine Schüler nicht zu berühren vermag, verliert sein Unterricht sein Ziel und wird zur Farce. Dann kommt auch das Potential des Unterrichtseinstiegs nicht zur Wirkung. Unterrichten kann außerdem niemals ohne eine grundlegende Lernwilligkeit der Schüler gelingen. So bedarf auch der Unterrichtseinstieg trotz seiner positiven Wirkung auf die Motivation einer grundlegenden Lern- und Arbeitswilligkeit seitens der Schüler: „Eine noch so gut vorbereitete Unterrichtsstunde bringt nichts, wenn die Schüler nicht mitmachen.“107 Somit stellt sich die Frage, wie es in der Praxis aussieht: Inwiefern kann den Unterrichteinstiegen eine motivationsförderne Funktion zugesprochen werden? Kann der Lernprozess durch Einstiege, die die unterschiedlichen Lerntypen berücksichtigen, gefördert werden? Diese Fragen stehen im Zentrum der folgenden Analyse des Schulalltags. 106 107 Mendler, Allen N.: Uninteressierte Schüler motivieren. S. 11 Ebd. S. 22 33 34 4. Analyse des Unterrichtseinstiegs im Rahmen einer Ganzschrift 4.1 Unterrichtsvoraussetzungen Die 4e, die ich im Schuljahr 2009/2010 unterrichtete, bestand aus 24 Schülern, zwölf Jungen und zwölf Mädchen. Dreizehn Schüler waren von 7e bis 5e in einer Allet108Klasse und somit im Deutschen eher schwach. Die übrigen Schüler waren überdurchschnittlich stark. Es handelte sich allgemein gesehen um eine sehr sympathische, arbeitswillige und engagierte Klasse, aber es zeigte sich, dass die ehemaligen ALLET-Schüler sich bezüglich der Mitarbeit eher zurückhielten, was wohl größtenteils darauf zurückzuführen war, dass der Unterricht in einer 4e ihnen am Anfang gewisse Schwierigkeiten bereitete und dass die anderen Schüler ihnen meistens deutlich überlegen waren, sodass sie sich hinter ihnen regelrecht versteckten. Ich unterrichtete die Klasse an verschiedenen Wochentagen morgens und auch nachmittags und bemerkte keinen wesentlichen Unterschied in der Motivation, immer zeigte sich, dass die etwas schwächeren Schüler zwar aufmerksam zuhörten, aber sich nicht aktiv beteiligten bzw. nur einsilbig oder gar nicht auf meine Fragen antworteten. So wurde es zu meinem Ziel, nicht nur die sowieso schon recht engagierten Schüler weiter zu motivieren, sondern auch die anderen anzusprechen und zur Mitarbeit anzuregen. Meine Aufgabe bestand also darin, Unterrichtsstunden zu gestalten, die das Interesse aller Schüler wecken, aber auch den schwächeren Schülern den Lernstoff auf verständliche Art und Weise zugänglich machen, sodass ihnen motivierende Erfolgserlebnisse vermittelt werden würden. Was die Unterrichtsformen betraf, hatte ich in Erfahrung gebracht, dass die Schüler, die aus verschiedenen Klassen kamen, vor allem mittels Frontalunterricht, Gruppen-und Partnerarbeit unterrichtet worden waren. Daran wollte ich anknüpfen und demnach mich sowie die Schüler abwechselnd ins Zentrum der verschiedenen Unterrichtsmomente setzen. Ich ließ die Schüler abstimmen, welches Buch sie im dritten Trimester lesen wollten, und stellte ihnen dabei auch „Happy“ von Doris Dörrie vor, da dieses Buch m. E. 108 Allemand Langue Étrangѐre 35 durchaus dem Sprachniveau einer 4e angepasst ist. Auch inhaltlich gesehen, eignet es sich für Jugendliche, da die beschriebene Geschichte leicht verständlich und alltagsnah ist, aber doch auf einer tieferen und symbolischen Ebene interpretiert werden kann. Dass die Schüler sich dann auch für „Happy“ entschieden, ermöglichte es mir, an meine Erfahrungen mit diesem Buch als Unterrichtsgegenstand anzuknüpfen: Da ich es schon im Schuljahr 2007/2008 mit einer 11e PS gelesen und damals verschiedene Unterrichtseinstiege erfolgreich getestet hatte, konnte ich auf mein Wissen zurückgreifen, um auch die Schüler meiner 4e mittels überraschender und spannender Einstiege zum Denken, Mitarbeiten und Lernen anzuregen. In der 11 hatte ich allerdings vor allem mit mündlichem Schülerfeedback gearbeitet, was ich in der 4e insofern änderte, als ich den Schülern Feedbackbögen austeilte. In der Folge dient „Happy“ also dazu, an einem konkreten Beispiel zu veranschaulichen, wie man Unterrichtseinstiege im Rahmen der Lektüre einer Ganzschrift dem jeweiligen Unterrichtsschwerpunkt anpassen und so die Schüler für den Lernstoff öffnen kann. 4.2. Allgemeine Sachanalyse Im Buch „Happy“ von Doris Dörrie geht es um drei eigentlich befreundete Paare, die sich in unterschiedlichen Situationen befinden: Emilia und Felix sind gerade frisch getrennt, während Anette und Boris trotz erster Unsicherheiten glücklich miteinander sind. Charlotte und Dylan sind Neureiche, deren einstiges Liebesglück unter dem Luxusleben leidet, sodass ihre Beziehung zu enden droht. Auch die Beziehungen der sechs Personen untereinander zeigen einige Risse. Neid auf das Liebesglück oder das Geld der anderen, Mitleid, Geheimnisse und die verschwiegene Affäre von Emilia und Dylan belasten die Freundschaft. Bei einem gemeinsamen Essen in Charlottes und Dylans Wohnung entschließen sich die drei Paare zu einem Experiment, bei dem sich Anette, Boris, Charlotte und Dylan nackt und mit verbundenen Augen abtasten und wiedererkennen sollen, während Emilia und Felix die Rolle der Beobachter und Schiedsrichter übernehmen, da es sich um ein zur Wette umfunktioniertes Experiment handelt. Die beiden Paare erkennen ihren jeweiligen Partner wieder, doch Felix manipuliert das Ergebnis, um 36 der finanziell schlecht gestellten Emilia den Wetteinsatz zu sichern. Somit glauben Anette, Boris, Charlotte und Dylan, dass sie ihren Partner nicht erkannt haben. Trotz oder gerade aufgrund des scheinbar gescheiterten Experimentes gelingt es allen Paaren, ihr Liebesglück aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen. Charlotte und Dylan finden wieder zueinander, da er ihr wahres Ich endlich wahrnimmt. Mit einem Kind wollen sie ihre neu aufflammende Liebe festigen. Anette und Boris kann das Experiment nicht verunsichern, sie wissen, dass Körper sich mit zunehmendem Alter sowieso verändern, sodass es nur auf das Innere, nicht mit den Händen Abtastbare, ankommt. Emilia und Felix, die sich schon während des Beobachtens der anderen geküsst hatten, führen das Experiment selber durch und finden dadurch wieder zueinander. 4.3 Didaktische Analyse Doris Dörrie beschreibt in ihrem Buch „Happy“ sowohl die Beziehungen zwischen drei Paaren als auch die zwischen sechs Freunden. Dass die Charaktere sich in einer von Bildern und Vergleichen geprägten Sprache ausdrücken und dass viele Szenen, nicht nur das Experiment also solches, von einer starken Symbolik sind, überzeugt mich davon, dieses Buch in meinen Unterrichtsplanungen zu berücksichtigen. Es ermöglicht jedem Leser und damit auch dem Jugendlichen ein gewisses Identifikationspotenzial, denn kein Mensch führt sein Leben gänzlich losgelöst von zwischenmenschlichen Beziehungen, die hier als Hauptthema fungieren. Didaktisches Material gibt es zu diesem Buch nicht, sodass ich alle Unterrichtskonzepte und Arbeitsblätter eigenständig erstellt habe. Das Buch ist symmetrisch aufgebaut, was den Aufbau der Unterrichtsreihe vereinfacht: In den ersten drei Szenen wird jeweils eines der Paare vorgestellt, dann folgt in Szene vier, fünf und sechs das Zusammentreffen der Freunde mit dem Experiment als Höhepunkt. Szene sieben, acht und neun stellen wieder jeweils ein Paar ins Zentrum, diesmal in umgekehrter Reihenfolge. So hat es sich angeboten, in den ersten drei Unterrichtsstunden jeweils ein Paar zu beleuchten. Dann wurde das Experiment genauestens analysiert, um die Reaktionen der Paare darauf wieder in jeweils einer Stunde zu betrachten. 37 An dieser Ganzschrift kann exemplarisch gezeigt werden, inwiefern gescheiterte Kommunikation Teil der heutigen Gesellschaft ist. Gerade dort, wo materieller Wohlstand herrscht, sind Partner nicht mehr in der Lage, sich und ihre Bedürfnisse mitzuteilen, den anderen zu verstehen und sein wahres Ich zu erkennen. Außerdem wird eine Problematik angesprochen, die für Schüler nachvollziehbar ist und die sie in ihrem späteren Leben eventuell heimsuchen wird. Es handelt sich um die Erdrückung der Liebe durch den Alltag, dargelegt am Beispiel von Emilia und Felix, deren zu starke Nähe und Vertrautheit zu ihrer Trennung führt. Allerdings gelingt es ihnen am Ende, sich wieder zu fremd zu werden und sich dadurch erneut näher zu kommen. Auch Anettes Angst vor der prinzipiellen Ersetzbarkeit und beliebigen Austauschbarkeit eines jeden Liebenden ist für Schüler verständlich, wenn man sie erst einmal dazu anregt, über diese Problematik nachzusinnen. Sie können Anettes Ängste entweder nachvollziehen oder sie, wie Anettes Partner Boris es tut, für übertrieben halten. Ebenso können sie sich mit Charlotte und Dylan auseinandersetzen, deren Beziehung dadurch bedroht wird, dass sie auf sehr plötzliche Art und Weise zu erheblichem Reichtum gelangen, ein Phänomen, das man oft gerade als Jugendlicher für ein rein positives und Glück garantierendes hält. Eine didaktische Reduktion bezüglich „Happy“ als Lerngegenstand ist nicht notwendig, denn die als problematisch dargestellten zwischenmenschlichen Beziehungen überfordern die Schüler ebenso wenig wie die bildhafte, aber doch einfach gehaltene Sprache der Figuren. 4.4 Durchgeführte Unterrichtseinstiege Anmerkung: Da die Unterrichtseinstiege in der vorliegenden Arbeit deutlich im Zentrum der Überlegungen stehen, werden die Erarbeitungs- und Sicherungsphasen in der folgenden Analyse ausschließlich im Rahmen der Funktion des jeweiligen Einstiegs erwähnt. Eine detaillierte Darlegung einer jeden Unterrichtsstunde würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und die klaren Umrisse ihres Themas negativ beeinflussen. 38 4.4.1 Übersicht109 Inhalt Einstieg Erste Szene: Standbild Seitenzahl Beschreibung: S.40 Schülerfeedback S.53 Beschreibung: S.42 Schülerfeedback: S.55 Beschreibung: S.45 Beschreibung: S.46 Beschreibung: S.46 Beschreibung: S.48 Schülerfeedback S.55 Textstelle Beschreibung: S.49 Achte Szene: Anette und Boris Lektüre- und Beschreibung: S.50 nach dem Experiment Verständnistest Neunte Szene: Emilia und Felix Standbild Beschreibung: S.40 Schülerfeedback S.53 Beschreibung: S.50 Die Beziehung von Emilia und Felix Zweite Szene: Ausgetauschte Lehrperson Die Beziehung von Anette und Boris Dritte Szene: Die Beziehung von Lied (Wir sind Helden: Charlotte und Dylan „Du erkennst mich nicht wieder“) Vierte Szene: Die Beziehung Arbeitsblatt als zwischen den sechs Freunden Hausaufgabe Fünfte Szene: Die Wette Arbeitsblatt als Hausaufgabe Sechste Szene: Das Experiment Nachgespieltes Experiment Siebente Szene: Charlotte und Dylan nach dem Experiment nach dem Experiment Abschließende Besprechung Zitat von Doris Dörrie (Kommunikation, Vergleich der drei Paare nach dem Experiment) 109 Die folgende Übersicht über die im Rahmen der Ganzschrift durchgeführten Einstiege fließt aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht detailliert ins eigentliche Inhaltsverzeichnis mit ein. So fungiert die Tabelle als Inhaltsangabe für dieses Kapitel. 39 4.4.2 Beschreibung und methodische Analyse Anmerkung: In der Folge werden nur die Unterrichtseinstiege detailliert beschrieben und analysiert. Damit sie jedoch nicht zu isoliert betrachtet werden, sind die Verlaufspläne zu den einzelnen Stunden im Anhang110 angebracht. Erste Unterrichtsstunde und neunte Unterrichtsstunde: Einstieg „Standbild“ Als vorbereitende Hausaufgabe für die erste Unterrichtsstunde über „Happy“ hatten die Schüler die erste Szene gelesen und währenddessen Textstellen markiert, die ihnen wichtig erschienen, um die Beziehung von Emilia und Felix zu charakterisieren. Somit setzten sie sich schon während der Lektüre mit der gescheiterten Beziehung dieses Paares auseinander: Emilia und Felix leiden beide unter der Trennung und haben versucht, sich mit anderen zu trösten, was ihnen nicht gelungen ist. Besonders Emilia kommt sich geradezu als Versagerin vor, so als hätte sie ihren ganzen Wert als Mensch verloren, weil sie keinen Partner mehr hat. Sie sieht sich wie eine alte, kranke und bemitleidenswerte Frau, die ihren Mitmenschen einfach nicht mehr ebenbürtig ist. Sie vermisst Felix, aber vor allem vermisst sie sich selber als liebende und geliebte Frau und trauert deswegen der Vergangenheit mit Felix nach. Sie hat ihn jedoch freiwillig verlassen und kann nicht mehr zu ihm zurück, denn ihre Beziehung wurde von der Routine des Alltags erdrückt, sie kannten sich zu gut: „Am Ende war’s ein bißchen so, wie immer an denselben Strand fahren im Sommer.“111 Der Einstieg in den Unterricht bestand aus einem Standbild, das die Beziehung von Emilia und Felix darstellte. Hier übernahm eine freiwillige Schülerin die Rolle des Regisseurs. Sie erhielt den Arbeitsauftrag schriftlich von mir, damit die übrigen Schüler nicht schon vorab über das Geschehen informiert sein würden, was ihre Neugier eventuell eingeschränkt hätte. Die Schülerin las den Arbeitsauftrag durch und wählte zwei Schüler aus, die die Figuren Emilia und Felix verkörperten. Sie formte ihre Körper und bestimmte ihre Gesichtsausdrücke. Die Schülerin, die Emilia repräsentierte, fasste sich mit beiden Händen an den Kopf, womit ihre Verzweiflung ausgedrückt werden sollte und machte ein trauriges, aber auch etwas schockiertes 110 111 Siehe Anhang 1. S.119. Dörrie, Doris: Happy. S. 16 40 Gesicht. Der Schüler, der Felix spielte, drehte sich mit dem Rücken zu ihr, blickte sich jedoch nach ihr um. Hiermit sollte deutlich werden, dass das Paar noch mit der Vergangenheit verbunden ist und dass Emilia und Felix sich ihrer Gefühle noch nicht ganz sicher sind. Die Mitschüler schauten sich das Bild während einiger Sekunden an und interpretierten es dann. Es zeigte sich, dass die Regisseurin ihre Idee deutlich in ihrem Standbild umgesetzt und es demnach erfolgreich gestaltet hatte. Anschließend folgte die Erarbeitungsphase, in der die Beziehung von Emilia und Felix mit Hilfe eines textnahen Arbeitsblattes gedeutet und kommentiert wurde. Die Visualisierung der problematischen Beziehung von Emilia und Felix hatte die Schüler also dazu gebracht, eigenständig über dieselbe nachzudenken, sie zu kommentieren und dieses Bild in die Erarbeitungsphase einfließen zu lassen, in der das Paar dann genauer analysiert wurde. Auch als Einstieg in die Unterrichtsstunde über Emilia und Felix nach dem Experiment, für die die Schüler die neunte und damit letzte Szene gelesen hatten, ließ ich ein Standbild bauen. Der Regisseur modellierte die Körper der beiden ausgewählten Schüler so, dass deutlich wurde, dass Emilia und Felix sich nach dem Experiment wieder näherkommen, weil sie es in Emilias Wohnung selber durchführen. Sie befreien sich von der Routine und erleben ihre Persönlichkeiten neu, sodass wieder Raum für ihre Liebe entsteht. Der Regisseur achtete aus diesem Grund auf einen Zuneigung ausdrückenden Körperkontakt zwischen den beiden Schülern, die Emilia und Felix repräsentierten. Die Interpretation des Standbildes führte in die erste Erarbeitungsphase, in der das Gespräch und Geschehen zwischen Emilia und Felix textnah sowie mittels eines Tafelbildes analysiert und kommentiert wurde. Das Standbild spricht vor allem handelnde und visuelle Lerntypen an: Die Schüler, die das Standbild bauen, sind aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligt, sie verarbeiten den Lernstoff wortwörtlich mit dem eigenen Körper. Somit kann sich der körperlich-bewegungsbezogene Lerntyp mit dieser Vorgehensweise identifizieren, da er den Lerngegenstand durch die Körperhaltung, Gestik und Mimik ausdrückt bzw. die Initiative ergreifen und das Standbild bauen kann. Hier wird auch noch der 41 interpersonelle Lerntyp angeregt, da dieser gerne mit Menschen zusammen arbeitet und eine führende Rolle übernimmt. Da die Mitschüler das Standbild betrachteten, wurden sie auf visueller Ebene aktiv, wobei sie jedoch nicht nur beobachteten, sondern auch interpretierten. Dies ist wichtig, denn durch das Anschauen alleine wird man aus dem Standbild nichts lernen, man muss das Dargestellte mit dem Lerninhalt verknüpfen. In diesem Fall verbanden die Schüler das Ausgedrückte mit der Beziehung der Figuren Emilia und Felix. Motivierend kann ein Standbild dadurch wirken, dass es den Schülern eine neue Umgangsweise mit dem Lernstoff erlaubt: Sie nehmen ihn auf und drücken ihn mittels ihrer Körper und Gesichtsausdrücke aus bzw. sie erkennen und erarbeiten ihn anhand der Darstellung ihrer eigenen Mitschüler.112 Allerdings muss man drauf achten, dass man sparsam mit dem Standbild umgeht, sonst wird es zur puren Routine und eventuell lästigen Aufgabe degradiert. Richtig eingesetzt kann das Standbild zum originellen Motivationsmittel werden. Es kann sowohl die extrinsische als auch die intrinsische Motivation ansprechen, denn der Lernende kann dadurch mehr Interesse für das Thema und Freude am Erarbeiten desselben entwickeln. Es kann aber auch sein, dass es ihn lediglich von außen motiviert, nämlich in dem Moment, in dem es stattfindet. Es regt sodann die Neugier des Lernenden an, hat aber nicht unbedingt zur Folge, dass er die Erarbeitung des eigentlichen Themas mit innerlicher Motivation angeht. Zweite Unterrichtsstunde: Einstieg „Ausgetauschte Lehrperson“ Dieser Einstieg, den ich schon zum zweiten Mal durchführte, steht in sehr engem Zusammenhang mit den Ängsten der Buchfigur Anette, die befürchtet, sie könne als Liebespartnerin beliebig austauschbar und sein. Aus dieser Sicht ist ihr Glück mit Boris nur ein zufälliges und ersetzbares und sie ist als Mensch nicht einzigartig, sondern ersetzbar. So ist Boris auch der Meinung, sie hätten beide mit einem anderen Partner genauso glücklich werden können, wenn sie sich nicht getroffen 112 Anmerkung : Ich habe bewusst auf einen Beleg in Form eines Fotos verzichtet, um die Schüler nicht in ihrer Kreativität und ihrem Wohlbefinden vor der Klasse zu hemmen. 42 hätten. Dieser Gedanke belastet Anette: „Mich bedrückt, daß [!] wir uns nie getroffen hätten, wenn du eine Minute später aus dem Haus gegangen wärst.“113 Der Grundgedanke dieses Einstiegs besteht darin, die Schüler auf die Problematik der prinzipiellen Austauschbarkeit des Menschen hinzuweisen. Hierfür eignet sich ihr gewohntes Umfeld als Ausgangspunkt am besten: die Schule. In der Schule ist das Phänomen der Austauschbarkeit allgegenwärtig, werden doch spätestens am Anfang eines neuen Schuljahres die Schüler und Klassen 'ausgetauscht': Die Lehrer bekommen (zum größten Teil) neue Schüler und Klassen und die Lernenden werden (meistens) von einer anderen Lehrkraft unterrichtet als noch im Schuljahr davor. Sogar ihre Klassenkameraden sind teilweise andere als die schon bekannten. Die Schüler hatten sich als Hausaufgabe eigenständig mit der zweiten Szene beschäftigt, da sie auf einem dafür vorgesehenen Arbeitsblatt Emilia und Felix mit Anette und Boris vergleichen und dafür also die zweite Szene lesen mussten. Um ihnen den Lernstoff auf anschauliche und realitätsgetreue Art und Weise näherzubringen, ließ ich mich in der ersten Unterrichtsphase von einer anderen Deutschlehrerin114 ersetzen, die ich an dieser Stelle zu Wort kommen lassen möchte: Im Rahmen ihres Projektes zum Unterrichtseinstieg bat mich Nathalie Wagener am 26.04.2010, den Einstieg auf ihrer 4e Moderne zu übernehmen. Thema der Stunde sollte ein Textausschnitt sein, bei dem die Austauschbarkeit von Lebenspartnern und die Frage nach „dem Einen” diskutiert wurde. Um die Schüler auf dieses Thema einzustimmen, bat mich Frau Wagener, die ersten fünf Minuten des Unterrichts zu übernehmen. Sie gab mir genaue Vorgaben und ich betrat also zu Unterrichtsbeginn die Klasse und erklärte den Schülern, Frau Wagener sei verhindert und ich würde die heutige Stunde übernehmen. Ich machte die Klassenbucheinträge und erklärte dann, ich müsse noch Kopien holen, die Frau Wagener für mich hinterlegt habe. Während meiner Abwesenheit sollten die Schüler über eine Frage nachdenken, die ich an die Tafel schrieb: „Bin ich austauschbar?”. Dann verließ ich die Klasse. Die Klasse war, wie zu erwarten, erst etwas erstaunt, als ich den Raum betrat. Da sie nach meiner Erklärung, Frau Wagener würde nicht kommen, erwartet hatten, eine Surveillance-Stunde zu haben, waren sie enttäuscht, als ich ihnen eröffnete, ich würde den Unterricht übernehmen. Aber sie zeigten sich dann sofort kooperativ, gaben mir freundlich die nötigen Angaben für das Klassenbuch und setzten auch gleich ihre Köpfe zusammen, als ich die Diskussionsfrage an die Tafel schrieb. 113 115 Dörrie, Doris: Happy. S. 22 Es handelte sich hierbei im Schuljahr 2009/2010 um die Referendarin Nathalie Jacoby. 115 Diesen Bericht hat Frau Jacoby für diese Arbeit verfasst, damit der Unterrichteinstieg auch aus ihrer Perspektive dargelegt werden kann. 114 43 Nachdem Frau Jacoby das Klassenzimmer verlassen hatte, machte ich mich auf den Weg zu den Schülern. Diese schauten mich, wie erwartet, überrascht und etwas irritiert an. Ich erkundigte mich scheinbar ahnungslos nach dem Grund ihrer Verwirrung und sie berichteten mir von dem Erscheinen von Frau Jacoby und deuteten auf die Tafel und den dort angebrachten Arbeitsauftrag über Austauschbarkeit. Ich begab mich zur Tafel und deutete auf das Wort 'austauschbar'. Sofort erklärte ein Schüler, dass ich mich wohl selber ausgetauscht hatte. Dadurch entstand eine Diskussionsrunde, die sich anfangs auf die Austauschbarkeit in der Schule befasste, aber dann schnell auch auf das Privatleben und damit auch die zwischenmenschlichen Beziehungen überging. Am Ende dieses Gesprächs ließ ich die Schüler darlegen, ob sie eher die Position und Denkweise von Anette oder die von Boris vertreten, sodass der Bezug zum Buchinhalt noch einmal deutlich gegeben war. Anschließend bearbeitete die Klasse ein Arbeitsblatt, das sich auf die Beziehung von Anette und Boris und vor allem auf den ihre Beziehung belastenden Aspekt der Austauschbarkeit bezog. Dieser Einstieg bestand aus einer Provokation und ist für die Schüler recht spektakulär, da er sie überrascht und irritiert. Er regt vor allem Ich-Lerntypen an, die sehr reflektiert vorgehen und gerne über den Lernstoff nachdenken. Allgemein werden durch die vorgespielte Szene die visuellen, akustischen, aber auch handlungsorientierten Lerntypen angesprochen, da das Geschehen von den Schülern persönlich erlebt wird und mit den verschiedenen Sinnen als Teil der Realität wahrgenommen wird. Motivierend wirken solche unerwarteten Einstiege dadurch, dass sie den Lernenden irritieren, zum Denken anregen und in einen Zustand der Neugierde versetzen. Hier gilt allerdings, wie schon beim Standbild, dass man solche Einstiege sehr sparsam und bedacht einsetzen sollte, denn ein Übermaß führt zu Gleichgültigkeit seitens der Schüler. Außerdem muss für einen solch provokativen Unterrichtseinstieg die Schüler-Lehrer-Beziehung stimmen, denn sonst nehmen die Jugendlichen die Provokation eventuell falsch auf, fühlen sich nicht ernst genommen oder verlieren den Respekt für die Lehrperson. Für Schüler unerwartete Einstiege motivieren schon alleine dadurch, dass sie Neugierde wecken: Die Jugendlichen wollen wissen, was in der Folge passiert. Auch hier kann die Motivation extrinsisch sein, also auf dem äußeren Geschehen beruhen, 44 oder intrinsisch fundiert sein, d.h. die Lernenden beschäftigen sich mit dem Lernstoff um der Tätigkeit selbst willen. Welche Art von Motivation der Einstieg hervorruft, ist schwer zu bewerten, besonders, wenn es sich um einen Unterrichtsbeginn handelt, der für die Lernenden so neu ist, dass er sie schon alleine deswegen anspricht. Dritte Unterrichtsstunde: Einstieg „Lied“ In der dritten Unterrichtsstunde ging es um die Analyse des letzten der drei Paare, Charlotte und Dylan. Die Schüler hatten die Szene gelesen und das schon teilweise bearbeitete Arbeitsblatt zum Vergleich der drei Paare ergänzt. Charlotte und Dylan sind durch eine Geschäftsidee von Dylan zu Neureichen geworden, jedoch ist seine Partnerin mit dem neuen Luxusleben und dem daraus resultierenden künstlichen, von außen aufgesetzten Glück unzufrieden und überfordert. Sie leidet darunter, dass Dylan ihr wahres Ich nicht mehr erkennt. Er sieht ihr Herz nicht mehr und hat durch den plötzlichen Reichtum „Speck auf der Seele“116 entwickelt, sodass er Charlottes Seele nicht mehr sehen kann. Zu der Thematik des Nicht-Erkennens passt das Lied „Du erkennst mich nicht wieder“ der Band Wir sind Helden. In diesem geht es um eine Ich-Figur, die darunter leidet, dass das Du sie nicht mehr erkennt, obwohl sie sich äußerlich nicht verändert hat. Desillusioniert, enttäuscht und verzweifelt verspürt sie den Wunsch, ihre Existenz zugunsten einer neuen von dem Gefühl des Freiseins geprägten zu beenden. Der Vergleich zwischen Charlotte und der Ich-Figur offenbart viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede, die auf einem Arbeitsblatt festgehalten werden. Von diesen Erkenntnissen ausgehend, wird dann die Beziehung von Charlotte und Dylan mit Hilfe von Textstellen und einem Tafelbild analysiert. Der Unterrichtseinstieg bestand darin, dass ich den Schülern das Lied abspielte, während sie den dazu gehörigen Text vor Augen liegen hatten. Es entstand seitens der Lernenden eine gewisse Überraschung, da im Rahmen der Besprechung einer Szene aus einer Ganzschrift normalerweise textnah und von möglichen dazu passenden modernen Liedtexten losgelöst gearbeitet wird, obwohl gerade das Thema der scheiternden Liebe hier viele Möglichkeiten bietet. Außerdem sollten die 116 Dörrie, Doris: Happy. S. 38 45 Schüler sich schon während des Anhörens des Liedes die Frage nach der Verbindung mit Charlotte und Dylan stellen und sich Bemerkungen dazu festhalten. So beinhaltete der Unterrichtseinstieg also nicht nur das Anhören eines Liedes, sondern auch einen Arbeitsauftrag, der übergangslos in die aus dem schon erwähnten Vergleich bestehende Erarbeitungsphase übergehen sollte. Beim Anhören eines Liedes steht der akustische Lerntyp ganz deutlich im Vordergrund, aber auch der Wörter-Lerntyp wird angeregt, da die Melodie als solche kaum mit dem Lerngegenstand in Verbindung gebracht werden kann. Es ist der Text, seine Deutung und der Vergleich mit der Szene, in der Charlotte und Dylan vorgestellt werden, der die Schüler für das Thema sensibilisiert. Die Motivation wird jedoch dadurch angeregt, dass das Lied angehört wird, da die reine Erarbeitung des Textes im Deutschunterricht für die Schüler nichts Neues darstellt. Ein Lied jedoch lockert das Arbeitsklima immer etwas auf, da Jugendliche sich auch in ihrem Alltag intensiv mit Musik und Stars beschäftigen. Das Lied dient als extrinsisches Motivationsmittel, kann jedoch die Lernenden im Idealfall intrinsisch motivieren, wenn sie sich dadurch von sich aus und um der Tätigkeit willen mit dem Lerninhalt beschäftigen wollen. Vierte und fünfte Unterrichtsstunde: Einstieg „Arbeitsblatt als Hausaufgabe“ In der vierten Unterrichtsstunde beinhaltete der Einstieg die Besprechung der Hausaufgabe. Die Schüler hatten schon im Rahmen der bisherigen Unterrichtsstunden über „Happy“ schrittweise einen Vergleich zwischen den drei Paaren vorgenommen und auf einem Arbeitsblatt festgehalten. Dieser diente nun als Ausgangspunkt für die Analyse der Beziehungen der sechs Figuren untereinander. In den ersten Minuten wurde also darüber gesprochen, inwiefern das jeweilige Paar nach Meinung der Schüler glücklich bzw. unglücklich ist. Welches allgemeine Fazit man daraus ziehen kann, war Teil der ersten Erarbeitungsphase, die demnach eine wiederholende, aber auch die Analyse der Paare vorläufig abschließende Funktion hatte. In der Folge wurden die Schüler durch Fragen dafür sensibilisiert, dass bei der Besprechung dieser Ganzschrift und vor allem für das Verständnis des Experiments nicht nur die Beziehung der Paare von wesentlicher Bedeutung ist, sondern auch die 46 Freundschaft zwischen den sechs Figuren. Hier zeigen sich viele Facetten, die zwischenmenschliche Beziehungen ausmachen, prägen, aber vor allem auch belasten können. So hatten beispielsweise Emilia und Dylan nach ihrer Trennung von Felix eine kurze Affäre, von der Charlotte möglicherweise ahnt. Anette hingegen beneidet Charlotte und Dylan um deren Luxusleben. Felix sieht Dylan als einen Angeber und dieser findet wiederum, dass sein Angestellter und Freund Boris primitive Züge an sich trägt. Man erkennt schon an diesen wenigen Beispielen, dass die Freundschaft der Figuren eine getrübte und teilweise falsche sowie oberflächliche ist. Damit beschäftigten die Schüler sich intensiver in einer Partnerarbeit und mittels eines Arbeitsblattes, das Äußerungen der sechs Protagonisten enthält, die sie demjenigen zuordnen mussten, von dem sie stammen. Abschließend gestalteten sie eine Mind Map, um die Beziehungen zwischen den sechs Personen zu visualisieren. Auch die fünfte Unterrichtsstunde setzte damit ein, dass die Hausaufgabe besprochen wurde. Als vorbereitende Hausaufgabe hatten die Schüler die fünfte Szene gelesen und das Experiment, das die Paare in dieser Szene planen, im Hinblick auf die Rolle und die Wetteinsätze der einzelnen Personen analysiert. Die Erkenntnisse der Schüler wurden besprochen, kommentiert und gegebenenfalls verbessert, sodass die Hausaufgabe in die Haupterarbeitungsphase des Unterrichts führte. Auf die entsprechenden Textstellen verwiesen die Schüler ebenfalls und diese wurden teilweise gemeinsam durchgelesen. Anschließend konnten die Schüler in einer kurzen Diskussion darlegen, wie das Experiment ihrer Meinung nach enden würde. Bei Hausaufgabenbesprechungen wie diesen werden alle drei Hauptlerntypen angesprochen: Die Schüler können selber aktiv werden und ihre Ergebnisse darlegen (handlungsorientiert), dieselben werden besprochen (akustischer Lerntyp) und an der Tafel bzw. im Heft visualisiert (visueller Lerntyp). Als Einstieg kann die Hausaufgabenbesprechung Schüler wohl vor allem extrinsisch motivieren, da sie sich in dem Moment der Besprechung oftmals eine Belohnung in Form einer guten Note erhoffen. Sie werden im Idealfall auch intrinsisch motiviert, weil ihnen die Erarbeitung Freude bereitet und sie von sich aus weiter am Lerngegenstand arbeiten wollen. Dieses Ziel werden eher banale Einstiege wie die eben dargelegten bei sowieso schon (intrinsisch) motivierten Schülern dann auch erreichen. Oftmals wird 47 die Hausaufgabe als solche jedoch als lästig empfunden und nur bearbeitet, um Sanktionen zu vermeiden. Trotzdem ist die nachbereitende oder auch vorbereitende und vor allem eigenständige Erarbeitung des Lernstoffs eine unabdingbare Komponente des Unterrichtens und des Lernens. Außerdem kann nicht jede Unterrichtsstunde mit einem überraschenden, nicht traditionellen Einstieg beginnen, denn sonst stumpfen die Schüler ab und die Einstiege verfehlen ihr Ziel: die Neugier des Lernenden anzuregen bzw. ihn zu provozieren und sein kritisches Denken zu fördern. Sechste Unterrichtsstunde: Einstieg „Nachgespieltes Experiment“ Die sechste Unterrichtsstunde, für die die Schüler die sechste Szene gelesen hatten, beschäftigte sich ausschließlich mit dem Experiment, das in dieser Szene durchgeführt und beschrieben wird. Hier wurde der Einstieg sehr schüler- und handlungsorientiert gestaltet, da das Experiment, das die Paare auf die Idee für ihr eigentliches Experiment gebracht hatte, im Klassenzimmer und damit auf schülergemäß reduzierter Ebene nachgespielt wurde: „Wußtet [!] ihr, daß [!] selbst Paare, die über zwanzig Jahre zusammen leben, noch nicht mal die Hände des anderen identifizieren können?“117 Auf diesem Wege erschien den Schülern das Experiment der Paare weniger abstrakt. Drei Schülerinnen traten nach vorne und streckten ihre Hände aus. Einem Schüler, der sich dazu bereit erklärt hatte, wurden die Augen verbunden und er sollte versuchen, die Mädchen durch das bloße Abtasten ihrer Hände wiederzuerkennen. Ein Assistent beobachtete das Ganze, so wie im Buch Emilia und Felix die Rolle der Schiedsrichter übernahmen. Sie manipulierten das Experiment jedoch, indem sie Anette, Boris, Charlotte und Dylan, die ihren Partner eigentlich erkannt hatten, so hinstellten, dass diese nach Abnahme der Augenbinden glaubten, sie hätten sich geirrt. Diese Manipulation wurde auch beim nachgespielten Experiment berücksichtigt: Der Assistent positionierte die drei Schülerinnen nach Abschluss des Experiments so, dass der Schüler, der eigentlich mit seinen Vermutungen richtig gelegen hatte, glaubte, es wäre ihm nicht gelungen, die Hände seinen jeweiligen Klassenkameradinnen zuzuordnen. 117 Ebd. S. 56 48 Dieses Experiment führte in die erste Erarbeitungsphase, in der die Ergebnisse des Experiments der drei Paare an der Tafel festgehalten, gedeutet und kommentiert wurden. Auch hier wurde wieder textnah gearbeitet, besonders, was das Verhalten von Emilia und Felix – sie küssen sich während des Experiments-, die Manipulation und die Reaktionen der Teilnehmer auf dieselbe angeht. Außerdem bekamen die Schüler die Gelegenheit, sich in einem Gespräch über die Sinnhaftigkeit des Experiments zu äußern. Ähnlich wie beim Standbild stehen bei diesem Einstieg die handelnden Lerntypen, aber vor allem die körperlich-bewegungsbezogenen Lerntypen im Zentrum. Auch hier besteht der motivierende Faktor darin, dass die Schüler den Lerninhalt selber erleben, sei es durch ihre aktive Teilnahme am Experiment oder durch das Beobachten desselben, womit dann wiederum der visuelle Lerntyp angeregt wird. Siebente Unterrichtsstunde: Einstieg „Textstelle“ In der siebenten Unterrichtsstunde, für die die Schüler die siebente Szene gelesen und die Frage nach den Folgen des Experiments für Charlotte und Dylan beantwortet hatten, diente eine kurze, an die Tafel angebrachte Textpassage als Einstieg: CHARLOTTE: Du erkennst mich nicht, und ich werde dadurch unsichtbar. DYLAN: Nicht für mich. CHARLOTTE: Aber für mich. 118 Ausgehend von dieser Textstelle, die das schon erarbeitete Leiden Charlottes noch einmal ausdrückt, wurde die Beziehung des Paares analysiert. Es stellte sich heraus, dass entgegen den bei der Lektüre von Szene 3 entstandenen Vermutungen nicht nur Charlotte leidet, sondern auch Dylan. Er fühlt sich wie ein Versager, der seiner Partnerin nie genug Liebe geben kann. Er äußert überdies seinen Kinderwunsch. Die Szene endet damit, dass Charlotte und Dylan das Experiment wiederholen und sich so wieder erkennen lernen. Die wichtigsten Punkte dieser Beziehung nach dem Experiment wurden an der Tafel festgehalten, wobei in den Erarbeitungsphasen hauptsächlich nah am Primärtext gearbeitet wurde. Das Zitat am Unterrichtsbeginn führte somit in die konkrete Analyse des Paares nach dem Experiment. 118 Ebd. S. 81 49 Die Auswirkung des Experiments auf die Beziehung des Paares wurde in einer weiteren Erarbeitungsphase mittels der Verbesserung der Hausaufgabe herausgearbeitet: Charlotte und Dylan finden wieder zueinander. Ein solcher Einstieg regt alle drei Hauptlerntypen an: Das Zitat wird an der Tafel visualisiert (visueller Lerntyp), es wird darüber gesprochen (akustischer Lerntyp) und es wird von den (handlungsorientierter Schülern Lerntyp). eigenständig Hier wird reflektiert insbesondere und der kommentiert Wörter-Lerntyp angesprochen, da die Sprache im Zentrum steht und der Lerninhalt anhand von ein paar Wörtern, die es zu deuten gilt, erarbeitet wird. Dieser Einstieg ist traditionell, was aber nicht bedeutet, dass man ihm die motivierende Wirkung absprechen kann. Man mag denken, dass ein Schüler, dem jegliche Motivation fehlt, kaum durch die Analyse einer Textstelle Interesse für die Erarbeitungsphase entwickeln wird. So soll an dieser Stelle noch einmal daran erinnert werden, dass nicht nur der Einstieg als solcher die Motivation des Lernenden beeinflusst. Er ist nur einer von unzähligen Faktoren, wie persönlichkeit, z.B. Schüler-Lehrer-Beziehung, Wohlbefinden und bisherige Lehrerpersönlichkeit, Erfahrungen des Schüler- Lernenden, Klassenklima usw. Achte Unterrichtsstunde: Einstieg „Verständnis-und Lektüretest“ Anmerkung: In dieser Unterrichtsstunde hat es keinen wirklichen Einstieg gegeben. Als vorbereitende Hausaufgabe hatten die Schüler die achte Szene gelesen und wichtige Stellen gekennzeichnet. Zu Beginn des Unterrichts erhielten sie einen Lektüre-und Verständnistest, für den sie ca 20 Minuten Zeit hatten und für dessen Bearbeitung sie das Buch als Hilfsmittel benutzen durften. Anschließend wurde der Test besprochen und verbessert. Neunte Unterrichtsstunde: Einstieg „Standbild“ Siehe erste Unterrichtsstunde (S. 40 und 53). Zehnte Unterrichtsstunde: Einstieg „Zitat von Doris Dörrie“ Der Einstieg in die letzte Unterrichtseinheit zu „Happy“ bestand darin, dass die Schüler ein Zitat von Doris Dörrie erhielten, das sie analysierten, kommentierten und auf das Geschehen im Buch bezogen. Es handelt sich um eine Äußerung der Autorin 50 zu „Nackt“, dem Film zum Buch. Diesen schauten die Lernenden sich am Ende des Schuljahres an. Gemeint ist mit den Worten von Dörrie, dass Kommunikationsschwierigkeiten in der Natur des Menschen liegen, da es fast schon unmöglich ist, auf verbale Art und Weise genau das auszudrücken, was einem im Sinn steht. Es zeigt sich, dass alle drei Paare in einem für sie spezifischen Sinne an einer Kommunikationsstörung leiden, die aber durch das Experiment abgeschwächt und geradezu ins Gegenteil verkehrt werden kann: Emilia und Felix gelingt es nach ihrer Trennung nicht, sich ihrem ehemaligen Partner mitzuteilen und ihre Gefühle in Worten auszudrücken. Erst durch das erneute Fremdsein während des Experiments finden sie ihre Liebe wieder. Dies geschieht hauptsächlich durch die nonverbale Kommunikation, die ihnen jedoch den Weg zur Sprache ebnet. Die Kommunikation zwischen Anette und Boris funktionierte schon vor dem Experiment, allerdings gab es Diskussionen, Missverständnisse und Heimlichkeiten. Das Experiment, währenddessen sie nicht miteinander sprechen, verbessert ihre Kommunikationsfähigkeit und stärkt sie in ihrer Liebe. Eine regelrecht heilende Wirkung hat das Experiment auf die Kommunikationsstörung von Charlotte und Dylan. Vor dem Experiment waren sie nicht dazu in der Lage, sich ihrem Partner mitzuteilen, und besonders Charlotte fühlte sich dadurch regelrecht unerkannt und unsichtbar. Gerade durch das Schweigen während des Experiments gelingt es ihnen, ihre Persönlichkeit und auch das wahre Ich ihres Partners zu erkennen. Dadurch, dass die Paare ihre Kleider und ihre Stimme ablegen, offenbaren sie ihrem Gegenüber ihr Selbst und werden sichtbar für ihn. So kommunizieren sie erfolgreicher mit ihm, als es Worte vorher ermöglichen konnten. Die scheiternde verbale Kommunikation wird demnach hier als Wurzel des Ich-Verlustes, der Unsicherheit, der erdrückten Liebe und auch des Nicht-Erkennens des eigentlich geliebten Menschen angesehen. Als Abschluss der Sequenz führten die Schüler noch einmal einen Vergleich der drei Paare durch, der den Vergleich vor dem Experiment ergänzte und zudem zu einem allgemeinen Fazit führte. Auch hier handelt es sich wieder um einen traditionellen Einstieg, der die Hauptlerntypen anspricht und auf den ersten Blick vielleicht nicht unbedingt als motivierend 51 angesehen wird. Einen Einblick in die Lernermotivation ermöglicht das im übernächsten Kapitel dargelegte Schülerfeedback. 4.4.3 Mittel zur Lernerfolgskontrolle Interessante und zum Nachdenken anregende Einstiege verfehlen ihr Ziel, wenn sie nicht sinnvoll mit der Erarbeitungsphase verknüpft werden und zusammen mit dieser und der Ergebnissicherung in einen Lernprozess münden. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle darauf verwiesen, dass die Unterrichtseinstiege natürlich immer im Hinblick auf die Erarbeitungsphasen und den anvisierten Lernprozess stattfinden sollten, und nicht um ihrer selbst willen. Um herauszufinden, ob die Schüler den Lernstoff verstanden und verarbeitet haben und ob sie das vermittelte Wissen wiedergeben bzw. eigenständig anwenden können, sind Lernerfolgskontrollen unabdingbar. Somit dienten in der Sequenz zu „Happy“ Fragen und Arbeitsaufträge während des Unterrichts sowie Hausaufgaben und die Kontrolle derselben als Mittel, den Verstehensund Lernprozess der Schüler einzuschätzen. Ebenso wurde eine Klassenarbeit über das Buch geschrieben, deren Aufgaben der rekonstruierenden, kommentierenden, analysierenden oder auch bewertenden Ebene angehörten. Die Lernerfolgskontrolle beinhaltete aber nicht nur den konkreten Lernstoff, der sich aus der Lektüre von „Happy“ ergeben hatte, sondern ich ließ die Schüler auch die Unterrichtsstruktur bewerten und ihr Wissen über den Lernprozess als solchen in ihre Überlegungen mit einfließen.119 Am Anfang des Trimesters hatten sie einen Lerntypentest120 durchgeführt, der ihnen erlaubte, sich als Lernende sowie ihre Stärken und Schwächen einzuschätzen. Während der Erarbeitung von „Happy“ sannen die Schüler in Fragebögen darüber nach, welchen Sinn weniger traditionelle Einstiege haben und inwiefern sie ihnen persönlich das Lernen erleichtert haben. Dadurch wollte ich gewährleisten, dass die von der Norm abweichenden Unterrichtseinstiege von den Schülern nicht zu 119 Siehe S. 56 dieser Arbeit. Siehe Anhang 2 S.124. Anmerkung: Der Lerntypentest wurde folgendem Werk entnommen: Arnold, Ellen: Jetzt versteh‘ ich das! Bessere Lernerfolge durch Förderung der verschiedenen Lerntypen. S. 14ff. Die Interviewfragen lehnen sich ebenfalls an die Ideen von E. Arnold an. 120 52 Unterhaltungsshows degradiert, sondern als Teil des den Lernprozess anvisierenden Unterrichts angesehen würden. Außerdem wollte ich auf diesem Wege erkennen, wie die von mir durchgeführten Einstiege auf Schüler wirken und welchen Zusammenhang sie zwischen diesen und den Lerntypen sehen. Dazu äußere ich mich im nun folgenden Kapitel. 4.4.4 Schülerfeedback Anmerkung: Die Fragebögen wurden anonym bearbeitet. An dieser Stelle wird eine Synthese der Antworten dargelegt. Die Fragebögen befinden sich in Form von Schülerbeispielen im Anhang. Das Standbild121. Das Konzept des Standbilds bereitete den Schülern keine Schwierigkeiten, obwohl es für sie das erste Mal war, dass sie damit in Kontakt kamen. Allerdings hatten einige wenige Lernende den Sinn des ersten Standbildes nicht wirklich erfasst. Sie hatten wohl verstanden, dass das Standbild Emilia und Felix darstellte, aber dass die problematische Gefühlslage der beiden damit ausgedrückt wurde, war ihnen nicht bewusst. Sie gaben z. B. an, dass das Standbild Felix zeigte, der an Emilias Tür klingelte. Dies wird am Anfang der ersten Szene dargelegt. Somit hatten diese Schüler das Standbild trotz der in der Klasse durchgeführten Interpretation zu oberflächlich gedeutet. Das Standbild weckte die Neugierde der Schüler. Es verwirrte sie aber auch, weil sie anfangs nicht wirklich verstanden, warum drei Schüler nach vorne kamen und wen bzw. was sie darstellten. Mit dieser Verwirrung hatte ich gerechnet, denn ich hatte die Schüler absichtlich kaum informiert, damit sie das Standbild und den Sinn desselben selber deuten und finden würden. Allerdings legten ein paar Schüler dar, dass sie sich langweilten, bis das Standbild fertig war. Die meisten gaben jedoch an, dass sie neugierig und gespannt waren, während das Standbild gebaut wurde. Die Lernenden gingen bei der Reflexion über das Standbild fast alle auf den Visualisierungsaspekt ein. Sie verwiesen darauf, dass das Standbild ihnen Emilia und Felix zeigen sollte, damit sie sich die beiden und ihre Situation bzw. Gefühle 121 Siehe Anhang 3. S. 127. 53 besser vorstellen könnten. Dies zeigt, dass die Schüler durchaus in der Lage sind, Unterrichtseinstiege mit den Lerntypen zu verbinden, auch wenn sie dies natürlich auf einer sehr allgemeinen Ebene tun. Nach alternativen Einstiegen gefragt, waren die Schüler größtenteils überfordert und ideenlos. Damit hatte ich gerechnet. Ich wollte trotzdem nicht auf die Frage verzichten, denn so konnte ich prüfen, ob meine Vermutung, dass es für Schüler schwer ist, über Unterrichtsplanung nachzusinnen, sich bestätigen würde. Einige Schüler gaben immerhin an, dass der Unterricht „theoretisch“ hätte beginnen können, ohne „kreative Aufgabe“, mit „Fragen des Lehrers“ oder einem „kleinen Test“. Mehr als die Hälfte der Schüler wünschte sich, dass Standbilder öfter Teil des Unterrichts sind. Als Begründung gaben die Lernenden Aspekte wie Spaß, Abwechslung, vor allem aber ein leichteres Verstehen des Lernstoffes an, gerade wenn es um literarische Figuren geht. Einige Schüler jedoch fanden, dass Standbilder zu schwierig seien. Man könne sie nicht immer eindeutig interpretieren oder es sei manchmal gar unmöglich, sie dem Lernstoff anzupassen. Zwei Schüler legten dar, dass es ihnen eigentlich gleichgültig sei, ob ein Standbild gebaut werde oder nicht, und dass die Lehrperson dies entscheiden solle. Was die aktiv am Standbild teilnehmenden Schüler betrifft, zeigt sich, dass sie fast alle sehr nervös waren, weil sie vor der Klasse agieren mussten. Dies ist ein Punkt, den man als Lehrer bedenken sollte. Eine Möglichkeit, um das Standbild nicht durch sich unwohl fühlende Schüler zu gefährden, wäre es, nur freiwillige Schüler auszuwählen. Allerdings könnte es dann sein, dass keine oder nicht genug bzw. immer dieselben Schüler sich melden. Hier muss jeder Lehrer für sich selber und klassenabhängig entscheiden, wie er vorgeht. Ebenso muss man als Lehrer geduldig und verständnisvoll sein, gerade wenn es sich um das erste Standbild handelt. Es fällt den Schülern nämlich schwer, nicht zu lachen, wenn sie einige Sekunden im Bild verharren und von den Mitschülern dabei beobachtet werden. Ebenso ist es für den Regisseur manchmal nicht einfach, spontan einen kreativen Einfall für sein Bild zu bekommen. 54 Ausgetauschte Lehrperson122 Die meisten Schüler waren nicht überrascht, als eine andere Lehrerin vor ihnen stand, da sie glaubten, diese würde mich ersetzen bzw. einfach nur die Klasse beaufsichtigen. Sie fühlten sich demnach nicht anders als in übrigen Unterrichtsstunden. Allerdings gaben ein paar Schüler an, dass sie den Zusammenhang zwischen dem Geschehen im Buch und dem im Klassenzimmer verstanden, als Frau Jacoby die Frage „Bin ich austauschbar?“ an die Tafel schrieb. Fast alle Schüler verknüpften den Unterrichtseinstieg mit Anettes Angst vor der Austauschbarkeit des Menschen und vor allem des Liebenden. Die meisten bewerten diesen Einstieg als sehr sinnvoll, weil sie dadurch zum Nachdenken gebracht wurden und sie Anettes Angst so besser nachvollziehen konnten. Einige wenige Schüler waren jedoch vor allem enttäuscht, da sie geglaubt hatten, der Unterricht falle aus, oder sie waren der Überzeugung, dass es auch gereicht hätte, einfach nur die Frage „Bin ich austauschbar?“ an die Tafel zu schreiben, um dann darüber zu diskutieren. Zwei Schüler hingegen sahen den Einstieg eher negativ, weil das Schüler-Lehrer Verhältnis ihrer Meinung nach zu weit entfernt von der Beziehung eines Liebespaares ist. Auffallend ist jedoch, dass fast alle Lernenden den Einstieg mit „Spaß“ verbinden. Ein paar von ihnen schlugen Varianten des Einstiegs vor. Man könne z. B. einen Mitschüler für ein paar Minuten austauschen, um dann darüber zu diskutieren, oder ein Ehepaar einladen, das die Szene von Anette und Boris vor der Klasse nachspielt. Nachgespieltes Experiment123 Es zeigt sich, dass die Mehrheit der Schüler das nachgespielte Experiment interessant und spannend fand. Lediglich zwei Schüler langweilten sich während des Experiments. Nach dem Sinn des nachgespielten Experiments gefragt, gingen die Lernenden darauf ein, dass es das Geschehen im Buch veranschaulichte und dass sie sich das Experiment der Paare dadurch besser vorstellen konnten. Hierzu trug auch bei, dass 122 123 Siehe Anhang 4. 129. Siehe Anhang 5. S. 131. 55 das Ergebnis in der Klasse ebenfalls manipuliert und der Schüler, der das Experiment durchgeführt hatte, getäuscht wurde. Ob eine solche nachgespielte Szene wirklich sinnvoll ist, darüber sind sich die Schüler uneinig. Viele von ihnen sehen das nachgespielte Experiment als sinnvoll an, da es ihnen half, sich das Geschehen im Buch besser vorzustellen. Spaß bereitete es den Zuschauern und den aktiv Teilnehmenden ebenfalls größtenteils. Allerdings langweilten einige Schüler sich während des Zuschauens. Ein paar gaben auch an, dass das Experiment ihrer Meinung nach nicht wirklich buchbezogen sei, da die Schüler, die das Experiment durchführten, sich und vor allem ihre Hände nicht so gut kannten wie die Paare im Buch. Auffallend und nachvollziehbar ist, dass die Schüler, die am Experiment teilgenommen hatten, es durchweg positiv bewerteten, wobei Spannung und Spaß die Hauptfaktoren für diese Sichtweise sind. Der Unterrichtseinstieg und die Lerntypen Die Schüler äußerten sich nicht nur zu den Einstiegen, die sie im Rahmen der Bearbeitung von „Happy“ erlebt hatten, sondern im Anschluss an die Sequenz sannen sie auch über den Unterrichtseinstieg als solchen und seine mögliche Verknüpfung mit den Lerntypen nach. Somit waren sie auf einer tieferen Ebene aktiv und beschränkten sich in ihren Überlegungen nicht nur auf die konkreten Unterrichtsstunden. Ihr Feedback bezieht sich zwar auf die Unterrichtseinstiege während des ganzen Schuljahres, aber da die weniger traditionellen Einstiege vor allem während der Lektüre von „Happy“ stattgefunden haben, stelle ich die Meinung der Schüler in diesem Kapitel dar. Auf dem ersten, nun als Übersicht dargestellten Fragebogen kreuzten die Schüler lediglich an, inwiefern sie der jeweiligen Aussage zustimmen. In den einzelnen Kästchen gebe ich an, wie viele der 24 Schüler ein Kreuz dort angebracht hatten. Ein Schülerbeispiel befindet sich im Anhang124. 124 Siehe Anhang 6. S.133. 56 ++ : trifft voll und ganz zu + : trifft zu +- : trifft etwas zu - : trifft kaum zu -- : trifft überhaupt nicht zu Die Unterrichtseinstiege im Deutschunterricht waren in diesem Schuljahr abwechslungsreich gestaltet. Auch in anderen Fächern beginnt der Unterricht abwechslungsreich. Die Unterrichtseinstiege im Deutschunterricht haben auf sinnvolle Art und Weise zum Thema geführt. Die Unterrichtseinstiege im Deutschunterricht haben mir das Verstehen und Lernen vereinfacht. Die Unterrichtseinstiege im Deutschunterricht haben mir gefallen, meine Neugier geweckt und mich motiviert. Es gab zu viele außergewöhnliche Unterrichtseinstiege im Deutschunterricht, so dass sie mich nicht mehr überzeugten. Wenn die ersten Minuten einer Unterrichtsstunde langweilig sind, arbeite ich nicht mit. Ich finde es gut, wenn Schüler gleich in den ersten Minuten des Unterrichts selber aktiv werden müssen. Ich finde es sinnvoll, wenn Unterrichtseinstiege die Schüler irritieren, denn so werden sie zum Denken angeregt. Die Unterrichtseinstiege im Deutschunterricht waren mir zu kompliziert. ++ + +- - -11 7 6 0 0 0 1 6 11 6 5 0 0 2 5 12 5 0 5 3 9 7 0 0 0 2 15 7 3 2 7 5 7 9 3 5 5 2 7 7 6 1 3 0 0 0 6 18 4 15 Da diese Angaben für sich sprechen und jegliche detaillierte Auswertung reine Wiederholung dessen wäre, was der Leser auch selber erkennen kann, lege ich nun lediglich eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse dar und kommentiere diese. 57 Es zeigt sich, dass die Unterrichtseinstiege im Deutschunterricht des Schuljahres 2009/2010 von den Schülern als abwechslungsreich bewertet werden, was ihrer Meinung nach für die anderen Unterrichtsfächer nicht zutrifft. Dies ist wohl dadurch zu erklären, dass nicht jeder Lehrer dem Unterrichtseinstieg eine große Bedeutung beimisst und dass Einstiege, die dem leichteren Lernen und Verstehen dienen, den Schülern oftmals nicht außergewöhnlich vorkommen, sodass sie sie vergessen. Nur was die Schüler überrascht hat, bleibt ihnen im Gedächtnis, was aber nicht heißt, dass sie nur dann etwas hinzulernen, wenn ihnen der Einstieg als abwechslungsreiche Unterrichtsphase in Erinnerung bleibt. Eine sinnvolle Verknüpfung mit dem thematischen Schwerpunkt der jeweiligen Unterrichtsstunde erkannten die Schüler auch größtenteils. Ebenso wird deutlich, dass die Einstiege den Schülern das Lernen und Verstehen vereinfacht haben, aber allerdings nur in einem gewissen Maße. Interessant ist die Erkenntnis, dass die Schüler die Einstiege allgemein positiv bewerten, doch dass ihre Motivation letzten Endes weniger davon abzuhängen scheint als man vielleicht angenommen hätte: Die Einstiege fielen ihnen nicht zu schwer und es waren auch nicht zu viele außergewöhnliche Einstiege. Die Lernenden sind im Allgemeinen auch der Meinung, dass Unterrichtseinstiege den Schüler aktiv werden lassen sollten und dass sie ihn zum Nachdenken anregen sollten. Trotzdem werden die Einstiege nur bedingt als wichtiger Motivationsfaktor angesehen. Fünf dieser Schüler sehen die Einstiege „voll und ganz“ als motivierend an. Ebenso lassen nur drei Schüler sich durch Einstiege „voll und ganz“ in ihrer Mitarbeit beeinflussen. Es scheinen also neben den Einstiegen andere Faktoren für das Arbeitsverhalten ausschlaggebend zu sein. Dass es sich hierbei möglicherweise gar um außerschulische, nicht vom Lehrer beeinflussbare Motive handelt, darauf gehe ich in den folgenden Kapiteln ein. An dieser Stelle soll einfach nur festgehalten werden, dass die Einstiege in den Unterrichtsstunden zu „Happy“ den Schülern zwar durchaus gefallen und ihnen auch beim Lernen geholfen haben, aber dass sie sich nur begrenzt auf die Motivation der Lernenden ausgewirkt haben. 58 Die Schüler haben sich auch noch in einer Reihe offener Fragen zu den Motivationsphasen des Schuljahres 2009/2010 geäußert. Auch hier befinden sich Schülerbeispiele im Anhang125. Es zeigt sich, dass besonders zwei Unterrichtseinstige den Schülern in Erinnerung geblieben sind: der Einstieg mit der ausgetauschten Lehrerin und der Einstieg, der die Sequenz zur Aufklärung126 eröffnet hatte. Der Grund hierfür war, dass die Einstiege sehr glaubhaft gewirkt und die Schüler zum Nachdenken und eventuellen Handeln angeregt wurden. Dies bedeutet jedoch nicht unbedingt auch, dass ein solcher Einstieg die Motivation und das Lernen positiv beeinflusst, denn oftmals geht es Schülern einfach nur darum, ‘Spaß‘ zu haben. Was die Vereinfachung des Lernprozesses betrifft, werden die Einstiege mit der ausgetauschten Lehrerin, das nachgespielte Experiment und der Einstieg zur Aufklärung als sinnvoll angesehen, wobei die Schüler auch fast alle der Meinung sind, dass Unterrichtseinstiege die verschiedenen Lerntypen ansprechen sollten. Allerdings sind sie sich bewusst, dass nicht jeder Einstieg alle Lerntypen in gleichem Maße anregen kann. Der Begriff ‘Lerntyp‘ war den Schülern vor der Besprechung im Deutschunterricht unbekannt, aber sie wussten schon davor, dass jeder seine individuellen Lernmethoden hat. Dies hatten sie durch Gespräche mit ihren Freunden oder Familienmitgliedern erkannt bzw. dadurch, dass sie bei der Prüfungsvorbereitung bemerkt hatten, dass sie sich den Lernstoff besser und dauerhafter merken können, wenn sie ihn beispielsweise visualisieren oder abschreiben. Sie haben sich demnach eher unbewusst – nämlich bei der ihnen eigenen Art der Prüfungsvorbereitung – mit den Lerntypen befasst und erkannt, dass sie auf bestimmten Wegen einfacher lernen können. So waren die Einstiege und der Lerntypentest für die Mehrheit der Lernenden interessant bzw. sinnvoll, da sie ihnen etwas über ihre Lernmethoden offenbarten oder sie darin bestätigten, was sie über sich und ihre stärksten Lernkanäle angenommen hatten. 125 126 Siehe ebd. Dieser Einstieg wird in dieser Arbeit auf S. 82 beschrieben und reflektiert. 59 4.4.5 Auswertung und Reflexion Als Lehrperson kann man den Erfolg des jeweiligen Unterrichtseinstiegs nur an dem messen, was nach außen sichtbar wird, d.h. der Mitarbeit der Schüler und auch dem Umgang der Lernenden mit den verschiedenen Unterrichtsinhalten. Somit könnte ich hier nun schlussfolgern, dass die Einstiege durchaus positiv zu bewerten sind, denn die Schüler haben motiviert mitgearbeitet, Interesse gezeigt und die Fragen bzw. Aufgabenstellungen größtenteils erfolgreich gelöst. Auch die ehemaligen ALLETSchüler haben sich intensiv an der Erarbeitung von „Happy“ beteiligt, wobei allerdings anzuzweifeln bleibt, ob diese Mitarbeit wirklich auf die Einstiege oder aber auf den Lernstoff zurückzuführen ist. Das Standbild jedenfalls scheint ein erfolgversprechender Einstieg zu sein: Es offenbart den Schülern eine neue und auch ungewohnte Herangehensweise an literarische Figuren und Handlungen, da sie diese abstrahiert von der (verbalen) Sprache darstellen und interpretieren: „Mit Standbildern lassen sich Gefühle, Stimmungen, soziale Erfahrungen und Haltungen körperlich-sinnlich (Gestik, Mimik, Körperhaltung) ausdrücken. Auch Beziehungen (z. B. Konflikte) können sehr gut verdeutlicht werden.“127 Somit wird hier vor allem der visuelle Lerntyp, aber auch der handelnde (körperliche) Lerntyp, wenn der jeweilige Schüler am Standbild teilnimmt, angesprochen. Der akustische Lerntyp (Wörter-Lerntyp oder verbal-sprachlicher Lerntyp) wird hier jedoch auf das sich dem Standbild anschließende Gespräch angewiesen sein.128 In die Erarbeitungsphase hat das Standbild beide Male auf direktem Wege geführt, sodass es also durchaus gerechtfertigt war, den Einstieg in Form eines solchen durchzuführen. Auch wenn es den Agierenden teilweise schwer gefallen ist, ihre Rollen anzunehmen und ernst zu bleiben, konnte das Standbild beide Male richtig gedeutet werden. Auch der Einstieg mit der ausgetauschten Lehrerin hat das Thema der Austauschbarkeit auf interessante, weil überraschende Art und Weise eröffnet. Es handelt sich hierbei um eine Provokation bzw. Verfremdung des Lernstoffs. Für beide 127 Vgl. Thömmes, Arthur: Produktive Unterrichtseinstiege. 100 motivierende Methoden für die Sekundarstufen. S. 104 128 Es soll hier noch einmal betont werden, dass die meisten Schüler sog. Mischtypen sind und dass man nicht davon ausgehen darf, dass ein akustischer Lerntyp mittels eines Standbildes überhaupt nicht lernen kann. 60 Methoden braucht man Mut und ein gewisses Feingefühl, da man seine Schüler absichtlich verwirrt und provoziert. Im Vorfeld muss man unbedingt abwägen, ob die Atmosphäre in der Klasse und vor allem die Schüler-Lehrer-Beziehung einen solchen Einstieg erlauben und ob er sich nicht negativ auf den Lernprozess auswirken wird. Man muss darauf achten, dass die Schüler im Nachhinein verstehen, warum sie provoziert wurden, nämlich nicht aus böser Absicht, sondern um sie in die Erarbeitungsphase zu geleiten und zwar so, dass sie aufgrund ihres Hinterfragens das Thema der Stunde selber erkennen. Wertvoll ist ein provozierender Einstieg, da er die Schüler zum kritischen Denken anregt. Greving und Paradies verwenden dem entsprechend für Methoden wie die Provokation den Oberbegriff „Denkanstöße“129, für die charakteristisch ist, dass sie „weitestgehend von Lehrerseite geplant und inszeniert“130 sind. Der Einstieg mit der ausgetauschten Lehrerin zielte nicht auf einen spezifischen der drei gängigen Lerntypen ab. Allerdings kann man hier davon ausgehen, dass der handelnde und vor allem der Ich-Lerntyp (intrapersoneller Lerntyp) sich den Lernstoff besonders gut merken kann, da er die Problematik der Austauschbarkeit selber erfahren und empfunden hat. Erfolgreich war der Einstieg, da er die Schüler zum Nachdenken und auch zur Mitarbeit angeregt hat. Ebenso hat er einen fließenden Übergang in die Erarbeitungsphase ermöglicht. Dasselbe trifft auf das Lied „Du erkennst mich nicht wieder“ und das nachgespielte Experiment zu. Ersteres dient vor allem den akustischen bzw. musikalischen Lerntypen, während das Letztere visuelle und auch handelnde (körperlich-bewegungsbezogene) Lerntypen anspricht, wenn der Schüler aktiv am Einstieg beteiligt war. Meine Bewertung der weniger traditionellen Unterrichtseinstiege bleibt allerdings vom Schülerfeedback nicht unbeeinflusst, sodass die eben bewerteten Einstiege nicht vorschnell als Garanten für Motivation und Lernen angesehen werden können, auch wenn dies angesichts dessen, was ich als Lehrperson in meinen Klassen beobachten konnte, sicherlich gerechtfertigt wäre. Das Schülerfeedback zeigt jedoch, dass den Schülern die ersten Minuten des Unterrichts weit weniger wichtig sind als ich das erwartet hatte. Es wird deutlich, dass sie auch ohne einen interessanten und anregenden Einstieg zur Mitarbeit bereit sind und dass Einstiege wie das Standbild, 129 130 Greving, Johannes und Liane Paradies: Unterrichts-Einstiege. Ein Studien- und Praxisbuch. S. 37 Ebd. 61 die ausgetauschte Lehrerin oder das nachgespielte Experiment ihnen zwar Freude bereiten und teilweise auch das Lernen erleichtern, aber dass der Lernprozess im Großen und Ganzen auch ohne diese Einstiege möglich ist. Diesen Eindruck haben jedenfalls die Schüler. Sie begründen ihre Motivation scheinbar auf anderen Aspekten als auf den Unterrichtseinstiegen. Als Lehrperson denke ich trotz dieser unerwarteten Ergebnisse nach wie vor, dass überraschende und provokative Einstiege – in Maßen! – sich günstig auf den Lernprozess und vor allem auf die Lernerpersönlichkeit auswirken. Der Lernende wird dadurch zum (kritischen) Denken angeregt und er kann den Lernstoff mittels verschiedener Sinneskanäle wahrnehmen. Gerade das Erstere scheint auch den Schülern wichtig zu sein. Es gilt allerdings trotzdem, provokative Einstiege nur in Maßen durchzuführen, denn sonst stumpfen die Lernenden ab und der Einstieg verliert seine Wirkungen. Die traditionellen Unterrichtseinstiege wie z. B. die Verbesserung einer Hausaufgabe mittels eines Schülervortrags oder die Besprechung einer Textstelle sind demnach nicht gänzlich zu verwerfen, sofern sich traditionelle und für Schüler eher ungewohnte Einstiege abwechseln. Dass man durch abwechslungsreich gestaltete Unterrichtseinstiege auch jeweils unterschiedliche Lerntypen anspricht, ist ein positiver Nebeneffekt: Wenn man beispielsweise darauf achtet, den Unterricht nicht immer mit Bildern einzuleiten, sondern auch mit Textarbeit, Musik, Diskussionsrunden usw., vermeidet man es, den visuellen Lerntypen zu einseitig ins Zentrum zu stellen. Somit ergibt sich bei abwechselnd gestalteten Unterrichtseinstiegen die Anregung der verschiedenen Sinneskanäle geradezu von selbst. Es ist überdies sinnvoll, wenn nicht nur der Lehrer die Lerntypen kennt: Die Beschäftigung mit den Lerntypen hat den Schülern der 4e geholfen, ihre Stärken das Lernen betreffend zu erkennen und sich auch Gedanken über die Bedeutung der ersten Unterrichtsminuten zu machen. Auf dieser Klassenstufe kann man Schülern durchaus zumuten, sich mit der Unterrichtsplanung zu beschäftigen und über Einstiege nachzusinnen. So wird ihnen die Komplexität des Lernens bewusst und sie realisieren, dass der Lernstoff auf unterschiedliche Art und Weise präsentiert und verarbeitet werden kann, um den Lernprozess individuell zu begünstigen. 62 4.5 Weitere Unterrichtseinstiege für Ganzschriften Auch wenn die im Rahmen der Lektüre von „Happy“ organisierten Unterrichtseinstiege das Zentrum der vorliegenden Arbeit darstellen, soll hier kurz dargelegt werden, dass alle Ganzschriften es erlauben, von traditionellen Einstiegen wie der gemeinsamen Lektüre einiger Seiten, der Hausaufgabenverbesserung oder auch der Textstellenanalyse abzuweichen. Allerdings sollten diese – und das zeigt ja auch die oben vorgestellte Sequenz zu „Happy“ – nicht gänzlich beiseite gelassen werden, da sie durchaus auf sinnvolle Art und Weise in die erste Erarbeitungsphase führen und dem Lernprozess dienen können. Aufgrund der Vielzahl von Einstiegen, die ich schon im Rahmen der Lektüre von Ganzschriften durchgeführt habe, gehe ich im Folgenden nur allgemein auf einige mögliche Vorgehensweisen ein. Im Schuljahr 2009/2010 unterrichtete ich eine 11TG im Lycée Classique Echternach. Es handelte sich demnach um Schüler, die sich für die Naturwissenschaften und vor allem für Mathematik interessieren. Dies ermöglichte es mir, im Rahmen der Lektüre der „Schachnovelle“ von Stefan Zweig einen sehr schülerorientierten Einstieg durchzuführen: Ich forderte die Schüler dazu auf, darzulegen, wie sie vorgehen, wenn sie sich Sachverhalte auf abstrakt-mathematischer Ebene vorstellen sollen. Es entstand ein interessantes Unterrichtsgespräch, das deutlich machte, dass die Schüler ganz verschiedene Methoden haben, um ihre Fähigkeit zum mathematischen Denken anzuregen. Diese lassen sich auch wieder mit den Lerntypen vereinbaren, denn es gab z. B. einige Schüler, die den betreffenden Sachverhalt bildlich bzw. schematisch festhalten müssen, um ihn zu erarbeiten und zu verstehen. Anderen wiederum gelingt es, den Lernstoff rein mit Hilfe ihrer Vorstellungskraft zu visualisieren. Dieses Gespräch, das sich auf den Alltag der Schüler bezog, diente als Ausgangspunkt, um zu analysieren und zu kommentieren, wie der Protagonist aus der „Schachnovelle“ das Schachspiel zuerst mittels einer konkreten Veranschaulichung, nämlich Brotkrümeln als Figuren und einer Decke als Schachbrett, durchführt und wie er dann später mit nur seinem Gedächtnis die schwierigsten Schachpartien gegen sich selber spielt. Es stellte sich heraus, dass die 63 Schüler einer 11TG diesen Vorgang sehr faszinierend finden, da sie sich selber mit abstraktem, mathematisch-logischem Denken auskennen. Ein Unterrichtsgespräch ermöglicht es den Schülern, sich stärker mit dem Thema des Buches zu identifizieren. So verlief beispielsweise auch ein Gespräch über die Erfahrungen der Schüler mit behinderten Menschen sehr erfolgreich und eröffnete eine Unterrichtsstunde zu „Drachenflügel“ von Renate Welsh (7ST Schuljahr 2008/2009). Hier werden die verbal-sprachlichen und die intrapersonellen Lerntypen angesprochen, da die Lernenden ihren Mitschülern eigene Erfahrungen aus dem Privatleben mitteilten und dafür über dieses nachsinnen müssen. Ebenso kann bei Gesprächsrunden der interpersonelle Lerntyp angeregt werden, da die Kommunikation mit anderen, die Fähigkeit zur Empathie und eventuell die Rolle des Gesprächsleiters dessen Bereich angehören. Auch ein kurzes Rollenspiel als Einstieg diente in dieser Sequenz einmal dazu, die Situation der Protagonistin, die einen schwer behinderten Bruder hat, zu veranschaulichen, um sie dann eingehender zu analysieren. Rollenspiele sind besonders sinnvoll für visuelle Lerntypen oder körperlich-bewegungsbezogene Lerntypen, aber auch für interpersonelle Lerntypen, die sich gut in andere hineinversetzen können. Ebenso wird der intrapersonelle Lerntyp angeregt, da der Schüler die Sichtweise, Handlungen und Empfindungen selber erlebt. Eine Möglichkeit, eine Unterrichtsstunde zu einer Ganzschrift auf dem cycle inférieur einzuführen, stellt das Anfertigen eines Bildes dar. Dieses spricht den visuellen bzw. visuell-räumlichen und den handelnden Lerntypen an. Als ich im Schuljahr 2007/2008 mit einer 8TE die Ganzschrift „Ein viel zu schönes Mädchen“ von Ron Koertge erarbeitete, malten die Schüler in der Unterrichtsstunde über die beiden Protagonisten zuerst die perfekt aussehende Margaux und dann den sein Aussehen vollkommen vernachlässigenden Danny, um den daraufhin folgenden Vergleich der beiden vorab zu veranschaulichen: Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Das Zeichnen der Protagonisten bereitet Schüler im Allgemeinen Freude. Ebenso zeichnete die 7ST, die ich im Schuljahr 2008/2009 unterrichtete, das Bootcamp aus „Löcher“ von Louis Sachar und die 8eTE malte im Schuljahr 2009/2010 das „Haus der Treppen“ aus dem gleichnamigen Roman von William Sleator. Sinnvoll ist es auch, die Schüler vor der Lektüre auf das Cover einer Ganzschrift aufmerksam zu 64 machen und sie dieses beschreiben und kommentieren zu lassen. Dies bietet sich besonders dann an, wenn die Schüler das Verfahren der Bildbeschreibung schon kennen und daran anknüpfen können. Zu einem späteren Zeitpunkt können sie ihre Überlegungen im Hinblick auf den Inhalt ergänzen. Diesen Arbeitsauftrag erteilte ich beispielsweise den Schülern einer 6e im Rahmen der Lektüre von Mats Wahls „Der Unsichtbare“. Diese Aufgabe gehört dem Kompetenzbereich des handelnden und des visuellen Lerntypen an, da ein Bild zum Ausgangspunkt für selbstständig geführte und festgehaltene Überlegungen wird. Werden die Bildbeschreibungen verschriftlicht, wird der sprachlich-verbale Lerntyp angesprochen, während bei dem mündlichen Vortrag der Bildbeschreibung überdies der akustische Lerntyp angeregt wird. Man kann eine Unterrichtsstunde – und damit ist natürlich nicht nur die zu einer Ganzschrift gemeint – auch mit der Besprechung einer Hausaufgabe oder der Durchführung eines kurzen Lektüretests eröffnen, wobei der eigentlich für Schüler unerwartete Einstieg darin besteht, dass sie die Lösungen bekommen und dann die Darlegungen ihres Banknachbarn mit rotem Stift verbessern und kommentieren sollen. Einen solchen Einstieg hatte ich z. B. im Rahmen der Lektüre von „Ein viel zu schönes Mädchen“ organisiert. Er spricht handelnde und intrapersonelle Lerntypen an, da die Schüler selber aktiv werden und Erfahrungen machen. Auch der interpersonelle Lerntyp wird angeregt, da die Schüler mit anderen Lernenden in Kontakt sind und ihnen Rückmeldung zu der erbrachten Leistung geben. Da das Ganze mittels der Sprache stattfindet (und bei der Verbesserung einer Grammatikübung sogar über die Sprache als Lerninhalt), wird auch der sprachlichverbale Lerntyp berücksichtigt. Ebenfalls sinnvoll – besonders für handelnde Lerntypen – kann eine kreative Schreibaufgabe als Einführung in ein Thema sein. Als ich im Schuljahr 2007/ 2008 sowie im Schuljahr 2009/2010 „Bahnwärter Thiel“ von Gerhart Hauptmann mit einer 4e erarbeitete, erteilte ich den Schülern zur Eröffnung der Unterrichtsstunde über die Rolle der Natur in diesem Buch den Arbeitsauftrag, einen Streit bzw. eine Versöhnung dadurch darzustellen, dass sie Geschehnisse in der Natur beschreiben. 65 Als Einstieg in die allererste Unterrichtsstunde zu einer Ganzschrift kann es sehr anregend sein, die Schüler den Titel kommentieren zu lassen, indem sie auf ihre Erwartungen aufgrund desselben eingehen. Wenn sie diese schriftlich festhalten, kann man die die Sequenz abschlieβende Unterrichtsstunde damit eröffnen, dass die Schüler sich ihre ursprünglichen Erwartungen noch einmal anschauen und dann Stellung dazu nehmen. Diesen Einstieg wählte ich z.B. für die Erarbeitung von Patrick Süskinds „Die Taube“ (5e, Schuljahr 2009/ 2010) und die Besprechung von Judith Kerrs „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ (8TE, Schuljahr 2009/2010) aus. Hier werden die Kompetenzen des handelnden Lerntyps angeregt, da die Schüler sich eigenständig mit dem Titel und ihren persönlichen Erwartungen auseinandersetzen. Der sprachlich-verbale Lerntyp wird durch das Mitteilen bzw. das schriftliche Festhalten der Deutung und Erwartung angesprochen. Auch der intrapersonelle Lerntyp wird berücksichtigt, da der Schüler über sich und seine Haltung nachsinnt. 66 Zusammenfassung Die folgende Tabelle beinhaltet einen allgemeinen Überblick über die Verknüpfung der hier dargelegten Einstiege mit den drei Hauptlerntypen bzw. spezifischen Lerntypen: Einstieg Lerntypen Unterrichtsgespräch, Allgemein: handelnder Lerntyp, akustischer Lerntyp, evtl. visueller Lerntyp persönliche Erfahrungen Spezifisch: sprachlich-verbaler Lerntyp, interpersoneller Lerntyp, intrapersoneller Lerntyp Rollenspiel Allgemein: handelnder Lerntyp, evtl. akustischer Lerntyp, visueller Lerntyp Spezifisch: körperlich-bewegungsbezogener Lerntyp, interpersoneller Lerntyp, intrapersoneller Lerntyp Anfertigen oder Beschreiben Allgemein: handelnder Lerntyp, visueller Lerntyp, evtl akustsicher eines Bildes bzw. eines Lerntyp Geschehens Spezifisch: visuell-räumlicher Lerntyp, sprachlich-verbaler Lerntyp Gegenseitiges Verbessern Allgemein: handelnder Lerntyp, visueller Lerntyp, evtl. akustischer Lerntyp Spezifisch: intrapersoneller Lerntyp, interpersoneller Lerntyp, sprachlich-verbaler Lerntyp Interpretation des Buchtitels Allgemein: handelnder Lerntyp Spezifisch: sprachlich-verbaler Lerntyp, intrapersoneller Lerntyp 67 68 5. Einzelfallstudie In der Folge wird der Wirkungsbereich von Unterrichtseinstiegen von der Ganzschrift losgelöst und auf den Deutschunterricht als solchen erweitert. Es stellt sich die Frage, ob Unterrichtseinstiege in allen Klassen und in allen Arbeitsbereichen von Schülern als so nebensächlich gesehen werden wie von der 4e, mit der ich „Happy“ erarbeitet habe. Wie wichtig und fruchtbar sind Einstiege für das Interesse und den Lernprozess der Schüler wirklich und vor allem auf Dauer, also nicht nur gebunden an die Lektüre einer Ganzschrift? Können sie die verschiedenen Lerntypen durchgehend ansprechen und so jedem Schüler das Lernen erleichtern? Zur Beantwortung dieser Frage dient in einem ersten Schritt eine Einzelfallstudie, die sich mit der Motivation eines Schülers während zwei Trimestern befasst und die darlegt, inwiefern die Unterrichtseinstiege die Motivation beeinflusst oder eben auch nicht beeinflusst haben. 5.1 Unterrichtsvoraussetzungen Die Einzelfallstudie fand auf einer 7ST des Lycée Classique Diekirch im Schuljahr 2010/2011 statt. Es handelt sich allgemein gesehen um eine eher lernschwache Klasse von 24 Schülern, zwölf Jungen und zwölf Mädchen. Etwa fünf von ihnen sind geradezu schon übermotiviert, während ca. sieben Schüler eher unmotiviert bzw. gleichgültig wirken. Die restlichen Lernenden sind sehr wechselhaft in ihrem Motivationsgrad. An dem Projekt beteiligten sich acht Schüler, von denen drei sehr motiviert und engagiert sind. Zwei sind nur teilweise motiviert und die anderen drei verhalten sich während des Unterrichts still, arbeiten kaum mit und weisen auch gewisse sprachliche Schwächen auf. 5.2 Beschreibung und methodische Analyse Die Schüler der 7e beschäftigten sich im ersten Trimester mit ihrer Motivation, indem sie einige Male einen Fragebogen zur Motivation und dem Einstieg in Bezug auf eine bestimmte Unterrichtsstunde bewerteten131. Dies führte nicht nur dazu, dass sie sich schon mit dem Begriff und dem Phänomen der Motivation auseinandergesetzt 131 Anmerkung: Schülerbeispiele für diese Art Fragebogen befinden sich in Anhang 11-15 (ab S. 145). 69 hatten, sondern vermittelte mir ein Bild der Motivation, gebunden an einen bestimmten Unterrichtseinstieg. Die Schüler, die interessiert waren, konnten sich dann für die Einzelfallstudie melden. Ich sprach auch Schüler darauf an und lud sie zum Mitmachen ein. Allerdings wollte ich nicht nur einen einzigen Schüler für das Projekt befragen, da dieser sich dadurch eventuell auf negative Weise von anderen abgegrenzt hätte fühlen können und da ich keinem Schüler die Beteiligung verbieten wollte, was meinem Ziel – Schüler motivieren – radikal widersprochen hätte. Im zweiten Trimester stellte ich den Schülern das Projekt der Einzelfallstudie vor: Sie sollten sich in den kommenden Wochen sechs Unterrichtseinstiege aussuchen, die sie auf einem eigens dafür angefertigten Fragebogen beschreiben und kommentieren sollten.132 Darauf folgte ein Fazit, das die Schüler selber darlegen sollten. Sie durften sich einen fiktiven Namen geben, um ihre Anonymität zu bewahren. Über die Lerntypen wurden die Schüler nicht befragt, da dies für 7eST- Schüler zu komplex ist, wie die Erfahrung zeigt. Allerdings hatten sie im ersten Trimester einen Lerntypentest133 gemacht und in der Klasse besprochen, um sich über die möglichen Stärken und Schwächen eines Lernenden zu informieren. Die Unterrichtsgestaltung zu durchschauen und den jeweiligen Einstieg in Verbindung mit den Lerntypen didaktisch zu begründen und zu bewerten, hätte die Schüler m. E. überfordert. So zielte der Fragebogen vor allem auf die Wirkung des Einstiegs auf die Motivation sowie weitere Gründe für eine motivierte Arbeitshaltung ab. 5.3. Schülerfeedback Die Schülerin, deren Sichtweise in der Folge dargestellt wird 134, beteiligt sich in der Regel sehr aktiv am Unterricht, ist aber trotzdem in manchen Unterrichtsstunden eher zurückhaltend. Ihre Noten variieren zwischen durchschnittlich und gut. Vor dem Beginn der eigentlichen Analyse setzte sie sich, wie die anderen Teilnehmer auch, 132 Siehe Anhang 7. S. 136. Siehe Anhang 8. S. 140.. 134 Anmerkung : Ich bin gerne bereit, den Jurymitgliedern die Ergebnisse der anderen Schüler, die sich an der Einzelfallstudie beteiligt haben, mündlich vorzustellen. 133 70 mit dem Begriff 'Motivation' auseinander: Dieser bedeutet für sie, dass sie Freude und Lust auf etwas verspürt. Auf die Frage, ob sie sich als motivierte Schülerin ansehen würde, hat sie geantwortet, dass sie oftmals motiviert ist, weil sie nur selten müde ist. So wird deutlich, dass sie ihre Motivation mit ihrem körperlichen Zustand verknüpft. Ebenso legt sie dar, dass sie oft nicht motiviert ist, weil sie einfach keine Lust auf die Schule hat, eine Aussage, die nicht unbedingt mit ihrem Verhalten während des Unterrichts übereinstimmt. Die sechs Unterrichtseinstiege, die die Schülerin ausgewählt hat, beziehen sich auf verschiedene Bereiche des Deutschunterrichts: Drei Unterrichtsstunden befassten sich mit dem freien Schreiben. Hier wird deutlich, dass sie sich bei der Beschreibung des ersten Unterrichtseinstiegs nicht auf die eigentlichen ersten Minuten des Unterrichts bezieht, sondern darauf, dass die Klasse anfangs etwas unruhig war und dass erst gearbeitet wurde, nachdem die notwendige Ruhe herrschte. Die Schülerin war an diesem Tag jedoch motiviert, da eine kurze Geschichte aus dem Arbeitsheft vorgelesen wurde135. Die zweite analysierte Unterrichtsstunde fand am nächsten Tag statt und beinhaltete als Einstieg den Vortrag zweier Schüler, die ihre Geschichten – thematisch angelehnt an einen Arbeitsauftrag aus dem Arbeitsheft136 – vorlasen. Auch hier war die Schülerin nach eigener Aussage motiviert, da es ihr Freude bereitet, anderen zuzuhören. Sie hatte auch bei der Besprechung des Lerntypentests oftmals Lernwege befürwortet, die dem akustischen Lerntyp zuzuordnen sind, z.B. das laute Vorlesen des Lernstoffs. Die dritte untersuchte Unterrichtsstunde beschäftigte sich mit den Kriterien, die bei der schriftlichen Schilderung eines persönlichen Erlebnisses berücksichtigt werden sollen. Es war demnach eine eher theoretische Unterrichtsstunde, für die die bisherigen Schreibaufgaben als Basis dienten. Hier war die Schülerin in ihrer Motivation hin- und hergerissen, da ihr langweilig war. 135 136 deutsch.punkt 2. Arbeitsheft. S. 20: Erzählmöglichkeiten nutzen. Ebd. S. 21: Anschaulich und spannend erzählen. 71 Die nächste Unterrichtsstunde, mit der die Lernende sich auseinandersetzte, fand einen Monat später statt. Der Einstieg bestand aus der Wiederholung der Wortarten. Die Schülerin bezeichnet sich als unmotiviert und begründet dies damit, dass sie krank sei. Auch in der Unterrichtsstunde zwei Tage später, die mit dem Unterstreichen von Verben in einem Text begann, sieht sie sich teilweise als unmotiviert an, da sie am Tag vorher gefehlt habe und so dem Unterricht „nicht richtig“ folgen könne. Der letzte von der Schülerin bewerte Unterrichtseinstieg fand in der ersten Unterrichtsstunde zu der Lektüre von Christian Bienieks „Svenja hat’s erwischt“ statt. Ich hatte den Schülern den Auftrag gegeben, bis Seite 14 zu lesen. Meine auf das Buchcover und den Inhalt abzielenden Fragen am Anfang beantwortete die Mehrheit der Schüler geradezu übermotiviert und auch die betreffende Schülerin gab an, sie sei motiviert gewesen, weil sie etwas zu lesen hatte. Tatsächlich fällt auch auf, dass diese Schülerin sehr gerne vorliest und dabei auch schon regelrecht schauspielert, sodass ihre Vortragsweise immer sehr lebendig ist. Zum Abschluss der Einzelfallstudie beantwortete die Schülerin die Frage nach dem Grad ihrer Motivation in der ersten Hälfte des zweiten Trimesters. Sie kommt zu dem Schluss, dass ihre Motivation sich im Laufe des Trimesters allgemein gesehen verstärkt hat, aber trotzdem abwechselnd hoch und niedrig war. Dies begründet sie damit, dass der Unterricht „witziger“ wurde, eine Aussage, die sie nicht näher erklärt, die sich jedoch wahrscheinlich darauf bezieht, dass „Svenja hat’s erwischt“ aufgrund seines teilweise skurrilen Inhalts ein Buch ist, das die Lerngruppe oft zum Lachen bringt. Sie legt jedoch auch dar, dass ihre Motivation aufgrund ihres Privatlebens und ihrer Laune Schwankungen ausgesetzt sei. Auf die Unterrichtseinstiege geht sie bei der Begründung für ihren Motivationsgrad trotz meiner Erklärungen und Hinweise im Vorfeld der Analyse nicht ein, sodass sie diesen wohl nicht wirklich als wichtig erachtet. Demnach ist es auch nicht möglich, einen Zusammenhang zwischen den Einstiegen, den angesprochenen Lerntypen und der Motivation herzustellen. 72 In diesem Sinn gibt sie bei dem die Studie abschließenden Fragebogen auch an, dass sie im Deutschunterricht nicht immer motiviert ist, sondern dass ihre Motivation von ihrer Laune und der der Lehrerin abhängt. Ebenso spielt ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden eine Rolle für ihre Motivation. Sie kann auch motiviert sein, ohne dass das Thema sie interessiert. Allerdings muss sie es verstehen können, sonst ist sie unmotiviert. Die ersten Minuten müssen jedoch nicht unbedingt spannend sein, aber sie sollten ihr helfen, das Thema besser zu verstehen. Sie sollten sie überdies zum Nachdenken anregen. Auch die anderen Fächer, ihr Privatleben, ihre Noten und die lobenden oder tadelnden Worte des Lehrers beeinflussen ihre Motivation.137 5.4 Auswertung und Reflexion Es fällt, wie schon erwähnt, auf, dass diese Schülerin ihre Motivation kaum mit dem Unterrichtseinstieg in Zusammenhang setzt. Zwar ist es ihr wichtig, dass die ersten Unterrichtsminuten ihr helfen, das Thema zu verstehen und ihr Denken anregen, aber besonders spannend müssen sie nicht sein, damit sie motiviert ist. Viel wichtiger scheinen ihr, dies zeigt ihre Analyse der einzelnen Unterrichtsstunden, dass sie sich wohl fühlt, den Lernstoff versteht und die Unterrichtsstunden ihr dadurch, dass sie mit der Lektüre eines Textes bzw. einer Ganzschrift oder auch einem Schülervortrag beginnen, Freude bereiten. Auf die Bedeutung ihrer Laune ist sie ebenfalls eingegangen und es scheint, zumindest laut dem, was die Schülerin dargelegt hat, dass der Unterrichtseinstieg damit nur eine nebensächliche Rolle für die Lernermotivation spielt. Die Auswertungen der Analysen der anderen Teilnehmer lassen übrigens dasselbe vermuten: Wenn der Lernende oder auch die Lehrerin nicht gut gelaunt sind, eine Erkrankung ihn belastet oder eine Unterrichtsstunde durch irgendein besonderes Ereignis im Privatleben oder Schülerdasein getrübt wird, ist er unmotiviert. So hatte eine Schülerin morgens an der Bushaltestelle ein unangenehmes Erlebnis mit einer Frau, die ihr gedroht hatte. Sie fragte mich um Rat, sodass ich über das Geschehen informiert war und ihre Begründung, an dem Tag durch das Verhalten dieser Frau unmotiviert gewesen zu sein, nachvollziehen konnte. Ebenso fehlte in der Deutschstunde nach der Mittagspause plötzlich eine 137 Der komplette Fragebogen zur Einzelfallstudie dieser Schülerin befindet sich, wie schon erwähnt, in Anhang 7 S. 136. 73 Schülerin, die sich zwar im Sekretariat abgemeldet hatte, aber ihre Mitschüler nicht informiert hatte. Auch hier machte sich dieselbe Schülerin Sorgen und begründete ihre fehlende Motivation damit. Hier sieht man deutlich, dass Schüler oft mit anderen Ereignissen beschäftigt sind, sodass der Unterrichtseinstieg sie nicht erreichen und schon gar nicht motivieren kann. Zwar gaben die Schüler oftmals an, dass die ersten Minuten ihnen gefallen hätten, aber sobald sie die Frage nach der Motivation verneinten, war der Grund in den meisten Fällen einer, der nichts mit dem Thema bzw. dem Einstieg zu tun hatte. Dass die Schüler einer 7e nicht in der Lage sind, den Unterrichtseinstieg aus einer pädagogisch und im Sinne der Motivationsforschung und dem Lernprozess tiefgründigen Perspektive zu beurteilen, ist zu erwarten. Trotzdem wollte ich die Einzelfallstudie nicht in meiner 4e durchführen, da ich schon im Schuljahr davor sehr intensiv mit 4e Schülern für mein Projekt gearbeitet und überdies erkannt hatte, dass es auch für sie schwierig ist, Einstiege zu bewerten. So wollte hier ich einen Blick auf das Denken der noch sehr jungen Jugendlichen werfen, die überdies oftmals intuitiver und 'unverfälschter' antworten als ältere Jugendliche. Außerdem sind gerade Schüler der Unterstufe oftmals unmotiviert, was das Lernen betrifft, da sie sich noch am Anfang der Pubertät befinden und vieles in ihrem Privatleben sie beschäftigt. Außerdem fehlt ihnen oftmals noch das Ziel vor Augen, was das Lernen betrifft, denn das Berufsleben ist noch in weiter Ferne und der Berufswunsch oftmals noch gar nicht definiert. Die Ergebnisse sind demnach gerade durch die noch recht kindliche Perspektive durchaus fruchtbar und zeigen, dass der Einstieg Schüler zwar in einem bestimmten Moment durchaus anregen und motivieren kann, dass aber andere und oftmals außerschulische Faktoren mehr Einfluss auf die Lernermotivation haben als die ersten Unterrichtsminuten. 74 6. Erste Textbegegnung bei literarischen Texten 6.1. Unterrichtsvoraussetzungen Zu der ersten Textbegegnung bei literarischen Texten wurde im Schuljahr 2009/2010 eine 5e befragt. Es handelte sich von den sprachlichen Fähigkeiten um eine durchschnittliche Klasse mit ein paar sehr starken Schülern. Die Schüler waren allgemein gesehen sehr motiviert und arbeiteten konstant und bemüht mit. Auch bei der ersten Lektüre eines Textes meldeten sich immer viele Schüler freiwillig, um ihn der Klasse vorzutragen. 6.2 Beschreibung und methodische Analyse Als Lehrperson muss man sich bei der Unterrichtsgestaltung immer auch mit der Frage der ersten Textbegegnung auseinandersetzen. Normalerweise passt man die Art der ersten Lektüre dem Schwierigkeitsgrad des Textes, aber auch dem Sprachniveau der Klasse an, sodass man z.B. bei eher schwächeren Schülern die erste Lektüre oftmals selber übernimmt, um den Schülern die Aussprache und Betonung zu zeigen. Im Idealfall orientieren sie sich daran. Allerdings denkt man als Lehrer kaum darüber nach, wie die Schüler zu der ersten Textbegegnung stehen. Auch diese stellt einen Einstieg dar, da sie meistens während der ersten Minuten des Unterrichts stattfindet und so die Motivation der Schüler durchaus steuern kann. So kann eine spannende und lebendige Vortragsweise das Interesse günstig beeinflussen. Aus diesem Grund befragte ich eine 5e zu der ersten Textbegegnung. In dieser Klasse wurden bis fast zum Ende des dritten Trimesters Texte während der ersten Lektüre auf verschiedene Art und Weise vorgetragen: Mal trug ich den Text vor, mal ein bzw. mehrere Schüler, mal hatten die Schüler den Text vor Augen, während ich vorlas, mal war dies nicht der Fall. Ebenso wurde der Text manchmal für die erste Lektüre nicht laut vorgetragen, sondern von den Schülern in einer Stillarbeit gelesen, teilweise auch gebunden an einen Arbeitsauftrag. Ich stellte also abwechselnd jeweils einen oder zwei Lerntypen in den Vordergrund, den akustischen, wenn ich einfach nur vorlas, zusätzlich auch noch den visuellen, wenn ich den Text austeilte oder den handelnden, wenn die Schüler den Text alleine lasen oder wenn verschiedene Schüler ihn laut vortrugen. 75 Meine Forschung bezog sich bewusst auf „banale“ Textbegegnungen und nicht auf außergewöhnliche wie z. B. den Text für die erste Lektüre in Form eines Puzzles auszuteilen. Ich wollte ein Feedback zu dem erhalten, was im Unterricht alltäglich ist, also zum Vortrag eines neuen Textes. Es handelte sich bei den Texten immer um Prosatexte, da ich bei der Besprechung eines Gedichts immer die erste Lektüre übernehme, unabhängig von der Klassenstufe. 6.3 Schülerfeedback Gegen Ende des Trimesters teilte ich den Schülern einen Fragebogen138 aus, in dem sie sich zu den ersten Textbegegnungen äußerten. Sie wussten vorher nicht, dass ich verschiedene Arten der Textbegegnung ausprobiert hatte, sondern dachten unbeeinflusst über den Deutschunterricht des vergangenen Schuljahrs und die erste Textbegegnung als solche nach. Das Ergebnis der Befragung wird in der folgenden Tabelle deutlich: ++ : trifft voll und ganz zu + : trifft zu +- : trifft etwas zu - : trifft kaum zu -- : trifft überhaupt nicht zu Englisch- und Französischunterricht ++ + +- - -- Methode 1: Wenn wir einen neuen Text bearbeiten, liest der Lehrer/ 2 8 13 1 0 0 5 13 5 1 0 3 6 14 1 8 7 7 2 0 die Lehrerin ihn immer zuerst einmal ganz vor. Methode 2: Wenn wir einen neuen Text bearbeiten, liest zuerst ein Schüler (oder auch mehrere Schüler) ihn vor. Methode 3: Wenn wir einen neuen Text bearbeiten, liest zuerst jeder Schüler ihn für sich alleine durch. Methode 1 gefällt mir. 138 Siehe Anhang 9. S. 142. 76 Methode 2 gefällt mir. 2 4 12 5 1 Methode 3 gefällt mir. 1 4 10 4 5 Den Text, den der Lehrer/ die Lehrerin vorliest, haben wir während 6 11 4 2 1 2 4 6 7 5 6 4 6 4 4 Wenn wir den Text vor uns liegen haben, lese ich ihn mit. 8 7 7 2 0 Deutschunterricht / / / / / Die Lehrerin liest einen neuen Text zuerst selber vor. 5 11 8 0 0 Wir haben das Textblatt vor Augen liegen, während die Lehrerin 5 4 12 1 2 7 10 1 5 1 2 2 6 11 3 der Lektüre vor uns liegen, um mitzulesen. Wenn wir keinen Text vor uns liegen haben, fällt es mir schwer, zuzuhören. Die erste Textbegegnung ist spannender, wenn wir keinen Text vor uns liegen haben. vorliest. Ich kann mich besser auf den Inhalt konzentrieren, wenn ich den Text mitlesen kann. Ich interessiere mich eher für einen neuen Text, wenn die Lehrerin ihn zuerst vorliest, ohne dass ich mitlesen kann. Auch die drei offenen Fragen, die die Schüler beantwortet haben, weisen deutlich darauf hin, dass sie es bevorzugen, wenn der Lehrer den Text während der ersten Textbegegnung vorträgt. Hier spielen ganz verschiedene Gründe eine Rolle, z. B. die Vortragsweise des Lehrers oder auch das Bequeme am Zuhören. Dass fast alle Schüler es bevorzugen, wenn der Text vor ihnen liegt und sie mitlesen können, weist auf das Zusammenspiel von visuellem und akustischem Lerntyp hin, das vielen Lernenden die erste Textbegegnung vereinfacht. 77 6.4 Auswertung und Reflexion Es zeigt sich, dass die meisten Schüler – zumindest in dieser Klasse – es bevorzugen, wenn die Lehrperson ihnen einen neuen Text zuerst einmal vorträgt, während sie für sich mitlesen können. Allerdings sollte man einen Text m. E. als Lehrer trotzdem manchmal vortragen, ohne dass die Schüler über ein Textblatt verfügen, natürlich nur, wenn es der Schwierigkeitsgrad des Textes erlaubt. So kann man die erste Textbegegnung spannend gestalten und als Hörverstehen fungieren lassen. Verschiedene Texte erlauben es durchaus auch, die erste Textbegegnung in Form eines Schülervortrags zu gestalten, was sinnvoll ist, damit die Schüler sich nicht daran gewöhnen, einen neuen Text immer passiv zu erleben. Man kann demnach die erste Textbegegnung so organisieren, dass sie die Hauptlerntypen abwechselnd ins Zentrum stellt. Dass der Einstieg in die Besprechung eines neuen Textes nicht unbedingt aus der Lektüre desselben bestehen muss, wird in Kapitel 7.3 dargelegt. 78 7. Der Unterrichtseinstieg in weiteren Arbeitsbereichen des Deutschunterrichts 7.1 Textproduktion 7.1.1 Unterrichtsvoraussetzungen Die Textproduktion, verstanden als freies bzw. kreatives Schreiben, findet auf jeder Klassenstufe statt. In der Folge werden mögliche Einstiege für die Bildbeschreibung und den Erlebnisaufsatz auf der Unterstufe (6e und 7ST) sowie die Erörterung auf der Oberstufe (4e) dargelegt. 7.1.2 Beschreibung und methodische Analyse Dass eine Unterrichtsstunde über die Bildbeschreibung mit einer solchen beginnt, ist naheliegend. Trotzdem zeigte ich den Schülern der 6e nicht einfach nur ein Bild und bat sie darum, es zu beschreiben und kommentieren. Ich verband die Bildbeschreibung – wie auch vom Lehrbuch139 vorgesehen- mit der Sequenz über den Umgang mit Medien, indem ich den Schülern den Auftrag gab, sich irgendein Bild auszuwählen, das thematisch mit der modernen Technik verknüpft ist, und dies zu beschreiben. Die Unterrichtsstunde sollte mit zwei Schülerbeiträgen eröffnet werden. Es zeigte sich jedoch, dass die Lernenden so motiviert und begeistert davon waren, ihr Bild in der Klasse zu präsentieren, dass ich mich spontan dazu entschloss, aus dem einfachen Einstieg eine Erarbeitungsphase zu machen, die demnach länger dauerte als nur ein paar Minuten und die mehrere Schülerbeiträge beinhaltete. Nachdem ein Schüler sein Bild vorgestellt hatte, entstand jeweils eine kurze Diskussion in der Gruppe über die von ihm thematisierte Problematik. Am Ende der Unterrichtsstunde teilte ich einen Feedbackbogen aus und es wurde deutlich, dass das Thema die Schüler zur Mitarbeit angeregt hatte, da sie sich für die heutige Welt der Technik interessieren, sie befürworten, aber auch teilweise kritisch sehen, so z.B. in Bezug auf die Entwicklung von Robotern. Hier wurden auch losgelöst von einem Unterrichtseinstieg die akustischen und visuellen Lerntypen angeregt, aber auch die handelnden, da die Lernenden sich selber ein Bild ausgesucht hatten, dies beschrieben und präsentierten. 139 deutsch.punkt 3 S.146 79 Den Erlebnisaufsatz führte ich auf der 7ST ein, indem ich en Schülern bewusst emotionslos und nüchtern von meinen Weihnachtsferien erzählte. Dann analysierte ich meine Schilderung mit ihnen zusammen, wobei sie auf die Bedeutung von „lebendigem“ Erzählen durch die Darstellung von Gefühlen und Gedanken verwiesen. Da ich mich in den Mittelpunkt gestellt hatte, konnte die Erzählung kritisch betrachtet werden, ohne dass ein Lernender sich angegriffen fühlte. Durch meinen Vortrag wurden vor allem die akustischen Lerntypen angesprochen. Ein weiterer möglicher Einstieg, der Schüler zum Schreiben anregt, ist der, die ersten paar Sätze eines literarischen Textes vorzulesen und die Schüler das Geschehen dann weitererzählen zu lassen. Dies machte ich beispielsweise auf einer 5e mittels „Ein erschreckender Anblick“ von Franz Hohler und „Der Zettel“ von Igor Irtenjew. Diese Art und Weise fördert die handelnden Lerntypen und vor allem die Fantasie der Schüler. Sie werden in einen Zustand der Neugierde versetzt, der sich m. E. positiv auf ihre Motivation auswirkt. Die Erörterung ist die Art der Textproduktion auf der 4e schlechthin. Eingeführt habe ich sie auf traditionelle Art und Weise, nämlich durch die Analyse eines Hauptteils 140 zum Thema Benimmunterricht an den Schulen und der theoretischen Überlegungen, die man bei der Erarbeitung der Erörterung nicht aussparen kann. Allerdings habe ich auf zwei 4e-Klassen versucht, den Einstieg etwas interessanter zu gestalten. Im Schuljahr 2008/2009 tat ich diese anhand des Liedes „Guten Tag“ von der Band Wir sind Helden. In diesem wird die Konsumgesellschaft kritisiert. Die Nachteile einer solchen Gesellschaft arbeitete ich mit den Schülern aus dem Liedtext heraus und ließ sie dann die positive Seite der Produktvielfalt und Weiterentwicklung des Angebots beleuchten. So erörterten die Schüler schon, bevor ich sie mit dem Wesen dieser Art von Textproduktion bekannt machte. Auch hier zeigte sich wie so oft, dass das Anhören eines Liedes Schüler motiviert, besonders die akustischen Lerntypen. Im Schuljahr 2010/2011 besprach ich mit der 4e die Kurzgeschichte „Happy End“ von Kurt Marti. In dieser geht um den Kontrast von Filmwelt und Realität. Nach der Analyse derselben provozierte ich die Schüler mit der Behauptung, das Kino sei meiner Meinung nach heutzutage sowieso überflüssig geworden, da man sich die 140 Deutsch ideen 10. Lese- und Sprachbuch. S. 60f. 80 Filme auch in hervorragender Qualität und bequem zuhause anschauen könne. Die Lernenden widersprachen mir sofort und begründeten ihre Meinung. Hier werden die verbal-sprachlichen Lerntypen stimuliert. Ich ließ das Gespräch einige Minuten dauern und gab dann nach, indem ich den Schülern erklärte, sie hätten mich von der Daseinsberechtigung des Kinos überzeugt. Dann sann ich mit ihnen über die Gründe nach, aus denen es wichtig ist, seine Meinung auszudrücken und andere überzeugen zu können. So leitete ich zur Erörterung über. 7.2 Literaturgeschichte 7.2.1 Unterrichtsvoraussetzungen Die beiden hier dargelegten Einstiege fanden in verschiedenen 4e Klassen statt. Der literaturgeschichtliche Unterricht ist für Schüler einer 4e etwas Neues. Oft empfinden sie ihn als eher uninteressant, da die Texte hier mit dem historischen Hintergrund verknüpft werden, was für die Schüler bedeutet, dass sie sich bestimmte Fakten einfach merken müssen. Beide Klassen hatten gewisse Schwierigkeiten damit, sich auf die Literaturgeschichte einzulassen und sie zu verstehen. In der 4e, die ich im Jahr 2008/2009 unterrichtete, befanden sich vier Schüler, die der Theatergruppe der Schule angehörten. Sie schauspielerten mit großer Freude und wussten in ihren Rollen auch zu überzeugen. Diese Tatsache nutzte ich, um einen besonderen Einstieg zur Epoche des Barock zu organisieren. Die 4e, die ich im darauffolgenden Schuljahr unterrichtete, war zu einem sehr großen Teil im Deutschen sehr schwach, da viele Schüler, wie in 4.1 geschildert, aus einer ALLET- Klasse kamen. Außerdem handelte es sich um eine Klasse, in der die Lehrer-Schüler-Beziehung stimmte und in der Disziplinprobleme nicht existierten, sodass ich mich trauen konnte, einen provokativen Einstieg durchzuführen, der die Schüler zum Nachdenken anregen sollte. 7.2.2 Beschreibung und methodische Analyse Zur Erarbeitung des Barock und vor allem, um den Schülern das barocke, antithetische Lebensgefühl zu veranschaulichen, verfasste ich ein kleines Theaterstück, das die drei Schüler aus der Theatergruppe freiwillig einstudierten und zur Überraschung ihrer Mitschüler am Anfang der einer Unterrichtsstunde zum 81 Barock inszenierten. Die dargestellte Szene gehörte dem Alltag Jugendlicher an, denn im Zentrum stand die Einladung zu einer Party. Im Anschluss an das vorgespielte Geschehen analysierten die Schüler die Haltungen der drei involvierten Personen. Eine von ihnen lebte nach dem Motto carpe diem und wollte die Party auf keinen Fall verpassen. Eine zweite war in ihrem Handeln vom Gedanken des memento mori geprägt und wollte in ihrer vorausschauenden und gewissenhaften Art lieber ihren Pflichten nachkommen und auf die freudige Veranstaltung verzichten. Die dritte Person fühlte sich hin- und hergerissen zwischen beiden Lebenseinstellungen und wusste nicht, welcher der beiden anderen Personen sie vertrauen sollte. Die Schüler, die sich zu diesem Zeitpunkt schon mit dem Barock auseinander gesetzt hatten, stellten eigenständig den Bezug zu dieser Epoche dar. So wurde ihnen vor Augen geführt, dass und auch wie die barocke Antithetik in der heutigen Gesellschaft immer noch erkennbar ist. Diese wurde also von der Epoche losgelöst und schülernah veranschaulicht. Hier wurden die drei Hauptlerntypen angesprochen, da es sich um ein Theaterstück handelte, das visuell und akustisch wahrnehmbar war (visueller und akustischer Lerntyp) und die schauspielernden Schüler dazu brachte, ihren Körper und ihre Mimik einzusetzen und so den Lernstoff zu verarbeiten und auszudrücken bzw. mitzuteilen (handelnder Lerntyp). Literaturgeschichte kann durchaus mit dem Alltag der Jugendlichen verbunden werden. So hatte ich auch das Mittelalter mittels Bildern von Hexen und Zauberern, die wir heute durch das Fernsehen kennen, eingeführt. Die Epoche der Aufklärung führte ich durch einen gewagten, da sehr provokativen Einstieg ein: Um den Schüler darzustellen, welche fatalen Folgen Aberglaube, dogmatisches Denken und Vorurteile für die unaufgeklärte Zeit und damit die Gesellschaft des 16-17. Jahrhunderts hatten, ließ ich einen Schüler zu Beginn einer Unterrichtsstunde unmissverständlich wissen, dass ich Angst vor seinen bösen Blicken hätte und spüren würde, dass er mir Unheil wünschte. Aus diesem Grund schickte ich ihn vor die Tür. Ich begründete wiederholt, dass sein Blick auf Dämonen schließen ließe und ich mich davon befreien müsste. Die Schüler starrten mich wie erwartet überrascht an, vereinzelte mussten ein Lachen unterdrücken. Als der Schüler sich erheben wollte, um das Klassenzimmer zu verlassen, klärte ich die Situation auf, indem ich darlegte, dass das Ganze inszeniert gewesen war. Ich 82 forderte die Schüler dazu auf, ihre Gedanken und Gefühle mitzuteilen und die Gründe dafür darzulegen, dass sie ihren Mitschüler nicht verteidigt hatten bzw. fragte ich den betroffenen Schüler, warum er mir gehorchen wollte, als ich etwas so Irrationales von ihm verlangte. Wie erwartet, erklärten die Schüler, sie hätten mich für verrückt gehalten, aber aus Höflichkeit oder Angst vor Bestrafung nichts unternommen. Daraus ergab sich ein Gespräch über nicht auf der Vernunft begründetes Denken und die heutige Gesellschaft, die vom technischen Fortschritt und dem rationalen Denken geprägt ist. Es wurde deutlich, wie gefährlich es sein kann, wenn man anderen blind gehorcht, seinen eigenen Verstand nicht nutzt und der Welt nicht kritisch gegenübersteht.141 Ein solcher Einstieg erreicht neben den drei Hauptlerntypen besonders den intrapersonellen, da die Schüler ein sie irritierendes Erlebnis persönlich erfuhren. 7.3 Sachtexte, literarische Texte und Lyrik 7.3.1 Unterrichtsvoraussetzungen Der Deutschunterricht ist immer in irgendeinem Sinne mit Textarbeit verknüpft. Mit den möglichen Einstiegen für Sachtexte, literarische Texte und Lyrik beschäftigte ich mich somit seit Beginn meiner Tätigkeit als Deutschlehrerin im Schuljahr 2007. Aufgrund der vielen durchgeführten Einstiege auf ganz verschiedenen Klassen und gebunden an ganz unterschiedliche Texte ist es mir nicht möglich, hier auf das gesamte Potential der Unterrichtseinstiege einzugehen und die einzelnen Klassen im Hinblick auf ihre Motivation und ihre Kompetenzen zu beschreiben. Einige ausgewählte, repräsentative Einstiege sollen verdeutlichen, dass die Textarbeit auf allen Klassenstufen auf vielfältige Art und Weise eingeführt werden kann. 141 Anmerkung: Natürlich ist es für diesen Einstieg unabdingbar, dass die Schüler einen solchen ’Schock’ vertragen können, besonders der Schüler, der böser Blicke beschuldigt wird. Hier sollte man als Lehrer seine Klasse unbedingt gut kennen und einschätzen können. Sonst kann ein solcher Einstieg im Chaos und einem zerstörten Lehrer-Schüler- Verhältnis enden. Der betroffene Schüler muss verstehen, dass man ihn keinesfalls vor der Klasse erniedrigen wollte, sondern nur das kritische Denken aller Schüler anregen wollte. Dass man gerade ihn ausgewählt hat, sollte ihn nach Abschluss des Einstiegs mit Stolz erfüllen und ihm nicht das Gefühl geben, man hätte etwas gegen ihn. 83 7.3.2 Beschreibung und methodische Analyse Sachtexte werden häufig mit einem Unterrichtsgespräch, der Verbesserung einer vorbereitenden Hausaufgabe oder der gemeinsamen Lektüre des jeweiligen Textes eingeführt. Eine sinnvolle Alternative dazu ist es, das Vorwissen der Schüler zu testen, indem sie vor der Lektüre des Textes Fragen über das betreffende Thema beantworten. Darauf folgt die Analyse des Textes, sodass die Lernenden erkennen können, inwiefern sie schon im Vorfeld über das Thema informiert waren. Auf der 6e führte ich die im Lehrbuch142 vorhandene Sequenz zu den Medien durch. Die Unterrichtsstunde, in der der Artikel über die Entwicklung der Computerspiele besprochen wurde143, wurde mittels eines Testes eröffnet, der den Schülern den Blick auf ihr Vorwissen ermöglichte. Dann konnten die Schüler in einem Unterrichtsgespräch ihr Wissen bzw. ihre Vermutungen zum Phänomen der Computerspiele äußern. Sie mutmaßten z. B. darüber, seit wann es Computerspiele gibt, oder erklärten, wie das Spiel „Pacman“ funktioniert. Erst dann wurde der Text gelesen und besprochen. Die Informationen und Fakten wurden mit den Ergebnissen des während des Einstiegs durchgeführten Tests verglichen. Hier werden vor allem der handelnde Lerntyp aber auch der Ich-Lerntyp angeregt, da die Schüler ihr eigenes Vorwissen aktivieren und schriftlich festhalten. Die Unterrichtsstunde zum Text „Skorpion“ von Christa Reinig eröffnete ich mit einem visuellen Impuls, nämlich dem Bild eines Skorpions. Die Schüler einer 4e schauten sich dieses an und erklärten dann, mit welchen Charaktereigenschaften sie einen Mensch verbinden, der als Skorpion bezeichnet wird. So mutmaßten sie über den Protagonisten dieses Textes, der ein Opfer der Vorurteile seines Umfeldes ist und von ihnen manipuliert wird.144 Die Kurzgeschichte „Happy End“ von Kurt Marti wurde mittels des Liedes „Is‘ nur Kino“ von Glashaus eröffnet. In beiden Texten geht es um die für das Medium Film typische Fiktion, die der Realität entgegengestellt wird. Lieder lassen sich oftmals mit 142 deutsch.punkt 3 Ebd. S. 148. 144 Ich bin mir bewusst, dass es sich hier um einen eher banalen Einstieg handelt, und möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass diese Arbeit sich mit dem Einstieg allgemein befasst, sodass die traditionellen Einstiege nicht ausgespart werden können und sollten. 143 84 einem Text verbinden145 und sprechen Schüler auf der akustischen Ebene besonders an, da Jugendliche sich im Allgemeinen für Musik interessieren. Bei der Besprechung eines Gedichts ist es oftmals sinnvoll, die Schüler anhand des Titels auf den Inhalt schließen zu lassen, insbesondere dann, wenn dieser die Erwartungen nicht erfüllt und die Lernenden überrascht. Hier wird der Schüler selber aktiv, da er einen Titel selber mit einem möglichen Inhalt assoziieren soll (handelnder Lerntyp). So lässt beispielsweise das Gedicht „An den Schlaf“ von Johann Wolfgang Goethe die Lernenden glauben, es handle sich um eine Art Lobgesang an den Schlaf. Bei der Analyse stellt sich dann jedoch heraus, dass es überraschenderweise eigentlich ein Liebesgedicht ist: Das lyrische Ich bittet den Schlaf darum, sich der strengen Mutter seiner Geliebten anzunehmen, damit das Paar seine Liebe auch auf körperlicher Ebene ungestört ausleben kann. Ebenso konfrontiert das Gedicht „Es ist alles eitel“ von Andreas Gryphius die Schüler mit einer ihnen fremden Bedeutung des Begriffs „Eitelkeit“. Somit erwarten sie sich bei einem Gedicht, das diesen Titel trägt, keine Kritik an der auf das Diesseits ausgerichtete und das Jenseits ignorierende Gesellschaft und auch keine Darstellung der Vergänglichkeit allen irdischen Seins. Sie schließen aufgrund ihrer Vorstellung und ihres modernen Verständnisses des Begriffs eher auf ein Gedicht, das sich mit dem menschlichen Bedürfnis nach einem perfekten Äußeren beschäftigt. 7.4 Grammatikunterricht 7.4.1 Unterrichtsvoraussetzungen Der integrative Ansatz ermöglicht eine Vielfalt an Einstiegen für den Grammatikunterricht. Auch hier beschränke ich mich auf einige Beispiele, die zeigen, dass eine Unterrichtseinheit zur Grammatik nicht notwendigerweise mit der Erarbeitung von Theorie oder einer Übung beginnen muss. Es handelte sich bei den Klassen um 7eST, 8TE, VIe sowie Ve und dies ab dem Schuljahr 2007 bis zum heutigen Zeitpunkt. Auf allen Klassen befanden sich starke, mittlere und immer auch sehr schwache Schüler, denen die deutsche Sprache Probleme bereitete. Dass 145 So diente beispielsweise auch das Lied „Millionär“ von den Prinzen auf einer 8e als Einstieg in eine Sequenz zum Thema Reichtum. 85 Schüler auf den Grammatikunterricht oftmals ablehnend reagieren, ist eine Tatsache, mit der sich viele Lehrer konfrontiert sehen. 7.4.2 Beschreibung und methodische Analyse Um das Adjektiv mit einer 8e zu erarbeiten, schrieb ich das neutrale Wort ‘Traum‘ an die Tafel und ließ die Schüler dann darüber nachsinnen, womit sie dieses Wort assoziieren. Dann ergänzte ich das Wort durch vier Adjektive, nämlich ‘schön‘, ‘friedlich‘, ‘gruselig‘ und ‘bedrohlich‘. Dann besprach ich mit den Schülern, inwiefern Adjektive Bedeutungsträger sind und wie sie ein Nomen charakterisieren. Ich ließ die Schüler erklären und vor allem begründen, welche Art von Traum sie bevorzugen würden. Eine Variante hierzu ist es, das Wort ‘Traum‘ an die Tafel anzubringen und die Klasse in zwei Gruppen einzuteilen. Die erste Gruppe sucht Adjektive, die das Nomen positiv beschreiben und die zweite Gruppe solche, die es negativ darstellen. Dann kann mit den Schülern die Wirkung und Eigenschaft des jeweiligen Adjektivs bzw. der Adjektivgruppe besprochen werden. Es handelt sich hier um einen Einstieg, der den handelnden Lerntyp besonders anregt, da die Schüler selber aktiv werden. Um die Zeiten auf der 7eST einzuführen, las ich mit den Schülern das Märchen „Der goldene Schlüssel“ von den Gebrüdern Grimm. In diesem Text befinden sich Beispiele für alle Zeiten, die die Schüler herausarbeiten, analysieren und kommentieren können. Demnach ist dieser Einstieg schülerorientiert gestaltet: Die Lernenden werden selber aktiv und erarbeiten den Lerninhalt eigenständig (handelnder Lerntyp). Außerdem können sie aufgrund des märchenhaft- fantastischen Inhalts der Geschichte festhalten, wie das Geschehen weitergeht, wobei sie auf die Zeiten achten. So kann der Grammatikunterricht mit dem Textverstehen verknüpft werden und erscheint Schülern nicht mehr so von Literatur losgelöst. Um auf der 8e auf die Problematik der Wortwiederholungen einzugehen, erzählte ich den Schülern nach den Weihnachtsferien, wie ich dieselben verbracht hatte und wiederholte dabei absichtlich verschiedene Wörter mehrmals in aufeinanderfolgenden Sätzen. Die akustischen Lerntypen werden von einem solchen Einstieg besonders für die Problematik sensibilisiert. Die Lernenden wurden so provoziert und auch, wie geplant, darauf aufmerksam, dass man beim Gebrauch 86 einer Sprache auf Wortwiederholungen verzichten und somit auf einen reichen Wortschatz zurückgreifen können sollte. 7.5 Schülerfeedback Im Folgenden wird die Wirkung traditioneller bzw. unerwarteter Einstiege auf die Motivation der Schüler anhand einiger der oben dargelegten Beispiele dargestellt. Seit dem ersten Trimester teilte ich meinen Klassen der Unterstufe (7ST, 6CM) regelmäßig einen Feedbackbogen146 aus, in dem sie sich zum Einstieg der jeweiligen Unterrichtsstunde äußerten. Der Einstieg als solcher steht hier weniger im Zentrum, es geht an dieser Stelle vor allem darum, einen Einblick darin zu gewinnen, ob auch eher banale Unterrichtseinstiege Schüler motivieren können oder ob sie darauf gleichgültig und eher gelangweilt reagieren. Es stellt sich außerdem die Frage, inwiefern wirklich der Einstieg für die Motivation verantwortlich ist, denn es gibt eine Reihe außerschulischer Faktoren, die bei der Analyse der Lernermotivation nicht vernachlässigt werden dürfen, wie ich im Fazit dieser Arbeit genauer erläutern werde. Was den Begriff ‘Motivation‘ betrifft, sind die Schüler sich einig: Sie setzen ihn mit Lust auf das den Unterricht bzw. auf das Lernen gleich.147 Dies zeigt schon, dass die Schüler ihre Motivation hauptsächlich mit dem Gefühlszustand des Offenseins für etwas, der Freude daran und damit der „Lust darauf“ verbinden. Dies ist ein inneres Gefühl, das für Lehrer schwer zu durchschauen und zu messen ist. Es handelt sich hier demnach um einen intrinsisch geprägten Motivationsbegriff. Ich bin mir dessen bewusst, dass der von mir konzipierte Fragebogen sich lediglich auf die Motivation und nicht auf den Lernprozess bezieht. Das liegt daran, dass ich, wie schon erwähnt, der Meinung bin, dass Schüler der Unterstufe zwar durchaus in der Lage sind, die Lerntypen zu verstehen und sich einem oder mehreren von ihnen zuzuordnen, aber dass es sie überfordert, den Einstieg aus einer pädagogischdidaktischen Perspektive zu betrachten und zu bewerten. Außerdem wollte ich eine künstliche Distanz zwischen dem Unterricht und dem Lernenden vermeiden und die Schüler ihre Motivation einfach intuitiv bewerten lassen. 146 147 In Anhang 11-15 befinden sich Beispiele (ab S.145) Siehe Anhang 10. S.144 87 Der Einstieg „Jacke“148 Im Deutschbuch der 6e befindet sich eine Unterrichtssequenz zum Thema Identität149. Zur Einführung in dieses Thema bat ich einen Schüler vor die Klasse zu treten und die Jacke seines Banknachbarn anzuziehen. Dann fragte ich ihn, ob dieses fremde Kleidungsstück ihn in seiner Identität verunsichern oder ihn gar zu seinem Banknachbarn machen würde. Wie erwartet, verneinte der Schüler und es begann eine Diskussion über die Identität und Individualität des Einzelnen. In einem nächsten Schritt wurde der erste Text zum Thema erarbeitet: Louises Tagebuch oder Die Geschichte vom „Ei“.150 Wie nun ein solcher Einstieg auf Schüler wirkt, veranschaulicht das folgende Diagramm. Der blau gefärbte Teil des Diagramms bezieht sich auf die Schüler, die schon vor meinem Eintritt ins Klassenzimmer motiviert waren. Die grüne Farbe bezeichnet die Schüler, die vorübergehend, d.h. nur während des Einstiegs, motiviert waren. Die Anzahl der Schüler, die durch den Einstieg für die restliche Unterrichtsstunde motiviert wurden, wird durch die rote Farbe wiedergegeben.151 Es zeigt sich, dass kein Schüler sich in dieser Unterrichtsstunde als unmotiviert bezeichnet hat. Die Mehrheit der Lernenden war nach einigen Minuten motiviert, ein 148 Siehe Anhang 11 S. 145 deutsch.punkt 3: Spiegelwelten – Kreatives Schreiben. S. 57-68. 150 Ebd. S. 60ff. 151 Der lila gefärbte Teil in den anderen analogen Diagrammen steht für die überhaupt nicht motivierten Schüler. 149 88 fast ebenso bedeutender Teil der Klasse hat seine Motivation jedoch im Laufe des Unterrichts, also nach der Einstiegsphase, verloren. Einige waren schon vor meinem Erscheinen im Klassenzimmer motiviert. Obwohl die Bewertung der Motivation und der ersten Unterrichtsminuten den Fokus meiner Untersuchung darstellen, habe ich den Feedbackbogen so konzipiert, dass er einen allgemeinen Überblick über das Befinden der Lernenden ermöglicht. So lässt sich dem folgenden Diagramm entnehmen, dass die Ausgangssituation in der Unterrichtsstunde, die das Thema Identität einführte, eine recht positive war: Die meisten Lernenden fühlten sich körperlich wohl und waren guter Laune. Einigen war an dem Tag sogar etwas Schönes widerfahren und auch der Unterricht in den anderen Fächern war für manche Schüler angenehm. Nur wenige Schüler hatten etwas Negatives erlebt oder waren schlecht gelaunt. Auch die Unterichtsstunden in den anderen Fächern wurden nur von ein paar Lernenden als negativ empfunden. Dass 19 der 25152 Schüler den Unterrichtseinstieg als interessant bewerteten, lässt darauf schließen, dass es eine Verbindung zwischen dem Unterrichtseinstieg und der Motivation gibt. Allerdings scheint hier das Thema ausschlaggebender zu sein als das Experiment mit der Jacke: Lediglich vier Schüler gaben dieses als 152 Anmerkung: Im Laufe des Trimesters hat eine Schülerin die Klasse gewechselt, sodass nur noch 25 Schüler befragt wurden. 89 Begründung für den interessanten Unterrichtseinstieg an. Die restlichen beriefen sich auf das Thema und die Diskussion, um ihre Meinung zu begründen. Es hat den Schülern vor allem gefallen, dass sie nicht gleich schon zu Beginn der Stunde viel aufschreiben mussten. Ein solcher Einstieg spricht vor allem den visuellen Lerntypen an, da das Publikum den Schüler mit der geliehenen Jacke wahrnimmt und dann den Sinn davon und die damit verknüpften Identitätsfragen durchdenkt. So werden auch die intrapersonellen Lerntypen berücksichtigt, da Schüler, die sehr reflektiert sind, sich die entsprechenden Gedanken zum Thema machen können. Wenn sie diese dann mitteilen, wird auch der sprachlich-verbale Lerntyp von diesem Einstieg berücksichtigt. Der Schüler, der die Jacke trägt, kann auf körperlich-bewegungsbezogener Ebene lernen: Er erlebt leibhaftig, wie es sich fühlt, eine fremde Jacke zu tragen und dadurch über seine Identität nachzusinnen. Der Einstieg „Rätsel“153 Dieser Einstieg in der 7ST bestand aus der Verbesserung eines Bilderrätsels zur Groß-und Kleinschreibung154, die schon in den vorherigen Unterrichtsstunden thematisiert worden war. Jeweils ein Schüler übernahm ein Bild und ich schrieb das jeweilige Lösungswort an die Tafel. Ein solcher Einstieg berücksichtigt vor allem handelnde Lerntypen, da die Schüler das Rätsel selber lösen und eventuell auch noch an der Tafel festhalten. Ebenso werden aber durch ein Bilderrätsel die visuellen Lerntypen, aber auch die logisch-mathematischen Lerntypen angeregt. Wie das folgende Diagramm darlegt, war die Mehrheit der Schüler an diesem Tag schon motiviert, bevor ich ins Klassenzimmer eintrat. Einige verspürten erst nach einigen Minuten Motivation, während allerdings fast genauso viele nur vorübergehend motiviert waren, d.h. nach dem Unterrichtseinstieg waren sie es nicht mehr. Einige wenige waren während der ganzen Unterrichtsstunde unmotiviert. 153 154 Siehe Anhang 12 S. 147. deutsch.punkt 2. Arbeitsheft S. 63 90 Die Ausgangssituation war hier eine sehr positive, nur ein paar Schüler waren schlecht gelaunt, hatten etwas Negatives erlebt oder bewerteten die anderen Fächer als unangenehm. Wenn man sich die Schülerkommentare bezüglich der ersten Unterrichtsminuten anschaut, erkennt man, dass nur vier von 24 Schülern den Unterrichtseinstieg als uninteressant bezeichneten. Nur zwei von ihnen gaben eine Begründung an, nämlich, dass das Rätsel zu einfach bzw. die deutsche Sprache „nervig“ sei. Dass auch hier wieder andere Faktoren als nur der Unterrichtseinstieg eine Rolle für die Sichtweise der Schüler spielen, beweist die Tatsache, dass immerhin vier Schüler angaben, der Unterricht habe positiv begonnen, weil die Lehrerin „gut gelaunt war“ bzw. „mit einem Lächeln hereinkam“. Die anderen begründeten den interessanten Unterrichtsbeginn allerdings mit dem Rätsel oder auch damit, dass sie das Gefühl hatten, viel hinzugelernt zu haben. 91 Der Einstieg „Gegenseitiges Verbessern“155 Diesen Einstieg ließ ich von zwei verschiedenen Lerngruppen bewerten, der 7ST und der 6e. In beiden Klassen hatte der Unterricht damit begonnen, dass ich den Schülern die Lösung der Hausaufgabe austeilte und dass sie dann die Arbeit ihres Nachbarns mit rotem Stift in der Hand verbesserten. Bei der 7e handelte es sich um adverbiale Bestimmungen, bei der 6e um das Konjugieren von Verben. Wie schon dargelegt, berücksichtigt dieser Einstieg die drei Hauptlerntlerntypen sowie spezifische Lerntypen (intrapersoneller Lerntyp, interpersoneller Lerntyp, sprachlichverbaler Lerntyp).156 Wie das folgende Diagramm darlegt, hat der Einstieg knapp ein Drittel der Schüler dauerhaft motiviert, wobei jedoch beachtet werden muss, dass sich genauso viele Schüler schon vor meinem Erscheinen in einem Zustand der Motivation befanden. Die restlichen Schüler waren zu gleichen Teilen entweder nur bis nach der Einstiegsphase motiviert oder die waren durchgehend unmotiviert. 155 156 Siehe Anhang 13 S. 149. Vgl. S. 65 dieser Arbeit. 92 Auch in dieser Unterrichtsstunde überwogen die positiven Gefühlszustände und Situationen. Nur wenige Schüler fühlten sich unwohl, schlecht gelaunt oder hatten etwas Negatives im Unterrricht oder außerhalb desselben erlebt. Lediglich drei Schüler gaben an, der Unterricht habe nicht interessant begonnen, was ein Schüler damit begründete, dass ich am Anfang der Stunde etwas lauter werden musste, um die Lerngruppe zu disziplinieren. Ein anderer Schüler gab an, die Aufgabe sei ihm zu einfach gewesen. Der dritte Schüler begründete seine Meinung nicht. Die Schüler, die den Unterrichtseinstieg als interessant bewertet hatten, gaben als Begründung an, dass das Thema sie interessiert habe, dass ich gut gelaunt ,gelassen und „witzig“ gewesen wäre, dass das Thema interessant gewesen sei oder dass der Beginn der Stunde „witzig“ bzw. „cool“ gewesen sei. Konkret auf den Einstieg bezogen, haben sich lediglich drei Schüler. Sie legten explizit dar, dass das gegenseitige Verbessern ihnen Freude bereitet hatte. 93 Bei der 6e ist die Motivation durch das gegenseitige Verbessern kaum auf den Einstieg zurückzuführen. Rund ein Drittel der Schüler war schon motiviert, bevor ich ins Klassenzimmer trat, und fast die Hälfte der Lernenden hat ihre Motivation nach dem Einstieg wieder verloren. Nur eine im Vergleich eher kleine Anzahl von Schülern fühlte sich nach dem gegenseitigen Verbessern für den Rest der Unterrichtsstunde motiviert. Dieser Motivationsmangel bzw. –verlust kann kaum mit der Ausgangssituation in Zusammenhang gebracht werden, denn, wie das zweite Diagramm darlegt, dominierten an diesem Schultag positive Empfindungen und Erlebnisse. 94 Trotz der in dieser Unterrichtsstunde eher unmotivierten Lerngruppe wurde der Einstieg lediglich von sieben Personen als uninteressant bezeichnet. Jeder von ihnen gab als Begründung an, dass er sich nur sehr ungern mit Verben bzw. Grammatik beschäftigen würde. Die restlichen 17 Schüler bewerteten die ersten Unterrichtsmomente positiv, was aber nur acht mit dem gegenseitigen Verbessern begründeten. Die anderen gaben an, dass sie letztes Jahr keine Verben gemacht hätten, dass die Unterrichtsstunde keine grammatischen Regeln beinhaltet habe, dass der Unterricht „interessant“ bzw. „anders“ gewesen sei, dass Grammatik interessanter sei als die Textinterpretation und dass die Schüler nicht viel hätten aufschreiben müssen. Außerdem erklärte ein Lernender, der Unterricht habe für ihn „interessant“ begonnen, da er vor meinem Erscheinen die Hausaufgaben noch schnell machen musste. Dies zeigt, dass Schüler den eigentlichen Unterrichtsbeginn oftmals anders definieren als Lehrer, sie lösen ihn von der Erarbeitung des Lernstoffs und weiten ihn möglicherweise sogar auf die Minuten vor dem Erscheinen des Lehrers aus. Der Einstieg „Bildbeschreibung“157 Die Unterrichtsstunde über Bildbeschreibungen wies von vornherein keine Phaseneinteilung im Sinn der traditionellen Unterrichtsplanung auf: Da die Schüler in der vorherigen Unterrichtsstunde die wichtigsten Aspekte der Bildbeschreibung 157 Siehe Anhang 14 S. 153. 95 erarbeitet und auch schon an Beispielen angewandt hatten, hatte ich ihnen im Rahmen der Sequenz über Medien als Hausaufgabe den Auftrag gegeben, irgendein Bild, das mit der Thematik der Technik verknüpft ist, zu beschreiben und vor der Klasse vorzustellen. Dies wäre also mein Einstieg gewesen, mit dem eine ganze Reihe von Lerntypen angesprochen werden: der handelnde, visuelle und akustische Lerntyp sowie der visuell-räumliche und der sprachlich-verbale Lerntyp. Für den Rest der Unterrichtsstunde hatte ich einen kurzen Sachtext vorgesehen, der sich ebenfalls mit Technik beschäftigte. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Schüler geradezu übermotiviert waren und es kaum einen Schüler gab, der sein Bild nicht vorstellen bzw. die Präsentation eines anderen nicht kommentieren wollte, wobei manchmal schon regelrecht philosophische Gedanken über die menschliche Natur und Gesellschaft zum Ausdruck gebracht wurden. Aus diesem Grund nutzte ich die Gelegenheit, um möglichst viele Schüler ohne Zeitdruck zu Wort kommen zu lassen, sei es vor der Klasse als Vortragender oder im Rahmen der anschließenden Diskussion in der Gruppe. Außerdem konnte ich mit dieser Unterrichtsstunde testen, wie die Schüler reagieren, wenn es keine Einstiegsphase und eigentlich auch keinen Methodenwechsel gibt. Auch meine Person spielte in dieser Unterrichsstunde angesichts der übereifrigen Schüler eher eine Randrolle. Wie dem Diagramm zu entnehmen ist, war fast die Hälfte der Schüler schon vor dem Beginn der Deutschstunde motiviert. Es stellt sich demnach die Frage, ob die Motivation von der Hausaufgabe abhängig ist. Ebenfalls eine bedeutende Anzahl von Schülern war nach einigen Minuten für den Rest der Unterrichtsstunde motiviert. Nur wenige Schüler waren vorübergehend bzw. überhaupt nicht motiviert. 96 Die Lerngruppe befand sich an diesem Tag in einer sehr günstigen Ausgangssituation, wie das Diagramm zu veranschaulichen vermag: Interessant ist hier, dass 13 der 24 Schüler das Thema als Begründung für ihre positive Bewertung angaben. Die restlichen bezogen sich auf die Schülervorträge, wobei ein Schüler sich darüber freute, dass er die Tafel hatte saubermachen dürfen. Lediglich drei Schüler bewerteten den Unterricht negativ: Einer begründete dies damit, dass er vom Klassenlehrer in die letzte Reihe versetzt worden war, eine Entscheidung, der ich mich anschloss, und zwei vermissten die Ruhe, die allgemein während des Unterrichts herrscht, denn es ergab sich als natürliche Konsequenz, 97 dass die Schüler im Rahmen der Diskussionen undisziplinierter waren als in Unterrichtsstunden, die sich nach festgelegten Phasen und Methoden richten. Der Einstieg „Test Vorwissen“158 Dieser Einstieg wurde im Rahmen der Besprechung eines Sachtextes über die Entwicklung von Computerspielen durchgeführt.159 In dieser Unterrichtsstunde war über die Hälfte der Schüler schon motiviert, bevor der Deutschunterricht einsetzte. Alle anderen Lernenden fühlten sich durch den Einstieg motiviert. Gerade einmal ein einziger Schüler bezeichnete sich als vorübergehend motiviert, d.h. im Laufe der Erarbeitungsphasen verlor er seine Motivation wieder. Kein Schüler sah sich in dieser Unterrichtsstunde als vollkommen unmotiviert an. Es handelt sich demnach um eine scheinbar fast perfekte Situation. Die Ausgangssituation für diese Unterrichtsstunde war eine sehr positive, nur sehr wenige Schüler hatten etwas Negatives zu verzeichnen, sei es im Bereich des Wohlbefindens, der Gefühle, der schulischen oder außerschulischen Erlebnisse. 158 Siehe Anhang 15 S. 156. deutsch.punkt 3. S. 148. Anmerkung: Dieser Einstieg wird in dieser Arbeit auf S. 84 ausführlich beschrieben. 159 98 Alle Schüler bewerteten den Unterrichtsbeginn als positiv, was drei Schüler auf ihre bzw. meine gute Laune zurückführten. Vier Schüler begründeten ihre positive Sichtweise mit dem Test des Vorwissens. Vierzehn Lernende interessierte das Thema, was dazu führte, dass der Unterricht ihnen gefiel. Die Motivation der Lernenden insbesondere vor dem Erscheinen des Lehrers scheint im Allgemeinen stark vom Thema abhängig zu sein, worauf ich in Kapitel 7.6 zurückkomme. Ein Schüler gab an, es sei „nichts Schlimmes“ passiert, eine vage Aussage, die jedoch zeigt, dass Schüler oftmals andere Gedanken im Kopf haben und andere Bewertungskriterien anwenden, als man das als Lehrer vielleicht erwartet. Zwei Schüler waren an diesem Schultag abwesend. Der Einstieg allgemein Im Schuljahr 2009/2010 hatte ich mich mit einer 8TE intensiv mit möglichen Unterrichtseinstiegen beschäftigt und die Lernenden am Ende des dritten Trimesters dazu befragt.160 Auf dem Fragebogen sollten die Schüler das Bild einer Leiter ergänzen, um ihre Sichtweise des Einstiegs darzulegen. Ihre Darstellungen verdeutlichen, dass es ihnen trotz wiederholter Erklärungen nur schwer möglich ist, den eigentlichen Einstieg zu definieren. Immerhin haben aber einige Schüler die Einstiegsphase als erste Beschäftigung mit dem Thema ausgelegt. Die Frage, ob der Unterrichtseinstieg ihrer Meinung nach wichtig sei, bejahten immerhin 16 von 23 160 Siehe Anhang 16 S. 159. 99 anwesenden Schülern. Sie begründeten ihre Antwort alle damit, dass der Unterricht langsam beginnen und ihnen das Thema vorstellen sollte. Der Motivationsfaktor wurde hier vollkommen ausgespart. Auf die Frage, ob die ersten Unterrichtsminuten darüber entscheiden, ob sie sich für den Lernstoff interessieren, gaben 13 Schüler an, diese sei der Fall, wobei sie fast alle als Begründung angaben, dass das Thema sich auf ihr Interesse auswirke. Sieben Schüler bringen ihr Interesse nicht mit dem Unterrichsteinstieg in Zusammenhang, weil die Erarbeitungsphasen ihnen wichtiger sind, und drei Schüler legten dar, dass alleine das Thema bzw. das Fach über ihr Interesse entscheide. Die Frage, wie die Unterrichtseinstiege im Deutschunterricht ausgesehen haben, konnte kein Schüler wirklich beantworten. Diejenigen, die ihre Antwort begründeten, gaben an, dass sie sich keine Gedanken darüber machen. Trotzdem denken 14 der 23 Schüler, dass der Unterrichtseinstieg in den Hauptfächern besonders wichtig ist. Da ich die Klassenlehrerin war, kannte ich die Stärken und Schwächen der Schüler auch in den anderen Fächern und es wird deutlich, dass sie gerade die Fächer Mathematik und Französisch, in denen viele von ihnen Schwierigkeiten hatten, als Fächer ansehen, die eines Einstiegs bedürfen. Interessant ist, dass sich auch auf dieser Klasse herauskristallisiert, dass der Unterrichtseinstieg in den Augen der Lernenden weit weniger von Bedeutung ist, als man als Lehrer vielleicht annimmt: Im Rahmen der Frage, wie ihnen der Deutschunterricht gefallen habe, legten 21 Schüler ihre Zufriedenheit dar, die allerdings keiner von ihnen mit den Unterrichtseinstiegen begründete. Alle Schüler verwiesen auf die Themen – besonders die Ganzschriften – oder auch auf das Klassenklima oder meine Laune. Da ich die Klasse auch schon auf 7e unterichtete, kommentierten gar einige Schüler meine Gemütslage und gaben an, ich wäre entspannter gewesen als im vergangenen Jahr, was wohl nach dem Abschluss des Referendariats auch der Fall war. Lediglich zwei Schülern gefiel der Deutschunterricht nicht, was sie mit mit dem Fach und den langweiligen Themen begründeten. 100 Das folgende Diagramm161, das die Meinungen einer 6e bezüglich der für ihre Motivation zuständigen Faktoren darstellt, veranschaulicht die These, dass Schüler den Unterrichtseinstieg kaum mit ihrer Motivation verbinden: Ein Drittel der Schüler sieht spannende erste Unterrichtsminuten als motivierendes Unterrichtselement, bewertet aber darüber hinaus auch noch andere Faktoren, wie z. B. die Laune, als wichtig. Vier Schüler finden es wichtig und förderlich für ihre Motivation, dass der Unterrichtseinstieg ihnen das Thema vereinfacht. Fünf Lernende sind motiviert, wenn der Einstieg sie zum Nachdenken anregt. Es zeigt sich deutlich, dass vor allem Faktoren wie die Laune und das körperliche bzw. seelische Wohlbefinden des Schülers sowie die lobenden oder tadelnden Worte des Lehrers einen viel stärkerein Einfluss auf die Motivation haben. Diese wurden, und dies ist eine interessante Erkenntnis für die Motivationsfrage, von fast allen Schülern als wichtig anerkannt. 161 Siehe Anhang 17 S. 165. 101 7.6. Auswertung und Reflexion Festzuhalten bleibt – und diese Erkenntnis wird im diese Arbeit abschließenden Fazit ausführlicher dargestellt –, dass es der Lehrperson schwer möglich ist, das Phänomen der Motivation in ihrem Klassenzimmer zu durchschauen. So hat es mich bei der Auswertung der Fragebögen überrascht, wie viele Schüler in verschiedenen Unterrichtsstunden schon vor meinem Erscheinen motiviert waren, sodass der Unterrichtseinstieg ihnen zwar laut ihrer eigenen Aussagen gefallen hat, aber nicht unbedingt ausschlaggebend für ihre Motivation war. Dieses Phänomen ist schwer zu durchschauen und zu begründen, da eine ganze Reihe Faktoren für die Motivation des Schülers schon vor dem eigentlichen Unterricht verantwortlich sein können. Die drei Hauptfaktoren sind m. E. die Laune des Schülers, die Lehrerpersönlichkeit bzw. die Lehrer-Schüler-Beziehung und das Thema. Darauf weisen die Ergebnisse meines Projekts jedenfalls hin. Wirklich dauerhaft motiviert, also für die restliche Unterrichtsstunde und vor allem auch durch den Einstieg, war im Durchschnitt höchstens ein Drittel der Schüler in den verschiedenen Klassen. Alle anderen Lernenden waren entweder schon vor meinem Eintritt ins Klassenzimmer motiviert oder aber sie wurden durch den Unterrichtseinstieg nur vorübergehend motiviert, sogar dann, wenn sie sich in ihren Begründungen sehr positiv über denselben äußerten. Dass das Thema letzen Endes eine nicht zu unterschätzende Auswirkung auf die Motivation hat, zeigen schon alleine die beiden Unterrichtsstunden zum Thema Medien bzw. Computer. Die Schüler waren schon vor Beginn dieser Unterrichtseinheiten überwiegend motiviert, was wohl daran lag, dass sie vom Thema mehr als begeistert waren. Sie waren regelrecht enttäuscht, als die Sequenz zu Ende war, und zeigten sich gar in der Prüfung sehr motiviert: Diese bestand aus der Analyse eines unbekanntes Textes zum Thema Handysucht und der Beschreibung eines Bildes, das ein Baby mit einem Laptop zeigt. Auch wird deutlich, dass eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber der deutschen Sprache und insbesondere der Grammatik nur schwer ins Gegenteil gekehrt werden kann. Positiv ist jedoch, dass es kaum Unterrichtsstunden gab, in denen Schüler überhaupt nicht motiviert waren. Wie erwartet, ist es schwierig, einen klaren und zuverlässigen, also nicht hauptsächlich auf Spekulationen beruhenden Zusammenhang zwischen der Motivation 102 und Faktoren, wie z.B. der Laune, dem körperlichen Zustand, den privaten Erlebnissen oder den anderen Schulfächern, zu erkennen. Trotzdem wollte ich mir in den verschiedenen Unterrichtsstunden ein Gesamtbild über die Gemütslage der Lernenden verschaffen, da sich zeigt, dass die Schüler ihre Motivation viel stärker auf ebendiesen Faktoren begründen als auf Unterrichtskonzepten allgemein bzw. Einstiegsphasen. Darauf werde ich im nun folgenden Fazit zurückkommen. 103 104 8. Fazit 8.1 Bedeutung des Unterrichtseinstiegs für den Lerner Aus der Perspektive der Lehrperson, die Unterricht plant und durchführt, um ihren Schülern den Lernstoff zu vermitteln, kann der Unterrichtseinstieg durchaus als sinnvoll und geradezu notwendig angesehen werden: Er eröffnet den Unterricht, macht die Schüler auf verständliche und so den Lernprozess vereinfachende Art und Weise mit dem Thema vertraut und kann sie im Idealfall für die restliche Unterrichtsstunde motivieren. Er kann so gestaltet werden, dass er die verschiedenen Lerntypen anspricht, wobei es nicht immer möglich ist, diese Unterrichtsphase mit allen Lerntypen gleich stark zu verbinden. Ein Einstieg, der visuelle und vor allem handelnde Lerntypen anspricht, scheint dem Lernprozess besonders förderlich zu sein, und das auch, wenn er eher traditionell und wenig überraschend ist: Das, was Schüler visuell wahrnehmen, prägt sich ihnen leicht ein, aber das, was sie selber erarbeiten, noch viel leichter. So kann man sich als Lehrer also getrost an das „learning by doing“-Prinzip halten. Neben einem Unterricht, der es Schülern erlaubt, selber aktiv zu werden, ist auch der Ausdruck ihrer Subjektivität den Lernenden wichtig. Sie zeigen sich im Allgemeinen im Unterricht dann motiviert, wenn sie etwas von sich selber Geschaffenes vortragen und besprechen können, wie z.B. einen Aufsatz oder ihre eigene Meinung zu einem bestimmten Thema. So sind auch Gesprächsrunden ein willkommener Einstieg. Demnach sollte auch der akustische Lerntyp im Unterricht allgemein und während der Einstiegsphasen nicht vernachlässigt werden. Jede Art von Einstieg beinhaltet meistens mindestens zwei der drei großen Lerntypen, sodass der Einstieg immer sinnvoll zum Lernprozess beiträgt, solange er zum Thema passt und dieses so einführt, dass es in den auf ihn folgenden Unterrichtsphasen verarbeitet und gesichert werden kann. Man sollte als Lehrer auch darauf achten, dass die Einstiege eine Verbindung mit den Lerntypen nicht auf eine rein künstliche Art und Weise erzwingen. Viel wichtiger ist es hier, die Schüler über die Lerntypen und ihre eigenen Stärken und Schwächen beim Lernen zu informieren, sodass sie den Lernstoff auf die für sie passende Art und Weise verarbeiten können. So lernen sie etwas hinzu, was ihnen auch nach ihrem Schülerdasein nützlich ist. 105 Man darf jedoch nicht vergessen, dass der Einstieg nur einer vieler Momente ist, die zum Lernprozess gehören. Somit soll hier deutlich werden, dass ein Schüler nicht lernen kann, wenn er dem Lernstoff nur während des Unterrichteinstiegs Konzentration schenkt. Wichtiger ist, dass er auch in der Lage ist, in der Erarbeitungs- und Ergebnissicherungsphase motiviert und konzentriert zu arbeiten. Auch die Nachbereitung zu Hause darf nicht unterschätzt werden, besonders, wenn man bedenkt, dass der Schüler den Lernstoff gerade hier seinen persönlichen Stärken und somit also seinem Lerntyp entsprechend umgestalten und verarbeiten kann. Außerdem soll im Unterricht nicht nur so gearbeitet werden, dass die starken Sinneskanäle des Schülers angesprochen werden, denn er soll auch diejenigen, die weniger ausgeprägt sind, anregen, um ganzheitlich, d.h. mit allen Sinnen, erleben und damit auch lernen zu können. Dass der Lernende über das nötige Hintergrundwissen bezüglich der verschiedenen Lerntypen verfügen muss, um den Lernprozess über alle Sinneskanäle zu fördern, dessen sollte sich der Lehrer bewusst sein. Er kann methodische Anregungen und Hilfsmittel in seinen Unterricht integrieren.162 Die motivierte Grundhaltung des Schülers wird allerdings auch hier zum notwendigen Element, damit der Lernprozess funktionieren kann. So verlangt man als Lehrer etwas zu viel, wenn man die Aufgabe des Motivierens alleine dem Einstieg zuschreibt. Ein von sich aus unmotivierter Schüler wird auch durch einen interessanten und spannenden Unterrichtseinstieg höchstens für den Moment und damit zeitlich stark begrenzt motiviert. Ebenso darf man nicht vergessen, dass Motivation alleine nicht ausreicht, um den Lernprozess zu ermöglichen: Auch die individuelle kognitive Beschaffenheit des Gehirns und der Schwierigkeitsgrad des Lernstoffes beeinflussen das Lernen, sodass ein motivierender Unterrichtseinstieg nicht unbedingt einen funktionierenden Lernprozess zur Folge hat. Wäre dem nicht so, könnte theoretisch auch ein kleines Kind, das sich durch einen Einstieg motivieren lässt, schon sehr komplexen Lernstoff aufnehmen und verstehen. So scheint die Einstiegsphase für Schüler letzten Endes lediglich eine Randrolle zu übernehmen, existiert doch eine Reihe anderer Faktoren, die Schüler in ihrer Motivation beeinflussen. Es handelt sich hierbei um das körperliche und seelische 162 So habe ich z. B. auf einer 8e, die ich in Geographie unterrichte, bemerkt, dass viele eigentlich unkonzentrierte Schüler viel bewusster vorgingen, als ich es ihnen erlaubte, während einer Unterrichtsstunde Musik zu hören, während sie an ihrem Dossier arbeiteten. 106 Wohlbefinden des Lernenden sowie um Ereignisse aus dem Privatleben oder den anderen Unterrichtsstunden. Auch die Lehrerpersönlichkeit sowie der emotionale Zustand des Lehrers wirken sich auf die Motivation der Schüler aus. In diesem Sinne interessieren sich Schüler auch kaum für Unterrichtseinstiege und nehmen sie wohl nur auf einer unbewussten Ebene wahr. Sie beachten sie nur, wenn man sie darum bittet, und auch dann interessieren sie sich lediglich während der jeweiligen Unterrichtsminuten dafür. Wenn sie ein Fazit aus ihren Beobachtungen ziehen sollen, schenken sie den Einstiegen kaum ihre Aufmerksamkeit, da sie diese einfach nicht als wirklich wichtig anerkennen. So komme ich durch mein Projekt zu dem Ergebnis, dass es keinen deutlich nachweisbaren Einfluss des Unterrichtseinstiegs auf die Motivation und den Lernprozess des Lernenden gibt.163 8.2 Funktion des Einstiegs für die verschiedenen Klassenstufen und Unterrichtsbereiche Schüler der Oberstufe wissen weniger traditionelle Einstiege durchaus zu schätzen, sehen aber trotzdem oft keinen Sinn darin, was die Vereinfachung des Lernstoffs betrifft. Jüngere Schüler hingegen finden Gefallen an unerwarteten Unterrichtseinstiegen, sind jedoch, wie erwartet, nicht in der Lage, diese pädagogisch zu begründen und nachzuvollziehen. Sogar älteren Schülern fällt dies oft noch schwer. Es hat sich nicht wirklich herauskristallisiert, dass auf der Oberbzw. der Unterstufe verschiedene Arten von Einstiegen beliebter und sinnvoller sind. Dass ein nicht traditioneller, überraschender Einstieg einem Lernenden meist gefällt, sieht man daran, dass man auch in der Erwachsenenbildung oftmals darauf zurückgreift. Ob der Einstieg aber immer auch dauerhafte Motivation und ein einfaches Lernen zur Folge hat, ist angesichts der hier dargelegten Forschungsergebnisse fraglich. 8.3 Lehrerzentrierter Einstieg versus schülerzentrierter Einstieg Der lehrerzentrierte Einstieg, verstanden als ins Thema einführender Lehrervortrag, sollte fester Bestandteil des Schulalltags sein. Man kann ihn sowohl traditionell, und 163 Anmerkung: Ich bin mir bewusst, dass dieses Ergebnis an die Befragung meiner Klassen gebunden ist und dass das Projekt auf ganze Schulen ausgeweitet werden müsste, um zu einer allgemeingültigen Erkenntnis zu führen. 107 damit eher rein informativ, als auch überraschend, provokativ und das Thema verfremdend gestalten. Allerdings gilt es hier auf das richtige Maß zu achten, denn die Lernenden sollten nicht durch eine bestimmte Art und Weise des Einstiegs abgestumpft werden. Ihre Motivation und Konzentration können nur dann angeregt werden, wenn sie dem Unterricht mit Interesse begegnen und auch selber aktiv sein müssen. Schülerzentrierte Einstiege sind in diesem Sinne wichtig, aber auch hier sollte man auf Abwechslung achten und die Unterrichtseinstiege bzw. den Grad der Eigenständigkeit des Lernenden der Schwierigkeitsebene des Lernstoffs anpassen. Es hat sich zudem gezeigt, dass Lernende die Unterrichtseinstiege, die sie selber aktiv werden lassen, positiv bewerten. Schüler stellen ihre Gedanken zu einem Thema gerne dar und teilen sie auch gerne mit. Auch ihrer eigenen Individualität und Kreativität verleihen sie gerne Ausdruck, z.B. im Rahmen von Rollenspielen. Das sollte man als Lehrer bedenken und Einstiege durchaus öfter schülerzentriert gestalten. 8.4 Möglichkeiten und Grenzen der Unterrichtseinstiege im Hinblick auf die Motivation Die in dieser Arbeit vorgestellten Forschungsergebnisse lassen deutlich darauf schließen, dass Unterrichtseinstiege Lernende zwar durchaus motivieren können, dies aber oftmals zeitlich begrenzt tun. Häufig verlieren die Schüler ihre Motivation nach den ersten Unterrichtsminuten wieder. Sogar wenn sie durch den Einstieg für die restliche Unterrichtsstunde motiviert wurden, sehen sie trotzdem, wenn sie Bilanz ziehen, den Einstieg nicht als Faktor an, der ausschlaggebend für ihre Motivation ist. Hier sind persönliche Aspekte, wie z.B. die Abneigung gegen ein Fach, die gute Laune des Lernenden oder auch sein Gesundheitszustand wichtiger. Somit kann der Unterrichtseinstieg zwar als Mittel zur Begünstigung der Motivation gesehen werden, aber nur bedingt als Garant für dieselbe. Da vor allem die intrinsische Motivation ein kaum durchschaubares Phänomen ist, ist es schwer, den Einstieg im Hinblick auf die Motivation zu bewerten. Er kann m.E. durchaus als extrinsisches Motivationsmittel fungieren, aber dies auch meistens nur für den Moment, in dem er stattfindet. Letztendlich ist es die intrinsische Motivation, die den Lernenden auf Dauer zu motivieren vermag, und diese ist von außen nicht 108 nur kaum messbar, sondern auch nur schwer zu beeinflussen. Sicherlich ist dies nicht ganz unmöglich: Man kann diese Art von Motivation durch den Umgang mit den Schülern und den Unterrichtskonzepten beeinflussen, aber schlussendlich entspringt sie immer dem individuellen Inneren des Lernenden. In diesem Sinne ist der Unterrichtseinstieg m. E. und in Anlehnung an die Kriterien von Meyer (1991) 164 als Hinführung oder Vertrautmachung mit dem Thema durchaus ein unabdingbarer Moment eines jeden Unterrichts, aber letztendlich kann man als Lehrer Lernende eher motivieren, indem man ihnen Erfolgserlebnisse, Selbstvertrauen und damit Freude an der Wissenserweiterung vermittelt, so wie das in der Motivationsforschung auch allgemein anerkannt wird. Ebenso ist das Klassenklima die Basis für jede Form von Motivation, denn ein Schüler, der sich gegenüber seiner Mitschüler oder seines Lehrers unwohl fühlt, wird kaum von Unterrichtseinstiegen dauerhaft (intrinsisch) motiviert werden können. Ein etwas gewagter, überraschender und provokativer Einstieg wirkt sich zwar durchaus positiv auf die Motivation aus, aber nur dann, wenn man diese Art Einstiege sparsam einsetzt, denn sonst regen sie die Neugier und das Interesse der Lernende nicht mehr in besonderem Maße an. Letztendlich können aber Einstiege den Schüler nur für den Moment motivieren, also während sie durchgeführt werden. Auf Dauer, d.h. in den jeweiligen Erarbeitungsphasen und vor allem auch durch das gesamte Schuljahr hindurch, sind die Schüler- und Lehrerpersönlichkeit, die SchülerLehrer-Beziehung, das Klassenklima allgemein und die erarbeiteten Themen meiner Meinung nach ausschlaggebender für die Motivation und das Lernen als die Unterrichtseinstiege. Unterschätzt werden dürfen vor allem außerschulische Faktoren nicht: Das Wohlbefinden und Privatleben der Jugendlichen beeinflussen die Motivation stärker als vielleicht angenommen. Wenn die Last der körperlichen bzw. seelischen Probleme zu stark ist, kann auch ein interessanter Einstieg den Schüler nicht motivieren, denn man sollte nicht vergessen, dass Schüler letztendlich auch Menschen und somit nicht immer in der gleichen Verfassung sind. Aus diesem Grund ist und bleibt die Motivation ein schwer durchschaubares und dadurch auch nicht leicht messbares Phänomen. So können Einstiege die Motivation nur stark begrenzt beeinflussen, auch wenn sie die verschiedenen Lerntypen eingehen. 164 Vgl. S. 9 der vorliegenden Arbeit. 109 8.5 Die Messbarkeit des Erfolgs von Unterrichtseinstiegen Für die Lehrperson ist es schwierig, den Erfolg der Unterrichtseinstiege durch das reine Beobachten des Schülerverhaltens zu bewerten. Es ist nicht möglich, den Grad der Motivation genau einzuschätzen, da das Innenleben des Lernenden der Lehrperson verwehrt bleibt. So kann man z. B. nicht wissen, inwiefern Schüler schon vor dem Erscheinen des Lehrers motiviert sind. Ebenso kann schon alleine die Lehrerpersönlichkeit oder das gerade erarbeitete Thema dazu führen, dass die Schüler motiviert bzw. unmotiviert sind, bevor der Unterricht überhaupt begonnen hat. Die Lust auf Unterricht hält sich bei vielen Jugendlichen sowieso in Grenzen, da sie schnell von ihrem außerschulischen Alltag abgelenkt werden und z. B. den zwischenmenschlichen Beziehungen mehr Bedeutung zukommen lassen als dem schulischen Erfolg. Ebenso kann es sein, dass ihnen im Privatleben etwas Negatives widerfahren ist oder dass sie sich nicht wohlfühlen. Insofern ist der Erfolg des Unterrichtseinstiegs vom Zustand des Schülers abhängig und dieser bleibt, wie schon erwähnt, dem Lehrer weitgehend unbekannt. Aus diesem Grund ist es kaum durchschaubar, inwiefern der Unterrichtseinstieg als solcher den Schüler motiviert und ihm das Lernen vereinfacht hat und inwiefern andere Faktoren dafür verantwortlich sind. Ebenso lässt sich deshalb schwer vergleichen, auch das zeigen mir meine Forschungen, wie zwei verschiedene Klassen einer Stufe auf verschiedene Einstiege zu demselben Lernstoff reagieren. Ebenso ist es für Schüler – gerade auf der Unterstufe – sehr schwierig, einen Unterrichtseinstieg zu bewerten, sodass man auch hier als Lehrperson oftmals nicht wirklich zuverlässige und eindeutige Aussagen als Feedback erhält. Auch die objektiv bewertbaren Noten der Schüler können kaum mit den Unterrichtseinstiegen bzw. dem durch sie angeregten Lernprozess in Verbindung gebracht werden, da hier die Vorbereitung der Lernenden, seine Gemütslage, Konzentration und letzten Endes auch alle anderen Komponenten des Unterrichts (Erarbeitungsphasen und Ergebnissicherung) von größerer Bedeutung sind. 110 8.6 Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse Zum Abschluss dieser Arbeit werden die wichtigsten Ergebnisse meines Projekts noch einmal zusammengefasst: Einstiege sind eine unabdingbare Komponente des Unterrichts, da sie diesen eröffnen und den Schülern das jeweilige Thema verdeutlichen. So schaffen sie eine Art Orientierung für Lernende. Einstiege können Schüler motivieren, wenn sie überlegt und abwechslungsreich gestaltet werden, die Neugier und das Interesse der Lernenden wecken und ihnen Erfolgserlebnisse vermitteln. Dies gilt für traditionelle Einstiege und neuartige, unerwartete Einstiege. Der Einstieg allein kann Schüler nicht dauerhaft extrinsisch und vor allem intrinsisch motivieren, sondern lediglich für den Moment. Für die Lernermotivation sind andere Faktoren (Lehrerpersönlichkeit, Klassenklima, Thema, Wohlbefinden der Lernenden, Erfolgserlebnisse…) ausschlaggebend. Die Motivation ist ein schwer durchschaubares Phänomen, sodass der Erfolg der Unterrichtseinstiege nur schwer gemessen werden kann, auch von den Lernenden selbst. So sind Schüler oftmals schon vor dem Erscheinen des Lehrers motiviert, was sie auf ihre gute Laune oder das jeweilige Thema zurückführen. Besonders die Erstere ist vom Lehrer nur schwer einsehbar und beeinflussbar. Ohne ein Mindestmaß an Motivation können Einstiege nicht motivieren. Einstiege können auf sinnvolle Art und Weise mit den verschiedenen Lerntypen verbunden werden und so den Lernprozess fördern. Einstiege können nicht losgelöst von den Lerntypen gestaltet werden. Nicht jeder Einstieg kann jedoch auch alle Lerntypen berücksichtigen. Dies braucht auch gar nicht der Fall zu sein, denn Schüler sollen zudem lernen, auch an ihren schwächer ausgeprägten Sinneskanälen zu arbeiten. Einstiege, die handelnde und visuelle Lerntypen ansprechen, werden von Lernenden besonders positiv bewertet. 111 Es fällt Schülern im Allgemeinen schwer, über Unterrichtseinstiege und Lerntypen nachzusinnen, schon allein deswegen, weil sie die Definition der Ersteren nicht auf die Bearbeitung des Lernstoffs einschränken und sie nicht gewohnt sind, Einstiegen eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Der Einstieg wird oftmals vorschnell als Garant für Motivation und Lernprozesse angesehen. Hierbei werden das Menschsein der Schüler und damit die nur schwer vorauszusehenden Reaktionen und inneren Gefühlszustände sowie Gedanken der Lernenden nicht genügend berücksichtigt. 112 9. Bibliographie Primärliteratur Ganzschriften BIENIEK, Christian: Svenja hat‟s erwischt. Arena Verlag. Würzburg 13. Aufl. DÖRRIE, Doris: Happy. Diogenes Verlag. Zürich 2001. HAUPTMANN, Gerhart: Bahnwärter Thiel. Reclam Verlag. Stuttgart 1970. KERR, Judith: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl. Ravensburger Verlag. Ravensburg 1997. KOERTGE, Ron: Ein viel zu schönes Mädchen. dtv pocket Verlag. München 2008. SACHAR, Louis: Löcher. Die Geheimnisse von Green Lake. Gulliver Verlag. Beltz und Gelberg Verlag. Weinheim und Basel 2002. 2. Aufl. SLEATOR, William: Das Haus der Treppen. dtv pocket Verlag. München 2009. 23. Aufl. SÜSKIND, Patrick: Die Taube. Diogenes Verlag. Zürich 1987. WAHL, Mats: Der Unsichtbare. dtv Verlag. München 2010. 10. Aufl. WELSH, Renate: Drachenflügel. dtv junior Verlag. München 2007. 11. Aufl. ZWEIG, Stefan: Schachnovelle. Fischer Taschenbuchverlag. Frankfurt am Main 2007. 57. Aufl. Texte GEBRÜDER GRIMM: Der goldene Schlüssel. In: Paulsen, Lisa (Hrsg.): Das Märchenbuch. Reclam Verlag. Stuttgart 2003. 2. Aufl. S. 7. HOHLER, Franz: Ein erschreckender Anblick. In: Spinner, Kaspar, H. (Hrsg.): Geschichten7/8. Schroedel Verlag. Braunschweig 2009. S. 100. IRTENJEW, Igor: Der Zettel. In: Spiller-Ewald, Ulla u.a. (Hrsg.): deutsch.ideen 10. Lese-und Sprachbuch. Schroedel Verlag. Braunschweig 2007. S. 108f. MARTI, Kurt: Happy End. In: Diekhans, Johannes (Hrsg.): EinFach Deutsch. Klassische Kurzgeschichten. Schöningh Verlag. Braunschweig, Paderborn und Darmstadt 2008. S. 45. 113 REINIG, Christa: Skorpion. In: Winfried, Ulrich (Hrsg.): Arbeitstexte für den Unterricht. Deutsche Kurzgeschichten. 11.-13. Schuljahr. Reihe Arbeitstexte für den Unterricht. Reclam Verlag. Stuttgart 1973. S. 59. SCHNEIDER, Simone: Louises Tagebuch oder Die Geschichte vom „Ei“. In: Biesemann, Jutta u.a. (Hrsg.): deutsch.punkt 3. Sprach-, Lese und Selbstlernbuch. Gymnasium. Klett Verlag. Stuttgart und Leipzig 2006. S. 60f. Lyrik GOETHE, Johann Wolfgang: An den Schlaf. http://www.gedichte-lyrik-poesie.de/Goethe_An_den_Schlaf/index.html (zuletzt eingesehen am 19.04.2011) GRYPHIUS, Andreas: Es ist alles eitel. In: Colling, Paul u.a. (Hrsg.): Der Brunnen. Vierter Band. Verlag V. Bruck. Luxemburg 1992. 6. Aufl. S. 95. Liedtexte DIE PRINZEN: Millionär. Titel 1 auf dem Album: Das Leben ist grausam. (1991) GLASHAUS: Is„ nur Kino. Titel 12 auf dem Album: Drei. (2005) WIR SIND HELDEN: Du erkennst mich nicht wieder. Titel 5 auf dem Album: Die Reklamation (2003). WIR SIND HELDEN: Guten Tag. Titel 3 auf dem Album: Die Reklamation (2003). Lehrwerke SPILLER-EWALD, Ulla u.a. (Hrsg.): deutsch.ideen 10. Lese-und Sprachbuch. Schroedel Verlag. Braunschweig 2007. SCHUCHART, Elisabeth (Hrsg.) deutsch.punkt 2. Arbeitsheft für Real- und Gesamtschulen sowie verwandte Schulformen. Klett Verlag. Stuttgart und Leipzig 2005. 2. Aufl. BIESEMANN, Jutta u.a. (Hrsg.): deutsch.punkt 3. Sprach-, Lese und Selbstlernbuch. Gymnasium. Klett Verlag. Stuttgart und Leipzig 2006. 114 Sekundärliteratur Didaktische Literatur ARNOLD, Ellen: Jetzt versteh‘ ich das! Bessere Lernerfolge durch Förderung der verschiedenen Lerntypen. Verlag an der Ruhr. Mülheim 2007. ARNOLD, Margret: Brain-Based Learning and Teaching – Prinzipien und Elemente. In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik. Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen. Beltz Verlag. Weinheim und Basel 2006. S. 145-160. BECKER, Gerold u.a. (Hrsg.): Lernen. Wie sich Kinder und Jugendliche Wissen und Fähigkeiten aneignen. Friedrich Verlag. Seelze o.J. FRIEDRICH, Gerhard: »Neurodidaktik« – Eine neue Didaktik? Zwei Praxisberichte aus methodisch-didaktischem Neuland. In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik. Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen. Beltz Verlag. Weinheim und Basel 2006. S. 215-229. GARDNER, Howard: Les intelligences multiples. Pour changer l’école: la prise en compte des différentes formes d’intelligence. Retz Verlag. Paris 1996. GREVING, Johannes und Liane Paradies: Unterrichts-Einstiege. Ein Studienund Praxisbuch. Cornelsen Scriptor Verlag. Berlin 1996. HERRMANN, Ulrich: Gehirnforschung und die neurodidaktische Revision des schulisch organisierten Lehrens und Lernens. In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik. Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen. Beltz Verlag. Weinheim und Basel 2006. S. 111-145. HOLTWISCH, Herbert: Power Pack lernen. Lern- und Arbeitsmethoden für die Klassen 8-10. Schöningh Verlag. Braunschweig 2007. KELLER, Gustav: Lerntechniken von A bis Z. Infos, Übungen, Tipps. Hans Huber Verlag. Bern 2005. MATTES, Wolfgang: Methoden für den Unterricht. 75 kompakte Übersichten für Lehrende und Lernende. Schöningh Verlag. Braunschweig 2009. MENDLER, Allen N.: Uninteressierte Schüler motivieren. Verlag an der Ruhr. Mülheim 2003. MEYER, Hilbert: Unterrichtsmethoden. Band I: Theorieband. Cornelsen Scriptor Verlag. Frankfurt am Main 1994. 6. Aufl. 115 MEYER, Hilbert: Unterrichtsmethoden. Band II: Praxisband. Cornelsen Scriptor Verlag. Frankfurt am Main 1991. PUCHTA, Herbert u.a.: Multiple Intelligenzen im DAF-Unterricht. Aktivitäten für die Sekundarstufe und den Erwachsenenunterricht. Hueber Verlag. Ismaning 2009. ROTH, Gerhard: Warum sind Lehren und Lernen so schwierig? In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik. Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen. Beltz Verlag. Weinheim und Basel 2006. S. 49-60. SCHIRP, Heinz: Wie »lernt« unser Gehirn Werte und Orientierungen? In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik. Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen. Beltz Verlag. Weinheim und Basel 2006. S. 200-215. SCHLAG, Bernhard: Lern- und Leistungsmotivation. 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Anhang Inhalt Anhang 1: S.119 Anhang 2: S.124 Anhang 3: S.127 Anhang 4: S.129 Anhang 5: S.131 Anhang 6: S.133 Anhang 7: S.136 Anhang 8: S.140 Anhang 9: S.142 Anhang 10: S.144 Anhang 11: S.145 Anhang 12: S.147 Anhang 13: S.149 Anhang 14: S.153 Anhang 15: S.156 Anhang 16: S.159 Anhang 17: S.165 117 118 Erste Unterrichtsstunde: Die Beziehung von Emilia und Felix Phase Inhalt Unterrichtsform Motivation Die Beziehung von Standbildbauen Medien Emilia und Felix Erarbeitung I Die Beziehung von Unterrichtsgespräch Standbild Emilia und Felix Buch Erarbeitung II Die Liebe von Fragend-entwickelnd Arbeitsblatt Emilia und Felix mit Zitaten Sicherung Die Liebe von Hausaufgabe Arbeitsblatt Anette und Boris im Vergleich zur Liebe von Emilia und Felix Zweite Unterrichtsstunde: Die Beziehung von Anette und Boris Phase Inhalt Motivation Der Unterrichtsform Mensch als Medien Provokation austauschbares Wesen Erarbeitung I Austauschbarkeit des Schülerbeiträge Menschen Erarbeitung II Austauschbarkeit von Stillarbeit Arbeitsblatt Die Liebe von Anette Fragend- Arbeitsblatt und Boris entwickelnd Die Liebe von Anette Hausaufgabe Anette und Dylan Erarbeitung III Sicherung und Boris im Vergleich zur Liebe von Emilia und Felix 119 Arbeitsblatt Dritte Unterrichtsstunde: Die Beziehung von Charlotte und Dylan Phase Inhalt Motivation Das Nicht-Erkennen Unterrichtsform Medien Hörimpuls Cd-Player Partnerarbeit Arbeitsblatt Fragend- Tafel, Heft des Partners Erarbeitung I Vergleich des Liedinhalts mit Charlottes Situation Erarbeitung II Sicherung Die Beziehung von Charlotte und Dylan entwickelnd Vergleich Hausaufgabe von Arbeitsblatt Charlotte und Dylan mit den anderen beiden Paaren Vierte Unterrichtsstunde: Die Beziehung zwischen den sechs Freunden Phase Inhalt Motivation Vergleich der drei Unterrichtsform Medien Schülerbeiträge Arbeitsblatt (Verbesserung der Paare Hausaufgabe) Erarbeitung I Die Beziehung Partnerarbeit Arbeitsblatt Stillarbeit Heft Hausaufgabe Arbeitsblatt zwischen den sechs Freunden Erarbeitung II Die Beziehung zwischen den sechs Freunden Sicherung Das Experiment 120 Fünfte Unterrichtsstunde: Die Wette Phase Inhalt Motivation Die Rolle Wetteinsätze Erarbeitung I Unterrichtsform Medien und Schülerbeiträge Arbeitsblatt der (Verbesserung der einzelnen Personen Hausaufgabe) Das Experiment Fragend- Arbeitsblatt, entwickelnd Tafel, Heft, Buch Erarbeitung II Der mögliche Ausgang Gesprächsrunde des Experiments Sicherung Das Experiment Hausaufgabe Arbeitsblatt Sechste Unterrichtsstunde: Das Experiment Phase Inhalt Unterrichtsform Motivation Das Experiment Nachgespieltes Medien Experiment Erarbeitung I Das Experiment Fragend- Arbeitsblatt, entwickelnd Tafel, Buch Erarbeitung II Sinn des Experiments Gesprächsrunde Sicherung Die Hausaufgabe Bedeutung des Experiments für Charlotte und Dylan 121 Heft Heft, Siebente Unterrichtsstunde: Charlotte und Dylan nach dem Experiment Phase Inhalt Unterrichtsform Medien Motivation Charlottes Leiden Schülerbeiträge Textstelle aus dem Buch Erarbeitung I Erarbeitung II Fragend- Tafel, entwickelnd Buch Belastungsfaktoren für Fragend- Tafel, das entwickelnd Buch Charlotte und Dylan Schülerbeiträge Tafel, Heft nach dem Experiment (Verbesserung der Dylans Leiden Paar Charlotte Heft, Heft, und Dylan Erarbeitung III Hausaufgabe) Erarbeitung IV Bedeutung des Experiments für das Fragend- Tafel, Heft entwickelnd Paar Sicherung Anette und Boris nach Hausaufgabe Buch dem Experiment Achte Unterrichtsstunde: Anette und Boris nach dem Experiment Phase Inhalt Unterrichtsform Medien Erarbeitung I Anette und Boris nach Einzelarbeit Arbeitsblatt Schülerbeiträge Arbeitsblatt, dem Experiment Erarbeitung II Anette und Boris nach dem Experiment Sicherung Emilia und Felix nach Tafel Hausaufgabe dem Experiment 122 Buch Neunte Unterrichtsstunde: Emilia und Felix nach dem Experiment Phase Inhalt Unterrichtsform Medien Motivation Emilia und Felix nach Standbild Textstelle aus dem Experiment dem Buch Erarbeitung I Emilia und Felix nach Unterrichtsgespräch dem Experiment Erarbeitung II Standbild, Buch Handeln und Denken Fragend- Tafel, Heft, des Paares nach dem entwickelnd Buch Fragend- Tafel, Heft Experiment Erarbeitung III Bedeutung des Experiments für das entwickelnd Paar Sicherung Vergleich Paare der nach drei Hausaufgabe Arbeitsblatt dem Experiment Zehnte Unterrichtsstunde: Kommunikation und Vergleich der drei Paare nach dem Experiment Phase Inhalt Motivation Die Bedeutung Kommunikation der Unterrichtsform Medien Schülerbeiträge Textstelle in aus „Happy“ Erarbeitung I Die dem Buch Kommunikation Einzelarbeit Heft drei Schülerbeiträge Arbeitsblatt dem (Verbesserung der der drei Paare Erarbeitung II Vergleich Paar Sicherung der nach Experiment Hausaufgabe) Feedback zu „Happy“ Gesprächsrunde 123 Travail de candidature Nathalie WAGENER 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165