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Werkstatt: Praxis Heft 79 ImmoKlima Immobilien- und wohnungswirtschaftliche Strategien und Potenziale zum Klimawandel Ein Projekt des Forschungsprogramms „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) betreut vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundedesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Werkstatt: Praxis In der Schriftenreihe Werkstatt: Praxis veröffentlicht das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) ausgewählte, praxisorientierte Ergebnisse aus der Ressortforschung. IMPRESSUM Herausgeber Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS), Berlin Wissenschaftliche Begleitung Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bonn Bearbeitung Institut Wohnen und Umwelt GmbH (IWU), Darmstadt Iris Behr (Projektleitung) Dr. Christian v. Malottki Martin Vaché Peter Werner Andrea Ratschow Nassauische Heimstätte, Frankfurt a.M./Weimar Hans Fürst Andrea Just Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bonn Ute Birk (Leitung) Redaktion Institut Wohnen und Umwelt GmbH (IWU), Darmstadt Iris Behr Druck DCM Druck Center Meckenheim GmbH Bestellungen forschung.wohnen@bbr.bund.de, Stichwort: Werkstatt: Praxis 79 Nachdruck und Vervielfältigung Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit genauer Quellenangabe gestattet. Bitte senden Sie uns zwei Belegexemplare zu. Die vom Auftragnehmer vertretene Auffassung ist nicht unbedingt mit der des Herausgebers identisch. ISSN 1436 - 0063 (Schriftenreihe) ISBN 978-3-87994-980-9 Werkstatt: Praxis Heft 79 Berlin 2012 Inhalt Zusammenfassung / Abstract 1 Themenstellung 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 2 3 4 5 6 7 8 8 13 Klimaschutz und Klimaanpassung als Herausforderungen des Klimawandels 13 Klimaschutz als Herausforderung für die Immobilienwirtschaft 13 Klimaanpassung als Herausforderung für die Immobilienwirtschaft 15 Synergien und Konflikte zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung 20 Struktur der Immobilien- und Wohnungswirtschaft 21 Forschungsleitfragen 24 Auswahl der Pilotprojekte26 Technologie- und Innovationsstrategie 29 2.1 Technologieeinsatz: Motive und Ziele 2.2 Handlungsstrategien im Technologieeinsatz 2.3Fazit 29 33 34 Akteurslogiken und Kooperationen 35 3.1 Klima- und sonstige Ziele die in Kooperationen verwirklicht werden 3.2 Einflussgrößen gelungener Kooperationen 3.3 Kooperation mit professionellen Partnern 3.4 Kooperation mit unbezahlten Fachleuten und unbezahlten Ehrenamtlichen 3.5 Kooperation mit den Bewohnern 3.6 Kooperation mit Politik und Verwaltung 3.7 Kooperation bei der Energie- und Wärmeversorgung 3.8Fazit 35 38 38 39 40 40 42 43 Marktstrategien und wirtschaftlicher Nutzen 44 4.1 Unternehmensziele und Leitbilder 4.2 Marktstrategien bei kommunalen Projektentwicklungen 4.3 Marktstrategien bei kommerziellen Projektentwicklungen 4.4 Marktstrategien von Bestandshaltern 4.5 Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsbewertung 4.6 Wirtschaftlichkeitsbewertung bei kommerziellen Projektentwicklungen 4.7 Wirtschaftlichkeitsbewertung bei Bestandshaltern 4.8Fazit 44 46 46 47 48 48 49 52 Beitrag der Immobilien- und Wohnungswirtschaft zu integrierten Klimakonzepten 53 5.1 Synergien und Konflikte zwischen immobilienwirtschaftlichen und klimapolitischen Zielen 5.2 Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepte in Kommunen 5.3 Die Immobilien- und Wohnungswirtschaft als Adressat von Klimaschutzkonzepten 5.4 Mitwirkungsbereitschaft der Immobilien- und Wohnungswirtschaft bei der Erstellung von integrierten Klimaschutzkonzepten 5.5 Mitwirkung der Immobilien- und Wohnungswirtschaft bei der Erstellung von integrierten Klimaschutzkonzepten 5.6Fazit 53 53 54 Klimaanpassung und Risikomanagement 60 6.1Einführung 6.2 Transparenz und Wahrnehmung von Risiken 6.3 Defizite im Versicherungsmarkt 6.4 Kompensationsforderungen an die öffentliche Hand 6.5Fazit 60 60 62 63 63 Rahmenbedingungen: Recht, Förderung, Governance (gute Verwaltung) 64 7.1 Rechtliche Instrumente 7.2 Ökonomische Instrumente 7.3 Informelle Instrumente: Information, Beratung, Forschung 7.4Fazit 64 66 68 68 Schlussfolgerungen und Handlungserfordernisse 69 55 57 59 Literaturverzeichnis 9 10 11 12 13 14 15 Marienhöhe in Berlin-Tempelhof: Integrierte Energie-, Modernisierungsund Nutzerkonzepte im Quartier77 9.1 Das Projekt – Ausgangssituation 9.2Projektziele 9.3 Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete 9.4Projektforschung 78 80 80 82 Klimapakt Hamburg-Niendorf Nord: Integrierte Energie-, Modernisierungs- und Nutzerkonzepte für 60er-Jahre-Bestände 83 10.1 Das Projekt – Ausgangssituation 10.2Projektziele 10.3 Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenbündel 10.4Projektforschung 83 84 85 86 Möckernkiez in Berlin-Kreuzberg: Integrierte nachhaltige Entwicklung eines neuen Stadtquartiers durch private Akteure 87 11.1 Das Projekt – Ausgangssituation 11.2Projektziele 11.3 Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete 11.4Projektforschung 88 89 89 90 Interkulturelle Bildungs- und Begegnungsstätte Bodhicharya in Berlin-Friedrichshain 91 12.1 Das Projekt – Ausgangssituation 12.2Projektziele 12.3 Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete 12.4Projektforschung 92 93 94 95 Klima, Umwelt und Soziales im Leitbild des Siedlungswerkes Stuttgart 96 13.1 Der Projektrahmen 13.2 FreiburgLeben 13.3 SeelbergWohnen in Stuttgart-Bad Cannstatt 13.4Projektforschung 96 98 100 101 Nachhaltige Unternehmensstrategie der Thierergruppe 102 14.1 Der Projektrahmen 14.2 Residenz Bellevue in Günzburg 14.3 Lechpark in Augsburg-Hochzoll 14.4 Prinz-Eugen-Park (PEP) in Günzburg 14.5Projektforschung 102 103 105 107 109 Solarenergetische Siedlung Marienhöhe in Erfurt: Projektentwicklung einer solarenergetischen Siedlung110 15.1 Das Projekt – Ausgangssituation 15.2 Projektziele 15.3 Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete 15.4Projektforschung 16 72 110 112 113 114 „SolarGardenCity“ in Hoyerswerda; Klimagerechte Inwertsetzung von Stadt115 16.1 Das Projekt – Ausgangssituation 16.2 Projektziele 16.3 Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete 16.4Projektforschung 115 116 117 118 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Karte der Klima-Anfälligkeitsraumtypen 19 Abbildung 2: Akteure der Immobilien- und Wohnungswirtschaft 21 Abbildung 3: Baualtersverteilung deutscher Wohngebäude 23 Abbildung 4: Integrierte Wohnungs- und Immobilienwirtschaftliche Strategien zum Erreichen der Klimaziele 25 Abbildung 5: Lage der Pilotprojekte 27 Abbildung 6: Einordnung der Akteursrolle der Immobilien- und Wohnungsunternehmen bei kommunalen Klimastrategien 57 Abbildung 7: Lageplan des Gesamtgebietes mit Projektgebiet 77 Abbildung 8: Marienhöhe in Berlin-Tempelhof: Bestand vorher mit Gebäudeeinschnitten (links) und Bestand nachher mit 16 cm Wärmedämmung-Metallkassetten-Fassade und Schließung der Gebäudeeinschnitte 78 9: Berlin-Tempelhof Marienhöhe 82 Abbildung 10: Übergabe des E-Autos an Stromtankstelle 82 Abbildung 11: Lage der Quartiere I - III 83 Abbildung 12: Hamburg-Niendorf Nord: Modernisiertes Hochhaus (oben) und saniertes Hochhaus mit Solarfassade (unten) 86 Abbildung 13: Möckernkiez in Berlin-Kreuzberg: Bebauungsplan 87 Abbildung 14: Möckernkiez in Berlin-Kreuzberg: Besichtigung des Baufeldes und Alte Gleistrasse 88 Abbildung 15: Berlin-Friedrichshain: Lageplan des Quartiermanagementgebietes Boxhagener Platz mit Projektstandort 91 Abbildung 16: Berlin-Friedrichshain: Neugestaltung des Hofgarten 92 Abbildung 17: Siedlungswerk Stuttgart: Struktur der Projektentwicklung 97 Abbildung 18: FreiburgLeben: Wettbewerbsentwurf des Projektes, Lageplan und Modell 98 Abbildung 19: FreiburgLeben 98 Abbildung Abbildung 20:Stuttgart-Bad Cannstadt SeelbergWohnen 100 Abbildung 21: Stuttgart-Bad Cannstadt SeelbergWohnen 101 Abbildung 22: Residenz Bellevue in Günzburg: Bilder aus dem Quartier 104 Abbildung 23: Lechpark in Augsburg-Hochzoll 106 Abbildung 24: Prinz-Eugen-Park (PEP) in Günzburg: Vorhaben- und Erschließungsplan 108 Abbildung 25: Erfurt Marienhöhe, Lageplan 110 Abbildung 26: Gelände Marienhöhe in Erfurt 111 Abbildung 27: „SolarGardenCity“ in Hoyerswerda: Bilder aus dem Quartier 118 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Technologische Lösungen in den Pilotprojekten 30 Tabelle 2: Erfolgsversprechende Kooperationen in den Pilotptojekten 36 Tabelle 3: Leitbilder und Marktstrategien an den Pilotstandorten 45 Tabelle 4: Entwicklung der Mieten im Quartier Marienhöhe (Bestand) 51 Tabelle 5: Kommunale Konzepte der Gemeinden in den Pilotstandorten 55 Tabelle 6: Beiträge der Projektträger zu Klimaschutzkonzepten und Stadtentwicklung an den Pilotstandorten 58 Tabelle 7: Rahmenbedingungen: Recht und Förderung an den Pilotstandorten 65 Tabelle 8: Marienhöhe in Berlin-Tempelhof: Das Wichtigste in Kürze 79 Tabelle 9: Hamburg-Niendorf Nord: Das Wichtigste in Kürze 84 Tabelle 10: Möckernkiez in Berlin-Kreuzberg: Das Wichtigste in Kürze 87 Tabelle 11: Bodhicharya in Berlin-Friedrichshain: Das Wichtigste in Kürze 91 Tabelle 12: Siedlungswerk Stuttgart: Das Wichtigste in Kürze 96 Tabelle 13: Thierergruppe: Das Wichtigste in Kürze 102 Tabelle 14: Erfurt-Marienhöhe: Das Wichtigste in Kürze 110 Tabelle 15: „SolarGardenCity“ in Hoyerswerda: Das Wichtigste in Kürze 115 Abkürzungsverzeichnis BBR Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBSR Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BGB Bürgerliches Gesetzbuch BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung CO2 Kohlendioxid CSR Corporate Social Responsibility DAS Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel eG Eingetragene Genossenschaft EnEV Energieeinsparverordnung EPBD Energy Performance of Buildings Directive EU Europäische Union e.V. Eingetragener Verein ExWoSt Experimenteller Wohnungs- und Städtebau GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts IPPC Intergovernmental Panel on Climate Change IWU Institut Wohnen und Umwelt IzR Informationen zur Raumentwicklung KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau KWK Kraft-Wärme-Kopplung NH Nassauische Heimstätte PEP Prinz-Eugen-Park ZÜRS Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen ImmoKlima 8 Zusammenfassung Die Prognosen des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen zeigen bis zum Jahr 2100 die Verschärfung und Beschleunigung der heute schon beobachteten Klimaänderungen. Extremwitterungen werden an Häufigkeit und Intensität zunehmen. Internationale und nationale Prognosen und Untersuchungen rechnen deshalb mit erheblichen Kosten für die Behebung von Klimaschäden und für Anpassungsmaßnahmen. Klimaschutz: Ziele, Maßnahmen und Beiträge der Immobilienwirtschaft Deutschland will die Treibhausgase bis 2020 um bis zu 40 % gegenüber den Emissionen des Jahres 1990 senken. Die zentralen Handlungsbereiche dafür sind die Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden, die Umstellung auf weniger klimaschädliche Mobilität, die zunehmende Deckung des Energiebedarfs durch regenerative Energieträger und der Ausbau der Versorgungsinfrastruktur zum Transport der regenerativ erzeugten Energie. Hier ist die Immobilienwirtschaft gefordert. Es gilt, die Potenziale im Gebäudebereich für die Reduktion des Energieverbrauchs und die daraus folgende Verringerung der CO2-Emissionen zu heben. Die Immobilien- und Wohnungswirtschaft – in „ImmoKlima“ durch die acht Pilotprojekte repräsentiert – werden tätig durch die Einsparung von Energie und den Einsatz erneuerbarer Energien und durch die Realisierung energieeffizienter Siedlungsstrukturen. Als Abnehmer von Energie aus erneuerbaren Energieträgern und nachhaltigen Produkten in Bau- und Nutzungsphase bestehen Einflussmöglichkeiten auf die Energieerzeugung und die Produktherstellung. Zudem ist die Förderung eines klimagerechten Nutzerverhaltens für einige Pilotprojekte ein zentraler Ansatzpunkt. Auswirkungen des Klimawandels auf die Immobilienwirtschaft? Schon jetzt erkennbare Phänomene, wie steigende Jahresdurchschnittstemperaturen, ansteigende Luftfeuchtigkeit, Zunahme von Hitzewellen und Trockenheit im Sommer sowie von winterlichen Niederschlägen, Winterstürmen und vermehrte Hochwassergefahr im Winter und Frühjahr, haben bislang noch geringe bis mäßige Auswirkungen auf die einzelnen Immobi- Werkstatt: Praxis Heft 79 lien. Für die Immobilien- und Wohnungswirtschaft sind die Risiken im Wesentlichen noch versicherbar. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass bei zunehmender Intensität und Häufigkeit der Extremwetterereignisse mittel- und langfristig der Handlungsdruck auf die Immobilienwirtschaft zunehmen wird. Die Immobilieneigentümer benötigen mehr Transparenz und Informationsgrundlagen zur Einschätzung zukünftiger Risiken durch Extremwetterereignisse, die in einem bundesweiten Geoinformationssystem zu Klimarisiken (GIS-ImmoRisk), das bis 2016 im Auftrag des BMVBS/BBSR erarbeitet wird, bereitgestellt werden sollen. Synergien und Konflikte zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung Zwischen Klimaschutz, Klimaanpassung und weiteren Zielsetzungen, ausgelöst aus unterschiedlichen privaten und öffentlichen Interessenslagen, bestehen sowohl Synergien als auch Zielkonflikte. So verlangt die wirtschaftliche Grundstücksausnutzung häufig eine städtebauliche Dichte, die mit den Freiflächenansprüchen eines gesunden Stadtklimas kollidieren kann. Ein durchgrüntes Quartier bietet für Bewohner und Bewohnerinnen große Aufenthaltsqualität, die auf den Wert der Immobilie ausstrahlt und im Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit erhöht. Baumbestand im Quartier schafft bioklimatische Entlastung durch die Beschattung, schränkt aber gleichzeitig den Einsatz von Solaranlagen ein. Klimarelevante Festsetzungen (z. B. zum Hochwasserschutz, Frischluftschneisen, geringe Verdichtung) reduzieren die Grundstücksausnutzung bzw. erfordern investive Maßnahmen, die sich im Grundstückspreis spiegeln. Mit integrierten Strategien die Klimaziele erreichen „ImmoKlima“ nimmt die Potenziale und Beiträge der Immobilien- und Wohnungswirtschaft zum Erreichen der Klimaziele in den Blick. Die Unternehmensstrategien bei Projektentwicklung und bewirtschaftung und die Kooperationen zwischen den Akteuren stehen im Fokus der Betrachtung. Bei der Wirtschaftlichkeit der Strategien und Maßnahmen werden nicht nur betriebswirtschaftliche Aspekte, sondern solche der Unternehmensrendite (Corporate Social Responsibility), Leitbilder und Unternehmensziele berücksichtigt. Neben den Möglichkeiten der Immobilien- und Wohnungswirtschaft, auf lokale und regio- Zusammenfassung nale Konzepte Einfluss zu nehmen, werden Handlungsbedarfe und -möglichkeiten in den Bereichen Gesetzgebung, Förderpolitik und Informationsgrundlagen untersucht und entsprechende Empfehlungen kommuniziert. Die aufgeworfenen Forschungsfragen werden in „ImmoKlima“ von und mit acht Pilotprojekten bearbeitet. Diese repräsentieren Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, Eigentümer mit unterschiedlich stark ausgeprägter Institutioneller Gemeinwohlverpflichtung. Durch die Integration von alternativen Wohnprojekten wurden Konstellationen untersucht, welche in ihrem Professionalisierungsgrad teilweise ähnlich wie private Einzeleigentümer agieren. Technologie- und Innovationsstrategie Klimaschutz- und –anpassungsmaßnahmen, wie sie von den Pilotprojekten durchgeführt werden, verbinden bautechnische Maßnahmen an einzelnen Gebäuden (zur Energieeffizienz, Lüftung, Verschattungsanlagen zum Hitzeschutz) mit Konzepten und Lösungen für das Quartier (z. B. zur Schaffung von Elektromobilität, durch Energieversorgungskonzepte oder Grünkonzepte). Dabei binden sie die lokalen Ressourcen und das räumliche Umfeld des Gebäudes zu verschiedenen Zwecken, wie Energieerzeugung durch Abwasserwärme und Nutzung vorhandener Heizwerke und zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität und der Freiflächengestaltung, in die Gesamtplanung ein. Der Technologieeinsatz der Pilotprojekte entfaltet eine dreifache Wirkung: Er ist Innovationsträger, der oft durch verschärfte Anforderungen im Ordnungsrecht vorangetrieben wird. Technologie setzt auf langfristig angelegtes kooperatives Handeln und fördert damit die Sozialkapitalbildung. Durch die Verbindung mit sozialen, ökologischen und ökonomischen Wertvorstellungen werden neue Leitbilder der Nachhaltigkeit durch den Technologieeinsatz geschaffen (Corporate Social Responsibility). Kooperationen auf Augenhöhe Die Pilotprojekte arbeiten in bekannten und vertrauten Kooperations- und Organisationsstrukturen (im sozialen Bereich zur Stabilisierung von Quartieren und zur Minderung von Mietrückständen und Fluktuation). Sie erweitern damit das eigene Geschäftsfeld und können eine umfassende Aufgabenerfüllung sicherstellen und integrieren quartiersbezogene, gebäudebezogene und nutzerbezogene Maßnahmen 9 zur Erreichung der Klimaziele (z. B. Smart Metering, Hinwirken auf klimabewusstes Verbrauchsverhalten, Förderung der Elektromobilität, Einkauf von energieeffizienten Haushaltsgeräten). Konkrete gemeinsame Ziele, verbindlich geregelt, Interessensausgleich, transparenter und wertschätzender Umgang unter den Beteiligten sind die Voraussetzungen für gelungene Kooperationen. Um die technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Anforderungen der Projekte zu bewältigen, ist kooperatives Verwaltungshandeln unter voller Ausschöpfung des geltenden Rechts erforderlich. Marktstrategien und Wirtschaftlichkeit Der wirtschaftliche Nutzen umfasst bei den Pilotprojekten nicht nur das konkrete Objekt sondern häufig auch das Quartier (z. B. bei der Energieversorgung) das Image des Unternehmens und den sozialen Auftrag, der sich aus dem Unternehmensleitbild ergibt. Bei den Marktstrategien der kommunalen Projektentwickler konkurrieren häufig langfristig angelegte integrierte Klimastrategien mit kurzfristigen haushalterischen Verwertungsinteressen. Die kommerziellen Projektentwickler nutzen häufig schwierige Grundstücks- bzw. Eigentumssituationen als Wettbewerbsvorteil bei der Grundstücksakquisition, indem sie neben der Berücksichtigung öffentlicher und sozialer Belange besonders innovative Lösungsansätze unter Einbindung lokaler Ressourcen anbieten. Die Entwicklung von ziel- und nachfragegerechten Angeboten mit einem bestimmten energetischen und technologischen Standard erfordert die präzise Kenntnis des lokalen Wohnungsmarktes. Bestandshalter haben einerseits geringere Spielräume durch vorgegebene Bestände und vorhandene Mieter und Mieterinnen, andererseits eröffnet der Umstand, Investor und Betreiber zu sein, die Bandbreite an Lösungen zur Verteilung von Investitions- und Betriebskosten. Fordern – Fördern – Informieren Bei der Beforschung der acht Pilotprojekte hat sich gezeigt, dass die Verschärfung energetischer Anforderungen in Verbindung mit weiteren ordnungsrechtlichen Regelungen die Rentierlichkeit von Investitionen erschweren, jedoch können sie gleichzeitig technologische Innovationen und kreative Lösungen vorantreiben. Besonders anreizwirksam hat sich hierbei das Zusammenspiel aus gesetzlicher Norm und dem relativ zum gesetzlichen Standard höheren Effizi- ImmoKlima 10 Werkstatt: Praxis Heft 79 enzniveau der KfW-Förderstufen gezeigt. Die Pilotprojekte zeigen mit der Förderkulisse zufrieden, erwarten jedoch mehr Verstetigung bei der Förderung und die Verbesserung des Zugangs zu Informationen. Die Anpassung vorhandener bzw. die Schaffung akzeptierter und umsetzbarer Zielvorgaben und Normen werden gewünscht, um auf Klimaänderungen und die damit verbundenen Anpassungserfordernisse zu reagieren. Somit wird insgesamt kein Bedarf an neuen Gesetzen gesehen – eher geht es um den Abbau des Vollzugsdefizits. Bei der Anwendung des geltenden Rechts werden individuell gemeinsam ausgehandelte, Vertragslösungen dem hoheitlichen Handeln vorgezogen. Abstract Trotz der großen Bedeutung der Immobilien- und Wohnungswirtschaft für das Erreichen der Klimaziele findet noch relativ wenig Austausch mit der öffentlichen Hand statt, wenn es um die Entwicklung von übergeordneten Konzepten und neuen Lösungsansätzen geht. Deshalb ist das Know how und der Innovationstransfer aus der professionellen Immobilien- und Wohnungswirtschaft in die kommunale Praxis und zu den Privateigentümern wichtig. Dies ist möglich durch Beförderung des Dialogs und individuelle Klimavereinbarungen auf lokaler Ebene zwischen der Immobilienwirtschaft, der Kommune, dem Senat oder dem Land sowie durch den Erfahrungsaustausch über Energie-Benchmarks von Vorreiterprojekten unter Marktbedingungen. Zur Einschätzung zukünftiger Klimarisiken und als Entscheidungsgrundlage für Investitionen zu Anpassungsmaßnahmen sind detaillierte Informationen und zielgruppengerechte Instrumente erforderlich. Germany plans to reduce the greenhouses gas emissions by 2020 by up to 40% compared with the emissions of 1990. In order to reach this goal, the energy efficiency of dwellings has to be increased, mobility has to become less climate-damaging, the energy demand needs to be increasingly covered by renewable energies and an adequate network for transporting renewable energies is required. The real estate and housing sector is put to the test. The aim is to use the potentials of buildings to reduce the energy consumption and to consequently reduce greenhouses gas emissions. According to the forecast of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), the already visible climate change will aggravate and accelerate by 2100. Weather extremes will increase both in respect to frequency and intensity. Consequently, international and national forecasts and surveys foresee significant costs for repairing climate -related damages and carrying out adaptation activities. Climate Protection: goals, measures and contribution of the real estate sector The real estate and housing sector - in the context of ImmoKlima represented by eight pilot projects –contributes by launching energysaving measures, by using renewable energies and by creating energy-efficient urban settlements. As it is a consumer of renewable energies and a user of sustainable construction products during construction and use, it may influence energy production and the production of constructions. Some pilot projects put special emphasis on enhancing the climateoriented behavior of their tenants. Does the climate change already show an impact on the real estate sector? Visible phenomena such as the increase of the yearly average temperature, the increase of humidity, heat spells and droughts during summer as well as the increase of rain falls, thunder storms and an increased risk of flood during winter and spring have not yet touched individual properties to a remarkable extent. So far, the real estate and housing sector is able to cover the risks by means of insurances. However, it is envisaged that, due to increasing intensity and frequency of weather extremes, the pressure to act will increase. Real estate owners need Abstract more transparency and further information in order to assess future risks of weather extremes. A tool based on geographic information (GIS-ImmoRisk) is commissioned by the BMVBS/BBSR and elaborated for Germany and will be delivered until 2016. Synergies and conflicts between climate protection and climate adaptation There are both synergies and conflicts of interests between climate protection, climate adaptation and other goals to be taken into consideration by different private and public players. An economic sound exploitation of a plot of land requires a certain settlement density which may conflict with the demand for open spaces needed for a healthy local climate. A green area offers high residential qualities for the inhabitants thus influencing the value of the real estate and increasing the competitiveness of the housing company. A quarter staffed with trees improves the microclimate due to its shading effects, however, reduces the application of solar panels. Climate-related planning regulations (for example for flood water protection, open spaces for fresh air, low building density) reduce the exploitation of the building plot and require investments with an impact on the purchase price. Reaching the climate goals by means of integrated strategies ImmoKlima looks at the potentials and contributions of the real estate and housing sector for reaching the climate goals. The focus is on company strategies in the field of project development and management as well as cooperation amongst stakeholders. The effectiveness of the strategies and activities is not only defined by economic aspects but includes corporate social responsibility, visions and company goals. Besides the possibilities of the real estate and housing sector to influence local and regional concepts, the demands for further changes in legislation, funding and information are analysed and relevant recommendations are communicated. The questions raised in the context of ImmoKlima are answered by and with the eight pilot projects. They represent jointstock companies and housing cooperatives, owners that differ in respect to their relevant institutional obligation to public welfare. The integration of alternative housing projects allowed for looking into different constellations which, in terms of their professional degree, sometimes operate similar to private landlords. 11 Technology and innovation strategy Climate protection and climate adaptation activities, as shown by the pilot projects, combine con-structive measures executed on buildings (energy efficiency, ventilation, shading for heat protection) with concepts and solutions addressing the quarter (for example electro mobility, energy supply concepts or greening concepts). The strategy brings together local resources and the nearby environment of the dwelling for different reasons such as energy production by using the heat of waste water, optimising existing power plants, improving outdoor qualities and shaping free spaces. There is a threefold impact of the pilot projects’ technologies: They imply innovation, quite often promoted by tightened legal restrictions. Technologies are based on long-term cooperation and thus enhance social capital generation. By connecting social, ecological and economic values, new guiding principles of sustainability are generated. Cooperation on equal terms The pilot projects operate in well established and familiar cooperative and organizational structures (in the social context in order to stabilize housing areas and reduce rent arrears and fluctuation). They thus enlarge their business segment, guarantee a comprehensive execution of tasks and integrate quarter-related, building-related and user-related measures to reach the climate goals (such as smart metering, enhancing climate-oriented behavior supporting electro mobility, purchasing energy-efficient household appliances). Precise common goals, binding for all partners, balance of interests, transparent and respectful social manners amongst stakeholders are prerequisites for successful cooperation. Cooperative administrative action with the full coverage of the established law is required in order to cope with the technical, economic and organizational demands of the projects. Market strategies and effectiveness In the context of the pilot projects, the economic benefit is not only restricted to concrete constructions but also covers local quarters (for example in the field of energy supply) the image of a company as well as the social mandate deriving from a company’s vision. Market strategies of municipal project developers often show competition between integrated long-term climate strategies and short-term fiscal interests. Commercial project developers often ImmoKlima 12 benefit from complicated real estates or ownership situations while they try to acquire properties by offering innovative solutions and integrating local resources apart from considering public and social requirements. The development of target-orientated offers covering a certain energy and technology standard demands detailed knowledge about local housing markets. Housing companies face less leeway in handling stock and tenants; nevertheless, investments and operation costs are easier to be distributed as they are both investors and managers of the housing stock. Demanding – funding – information campaigning The inquiry of the eight pilot projects showed that, due to stricter energetic demands combined with legal regulations, the cost effectiveness of investment becomes more difficult. At the same time, technological innovation and creative solutions are pushed. The interaction of legal norms and KfW funding, demanding higher energy efficiency than the legal standard, are of particular interest. The pilot projects are content with the funding structure, however, they expect more continuity in the field of funding and improved access to information. Adapta- Werkstatt: Praxis Heft 79 tion of existing and creation of acceptable and applicable benchmarks and norms are expected in order to react to climate change and related adaption needs. All in all, no need is seen for new legal regulations – but norms need to be better executed. While applying the law, consensually elaborated contracts are preferred to mandatory regulation. Despite the housing and real estate sector’s huge impact on reaching the climate goals, there is still little exchange between the sector and the public sector when it comes to the development of overall concepts and new solutions. Therefore, transferring knowhow and innovation from the housing and real estate sector to the local level as well as to private landlords is important. This can be realised by enhancing the dialogue and by means of individual climaterelated agreements between the real estate and the housing sector, municipalities and federal states. Exchange of experiences on energy benchmarks of pioneer projects working under market conditions is also helpful. Detailed information and well-targeted instruments are needed to assess future climate risks as well as to take profound decisions on investments in adaptation activities Themenstellung 1 Themenstellung 1.1 Klimaschutz und Klimaanpassung als Herausforderungen des Klimawandels Die Prognosen des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen1 zeigen bis zum Jahr 2100 eine Verschärfung und Beschleunigung der heute beobachteten Klimaänderungen. Extremwitterungen werden an Häufigkeit und Intensität zunehmen. Stern2 rechnet bei Untätigkeit weltweit mit Kosten von 5 bis 20 % des globalen Bruttoinlandsproduktes. Dies würde sich auf die Ökonomie in Europa wie auch in Deutschland negativ auswirken. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung3 müsste die deutsche Volkswirtschaft in den kommenden 50 Jahren bis zu 800 Mrd. US$ für die Behebung von Klimaschäden, erhöhte Energiekosten und Anpassungskosten aufwenden. Durch unverzügliches Handeln könnten enorme Schäden vermieden werden. Auf der internationalen Ebene hat die Weltgemeinschaft das Langfristziel, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen, in Kopenhagen im Dezember 2009 in der Kopenhagen-Vereinbarung festgehalten und 2010 in Cancún erstmals offiziell anerkannt4. Der Klimawandel ist daher eine zentrale und gesamtgesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit. Als sicher gilt, dass sich der Klimawandel sowohl auf die Natur als auch auf Wirtschaft und Gesellschaft in erheblichem Maße auswirken wird. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ergeben sich zwei zentrale politische Handlungsfelder: • Der Klimaschutz zielt auf die Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels (Mitigation) und damit die Reduzierung schädlicher Treibhausgase. Dies hält einen Anstieg der weltweiten Temperaturen zumindest in Grenzen. Zentrale Ansatzpunkte sind die Reduktion des Energieverbrauchs (Suffizienzstrategie), die Steigerung der Energieeffizienz und die Deckung des Restbedarfs durch Nutzung regenerativer Energiequellen. • Die Klimaanpassung (Adaptation) zielt auf die Verringerung der Verwundbarkeit (Vulnerabilität) und die Stärkung der Wi- 13 derstandsfähigkeit (Resilienz) von Wirtschaft und Gesellschaft gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels, die nicht mehr verhindert werden können. 1.2 Klimaschutz als Herausforderung für die Immobilienwirtschaft Ziele Das Bundeskabinett hat mit dem Integrierten Energie- und Klimaprogramm (IEKP) im August 2007 konkrete Maßnahmen zur Erfüllung der Energieeinsparziele bis 2020 festgelegt. Deutschland will die Treibhausgase bis 2020 um bis zu 40 % gegenüber den Emissionen des Jahres 1990 senken. Mit dem Energiekonzept der Bundesregierung vom 28.09.2010 sowie dem Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Energiewende vom 06.06.2011 im Nachgang zur Atomreaktorkatastrophe in Fukushima wurden die Ziele bis 2050 fortgeschrieben und die konzeptionellen Strategien weiterentwickelt. Die zentralen Handlungsbereiche umfassen die Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden, die Umstellung auf weniger klimaschädliche Mobilität, die zunehmende Deckung des Energiebedarfs durch regenerative Energiequellen und den Ausbau der Versorgungsinfrastruktur zum Transport der regenerativ erzeugten Energie. Da der Verkehrssektor im Vergleich zur Immobilienwirtschaft nur in geringerem Maße zur Emissionsreduktion beiträgt5, ist es von großer Bedeutung, die Potenziale im Gebäudebereich für die Rückführung des Energieverbrauchs und die daraus folgende Verringerung der CO2-Emissionen so weit wie möglich zu heben. Der Gebäudebereich verursacht in Deutschland ca. 20 % der CO2Emissionen und verbraucht ca. 40 % der Endenergie für Raumwärme, Warmwasser und Beleuchtung. Das Energiekonzept der Bundesregierung von 20106 sieht die folgenden Ziele im Gebäudesektor vor: • Primärenergiebedarf Neubau: Ab 2020 klimaneutrale Neubauten (auf Basis primärenergetischer Kennwerte) • Primärenergiebedarf Gebäudebestand: Erreichung eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050, dazu ist eine Minderung des Primärenergiebedarfs um 80 % gegenüber dem Jahr 2008 angestrebt. (1) Vgl. IPCC: Intergovernmental Panel on Climate Change: Vierter Sachstandsbericht. 2007. Vgl. www.de-ipcc.de. Vgl. UBA – Umweltbundesamt (Hrsg.): Klimaänderung. Wichtige Erkenntnisse aus dem 4. Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen der Vereinten Nationen (IPCC), Dessau-Roßlau, 2009. (2) Stern, N.: The Economics of Climate Change. The Stern Review, Cambridge University Press, Cambridge, 2007. (3) Kempfert, C.: Klimawandel kostet die deutsche Volkswirtschaft Milliarden, in: Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 11/2007, S. 166. (4) www.bmu.de/klimaschutz/ klimaschutz_im_ueberblick/ doc/2896.php, zuletzt aufgerufen 18.04.2012 (5) Wisniewski, M. et al.: Klima ist Business. Agenda 450 für Deutschland. Deloitte, 2009, S. 54 und 61. (6) Vgl. Bundesregierung: Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung. Berlin, 2010. ImmoKlima 14 • Wärmebedarf Gebäudebestand: Reduzierung des Wärmebedarfs im Gebäudebestand bis 2020 um 20 % gegenüber 2008. • Sanierungsrate Gebäudebestand: Verdopplung der energetischen Sanierungsrate für den Gebäude-Wärmeschutz von derzeit jährlich etwa 1 %7 auf 2 % des gesamten Gebäudebestandes. • Ein sektorspezifisches Ziel für die Reduktion von Treibhausgasen im Gebäudebereich ist im Energiekonzept der Bundesregierung nicht enthalten. Allerdings besteht ein sektorübergreifendes, deutschlandweites Ziel der Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 % und bis 2050 um 80 %, jeweils bezogen auf das Basisjahr 1990. Klimaschutzmaßnahmen sind im volkswirtschaftlichen Sinne zumindest zum Teil Umweltexternalitäten bzw. öffentliche Güter. Trotz der in Kapitel 4 vertieften Diskussion um den wirtschaftlichen Nutzen von Investitionen in den Klimaschutz ist davon auszugehen, dass die Klimaschutzziele ohne Engagement der öffentlichen Hand bzw. ohne Eingriffe in den freien Markt nicht zu erreichen sind. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt. Maßnahmen der Bundesregierung Maßnahmen auf Gebäudeebene Die Bundesregierung handelt in diesem Bereich 1.mit der Verschärfung ordnungsrechtlicher Anforderungen; 2. mit ökonomischen Maßnahmen, wie der Förderung von Maßnahmen, die über die rechtlichen Anforderungen hinausgehen, sowie Energieabgaben (z. B. Finanzierung der Einspeisevergütung für regenerativ erzeugten Strom) oder marktnahe Instrumente wie den Emissionshandel (EU ETS); (7) Bauteilbezogene Zahlen sind dem Projekt Datenbasis Gebäudebestand zu entnehmen. Vgl. Diefenbach et al.: Datenbasis Gebäudebestand. Datenerhebung zur energetischen Qualität und zu den Modernisierungstrends im deutschen Wohngebäudebestand. Darmstadt, IWU, 2010. (8) Krämer-Zain, B., Renner: Gesamtenergieeffizienz, in: Bundesbaublatt 10/2009. 3. mit weichen Maßnahmen zur Erhöhung der Markttransparenz und zur Information der betroffenen Eigentümer. Aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen (Energieeinsparverordnung EnEV 2009, Energieeinspargesetz EnEG, Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz EE-WärmeG und Heizkostenverordnung 2009) bestehen für Wohn- und Nichtwohngebäude gestiegene Anforderungen an den zulässi- Werkstatt: Praxis Heft 79 gen Jahres-Primärenergiebedarf von Heizung, Warmwasser, Lüftung und Kühlung, an den erforderlichen Wärmeschutz der Gebäudehülle und an den sommerlichen Wärmeschutz. Auch bauliche Änderungen von Bestandsgebäuden müssen den Anforderungen der EnEV 2009 gerecht werden. Hier sind die Bagatellgrenzen verschärft worden (schon die Sanierung von mehr als 10 % der gesamten Außenfassade verlangt die Einhaltung des EnEV-2009-Standards). Bei den Bestandsgebäuden sind außerdem die Dämmpflicht der obersten Geschossdecken, der Kellerdecken, der Ersatz elektrischer Speicherheizungen und der Einbau energieeffizienter Heizsysteme verpflichtend. In der Vergangenheit hat die Anwendung der EnEV-Standards vor allem den Privateigentümern Probleme bereitet. Das Vollzugsdefizit schien hier sehr groß zu sein. Die Einhaltung der EnEV-Standards scheiterte häufig an der fehlenden öffentlichen Kontrolle und dem dafür notwendigen Personal. Diesem Vollzugsdefizit will die EnEV 2009 durch verschärfte Bußgelder für Eigentümer und Fachleute, Nachweispflichten, Einsatz der Bezirksschornsteinfegermeister und ggf. Rückzahlung von Fördermitteln entgegenwirken. Die derzeitige Novellierung der EU-Gesamtenergieeffizienz-Richtlinie vom 16. September 2002 („recast EPBD“), in Deutschland durch die verschiedenen Energieeinsparverordnungen umgesetzt, wird bis zum Jahr 2020 dazu führen, dass Niedrig- bzw. Nullenergiehäuser zum Standard werden. Dieses Niveau entspricht in etwa dem Passivhausstandard8 (www.enev-online.org/ enev2009). Die Umsetzung der Vorgaben der EU-Richtlinie in nationales Recht wird zu weiteren Verschärfungen der Energieeinsparverordnung führen. Des Weiteren wurde eine Novellierung des Baugesetzbuchs (BauGB) mit dem Ziel der klimawandelgerechten Stadtentwicklung beschlossen. Änderungen am Mietrecht zur Erleichterung energetischer Sanierungen und zur Verbesserung von Contracting-Lösungen liegen im Referentenentwurf vor. Zudem wurden zahlreiche Förderprogramme wie z. B. „Energieeffizient Bauen“, „Energieeffizient Sanieren“ und „Sozial investieren – Energetische Gebäudesanierung“ beschlossen. Förderprogramme können sowohl als Kredite als auch als Zuschüsse gestaltet sein. Ansätze für weiche Instrumente liegen einerseits in der Erhöhung der Markttranspa- Themenstellung renz, z. B. durch die Energieausweise oder die Ausweisung energetischer Merkmale in Mietspiegeln, andererseits durch Fortbildung von Handwerkern und die Energieberatung von Eigentümern, die bspw. durch typologiegestützte Informationsmaterialien unterstützt werden kann. Eine regelmäßige Evaluierung des Instrumentariums findet über Forschungsprojekte wie bspw. „Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele des Energiekonzepts im Gebäudebereich – Zielerreichungsszenario“, „Evaluierung und Fortentwicklung der EnEV 2009: Untersuchung zu ökonomischen Rahmenbedingungen im Wohnungsbau“9 oder das Monitoring der KfW-Energiesparprogramme10 statt. 15 werb16 integrative Strukturen und Strategien auf der stadträumlichen Ebene anzuregen und zu erproben. Im ersten Programm sind einige Akteure der Immobilien- und Wohnungswirtschaft als Fördernehmer zu finden, im zweiten sind zwar Gebäude als energieverbrauchende Teilsysteme in mehreren Wettbewerbsbeiträgen berücksichtigt, aber die Akteure der Immobilien- und Wohnungswirtschaft sind in den Beiträgen so gut wie gar nicht vertreten. Das Bundesbauministerium widmet sich mit den Projekten „Energetische Sanierung von Großwohnsiedlungen“, „Energetische Stadtsanierung“ und „Anforderungen an energieeffiziente und klimaneutrale Quartiere“ der Quartiersebene17. In diesem Zusammenhang steht auch ein neues Förderprogramm der KfW zur energetischen Stadtsanierung18. Quartiersansatz Neben der Ebene des einzelnen Gebäudes – und damit dem Verantwortungsbereich des einzelnen Gebäudeeigentümers – können auf der übergreifenden Ebene der Stadt oder des Quartiers Skaleneffekte erzielt werden. Insbesondere ist hier die Vernetzung von Gebäude, Energieerzeugung und Mobilität möglich. Große, spektakuläre und international bekannte Stadtentwicklungsvorhaben, wie Dongtan bei Schanghai in China oder Masdar in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten11 bieten die Möglichkeit, klimaneutrale, so genannte „Nullemissionsstädte“ oder „Zero Emission Cities“ zu projektieren. Das Ziel der Nullemissionsstadt oder besser gesagt der klimaneutralen Stadt wird aber auch von etlichen deutschen Kommunen mittelfristig angestrebt12. Das Bundesumweltministerium fördert dabei zahlreiche deutsche Kommunen bei der Erstellung von integrierten Klimaschutzkonzepten. Bisher wurden 893 kommunale Klimaschutzkonzepte13 vom Bundesumweltministerium gefördert (Stand März 2012)14. Die Förderung ist daran gebunden, dass intensive Beteiligungsverfahren die Erstellung der Konzepte begleiten und somit die Akteure der Stadtgesellschaft eingebunden werden. Die großen kommunalen Wohnungsunternehmen werden dabei häufig als ein wichtiger Adressat angesehen. Neue Entwicklungskorridore für Städte wollen auch zwei Programme zur „Energieeffizienten Stadt“ aufzeigen. Während das Programm des Bundeswirtschaftsministeriums15 stark auf die Entwicklung von technischen Innovationen abzielt, versucht der vom Bundesforschungsministerium betreute Wettbe- Beiträge der Immobilien- und Wohnungswirtschaft Der Beitrag der Immobilien- und Wohnungswirtschaft im Handlungsfeld Klimaschutz liegt einerseits in der Einsparung von Energie und dem Einsatz erneuerbarer Energien, andererseits im Beitrag zur Verwirklichung energieeffizienter Siedlungsstrukturen. Als Abnehmer von Energie aus erneuerbaren Energieträgern und nachhaltigen Produkten in der Bau- und Nutzungsphase kann die Immobilien- und Wohnungswirtschaft zudem Einfluss auf die Energieerzeugung und die Produktherstellung nehmen, um den Einsatz erneuerbarer Energien zu befördern und die Energiewende in der Energiewirtschaft zu beschleunigen. Zudem können Bestandshalter selbst in die Erzeugung und Vermarktung von Strom und Wärme einsteigen und damit neue Märkte erschließen. Auch die Förderung eines klimagerechten Nutzerverhaltens kann ein Ansatzpunkt sein. 1.3 Klimaanpassung als Herausforderung für die Immobilienwirtschaft Auswirkungen des Klimawandels auf die Immobilienwirtschaft In Deutschland sind Veränderungen durch den Klimawandel zu erwarten die sich wie folgt auf die Immobilien- und Wohnungswirtschaft auswirken können 19, 20, 21, 22. (9) Vgl. für beide Projekte www. bbsr.bund.de (10) Vgl. www.iwu.de (11) Biello, D.: Ökostädte der Zukunft. Spektrum der Wissenschaft Heft 1/09, 2009. (12) Weilerbach, Potsdam, Kaiserslautern, Günzburg, Städteverbund des Mittleren Fuldatals (13) Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Merkblatterstellung von Klimaschutzkonzepten. Bonn, 23. 11.2011. Vgl. Deutsches Institut für Urbanistik: Praxisleitfaden Klimaschutz in Kommunen. Berlin, 2011. (14) Vgl. www.bmu.de/klimaschutzinitiative (15) Vgl. www.eneff-stadt.info/ (16) Vgl.www.wettbewerb-energieeffiziente-stadt.de (17) Vgl. für alle Projekte www.bbsr. bund.de (18) Vgl. www.kfw.de (19) Vgl. Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Studie zur klimatischen Entwicklung im Land Brandenburg bis 2055 und deren Auswirkungen auf den Wasserhaushalt, die Forst- und Landwirtschaft sowie die Ableitung erster Perspektiven. Potsdam, 2003. (20) Umweltbundesamt: Klimawandel in Deutschland — Vulnerabilität und Anpassungsstrategien klimasensitiver Systeme. Dessau-Roßlau, 2005. (21) Bayerisches Landesamt für Umwelt (2007): Klimaanpassung Bayern 2020. (22) BMVBS/BBSR (2010): Klimawandel als Handlungsfeld der Raumordnung: Ergebnisse der Vorstudie zu den Modellvorhaben „Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel“ Forschungen Heft 144. ImmoKlima 16 Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen, besonders im Winterhalbjahr Im Hinblick auf die Klimaanpassung ist die Veränderung von Jahresdurchschnittswerten im Regelfall unkritisch. Lediglich der Anstieg der Luftfeuchtigkeit im Winter könnte zu Problemen bei bestimmten Gebäuden führen, deren Außenwandkonstruktion bereits jetzt im Jahresgang latent tauwassergefährdet ist (z. B: Fachwerkhäuser )23. Zunahme von Hitzewellen und Trockenheit im Sommer In ganz anderer Weise muss sich die Immobilienwirtschaft auf künftig höhere Temperaturen im Sommer einstellen. Schäden betreffen hier nicht die Gebäude sondern die Nutzbarkeit und auch die Nutzer. Sehr hohe Tagestemperaturen und insbesondere eine nur geringe Temperaturabsenkung in der Nachtzeit belasten den Organismus erheblich. Für geschwächte Personen ergibt sich daraus ein besonderes Risiko. Aus der Auswertung von Todesfällen im Zusammenhang der Hitzewelle des Jahres 2003 in Frankreich ergab sich, dass neben älteren Menschen, die in Krankenhäusern, Senioren- oder Pflegeeinrichtungen untergebracht waren, überproportional Personen betroffen waren, die in unzureichend gedämmten und überhitzten Dachgeschossen meist älterer Häuser aus der Zeit von vor 1975 wohnten. Aber auch die Arbeitsbedingungen in Bürogebäuden mit großflächiger Verglasung ohne Sonnenschutz können bei hohen Außentemperaturen prekär werden und die Arbeitsfähigkeit wesentlich einschränken. (23) Vgl. Werner, P., Chmella-Emrich, E.: Folgen des Klimawandels: Gebäude und Baupraxis in Deutschland – Beiträge zur nationalen Anpassungsstrategie. Studie im Auftrag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, BBR-OnlinePublikationen, Nr. 10/2008. Die Lösung kann nicht im massenhaften Einsatz energieintensiver elektrisch betriebener Raumklimageräte und Ventilatoren oder in Klimaanlagen mit hohem Energiebedarf liegen. Vielmehr sind intelligente Systeme für zukünftigen Kühlungs- und Lüftungsbedarf gefragt, um behagliche Innenraumbedingungen zu gewährleisten. An neueren Beispielen des Büro- und Wohnungsbaus lässt sich zeigen, wie durch eine ganzheitliche Gebäudeplanung der Schutz vor sommerlicher Überwärmung und zugleich der Schutz vor Wärmeverlusten im Winter erreicht werden kann. Maßnahmen sind z. B. eine Gestaltung der Außenhülle nach dem Sonnenstand, die Ausrichtung des Gebäudes bzw. der Nutzräume zu den Himmelsrichtungen, außen liegender baulicher bzw. steuerbarer Sonnenschutz, aus- Werkstatt: Praxis Heft 79 gewogene Dimensionierung der Fensterflächen, leistungsfähige Sonnenschutzgläser, Speichermassen, Latentwärmespeicher, Phase Change Materials und intelligente technische Lösungen für die Innenklimatisierung, wie Nachtlüftungssysteme, Kühldecken, Erdwärmetauscher etc. Bisher ist unklar, inwieweit durch den Klimawandel auch die Qualitätseigenschaften von Baumaterialien beeinflusst werden. Eine verstärkte UV-Einstrahlung kann Baumaterialien (vor allem Kunststoffe und andere bauchemische Produkte) schneller altern lassen, mit der Folge kürzerer Instandhaltungszyklen (z. B. bei Anstrichen) und der Gefahr von verfrühtem Bauteilversagen. Zunahme von winterlichen Niederschlägen, insbesondere Starkniederschlägen Die vorhergesagten häufigeren Starkregenereignisse stellen höhere Anforderungen an die Siedlungswasserwirtschaft. Hier ist in großen Teilen die öffentliche Hand bei der Bemessung von Kanalnetzen und Klärsystemen gefragt. Notwendig ist aber eine Integration privater Grundstücksflächen in das System kurzfristiger Retentionsflächen und Versickerungsflächen von Oberflächenwasser. Im Bereich der Immobilien- und Wohnungswirtschaft kann die Leistungsfähigkeit der Gebäudeentwässerung in der Regel als relativ elastisch angesehen werden. Die Tendenz zur Nutzung intelligenter Rückhalte- und Überlaufsysteme bei angemessener Dimensionierung von Abflussrinnen und Rohren dürfte bei neueren Gebäuden ausreichend Reserven beinhalten. Das ist auch bei den üblicherweise großzügig dimensionierten häuslichen Grundleitungen zu erwarten. Baupraxis, technische Regeln und Normung haben im Prinzip bisher eine hohe Sicherheit auch bei Starkregenereignissen gewährleistet. Bei Gebäuden des älteren Bestands mit unzureichenden Ableitungssystemen muss bei erkennbarem Bedarf (kurzfristigem Überlaufen der Dachrinnen, Rückstau in den Grundleitungen mit der Folge von Wassereintritt in Kellerräume aufgrund fehlender oder defekter Rückstauventile) nachgerüstet werden. Werden die Winter milder und feuchter, dann besteht die Gefahr, dass die Aktivitäten von Pilzen, Bakterien usw. zunehmen. Das Vordringen von neuen Materialschädlingen (z. B. Termiten) ist ein weiterer Aspekt, der für die Bau- und Immobilienwirtschaft an Bedeutung gewinnen kann. Themenstellung Zunahme von Schneelasten Auch wenn langfristig mit einem deutlichen Rückgang der Schneefälle zu rechnen ist, ist bereits heute in einigen Regionen das Phänomen festzustellen, dass die Schneelasten zunehmen. In den schneereichen Regionen, wie z. B. dem Bayerischen Wald oder dem Erzgebirge, wird zum Teil trockener, leichter Schnee vermehrt durch nassen Schnee ersetzt, der ein Mehrfaches an Gewicht mit sich bringt. Dies kann bei bestimmten Dachkonstruktionsweisen, älteren Gebäuden und Gebäuden mit großen freispannenden Dächern zum Überschreiten der bei der Planung zugrunde gelegten Schneelastannahmen führen und mit erheblicher Gefahr verbunden sein. Steigende Hochwassergefahr im Winter und Frühjahr Für (zunehmende) Überschwemmungen der Flüsse im Binnenland können nur Staat und Kommunen z. B. durch Ausweitung der Retentionsflächen oder Erhöhung von Deichen Vorsorge treffen. Überschwemmungen bringen für Gebäude nur eine relative Veränderung: Wenn flussnahe Gebäude in den unteren Geschossen gelegentlich überflutet werden, ist das vor allem ein Problem der Oberflächenbeläge und der Einrichtung, mit der Folge eines hohen Reinigungs- und Trocknungsaufwands nach Ablaufen des Hochwassers und einer Einschränkung der Nutzung. Massiv gebaute Gebäude trocknen danach in der Regel ohne bleibende konstruktive Schäden auch wieder aus. Leichtbauweisen, wie Trockenbau-, Holzund Lehmkonstruktionen können allerdings dauerhaft zerstört werden. Größere Schäden können jedoch auch bei niedrigen Wasserständen durch Gründungsunterspülungen oder Bodensenkungen in Folge von kurzzeitigen Veränderungen des Grundwasserstandes entstehen. Problematisch für die Immobilien- und Wohnungswirtschaft wird es, wenn sich die Überschwemmungsgebiete ausweiten und sich Neubewertungen von Standorten ergeben, da die dort befindlichen Gebäude in der Regel nicht mit entsprechend resilienten Bauweisen errichtet wurden. 17 dazu führen, dass normierte Anforderungen für einzelne Bauteile angepasst werden müssen. Möglicherweise sind z. B. die technischen Anforderungen an Dachdeckungen (z. B. Verklammerung von Dachziegeln und Einbau von Sturmhaken in Abhängigkeit von Dachneigung und Windbelastung) und die Festlegung der Windlastzonen zu überprüfen. Faktisch gilt aber auch hier, dass die entsprechenden in Deutschland geltenden Normen relativ große Sicherheit bieten. Die technischen Kenntnisse sind verfügbar, auch für den höchsten Standard der Windlastzone IV, der bislang nur für Küstenbereich und Inseln gilt. Relevante Schäden sind vor allem bei älteren Gebäuden zu erwarten, da Schäden in der Regel auf Bauteilversagen in Folge von dynamischer Belastung zurückzuführen sind. Bei neueren Gebäuden stellen Aufbauten wie Solaranlagen, Sende- und Empfangsanlagen von Rundfunk und Mobilfunk, Leitern, Abgasleitungen, aber auch außen angebrachte Verschattungselemente besonders vulnerable Elemente dar, die aus der Verankerung gelöst oder verformt werden können. Bei unzureichender Befestigung können gegebenenfalls auch schwere Bauteile aus der Verankerung gelöst werden (Beispiel Hauptbahnhof Berlin). Neben der korrekten Ausführung der Befestigungen, der Stabilität der Halterungen geht es dabei auch um die dynamische Belastbarkeit der Materialien und ihrer Befestigungen. Hier sind insbesondere die Hersteller und bauausführenden Firmen gefragt, die entsprechenden Standsicherheitsnachweise zu erbringen. Ein weiteres Problem höherer Windlasten stellen Schäden durch Bäume dar, deren Standsicherheit weniger sicher zu beurteilen ist und die auch nicht ohne Not gefällt werden sollten. Sie können auf Gebäude wie auf Fahrzeuge fallen und gehen damit auch als Bepflanzung verloren. Als potenziell problematisch können sich auch Schäden an außen liegenden Wärmedämmsystemen durch Aufprall loser Gegenstände, z. B. Dachziegel, Äste etc. erweisen, da die verwendeten Materialien nur von begrenzter Resistenz gegen punktförmige Krafteinwirkung sind. Zunahme von Winterstürmen Die Immobilienwirtschaft wird sich darauf einstellen müssen, dass es zu häufigeren und höheren Beanspruchungen durch dynamische Windlasten kommen kann. Dies kann Zunahme von Gewittern, u.a. mit Hagel und Schlagregen Schlagregen kann den konstruktiven Außenbauteilen der Gebäude in Deutschland ImmoKlima 18 aufgrund der traditionellen Bauweisen und geltender technischer Regeln relativ wenig anhaben, wenn der Niederschlag ordentlich nach außen abgeführt wird und die Flächen zyklisch abtrocknen können. Förderprogrammen oder Schaffung von Markttransparenz geboten ist. Technologien für den Klimaschutz können zu einer Erhöhung des Klimafolgerisikos beitragen, wenn mit ihnen eine Erhöhung der baukonstruktiven Komplexität und des technischen Ausbaustandards verbunden ist (Schädigung von sensiblen Bauteilen wie Dämmschichten und technischen Anlagen wie Photovoltaik in exponierten Bereichen durch Extremwetterereignisse). Die Vulnerabilität von Regionen gegenüber dem Klimawandel ist sehr unterschiedlich ausgeprägt und wird v. a. bedingt durch klimatische und naturräumliche Rahmenbedingungen, die die Prädisposition einer Region gegenüber negativen Auswirkungen des Klimawandels bestimmen25. Obgleich regionale Prognosen auf Basis der gegenwärtig verwendeten regionalisierten Klimamodelle noch mit großen Unsicherheiten behaftet sind (Bundesregierung 2008 und www.dwd.de), lassen sich folgende regionale Schwerpunkte negativer Auswirkungen des Klimawandels absehen: Anstieg des Meeresspiegels Der Anstieg des Meeresspiegels hat Auswirkungen auf den Küstenbereich. Daraus sind aber keine zusätzlichen Anforderungen an Gebäude (aber an Standorte für Gebäude) abzuleiten. Dem Anstieg des Meeresspiegels kann nur durch eine Erhöhung der Deiche begegnet werden. Bewertung Für Kalifornien wird geschätzt, dass von den 2,7 Billionen Euro Immobilienvermögen ungefähr 1,7 Billionen durch Folgen des Klimawandels gefährdet sind24. Natürlich ist die Situation in Kalifornien mit den Gefährdungspotenzialen Meeresspiegelerhöhung, Waldbrände und Pazifikstürme nicht mit Deutschland vergleichbar, zeigt aber in welchen ökonomischen Dimensionen in einzelnen Regionen zu denken ist. (24) Kahrl, F.; Roland-Holst, D.: California Climate Risk and Response. Department of Agricultural and Resource Economics, University of California Berkeley, Research Paper No. 08102801, 2008. (25) Zebisch, M. et al.: Klimawandel in Deutschland. Vulnerabilität und Anpassungsstrategien klimasensitiver Systeme. Umweltbundesamt, Climate Change 08/05, Dessau, 2005. Werkstatt: Praxis Heft 79 Regionale Differenzierung von Vulnerabilitäten • Südostdeutsche Hügel- und Beckenlandschaft: Die Region ist durch geringe Wasserverfügbarkeit und die Gefahr von Dürren im Sommer geprägt. Besonders die Lausitz wird unter hohen sommerlichen Temperaturen zu leiden haben. Weiterhin besteht Hochwassergefahr entlang der großen Flüsse Oder und Elbe. • Oberrheingraben: Bereits jetzt werden hier die höchsten Temperaturen in Deutschland gemessen. In Zukunft wird hier mit der stärksten Erwärmung innerhalb Deutschlands gerechnet. Hinzu kommt eine Zunahme von Starkniederschlagsereignissen und Hochwassergefahren. So kommt das Portal cash-online.de in einer Pressemitteilung vom 14. Dezember 2009 anlässlich der Ergebnisse der Studie von HypoVereinsbank und Oekom Research zu dem Ergebnis, dass die Immobilienwirtschaft die Risiken des Klimawandels vernachlässige. • Mittelgebirge: Hier steigen die winterlichen Niederschlagsmengen an und erhöhen die Hochwassergefahr. Spezielle Gefährdungen entstehen durch lokale Hochwasserereignisse, die von konvektiven Starkniederschlägen ausgelöst werden. Immobilienmärkte unterliegen wie alle anderen Märkte dem Wettbewerb und regeln viele Probleme per Marktlösung. Im Bereich der Klimaanpassung könnte z. B. auch der Immobilienmarkt – bei Verkauf oder Vermietung – fordern, dass der Anbieter Immobilien frei von Klimarisiken mit einer funktionalen Nutzung gewährleistet. Auch ein funktionierender Versicherungsmarkt trägt zur effizienten Absicherung von Risiken bei (vgl. hierzu Kapitel 6). Nichtsdestotrotz ist zu klären, wo und in welchem Umfang wegen Marktversagens staatliches Handeln in Form von ordnungsrechtlichen Regelungen, • Voralpenraum: Aufgrund der begrenzten Retentionsflächen im Alpenraum besteht Hochwassergefahr. • Küstenbereiche: Der Anstieg des Meeresspiegels betrifft die unmittelbaren Küstenbereiche, ebenso gibt es hohe Sturmgefahr. Außerdem wird bereits ein Schwerpunkt der Zunahme von Hagelschlagereignissen für Teile von Baden-Württemberg registriert. Für die Ballungsräume wird die Zunahme der Hitzebelastung als besonders problematisch (z. B. aus Gründen der Gesundheitsge- Themenstellung 19 Abbildung 1: Karte der Klima-Anfälligkeitsraumtypen Quelle: BMVBS/BBR (Hrsg.): Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel – Vorstudie für Modellvorhaben. BBROnline-Publikation 19/2008. Bonn/Berlin, 2008 fährdung) angesehen. Eine Übersicht über raumordnungsrelevante Anfälligkeiten gibt Abbildung 1. Anpassungsstrategie und Aktionsplan der Bundesregierung Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) Um die Verwundbarkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels zu mindern bzw. die Anpassungsfähigkeit natürlicher, gesellschaftlicher und ökonomischer Systeme zu erhalten oder zu steigern und mögliche Chancen zu nutzen, hat die Bundesregierung am 17.12.2008 die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) beschlossen. Die DAS verfolgt einen integralen Ansatz zur Bewertung von Risiken und Handlungserfordernissen, unterstützt aus Vorsorgegesichtspunkten eine nachhaltige Entwicklung und reflektiert die internationale Verantwortung Deutschlands. Ziel der Strategie ist es, die Verletzlichkeit natürlicher, gesellschaftlicher und ökologischer Systeme gegenüber den Folgen des Klimawandels zu verringern bzw. deren Anpassungsfähigkeit zu erhalten oder zu steigern. Allerdings existieren hier – anders als im Klimaschutz – keine auf der nationalen Ebene definierten quantifizierten Zielvorgaben. In der DAS werden die Auswirkungen auf die unterschiedlichsten Bereiche von Landund Forstwirtschaft über Industrie und Tourismus bis zur menschlichen Gesundheit analysiert. Genannt ist auch das Bauwesen. Aktionsplan Anpassung Der Aktionsplan Anpassung der Bundesregierung aus dem Jahr 2011 fasst die verschiedenen Aktivitäten des Bundes zusammen und basiert auf folgenden Säulen: • Wissen bereitstellen: Hierzu zählen zum einen die Klimaforschung als auch verschiedene Forschungsprojekte, welche sich der Klimaanpassung in den verschiedensten Teilbereichen widmen. • Anpassung rechtlicher Regelungen, technischer Normen und von Förderprogrammen (die im Vergleich zum Klimaschutz allerdings von deutlich untergeordnetem Umfang sind) • Anpassung der bundeseigenen Infrastruktur (Straßen, Schienen, Wasserstraßen, Forste) • internationale Verantwortung, vor allem Entwicklungszusammenarbeit und internationale Forschungskooperation Durch entsprechende Beteiligungsformate sollen Eigeninitiativen aus dem privaten, nicht-behördlichen Bereich, z. B. strategi- ImmoKlima 20 sche Partnerschaften zwischen Verbänden, Unternehmungen oder Stiftungen angeregt und aufgegriffen werden26. Forschungsprojekte Im Rahmen der Säule „Wissen bereitstellen“ nennt der Aktionsplan Anpassung folgende Forschungsprojekte, die Schnittstellen zu Strategien der Immobilien- und Wohnungswirtschaft zum Klimawandel aufweisen. • KLIMZUG – Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten (BMBF, 2008-2014): Ziel ist es, für sieben ausgewählte Modellregionen in Deutschland innovative Anpassungsstrategien an den Klimawandel zu entwickeln. • Fortführung der Modellregionen Raumordnung KlimaMORO (BMVBS/BBSR, 2011-2013): Die acht Modellvorhaben „Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel” (KlimaMORO) haben in den letzten zwei Jahren erste regionale Ansätze entwickelt. Nun gilt es, vielversprechende Ansätze aus einigen der Modellregionen weiterzuentwickeln, zu ergänzen und zu verstetigen (www.klimamoro.de). (26) Vgl. Bundesregierung: Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Berlin, 2008, S. 8 ff., S. 62 ff. (27) BMVBS (Hg.) Klimawandelgerechte Stadtentwicklung. Ursachen und Folgen des Klimawandels durch urbane Konzepte begegnen. Forschungen, Heft 149. Bearbeitet von S. Greiving et al. Berlin, 2011, S. 45 ff. (28) BMVBS (Hg.): StadtKlima Kommunale Strategien und Potenziale zum Klimawandel. Lokale Klimaanalysen. ExWoSt-Informationen 39/2. Bearbeitet von F. Schlegelmilch, S. Greiving et al. Bonn/Berlin, 2012. (29) Umweltbundesamt (Hrsg.) Entwicklung eines Indikatorensystems für die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS). Climate Change 22/2011, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau 2011. • Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) startete Ende 2009 das ExWoSt Forschungsfeld „Urbane Strategien zum Klimawandel“ mit zwei Forschungsschwerpunkten. Neben den immobilien- und wohnungswirtschaftlichen Strategien und Potenzialen zum Klimawandel (ImmoKlima) in Forschungsschwerpunkt II, dessen Ergebnisse und Erkenntnisse im vorliegenden Bericht dargestellt werden, betrachtet der Forschungsschwerpunkt I27, 28 die kommunalen Strategien und Potenziale zum Klimawandel (StadtKlima). In der vor kurzem veröffentlichten Studie „Entwicklung eines Indikatorensystems für die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS)“29, werden Indikatoren für das Handlungsfeld Bauwesen präsentiert, die „impacts“ und „responses“ zusammenfassend widerspiegeln. Für die Bereiche Gebäude- und Infrastrukturschäden, städtische Umweltqualität und Gebäudefunktionalität (impacts) werden Antworten (responses) erarbeitet, die sich an Bauherren und Planer richten, den Planungs-und Bauprozess, den Objektschutz, Bautechnik und Baumaterialien berücksichtigen und – wie auch die DAS – den Forschungsbedarf (im Bauwesen) betonen. Die Indikatoren berühren Finanzwirtschaft und Fördermittel, Werkstatt: Praxis Heft 79 Wärmebelastung, Lärm und Flächennutzung. 1.4 Synergien und Konflikte zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung Klimaschutz und Klimaanpassung sind zwei politische Ziele, die beide aus dem Klimawandel resultieren und gemeinsam Eingang sowohl in kommunale Klimakonzepte als auch in die Investitionsplanung der Immobilien- und Wohnungswirtschaft finden. Allerdings gibt es zwischen beiden Zielen Synergien und Konflikte, die im Folgenden benannt werden sollen und teilweise im Laufe des Berichts wieder aufgegriffen werden. Gebäude und Grundstück Klimaschutz und Klimaanpassung ergänzen sich hinsichtlich der Qualität der Außenhülle, insbesondere bei gutem Wärmeschutz, der in Hitzeperioden das Gebäude vor Überhitzung schützt(vgl. DAS 2009: 49). Die Verbesserung des sommerlichen Wärmeschutzes stellt hierbei aber eher einen Nebeneffekt der verbesserten Energieeffizienz dar. Es gibt zudem Synergieeffekte, wenn Systeme zur Beheizung auch zur (sommerlichen) Kühlung genutzt werden können. Der generelle Anstieg der Temperaturen kann den Heizwärmebedarf und damit den Energieverbrauch von Gebäuden senken. Problematisch ist allerdings ein vermehrter Einsatz von Kühlgeräten im Sommer, insbesondere wenn es sich um elektrisch betriebene Geräte mit geringer Energieeffizienz handelt. Bei der Nutzung von Dach-, Fassaden- und Freiflächen können Konflikte auftreten, da die Flächen häufig nicht gleichzeitig die Funktionen Energiegewinnung und Verminderung von Überwärmungseffekten erbringen können. Darüber hinaus erfüllen Freiflächen vielfältige soziale Aufgaben, die nicht vernachlässigt werden sollen. Welche Funktion im Vordergrund stehen sollte bzw. wie mehrere Funktionen miteinander verknüpft werden können, ist objekt- bzw. projektbezogen zu gewichten und zu lösen. Energieversorgung Energieversorger sind nicht notwendigerweise interessiert an der Förderung von Themenstellung Energieeffizienz in Gebäuden. Zum einen erwirtschaften sie ihre Gewinne aus dem Verkauf von Energie. Zum anderen kann umso mehr in erneuerbare Energien und neue Technologien investiert werden, je mehr erwirtschaftet wird. Infrastrukturen zur Energieversorgung beziehungsweise zur Wasserver- und -entsorgung brauchen eine gewisse Mindestauslastung, um technisch und wirtschaftlich zu funktionieren. Gerade in Gebieten mit abnehmender Bevölkerungszahl stellen sich hierbei Konflikte ein, wenn beispielsweise eine verbesserte Energieeffizienz von Gebäuden und der vermehrte Einsatz erneuerbarer Energien Probleme in einem vorhandenen Fernwärmenetz hervorrufen oder der Rückbau von Gebäuden verbunden mit längeren Trockenperioden zu einer Unterauslastung von Abwassersystemen führt. Allerdings gehen Versorger dazu über, sich auch als Dienstleister für Beratung in Sachen Einsparung und Effizienz zu verstehen. Die Rekommunalisierung von Versorgern und die damit verbundene kommunale/regionale politische Einflussnahme unterstützen diese Trends. Siedlungsplanung Die Stadtplanung kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, indem sie durch Leitbilder und deren baurechtliche Umsetzung die Entstehung von kompakten und urbanen Strukturen fördert, welche die Zahl der notwendigen Wege reduzieren, deren Länge verkürzen und den Modal Split über die bessere Erschließbarkeit durch den Umweltverbund verändern. Im Neubau ist die hierfür notwendige städtebauliche Dichte unmittelbar möglich, im Siedlungsbestand ist eine entsprechende Nachverdichtung zumindest stark begrenzt. Unter dem Aspekt der Klimaanpassung – und dabei insbesondere bei der Vermeidung von Hitzeinseln – kann die Erhöhung der baulichen Dichte allerdings kontraproduktiv sein. Bisher sollte sich die städtebauliche und planerische Entwicklung an den Zielen einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung und somit an dem Leitbild der kompakten europäischen Stadt orientieren30. Greiving und Fleischhauer kommen bei der Untersuchung der städtebaulichen Leitbilder „kompakte Stadt“, „Entwicklung entlang der Achsen“ und „dezentrale Konzentration“ sowie bei den eher marktgetriebenen Entwicklungen „Edge City“ und „Die Zwischenstadt“ zu dem Ergebnis, dass es das klimawandelgerechte Leitbild (noch?) 21 nicht gibt. Als Ansatzpunkte für ein Leitbild werden benannt: • hinreichend hohe städtebauliche Dichte; • ausreichend qualifizierte und vernetzte Freiräume, um Hitzeinseln zu vermeiden; • engmaschiges Infrastrukturnetz, aber Vermeidung zu hoher Infrastrukturkonzentration. Diese eher planerische und damit der Frage nach den kommunalen Strategien zum Klimawandel zugeordnete Diskussion hat auf die Immobilienwirtschaft insofern Auswirkungen, als sie mit der Festsetzung der zulässigen baulichen Dichte einen zentralen Parameter des Grundstückswerts betrifft. Grundstückseigentümer werden in einem Konflikt zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung ein wirtschaftliches Interesse haben, eine höhere bauliche Dichte zu realisieren, es sei denn, bei höherer baulicher Dichte wären wirtschaftliche Einbußen, beispielsweise durch schlechte Vermarktungsoder Vermietungschancen absehbar. 1.5 Struktur der Immobilien- und Wohnungswirtschaft Zur Immobilienwirtschaft werden alle Unternehmen gezählt, die gemäß dem Lebenszyklusansatz in die Planung, Erstellung, Finanzierung, Bereitstellung sowie die Verwaltung und Vermittlung von Immobilien involviert sind. Die Wohnungswirtschaft ist dabei eine Teilmenge der Immobilienwirtschaft. Das Kennzeichen von Immobilien ist, dass sie als heterogene Güter standortund meist funktionsgebunden sind, eine lange Lebensdauer aufweisen und die Umwelt sowie die damit verbundenen Lebensbedingungen nachhaltig prägen. Neben den Primärfunktionen erfüllen Immobilien Zusatzfunktionen, die von der Altersvorsorge über die Sicherung von Krediten bis hin zum Denkmalschutz reichen31. Die Immobilien können nach der Art der Nutzung unterschieden werden. In der amtlichen Statistik wird dabei meist lediglich zwischen Wohnund Nichtwohngebäuden unterschieden, die Systematik der Bauwerke findet nur in speziellen Statistiken Anwendung32. Weiterhin kann bei den Eigentümern nach Selbstnutzern und Vermietern differenziert werden. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Lebenszyklusphasen von Immobilien33 lassen sich die Aufgabenbereiche in der Immobilienwirtschaft in den Bereich Projektent- (30) Greiving, S.; Fleischhauer, M.: Klimawandelgerechte Stadtentwicklung. Rolle der bestehenden städtebaulichen Leitbilder und Instrumente. BBSR-Online-Publikation 24/2009. (31) gif – Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (Hg.): Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft. Bearbeitet vom ifo-Institut. Wiesbaden, 2005. Die genannten Aspekte werden v.a. in der älteren Studie von 2005 dargestellt. ImmoKlima 22 Werkstatt: Praxis Heft 79 Abbildung 2: Akteure der Immobilien- und Wohnungswirtschaft Haus- und WEG-Verwalter Kommune Akteure Quartiersbewohner Projektentwickler Nichtwohngebäude Wohngebäude Mieter Privatunternehmen - Bürogebäude - Einzelhandel - Produktion und Logistik - Kultur- und Sportstätten - Hotels und Gaststätten - Öffentliche Wohnungsunternehmen - Private Wohnungsunternehmen - Genossenschaften - Private Kleineigentümer Öffentliche Hand - Kirchen - Verwaltungsgebäude - Selbstnutzer - Gemeinbedarfsgebäude (Schulen, Rathäuser, Kultur- und Sportstät ten) - Krankenhäuser Zivilgesellschaft Bauwirtschaft Regionalplanung Geschäfts- und Hypothekenbank Energieversorger Quelle: Eigene Darstellung (33) Vgl. German Facility Management Association (GEFMA): Facility Management; Grundlagen. GEFMA-Richtlinie 100. Ohne Ortsangabe, 2004. Vgl. Isenhöfer, B.; Väth, A.: Lebenszyklus von Immobilien. In: Schulte, K.-W.: Immobilienökonomie. Band 1. Betriebswirtschaftliche Grundlagen. München, 1998, S. 141 – 148. (34) BBSR (Hg.) Wohnungs- und Immobilienmärkte in Deutschland. Analysen Bau. Stadt. Raum, Band 5, Bonn, 2011. (35) Vgl. Statistisches Bundesamt (Hg.): Statistisches Jahrbuch 2009. Wiesbaden, 2009. (36) Voigtländer, M.; Demary, M.; Gans, P.; Meng, R.; SchmitzVeltin, A.; Westerheide, P.: Wirtschaftsfaktor Immobilien. Die Immobilienmärkte aus gesamtwirtschaftlicher Sicht. Gutachten im Auftrag von DV und gif. In: Zeitschrift für Immobilienökonomie, Sonderausgabe 2009. (37) Bulwien, H.; Denk, U.; Scheffler, R.: Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus aktuellen Büroflächenbestandserhebungen in Deutschland. In: Zeitschrift für Immobilienökonomie, Sondernummer 2008, S. 77 – 88. wicklung (Neubau/Umlaufvermögen) und Bestandsbewirtschaftung (Asset und Facility Management/Anlagevermögen) unterteilen. Als Sonderfall im Rahmen der Bewirtschaftung ist die Sanierung (Refurbishment) separat zu betrachten. Mit Projektentwicklung von Immobilien sind alle Untersuchungen, Entscheidungen und Planungen sowie vorbereitende Maßnahmen gemeint, die erforderlich sind bzw. als zweckmäßig erachtet werden, um den Erwerb und die Bebauung eines oder mehrerer Grundstücke vorzubereiten oder durchzuführen. Dabei sind die Phasen Projektinitiierung, -konzeption, -management, -vermarktung bis zur Nutzung von Interesse. Die Bewirtschaftung bzw. das Asset und Facility Management beleuchten die Aktivitäten, Abläufe und Prozesse in der Nutzungsphase von Immobilien. Dabei sind die Bereiche Organisationsverwaltung, Vermietung, Vermarktung, Instandhaltung, Modernisierung/Umbau, Erweiterung und Umnutzung von Interesse. Die Bedeutung und Struktur der Immobilienwirtschaft und ihrer Teilbereiche lässt sich vor dem Hintergrund des Klimawandels und der damit verbundenen Sanierungstätigkeit mit den folgenden Zahlen illustrieren. Gebäudebestand In Deutschland befinden sich 39,9 Millionen Wohneinheiten in 17,9 Millionen Wohngebäuden mit einer Gesamtwohnfläche von 3,4 Milliarden m2. Der Wohnungsbestand wird zu 43,2 % von den Eigentümern selbst genutzt34. Drei Viertel des Bestandes wird von privaten, nicht-professionellen Eigentümern, nur ca. 25 % werden durch Wohnungsunternehmen oder sonstige professionelle Träger bewirtschaftet35. Abbildung 3 zeigt, dass Gebäudetypen aus Baualtersklassen dominieren, die heute zu Sanierungsbedarf führen. Die gesamte Nutzfläche von Büroimmobilien beträgt 311 Millionen qm36. 70 % der gewerblichen Bürogebäudeflächen kann den institutionellen Anlegern (z. B. Immobilienfonds) zugeordnet werden. Daten zur Struktur von Bürogebäuden liegen flächendeckend nicht vor. Eine Abschätzung aufgrund der wenigen zur Verfügung stehenden Daten ist nicht zuverlässig möglich. Im Hinblick auf die Altersstruktur zeigen sich in Anlehnung an37 im Rahmen einer Primärerhebung im Städtevergleich Potsdam, Frankfurt a. M., Fürth, Nürnberg, Stuttgart, Köln, Hamburg, München, Berlin deutli- Themenstellung 23 Abbildung 3: Baualtersverteilung deutscher Wohngebäude Quelle: Loga, T.; Diefenbach, N.; Born, R.: Deutsche Gebäudetypologie. Beispielhafte Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz von typischen Wohngebäuden., 2011. Dabei ist zu beachten, dass die Berechnung der Werte für die einzelnen Gebäudetypen mit statistischen Fehlern behaftet ist. Diese Fehler sind (prozentual auf den jeweiligen Ausgangswert bezogen) in ihrer Tendenz umso größer, je niedriger der Anteil der Gebäudezahl des jeweiligen Typs an der Gesamtzahl der deutschen Wohngebäude ist. Beispielsweise sind die angegebenen Kennwerte in der Kategorie GMH mit großen Unsicherheiten behaftet. ImmoKlima 24 (38) Voigtländer, M.; Demary, M.; Gans, P.; Meng, R.; SchmitzVeltin, A.; Westerheide, P.: Wirtschaftsfaktor Immobilien. Die Immobilienmärkte aus gesamtwirtschaftlicher Sicht. Gutachten im Auftrag von DV und gif. In: Zeitschrift für Immobilienökonomie, Sonderausgabe 2009. (39) Odin, S.: Der Bestandsmarkt in Deutschland – ein Markt für die TGA-Firmen? CCI 4/2003, S. 1-5. (40) Vgl. Voigtländer, M.; Demary, M.; Gans, P.; Meng, R.; Schmitz-Veltin, A.; Westerheide, P.: Wirtschaftsfaktor Immobilien. Die Immobilienmärkte aus gesamtwirtschaftlicher Sicht. Gutachten im Auftrag von DV und gif. In: Zeitschrift für Immobilienökonomie, Sonderausgabe 2009. (41) Vgl. ebenda. (42) Nelson, A.: By 2030 the US will have rebuilt almost half its built environment. Research Paper. Stand: 2004. www.citymayors.com/development/built_environment_ usa.html (43) Sieverts, T.: Die Stadt in der zweiten Moderne, eine europäische Perspektive. Informationen zur Raumentwicklung, Heft 7/8/1998, S. 455 – 473. (44) BBSR (Hg.) Wohnungs- und Immobilienmärkte in Deutschland. Analysen Bau.Stadt. Raum, Band 5, Bonn 2011. (45) Statistisches Bundesamt, Fachserie 5, Reihe 1, 2010. (46) Bardt, H.; Demary, M.; Voigtländer, M.: Immobilien und Klimaschutz – Potenziale und Hemmnisse, Trends 2/2008, Mai 2008. (47) Diefenbach, N. et al.: Datenbasis Gebäudebestand. Datenerhebung zur energetischen Qualität und zu den Modernisierungstrends im deutschen Wohngebäudebestand. Darmstadt, IWU, 2010. Werkstatt: Praxis Heft 79 che Unterschiede. Zwischen 1950 und 1990 entstanden vor allem in Westdeutschland viele nach wie vor genutzte Bürogebäude. Der Anteil an Büroflächen, die nach 1990 entstanden sind, ist dagegen in Frankfurt a. M., München und Potsdam besonders groß38. Eine grobe Schätzung ist von Odin 200339 vorgenommen worden. Hiernach lassen sich folgende Altersstrukturen annehmen: jünger als 10 Jahre sind bis zu 34 % der Bauobjekte, 10 – 15 Jahre alt sind bis zu 28 %, 15 – 20 Jahre alt bis zu 18 %, 20 – 25 Jahre alt bis zu 9 % und über 25 Jahre alt noch einmal bis zu 11 %. Angesichts der geringen Neubauraten der letzten Jahre gibt diese relativ alte Abschätzung nach wie vor einen guten Überblick über den Bestand. ten sich die Baugenehmigungszahlen/Fertigstellungsraten massiv ab, erst seit 2011 gibt es eine Trendumkehr auf niedrigem Niveau (von 264 319 Wohngebäuden in 2004 auf 184 441Wohngebäude in 2010)45. Im Jahr 2011 haben die Genehmigungen von Wohnungen im Vergleich zum Vorjahr um 21,7 % zugenommen, im Geschosswohnungsbau um 26,8 %. Im Vergleich zum Bestand wurde in den letzten Jahren deutlich mehr Fläche in Büro- und Verwaltungsbauten erstellt. Dies liegt an der kürzeren Nutzungsdauer von gewerblich genutzten Immobilien, was wiederum andere Investitionsstrategien nach sich zieht. Der Einzelhandel umfasst ca. 120 Mio. m² Verkaufsfläche. Die Verkaufsflächenexpansion, insbesondere Anfang der 1990er Jahre ist mit einer rückläufigen Flächenproduktivität verbunden. Da Handelsformate mit höherem Flächenbedarf an Bedeutung gewinnen, ist die Entwicklung der einzelnen Betriebstypen mit Veränderungen im Flächenbestand und der Flächenstruktur verbunden. Insbesondere die Entwicklung der Shopping-Center spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Zwischen 2000 und 2008 sind über 3 Millionen m² Neuflächen entstanden40. Wohn- und Gewerbeimmobilien unterscheiden sich erheblich in den Erneuerungszeiträumen und damit in ihren Innovationszyklen: Der Investitions- oder Sanierungszyklus bei Wohnimmobilien beträgt in der Regel mehr als 30 Jahre, während er bei Gewerbeimmobilien unter 30 Jahren liegt46. Kalkulationen mit einer Gesamtnutzungsdauer von 10 – 15 Jahren und Modernisierungszyklen von weniger als 5 Jahren sind keine Seltenheit. Die Daten zeigen, dass Wohngebäude den weit überwiegenden Teil der Gebäudefläche einnehmen, im Schnitt aber älter sind als Bürogebäude. Außerhalb von Wohn- und Bürogebäuden sowie Einzelhandel ist die Quantifizierung des Bestandes schwierig. Das gesamte Immobilienvermögen (mit Grundstücken und öffentlichen Infrastrukturbauten, ohne Ausrüstungen und sonstige Anlagegüter) betrug 8.974 Mrd. € im Jahr 200841. Neubau Der Blick auf die Baugenehmigungen bzw. die Baufertigstellungen erlaubt Hinweise auf den Handlungsbedarf nach Immobilientypen im Handlungsfeld Projektentwicklung. Während in den USA, auch bedingt durch eine andere Baukultur, davon ausgegangen wird, dass innerhalb von 30 Jahren mehr als die Hälfte der Gebäude durch neue ersetzt sein werden42, ergeben sich für Deutschland weitaus längere Zyklen43. Die Neubauquote bei Wohnungen liegt mittlerweile deutlich unter 1 % des Bestandes jährlich44. Nach dem Neubauboom der 90er Jahre schwäch- Modernisierung Trotz dieser Zahlen bleiben die aktuellen energetischen Modernisierungsraten im Wohngebäudebereich weit hinter der Rate zurück, die sich rechnerisch aus einem Nutzungszyklus von 30 Jahren ergäbe. Für die Wärmedämmung der Außenwand ergibt sich exemplarisch auf Basis der vom IWU durchgeführten deutschlandweiten Repräsentativbefragung „Datenbasis Gebäudebestand“ in den Jahren 2005 – 2008 eine Modernisierungsrate von 0,82 % pro Jahr47. Es ist deshalb geboten, die Modernisierungsraten bzw. den Modernisierungsstandard signifikant zu erhöhen, wenn die Klimaschutzziele der Bundesregierung erreicht werden sollen. Bei den Nichtwohngebäuden ist hierzu die statistische Basis über den Zustand der Gebäude unzureichend. 1.6Forschungsleitfragen Das ExWoSt-Forschungsvorhaben „Immobilien- und wohnungswirtschaftliche Strategien und Potenziale zum Klimawandel“ nimmt die Potenziale und Beiträge der Immobilien- und Wohnungswirtschaft zum Erreichen der Klimaziele in den Blick. Im Mittelpunkt stehen die Unternehmensstrategien bei Projektentwicklung und Bewirtschaftung, die Kooperationen die dafür Themenstellung 25 Abbildung 4: Integrierte Wohnungs- und Immobilienwirtschaftliche Strategien zum Erreichen der Klimaziele Technologie- und Innovationsstrategie (Kapitel 2) Akteurslogiken und Kooperationen (Kapitel 3) Marktstrategie und Wirtschaftlichkeit (Kapitel 4) Integrierte Strategien zu Klimamaßnahmen als Bestandteil von Marktstrategien Für kooperatives Handeln geeignete Ziele Technologie und Technologieinnovationen Klimamaßnahmen als Marktvorteil Bereich der Kooperation Wirtschaftlichkeit von Klimamaßnahmen Akteure Energieversorgungskonzepten Positive Einflussgrößen Hemmnisse ... entwickelt... ... entwickelt... Integrierte Strategie: Die Immobilien- und Wohnungswirtschaft ... trägt bei zu... Integrierte Klimakonzepte (Kapitel 5) Beiträge der Wohnungswirtschaft/ Immobilienunternehmen Kommunale Konzepte Schnittstellen zwischen Wohnungswirtschaft/Immobilienunternehmen und kommunalen Konzepten Möglichkeiten und Grenzen ... arbeitet mit.... ... benötigt... Staatliche Rahmenbedingungen (Kapitel 7) ... nutzt... Instrumente für Klimaanpassungsstrategien (Kapitel 6) Klimamaßnahmen als Bestandteil von Marktstrategien Klimamaßnahmen als Marktvorteil Risikomanagement Wirtschaftlichkeit von Klimamaßnahmen Transparenz und Informationssysteme Versicherungsmarkt Anforderungen an die öffentliche Hand ... konzipiert... ... gestaltet... ... fördert... Die öffentliche Hand... Schlussfolgerungen und Handlungserfordernisse (Kapitel 8) Quelle: BMVBS/BBR (Hrsg.): Eigene Darstellung zwischen den Akteuren der Immobilienund Wohnungswirtschaft untereinander und mit anderen Akteuren wie beispielsweise Energieversorgern, Kommunen, aktiven Quartiersbewohnern oder der Bauwirtschaft eingegangen werden. Bei der Wirtschaftlichkeit der unternehmerischen Strategien und Maßnahmen werden über betriebswirtschaftliche Aspekte hinaus, Aspekte der Unternehmensrendite (Corporate Social Responsibility) sowie Leitbilder und Unternehmensziele berücksichtigt. Untersucht werden auch das Interesse und die Möglichkeiten der immobilienwirtschaftlichen Akteure auf lokale oder regionale Konzepte Einfluss zu nehmen und die damit verbundene Bereitschaft der öffentlichen Hand zur Kooperation (gover- nance). Forschungsziel ist es weiterhin, Handlungsbedarfe und -möglichkeiten der Immobilien- und Wohnungswirtschaft und ihrer Partner sowie der Politik in den Bereichen Gesetzgebung, Förderpolitik und Informationsgrundlagen zu identifizieren und entsprechende Empfehlungen zu kommunizieren. Die vom BBSR im Forschungsansatz entwickelten und durch die Untersuchung leitenden Forschungsleitfragen wurden in die Kapitel dieses Berichts übergeleitet. Integrierte Strategien der Immobilien- und Wohnungswirtschaft bestehen in einer miteinander in Einklang gebrachten sinnvollen Kombination der in den Einzelkapiteln diskutierten Einzelstrategien. Dieser integrierte Ansatz wird in Abbildung 4 visualisiert. ImmoKlima 26 • Forschungsleitfrage Integrierte Strategien und Technologieeinsatz: In Kapitel 2 werden integrierte Unternehmensstrategien mit Blick auf den Technologieeinsatz im Rahmen integrierter Energieversorgungskonzepte bearbeitet. Berücksichtigt wird das Zustandekommen von Innovationen in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft. Unternehmensstrategien gehen über den Technologieeinsatz hinaus und beinhalten weit gefasste Wirtschaftlichkeitserwägungen. Diesen wird eine eigene Forschungsleitfrage (in Kapitel 5) gewidmet. • Forschungsleitfrage Akteurslogiken und Kooperationen: In Kapitel 3 geht es um die Darstellung unterschiedlicher Kooperationsstrukturen und Kooperationspartner und deren Bewertung im Hinblick auf Schlagkraft, Erfolgschancen und Beitrag zur Umsetzung von Innovationen und integrierter Konzepte. Hier besteht große Nähe zur weiteren Forschungsleitfrage in Kapitel 6) nach den Beiträgen der Akteure zu integrierten Klimakonzepten und dem Zusammenspiel der immobilienwirtschaftlichen Strategien mit dem kommunalen Interesse an Klimaschutz und Klimaanpassung. • Forschungsleitfrage Wirtschaftlicher Nutzen, Anreize und Marktvorteile: In Kapitel 4 wird geklärt, inwieweit Maßnahmen zum Klimawandel Bestandteil einer Marktstrategie sind, ob sie einen Marktvorteil darstellen und wie die Akteure die Wirtschaftlichkeit beurteilen. Die Frage nach den Anreizen für die Immobilienwirtschaft zur Entwicklung und Umsetzung von Klimaanpassungsstrategien wird mit der Forschungsfrage zu den Rahmenbedingungen (in Kapitel 7) mit behandelt. • Forschungsleitfrage Beitrag der Immobilien- und Wohnungswirtschaft zu integrierten Klimakonzepten: Kapitel 5 startet mit der Frage nach Synergien und Konflikten zwischen den kommunalen Zielen in Bezug auf Klimaschutz und Klimaanpassung und den Anforderungen der Immobilien- und Wohnungswirtschaft. Außerdem widmet sich das Kapitel der Frage, welchen Beitrag die Immobilien- und Wohnungswirtschaft zu kommunalen Klimaschutzkonzepten leisten kann und will. • Forschungsleitfrage Instrumente für Klimaanpassungsstrategien: Im Forschungsverlauf hat sich sehr rasch der Be- Werkstatt: Praxis Heft 79 darf nach einem Geoinformationssystem zur Risikoabschätzung herausgestellt. Die offen formulierte Frage der Forschungskonzeption nach möglichen Instrumenten für Klimaanpassungsstrategien in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft und die Nennung des Beispiels Informationssysteme unternimmt deshalb eine Bewertung privatwirtschaftlicher Mechanismen der Risikovorsorge, d. h. der Wahrnehmung von Risiken durch die Immobilienwirtschaft und die Absicherung durch Versicherungen. Vor dem Hintergrund der dort auftretenden Marktineffizienzen wird die Notwendigkeit staatlicher Einflussnahme diskutiert, die u. a. in der Erhöhung der Risikotransparenz durch Informationssysteme bestehen kann. In Kapitel 6 werden diese Fragen unter der Überschrift Klimaanpassung und Risikomanagement behandelt. • Forschungsleitfrage Einfluss der Rahmenbedingungen auf Entwicklung und Umsetzung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsstrategien: In Kapitel 7 werden auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter besonderer Berücksichtigung der Erkenntnissen aus den Pilotprojekten normative und vertragliche Rechtsinstrumente, Fördermaßnahmen und sonstige Maßnahmen bewertet. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen: In Kapitel 8 werden die zentralen Erkenntnisse des Projekts zusammengefasst. Es werden Schlussfolgerungen über die Notwendigkeit zusätzlicher Rahmensetzungen oder die Änderung bestehender Instrumente abgeleitet. 1.7 Auswahl der Pilotprojekte Für das Forschungsvorhaben „ImmoKlima“ wurden insgesamt acht Pilotprojekte im Rahmen von Interessenbekundungsverfahren ausgewählt. Es konnten sich Projekte in der Entwicklung oder Umsetzung aber auch solche, die bereits in der Nutzung sind bewerben. Dabei war es möglich, sich entweder nur mit Klimaschutz- oder Klimaanpassungsstrategien, als auch mit integrierten Strategien zu den beiden Bereichen zu bewerben. Der Fokus lag bei den Bewerbern eindeutig im Bereich Klimaschutz. Anhand eines Erhebungsbogens wurde eine engere Auswahl getroffen. Die Kandidaten wurden im Anschluss bereist. Wichtig bei der endgültigen Auswahl war, dass aus den Projekten Erkenntnisse im Sinne des Forschungsan- Themenstellung 27 Abbildung 5: Lage der Pilotprojekte Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) satzes zu erwarten waren. Die Pilotprojekte wurden nicht finanziell subventioniert. Lediglich die durch den Forschungsaufwand im Rahmen von Veranstaltungen und durch die Arbeit mit den Projektforschern entstanden Kosten wurden pauschal vergütet. Die acht ausgewählten Pilotprojekte wurden jeweils durch ein Projektforscherteam aus den Instituten empirica in Bonn, Forschung und Beratung (F+B) in Hamburg und WEEBER+ PARTNER in Stuttgart begleitet. Der vorliegende Bericht wertet für alle acht Pilotprojekte die Ergebnisse der Projektforscher hinsichtlich der Forschungsleitfragen aus und stellt ergänzend Ergebnisse aus den drei Projektwerkstätten und den Diskussionen während der Bereisungen der Pilotprojekte dar. Die Auswahl der Pilotprojekte erfolgte darüber hinaus so, dass eine breite Abdeckung immobilienwirtschaftlicher Akteurstypen gegeben war, insbesondere sollten soweit möglich Projektentwicklung und Bestandsbewirtschaftung, Kapitalgesellschaften und Genossenschaften sowie Eigentümer mit verschiedenen Graden an institutioneller Gemeinwohlverpflichtung im Projekt vertreten sein. Durch die Integration von alternativen Wohnprojekten wurden Konstellationen untersucht, welche in ihrem Professionalisierungsgrad teilweise ähnlich wie private Einzeleigentümer agieren. In vier Pilotprojekten stehen Bewirtschaftungsstrategien (als Strategien für immobilienwirtschaftliches Anlagevermögen) im Mittelpunkt der Untersuchung: • zwei Traditionsgenossenschaften, die umfangreiche Wohnungsbestände langfristig bewirtschaften, auf stabile Warmmieten, langfristige Vermietbarkeit und die Attraktivität für neue Zielgruppen achten, energetische und altersgerechte Modernisierungsvorhaben im Bestand durchführen und dabei neben Maßnahmen an der Gebäudehülle, standortbezogene Energieversorgungskonzepte, nutzerbezogene Strategien sowie Mobilitätsansätze verfolgen: ImmoKlima 28 • Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG mit dem Projekt „Integrierte Energie-, Modernisierungsund Nutzerkonzepte im Quartier Marienhöhe in Berlin-Tempelhof“, und • Baugenossenschaft FLUWOG-NORDMARK eG mit dem Projekt „Klimapakt Hamburg-Niendorf Nord Integrierte Energie-, Modernisierungs-und Nutzerkonzepte für 60er Jahre-Bestände der Baugenossenschaft FLUWOG-NORDMARK eG“ • zwei nicht gewinnorientierte Projektentwicklungen alternativer (Wohn-)Projekte, d. h. privater selbst nutzender Interessensgruppen, die nachhaltiges Wohnen mit Gemeinschaftsflächen und verschiedenen gewerblichen und sozialen Nutzungen anbieten: • Initiative Möckernkiez, Möckernkiez eG mit dem Projekt „Möckernkiez BerlinKreuzberg integrierte, nachhaltige Entwicklung eines neuen Stadtquartiers durch private Akteure“. Aufgrund der Projektgröße trat sukzessive Professionalisierung ein und damit etliche Gemeinsamkeiten mit klassischen Projektentwicklern, und • der Verein Bodhicharya Deutschland e. V. Buddhistisches Zentrum für Frieden und Verständigung mit dem Projekt „Klimagerechte Revitalisierung eines Denkmalensembles Kulturelle Begegnungsstätte Bodhicharya, BerlinFriedrichshain“, welche ihr Bauprojekt weitgehend durch Spenden und Eigenleistung finanziert. Vier weitere Projekte betreffen Strategien für das immobilienwirtschaftliche Umlaufvermögen (Projektentwicklung und Verkauf): • zwei regional tätige Projektentwickler und Bauträger mit nachhaltigen, klimagerechten und kosteneffizienten Unternehmensstrategien für den Verkauf von Immobilien: • die Stuttgarter Siedlungswerk gemeinnützige Gesellschaft für Wohnungsund Städtebau mbH, ein Unternehmen des Bistums Rottenburg-Stuttgart und der Landesbank Baden-Württemberg, mit den Projektentwicklungen „Stuttgart SeelbergWohnen“ in Stuttgart-Bad Cannstatt und „FreiburgLeben“ in Freiburg (Breisgau) und • die inhabergeführte Unternehmensgruppe TTS Thierer Thierer Smola Werkstatt: Praxis Heft 79 GbR TPP Projektentwicklungs-GmbH und MTP Wohn- und Gewerbebau mit Projektentwicklungen zu „nachhaltigen Unternehmensstrategien der TPP Projektentwicklungs-GmbH, Günzburg: Projektbeispiele in Günzburg und Augsburg“. Hier wurde innerstädtisches Wohnen in Günzburg (Residenz Bellevue) und in Augsburg (Lechpark Hochzoll) realisiert. Die Nachnutzung einer militärischen Konversionsfläche mit Freizeit- und Gewerbenutzung ist in der Planung. • zwei klimaaffine Projektentwicklungen mit und für Kommunen: • die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Thüringen mbH, die mit der Landeshauptstadt Erfurt und Schoppe/Dr. Anton GbR Erfurt, einem privaten Bauträger das Projekt: „Projektentwicklung der solarenergetischen Siedlung ErfurtMarienhöhe“ entwickelt und klimaangepasstes Bauen auf der „grünen Wiese“ verwirklichen will, und • die Firma ascenticon AG, welche für die Stadt Hoyerswerda als Projektentwickler einer innerstädtischen Fläche auftritt. Der Leistungsauftrag durch die Kommune an die asenticon AG endete mit Vorlage einer Machbarkeitsstudie Anfang 2011 und wurde nicht verlängert. Die asenticon AG hat in Konsequenz die Projektträgerschaft für das Pilotprojekt „SolarGardenCity“ beendet und die Projektforschung wurde daher bereits Ende Oktober 2011 abgeschlossen und dokumentiert den Stand bis zu diesem Zeitpunkt. Die Projekte werden im Anhang des Berichts vorgestellt. Technologie- und Innovationsstrategie 29 2 Technologie- und Innovationsstrategie Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen (wie sie von den Pilotprojekten durchgeführt werden) erfolgen zunächst durch bautechnische Maßnahmen am Gebäude (Energieeffizienz und Hitzeschutz), im räumlichen Umfeld des Gebäudes zur Nutzung von Wärmepotenzialen und Freiflächengestaltung) und im Angebot der erzeugten Energie für Elektromobilität im Quartier. Die Entwicklung innovativer Bauprodukte stellt einen zunehmend forschungsintensiven Industriezweig dar, an welchem die Immobilienunternehmen als Abnehmer der Produkte in der Regel nicht an der Produktentwicklung beteiligt sind. Gleichzeitig erfordert die geringe Vorfertigungstiefe im konkreten Anwendungsfall (Gebäude, Energieversorgung, Siedlung) von der planenden, errichtenden und betreibenden Organisation (Projektentwickler/Bauträger oder Bestandshalter) die Fähigkeit und Bereitschaft, hoch individualisierte technologisch innovative Systeme zu planen, umzusetzen und zu betreiben. In den Pilotprojekten sind dafür Ansätze zu erkennen. Der Einsatz von Gebäudetechnologien, die Komplexität von technischen, bauphysikalischen und nutzerbezogenen Faktoren in Gebäude und Quartier setzt im Unternehmen Innovationsverhalten und abgestimmte Strategien voraus die Technik und Prozessinnovation, Wirtschaftlichkeit und Nutzerakzeptanz gleichermaßen berücksichtigen müssen. Im Folgenden wird die Wechselwirkung zwischen Art, Motiven und Zielsetzung des Technologieeinsatzes und der Akteursstruktur, d. h. der Organisationsform, der institutionellen Einbindung und der Unternehmensstrategie untersucht. 2.1 Technologieeinsatz: Motive und Ziele Alle Pilotprojekte verbinden Elemente der Gebäudeenergieeffizienz (Hülle, Lüftung, Verschattung) mit der Effizienzsteigerung der Heizsysteme (Errichtung oder Umstellung auf effizientere Wärme- und Stromerzeugungsinfrastruktur, Erhöhung der Primärenergieeffizienz durch Kraft-WärmeKopplung) und der Nutzung von regenerativen Energiequellen (Sonne, Abwasser- wärme). Die Pilotprojekte bemühen sich um gebietsbezogene Nutzung vorhandener Heizwerke und Netze. Neben dem Hauptziel, durch die Steigerung der energetischen Gebäudeeffizienz weniger Energie zu verbrauchen, wird der Technologieeinsatz zur Optimierung von Stoffkreisläufen (Reduktion der grauen Energie durch Recyclingbaustoffe, Grau- und Regenwassernutzung) und gesundheitlichen Vorteilen (Schadstoffarmut, raumklimatische Vorteile) genutzt. In der Übersicht stellt sich dies in Tabelle 1 dar. Bei den zwei siedlungsplanerischen Pilotprojekten Erfurt und Hoyerswerda soll die Nutzung solarer Energien für Strom und Wärme im Mittelpunkt einer möglichst energieautarken Siedlungsstruktur stehen. Zur Diskussion steht der Einsatz von Passivhauskomponenten, effizienter Heizungs- und Anlagentechnik und den Einsatz von Solarenergie. Der theoretisch mögliche Technologieeinsatz orientiert sich an den Zielen einer integrierten Stadtentwicklung und energetischen Stadterneuerung, gründet auf dem 2008 fortgeschriebenen INSEK und dem 2010 verabschiedeten Energieund Klimaschutzkonzept. Die angesprochenen Technologien basieren dabei weniger auf den konkreten örtlichen Bedingungen und Möglichkeiten. Vielmehr wird die Projektidee von der positiven Konnotation „solarer“ Technologien getragen. Der Technologieeinsatz wird zum Leitmotiv erhoben, das auch im Marketing und der Namensgebung „SolarGardenCity“ (Hoyerswerda) herausgestellt wird. Die Wahl eines nicht aus den örtlichen Notwendigkeiten und Potenzialen abgeleiteten Technologieeinsatzes erzeugt in beiden Planungsprojekten allerdings Zielkonflikte (z. B. zwischen einer funktional begründeten Baukörperausrichtung und städtebaulich-kontextuellen Notwendigkeiten in Hoyerswerda, zwischen baulandeffizienter städtebaulicher Dichte und solarem Ertrag in Erfurt), die zu inkonsistenten Planungszielen und letztlich zur Verstärkung von Bruchlinien zwischen divergierenden Akteursinteressen führen. In Hoyerswerda wird befürchtet, dass die klimaorientierten Ziele, die (baurechtlich) nur schwer festschreibbar sind, angesichts der schwierigen finanziellen Situation der Kommune zugunsten kurz- und mittelfristiger wirtschaftlicher Ziele zurückgenommen ImmoKlima 30 Werkstatt: Praxis Heft 79 Tabelle 1: Technologische Lösungen in den Pilotprojekten Projekt Wärmeschutz Energieversorgung Sonstige Besonderheiten Marienhöhe in BerlinTempelhof Austausch der Nachtstromspeicheröfen und Geplant: „Energieinsel“ durch gemeinsame Nutzung eines BHKWs im Quartier Photovoltaik-Fassade und Solarstrom Tankstelle im Quartier „Substitutionshaus“ mit Passivhauskomponenten und Lüftung mit Wärmerückgewinnung Solare Warmwasserversorgung Beleuchtungskonzepte Erfassung und Rückkopplung des Nutzerverhaltens (Smart Metering) Möckernkiez in BerlinKreuzberg Passivhausstandard mit Option des PlusEnergiehauses Einsatz erneuerbarer Energien, Energieeffizienz in der Nutzung Denkmalschutz Bodhicharya in BerlinFriedrichshain Auswahl der Standards werden von den verfügbaren Mitteln bestimmt Variantenplanung für die Gebäudeheizung Denkmalschutz KfW-Neubau-Standard EnEV 2009 Hamburg-Niendorf Nord Wäschetrocknungskonzepte Beratung und Information der Nutzer Durchführung der Sanierungsmaßnahmen in Eigenleistung Umfangreiches Materialienrecycling FreiburgLeben in Freiburg besser als EnEV-Standard (2007) Regenerative Wärmeversorgung: Abwasserwärme mit Wärmepumpe / Wasserschnecke und Holzpellet Kessel SeelbergWohnen in Stuttgart-Bad Cannstatt besser als EnEV-Standard (2007) Regenerative Wärmeversorgung: Abwasserkanal-Wärmetauscher und BHKW Residenz Bellevue in Günzburg Besser als der EnEVStandard = KfW 70 nach EnEV2009 Zwei BHKWs Beton-Schwerlastwand zur Hangstützung gleichzeitig als Speicher: mit Heiz-/Kühlschlangen genutzt Lechpark in AugsburgHochzoll besser als EnEV 2004= Niedrigenergiehäuser - 60 KWh Lüftung mit Wärmerückgewinnung Solare Gewinne durch Südorientierung, Wohngesundheit und Raumklima als Vermarktungsargument Fassadensanierung unter Einsatz von Photovoltaik Nutzung der von auf der Fläche produzierten Abwärme Verschattungselemente Prinz-Eugen-Park in Günzburg Hackschnitzel-Heizanlage mit Solarthermie für Brauchwassererwärmung Unwirtschaftlich wg. Gestiegener Preise und somit obsolet: Holzhackschnitzel-Kraftwerk Marienhöhe in Erfurt Möglichst energieeffizienter Neubau (Passivhaus) SolarGardenCity in Hoyerswerda Quelle: Eigene Darstellung Nutzung solarer Energie als Leitbild Nutzung solarer Energie als Leitbild Technologie und Innovationsstrategie werden. Eine über die Leitidee hinausführende konkrete Auseinandersetzung mit lokalen klimatischen Herausforderungen ist im Projektstandort Erfurt in Ansätzen erkennbar, diente aber (noch) nicht zur Konkretisierung eines bestimmten technologischen Konzeptes. Bei den Projektentwicklern mit Neubauvorhaben (Thierergruppe in Günzburg und Augsburg sowie Siedlungswerk in Stuttgart und Freiburg) werden Technologiestrategien ergriffen, bei der die Planung aus der Bebauungsplanebene kommend, hin zur Objektebene konkretisiert wird. Auch hier stehen Technologien zur Steigerung der wärmetechnischen Effizienz im Mittelpunkt. Während im Bereich der Gebäudehülle marktübliche ein- bzw. zweischichtige Wandaufbauten aus Massivbaustoffen zum Einsatz kommen, werden bei der technischen Gebäudeausrüstung innovative, auf den Standort und das Umfeld bezogene Lösungen gewählt. Im besten Fall werden lokale Ressourcen (Hanglagensicherung durch Spundwand mit Wärme-/Kälteleitungen in Günzburg oder Abwasserwärme in Freiburg und Stuttgart) im Energiekonzept integriert. Hierbei werden auch firmenspezifische Unterschiede erkennbar: Während die Thierergruppe vorwiegend auf bewährte und technisch ausgereifte Lösungen setzt, werden in den untersuchten Projekten des Siedlungswerkes Stuttgart technische Neuentwicklungen zur Wärmeversorgung und Kühlung erprobt, die einen höheren Planungs- und Entwicklungsaufwand erfordern. Der erreichte wärmetechnische Standard der analysierten Projekte unterscheidet sich dagegen kaum. Beide Unternehmen setzen auf die über den jeweilig gültigen EnEV 200x -Vorgaben liegenden KfW-Förderstufen Der zur Erreichung dieser Standards erforderliche Mehraufwand lag, zumindest während der Gültigkeit der EnEV 2002 und 2007, innerhalb eines wirtschaftlich vertretbaren Kostenrahmens. So konnten die Anforderungen der EnEV 2002 beispielsweise noch mit einschaligen Außenwandbauteilen erfüllt werden. Die gebäudebezogene Gesamtenergieeffizienz der analysierten Projekte liegt deshalb nicht substanziell über dem marktüblichen Standard im freifinanzierten Wohnbau. Dies ist vor dem Hintergrund der Markteinordnung der jeweiligen Projekte verständlich, zum einen, da der Markt weit über dem Wettbewerbsumfeld liegende Innovationen mangels Vergleichbarkeit kaum honorieren 31 kann, zum anderen, da die Wahl einer bestimmten Technologie (Bauteilaktivierung, Fußbodenheizung) auch eine Festlegung des Unternehmens auf ein bestimmtes Marktsegment bedeutet, die bei den untersuchten Projektträgern nicht mit dem Unternehmensziel (Thierergruppe: freifinanzierter Wohnungsbau im mittleren und gehobenen Preissegment, Siedlungswerk: mittleres und oberes Preissegment, aber auch geförderter Wohnungsbau) vereinbar wäre. Das Vorgehen der beiden Unternehmungen ist somit geeignet, auch von anderen Unternehmungen angewendet zu werden. Beide Unternehmen stehen bei der Energieerzeugung exemplarisch für die Möglichkeiten, standortspezifische Potenziale zur Gewinnung lokal verfügbarer Energieressourcen zu nutzen. Beim Projekt Residenz Bellevue in Günzburg musste die Hangsicherung (Abrutschgefahr) nach dem Abriss der bestehenden Gebäude wirtschaftlich dargestellt werden. Statt kostenintensiverer Betonspund- oder Injektionswände mit Bohrpfählen zur Hangsicherung konnte das gleiche Ergebnis mit deutlich niedrigeren Kosten durch eine Schwerlastwand erreicht werden. Aufgrund der damit zur Verfügung stehenden trägen Speichermasse wurde die Wand mittels Bauteilaktivierung zur Gebäudetemperierung in das Energiekonzept integriert. Hingegen wird im Günzburger Konversionsgebiet Prinz-Eugen-Park (PEP) aus Kostengründen (Holzpreissteigerung) von dem geplanten Biomasse-Kraftwerk mit Holzhackschnitzeln abgesehen. Standardtechnologien der Energieerzeugung (Kraft-Wärme-Kopplung) sollten durch das Biomasse-Kraftwerk mit Holzhackschnitzeln als Brennstoff und zur redundanten Absicherung mit Erdgas und/oder Bio-Erdgas zum Einsatz kommen. Das Energieversorgungskonzept konzentriert sich jetzt auf die Versorgung der Betriebe auf dem PEPGelände und den umliegenden Großabnehmern mit Strom und Wärme. Gewonnen werden Strom und Wärme auf dem Gebiet aus der Abwärme (einschließlich der Niedertemperatur-Abwärme aus einem Ladeluftkühlerbetrieb). Lokale Ressourcen werden in Stuttgart durch die Nutzung der Wärmeenergie eines Abwasserkanals für die Wärmepumpe und in Freiburg durch Nutzung des vorhandenen Grundwasserbrunnens zum Heizen und Kühlen über eine Groß-Wärmepumpe sichergestellt. Das Siedlungswerk setzt da- ImmoKlima 32 rüber hinaus auf hoch innovative Energiespeichertechnik (Eisspeicher), mit der Wärmeangebot und Nachfrage im Jahresgang ausgeglichen werden sollen. Das System wird durch einen großen Holzheizkessel ergänzt. Damit wird eine CO2-neutrale Wärmeversorgung erreicht. Die beschriebenen Technologien werden vom Siedlungswerk in dieser Weise erstmalig angewendet. Deshalb gehört zum integrierten Konzept die Betriebsüberwachung, um die Erfahrungen in künftigen eigenen Projekten nutzen zu können. Bereits während der Laufzeit des ExWoSt- Forschungsvorhabens sind Übertragbarkeiten festzustellen: Die Thierergruppe plant seit Ende 2011 in einem Wohnungsbauprojekt für 12 Häuser in Penzberg, die Abwärme des Schmutzwassers nach dem Vorbild des Siedlungswerkes zu nutzen. Gleichzeitig soll das Energieversorgungskonzept mit der Minderung der Abwassereinleitung verbunden werden. Die Maßnahmen zur Reaktion auf örtlich bestehende klimatische Vulnerabilitäten sind dagegen weniger differenziert. Zwar werden klimatische Argumente zur Rechtfertigung der Gestaltung von Außenräumen, der Baukörperstellung und der Materialwahl angeführt. Da diese jedoch weitgehend kongruent zu städtebaulichen Notwendigkeiten sowie Komfort- und Benutzungsvorteilen sind, ist ein kausaler Einfluss klimatischer Faktoren auf die Baugestaltung und Bauausführung, der über die Einhaltung bau- und planungsrechtlicher Normen (Beachtung von Hochwasserhöchstständen, Regenwasserversickerung auf dem Grundstück) hinausgeht, nicht zu erkennen. Auch die mit ökologischen Vorteilen begründete Maximierung der Grundstücksausnutzung unter Reduktion notwendiger versiegelter Erschließungsflächen am Projektstandort Augsburg entsteht in erster Linie aus der Notwendigkeit, dem eigenen Unternehmen durch Verhandlung mit der Kommune, beim Grundstückseinkauf einen Wettbewerbsvorteil ohne Abstriche bei der Vermarktbarkeit zu erzielen, denn als bewusste Reaktion auf klimatische Gegebenheiten. Unabhängig von den Zielen und Motiven der Unternehmungen werden Synergien zwischen Klimaanpassungsmaßnahmen und (wirtschaftlichen) Unternehmensinteressen erreicht. Bei den nicht gewinnorientierten Vorhaben Möckernkiez und Buddhistisches Zentrum kommen unterschiedliche Argumentati- Werkstatt: Praxis Heft 79 onsmuster für den Technologieeinsatz zum Tragen. Die wirtschaftliche Situation der von Ehrenamtlichen getragenen Organisation des Buddhistischen Zentrums erlaubt nur eine eingeschränkte und schrittweise Umsetzung der selbst gesteckten Ansprüche an Klimaschutz und -anpassung. Der Einsatz innovativer Technologien wird daher nicht nur durch die denkmalgeschützte Bausubstanz und die restriktiven Standortbedingungen (verdichtete Blockrandbebauung) eingeschränkt, sondern auch durch die bauabschnittsweise Umsetzung, da eine Projektrealisierung an einem Stück wegen der nicht sichergestellten Finanzierung nicht möglich ist. Aufgrund der engen Verbindung zwischen Spenden und konkreten investiven Maßnahmen zielt der Technologieeinsatz vor allem auf eine Reduktion der laufenden Betriebs- und Energiekosten. Geringe Investitionsmittel zwingen zur maximalen Wiederverwendung von Materialie n(ressourcenschonendes Bauen). So treten auch hier (ungeplant) Synergien zwischen Klimamaßnahmen und den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Buddhistischen Zentrums ein. Das Pilotprojekt Möckernkiez ist nach seinem Selbstverständnis als soziales und ökologisches Demonstrationsprojekt ausgelegt, bei dem ein über dem marktüblichen Niveau liegender Technologieeinsatz selbstverständlich und aufgrund der Mitgliederstruktur auch finanzierbar ist. Das Planungskonzept sieht hier Passivhausstandard vor (mit der Option auf eine Verschärfung zum „Plusenergiehaus“). Ähnlich wie bei den Projekten Erfurt und Hoyerswerda wird hier Technologie zur Klammer, unter der divergierende Ansprüche der genossenschaftlich organisierten Eigentümergemeinschaft vereint werden können. Reaktionen auf die problematischen mikroklimatischen Bedingungen der innerstädtischen, verdichteten Standorte sind in den Planungskonzepten vorgesehen, der derzeitige Stand lässt jedoch noch keine Rückschlüsse darauf zu, ob ein über die gesetzlichen Bestimmungen (z. B. Biotopflächenfaktor) hinausgehender Realisierungsstand erreicht werden wird. Die weitgehende Kongruenz zwischen Komfortaspekten (Aufenthaltsqualität, Verschattung, Schallschutz) und Aspekten der Klimaanpassung führt zu tatsächlichen Synergien zwischen den Interessen der Unternehmen und den Notwendigkeiten der Klimaanpassung – es kann deshalb dahingestellt bleiben inwieweit die Planungsziele tatsächlich von klimatischen Faktoren getrieben werden. Technologie und Innovationsstrategie Die Vorhaben der genossenschaftlich organisierten Bestandhalter Hamburg-Niendorf, der FLUWOG-NORDMARK eG und BerlinTemperhof Marienhöhe der 1892 betreffen energetische Modernisierungen, bei denen neben dem Ziel einer möglichst hohen Energieeffizienz (EnEV-Neubaustandard) auch innovative Technologien bei der Anlagentechnik (teildezentralisierte solarthermische Wärmeerzeugung, Elektrotankstelle, Vorhangfassaden mit Fassadenelementen aus Photovoltaik-Dünnschichtmodulen, Smart Metering) umgesetzt wurden. Der Anlass des Technologieeinsatzes war bei beiden Projekten unterschiedlich: Die 1892 reagierte auf die ordnungsrechtlichen Vorgaben der EnEV 2009, wonach die alten Nachtspeicheröfen bis spätestens Ende 2019 (§10a EnEV2009) außer Betrieb zu nehmen sind. Die Maßnahmen der FLUWOGNORDMARK eG waren dagegen integrierter Bestandteil einer strategischen Quartiersaufwertung, bei der räumliche und energetische Maßnahmen zur Sicherung der Vermietbarkeit und zur Ansprache neuer Mieterschichten dienen sollten. Synergien zwischen Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen sind in den gezeigten Technologien zu erkennen. Ansätze sind hier vor allem bei der Herstellung mikroklimatisch wirksamer Maßnahmen gegen stadtklimatische Hitzeeffekte gegeben (z. B. durch Hofbepflanzungen, Dachbegrünung), sowie bei der Dämmung der Gebäudehülle, die sowohl eine Klimaschutz- wie auch eine Klimaanpassungsmaßnahme darstellt. Auch Zielkonflikte lassen sich erkennen: technologische Komponenten des Gebäudes, die primär dem Klimaschutz dienen (wie Anlagen zur solaren Energiegewinnung oder außen liegende Sonnenschutzeinrichtungen mit Lichtlenkung), können die Schadensanfälligkeit (z. B. von exponierten Dach- und Fassadenbauteilen) erhöhen und sind somit aus Sicht der Klimaanpassung (zumindest aus Perspektive des Gebäudes, weniger des Nutzers) in ihrer Wirkung tendenziell vulnerabilitätserhöhend. 2.2 Handlungsstrategien im Technologieeinsatz Ob und warum in einem Pilotprojekt eine bestimmte Technologie zum Einsatz kommt, hängt nicht nur von den unternehmerischen Zielsetzungen und dem Nutzen, der durch den Technologieeinsatz erzielt werden soll, ab, sondern auch wesentlich von 33 den Rechten der handelnden Akteure am Grundstück, (Planungshoheit, Grundeigentum), den vorhandenen internen Wissensbeständen und dem Zugang zu externen Wissensressourcen (z. B. Fachingenieure). Innerhalb der handelnden Organisationen sind die Entscheidungen über den Einsatz innovativer Technologien meist an bestimmte Personen/Akteure oder Akteursgruppen geknüpft. Voraussetzung hierfür sind eigenes Fachwissen und Entscheidungskompetenzen. In einigen der Pilotprojekte treten solche Akteure besonders hervor: Im Pilotprojekt Erfurt sind dies die Personen Schoppe und Dr. Anton GbR die als erfahrene Projektentwickler als Initiator des Projektes gelten dürfen. Die Innovationskraft der Thierergruppe wird durch deren Geschäftsführer getrieben. Die Initiative Möckernkiez zeigt, welche Professionalisierung von Laienakteuren gefordert wird (und möglich ist), um fundierte Entscheidungen über technische Sachverhalte treffen zu können. Im Pilotprojekt Möckernkiez wird beispielsweise der Vorstand bei seinen Entscheidungen durch interne Facharbeitsgruppen unterstützt. Bei der Einbindung externen Fachwissens in den Innovationsprozess sind zwei Verhaltensmuster erkennbar: • Bildung von Akteurskonstellationen aus einem Pool bekannter und bereits in der Vergangenheit beauftragter Experten. • Durchführung von Wettbewerbsverfahren. Die Thierergruppe wählt den ersten Weg. Zweierlei Gründe dürften dafür sprechen – die Risikominimierung (die Eignung des Experten und das Wissen über bestimmte technologische Präferenzen sind bekannt) und die Kosten- und Zeiteffizienz. Im Gegenzug könnte sich die fehlende Öffnung gegenüber neuen, abweichenden Lösungsansätzen langfristig auch potenziell als nachteilig erweisen. Bei den Pilotprojekten des Siedlungswerks in Stuttgart und Freiburg, bei den Projekten Möckernkiez und Marienhöhe in Erfurt kommt Wettbewerben ein vielfältiger Nutzen zu: Das Instrument des Wettbewerbs wirkt dabei auf drei Ebenen qualitätssichernd: erstens, weil in Vorbereitung des Wettbewerbs eine sachliche Zieldefinition mit erwünschten Qualitäten definiert, vorbereitet und damit gesichert wird. Zweitens, weil unterschiedliche Lösungsansätze unternommen und vergli- ImmoKlima 34 chen werden können. Drittens, weil die Beteiligung Dritter (unabhängige Fachleute, Kommunalpolitik, Nachbarschaft etc.) Akzeptanz und Unterstützung im weiteren Verfahren sichert, da Konflikte bereits während der Entscheidungsfindung diskutiert und Kompromisse gefunden werden können. Exemplarisch ist der Architekturwettbewerb für das Quartier Möckernkiez zu erwähnen: er hatte eine integrierende und qualifizierende Funktion, die auch darin bestand, die über 1000 Genossenschaftsmitglieder bis zu einem gewissen Grad in den Entscheidungsprozess einzubinden. Es mussten daher klare Bewertungsstandards gefunden werden, um eine qualifizierte Diskussion mit dieser großen Zahl an Beteiligten durchführen zu können. 2.3Fazit Damit kann der Nutzen des Technologieeinsatzes in den Pilotprojekten in drei Fallgruppen kategorisiert werden: • Technologie ist Innovationsträger. Die schrittweise Verschärfung gesetzlicher Normen erfordert von Herstellern und Anwendern innovative Produkte. Unternehmerische Innovationsbereitschaft und die Investition in betriebliche Innovationsfähigkeit (Humankapital, Wissensressourcen, Vernetzung) sind Voraussetzung zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Die Initiierung und Verstetigung des bautechnischen Innovationsprozesses ist für Projektentwickler und Bauträger wie die Thierergruppe und das Siedlungswerk Stuttgart, aber auch für Bewirtschafter (FLUWOG-NORDMARK eG, 1892) eine notwendige Strategie, um bei steigenden Anforderungen an die Energieffizienz, gesetzt vom Markt und von Normen, dennoch wettbewerbsfähig zu bleiben. Damit erweitert sich die Nutzenbewertung des Technologieeinsatzes: Die Wirtschaftlichkeit innovativer Technologien liegt in ihrer Eignung, betriebliche Lern- und Erfahrungsprozesse in Gang zu setzen, die mittelfristig zu einer Sicherung der Marktstellung beitragen. Die Bildung lokaler Innovationsgruppen aus Vertretern der Bauwirtschaft, Fachplanern und Kommunen, kann zur Etablierung und Verstetigung innovativen Verhaltens auf lokaler Ebene dienen. • Technologie ist Instrument der Sozialkapitalbildung. Die branchenspezifische Standortgebundenheit und Regulierungsintensität im Wohnungs- und Siedlungs- Werkstatt: Praxis Heft 79 bau forciert die Notwendigkeit langfristiger Kooperationsfähigkeit mit externen zivilgesellschaftlichen und kommunalen Akteuren. Die Entwicklung innovativer Technologien setzt dabei in verstärktem Maße auf integrierte Konzepte, deren Umsetzungserfolg vielerlei Zugriffsrechte auf externe Ressourcen (Grundwasser, Oberflächenwasser, Restwärme Dritter, Erdwärme, Flächenressourcen) erfordert, die nicht ohne intensiven Austausch und eine entsprechende Transparenz der Entscheidungsfindung auskommt. Der Planungsprozess derartiger technologiegetragener Konzepte kann daher als vertrauensbildende Maßnahme in der Akteursinteraktion angesehen werden. Der Nachweis technologischer Kompetenz zur Steigerung der Ressourceneffizienz wird von den Akteuren Thierergruppe, Siedlungswerk Stuttgart und Möckernkiez aktiv zur Stärkung ihres unternehmerischen Sozialkapitals eingesetzt, was ihnen im Gegenzug Wettbewerbsvorteile bei der Grundstücksbeschaffung und planungsrechtlichen Ausnutzung ihrer Grundstücke verschafft. Die inszenierten Technologien der Abwasserrückgewinnung im Pilotprojekt Stuttgart, des Wasserkraftwerkes in Freiburg, der Photovoltaikfassade in Berlin-Marienhöhe oder der avantgardistischen Aufstockung in Hamburg-Niendorf eignen sich aufgrund ihrer ästhetischen Inwertsetzung besonders zur symbolischen Bindung politischer Entscheidungsträger und zur Verwendung in der Unternehmenskommunikation, auch wenn ihr tatsächlicher Nutzwert durch die Inszenierung nicht erhöht wird. • Technologie ist Instrument der Leitbildgenerierung. Die Festlegung auf bestimmte technologische Leitbilder kann innerhalb der Trägerorganisationen, aber auch im Umgang mit der Öffentlichkeit zur Erzeugung und Stärkung (selbst-) bindender Kräfte und damit zur Überwindung divergierender Akteursinteressen beitragen. Die Festlegung auf eine technologische Vision „Solarsiedlung“ in Erfurt und Hoyerswerda, bzw. „Plusenergiehaus“ im Projekt Möckernkiez, sind Beispiele für derartige interne und externe Bindungswirkungen. Aktuerslogiken und Kooperationen 35 3 Akteurslogiken und Kooperationen Die Bewältigung der komplexen Herausforderungen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung lassen sich – wie bereits in den Kapiteln 1 und 2 beschrieben – häufig nur oder mindestens besser in kooperativer Weise, d. h. durch das Arbeiten in Netzwerken erreichen. Die Potenziale von Kooperationen, d. h. von integriertem statt isoliertem Vorgehen, wird in verschiedenen – auch für dieses Forschungsvorhaben relevanten – Bereichen beobachtet und als Instrument nutzbar gemacht48. Die Akteure der Wohnungswirtschaft setzen verstärkt auf Kooperationen, um eigene Aufgaben des Kerngeschäfts und Aufgaben, die ihr Kerngeschäft unterstützen, besser erledigen zu können. Die Zusammenarbeit mit Partnern hat ihren Ausgang genommen im sozialen Bereich und soll zur Stabilisierung von Quartieren sowie zur Minderung von Mietrückständen, Leerstand und Fluktuation beitragen 49. Während Kooperationen im Allgemeinen nicht zugespitzt sind auf die Bewältigung des Klimawandels, sondern dieses Thema eines von mehreren, in Kooperation besser zu bewältigendes Thema ist, lässt sich bei den Pilotprojekten des Forschungsvorhabens „ImmoKlima“ eine Schwerpunktsetzung auf das Thema Klimawandel in Kooperation erkennen. Wohnungsunternehmen haben außerdem die Vorteile der genossenschaftlichen Prinzipien von Selbsthilfe, Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und der spekulationsfreien (gemeinsamen) Vermögensbildung „entdeckt“. Was in den jungen Genossenschaften von Anfang an Leitmotiv für die Verwirklichung ihrer auf gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten angelegten Wohnprojekte50 ist, hat für die Traditionsgenossenschaften – aber auch die privatwirtschaftlich organisierten Wohnungsunternehmen (wie das Siedlungswerk) – vor allem in Hinblick auf die Ansprache ihrer Mitglieder, ihrer „Kunden“, wie sie von einem Pilotprojekt genannt werden, wieder an Bedeutung gewonnen und ist Bestandteil ihrer Strategien. Im Folgenden werden zunächst anhand eines tabellarischen Überblicks die vorrangigen (Klima-)Ziele, die von den Projektträgern in den Pilotprojekten verfolgt werden, die Akteurskonstellationen sowie die Kooperationsbereiche dargestellt. Anschließend werden diese Akteurskonstellationen in ihren Betätigungsfeldern mit den Ein- flussgrößen für gelungenes Handeln sowie den sichtbaren Hemmnissen beschrieben und analysiert. 3.1 Klima- und sonstige Ziele die in Kooperationen verwirklicht werden Die Bestandshalter, die 1892 und FLUWOGNORDMARK eG, wollen ihre Wohnungsbestände zukunftstauglich machen. Die alteingesessenen und überwiegend älteren Bewohner sollen von den Modernisierungsmaßnahmen möglichst wenig belästigt werden. Sie sollen nach der Modernisierung deutlich geringere Heizkosten haben, in einer altengerechten Wohnung möglichst dauerhaft an die Genossenschaft gebunden bleiben. Ziel der Genossenschaften ist es weiterhin, mit besonderen Maßnahmen und Strategien (Strom-Tankstelle für das Elektroauto bei der 1892, das „Substitutionshaus“ als optimale Synthese aus allen klimarelevanten Faktoren, einschließlich Smart Metering bei der FLUWOG-NORDMARK eG) das Bewusstsein für Klima und Energiesparen zu entwickeln und zu stärken und sich ein modernes klimaorientiertes Image zu geben. Die traditionell gute Identifikation und Verbundenheit mit den Genossenschaften soll auf diesen Bereich ausgedehnt werden, um so auch junge neue Kunden zu gewinnen. Beim Stuttgarter Siedlungswerk stehen energieeffiziente Wohnbauprojekte, gestützt auf innovative Energietechnologie mit ergänzenden sozialen Infrastruktureinrichtungen (Pflegeheim, Kindertagesstätte, Kinder- und Familienzentrum) im Mittelpunkt. Eigentumswohnungen, soziale Infrastruktur und geförderter Wohnungsbau sollen miteinander harmonieren. Bei der MöckernkiezInitiative steht die Entwicklung eines Quartiers zum nachhaltigen Wohnen und Leben im Vordergrund. Als überdurchschnittlich finanzkräftig ausgestattete Genossenschaft will sie soziales und ökologisches Wohnen mit intensiver Ausstrahlung ins Quartier erreichen. Dies soll zunächst durch die (vom Bezirk vertraglich vorgegebene) Kiezstation mit Kindertagesstätte erreicht werden. Perspektivisch gehen die Ziele in eine Nutzungsmischung aus Wohnen und Arbeiten (Integrationshotel und Kleingewerbe). Hierzu hat die Genossenschaft schon Studien zu den Möglichkeiten der Gewerbeentwicklung beauftragt. Der Verein Bodhicharya (48) Hier können genannt werden: das Bund-Länder Programm Soziale Stadt, Kooperation im Quartier, (KiQ), Eigentümerstandortgemeinschaften im Stadtumbau (ESG) des BBSR, das neue KfW-Programm: energetische Stadtsanierung. (49) Behr, Iris et al.: Neue Soziale Fragen des Wohnens. Studie im Auftrag des Verbandes der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft e.V. (VdW südwest). Darmstadt, IWU, 2008. Download unter www. iwu.de. (50) Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMBVBS) (Hrsg.): Erschließen von Genossenschaftspotenzialen. Forschungen Heft 126. Bearbeitet von H. Maron, P. Potter und A. Simbriger (Klaus Novy Institut), Bonn, Berlin 2007. ImmoKlima 36 Werkstatt: Praxis Heft 79 Tabelle 2: Erfolgsversprechende Kooperationen in den Pilotptojekten Projekt Ziele Erfolgreiche Akteurskonstellationen Bereiche der Kooperation Marienhöhe in BerlinTempelhof Nutzerverträgliche Modernisierung Eingespielte Geschäftsbeziehungen zwischen bewährten Partnern (Ecoplan GmbH) Umfassende energieeffiziente und altengerechte Sanierung auf Neubaustandard mit angestrebter Warmmietenneutralität Professionelle Partner mit Ortskenntnissen Planung und Durchführung der Maßnahmen Siedlungsausschuss, Haussprecher- und Bewohnerversammlungen Bewohnerbetreuung während der Baumaßnahmen Senkung der „2.Miete“ Dauerhafte Vermietung durch: altengerechtes Wohnungsangebot und Ansprache von jungen Familien, Energieeffizienz zur Heizkostenbegrenzung, Hamburg-Niendorf Nord Klimabewusstsein bei den Nutzern stärken Siedlungsverein ZUSAMMEN e.V.) Bewusstseinsstärkung im Umgang mit den energetischen Ressourcen Klimaorientiertes Image des Unternehmens stärken Blockheizkraftwerks-Trägerund Betreibergesellschaft mbH (BTB) Stromtankstelle für Elektroautos gespeist aus der PhotovoltaikFassade Senatsverwaltungen (SenStadt und SenGUV) Wärmeversorgung (Contracting) Eingespielte Geschäftsbeziehungen zwischen gleich starken Partnern Beratung bei und Akzeptanz für Modernisierungsmaßnahmen Professionelle Partner mit Ortskenntnissen Einführung von Smart Metering im „Substitutionshaus“* Professionelles Sozialmanagement Informations- und Erfahrungsaustausch über Energieverbräuche und Nutzerverhalten Nutzerverträgliche Modernisierung, Bezahlbare Mieten nach Modernisierung Dauerhafte Vermietung durch: altengerechtes Wohnungsangebot und Ansprache junger Familien, Energieeffizienz zur Heizkostenbegrenzung, Klimabewusstsein bei den Nutzern stärken Einsatz ehrenamtlicher Arbeit der Genossenschaftsbewohner Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) Klimaorientiertes Image des Unternehmens stärken Quartiersbezug: Offener Treffpunkt im Waschhaus und Gemeinschaftsraum im „Substitutionshaus“ Möckernkiez in BerlinKreuzberg Genossenschaftliches Projekt für ökologisches und soziales Wohnen und Arbeiten mit Ausstrahlung ins Quartier Externe Büros und Experten Genossenschaftsmitglieder Interne FachAGs Verein Möckernkiez e.V. Initiative Möckernkiez Modellvorhaben (Verbrauchsmonitoring von Warmwasser und Wärmemengen) Energiesparberatung Neue Marke der FlUWOG-NORDMARK, die ein Energiesparhaus bezeichnet aus Passivhauskomponenten zur Reduktion des Primärenergiebedarfs und Maßnahmen zur Optimierung des Nutzerverhaltens. Wohnprojekt und Freiflächenentwicklung, gewerbliche Machbarkeitsstudie, Projektsteuerung Themenspezifische Projektbegleitung und inhaltliche Unterstützung des Vorstandes (FachAGs) Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel Kontakte mit externen Akteuren und Außendarstellung im Quartier(Integration des Kiez in die Gesamtkonzeption Quartiersmanagement) Bezirk FriedrichshainKreuzberg Vernetzung mit anderen Genossenschaften Initiativen aus anderen Quartieren Grundstückserwerb und Umsetzung städtebaulicher Anforderungen (Denkmalschutz, Verdichtung) Bodhicharya in BerlinFriedrichshain Aufbau eines buddhistischen Zentrums unter Berücksichtigung von Ökologie und Ressourcenschutz Dem Zentrum verbundene Fachleute und Förderer Planung der Maßnahmen, und Finanzierung der Maßnahmen Vereinsmitglieder Energiekonzept Quartiersbewohner Durchführung der Sanierungsmaßnahmen Bezirk FriedrichshainKreuzberg Sensibilisierung für Ressourcenschutz Grundstückserwerb und Umsetzung städtebaulicher Anforderungen (Denkmalschutz, Verdichtung, Ausgleichsbeträge) Akteurslogiken und Kooperationen 37 Projekt Ziele Erfolgreiche Akteurskonstellationen Bereiche der Kooperation FreiburgLeben* in Freiburg Klimaorientierung, *Inhouse Experten, Bereitstellung von sozialer Infrastruktur *bewährter Partner (EGSPlan), Projektplanung (ETW, Mietwohnungen, soziale Einrichtungen) und Soziale Mischung beim Wohnungsangebot (Kinderheim) *Architekten SeelbergWohnen* in Stuttgart-Bad Cannstatt Integration von behinderten/alten Menschen im Quartier Bildungsauftrag und Bewusstseinsschärfung für Klimaschutz und Energiesparen BADENOVA AG &Co KG St. Augustinus Heim (katholische Kirche) Tochterunternehmen (ImmoTherm) St. Anna Stiftung Ellwangen, Malteser Hilfsdienst, Kath. Sozialdienst, Stadtdekanat Stuttgart *Energieversorgungskonzept (Abwasserwärmenutzung) *Architekturwettbewerbe ,Kinder und Familienzentrum/ Freiburg ETW, Mietwohnungen, Betreutes Seniorenwohnen, Pflegeplätze, KiTa *Grundstückserwerb und Nutzungsanforderungen Freundeskreis “SeelbergLeben“ *Gemeinde (Politik und Verwaltung) Residenz Bellevue in Günzburg Zielgruppenscharfe Vermarktung von ETWs im höherpreisigen Segment unter Ausnutzung klimarelevanter Aspekte Philosophie der Partnerschaft in „bewährten Konstellationen“ Gemeinde (Politik und Verwaltung), Bezirk Konzentration auf eigene Expertise Analyse der Grundstücksausnutzung Mobilisierung schwieriger Brachflächen Marktanalyse: Zielgruppenauswahl Energieversorgungskonzepte Fachingenieure Lechpark in Augsburg-Hochzoll Zielgruppenscharfe Vermarktung von ETWs im höherpreisigen Segment unter Ausnutzung klimarelevanter Aspekte „Philosophie der Partnerschaft“ in „bewährten Konstellationen“ Gemeinde (Politik und Verwaltung) Konzentration auf eigene Expertise Analyse der Grundstücksausnutzung Mobilisierung schwieriger Brachflächen Marktanalyse: Zielgruppenauswahl Energieversorgungskonzepte Fachingenieure Prinz-Eugen-Park in Günzburg Nachnutzung eines Kasernenareals mit Schwerpunkt Entsiegelung und Optimierung von Energieerzeugung und Energienutzung im Gelände „Philosophie der Partnerschaft“ in „bewährten Konstellationen“ Analyse der Grundstücksausnutzung Gemeinde und Bezirksregierung Änderung des Bebauungsplanes, Abschluss eines VEPs Gemeinde Rekommunalisierung der Energieversorgung (Konzessionsgeberin) Marienhöhe in Erfurt SolarGardenCity in Hoyerswerda Ansprache unterschiedlicher Nutzergruppen, Projektplanung unter dem Leitthema: SolarGarden City Gewinnen neuer Nutzergruppen durch hohe Qualitäts- und Umweltstandards Klimagerechte Revitalisierung innerstädtischer Brachfläche GETEC AG Wärme- und Energielieferung Beauftragung diverser Fachgutachter Vorbereitung der Bauleitplanung (Solarenergie und Energieeffizienz) Stadtwerke Erfurt Energie GmbH Gemeinsame Energieversorgung Kommunale Wohnungsgesellschaft mbH Erfurt (KOWO) Übergegangene Projektträgerschaft Kommunalverwaltung Projektentwicklung Städtische Wohnungsgesellschaft, Wirtschafts- u. Versorgungsbetriebe mbH, Stadtentwicklungsgesellschaft mbH, Wohnungsgenossenschaft, Regionale Wirtschafts- und Ressourcenentwicklung Sächsische Energieagentur Dresden, M.-Luther-Universität Halle, Ostsächsische Sparkasse Quelle: Eigene Darstellung Raumordnungsverfahren Stadtreparatur Energie- und Klimaschutzkonzept ImmoKlima 38 Deutschland e. V. Buddhistisches Zentrum für Frieden und Verständigung will den Aufbau und Ausbau seines neuen Zentrums so ökologisch und ressourcenschonend wie möglich durchzuführen. Die inhabergeführte TPP-Projektentwicklungsgesellschaft mbH verwendet explizit das Thema Ressourcenschonung (Brachflächennutzung und Flächen sparen) sowie Energieeffizienz zur Vermarktung ihrer Projekte. Bei der Kommune Hoyerswerda steht die Projektplanung unter dem Leitthema SolarGardenCity mit Klimaschutz, Erneuerbare Energien, Klimaanpassung, Vegetationsaufbau, Temperaturausgleich, Innenstadtentwicklung, Urbanität und Stadt der kurzen Wege. Gleichzeitig sollen (auch hier) unterschiedliche Nutzer bzw. Nutzungsformen angesprochen werden (Wohneigentum, Mietwohnungen, Seniorenwohnen, Kleinteiliges Gewerbe). Erfurt zielt auf Klimaschutz und Klimaanpassung und will damit ein Standortprofil entwickeln, das neue Nachfragegruppen anspricht und mit hohen Qualitäts- und Umweltstandards die Vermarktung befördern. 3.2 Einflussgrößen gelungener Kooperationen Einführend kann festgestellt werden, dass die Kooperationen der Pilotprojekte erfolgversprechend sind, wenn Partner gewählt werden können, mit denen gemeinsame Ziele und Schnittmengen vorhanden sind. Bei gesetzten Akteuren (aus Politik und Verwaltung) ist es erforderlich, sehr frühzeitig gemeinsame Ziele zu identifizieren, auszuhandeln und im Projektverlauf zu überprüfen und anzupassen. Ziele können gemeinsam erreicht werden, wenn die erwünschten Ziele, Aufgaben und Zuständigkeiten der einzelnen Akteure sehr präzise verbindlich und verlässlich geregelt werden. Regelungen können in Gestalt von privatrechtlichen und/oder öffentlich-rechtlichen Verträgen, in Genehmigungsverfahren oder durch Regelungen des Genossenschaftsrechts erfolgen. Auch die sozialen Regelungen, d. h. das nicht in Verträgen gefasste ehrenamtlichen Engagement, hat in den Pilotprojekten Einfluss auf das Gelingen. Hier ist die klare Aufgabenbegrenzung zur Vermeidung von Überforderung besonders wichtig. Im Einzelnen lassen sich bei den verschiedenen Akteuren bzw. Kooperationspartnern die folgenden erfolgreichen Akteurslogiken (Konstellationen), aber auch Hemmnisse erkennen. Werkstatt: Praxis Heft 79 3.3 Kooperation mit professionellen Partnern Die Projektträger arbeiten mit eigenem Fachpersonal (Fachingenieure, Architekten), Tochtergesellschaften, mit externen Büros und Unternehmungen zur Vorbereitung, Qualifizierung und Durchführung der Projekte. Das Siedlungswerk verstärkt beispielsweise die eigene unternehmensinterne Expertise – zertifiziert und in einem Qualitätsmanagement-Handbuch festgehalten – durch die kontinuierliche Kooperation mit dem Büro EGS-Plan. Die Spannweite der Beauftragung wird beim Blick auf das Buddhistische Zentrum, die Thierergruppe und die Möckernkiez eG deutlich: Aus wirtschaftlichen Gründen kann das Buddhistische Zentrum für Fachplanungen (wie z. B. das Gebäudeheizungskonzept) nicht immer Aufträge auf Honorarbasis erteilen. Fachplanungen und deren Umsetzung müssen zum Teil solange aufgeschoben werden, bis die Spendenmittel dafür gesammelt worden sind. So steht als nächste größere Investition die Installation der Heizungsanlage für den Tempelbereich an (Fundraisingaktion „Wärme für den Tempel“). Möckernkiez eG hingegen ist wirtschaftlich in der Lage, u. a. für juristische Begleitung, Projektsteuerung, Marktanalyse für gewerbliche Nutzungen, Erstellung des Bebauungsplans sowie sozialwissenschaftliche und ökologische Beratung eine externe Expertise zu beauftragen. An die Grenzen stößt der genossenschaftliche Anspruch, selbstverwaltet und mitbestimmt zu arbeiten, wenn neben dem beauftragten Knowhow Zeit- und Kostendruck bei der Umsetzung auftreten. Um trotzdem die Balance zwischen beauftragter Professionalität und Selbstverwaltung zu wahren, wird bei der Beauftragung auf die „Öko-Affinität“ der Auftragnehmer geachtet. Die Thierergruppe als inhabergeführtes und privates Unternehmen, realisiert die Expertise überwiegend aus eigener Kraft unter begrenzter Einschaltung von Fachingenieuren für (energie-) technische Lösungen. Bei der Marktanalyse verlässt sich der Geschäftsführer im Wesentlichen auf seine eigenen Erfahrungen und Ortskenntnisse. Die Thierergruppe verlangt für den Erfolg zudem bewährte Konstellationen mit Partnern, die sich kennen und sich vertrauen. Die Bedeutung von Vertrauen und eingespielten Geschäftsbeziehungen steht auch Akteurslogiken und Kooperationen bei der FLUWOG-NORDMARK eG im Vordergrund. Der „direkte Draht“ zur Entscheidungsebene gleich starker Partner ist erforderlich und eher in der Kooperation mit kleinen und mittelständisch aufgestellten Unternehmen gegeben und weniger mit großen Konzernen. Als weitere Auswahlkriterien treten Ortskenntnis und räumliche Nähe neben das erforderliche Leistungsspektrum und die Kosten für die Leistung. So ist die Kooperation mit den Stadtwerken Norderstedt für Planung und Realisierung des Smart Metering zustande gekommen. Die zunächst avisierte E.ON Hanse war nicht an der Kooperation interessiert, obwohl sie Wärme- und Stromlieferant ist. Zuverlässigkeit und Vertrauen in den Partner ist für die Genossenschaften aus einem weiteren Grund von (wirtschaftlichem) Interesse: jede schlechte Dienstleistung (z. B. Heizkostenabrechnung) wird vom Bewohner direkt der Genossenschaft und nicht dem beauftragten Dienstleister zugeordnet. Aus diesem Grund erledigt die FLUWOGNORDMARK eG die Heizkostenabrechnung selbst und gewinnt gleichzeitig die Verbrauchsdaten. 3.4 Kooperation mit unbezahlten Fachleuten und unbezahlten Ehrenamtlichen Bei jungen Genossenschaften und alternativen (Wohn-)Projekten wird vieles im Ehrenamt erarbeitet. Auch Fachkompetenz und Erfahrungswissen kommen in unbezahlter oder nur teilweise bezahlter Form zum Einsatz. Die Mitarbeit von Fachleuten und Genossenschafts- bzw. Vereinsmitgliedern ist einerseits notwendig, um finanzielle Beschränkungen zu kompensieren, andererseits ist dies Ausdruck des Organisationsprinzips der Selbstverwaltung und Selbsthilfe. Die finanziellen Engpässe können allerdings nur zum Teil durch unbezahlte Arbeit kompensiert werden. Beim Buddhistischen Zentrum werden selbst Sanierungsarbeiten an der Außenfassade unter fachlicher Anleitung ehrenamtlich von (nicht professionellen) Vereinsmitgliedern bzw. Quartiersbewohnern erledigt. Dieser Umstand wird zum Hemmnis, weil für die Entscheidung über Umfang, Verteilung und Zeitpunkt der Durchführung der geplanten Maßnahmen wenig zeitlicher Spielraum bleiben, denn es entscheidet vor allem die zeitliche Verfügbarkeit der Mittel. Aufgrund der finanziellen 39 Engpässe ist die Bildung eines Expertenkernteams nicht möglich, was einer Kontinuität in der Planung des Energie-Konzeptes entgegensteht. Das Energiekonzept und die Beratungs- und Bauleistungen zur Projektentwicklung wurden von mehreren Fachleuten erarbeitet und überarbeitet, da Einzelne mit ihrer begrenzten (ehrenamtlich eingesetzten) Kapazität nicht das ganze Projekt begleiten konnten. Bei der Möckernkiez eG wird die oben beschriebene beauftragte Expertise von den internen Fach-Arbeitsgruppen ergänzt, begleitet und kontrolliert. Verschiedene Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit fachlichen Themen zur Projektplanung und -durchführung. Information und Beteiligung werden aus Interesse häufig fachlich hochqualifiziert, aber ehrenamtlich erledigt. Allerdings würde eine vollständige Honorierung dieser Aktivitäten den Rahmen selbst dieser finanzstarken Genossenschaft sprengen. Angesichts der wachsenden Mitgliederzahl, des Projektfortschritts und der umfangreichen Steuerungsaufgaben sind in der Zwischenzeit aus den zunächst unbezahlten Vorstandstätigkeiten bezahlte Stellen für sieben Mitarbeiter entstanden. Das umfangreiche Engagement und die Vielzahl der aktiv Mitwirkenden einerseits sowie Zeit- und Kostendruck andererseits stoßen an die Grenzen genossenschaftlicher Selbstorganisation: Die Mitglieder fordern umfangreiche und über die gesetzlich festgelegten Mitspracheregelungen hinausgehende Beteiligung und Mitentscheidung. Um die Ansprüchen zu erfüllen, werden Kommunikationsstrategien eingesetzt: so erfolgte z. B. eine Mitgliederbefragung zur Architektur, die auch im Auslobungstext berücksichtigt worden war. Zur Auswahl des Landschaftsarchitekturbüros wurde eine Onlinebefragung durchgeführt. Als Zwischenfazit zeigen die beiden Selbstnutzer Buddhistisches Zentrum und Möckernkiez eG, dass der Erfolg des freiwilligen/unbezahlten Einsatzes von der präzisen Aufgabendefinition, Aufgabenverteilung und Zuständigkeitsregelung abhängt. Beide Pilotprojekte bestätigen aber auch, dass die ehrenamtlich Aktiven bei der Vielfalt der übernommenen Aufgaben an ihre Grenzen stoßen und Überforderung eintreten kann 51. Beide Pilotprojekte wünschen deshalb stärkere Unterstützung durch Beratung und öffentliche Mittel. Das Zusammenwirken von professionellem Einsatz und Ehrenamt beruht bei der 1892, (51) Aus dem Kontext des ehrenamtlichen Engagements im sozialen Bereich ist bekannt, dass ehrenamtlich Tätige zur Selbstausbeutung neigen und deshalb zur Vermeidung der Überforderung klare Strukturen und professionelle Unterstützung erforderlich. sind. Vgl. Behr, I. et al.: Neue Soziale Fragen des Wohnens. Studie im Auftrag des Verbandes der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft e.V. (VdW südwest). Darmstadt, IWU, 2008, S. 57 ff. ImmoKlima 40 der FLUWOG-NORDMARK eG und beim Siedlungswerk auf dem sozialen Auftrag der Unternehmen. Die Tätigkeitsbereiche sind die Beratung und Begleitung der überwiegend älteren Genossenschaftsbewohner bei den energetischen Modernisierungsmaßnahmen. Akzeptanz für diese wird hergestellt indem sie mit (Energie-)Beratung verbunden wird (Heizen und Lüften). Der oben beschriebenen Überforderung wird durch den Einsatz von professionellem Sozialmanagement entgegengewirkt. Dieses kann durch ehrenamtlich tätige Bewohner (des Siedlungsvereins ZUSAMMEN e.V.) ergänzt und bereichert werden. Das Siedlungswerk verknüpft z. B. für die Integration von behinderten und alten Menschen im Wohnquartier und für die Bewusstseinsschärfung für Energiesparen und Klimaschutz Ehrenamt und professionelle Kooperationen. Im Freundeskreis „Seelberg Leben“ haben sich im lokalen Umfeld tätige Institutionen (St. Anna Stiftung Ellwangen, Malteser Hilfsdienst, Katholischer Sozialdienst, Katholische Kirchengemeinde Liebfrauen, Siedlungswerk) zusammengeschlossen und arbeiten zusammen mit Interessierten aus der Nachbarschaft an der Quartiersentwicklung. Eine ökologische und Bewohner aktivierende Ausrichtung ist bislang nicht ersichtlich, wäre aber vorstellbar. So illustrieren die Pilotprojekte, dass durch die Kooperation von (bezahlten) Fachleuten und ehrenamtlich Tätigen die Risiken der Überforderung des Ehrenamtes begrenzt werden. Befördert werden dabei bislang vor allem soziale Themen zunehmend aber auch konkrete Fragen zum Energiesparen. Mittelbar wirkt sich dies auf den Umgang mit dem Klimawandel aus. (52) Vgl. Hacke, U.: Einflussnahme auf das Nutzerverhalten durch „Energy Awareness Services“. Neue Dienstleistungen zur Förderung des Energiebewusstseins bei Mietern. In: IzR 10/2010, S. 877 – 889. (53) Vgl. Hacke, U., Born, R.: Wirkungs- und Akzeptanzanalyse von EDMpremium, Kurzbericht zur Analyse des Aachener Feldversuches der ista Deutschland GmbH, IWU 2011. (54) Vgl. Mack, B., Hallmann, S.: Stromsparen in Lummerlund – eine Interventionsstudie in einer Passiv- und Niedrigenergiehaussiedlung, Umweltpsychologie 2004, S. 12-18. 3.5 Kooperation mit den Bewohnern Die Nutzer der Wohnungen können mit ihrem konkreten Verhalten einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung von Klimazielen leisten und werden damit Akteur und Kooperationspartner für die Projektträger. Die Kooperation mit den „Kunden“ (wie sie von den Unternehmen gesehen werden) bietet besondere Potenziale für den Klimaschutz beim Umgang mit der Heizwärme, beim (Warm-)Wasserverbrauch und beim Einsatz elektrischer Energie. Wenngleich der Einfluss des Verbraucherverhaltens in den Pilotprojekten – wie über- Werkstatt: Praxis Heft 79 haupt bei den Wohnungsunternehmen bislang noch wenig erforscht52, 53, 54 ist, gehören Information, Unterstützung und Beratung der Nutzer vor und bei den Modernisierungsmaßnahmen zur Bewirtschaftungsstrategie. Hierfür ist bei der 1892 ein eigenes Budget vorgesehen. Vorrangiges Ziel ist es, die Modernisierungsmaßnahme möglichst reibungslos abzuwickeln, die Bewohner geringstmöglich zu belästigen, Mietminderungen zu vermeiden, die Zufriedenheit mit der modernisierten Wohnung und den Mietpreisen zu sichern und gleichzeitig die Genossenschaftsmitglieder für das Thema Energiesparen zu sensibilisieren. Die Modernisierung wird zum Anlass genommen, Sensibilisierungs- und Informationsmaßnahmen zum bewussten Umgang mit den Ressourcen durchzuführen. Neben den „üblichen“ Hinweisen zu Strom, Heizung und Wassersparen ist bei der FLUWOG-NORDMARK eG und der Thierergruppe der Einsatz des Smart Metering vorgesehen (dazu siehe bereits 2.3). Durch zeitnahe Information über Stromverbrauch und die Möglichkeit, Strom zu unterschiedlichen Tarifen zu nutzen, sollen die Nutzer ihr Verhalten (zugunsten niedrigerer) Stromverbräuche anpassen. Im Zuge der Teilnahme an ImmoKlima ist die 1892 eG auch als Modellvorhaben bei der Klimavereinbarung zwischen dem Berliner Senat und der lokalen Wohnungswirtschaft aufgenommen worden. Die FLUWOG-NORDMARK eG arbeitet mit der Hamburger Senatsverwaltung als Pilotprojekt für die Umsetzung von Smart Metering. Mithilfe des gemessenen tatsächlichen Verbrauches an Heizwärme und Warmwasser sollen die Erfolge der Nutzeransprache und der energetischen Modernisierung überprüft werden. 3.6 Kooperation mit Politik und Verwaltung Die Pilotprojekte bzw. ihre Projektträger treten den Akteuren der öffentlichen Hand in unterschiedlichen Situationen und in unterschiedlichen Rollen gegenüber. Beim Grundstückserwerb (Siedlungswerk, Möckernkiez eG, Buddhistisches Zentrum, Thierergruppe) stehen sich Projektträger und Stadt bzw. Bezirk als Vertragspartner gegenüber, um u. a. Grundstückspreis, Nutzungsanforderungen, wie geförderter Wohnraum, soziale Einrichtungen beim Siedlungswerk und der Möckernkiez eG), Akteurslogiken und Kooperationen Denkmalschutzanforderungen (Buddhistisches Zentrum und Thierergruppe in Augsburg), energetische Standards (Freiburger Energiestandard) oder das Maß der baulichen Verdichtung (Thierergruppe in Augsburg) auszuhandeln. Bei dem Pilotprojekt Erfurt-Marienhöhe stellt sich die Kooperation zwischen dem Projektträger LEG Thüringen (2,92 ha), der Stadt Erfurt (6,93 ha) und dem privaten Bauträger Schoppe/Dr. Anton GbR (1 ha) auf Grund ihrer gemeinsamen Beteiligung am Grundeigentum bei unterschiedlicher Interessenlage sehr speziell dar. Das Projektinteresse der beiden öffentlichen Akteure zielt auf die Schaffung von Bauland und die Realisierung von Erlösen aus werterhöhenden Maßnahmen (Planungswertausgleich). Die Interessen des Akteurs Schoppe/Dr. Anton GbR als Projektentwickler und Bauträger mit Erfahrung in energetisch hochwertigen Projekten sind dagegen nicht nur auf den Grundstücksverkauf, sondern auf die gesamte Wertschöpfungskette bis zum möglichst zügigen Immobilienverkauf ausgerichtet. Zum Laufzeitende des Forschungsvorhabens haben sich die Stadtverordneten der Stadt Erfurt für einen Projektträgerwechsel entschieden. Die Projektentwicklung soll nunmehr durch die kommunale Wohnungsgesellschaft (KoWo) erfolgen in der Erwartung, die Wertschöpfungspotenziale für die Stadt selber zu heben. Weitere Interessensgegensätze treten innerhalb der Stadt durch ihre unterschiedlichen Rollen als planende Behörde und als Grundstückseigentümerin zu Tage. Während der Projektlaufzeit ist es in Erfurt nicht gelungen, die Interessen vor allem der Kämmerei an der Grundstücksverwertung , des Stadtplanungsamtes an der Entwicklung des gesamten Areals mit den Interessen der privaten GbR an einer raschen Entwicklung einer Teilfläche in Einklang zu bringen und durch die Konstituierung einer effektiven Projektentwicklungsstruktur – war als erster Schritt gedacht und ist heute noch in der Findung – in einen geordneten, transparenten Prozess zu führen. Das gemeinsame Leitbild der Solarsiedlung, das gewissermaßen die durchaus unterschiedlichen Interessen der beteiligten Akteure bündeln sollte, erweist sich aber auch im Detail als schwierig. Während der kommunale Akteur in hohem Maße auf externes Expertenwissen zur Legitimation von Entscheidungen setzt, ist der private Grundeigentümer bereits längere Zeit in der gesuchten Marktnische tätig und verfügt 41 über eigenes Expertenwissen und Erfahrungen in der Praxis die jedoch nicht adäquat von der Stadt eingebunden werden. Für die erfolgreiche Umsetzung der Pilotprojekte ist die Abstimmung mit den Fachämtern in kooperativem Verwaltungshandeln erforderlich. Flexibilität (mehrfache Planänderungen im Prinz-Eugen-Park in Günzburg, um wirtschaftliche Nutzungen zu ermöglichen, großzügige Ausnutzung der Grundstücke für Wohnbebauung bei reduzierten Erschließungsflächen in Augsburg), gegenseitiges Vertrauen und Transparenz (Beispiel: frühzeitige Abstimmung und Durchführung von Wettbewerben beim Siedlungswerk mit den Kommunen Freiburg und Stuttgart), sind Facetten des kooperativen Verwaltungshandelns und Bedingungen des Erfolgs. Die Kooperation ist immer dann erfolgreich, wenn beide Vertragspartner Vorteile und Nutzen aus der Projektdurchführung ziehen (Darstellung des Projektes als Beitrag zum Klimakonzept in Günzburg und Freiburg, Entwicklung schwieriger Brachflächen in Augsburg und Günzburg). Kooperatives Verwaltungshandeln des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg wird im Umgang mit dem Buddhistischen Zentrum und der Möckernkiez eG sichtbar: so stundet der Bezirk dem Buddhistischen Zentrum Ausgleichsbeträge, die nach dem Errichten von Wohnungen und der damit verbundenen (erhöhten) Verdichtung fällig werden, um das Projekt zu ermöglichen. Ebenso verzichtet der Bezirk bei der Möckernkiez eG auf die vertraglich vorgesehene Sanierung des Zollpackhofes und genehmigt den Abriss, weil sich die Sanierung im Projektverlauf als nicht wirtschaftlich durchführbar gezeigt hat. Kooperationsbereit, um den Erfolg und die Umsetzung des Projektes zu befördern, zeigte sich auch die Stadt Stuttgart im Verzicht auf Gebühren für die Abwasserwärmenutzung aus dem Abwasserkanal für die Wärmegewinnung im Projekt SeelbergWohnen. Die beschriebenen Bedingungen gelten sowohl auf der hier behandelten konkreten Projektebene, aber auch bei der Zusammenarbeit im übergeordneten Kontext der Entwicklung von kommunalen Klimakonzepten der öffentlichen Hand und den Beiträgen der Projektträger dazu, wie sie in Kapitel 5 behandelt werden. Kooperatives Verwaltungshandeln bzw. kooperative Beteiligungsformen werden nicht nur von den Pilotprojekten als Moment erfolgreicher Kooperationen benötigt, ImmoKlima 42 sondern werden auch aus Sicht der öffentlichen Hand als unverzichtbar für die Entscheidungsfindung im Kontext der Klimawandelproblematik erachtet. Als Elemente eines notwendigen Governance-Prozesses werden auch von der öffentlichen Hand Kommunikation, Information und Partizipation, die über das rechtlich vorgegebene Maß hinausgehen, genannt. Auch aus Sicht der öffentlichen Hand sollen mit diesen Beteiligungsformen Akteure frühzeitig eingebunden werden, um die Akzeptanz für die geplanten Maßnahmen zu erhöhen. Außerdem soll befürchtetem Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber den öffentlichen Entscheidungsträgern vorgebeugt werden55. 3.7 Kooperation bei der Energieund Wärmeversorgung Bei der Umsetzung der integrierten Energieerzeugungs- und Versorgungskonzepte sind die Projektträger weitreichender und komplexer auf Kooperationen angewiesen als in den übrigen Bereichen ihrer Projekte. Wie in Kapitel 3.3 beschrieben, arbeiten die Pilotprojekte bei der energetischen Modernisierung bzw. dem Neubau effizienter Wohnungen mit firmeneigenen oder beauftragten Fachleuten. (55) BMVBS (Hg.) Klimawandelgerechte Stadtentwicklung. Ursachen und Folgen des Klimawandels durch urbane Konzepte begegnen. Forschungen, Heft 149. Bearbeitet von S. Greiving et al. Berlin, 2011, S. 78 f. Für die erforderliche Wärme- und Stromversorgung werden von den Projektträgern verschiedene Kooperationsformen gewählt. Hierbei ist das Siedlungswerk ein Beispiel dafür, wie die Immobilien- und Wohnungswirtschaft zunehmend auch auf dem Energiemarkt tätig wird. So erfolgt die Energieversorgung in Stuttgart durch die Tochterfirma ImmoTherm mit den Gesellschaftern (Stadtwerke Tübingen, TW Friedrichshafen, Siedlungswerk). ImmoTherm ist der gesetzte Vertragspartner für die Eigentümer und Mieter. Die Energielieferung erfolgt in der Rechtsform des Energiecontractings. ImmoTherm wird außerdem für die Investition der aufwändigen Investitionskosten des Energie-Konzeptes benötigt. Durch die Verbundenheit von Siedlungswerk und ImmoTherm kann die Verteilung der Investitionskosten (durch Investitionskostenzuschüsse in Höhen zwischen 75 % - 100 %) zwischen den beiden Gesellschaften vorgenommen werden und daraus folgend die Höhe der Betriebskosten gesteuert werden. Zum wirtschaftlichen Erfolg dieser juristisch verbundenen Kooperationsform siehe auch Kapitel 4.3. Werkstatt: Praxis Heft 79 Der in Freiburg eingesetzte ContractingPartner, die Badenova Wärmeplus GmbH &Co KG, ergab sich zwingend, nachdem aus dem Innovationsfonds “Klima- und Wasserschutz“ der Badenova Gesellschaft Wärmeplus GmbH &Co KG ein sehr hoher Baukostenzuschuss für die Umsetzung des Energiekonzepts (einschließlich Monitoring) gewährt worden war. Eine freiwillige Kooperation wird bei der Stromversorgung der FLUWOG-NORDMARK eG Wohnungen eingegangen: durch die (vertragliche) Kooperation mit den Stadtwerken Norderstedt können Angebote von zeitabhängigen Stromtarifen und dem Aufbau des Smart Metering geschaffen werden. Für die Wärmeversorgung muss die FLUWOG-NORDMARK auf den Großversorger EON Hanse, die 1892 auf Vattenfall zurückgreifen. Hierbei erfolgen die Wärme- und Stromlieferung zu für die jeweilige Genossenschaft ungünstigen Lieferbedingungen, die von den beiden großen Anbietern bestimmt werden. So entstehen mangels Marktmacht asymmetrische „Zwangspartnerschaften“mit großen Playern, wobei weder Verhandlungen „auf Augenhöhe“ stattfinden noch gemeinsame Interessen existieren. An dieser asymmetrischen Allianz scheitern bislang die weitergehenden Überlegungen der genossenschaftlichen integrierten Energieversorgungskonzepte der FLUWOG-NORDMARK eG: Die nach der Modernisierung der Bestände reduzierten Wärmebedarfe und die gewonnenen solaren Energieangebote wären geeignet, auch Bestände sonstiger Eigentümer im Quartier zu versorgen. Die Netzinhaber waren jedoch für diese Kooperation nicht zu gewinnen. Die Alternative, ein eigenes Wärmenetz zu betreiben oder sich hierfür mit benachbarten Eigentümern zusammenzuschließen, war für die Genossenschaften wirtschaftlich nicht leistbar, auf Grund des fehlenden Know-hows auch nicht realisierbar, so dass es dahingestellt bleiben kann, ob dies zum Geschäftszweck einer Wohnungsgenossenschaft gehört. Anders stellt sich die Kooperation bei der Schaffung einer integrierten Wärmeversorgung für das Quartier im Prinz-Eugen-Park (PEP) in Günzburg dar: Für die geplante Rekommunalisierung der Günzburger Ener- Akteurslogiken und Kooperationen gieversorgung auf dem PEP-Gelände wirken die Thierergruppe mit der Gemeinde als Konzessionsgeberin und GETEC AG als Wärme- und Energielieferant zusammen. Auf der Grundlage eines Letter of Intent zwischen Thierergruppe und GETEC AG sowie auf der Grundlage von Vorverträgen zur Wärmelieferung, werden gemeinsam Potenziale der Kunden und technische Voraussetzungen ermittelt. Hier treffen sich Nutzungs- und Vermarktungsinteressen des Energieversorgers, der Gemeinde und des Projektentwicklers. 3.8Fazit Die Analyse der Kooperationen in den Pilotstandorten lässt sich mit folgenden Schlussfolgerungen zu den Erfolgsfaktoren und Hemmnissen zusammenfassen. • Gelungene Kooperationen identifizieren konkrete Ziele und Schnittmengen (aus Gesellschaftszweck, Unternehmensleitbild, Projektidee), treffen klare Vereinbarungen über Aufgaben und Zuständigkeiten und schließen verbindliche Verträge ab. Als Hemmnisse sind hierbei zu erkennen: Das bloße Stützen auf (politisch) erstrebenswerte oder verabredete Programme sowie unterschiedliche Akteurslogiken, die sich aus fiskalische Zwängen, verschiedenen Zeithorizonten und Entwicklungsvorstellungen ergeben. Die gemeinsame Zieldefinition und Verwirklichung wird weiterhin gefährdet bei wachsender Größe und Mitwirkungsrechten der Projektgruppe und wachsender Komplexität der Ziele. • Vertrauensvoller und fairer Umgang der Partner miteinander (Governance): Projekte werden in großer Offenheit und Transparenz von Anbeginn des Projektes bis hin zum Abschluss des Projektes durchgeführt. Die Projektpartner stehen sich gleichberechtigt gegenüber, sie wirken zusammen „auf Augenhöhe“. Alle notwendigen Beteiligten werden frühzeitig und über den ganzen Prozess der Vorbereitung und Durchführung hin beteiligt. Die jeweiligen Kompetenzen aller Beteiligten werden genutzt. Informelle Komponenten (Innovatives Denken, Projekttreiber bzw. ein Kümmerer, Non-Profit-Engagement) werden genutzt. Das Projekt ist der gemeinsame Erfolg aller und wird nach außen so dargestellt. 43 Als Hemmnisse sind zu erkennen: Selbstausbeutung und Überforderung im Ehrenamt bei knappen finanziellen und personellen Mitteln und fehlender organisatorischer und finanzieller Unterstützung. • Kooperatives Verwaltungshandeln: benötigt wird flexibles Eingehen auf die spezifischen technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Erfordernisse des Projektes, die das geltende Recht auch zulässt. Als Hemmnisse sind zu erkennen: Politische Vorgaben und Zwänge bestimmen das Verwaltungshandeln. Ermessensspielräume werden nicht ausreichend ausgeschöpft. Fachverwaltungen folgen ihrer je eigenen Logik; die übergreifende Zusammenarbeit bedarf des Anstoßes und der Koordination. Die Strukturen bzw. treibenden Personen dafür sind häufig nicht ausreichend vorhanden. Aufgabenstellung und Kompetenzen der Fachverwaltung (z. B. Liegenschaftsamt und Stadtplanungsamt) stoßen an Grenzen, wenn Verhandlungen und Entscheidungen komplexer, privatwirtschaftlich ausgerichteter Immobilienentwicklungen anstehen (insbesondere bei Grundstücksveräußerungen und Grundstücksnutzungen). • Wissenssicherung und Wissensweitergabe: in den Projekten gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen werden durch Dokumentationen (z. B. Partizipationsfibel, Informationsmaterial, Managementhandbuch) gesichert. ImmoKlima 44 Werkstatt: Praxis Heft 79 4 Marktstrategien und wirtschaftlicher Nutzen Die Träger der Pilotprojekte von ImmoKlima unterstreichen die Notwendigkeit, dass Investitionen „wirtschaftlich“ sein müssen. Das bedeutet, dass eine Übernahme und praktische Umsetzung von zusätzlichen Klimaschutzstandards oder von neuen Anforderungen auf dem Gebiet der Klimaanpassung in die Geschäftsstrategie der Unternehmen der Immobilien- und Wohnungswirtschaft nur dann erfolgreich sein kann, wenn diese Anstrengungen auch wirtschaftlichen Nutzen generieren. Dabei ist der Begriff des wirtschaftlichen Nutzens breit zu fassen und ist abhängig vom Unternehmenszweck und den jeweiligen Leitbildern. 4.1 Unternehmensziele und Leitbilder Unternehmerisches Handeln findet im sozialen und politischen Kontext statt. Dieser wird durch formelle und informelle Bindungen geprägt. Neben den übergeordneten rechtlichen Bindungen bestehen vertragliche Bindungen mit Kunden, Mietern und der Öffentlichen Hand. Informelle Bindungen bestehen in die Nachbarschaft und Öffentlichkeit. Die Notwendigkeit, in beiden Fällen für einen Interessens- und Risikoausgleich sorgen zu müssen, sollte daher grundlegender Gegenstand des unternehmerischen Handelns sein. Dies gilt besonders für die lokal oder regional agierende Wohnungswirtschaft, deren Geschäftsmodell auf langfristigen Beziehungen mit Mietern und den Kommunen aufbaut. (56) Die Auswahl der Pilotprojekte ImmoKlima basiert nicht auf einer Zufallsstichprobe sondern auf Basis der integrierten Klimaschutz- und/oder Klimaanpassungsstrategien, die innerhalb der Projekte bzw. des Unternehmens verfolgt wurden. (57) Europäische Kommission: Grünbuch – Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen 2001, S. 7. CSR wird als Integration sozialer Belange und Umweltbelange in die Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern auf freiwilliger Basis definiert. Vor diesem Hintergrund sind die oben beschriebenen Leitbilder zu würdigen. Sie enthalten unterschiedlich pointierte Aussagen zum Umgang mit dem Klimawandel. Die ImmoKlima-Unternehmen, verstehen sich im weitesten Sinne als „nachhaltige“ Bewirtschafter bzw. Projektentwickler und verfolgen nicht ausschließlich kurzfristige Verwertungsinteressen56. Sie besitzen vielmehr überdurchschnittliche Sensibilität für soziale und ökologische Themenstellungen. Die gewonnenen Erkenntnisse sind daher als Dokumentation des Verhaltens eines Teils der „klimaaffinen Avantgarde“ in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft zu werten, was den Pilotcharakter der Projekte bzw. der Unternehmensstrategien unter- streicht. Hier bietet sich die Verortung der Unternehmensziele in die Begrifflichkeit der „Corporate Social Responsibility“ (CSR)57 an. Zwar unterstellt die Definition der CSR die Wahrnehmung einer freiwilligen Verantwortlichkeit, die über gesetzliche Normen hinausgeht. Die bloße Erfüllung gesetzlicher Mindeststandards umfasst aber in der Regel noch nicht alle notwendigen Verhaltenserfordernisse, die zur Sicherung des Fortbestand des Unternehmens notwendig sind. Die Erfüllung sozialer und ökologischer Standards, die über gesetzliche Vorschriften hinausgehen, ist also kein altruistisches Verhalten, sondern, wie insbesondere die Pilotprojekte des Siedlungswerks, der TPP, der FLUWOG-NORDMARK eG und der 1892 zeigen, Teil einer Strategie zur Sicherstellung des Unternehmenserfolgs. Folgende Motive und Zielsetzungen einer CSR können in den Unternehmensleitbildern der Projektträger identifiziert werden: • Wirtschaften nach sozialen und ökologischen Standards, die aus religiösen oder ethischen Werteordnungen abgeleitet werden (Siedlungswerk, Buddhistisches Zentrum, Thierergruppe). • Selbstbestimmung nach eigenen ökologischen und sozialen Standards (Möckernkiez, Buddhistisches Zentrum e. V.). • Sicherung des sozialen Umfelds und Schutz der Wohnraumversorgung für ihre Mitglieder (1892, FLUWOG-NORDMARK eG). • Sicherung und Verbesserung städtischer Lebensbedingungen (Erfurt, Hoyerswerda). • Bereitstellen von sozialen und ökologischen Leistungen für die Nachbarschaft (Möckernkiez, Buddhistisches Zentrum e.V., Siedlungswerk). Im Folgenden werden die verschiedenen, durch die Pilotprojekte repräsentierten Maßnahmen auf ihre strategische Zielsetzung hin untersucht. Marktstrategien und wirtschaftlicher Nutzen 45 Tabelle 3: Leitbilder und Marktstrategien an den Pilotstandorten Projektträger Leitbilder/Unternehmenszweck/Zielsetzung Marktstrategien Marienhöhe in Berlin-Tempelhof Bezahlbarer Wohnraum für genossenschaftliche Bewohner Energieeffiziente Modernisierung Möglichst warmmietenneutrale Modernisierung Leuchtturmprojekt zur Imagebildung und zur Kundenbindung Gewinnen neuer Mitglieder (Junge Familien) Moderene und innovative Genossenschaft Photovoltaik-Fassade+ Stromtankstelle +Carsharing für die Genossenschaftsmitglieder Wettbewerbsfähigkeit der Bestände sichern Beratung und Nutzersensibilisierung Sicherung eines stabilen sozialen Umfelds, bezahlbarer Wohnraum Sicherung von Standort und Wettbewerbsfähig Energieeffiziente, altengerechte Modernisierung imageträchtiges Einzelvorhaben Smart Metering im „Substitutionshaus“ Hamburg-Niendorf Nord Warmmietenneutralität keit solares Energeiversorgungskonzept car2go Beratung und Nutzersensibilisierung Möckernkiez in Berlin-Kreuzberg Stadtquartier für gemeinschaftliches, ökologisches, barrierefreies, Generationen verbindendes, interkulturelles, selbstbestimmtes Wohnen Hohe ökologische Ansprüche (Passivhaus und Freiflächengestaltung) Förderung umweltfreundlicher Mobilität Soziale und ökologische Ausstrahlung ins Quartier Bodhicharya in Berlin-Friedrichshain Klimaorientierte Modernisierung eines denkmalgeschützten Ensembles zu einem buddhistischen Zentrum Nutzen der finanziellen und ideellen Potenziale der Mitglieder Förderer und der Quartiersbewohner interkultureller Austausch Einbeziehung der Nachbarschaft Siedlungswerk Stuttgart ThiererGruppe Vorreiter in Verbindung von sozialen und ökologischen Zielen sowie Nutzen der örtlichen Ressourcen für die Energieversorgung mit innovativen Technologien, Ressourcenschonung Kauf und Betriebskosten im Marktniveau halten durch ausgewogene Contractinglösung Urbarmachen innerstädtischer Brachen Zugriffauf die Fläche, wenn Konkurrenz versagt hat Schaffen von Nischenprodukten Energetische Standards über EnEV-Niveau Sparsame Ressourcenverwendung minimale Flächenversiegelung bei Steigerung der Nettobaufläche Marienhöhe in Erfurt Solarenergetische Entwicklung einer Wohnsiedlung Nutzung einer Premiumlage am Stadtrand mit guter ÖPNV-Anbindung Ansprache neuer Lebensstilgruppen durch hohe Qualitäts- und Umweltstandards SolarGardenCity in Hoyerswerda Innerstädtische Brachflächenentwicklung mit Energie- und Klimaschutzkonzept Quelle: Eigene Darstellung Ansprache neuer Nutzergruppen (Grundlage: Machbarkeitsstudie) ImmoKlima 46 4.2 Marktstrategien bei kommunalen Projektentwicklungen Die Strategie im Projekt Erfurt-Marienhöhe bewegt sich bislang ausschließlich auf der Ebene der (vorbereitenden) Bauleitplanung. Das Projektinteresse der Akteure zielt auf die Schaffung von Bauland und die Realisierung von Erlösen aus werterhöhenden Maßnahmen (Planungswertausgleich). Die hochwertige Lage soll durch die Betonung von Qualitäts- und Umweltstandards eine zahlungskräftige Zielgruppe anziehen und im Stadtgebiet halten. Die dabei entstehenden Interessenkonflikte zwischen den beteiligten Eigentümern werden in den Kapiteln 3.1 und 7.2. dargestellt. Die Zielvorstellung einer energieeffizienten Stadtentwicklungsstrategie im Neubau, die allein auf dem Instrumentarium der Bauleitplanung aufbaut, erscheint grundsätzlich geeignet, um Lösungen zum Klimaschutz auf kommunaler Ebene im Wohnungsneubau zu verankern, da hierbei über geringe Dichte, Freiflächen, hochwertige Gebäude eine entsprechende zahlungskräftige Kundschaft gefunden werden kann. Inwieweit das Projekt mit einer geplanten Siedlungsdichte von ca. 8 - 12 Wohneinheiten pro Hektar Nettobauland tatsächlich übertragbare Lösungen der Siedlungsentwicklung darstellen kann, kann zum derzeitigen Projektstand nicht beurteilt werden. Fragestellungen der Klimaanpassung sind, wie das Beispiel Erfurt zeigt, direkt in die Beurteilungsmechanismen der (vorbereitenden) Bauleitplanung zu integrieren. 4.3 Marktstrategien bei kommerziellen Projektentwicklungen Die Wertschöpfungskette beim Wohnungsneubau umfasst die Bereiche Grundstückserwerb, Baureifmachung/Erschließung, Projektentwicklung und Bauplanung sowie die Baurealisierung bzw. Bauträgerschaft. Beide untersuchten Projektträger (Thierergruppe und Siedlungswerk) sind in allen Phasen vertreten. Zur Absicherung der unterschiedlichen Risiken wird für verschiedene Entwicklungsphasen teilweise eine einzelne wirtschaftlich unabhängige Unternehmensorganisation eingesetzt. Aufgrund der Angebotsknappheit am Grundstücksmarkt bietet dieses diversifizierte Geschäftsmodell Vorteile bei der Baulandbeschaffung. Wie das Beispiel der Thierergruppe zeigt, können durch entsprechende Wissens- Werkstatt: Praxis Heft 79 vorsprünge Marktvorteile besonders aus schwierigen Grundstücks- bzw. Eigentumssituationen erwachsen, wenn der Projektentwickler mit den Kooperationspartnern in der Lage ist, flexible und detailangepasste Lösungen (z. B. zur Reduktion der inneren Erschließungsflächen zugunsten von Wohn- und Grünflächen in den Pilotprojekten in Günzburg) zu finden. Die besondere Berücksichtigung öffentlicher Belange und die Wahrnehmung der Chancen, die aus der Nachfrage nach möglichst ressourcenschonenden Lösungen entstehen, können bei Verhandlungen mit der öffentlichen Hand Wettbewerbsvorteile darstellen. Das Siedlungswerk Stuttgart setzt hierbei zum einen auf technologische Innovation. Als Multiplikator werden lokale Politiker in die Öffentlichkeitsarbeit eingebunden (z. B. durch inszenierte Eröffnungen). Zum anderen wird durch die Zusammenarbeit mit herausragenden Planungsbüros und die Lösungsfindung durch Wettbewerbsverfahren eine baukulturell hochwertige und transparente Entscheidungsfindung ermöglicht. Auch in solchen Fällen, in denen mit derartigen Neuentwicklungen kurzfristig kein wirtschaftlicher Nutzen auf Objektebene erzielt werden würde, könnte dennoch die Entwicklung und Erprobung auf Unternehmensebene wirtschaftlicher Vernunft entsprechen. Mittelfristig sind durch wiederholte Anwendung innovativer Technologien Erfahrungskurveneffekte zu erwarten, die auch auf Objektebene zu wirtschaftlichen Lösungen führen können. Gleichzeitig können durch die Vorbildfunktion technologische Innovation verbreitet und damit positive gesellschaftliche Wirkungen erzielt werden (Siedlungswerk). Die Preisstruktur im Wohnungsneubau erfordert eine sorgfältige Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen, die für den Standort, das Marktsegment und die Wohntypologie in Frage kommen. Die a-priori-Festlegung auf eine bestimmte Marketingstrategie führt dazu, dass die Wahl der energetischen Standards und Technologien auf die Zielgruppen abgestimmt sein muss. Trotz der deutschlandweit überdurchschnittlichen Kaufkraft an einigen Pilotstandorten ist der maximal vom Markt zu tragende Preis das Auswahlkriterium. Das einzelne Unternehmen ist aufgrund seiner geringen Marktmacht Preisnehmer und muss sein Produkt an die Standards und Preise im Wettbewerbsumfeld anpassen. Die Mehrkosten eines über dem gesetzlich geforderten Standard liegenden Marktstrategien und wirtschaftlicher Nutzen Gebäudes von ca. 3,5 - 15 % (KfW 70 bzw. KfW 40-Standard, nach unveröffentlichten Berechnungen des IWU), bezogen auf die reinen Baukosten, führen im Gesamtverkaufspreis nur zu einem Aufschlag von max. ca. 7 %. Angesichts des kompetitiven Marktumfeldes ist dieser Aufschlag jedoch kaum am Markt durchzusetzen und muss mit höheren Grundstücksausnutzungen oder Abstrichen in anderen Bereichen kompensiert werden Klimatisch herausragend angepasste und überdurchschnittlich energieeffiziente Wohnungen können deshalb für den Anbieter besondere Marktchancen darstellen: auf der Nachfrageseite die Chance, seine Marktstellung durch Produktdiversifizierung zu verbessern (bei besonders innovativen Produkten wie Passivhäusern im Geschosswohnungsbau ist lokal sogar eine Monopolstellung vorstellbar), auf der Angebotsseite die Chance, durch innovative und kostengünstige Lösungen die vom Markt geforderte Qualität zu niedrigeren Kosten als das Wettbewerbsumfeld bereitzustellen. In diesem Zusammenhang sind die Strategien der Thierergruppe und des Siedlungswerks besonders hervorzuheben. Beide Unternehmen haben erfolgreiche Strategien entwickelt, um das Dilemma der inkongruenten Interessen von Investoren (möglichst geringe investive Kosten) und Nutzern (Senkung der Betriebskosten) zu lösen. Bei den Projekten PEP Günzburg und Lechpark Augsburg geschieht dies durch Gründung rechtlich eigenständiger Firmen (PEP Energy GmbH & Co. KG), beim Siedlungswerk durch die Kooperation mit der Badenova Wärmeplus GmbH & Co. KG in Freiburg und mit dem eigenen Tochterunternehmen Immotherm in Stuttgart), die im Rahmen eines den Kunden bindenden Contractingmodells den Betrieb der wärmeerzeugenden Anlagentechnik gewährleisten. Damit können Investitionskosten in die Betriebsphase verlagert, gleichzeitig das Betreiberrisiko der innovativen Anlagentechnik für den Nutzer minimiert werden. Aus dem laufenden Betrieb können Erfahrungen wiederum in die technische Weiterentwicklung einfließen. Mit dieser Strategie gelingt es den Unternehmen, höhere Entwicklungskosten auf die Endkunden abzuwälzen und damit den Verkaufspreis dem Marktumfeld anzupassen und dennoch, wie im Fall SeelbergWohnen, einen Energiepreis knapp unterhalb des Marktniveaus zu erreichen. Für die Käufer reduziert sich dadurch zwar die Höhe des 47 Kostenvorteils durch geringeren Energieverbrauch, die in die Bewirtschaftungsphase überwälzten höheren Investitionskosten sind im Gegensatz zur unbekannten Entwicklung der Energiekosten jedoch exakt berechenbar. Insgesamt ergeben sich damit geringere Sensitivitäten gegenüber Kostensteigerungsrisiken für den Nutzer. Insgesamt haben sowohl die Thierergruppe als auch das Siedlungswerk Strategien gefunden, mit denen sie spezifische Marktsegmente unterschiedlich kaufkräftiger und innovativer Zielgruppen bedienen und bei denen Klimaschutz und Klimaanpassung im Rahmen des wirtschaftlich Machbaren zum Vermarktungskonzept gehören. 4.4 Marktstrategien von Bestandshaltern Maßnahmen der genossenschaftlichen Bestandshalter (FLUWOG-NORDMARK eG, 1892) lassen eine andere strategische Ausrichtung erkennen. Die Handlungsspielräume im Bestand sind geringer, da die baukonstruktive und gebäudetechnische Situation berücksichtigt werden muss. Die Zielgruppe der Nutzer ist zudem bekannt und muss bei der Realisierung berücksichtigt werden. Im Gegenzug öffnet die Einheit aus Investor und Betreiber eine größere Bandbreite an Lösungen, da das Betreiberrisiko selbst getragen wird und die Abwägung zwischen Investitionshöhe und Betriebskosten im gleichen Unternehmen getroffen wird. Dennoch ist, wie an den genossenschaftlichen Projekten Hamburg-Niendorf und BerlinMarienhöhe zu sehen ist, die Nutzerkompatibilität der gewählten Technologie und die Nutzereinbindung in die Planung und den Betrieb notwendiger Bestandteil der technologischen Nutzen-Risikobewertung. Folgende strategische Zielsetzungen sind in beiden Pilotprojekten erkennbar: • Wettbewerbsvorteile: Senken des Mietausfallrisikos und der Heizkosten, Kundenbindung durch verbesserte Wohnqualität, Weiterreichen von Kostenvorteilen (Stromlieferung) und Serviceleistungen • Gesundheitsvorsorge: Verbesserung des Innenraumklimas, Barrierefreiheit • Betriebskostensenkung (Wartung und Instandhaltungsaufwand) • Standortsicherung: Ansprache neuer, jüngerer Zielgruppen, Verbesserung der Auf- ImmoKlima 48 enthaltsqualität, Quartiersmanagement, Senkung des Leerstandsrisikos • Marketing: Generieren eines innovativen Images, Schaffen von Identifikationsträgern durch visuell herausstechende bauliche Maßnahmen (Photovoltaikfassade, Dachaufbauten und Solarstromnutzung bei der Stromtankstelle) Die Besonderheit der integrierten Ansätze der beiden Pilotprojekte liegt in der Kopplung baulich-räumlicher, energetischer und nutzerbezogener Maßnahmen, wodurch nicht nur Kostenvorteile bei der Baurealisierung erzielt werden konnten, sondern auch Märkte für neue Dienstleistungen (Stromlieferung, Elektromobilität, Beschaffung von energiesparenden Haushaltsgeräten) geschaffen wurden. 4.5 Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsbewertung Der stark divergierende Umfang und die unterschiedliche Zielsetzung der Maßnahmen bei den Pilotprojekten zeigt, dass der Nutzen, den der Projektträger daraus zieht, auf unterschiedlichen Akteurslogiken beruht, für die jedoch insgesamt rationales Verhalten unterstellt werden kann, d. h. Verhalten, das auf den Fortbestand des Unternehmens ausgerichtet ist. Zu unterscheiden ist hierbei die Betrachtungsebene der Nutzenbewertung (Objektebene, Unternehmensebene und gesellschaftliche Ebene), der Zeithorizont (einperiodige, d. h. unmittelbare oder mehrperiodige Refinanzierung) und die Art des zu bewertenden Nutzens (monetärer und nicht monetärer Nutzen). (58) Nach einer Untersuchung des BFW aus dem Jahr 2004 (Immobilienzeitung 1.7.2004) betrug die durchschnittliche Eigenkapitalquote bei Bauträgern 6 %. 90 % der Verbindlichkeiten bestanden in kurzfristigen Krediten. (59) Die Umsatzrendite im Wohnbauträgergeschäft betrug in der Betriebsgrößenklasse von 20 - 49 Beschäftigten im Jahr 2009 beispielsweise 3 % (Vgl. Statistisches Bundesamt: Produzierendes Gewerbe, Kostenstruktur der Unternehmen im Baugewerbe (Fachserie 4, Reihe 5.3). Wiesbaden, 2010, Tabelle 10, Ausgewählte Kosten). • Wirtschaftlichkeit auf Objektebene bedeutet, dass die durchgeführten Investitionen durch Erlöse aus dem gleichen Objekt erwirtschaftet werden müssen. Der wirtschaftliche Nutzen entsteht aus Mehrerlösen, die durch die Investition erzielt werden (Verkaufserlös, Mietzinszahlungen). Eine einperiodige Refinanzierung bedeutet, dass die Maßnahmen sofort positive Erlöse generieren müssen, d. h. die Erlöse die Höhe der dafür aufgewandten Kosten überschreiten müssen. Dieses Wirtschaftlichkeitsmodell findet z. B. bei Investitionsentscheidungen im Umlaufvermögen statt. Mehrperiodige Refinanzierung bedeutet, dass die investive Maßnahme über mehrere Perioden durch Erlöse aus dem gleichen Objekt refinanziert wird. Über den Lebenszyklus des Werkstatt: Praxis Heft 79 Objektes verteilt gibt es Perioden mit Einzahlungsüberschüssen und Perioden mit Auszahlungsüberschüssen. Im langfristigen Mittel gleichen sich die Zahlungsströme aus. Wirtschaftlichkeit bedeutet dann, dass der Barwert der saldierten Zahlungsströme positiv ist. • Wirtschaftlichkeit auf Unternehmensebene bedeutet, dass die oben dargestellte Saldierung der Zahlungsströme nicht für das Einzelobjekt betrachtet wird, sondern auf Portfolioebene. Maßnahmen, die selbst bei langfristiger Betrachtung keinen positiven Ertrag aufweisen, können dennoch nutzenbringende Investitionen sein. Technologische Demonstrationsvorhaben stellen z. B. Investitionen in betriebliche Wissensressourcen dar, die dazu beitragen sollen, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Auch Maßnahmen, die zu einer positiven Außendarstellung beitragen, sind betrieblicher Aufwand mit nichtmonetärem Nutzen, der auf Unternehmensebene wirtschaftlichen Nutzen generiert und damit in erweitertem Sinne zur Wirtschaftlichkeit beiträgt. • Auf gesellschaftlicher Ebene bedeutet Wirtschaftlichkeit, dass die gesellschaftlichen Kosten und Einnahmen (Steuerzahlungen, soziale und umweltbezogene Kosten und Nutzen) des unternehmerischen Handelns im Saldo positiv sind. 4.6Wirtschaftlichkeitsbewertung bei kommerziellen Projektentwicklungen Bei den Geschäftsmodellen der Projektentwicklung/Bauträgerschaft (Thierergruppe, Siedlungswerk Stuttgart) stellt eine unmittelbare Refinanzierung auf Objektebene den Regelfall dar, da nach erfolgter Veräußerung keine Erlöse mehr erwirtschaftet werden können. Bauträgertätigkeiten sind in der Regel hochgradig fremdkapitalfinanziert58. Zusammen mit der im Baugewerbe üblichen äußerst niedrigen Umsatzrendite59 und des hohen Einzelrisikos, sind hohe Eigenkapitalrenditen im unteren bis mittleren zweistelligen Bereich marktüblich. Als Kehrseite des Risikos können bereits geringe Kostensteigerungen oder zeitliche Verzögerungen im Bauablauf existenzgefährdend wirken. Die wirtschaftliche Strategie der untersuchten Pilotprojekte in dieser Kategorie liegt in der Erzielung von positiven Verkaufserlösen aus der Veräußerung des Umlauf- Marktstrategien und wirtschaftlicher Nutzen vermögens. Darüber hinaus sind beim Akteur Siedlungswerk Stuttgart Ansätze einer stringenten betrieblichen Innovations- und Kommunikationsstrategie zu erkennen, die stark auf neuartigen und experimentellen energieeffizienten Technologien basiert. Begünstigt wird dies durch die Konzentration der Marktaktivitäten in hochpreisigen Regionen und die Unternehmensgröße, die dazu beiträgt, Entwicklungsrisiken abzufedern. Der Akteur Thierergruppe setzt im Gegensatz dazu auf risikoärmere, marktreife Technologie, die dem gewählten Marktumfeld und der Unternehmensgröße angemessen ist. Die Unternehmenskommunikation ist dementsprechend auch stärker auf die Ansprache von Endkunden ausgelegt. Die trotz des großen technologischen Aufwands (z. B. Spundwand mit Heiz-/Kühleffekt) erreichten Energieeffizienzgrade liegen nicht deutlich über dem Wettbewerbsumfeld. Es ist daher zu vermuten, dass der Demonstrations- und Kommunikationseffekt innovativer Technologien größeren Stellenwert in der Akteurslogik einnahm als die energetische Effizienzsteigerung. Durch die Unternehmen wird mit dem integrierten Modell der Wärmelieferung auch ein neues Geschäftsfeldes erschlossen, indem die Beratungs- und Energielieferleistungen am allgemeinen Markt angeboten werden (dieses Modell wird z. B. in Günzburg mit der PEP Energy GmbH & Co. KG, beim Siedlungswerk mit ImmoTherm bzw. mit der Badenova Wärmeplus GmbH &Co. KG verfolgt). Bei der konkreten Investitionsentscheidung werden nur teilweise als Instrumente quantitative Modelle der Standortanalyse, der Marktpotenzialanalyse und der Wirtschaftlichkeitsberechnung (dynamische Investitionsrechnung, Vollständiger Finanzplan) eingesetzt. Die zunehmende Verwendung quantitativer Modelle für Investitionsrisiken wird in dem stark auf Fremdkapitalfinanzierung basierenden Geschäftsmodell auch von den Erfordernissen der Kreditwirtschaft forciert. Inwieweit die Projektträger derartige Instrumente einsetzen, und welche Anforderungen und Einschätzungen der Banken dabei existieren, ist nicht bekannt. Die Entscheidungsfindung über die Wahl des energetischen Konzeptes basiert bei beiden untersuchten Akteuren auf Prognoseberechnungen, bei denen Investitionskosten den zukünftig erwarteten Betriebskosten (Kapitalkosten, Kosten für Energieträger, Wartung und Instandhaltung) in einem dynamischen Investitionsmodell gegenüber- 49 gestellt werden. Die Entscheidungsvariable ist hierbei das Kostenoptimum zwischen der Höhe der investiven und laufenden Kosten (Barwertbetrachtung, interner Zinsfuß). Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden von spezialisierten Ingenieurbüros erstellt. Die Möglichkeit, Investitionskosten im Rahmen von Contracting-Modellen zum Teil in die Betriebskosten zu verlagern, eröffnet den Akteuren die Möglichkeit, Kostenobergrenzen bei den Investitionskosten einzuhalten, ohne auf bestimmte Technologien zu verzichten. Die Problematik dieses Entscheidungsmodells liegt in der Sensitivität der Ergebnisse hinsichtlich der Annahmen über die zukünftige Entwicklung der Energiekosten. Die großen Preisvolatilitäten bei Primärenergieträgern der letzten Jahre erschweren eine verlässliche Prognose der zukünftigen Preisdynamik. Die Argumentation, dass die angebotene Holzpellet-Heizung „dauerhaft optimale Energiekosten, günstiger als fossile Brennstoffe“ verspreche, wird z. B. in der Endkundenansprache im Projekt Lechpark Augsburg angewandt. Eine solche Gewissheit ist für die Zukunft aber objektiv nicht möglich. Da das Risiko letztlich von den Kunden getragen wird, ist es denkbar, dass hierbei auch die Entscheidungsrationalität der Konsumenten mit einfließt, d. h. die Wahl einer bestimmten Technologie (z. B. Pellets) damit begründet wird, dass der Kunde, aber nicht das Unternehmen, die genannte Energiequelle bevorzugt. 4.7Wirtschaftlichkeitsbewertung bei Bestandshaltern Bei Bestandsbewirtschaftern erfolgt in der Regel eine Investition im Anlagevermögen, verbunden mit einer mehrperiodigen Refinanzierung60 der getätigten Investitionen. Aufgrund gegebener oder nur bedingt beeinflussbarer Investitionszyklen in der Wohnungswirtschaft müssen sich sowohl Maßnahmen zum Klimaschutz als auch Maßnahmen zur Klimaanpassung an den üblichen Investitionszyklen ausrichten. Klimaschutz und Klimaanpassung mögen deshalb unterschiedliche Ziele sein, in der Investitionsplanung der Unternehmen sind sie gemeinsam zu denken. Dies verbietet auf analytischer Ebene keineswegs die Trennung von Klimaschutz und Klimaanpassung. Umsetzungskonzepte müssen sich jedoch zwingend der Investitionspraxis (60) Da ein positiver Saldo aus Kosten und Erlös (z. B. in Form eines Jahresüberschusses = “Gewinn“) letztlich zur Finanzierung der Eigenkapitalkosten dient, werden Refinanzierung und Wirtschaftlichkeit hier synonym verwendet. ImmoKlima 50 stellen und insbesondere Klimaschutz und Klimaanpassung weitgehend als integrales Maßnahmenpaket entwickeln. Zudem sind Synergien und Konflikte zwischen beiden Zielen zu berücksichtigen (vgl. Kapitel 1.4). Für die systematische Planung von Bestandsinvestition werden von der Wohnungswirtschaft zunehmend Portfoliomanagementsysteme an Stelle von einzelfallbezogenen Instandhaltungsentscheidungen eingesetzt. Diese Herangehensweise wird in den Pilotprojekten nur teilweise verfolgt. So traf die 1892 die Entscheidung für die umfassende energetische Modernisierung ohne Portfolioanalyse. Anlass war die im Zuge der EnEV-Novellierung notwendige Umstellung von Nachtspeicheröfen auf ein anderes Beheizungssystem. Darauf wurde ein schrittweises Entscheidungsverfahren angewandt, bei dem auf Basis von Vorerfahrungen im ersten Schritt ein energetischer Mindestsollstandard (KfW 115, EnEV 2009) festgelegt wurde. In einem zweiten Schritt wurden die Mehrkosten geprüft, die zum Erreichen eines Neubaustandards nach EnEV 2009 (KfW 100) nötig waren. Danach wurden Ausführungsvarianten für die Ertüchtigung der Gebäudehülle und das Wärmeversorgungssystem erstellt und anhand von Vergleichsrechnungen der damit verbundenen Investitions- und Betriebskosten verglichen. Entschieden wurde sich für die Lösung mit den niedrigsten Betriebskosten. Angaben über die tatsächliche Kapitalkostenstruktur der Maßnahme, d. h. Höhe von Fremdkapitalkosten und Eigenkapitalanteilen, sind im Forschungsverlauf nicht vorgelegt worden. Projektforschung und Geschäftsbericht der 189261 stellen fest, dass die niedrigen KfWFremdkapitalkosten (neben den niedrig verzinsten Spareinlagen der Genossen und niedrigen Kapitalmarktzinsen) entscheidend für die Finanzierbarkeit der Maßnahme sind. Die Zinsbelastung vergleichbarer Maßnahmen der 1892 lag bei max. 2 % 61. Die Entscheidungsfindung basiert also nicht auf einer Kosten-Nutzen-Optimierung des Maßnahmenumfangs, sondern auf ex ante getroffenen Festlegungen, für die dann die o. g. Umsetzungsstrategie erarbeitet wurde. (61) Vgl. Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG: Geschäftsbericht 2010, S. 30. (62) Vgl. ebd., S.22, 28 Sie müssen sich jedoch zwingend der Investitionspraxis stellen und insbesondere Klimaschutz und Klimaanpassung weitgehend als integrales Maßnahmenpaket entwickeln. Zudem sind Synergien und Konflikte zwischen beiden Zielen zu berücksichtigen (vgl. Kapitel 1.4). Werkstatt: Praxis Heft 79 Für die systematische Planung von Bestandsinvestition werden von der Wohnungswirtschaft zunehmend Portfoliomanagementsysteme an Stelle von einzelfallbezogenen Instandhaltungsentscheidungen eingesetzt. Diese Herangehensweise wird in den Pilotprojekten nur teilweise verfolgt. So traf die 1892 die Entscheidung für die umfassende energetische Modernisierung ohne Portfolioanalyse. Anlass war die im Zuge der EnEV-Novellierung notwendige Umstellung von Nachtspeicheröfen auf ein anderes Beheizungssystem. Darauf wurde ein schrittweises Entscheidungsverfahren angewandt, bei dem auf Basis von Vorerfahrungen im ersten Schritt ein energetischer Mindestsollstandard (KfW 115, EnEV 2009) festgelegt wurde. In einem zweiten Schritt wurden die Mehrkosten geprüft, die zum Erreichen eines Neubaustandards nach EnEV 2009 (KfW 100) nötig waren. Danach wurden Ausführungsvarianten für die Ertüchtigung der Gebäudehülle und das Wärmeversorgungssystem erstellt und anhand von Vergleichsrechnungen der damit verbundenen Investitions- und Betriebskosten verglichen. Entschieden wurde sich für die Lösung mit den niedrigsten Betriebskosten. Angaben über die tatsächliche Kapitalkostenstruktur der Maßnahme, d. h. Höhe von Fremdkapitalkosten und Eigenkapitalanteile, sind im Forschungsverlauf nicht vorgelegt worden. Projektforschung und Geschäftsbericht der 189262 stellen fest, dass die niedrigen KfWFremdkapitalkosten (neben den niedrig verzinsten Spareinlagen der Genossen und niedrigen Kapitalmarktzinsen) entscheidend für die Finanzierbarkeit der Maßnahme sind. Die Zinsbelastung vergleichbarer Maßnahmen der 1892 lag bei max. 2 % 62. Die Entscheidungsfindung basiert also nicht auf einer Kosten-Nutzen-Optimierung des Maßnahmenumfangs, sondern auf ex ante getroffenen Festlegungen, für die dann die o. g. Umsetzungsstrategie erarbeitet wurde. Die 1892 strebt mit den Modernisierungsmaßnahmen Warmmietenneutralität an. Für die Bestandsmieten gelingt dies nicht vollständig: Die Summe aus der Netto-KaltMiete und den Heizkosten liegt nach der Modernisierung bei 5,34 € gegenüber 4,72 € vor der Modernisierung. Legt man hingegen die Mieten von vergleichbaren Neuvermietungen in Höhe von 5,75 € - 7,36 € zu Grunde, wird Warmmietentenneutralität erreicht. Bedeutsam sind die Erlöse aus der Neuvermietung vor allem für die Rentabilität der Modernisierungsmaßnahme. Die 1892 Marktstrategien und wirtschaftlicher Nutzen 51 Tabelle 4: Entwicklung der Mieten im Quartier Marienhöhe (Bestand) €/m² vor der Sanierung nach der Sanierung Veränderung in % Netto-Kalt-Miete 3,52 4,92 1,40 40 Heizkosten 1,20 0,42 0,78 65 Quelle: eigene Darstellung nach Angaben der 1892 und von empirica setzt auf eine schrittweise Anpassung des mittleren Mietniveaus durch die natürliche Mieterfluktuation, da marktübliche Neuvertragsmieten nur bei Neuvermietungen verlangt werden. Aufgrund der unterdurchschnittlichen Fluktuationsraten von 3,5 % in den betroffenen Beständen und der sehr niedrigen Ausgangsmieten, wird das mittlere Mietniveau auf absehbare Zeit niedrig bleiben. Da der Mietpreis auch nach Erhöhung unter den ortsüblichen Vergleichsmieten bleibt, ist er finanziell durchsetzbar. Bei den vom Unternehmen nachrichtlich genannten Gesamtkosten von ca. 8 Mio. € ist die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme auf Projektebene angesichts der geringen Erlössteigerungspotenziale aus höheren Mieteinnahmen fraglich. Aufgrund der geringen marginalen Mehrkosten einer Modernisierung auf EnEV-Neubaustandard gegenüber einem geringeren Standard, ist die Entscheidung für den Neubaustandard dennoch nachvollziehbar. Defacto erfordert ein derartiges Objekt dann tatsächlich eine Art „Quersubventionierung“ innerhalb der Genossenschaft, d. h. eine anteilige Überwälzung der Investitionskosten auf alle Genossenschaftsmitglieder. Sie wird gerechtfertigt mit im Mittel geringerem Modernisierungsaufwand anderer Gebäude, u. a. der denkmalgeschützten Bestände, über welche die 1892 verfügt. Die angegebenen Kosten von ca. 8 Mio. € entsprechen ca. 36 % des Instandhaltungs- und Modernisierungsvolumens von 21,87 Mio. € im Geschäftsjahr 2010 (Geschäftsbericht 2010 der 1892 eG), der Anteil der von der Maßnahmen betroffenen 304 Wohnungen entspricht aber nur ca. 4,6 % des gesamten Wohnungsbestandes. Zusätzlich ist anzunehmen, dass es bei diesem Projekt auch nicht monetäre Nutzenerwägungen wie die Stärkung der betrieblichen Innovationskraft, die Kundenbindung am wettbewerbsintensiven Berliner Wohnungsmarkt und die Öffentlichkeitswirksamkeit eine Rolle spielten. Auch der Projektträger FLUWOG-NORDMARK eG setzt bei seinen Projekten auf öffentlichkeitswirksame Maßnahmen, mit denen die Innovationskraft des Unternehmens visuell unterstrichen werden soll. Die Insze- nierung als „innovative“ Genossenschaft soll die Ansprache und Bindung neuer, jüngerer Kunden an das Unternehmen erleichtern. Da dies in erster Linie durch ein positives Identifikationsangebot erzielt wird, ist die Gefahr des Ausschlusses des bestehenden Kundenstamms gering. Dennoch zeigen die Maßnahmen am Pilotprojekt Hamburg-Niendorf, dass diese Strategie auch über die öffentliche Inszenierung hinaus geeignet sein kann, die Problemfelder demographischer Wandel, Quartiersstabilität, Gesundheitsvorsorge und Energiekostensteigerung integriert zu betrachten. Diese Strategie wird mit der Sicherung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit auf Unternehmensebene begründet, auch wenn dies angesichts der aktuellen Marktlage in Hamburg unproblematisch erscheinen mag. Auch die Grundsatzentscheidung zur Durchführung von Maßnahmen an sich wurde am Pilotstandort Hamburg-Niendorf anscheinend ohne Wirtschaftlichkeitsberechnungen getroffen, da dies von zum Entscheidungszeitpunkt noch unbekannten zukünftigen Finanzierungskonditionen abhängig war und daher nur für einzelne Bauabschnitte durchgeführt wurde. Hingegen wurde für das so genannte „Substitutionshaus“, in welchem alle klimarelevanten Faktoren ermittelt und kombiniert werden (Senkung des Primärenergiebedarfs durch Sanierung mit Passivhauskomponenten und Maßnahmen zur Optimierung des Nutzerverhaltens) eine Kalkulation auf Basis eines vollständigen Finanzplans gemacht. Die Gesamtkosten der umfangreichen Modernisierung lagen etwa auf gleichem Niveau wie Neubaukosten im Geschosswohnungsbau, wofür vor allem die kostenintensive Aufstockung verantwortlich sein dürfte. Die Finanzierung der Maßnahme erfolgt über höhere Mieten für die Neubauwohnungen im aufgestockten Bauteil, die sich an eine andere Zielgruppe richten. Für Bestandswohnungen sind Erhöhungen von ca. 19 % oder 90 ct/m² vorgesehen, womit die Mietsteigerungen noch im Bereich der Warmmietenneutralität liegen dürften. Die Wirtschaftlichkeit der Durchführung wurde durch eine Optimierung der Maßnahme auf ImmoKlima 52 verschiedene Fördermittel hin und äußerst günstige Kreditfinanzierungen ermöglicht. Eine Wirtschaftlichkeit auf Objektebene wird nicht angestrebt. Auch hier erfolgt eine Mitfinanzierung durch alle Mitglieder der Genossenschaft. Angesichts der erhofften positiven externen Quartierseffekte (Stabilisierung der Bewohnerschaft, Verbesserung der Servicequalität etc.), von denen auch das stark am Ort präsente Gesamtunternehmen profitiert, wäre eine Wirtschaftlichkeit auf Objektebene auch nicht zielführend. Unter diesen Umständen ist der hohe technologische Standard der Maßnahmen in den Pilotprojekten Hamburg-Niendorf und Berlin-Marienhöhe bemerkenswert. Angesichts des hohen Kostenaufwands erscheint es jedoch nicht möglich, derartige Maßnahmen im Gesamtbestand vermehrt außerhalb der normalen Instandhaltungszyklen durchzuführen, auch wenn durch wiederholte Maßnahmendurchführung Erfahrungskurveneffekte zu Kostensenkungen führen dürften. 4.8Fazit Für die Beurteilung des wirtschaftlichen Nutzens von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen spielen bei den Pilotprojekten mehr als nur die reinen Kosten und Erlöse auf Objektebene eine Rolle: • Die Unternehmen bedienen eine spezifische Nachfrage am Markt nach qualitativ hochwertigen, ökologisch korrekten und innovativen Produkten. Klimaschutz und Klimaanpassung dienen dabei auch der Imagebildung und müssen dann entsprechend sichtbar und kommunizierbar sein. Imageträchtige Vorhaben stärken gleichzeitig die Verhandlungsposition mit Politik und Stadtplanung und eröffnen Chancen bei der Grundstücksakquise. Durch Bürgerinitiative entwickelte Wohnprojekte wie im Möckernkiez, die jenseits der klassischen Immobilienunternehmen und Traditionsgenossenschaften agieren, werden Klimaschutz und Klimaanpassung tendenziell noch höher gewertet, ohne dass dabei die Regeln der Rentabilität von Maßnahmen außer Kraft gesetzt werden könnten. • Durch den Einsatz innovativer Technologien entstehen für die Unternehmen Lerneffekte, welche künftige Entscheidungen verbessern und die Marktposition auch in Zukunft sichern. Innovation entsteht dabei immer dort, wo etablierte Partner Werkstatt: Praxis Heft 79 (d. h. v.a. die Unternehmen und deren Planer bzw. Fachingenieure) vertrauensvoll zusammenarbeiten und Unternehmen zeitlich und finanziell bereit und auf grund ihrer Fachkompetenz in der Lage sind, Neues auszuprobieren. Der Begriff des wirtschaftlichen Nutzens ist demnach weiter zu fassen, da die Betrachtungsebene über die Projektebene hinausgeht. Beitrag der Immobilien- und Wohnungswirtschaft zu integrierten Klimakonzepten 53 5 Beitrag der Immobilien- und Wohnungswirtschaft zu integrierten Klimakonzepten 5.1 Synergien und Konflikte zwischen immobilienwirtschaftlichen und klimapolitischen Zielen Vor dem Hintergrund der Frage, wie die Immobilienwirtschaft in die Erstellung von Strategien zum Klimawandel auf der kommunalen und der Länderebene eingebunden ist und was sie dazu beitragen kann, sollen zunächst die unterschiedlichen Interessenslagen klargestellt werden. Kommunen und andere Gebietskörperschaften verfolgen mit ihrer Klimapolitik Ziele, welche sich am Allgemeinwohl orientieren und sicherstellen müssen, dass jeder Akteur seinen Anteil dazu beiträgt. Die Unternehmen der Immobilienwirtschaft sind Wirtschaftssubjekte, deren Geschäftszweck in der gewinnorientierten Planung, Errichtung und Vermarktung bzw. Bewirtschaftung von (Wohn-)Gebäuden besteht. Hierbei müssen sie sich eng an der Nachfrage der Kunden orientieren. Bei dieser Sichtweise können ordnungsrechtliche Regelungen rentierliche Investitionen erschweren. Wie in Kapitel 4 dargestellt, realisieren die Pilotprojekte jedoch immobilien- und wohnungswirtschaftliche Strategien, die den Klimawandel über die rechtlichen Erfordernisse hinaus bewusst als Marktvorteil nutzen, sei es zur Vermarktung gegenüber dem Kunden oder zur Positionierung bei der Kommune (z. B. bei der Sicherung einer günstigen Ausgangsposition beim Grundstückserwerb). Auch die persönliche Überzeugung der investierenden Eigentümer bzw. ein ethisch motiviertes Leitbild (Siedlungswerk, Buddhistisches Zentrum) sind Motive, den Klimawandel in ihrer Strategie zu berücksichtigen. Auch ohne Staatseingriff befördert der Markt die Umsetzung klimapolitischer Ziele. Steigende Energiepreise „erzwingen“ die energetische Modernisierung bzw. verbessern deren Wirtschaftlichkeit. Für Bestandshalter (1892 und FLUWOG-NORDMARK eG) besteht damit durchaus der Druck, die Wettbewerbsfähigkeit der Bestände zu sichern. Dies gilt theoretisch in noch höherem Maße für die Klimaanpassung, da ein unmittelbarer Nutzen in Form der Minimie- rung von Gesundheits- oder Bauschadensrisiken geschaffen wird. Auf diese stark mit dem Versicherungsmarkt verbundenen Fragestellungen wird in Kapitel 5 eingegangen. Soweit klimarelevante Erkenntnisse (z. B. Freihalteflächen für Hochwasserschutz oder Frischluftschneisen, geringere Verdichtungen) in Festsetzungen (planerischer oder vertraglicher Art) Eingang finden, kann dies zu einer Wertminderung von Grundstücken führen, weil die Ausnutzung des Grundstücks geringer wird oder weil investive Maßnahmen erforderlich werden, die sich dann bei der Kaufpreisbildung niederschlagen63. Hier können Interessenkonflikte zwischen Klimaanpassung auf städtischer Ebene und der Immobilienwirtschaft eintreten. Fiskalische Interessen der kommunalen Grundstückseigentümer bergen die Gefahr, dass Wissen über Klimarisiken nicht berücksichtigt wird bzw. der Überwälzung von Risiken von der planenden Kommune auf den Investor. Für den Interessenausgleich zwischen den öffentlichen Erwartungen und denen der Immobilienwirtschaft ist es deshalb erforderlich, frühzeitig vor der Kaufentscheidung über klimatische Risiken64 und kommunale Erwartungen den offenen Austausch vorzunehmen. 5.2 Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepte in Kommunen Lokale und regionale Immobilien- und Wohnungsunternehmen treffen auf sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen und Mitwirkungsmöglichkeiten, wenn es um die Erstellung von integrierten Klimakonzepten durch Kommunen geht. Außerdem liegen vollständig unterschiedliche Voraussetzungen bei kommunalen Klimaschutzkonzepten auf der einen Seite und kommunalen Klimaanpassungskonzepten bzw. -strategien auf der anderen Seite vor. Während mittlerweile für zahlreiche Kommunen im Detail ausgearbeitete und durch Beteiligungsverfahren begleitete integrierte Klimaschutzkonzepte existieren (bisher wurden 893 kommunale Klimaschutzkonzepte vom Bundesumweltministerium gefördert, Stand März 201265), ist dieses für den Bereich der Klimaanpassung so gut wie (63) Diese Überlegungen wurden bei den vom Projektforscher WEEBER+PARTNER Initiierten Stuttgarter Runden Tischen im Kontext des Klimaplanungspasses diskutiert. Ähnliche Zielkonflikte treten beim Leitfaden klimAix auf (vgl. BMVBS (Hg.): StadtKlima – Kommunale Strategien und Potenziale zum Klimawandel. ExWoStInformationen 39/2. Bonn / Berlin, 2012, S. 8). (64) Um die Abschätzung von Klimarisiken zu unterstützen, wird mit ImmoRisk ein neuer Forschungsansatz durch das BBSR erarbeitet: auf der Basis einer Datenrecherche wird ein „Werkzeug“ zur Unterstützung der Risikoabschätzung von Klimafolgen für u. a. die Pilotstandorte und flächenbezogen eine Konzeption zur Entwicklung eines Geoinformationssystems erarbeitet. ImmoKlima 54 gar nicht festzustellen. In allen Städten der Pilotprojekte existieren Klimaschutzkonzepte bzw. sind diese in Bearbeitung (vgl. Abbildung 5). Einige dieser Städte sind schon seit Jahren im Bereich Klimaschutz sehr aktiv und können mehrfache Fortschreibungen von Energie-, CO2-Minderungs- oder integrierten Klimaschutzkonzepten vorweisen, wie die Städte Hamburg und Freiburg. In Günzburg liegt noch kein Konzept vor, jedoch existiert ein vom Stadtparlament verabschiedetes Positionspapier mit weitreichenden Klimaschutzzielen. Die Stadt Günzburg will bis zum Jahre 2030 eine energieautarke Stadt sein. Eine Ausnahme stellen die beiden ImmoKlima-Standorte und Stadtstaaten Hamburg und Berlin dar, wo auf der Landesebene Klimaanpassungsstrategien ausgearbeitet werden bzw. verabschiedet worden sind. Die Bezirksämter dieser beiden Städte, die als unmittelbare kommunale Behörde in Bezug auf die Standorte der Pilotprojekte anzusehen sind, haben entweder keine Kompetenzen in den Bereichen „Energie und Klima“ oder haben (noch) keine eigenen Konzepte ausgearbeitet. Viele inhaltliche Aussagen und Vorgaben auf der gesamtstädtischen Ebene sind so abgefasst, dass sie sachlich und vom Maßstab auf die Bezirke übertragbar sind. Insbesondere in Großstädten liegen lokale Informationen vor, die ein klimaangepasstes Bauen ermöglichen. In Städten, wie zum Beispiel dem ImmoKlima-Standort Stuttgart, existieren vielfach sogar gute bis herausragende stadtklimatologische Grundlagen66. Allerdings beziehen sich diese Informationsgrundlagen nur auf die Ist-Situation und lassen keine Schlussfolgerungen für zukunftsweisende Klimaanpassungsbedarfe zu. 5.3 Die Immobilien- und Wohnungswirtschaft als Adressat von Klimaschutzkonzepten (65) http://www.bmu.de/klimaschutzinitiative, aufgerufen am 13.04.2012. (66) Das Umweltamt Stuttgart hat bereits 1977 eine städtebauliche Klimafibel veröffentlicht, die bundesweit als Vorbild genutzt wurde und seit Kurzem noch mal aktualisiert und als Online-Ausgabe vom Land Baden-Württemberg verbreitet wird. Alle kommunalen Klimaschutzkonzepte der Pilotstandorte benennen Handlungserfordernisse im Bereich von Immobilien und Gebäuden und enthalten an die Akteure der Immobilien- und Wohnungswirtschaft gerichtete Maßnahmenvorschläge. Besonders umfangreich ist dies in den beiden Stadtstaaten gegeben. Überall (dies gilt auch für zahlreiche andere von der Forschungsassistenz ausgewerteten Klimaschutzkonzepte) Werkstatt: Praxis Heft 79 wird der Wohnungswirtschaft und den privaten Gebäudeeigentümern bzw. Bauherren eine hohe Verantwortung für das Erreichen der kommunalen Klimaschutzziele zugewiesen. In allen Konzepten wird auf die Energieeinsparpotenziale im Gebäudebereich verwiesen. Die wichtigsten direkten Anforderungen an die Immobilien- und Wohnungswirtschaft in den Klimaschutzkonzepten der Pilotprojektstandorte sind: • Neubaustandards nach KfW und Passivhaus-Instrument: städtebaulicher Vertrag (Stuttgart) • Verstärkte energetische Modernisierung – Instrument: kommunalen Förderprogrammen (Günzburg, Hamburg) • informelle Instrumente: Informationsund Beratungskampagnen zur Steigerung der energetischen Modernisierungsrate Weitere indirekte Anforderungen, die sich an Energieversorgungsunternehmen, Gewerbe, Kommune und auch an die Akteure der Immobilien- und Wohnungswirtschaft richten sind: • Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung (Berlin, Erfurt). Instrument: Planung und Realisierung von Nahwärmenetzen, Bau von Blockheizkraftwerken. • Verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien (Freiburg). • Siedlungsstruktur und Durchgrünung durch kompakte Stadtentwicklung (Augsburg) – Instrument: formelle Bauleitplanung Die in den Klimaschutzkonzepten angesprochenen Gebäudestandards und gebäudetechnische Elemente beziehen sich überwiegend auf die Verbesserung der Energieeffizienz und den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien. Soweit Synergien mit Anforderungen zur Klimaanpassung existieren, werden diese erwähnt, z. B. Verschattungselemente, um Energieverbräuche für die Kühlung zu reduzieren. Die wenigen vorliegenden Hinweise und Strategien zur Klimaanpassung beziehen sich auf die Außenanlagen von Gebäudeensembles und deren Grünstrukturen. Beitrag der Immobilien- und Wohnungswirtschaft zu integrierten Klimakonzepten Tabelle 5: Kommunale Konzepte der Gemeinden in den Pilotstandorten Berliner Klimastrategie 2008/09 Berlin Bericht zum Klimawandel des Landes Berlin (2009) Stadtentwicklungsplan Klima (verabschiedet im Mai 2011): „Urbane Lebensqualität im Klimawandel sichern“ Landesenergieprogramme nach dem Berliner Energiespargesetz alle vier Jahre Hamburg Klimaschutzkonzept 2007-2012, Fortschreibung 2010/2011: Unterlegung des Konzeptes mit finanziellen Mitteln (23,5 Mio. € p.a. direkt, weitere 75 Mio. € aus Fachtiteln/Drittmitteln) und Aufnahme des Themas Klimaanpassung (Fokus auf Sektor Gebäude/Stadtentwicklung) Stuttgart Fortschreibung des bestehenden Klimaschutzkonzeptes (KLIKS) durch „10 Aufgabenfelder der Klima- und Energiepolitik in Stuttgart“ (2007) Kommunales Förderprogramm Sanierung, energetische Standards im Neubau, Förderung der Entwicklung von Kraft-Wärme-Kopplung und die Initiierung eines Modellstadtteils Traditionell hervorragende Informationen über das Stadtklima Klimawandel-Anpassungskonzept Stuttgart „KLIMAKS“ geplant „Solarhauptstadt“ Freiburg Gutachten „Freiburg 2050 - Auf dem Weg zur Klimaneutralität“ 12-Punkte Plan der Stadt Freiburg mit Förderprogrammen zum Wärmeschutz und zur KWK Günzburg Positionspapier „Energie. In Günzburg. Der Weg zur energieautarken Stadt“ mit weitreichenden Zielsetzungen Kommunales Förderprogramm für Passivhäuser und Wärmeschutzmaßnahmen im Altbaubereich Augsburg Erster Klimaschutzbericht 2008 mit 9-Punkte-Plan zur Augsburger Klimaoffensive Mitwirkung am regionalen Klimaschutzkonzept des Wirtschaftsraumes Augsburg Erfurt Quelle: Integriertes Klimaschutzkonzept in Bearbeitung Eigene Darstellung 5.4 Mitwirkungsbereitschaft der Immobilien- und Wohnungswirtschaft bei der Erstellung von integrierten Klimaschutzkonzepten Von der grundsätzlichen Frage nach Synergien und Konflikten zwischen kommunalem Klimaschutz und immobilienwirtschaftlichen Unternehmensinteressen (vgl. Kapitel 5.1) zu trennen, ist die konkrete Frage nach der Bereitschaft der Unternehmen, sich in klimapolitische Prozesse mit ihren Erfahrungen aus der Praxis einzubringen. Für privatwirtschaftliche Immobilienunternehmen ist es ambivalent, sich in lokale politische Prozesse einzubringen. Zum einen können und müssen sie Rahmenbedingungen, die sie selbst betreffen, mitgestalten, zum anderen sind demokratische Prozesse arbeitsintensiv und langwierig und widersprechen damit der eigenen Kultur der Effizienz bzw. stellen Kosten dar, die durch die erforderliche Arbeitszeit zur Teilnahme an Sitzungen oder Veranstaltungen entstehen. Die kommunalen Wohnungsunternehmen werden seitens der Kommunen in der Regel stärker in die kommunalen Strategien eingebunden. Auf bundes- und landespolitischer Ebene übernehmen die Verbände die politische Interessenvertretung. Auf ihre Mitwirkung wird auch im Folgenden noch eingegangen. Für die kommunale Ebene gilt einschränkend, dass die Aktivitäten vieler Unternehmen der Immobilien- und Wohnungswirtschaft – insbesondere der Projektentwickler – eher ortsübergreifend angesiedelt sind und sich innerhalb einer Kommune nur auf einen oder mehrere Projektstandort(e) konzentrieren. Die Unternehmen haben also nicht die kommunale Gesamtentwicklung im Blick, sie sind meist auf der Stadtteilebene tätig. Dies wird deutlich beim Siedlungswerk und der Thierergruppe. Die räumliche Fokussierung auf Teile des Kommunalgebiets gilt aber auch für Bestandshalter wie die beiden Traditionsgenossenschaften, den Möckernkiez oder das Buddhistische Zentrum. Darüber hinaus ist die Rolle der Unternehmen durch ihre Eigentümerstruktur, Geschäftsziele, Historie und Marktposition unterschiedlich vorgeprägt. Diese beiden Voraussetzungen bestimmen, wie stark die Bindungen an die jeweilige kommunale Entwicklung ausgebildet sind und wie stark damit die Bereitschaft und das Interesse ist, sich in kommunale Entscheidungsprozesse zu integrieren. So lassen sich folgende Aussagen für die vier Kategorien der Unternehmen der Pilotprojekte von ImmoKlima (vgl. Kapitel 1.6) treffen: • Traditionelle Genossenschaften (FLUWOG-NORDMARK eG Hamburg und 1892 Berlin) 55 ImmoKlima 56 Die Unternehmen haben ein besonderes Interesse an der langfristigen Entwicklung der Standorte. Kommunale Strategien, die eine langfristige Standortsicherung begünstigen, erfahren deshalb ein besonderes Interesse und entsprechende Unterstützung bzw. werden auf der Quartiersebene sogar angeregt. Nichtsdestotrotz erfolgt eine klare Abwägung zwischen Aufwand der Beteiligung und Nutzen für die Genossenschaft. • Projektentwickler (Siedlungswerk Stuttgart und Thierergruppe in Günzburg und Augsburg) Diese regional agierenden Unternehmen suchen sich die Gebiete für ihre Projekte aus einer Vielzahl von potenziellen Standorten selbst aus, sie sind weder an eine einzelne Kommune noch an einen konkreten Standort gebunden. Dennoch gibt es an den Schwerpunktstandorten Aktivitäten, die aber auch durch eigene Interessen geleitet werden z.B. das Konzept zur Rekommunalisierung der Energeiversorgung in Günzburg mit der TPP (vgl. hierzu auch Kapitel 4). • Flächenentwicklungen mit und für Kommunen (LEG Thüringen und Hoyerswerda/ascenticon) Die kommunalen Akteure orientieren sich vorab an den Zielen der kommunalen Klimaschutzkonzepte. Für die privatwirtschaftlichen Partner wurde hier eine Marke kreiert, die zur Ansprache von Kunden genutzt werden soll. • Alternative (Wohn-)Projekte (Möckernkiez und Buddhistisches Zentrum). Die Ziele beider Projekte sind an Konzepte von spezifischen Lebensstilen gekoppelt und dienen bei den aktiven Personen auch der Verwirklichung eigener nachhaltiger Wohn- und Lebensformen. Deshalb ist der Blick auf eine langfristige Nutzung als eigener Lebensstandort gerichtet, der auch einem Klimawandel standhalten kann. Das inhaltliche Interesse an kommunalen Konzepten ist damit prinzipiell gegeben, allerdings tritt der übergreifende Blick zurück gegenüber den Herausforderungen der Umsetzung des eigenen Projekts. In den kommunalen Klimaschutzkonzepten Werkstatt: Praxis Heft 79 der Projektstandorte werden zudem Ziele, Standards und Maßnahmen für die Akteure der Immobilien- und Wohnungswirtschaft formuliert, die aber von den Projektträgern von ImmoKlima als „Geschäftsmodell“ in der Regel ohnehin schon vorweg genommen werden, wie etwa der Einsatz erneuerbarer Energien (z. B. in Stuttgart) oder die Realisierung des KfW-Neubaustandards nach EnEV 2009 bei der Gebäudesanierung (z. B. in Berlin-Tempelhof). Die Projektträger haben sich durch die allgemeine Klimaschutzdebatte und durch die Förderprogramme des Bundes leiten lassen, diese Anstrengungen zu unternehmen und die entsprechenden Maßnahmen, Ziele und Strategien in ihr Geschäftsmodell einzubauen. Die lokale Debatte und die lokalen Klimaschutzkonzepte bilden einen ergänzenden Orientierungsrahmen für das eigene Handeln bzw. dieses erfährt durch die kommunalen Klimaschutzkonzepte eine zusätzliche Bestätigung. Die Pilotprojekte von ImmoKlima zeigen, dass durchaus Mitwirkungsbereitschaft gegeben ist, wenn die Unternehmen entsprechende Vorteile erkennen. Diese können zum einen in den bereits in Kapitel 3 angesprochenen Vorteilen durch Kontakte zur Politik bestehen. Die Kommune kann durch Bereitstellung von Daten und Markttransparenz den Unternehmen wertvolle Informationen an die Hand geben. So kann sie durch Wärmekataster auf Baugebiete mit erhöhtem Energieverbrauch aufmerksam machen und somit Unternehmen, die über größere Bestände verfügen, über die entsprechenden Ergebnisse informieren. Auch die Bereitstellung von Energienutzungsplänen mit Informationen zu vorhandenen Ressourcen der Energieversorgungsunternehmen wäre von Vorteil. Gleiches gilt für die Nutzung von Stadtklimakarten, die Aussagen über Frisch- und Kaltluftschneisen bzw. Kaltluftinseln sowie über überwärmte Stadtgebiete ermöglichen. Dieses Problem dürfte in den Großstädten besonders gravierend sein. So liegen in den Großstädten eher Stadtklimakarten vor oder es sind klimatische Gutachten erstellt worden. Diese Daten können die Grundlage sowohl für die Bauleitplanung als auch für die Standortanalyse von Seiten privatwirtschaftlicher Akteure bilden. Die Zielkonflikte die mit dieser Markttransparenz einhergehen können, sind in Kapitel 5.1 beschrieben worden. Beitrag der Immobilien- und Wohnungswirtschaft zu integrierten Klimakonzepten 5.5 Mitwirkung der Immobilienund Wohnungswirtschaft bei der Erstellung von integrierten Klimaschutzkonzepten Die Projektträger von ImmoKlima waren an der Erstellung der integrierten kommunalen Klimaschutzkonzepte bislang nicht beteiligt. Die Unternehmen wurden weder über das Vorhaben „Erstellung eines kommunalen Klimaschutzkonzeptes“ informiert, noch wurden sie konkret zur Mitwirkung am Beteiligungsprozess eingeladen. Allerdings ist auch wie in Kapitel 5.4 beschrieben, das Interesse der Unternehmen begrenzt. Eine Ausnahme stellt das Projekt in Erfurt dar, weil die Stadt hier selbst mit als Projektträger auftritt. In Städten wie Freiburg oder auch Augsburg – und dies trifft für viele Kommunen bundesweit zu – sind zwar spezielle Akteursoder Expertenrunden zum Handlungsfeld „Planen und Bauen“ eingerichtet worden, lokale oder regionale Unternehmen der Immobilien- und Wohnungswirtschaft fehlen jedoch in diesen Runden (noch). Projektforscher empirica. Mit dem Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. (BBU) und der Berliner Senatsverwaltung werden die Ergebnisse des Pilotprojektes (vor allem hinsichtlich der Energieverbräuche nach der Modernisierung) beobachtet, ausgewertet und ggf. zur Grundlage für weitere Strategien und Vereinbarungen auf Senatsebene mit der lokalen Wohnungswirtschaft verwendet. Geplant ist, aus den konkreten Projektergebnissen einen weiter gehendenden Know-howTransfer aus der Praxis der Wohnungswirtschaft für übergeordnete Ziele (z. B. Klimaschutzgesetz, Standardverschärfungen etc.) zu ermöglichen. Der BBU übernimmt dabei eine wichtige Mittlerfunktion zwischen dem Projektpartner und der Senatsebene. Abbildung 6: Einordnung der Akteursrolle der Immobilien- und Wohnungsunternehmen bei kommunalen Klimastrategien Bei Durchsicht der Klimaschutzkonzepte fällt auf, dass die Städte bei der Erstellung und Umsetzung von Klimaschutzkonzepten nur an ihre eigenen kommunalen Wohnungsunternehmen (z. B. KOWO in Erfurt, SWSG in Stuttgart, SAGA in Hamburg) denken, wenn die Zusammenarbeit mit der Immobilien- und Wohnungswirtschaft thematisiert wird. Dies gilt insbesondere für die Durchführung von Modellprojekten. Allerdings werden auch neue Wege beschritten, um Kommunen und Wohnungswirtschaft enger miteinander zusammenzubringen, um die angestrebten Klimaschutzziele zu erreichen. Es werden bilaterale Klimagipfel eingerichtet, z. B. in Augsburg, gemeinsame Klimaschutzvereinbarungen zwischen beiden Partnern verabschiedet, z. B. in Berlin oder wie in Hamburg ein „Bündnis für das Wohnen“ abgeschlossen. Mittelbar können die Pilotprojekte durch ihre Verbände an Klimaschutzkonzepten mitwirken. Dies wurde deutlich bei der 1892 und der FLUWOG-NORDMARK eG. In den Städten Berlin und Hamburg vertreten die Verbände mehr als 100 Wohnungsunternehmen und sind grundsätzlich Partner der Senatsverwaltungen. Allerdings erfolgte selbst auf dieser Ebene die Wahrnehmung der Aktivitäten der Projektpartner in Berlin erst durch das ExWoSt-Vorhaben und die Ansprache der Quelle: WEEBER + PARTNER, 2012 Abbildung 6 veranschaulicht, wie das Potenzial der Pilotprojekte bzw. der Projektträger (das Wohnungsunternehmen, der Bürger, der Energieversorger) mit dem der Kommune vernetzt und für kommunale Klimakonzepte von der Öffentlichen Hand eingesetzt werden könnte. Die Erfahrungen und auch Schwierigkeiten bei der Umsetzung von kommunalen Klimaschutz- und Klimaanpassungszielen sowie das vorbildliche Vorgehen der Projektträger bieten Beiträge für Klimakonzepte an. Die in der Abbildung angedeute Interaktion mit den Kommunen ist bislang noch nicht ausreichend gegeben. Abschließend werden in der Tabelle 6 die Potenziale und konkrete Beiträge der Projektträger für kommunale Konzepte bzw. integrierte nachhaltige Stadtentwicklung zusammengefasst. 57 ImmoKlima 58 Werkstatt: Praxis Heft 79 Tabelle 6: Beiträge der Projektträger zu Klimaschutzkonzepten und Stadtentwicklung an den Pilotstandorten Landeshauptstadt Stuttgart und Siedlungswerk Stuttgart Siedlungswerk ist in Stuttgart als zukunftsfähige Entwicklungsgesellschaft bekannt. Inhaltlicher Austausch wird durch die Projektforscher mit „Rundem Tisch“ initiiert, Schwerpunkte: Qualität der Stadtklimadaten, Prognosen über die erwarteten Klimaänderungen Die Stadt Stuttgart zeigt, welche Daten heute und in Zukunft vorliegen. Das Siedlungswerk verdeutlicht den Bedarf an parzellenscharfe Informationen für ihre Planungen. Die Umsetung der Abwassernutzung durch das Siedlungswerk hat wichtige Erkenntnisse auch für die Stadt gebracht. Die Energiegewinnung aus der Abwasserwärme des kommunalen Abwassersystems wird daher auch für andere Stadtteile geplant, was die Innovationsbereitschaft der Kommunen zeigt.. Stadt Günzburg und Thierergruppe Die Thierergruppe verbindet mit der Entwicklung des PEP den Anstoßnfür eine Neuausrichtung der kommunalen Energieversorgung. Es besteht die Chance für die Rekommunalisierung der Energieversorgung mit der Stadt Günzburg als wichtiger strategischer Partner(Konzessi onsvergabeverträge). Der Diskussionsprozess zwischen Thierergruppe und Stadt Günzburg beginnt: TPP entwickelt mit der Gemeinde ein Konzept zur Rekommunalisierung der Energieversorgung. Freie und Hansestadt Hamburg, Bezirk Eimsbüttel und Baugenossenschaft FLUWOGNORDMARK Die Projektforschung hat Informationsgespräche zwischen der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt und der FLUWOG-NORDMARK angeregt. Schwerpunkte: tatsächliche energetische Modernisierungskosten und Energieverbräuche nach Modernisierung. Für den Bezirk Eimsbüttel ist die FLUWOG-NORDMARK ein wichtiger Partner für die Quartiersentwicklung vor dem Hintergrund des demographischen Wandels. Über AK Wohnungsunternehmen als Partner der Senatsverwaltung wird Pilotprojekt wahrgenommen. Bei der Umsetzung des Smart meterings macht die FLUWOG-NORDMARK wichtigwe Erfahrungen, die für die Senatsverwaltung in Hamburg nutzbringend sind. Land Berlin und Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 Klimaschutzvereinbarung zwischen Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen und Senatsverwaltung. Projektforschung hat Gesprächsrunden zwischen den zwei Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und der 1892 initiiert. Schwerpunkte: Kennwerte zu energetischen Modernisierungskosten und Energieverbräuchen nach Modernisierung im Pilotprojekt. Austausch über mögliche Einsparziele und konkrete Planungen des Landes Berlin, z. B. zum Klimaschutzgesetz. Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und Interkulturelle Bildungs- und Begegnungsstätte Bodhicharya Bodhicharya bemüht sich um eine engere Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Schwerpunkte: klimagerechte Sanierungen bei denkmalgeschützten Gebäuden und wirtschaftliche Lösungen für klimagerechte Sanierungen, Stellenwert des Zentrums für das Quartier (soziale Funktion – Hospiz). Trotz einhelliger politischer Zustimmung und besondere Unterstützung durch Bezirksbürgermeister wird das Projekt von der Verwaltung nicht (als beispielhaft) wahrgenommen. Land Berlin, Bezirk FriedrichshainKreuzberg und InitiativeMöckernkiez Die Initiative Möckernkiez stößt als Projekt nachhaltiger sozialer und ökologischer Quartiersentwicklung auf Interesse des Bezirks: Die Größe des Projektes, die Nachfrage nach Wohnraum und anderen Angeboten (Gewerbe, Hotel etc.), der Projektfortschritt, das öffentliche Interesse einschließlich Pressearbeit, die mittlerweile internationale Bekanntheit des Projektes (Vorbildcharakter) haben dafür gesorgt, dass das Projekt im Land und im Bezirk als Beitrag und Impuls zu Stadtentwicklung und Klimakonzepten wahrgenommen wird. Landeshauptstadt Erfurt und Stadt Hoyerswerda Sonderkonstellation durch das Zusammentreffen von Projektträgerschaft und KlimakonzeptVerantwortung in den Kommunen Quelle: Eigene Darstellung Beitrag der Immobilien- und Wohnungswirtschaft zu integrierten Klimakonzepten 5.6Fazit Die Zusammenarbeit von Kommunen und Immobilienwirtschaft bei der Erstellung von Klimaschutzkonzepten bzw. bei der integrierten nachhaltigen Stadtentwicklung ist ausbaubedürftig und ausbaufähig. Dies betrifft die inhaltliche Konzeptentwicklung und die organisatorischen Entscheidungsprozesse innerhalb der politischen Gremien und die Einbindung der Immobilienwirtschaft in diese. In den Pilotprojekten haben die Immobilienunternehmen gezeigt, dass sie – trotz konkreter Maßstabsebene – nützliche Erkenntnisse und Beiträge für praxistaugliche Klimakonzepte leisten können. Ihre Beiträge zu den übergeordneten Konzepten können dabei durch die Verdeutlichung der innovativen Praxis über die Verbände „vermittelt“ und somit für Verwaltung und Politik nutzbar werden (wie dies bei den Projektpartnern aus Hamburg und Berlin geschehen ist). Einzelne Unternehmungen können dann indirekte Anstöße geben, wenn ihre Projekte eine über das Projekt hinausgehende Wirkung entfaltet und die Kommune diesen Nutzen erkennt. Hierfür stehen die begonnenen Dialogprozesse des Siedlungswerks in Stuttgart und TPP in Günzburg. Gerade kleinere Projekte (wie die Interkulturelle Bildungs- und Begegnungsstätte Bodhicharya) und Unternehmen in größeren Städten werden (bislang) nicht als relevanter Akteur wahrgenommen bzw. erkannt. Die Pilotprojekte zeigen auch auf der übergeordneten Ebene der Konzeptentwicklung, dass gemeinsame Interessen, gemeinsamer Nutzen und gegenseitiges Vertrauen Bedingung für ein erfolgreiches Zusammenwirken sind. Der Stand der Pilotprojekte lässt noch keine belastbaren Aussagen zu, ob aus den konkreten Maßnahmen der Projektträger oder der “Vermittlung“ durch deren Verbände ein Know-how-Transfer von der Immobilienund Wohnungswirtschaft in die politischen und administrativen Entscheidungsprozesse fließen wird. Erste Ergebnisse sind zu erkennen. Eine organisatorische Verankerung und Verbindlichkeit wird hergestellt durch den runden Tisches in Stuttgart und die Aufnahme der Zusammenarbeit im workshop „Vergleich vor und nach der Sanierung“ bei der Berliner Senatsverwaltung. Dies sind die Orte in denen die Praxiserfahrungen der Projektträger und ihre Erkenntnisse aus den Pilotprojekten in die übergeordneten Strategien einfließen können. Bei der Untersuchung der Pilotprojekte wird auch deutlich, dass sich Verwaltungshandeln und politische Entscheidungen anders darstellen, als das Handeln von privatwirtschaftlich ausgerichteten Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Hier sind die Themen Gutes Verwaltungshandeln (governance) und Vollzugsdefizite (compliance) betroffen, die allerdings nicht eigener Gegenstand des EXWoSt-Forschungsvorhabens waren. Umgekehrt muss den politischen und administrativen Entscheidungsträgern klar sein, dass die Immobilienwirtschaft sich nur dann an übergeordneten Prozessen beteiligt, wenn sie dabei einen wirtschaftlichen Nutzen generiert. Auch hier ist der Begriff des wirtschaftlichen Nutzens aber breit zu sehen. Er kann in Zugang zu Fördermitteln und der Beeinflussung von lokalen Regeln bestehen, aber auch in einer Steigerung des Bekanntheitsgrads innovativer Projekte oder der Verbesserung des Kontakts zu lokalen Entscheidern. 59 ImmoKlima 60 Werkstatt: Praxis Heft 79 6 Klimaanpassung und Risikomanagement 6.1Einführung Anpassungsmaßnahmen an Klimafolgen sind als privates Gut anzusehen, d. h. der Nutzen von Anpassungsmaßnahmen kommt den Immobilieneigentümern bzw. den -nutzern zugute. Theoretisch ist also davon auszugehen, dass Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel leichter im Markt zu implementieren sein sollten als Klimaschutzmaßnahmen, welche das Engagement eines jeden Einzelnen erfordern, aber wenn man von möglichen Marktvorteilen absieht, vornehmlich der Allgemeinheit zugute kommen. Denn der Klimawandel erhöht Risiken, bspw. für die Bausubstanz oder für die Gesundheit des Nutzers. Professionell agierende Eigentümer puffern entweder das Risiko über erhöhte Versicherungsprämien ab oder investieren so, dass die Risiken und die Versicherungsprämien für das Gebäude sinken. Da dies auch den Mietern zugute kommt, legt der Eigentümer/Vermieter die Beiträge zur Gebäudeversicherung auf die Mieter um. Für letztere ist dies zum einen eine immer noch untergeordnete Nebenkostenposition, zum anderen profitieren die Mieter von der Minimierung der Risiken, bspw. für seinen Hausrat. Gebäudenutzer (Mieter, selbstnutzende Eigentümer) würden zudem, wenn sie vollständig informiert wären, über eine höhere Zahlungsbereitschaft für Investitionen am Gebäude, welche Gesundheitsrisiken reduzieren, verfügen. In der Praxis funktioniert diese reine Marktlösung aus drei Gründen nicht: • Die Risiken sind nicht ausreichend transparent, so dass sie nicht adäquat wahrgenommen werden. • Der Versicherungsmarkt setzt keine richtigen Preissignale • Die Leistungen der öffentlichen Hand bei Extremwetterereignissen verhindern privatwirtschaftliche Lösungen. • Diese drei Aspekte sollen im Folgenden näher diskutiert werden. 6.2 Transparenz und Wahrnehmung von Risiken Ein Vergleich der beiden Handlungsbereiche Klimaschutz und Klimaanpassung zeigt, dass das Thema Klimaschutz in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft angekommen ist und mittlerweile vor allem durch die gesetzlichen Vorgaben und Fördermöglichkeiten einen hohen Stellenwert erreicht hat. Hingegen spielt das Thema Klimaanpassung bezüglich der eigenen Handlungserfordernisse in der Praxis kaum bis keine Rolle. Zu Beginn des Projektes ImmoKlima wurden die Pilotprojekte nach ihrer Einschätzung bzgl. der Risiken des Klimawandels gefragt. Zwar wurden hier zahlreiche der in Kapitel 1.3 genannten möglichen negativen Konsequenzen als relevant bewertet, jedoch sorgte die geschlossene Fragestellung unter Nennung der Risiken dafür, dass die Befragten diese als Hinweis aufgriffen, ohne dass ein Umgang mit diesen Risiken konkret belegt werden konnte. In den anschließenden Gesprächen ergab sich, dass die Pilotprojekte das Thema Klimaanpassung noch nicht als eigenständiges Problem mit hoher Relevanz vergegenwärtigt hatten. Dies bedeutet nicht, dass die Pilotprojekte keine Maßnahmen zum Schutz vor Schlagregen und Stürmen ergreifen oder den sommerlichen Hitzeschutz für irrelevant halten. Diese Maßnahmen firmieren jedoch unter Risiko-/Schadensmanagement bzw. Erhöhung des Wohnkomforts und nicht unter Klimaanpassung. Dadurch besteht beim Start eines Dialogs zwischen Immobilienwirtschaft, deren Versicherungen, der Wissenschaft und der kommunalen Planung ein gewisses Maß an Kommunikationsschwierigkeiten. Diese Erkenntnisse dürften von den Pilotprojekten auf die Immobilien- und Wohnungswirtschaft im Allgemeinen übertragbar sein. Gerade bei den Projektentwicklungen unter den Pilotprojekten liegt die Integration der Klimaanpassung in die unternehmerische Strategie weniger in einer Risikoabwägung, als vielmehr in einer sich an der Nachfrage des Marktes orientierenden Vorstellung von einem qualitätsvollen und verantwortungsvollen Produkt. Dies schließt ein, dass dieses Produkt auf Risiken im bestimmungsgemäßen Gebrauch und auf die aktuellen Komfortansprüche inhaltlich und wirtschaftlich Klimaanpassung und Risikomanagement wettbewerbsfähig antwortet. Die Bemühungen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in Freiräumen durch Bewahrung und Ausbau von Grünflächen und Baumbeständen, durch Verzicht auf zulässige Nachverdichtung (1892, FLUWOG-NORDMARK eG), zur Verbesserung der thermischen Behaglichkeit und der Durchlüftung/Klimatisierung (sommerliche Kühlung und winterliche Erwärmung) von Wohnungen, sind in erster Linie Antworten auf Gesundheitsfürsorge und Komfortansprüche, können aber im weitesten Sinne als Klimaanpassungsstrategie bezeichnet werden. Von den Pilotprojekten wurde mehrfach betont, dass eigene Strategien zur Anpassung an den Klimawandel vom Zugriff auf kleinräumige Klimadaten abhängig sind. Denn die Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen auf der einen und der daraus resultierende Handlungsdruck auf der anderen Seite, sind für Unternehmen der Immobilien- und Wohnungswirtschaft gar nicht abschätzbar und für deren Versicherungen nur sehr eingeschränkt. Außerdem erfordern Investitionen und Technologien für Klimaanpassungsmaßnahmen verlässliche Planungsgrundlagen, um mit der branchenüblichen Verteilung von technischen und vertraglichen Risiken (Gewährleistungspflichten, zugesicherte werkvertragliche Vereinbarungen über Standards, Erfüllung von Auflagen des öffentlichen und privaten Baurechts) kompatibel zu sein. Es gibt grundsätzlich zwei Probleme bei kleinräumigen klimatischen Risikoanalysen: • Zum einen liegen für die Pilotprojekte keine ausreichend kleinteiligen Daten vor, auf denen sich eine standortspezifische Anpassungsstrategie aufbauen ließe. Die vorliegenden stadtklimatischen Grundlageninformationen (Berlin, Freiburg, Stuttgart, Erfurt und Hamburg) reichen den Projektträgern nicht aus. Sie benötigen für ihre Projektvorhaben parzellenscharfe Informationen, denn ohne diese können sie keine eigene Anpassungsstrategie entwickeln. Aus dem laufenden Forschungsvorhaben StadtKlima konnten für die Pilotprojekte noch keine konkreten Erkenntnisse erwachsen. Nutzen könnte ggf. für die gewerblichen Entwicklungen der Thierergruppe aus dem Leitfaden des Projektes klimAix gezogen werden; hier wird für die Beurteilung von Gewerbegebieten bezüglich ihrer Anfälligkeit für Extremwetterereignisse ein Leitfaden erarbeitet67. 61 • Zum anderen sind Prognosen ungenau – und zwar je langfristiger umso spekulativer. In der Regel basieren die Risikokarten auf Ex-post-Analysen (Auswertung von zurückliegenden Klimadaten oder klimatischen Extremereignissen) und nicht auf Prognosen zukünftiger Risiken. Mittlerweile können für die meisten Pilotstandorte regionale Klimaprognosen herangezogen werden. Diese weisen jedoch hohe Unsicherheiten bezüglich der zu erwartenden Ereignisse auf. Es fehlen zudem belastbare Prognosen für einige Pilotstandorte(z. B. Erfurt oder Hoyerswerda) und erst recht fehlen Prognosen auf Stadtteil- oder gar Baublockebene. Erste Perspektiven mit dieser Raumauflösung sind in Modellvorhaben, zum Beispiel für Frankfurt/M. und Wien, mit Hilfe des Klimasimulationsmodells MUKLIMO_3 des Deutschen Wetterdienstes erarbeitet worden68, 69 . Von besonderem Interesse dürfte auch das Projekt Regklam von TU Dresden, IÖR und der Stadt Dresden sein, wo Wirkungsprognosen und Szenarien zum Klimawandel bis auf stadtstrukturelle Raumeinheiten, wie zum Beispiel locker bebaute Einfamilienhaus-Gebiete, verdichtete Blockbebauung, Stadtzentrum usw., heruntergebrochen worden sind. Dieser stadtstrukturelle Ansatz ermöglicht die Bereitstellung von sehr kleinräumigen Orientierungshilfen für die Immobilen- und Wohnungswirtschaft. Die mangelnde Transparenz der Risiken sorgt dafür, dass Eigentümer und Mieter die Risiken nicht ausreichend erkennen. Entscheidend für die Beurteilung von Risiken – sowohl für Versicherungen als auch für Gebäudeeigentümer – ist der Erwartungswert der Schäden, der sich aus der Multiplikation vom Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenssumme errechnet. Insbesondere bei Sturmschäden, Hagelschäden und Starkregen stehen geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten hohen Schadenssummen gegenüber. Dies ist bereits für professionelle Versicherungen problematisch, da bei Ex-Post-Betrachtungen von Schadensfällen eine lange Beobachtungsdauer notwendig ist, um realistische Wahrscheinlichkeiten ableiten zu können. Hinzu kommt das Problem der räumlichen Differenzierung. So sind gerade die Risiken für Starkregen sehr kleinräumig. Zukünftige Änderungen von Risiken durch den Klimawandel sind mit der notwendigen Detailliertheit schon für professionelle Akteure schwer kalkulierbar. Für den Laien ist es nahezu unmöglich, die Risiken seines Gebäudes valide zu beurteilen. Dies gilt (67) BMVBS (Hg.): StadtKlima Kommunale Strategien und Potenziale zum Klimawandel. Lokale Klimaanalysen. ExWoSt-Informationen 39/2. Bearbeitet von F. Schlegelmilch, S. Greiving et al. Bonn/Berlin, 2012. (68) Früh, Barbara et al.: Estimation of Climate-Change Impacts on the Urban Heat Load Using an Urban Climate Model and Regional Climate Projections. J. Appl. Meteor. Climatol., 50 (2011), S. 167–184. (69) Nemec, J.;, Žuvela-Aloise, M.: Temperaturunterschiede in der Stadt – Stadtklima der Zukunft in Wien. Wien, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik Abteilung Klimaforschung, 2011. In: http://www. zamg.ac.at/forschung/klimatologie/ klimamodellierung/focus/ ImmoKlima 62 umso mehr, da die Versicherungswirtschaft Risiken zwar als Ausgangspunkt für Beitragskalkulationen oder die Ablehnung von Kunden (siehe unten 6.3) will, die Berechnungen oder die eingegangenen Grundlagendaten aber nicht öffentlich zugänglich macht. Von Interesse für die Immobilienund Wohnungswirtschaft könnte deshalb der in Stuttgart geplante Klipps-Klimaanpassungspass sein. Der Pass soll die klimatischen Rahmenbedingungen am konkreten Standort anzeigen. Etwas anders stellt sich die Situation beim Hochwasser dar. Hier sind zum einen empirisch erfassbare Schäden häufiger und zum anderen sind Überschwemmungsbereiche bei gegebener Geländehöhe auch gut modellierbar. Deshalb verfügen die Versicherer im Bereich des Hochwasserschutzes über sehr genaue Kartierungen („ZÜRS-Zonen“), die auch öffentlich zugänglich gemacht werden sollen70. Hiermit besteht über die öffentlich-rechtliche Lösung mit Hochwasserschutzzonen hinaus die Chance auf eine transparente privatwirtschaftliche Lösung. Das Problem eines derartigen Abbaus von Informationsasymmetrien liegt allerdings in der Gefahr, dass Eigentümer die transparente Information dazu nutzen, um Gebäude in geringen Risikozonen zukünftig nicht mehr zu versichern. Dadurch fragen nur noch Kunden mit hohen Risiken Versicherungen nach (so genannte adverse Selektion). Die Versicherungen können unterschiedliche Risiken schlechter gegeneinander ausgleichen (geringeres Risikopooling) und müssen die Versicherungsbeiträge erhöhen und/oder Hochrisikokunden ausschließen. 6.3 Defizite im Versicherungsmarkt Der Markt für Versicherungen deckt nicht alle Risiken ab und setzt durch nicht ausreichende Differenzierung der Risikoprämien keine Anreize zur Senkung des gebäudebezogenen Risikos (im Gegensatz zum standortbezogenen Risiko), etwa durch Investitionen in die Klimaanpassung. (70) Pressemitteilung des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft vom 19.05.2011, vgl. www.gdv.de. Gegenüber der professionellen Wohnungswirtschaft sind Privateigentümer in höherem Maße gegenüber Risiken durch Extremwetterereignissen exponiert. Dies hat mehrere Gründe: • Während institutionelle Anbieter durch Werkstatt: Praxis Heft 79 ihre größeren Wohnungsportfolios das Standortrisiko einzelner Teilbestände durch Diversifikation reduzieren können, verfügen Privateigentümer, aber auch kleinere Unternehmen, Genossenschaften oder Wohnprojekte wie das Buddhistische Zentrum oder der Möckernkiez nur über wenige Wohneinheiten, die meist an einem Standort konzentriert sind. Schadensfälle treiben somit Privateigentümer potenziell in den wirtschaftlichen Ruin. Größere Wohnungsunternehmen wären durch die Streuung des Portfolios selbst ohne Versicherung weniger verwundbar. • Zumindest größere institutionelle Eigentümer verfügen über ein professionelles Risikomanagement, welches sich nicht nur den Themen der Marktrisiken (bspw. durch Änderung von Nachfragepräferenzen) widmet, sondern auch den Eintrittswahrscheinlichkeiten von Klimarisiken. Das Instrument der Risikomatrizen kann hier Eintrittswahrscheinlichkeiten und mögliche Schadenshöhen visualisieren, dient dem Unternehmenscontrolling als wertvoller Input und ermöglicht ein Gegensteuern zur Begrenzung von Schäden. Privateigentümer haben diese Möglichkeit nicht. • Im Gegensatz zu Wohnungsunternehmen sind Privateigentümer schlechter versichert. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft meldet, dass 72 % der deutschen Hauseigentümer keine Elementarschadensversicherung haben. • Der Portfolioeffekt hat auch Auswirkungen auf die Versicherbarkeit von Immobilien. Die professionelle Wohnungswirtschaft verfügt über eine größere Marktmacht gegenüber Anbietern von Versicherungsleistungen, so dass im Rahmen der Versicherung eines ganzen Portfolios auch einzelne problembehaftete Immobilien mitversichert werden können. Einzeleigentümer hingegen sind nicht nur freiwillig unterversichert, sondern können in bestimmten Risikokonstellationen gar keine Versicherung abschließen. Dies betrifft laut dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft zwar nur eine untergeordnete Menge von Immobilien. Im Hochwasserbereich wird bspw. die Zahl von 1,5 % angegeben. Da dieser Wert aber nur risikobehaftete Immobilien betrifft, liegt der Anteil der nicht versicherbaren Schadensfälle deutlich höher. Klimaanpassung und Risikomanagement 6.4 Kompensationsforderungen an die öffentliche Hand Insbesondere Schadensereignisse mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit und hohen Schäden werden von den Betroffenen als höhere Gewalt wahrgenommen. Durch die angesprochene Unterversicherung von Gebäuden von Einzeleigentümern löst dies im Schadensfall politische Forderungen nach finanzieller Kompensation aus. Wird dieser Forderung nachgegeben, so konterkariert dies die Risikovorsorge und die Versicherungsbereitschaft des einzelnen Hauseigentümers. Damit wird eine Marktlösung der Form „höheres Risiko durch den Klimawandel = höhere Kosten = eigenverantwortliche Anpassung an den Klimawandel“ noch zusätzlich untergraben. Zudem ist es verteilungspolitisch bedenklich, Bevölkerungsgruppen mit Vermögen ihre Vermögensschäden zu ersetzen. 6.5Fazit Ziel der Politik sollte es vor allem sein, das notwendige Problembewusstsein zu schaffen, damit die Anpassungsaktivitäten der Immobilienwirtschaft rechtzeitig initiiert werden können. Hauptaufgabe ist damit die Erhöhung der Transparenz von Risiken – denn nur so kann auch eine Marktlösung funktionieren. Dies ist vor allem bei privaten Eigentümern wichtig, da diese über andere Investitionshorizonte und, im Falle von Selbstnutzung, über andere steuerliche Möglichkeiten verfügen als die professionelle Wohnungswirtschaft mit ihren 30- bis 50-jährigen Investitionshorizonten. Das BBSR hat aus diesem Grund aus dem ExWoSt-Forschungsvorhaben ImmoKlima ein weiteres Forschungsvorhaben „Risikoabschätzung der zukünftigen Klimafolgen in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft (ImmoRisk) entwickelt. Im ImmoRisk soll auf Basis verfügbarer Daten ein „Werkzeug“ zur Unterstützung der Abschätzung von Klimafolgen an fünfzehn Standorten (u.a. die ImmoKlima-Projektstandorte) entwickelt werden. Darüber hinaus wird eine Konzeption zur Entwicklung eines bundesweiten Geoinformationssystems erarbeitet. Dieses soll ab 2013 umgesetzt werden und die Transparenz von Klimarisiken für Immobilieneigentümer erhöhen . Es ist wert, an die Diskussion um die Einführung einer Elementarschadenpflichtver- 63 sicherung anlässlich des Elbhochwassers 2002 zu erinnern. Damals wurde von der Finanzministerkonferenz mit dem Hinweis auf rechtliche Bedenken und mangelnde Akzeptanz die Einführung abgelehnt. Der Vorteil einer solchen Versicherung besteht jedoch darin, dass adverse Selektion, d. h. eine Nachfrage nach Versicherungen nur durch Risikokunden vermieden wird und diese trotzdem versichert werden. Der Freistaat Bayern verzichtet deshalb nach Angabe des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft auf Zahlung steuerfinanzierter Direkthilfen im Naturkatastrophenfall. Nur wer sich nicht versichern konnte und dies auch nachweist, kann auf Hilfe des Staates hoffen. Die Versicherungswirtschaft verstärkt zugleich ihre Aktivitäten zur Erhöhung der Versicherungsdichte in der Elementarschadenversicherung. Die beste Lösung liegt jedoch nicht in der Abdeckung des standortbezogenen Risikos durch Versicherungen, sondern in der vermehrten Vorsorge der Eigentümer gegenüber Folgeschäden, etwa in Form einer Minimierung von Auswirkungen des Klimawandels. Da gegen das standortbezogene Risiko aufgrund der Immobilität von Gebäuden auf individueller Ebene keine Maßnahmen möglich sind (diese würden in globalen Aktionen gegen den Klimawandel bestehen), wird davon ausgegangen, dass der Gebäudeeigentümer das durch den Klimawandel erhöhte Standortrisiko durch Maßnahmen zur Senkung der gebäudebezogenen Schadensanfälligkeit ausgleicht. Versicherungen könnten hier eine hervorragende Steuerungswirkung erzielen, indem höhere Risiken höher bepreist wären. Damit würde dem Gebäudeeigentümer klar kommuniziert, welchen Investitionen zur Absicherung gegen den Klimawandel welche Ersparnisse im Bereich der Beiträge gegenüberstehen. Muster für die dafür erforderliche Transparenz sind die bereits genannten ZÜRS-Zonen beim Hochwasser. Eine weiter gehende Lenkungswirkung durch Versicherungsbeiträge, die insbesondere auf die baulichen Gegebenheiten des Gebäudes Rücksicht nimmt, ist jedoch derzeit nicht zu erkennen. Ob die Gründe auf fehlende Daten oder auf die Vermeidung adverser Selektionsprobleme, die letztlich zu einem geringeren Abdeckungsgrad der Versicherungen führen, zurückzuführen sind, ist nicht zu erkennen. ImmoKlima 64 Werkstatt: Praxis Heft 79 7 Rahmenbedingungen: Recht, Förderung, Governance (gute Verwaltung) Die wissenschaftliche Analyse der Pilotprojekte hat gezeigt, dass Anforderungen von Klimaschutz über die Marktnachfrage und die rechtlichen Anforderungen (im Wesentlichen niedergelegt in Normen wie EnEV, EEWärmeG, privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verträgen), Förderkriterien (KfW-Standards, Landes- und Kommunalprogramme), selbstverständlich in der Projektentwicklung berücksichtigt und zu marktkonformen Lösungen entwickelt werden. Ein weiterer dem öffentlichen Gut Klima nützender Aspekt ist das damit verbundene gute Image bzw. die Herstellung eines Alleinstellungsmerkmales für den Projektträger. Auch dies ist im Grunde eine Maßnahme zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, selbst wenn die Projektträger ihre Maßnahmen nicht immer als Klimaanpassung bezeichnen, tut dies ihrem Beitrag zur Klimaanpassung keinen Abbruch. Dieser Umstand sollte jedoch in der Politikberatung und den ggf. daraus resultierenden weiteren Strategien in der Politik nicht übersehen werden. 7.1 Rechtliche Instrumente Die hohe Komplexität (Nachfrage, Produktstandard usw.) und die Standortabhängigkeit des Gutes „Wohnung“ erzeugt beträchtliche Entwicklungs- und Haftungsrisiken, die verlässliche Standards (bautechnische und planungsrechtliche Normen) und rechtlich verbindliche Festlegungen (städtebaulicher Vertrag oder Baugenehmigung) benötigen. Die Untersuchung der Pilotprojekte hat gezeigt, dass die Akteure kaum in der Lage waren, die abstrakte und unsichere Informationslage zu klimatischen Standortrisiken (wie sie in Kapitel 6 beschrieben worden sind) angemessen in ihre Planung einzubeziehen, obwohl durch die Auseinandersetzung mit dem Standort detailliertes Expertenwissen vorhanden ist. Als notwendige Steuerungsinstrumente werden daher in erster Linie die gesetzlichen Rahmenbedingungen anerkannt und gewünscht. Öffentlich-rechtliche Standards wie Dichtegrenzen, Bodenversiegelung, Baunormen oder energetische Standards bieten (auch aus Sicht der Projektträger) verlässliche und wettbewerbsneutrale Rahmenbedingungen. Energierecht und Mietrecht Aus der Sicht zahlreicher Unternehmen der Immobilien- und Wohnungswirtschaft erschweren ordnungsrechtliche Regelungen (z. B. Mietrecht, steigende Anforderungen zur Energieeinsparung oder zum Einsatz regenerativer Energien durch die EnEV bzw. das EEWärmeG) rentierliche Investitionen. Trotz der (rechtlichen) Möglichkeit, diese Kosten an die Alt-Mieter in Form einer erhöhten Miete oder geänderter Nebenkosten weiterzugeben, erlaubt dies „der Markt“ oft nicht. Dies haben die 1892 und die FLUWOG-NORDMARK bestätigt. Die energiesparenden Investitionen (und ihre Vorteile für die Nutzer) werden nur zum Teil von den direkten Nutznießern bezahlt, verbleibende Anteile der Investitionskosten werden von der Gesamtheit der Genossenschaft getragen. Auch wenn im Neubau gleiche Anforderungen für alle Wettbewerber gelten, so sorgen höhere Preise für den Endkunden dennoch für einen entsprechenden Rückgang der Nachfrage und damit eine Verkleinerung des Marktes. Jedoch zeigen die Pilotprojektträger, dass die stetige Verschärfung der Standards einen spürbaren Innovations- und Professionalisierungsdruck in den Unternehmen erzeugt, der die Entwicklung technologischer Innovationen im Bereich der Baustoffe und der Anlagentechnik maßgeblich vorangetrieben hat. Hierbei stellt sich das Zusammenspiel aus gesetzlicher Norm und dem relativ zum gesetzlichen Standard höheren Effizienzniveau bestimmter KfWFörderstufen als besonders anreizwirksam heraus. Für hohe Standards (die akzeptiert werden können) wird allerdings eine langfristig planbare Förderung bei verlässlichen und berechenbaren Fördervoraussetzungen erwartet. Bautechnische Normen Klimaänderungen (Starkwind, Schneelasten, Hochwasser, Hitze, Regen) und die damit verbundenen Klimaanpassungserfordernisse bedürfen der Anpassung vorhandener bzw. der Schaffung von akzeptierten und umsetzbaren Zielvorgaben und Normen. Für einzelne Kli- Rahmenbedingungen: Recht, Förderung, Governance (gute Verwaltung) 65 Tabelle 7: Rahmenbedingungen: Recht und Förderung an den Pilotstandorten Projekt Fördermaßnahmen rechtliche Rahmenbedingungen Marienhöhe in Berlin-Tempelhof -1892 KfW-115 Standard, Landesförderung EnEV 2009 Neubau-Standard, Genossenschafts- und Mietrecht Hamburg-Niendorf Nord Landesförderung: Effizienzhaus 70-Standard EnEV 2009, Genossenschafts- und Mietrecht, Möckernkiez in Berlin-Kreuzberg Grundstücksvergabe, Förderprogramme, Grundstückskaufvertrag, Bauleitplanung und Städtebaulicher Vertrag, Abrissgenehmigung für denkmalgeschützen Zollpackhof Bodhicharya in Berlin-Friedrichshain Stundung von Ausgleichsbeträgen, Förderprogramm „Grüne Höfe“ Kaufvertrag, Denkmalschutz, Bebauungsplan FreiburgLeben in Freiburg Kommunaler Gebührenverzicht für Abwasserwärmenutzung, Grundstückskaufvertrag, Bauleitplanung –Städtebaulicher Vertrag Baukostenzuschuss aus Innovationsfonds Klima- und Wasserschutz SeelbergWohnen in Stuttgart-Bad Cannstatt Kommunale Wohnungsbauprogramm: Eigentumsprogramm für junge Familien Bauleitplanverfahren, Grundstückskaufvertrag Residenz Bellevue in Günzburg KfW 70-Standard EnEV 2009, Grundstückskaufverträge mit mehreren Eigentümern, Denkmalschutz, Bebauungsplan Lechpark in Augsburg-Hochzoll 60 kWh-Häuser Grundstückskaufvertrag EnEV 2004, § 34 BauGB, Ermessensspielräume ausschöpfen Prinz-Eugen-Park in Günzburg Raumordnungsplan, Bebauungsplan, Grundstückskaufvertrag, Ermessensspielräume ausschöpfen Marienhöhe in Erfurt Bauleitplanung: Bebauungsplan SolarGardenCity in Hoyerswerda Bauleitplanung Quelle: Eigene Darstellung maereignisse sind die Grundlagen bereits gegeben: DIN-Normen zum sommerlichen Wärmeschutz und zu Höchstabflussgrenzen von Oberflächenwasser71, zu Schneelasten und zu Windlasten liegen bereits vor – ihre Fortschreibung gilt es zu überprüfen. Andere Ereignisse wie Hagelschäden oder trockenheitsbedingte Bodensetzungen sind bislang noch nicht ausreichend geregelt. Zur Bewertung der Risiken und zum Erfordernis der Anpassung bautechnischer Normen besteht weiterer Forschungsbedarf. Im Rahmen des ImmoKlima-Sondergutachtens72 sowie mit der Entwicklung des Instruments ImmoRisk wird hierzu ein erster Beitrag geleistet. In einem weiteren Schritt wird ab 2013 ein Geoinformationssystem für Immobilieneigentümer im Auftrag des BMVBS/BBSR entwickelt. Städtebaurecht und Grundstückskaufverträge Wie Tabelle 7 zeigt, werden alle Pilotprojekte mit den Instrumenten des (allgemeinen und besonderen) Städtebaurechts umgesetzt. Die Pilotprojekte schätzen beim Vorhabenund Entwicklungsplan und beim städtebaulichen Vertrag vor allem die größere Flexibilität und Eignung für situationsangepasste Lösungen (gegenüber dem klassischen Bebauungsplan). Mit diesen Instrumenten können die Besonderheiten des Einzelfalles (z. B. Anforderungen an die soziale Infrastruktur, Anforderungen an die Wohnnutzung, Ausnutzung des Grundstücks, Minimierung der öffentlichen Erschließungsflächen, Stellplätze) gut abgesichert werden bzw. können mit diesen Instrumenten kommunalpolitisch gesetzte (soziale, energierelevante oder klimaanpassungsrelevante) Anforderungen vereinbart werden, die über die gesetzlichen Standards hinausgehen. Die Erkenntnisse aus den Pilotprojekten decken sich mit den Befunden der Berliner Gespräche zum Städtebaurecht aus dem Jahre 2010: Fazit dieser Gespräche war, dass das Städtebaurecht und Energiefachrecht ausreichend differenzierte Regelungen bzw. ein vielfältiges Instrumentarium für die klimagerechte Stadtentwicklung enthalte, die sich in der Praxis bewähren. Hervorgehoben wird die Bedeutung städtebaulicher Verträge für die Umsetzung klimaschutzbezogener Zielsetzungen sowie der konsensuale Umsetzungsansatz. Angesichts des differenzierten Instrumentariums gehe es nicht um die Entwicklung neuer flächenpolitischer Instrumente und Verfahren sondern darum, die vorhandenen Instrumente in der Praxis vollständig auszuschöpfen. Hierbei erschweren die hohe technische Komplexität energiefachrechtlicher Vorgaben und unzureichende personelle Ausstattung den Vollzug73. (71) Z. B. Anpassung der DIN 4108, sommerlicher Wärmeschutz, DIN 1986-100, Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke. (72) Vgl. BMVBS / BBSR (Hg.): Szenarien des Klimawandels für Privateigentümer von Wohnimmobilen. Bearbeitet von Martin Vaché. BBSR-Online-Publikation 17/2012. (73) BMVBS (Hg.): Berliner Gespräche zum Städtebaurecht. Bearbeitet von A. Bunzel und S. Hanke (DIFU). S. 7f; 10f; 26f; 55f; Bonn/ Berlin, 2010. ImmoKlima 66 Für die Vorgaben und Umsetzung von Klimamaßnahmen kann auch das klassische Instrument Bebauungsplan wirkungsvoll eingesetzt werden, wenn dies in Verbindung mit der kommunalen Grundstücksvergabe erfolgt. Verfügt die Gemeinde über das Eigentum an den Flächen, kann sie mit der Ausgestaltung der Kaufverträge steuern: Maßnahmen zu Klimaschutz und Klimaanpassung, Baumaßnahmen und soziale Anforderungen können vertraglich abgesichert werden (so in Stuttgart, Freiburg, Berlin). Angesichts der begrenzten kommunalen Flächenreserven ist dieses Instrument zwar grundsätzlich sehr geeignet aber eher auf Einzelfälle beschränkt. Rechtliche Absicherung von Smart Metering und Warmmietverträgen (74) Hacke, U.: Einfluss auf das Nutzerverhalten durch „Energy Awareness Services“. Neue Dienstleistungen zur Förderung des Energiebewusstseins bei Mietern“ in Verbraucher und Klimaschutz, BBSR, Informationen zur Raumentwicklung 2010. (75) Behr, Iris et al.: Heizkosten im Passivhaus – Warmmiete oder Flatrate-Modell. Praxiserfahrungen. Darmstadt, IWU, 2010. (76) Vgl. Hacke, U.: Nutzerverhalten im Mietwohnbereich. Studie im Auftrag des vdw südwest. Darmstadt, IWU. Die Einführung von Smart Metering als neue Dienstleistung zur Förderung des Energiebewusstseins bei Mietern durch Verbrauchstransparenz74 befindet sich bei einem Pilotprojekt (FLUWOG-NORDMARK eG zusammen mit den Stadtwerken Norderstedt) in der Vorbereitungsphase. Zunächst werden die rechtlichen Beziehungen zwischen den Mietern, den so genannten Anschlussnutzern, den Messstellenbetreibern und Messdienstleistern sowie den Netzbetreibern als Wärme- bzw. Stromlieferanten entwickelt. Für das Zusammenspiel der datenschutzrechtlichen Regelungen, des Energiewirtschaftsgesetzes und des BGB liegen bislang keine Regelungen bzw. gerichtliche Überprüfungen vor. Akzeptanz und Streitanfälligkeit sind somit noch offen. Regelungsinstrument könnte eine Rechtsverordnung nach dem Energiewirtschaftsgesetz werden. Hierfür sind im Pilotprojekt miet- und datenschutzrechtliche Fragen zum Einbau von Smart Metern in Mehrfamilienhäusern identifiziert und mit Lösungsansätzen erarbeitet worden. Diese dürften von grundlegender Bedeutung für andere Wohnungsunternehmungen sein die Smart Metering Maßnahmen einführen möchten. Smart Metering steht im Pilotprojekt im Zusammenhang mit der novellierten Heizkostenverordnung. Von den darin vorgesehenen Möglichkeiten der pauschalierten Abrechnung von Heizkosten und Warmwasserkosten wird kein Gebrauch gemacht. Die Einsparpotenziale, die im Verzicht von Installation von Messgeräten und Abrechnung liegen75, stellen für FLUWOG-NORDMARK eG keinen ausreichenden Vorteil dar. Ohne die Sanktion der verbrauchsabhängigen Abrechnung wird ein verschwenderischer Werkstatt: Praxis Heft 79 Umgang mit Heizung und Warmwasser befürchtet. Auch werden Klagen befürchtet, wenn keine individuelle verbrauchsabhängige Abrechnung erfolgt. Zur Absicherung möglicher Streitfälle werden freiwillig separate Wärmemengenzähler für Wasser und Wärme installiert. Der in der Heizkostenverordnung niedergelegte technische Fortschritt wird in der Praxis (noch) nicht nachvollzogen. Es bleibt weiteren empirischen Forschungen vorbehalten, ob die rechtlichen Möglichkeiten praxistauglich sind76. Denkmalschutz Denkmalschutz sowie die Berücksichtigung baukultureller Belange unterhalb der Ebene des formalen Denkmalschutzes sind für die Pilotprojekte ambivalent zu beurteilen. Denn einerseits entstehen hier Auflagen, welche Projekte verteuern und vorab schwer zu kalkulieren sind. Zum anderen sind mit der Nutzung von Denkmalgrundstücken auch prägende Gebäude verbunden, die den Charakter eines Gebietes ausmachen und auch die Chance eröffnen, sich mit der eigenen Erfahrung im Umgang mit schwierigeren Ausgangssituationen von Wettbewerbern abzusetzen. Für die Berücksichtigung der Erfordernisse des Denkmalschutzes erwarten die Pilotprojekte organisatorische und finanzielle Unterstützung und den flexiblen Umgang mit dem Denkmalschutz im Einzelfall. Denkmalschutz benötigt die präzise Identifizierung der damit verbundenen Kosten und deren wirtschaftliche Berücksichtigung bei der Projektentwicklung. 7.2 Ökonomische Instrumente Förderprogramme Die Projektentwickler von Neubauvorhaben und die Bestandshalter sind dem Grunde nach mit der angebotenen Förderkulisse zufrieden. Die Kenntnisse über die unterschiedlichen Programme sind bei der Mehrheit vorhanden und ihr Einsatz gelingt. Wichtig ist für die Pilotprojekte eine langfristig planbare, verlässliche Förderung mit stabilen Fördervoraussetzungen. Die Notwendigkeit der Verstetigung der Förder-programme wird vor allem für die KfW-Programme gesehen. Der kurzfristige Finanzierungsbedarf von Projektentwicklungen erschwert die Möglichkeit, Bauträger/Projektentwickler wie das Siedlungswerk und die Thierergruppe über Förderkredite anzusprechen. KfW-Fördermittel können jedoch an den Endkunden übertragen werden, so dass die Zuschuss- Rahmenbedingungen: Recht, Förderung, Governance (gute Verwaltung) Förderung über die Nachfragelenkung ein wirksames Instrument darstellen kann. Für die Projektentwickler wirken sich die rasche Veränderung der KfW-Förderkonditionen allerdings nachteilig aus, wenn bei Projektstart vorhandene KfW-Programme zum Zeitpunkt der Veräußerung an (private) Erwerber nicht mehr für die Kaufpreisfinanzierung verwendet werden können. Für die Politik entsteht so ein Dilemma zwischen schneller Anpassung und Feinjustierung der Förderung und einer hohen Inanspruchnahme durch die Kreditnehmer. Bei Bestandsbewirtschaftern haben sich niedrige Fremdkapitalkosten für langfristige Kredite als zentrales Kriterium der Wirtschaftlichkeit erwiesen, da die Gesamtkapitalrentabilität der Unternehmen ohnehin sehr niedrig ist. Zusätzlich sind Anreiz- und Lenkungswirkungen durch Tilgungszuschüsse der KfW-Förderprogramme zu erkennen, indem genau die Maßnahmen umsetzt werden, die förderfähig sind. Allerdings bestätigen die Genossenschaften 1892 und FLUWOG-NORDMARK eG die oben aufgestellten Anforderungen an die die KfW-Konditionen, die sich gegenwärtig schneller ändern als die Planungs- und Entscheidungsprozesse der Bestandshalter verlaufen und somit keine berechenbare Größe darstellen. Im Gegensatz dazu erachten sie die Konditionen der Landesförderung für die Modernisierungsvorhaben als besser geeignet. Vorteilhaft sind neben den sehr günstigen Zinsbedingungen die hohe Flexibilität bei Wohnflächen- und Einkommensgrenzen (FLUWOG-NORDMARK eG). Die Landesförderung verlangt außerdem keine Belegungsrechte (1892). Für das nicht-gewinnorientierte Vorhaben des Buddhistischen Zentrums stellt sich die Förderthematik grundsätzlich anders dar. Eine umfassende Förderberatung und der Kenntnistransfer ist erforderlich. Vergleichbar dem bei kleineren Städten und Gemeinden konstatierten erheblichen Defizit bei der Kenntnis über mögliche Förderprogramme und staatliche Finanzierungsquellen77 konnte das Buddhistische Zentrum mangels personeller und finanzieller Ressourcen passende Fördermaßnahmen gar nicht erst eruieren und folglich nicht in Anspruch nehmen. Inwieweit die Programmkonditionen auf Grund der geringen Eigenkapitalausstattung (zu großen Teilen auf Spendenmittel angewiesen) überhaupt erfüllt werden könnten wurde deshalb gar nicht festgestellt. 67 Für eine verbesserte Inanspruchnahme der grundsätzlich gut ausgestalteten Förderprogramme durch kleine, ressourcenarme Akteure sollte die Information und Beratung intensiviert werden. Hierbei kann an eingeführte und neue Programme angeknüpft werden. So betont die „Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten in sozialen, kulturellen und öffentlichen Einrichtungen im Rahmen der Klimaschutzinitiative des BMU“ den Abbau von „bestehenden Hemmnissen und Informationsdefiziten“ und fördert deshalb „die beratende Begleitung bei der Durchführung ausgewählter Klimaschutzmaßnahmen“. Adressaten sind u. a. antragstellende Einrichtungen nicht-gewinnorientierter Art. Das neue KfW-Programm „Energetische Stadtsanierung – Zuschüsse für integrierte Quartierskonzepte und Sanierungsmanager“(seit 2012) vollzieht den Schritt vom Einzelvorhaben auf die Quartiersebene. In den Berliner Gesprächen zum Städtebaurecht werden quartiersbezogene Maßnahmen als wichtiger Ansatz zur Abstimmung von Klimaschutz- und Klimaanpassung mit anderen (öffentlichen) Belangen gesehen. Von ihnen kann der Anstoß zur Bündelung von Mitteln aus unterschiedlichen Förderprogrammen ausgehen78. Das neue KfW-Programm fördert zudem auch Information und Beratung. Es richtet sich (auch) an die Akteure der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, d. h. an Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften sowie Eigentümerstandortgemeinschaften (GbR oder e. V.). Die skizzierten Anforderungen an die integrierten Konzepte bzw. die Sanierungsträger entsprechen den bei den Pilotprojekten von ImmoKlima identifizierten Schwerpunkten, Erfolgsfaktoren und Hemmnissen wie Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen, Maßnahmen der Erfolgskontrolle, Zeitplan und Verantwortlichkeiten, Information und Beratung sowie Öffentlichkeitsarbeit. Die nach dem KfW-Programm förderfähigen Maßnahmen sind solche, die insbesondere für die ressourcenarmen Akteure – stellvertretend das Buddhistische Zentrum – notwendig sind79. Sinnvoller Bestandteil der Quartierskonzepte sind Modellrechnungen, um die Wirkungen von integrierten Maßnahmen zu bewerten und die Einsparpotenziale gegenüberzustellen80, 81, 82. Steuern, Gebühren, Ausgleichsbeträge, Wertauszuwächse Die für die Pilotprojekte erforderliche Wirtschaftlichkeit ihrer Klimaschutz- und Kli- (77) BMVBS (Hg.) Klimawandelgerechte Stadtentwicklung. Ursachen und Folgen des Klimawandels durch urbane Konzepte begegnen. Forschungen, Heft 149. Bearbeitet von S. Greiving et al. Berlin, S. 61 ff, 2011. (78) BMVBS (Hg.): Berliner Gespräche zum Städtebaurecht. Bearbeitet von A. Bunzel und S. Hanke (DIFU). Bd. 1, S. 7 ff, 56 f, Bonn/ Berlin, 2010. (79) KfW: Merkblatt Kommunale und soziale Infrastruktur. Energetische Stadtsanierung - Zuschüsse für integrierte Quartierskonzepte und Sanierungsmanager. Programmnummer 432. In: www.kfw.de/ kfw/de/I/II/Download_Center/Foerderprogramme/ v e r s t e c k t e r _ O rd n e r _ f u e r _ PDF/6000002110_M_432_ Energ_Stadtsanierung_Quartiere_Zuschuss.pdf, Stand 01.04.2012. (80) Bayerisches Umweltministerium / Bayerisches Wirtschaftsministerium /Oberste Baubehörde (Hg.): Leitfaden Energienutzungsplan. Bearbeitet von G. Hausladen und T. Hamacher. München, 2011. (81) Koziol, M.: Plausibilitätscheck. Vorgehensweise zur Ermittlung der Eignung von aktuellen und potenziellen zukünftigen Energieversorgungssystemen. Cottbus, 2011. (82) BMVBS (Hg.): Anforderungen an energieeffiziente und klimaneutrale Quartiere. Bearbeitet von C. v. Malottki et al., ExWoSt-Info 42/1, Bonn, 2012. ImmoKlima 68 maanpassungsmaßnahmen wird durch verschiedene, manchmal auch unerwartete, die Projektträger überraschende finanzielle Nebeneffekte beeinflusst. So wird die Auswirkung der Modernisierung auf die Grundsteuer als Belastung betrachtet. Die Modernisierungsmaßnahmen führen zu Einheitswerterhöhungen und daraus folgend Grundsteuererhöhungen. Die grundsätzlich mögliche Weitergabe an die Mieter löst das Problem nicht, weil Mietsteigerungen nach Modernisierung neben allgemein steigenden Betriebskosten (trotz reduzierter Heizkosten) als Gesamtbelastung durch die Miete gesehen werden. Die Kosten der Modernisierung (einschließlich der erhöhten Grundsteuer) können vor allem bei Bestandsmietern nur zum Teil weitergegeben werden. Auch die gesetzlich mögliche Modernisierungsumlage des § 559 BGB wird nicht vollständig ausgeschöpft. Die begrenzte Weitergabe hat verschiedene Gründe: Sie ergibt sich aus der Konkurrenz auf dem Mietenmarkt, aus den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Mieter sowie aus unternehmenspolitischen Vorgaben. Weitere Belastungen wären bei einigen Pilotprojekten durch die bestehende rechtliche Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsbeträgen aufgrund der Erhöhung der baulichen Dichte eingetreten (Buddhistisches Zentrum) oder beim Siedlungswerk durch die Gebührenpflicht für die Nutzung der Wärme des Abwasserkanals. In beiden Fällen hat die öffentliche Hand durch Stundung bzw. durch Verzicht eine wirtschaftliche Erleichterung herbeigeführt. (83) BMVBS (Hg.): Wie bereiten sich Regionen auf den Klimawandel vor? S. 22: Studie im Auftrag des BMVBS/BBSR: „Querschnittsauswertung von Status-Quo-Aktivitäten der Länder und Regionen zum Klimawandel durch das Institut für Umweltplanung. Landschaftsentwicklung und Naturschutz, 2010 In allen Fällen entstehen Zielkonflikte mit dem öffentlichen Interesse hinsichtlich der Einnahmen aus den Wertsteigerungen, die gleichzeitig zu (weiteren) finanziellen Belastungen beim Investor führen und in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Maßnahmen eingehen müssen. Dieser Zielkonflikt wurde speziell deutlich im Pilotprojekt Erfurt Marienhöhe wo kommunale Haushalts-(sanierungs-) Interessen durch die Vermarktung des gesamten Projektgebietes mit der raschen und hochwertigen Entwicklung eines kleinen Teilgebietes kollidieren. Auch die Beendigung der gemeinsamen Projektträgerschaft mit dem erfahrenen Projektträger LEG zugunsten der kommunalen Projektträgerschaft durch das kommunale Wohnungsunternehmen ist dem Interesse an der alleinigen wirtschaftlichen Verwertung geschuldet. Unter dem Aspekt der Identifikation von Hemmnissen besteht hier weiterer Forschungsbedarf. Werkstatt: Praxis Heft 79 7.3 Informelle Instrumente: Information, Beratung, Forschung Wie in Kapitel 6.2 bereits dargestellt wurde, kritisieren nahezu alle Pilotprojekte, dass sie sich mit dem Thema Klimaanpassung auch deshalb nicht näher befassen können, weil ausreichend räumlich detaillierte Informationen über zukünftige Risiken und Gesundheitsbeeinträchtigungen fehlen. Diese Kritik greift der Punkt „Wissen bereitstellen“ im Aktionsplan Anpassung auf. Nichtsdestotrotz ist zu konstatieren, dass hier noch erhebliche Defizite bestehen, die nur in gemeinsamen Projekten von Meteorologen, Stadtklimatologen, Wohnungswirtschaft und Versicherungswirtschaft bearbeitet werden können. Dies bestätigt auch eine „Querschnittsauswertung von Status-Quo-Aktivitäten der Länder und Regionen zum Klimawandel „83 wonach die Stärken der Regionalplanung in den informellen Instrumenten der Beratung, Information und Moderation von Aktivitäten zur Klimawandelanpassung liegen. Hingegen fehlen oft Grundlagen – besonders zu den regionalökonomischen Folgen des Klimawandels – um die Betroffenheit der lokalen Akteure herzustellen. 7.4Fazit Insgesamt wird kein Bedarf an neuen Gesetzen gesehen. Das geltende Recht gibt einen ausreichenden Rahmen. Innerhalb des geltenden Rechts werden vertragsrechtliche, konsensual ausgehandelte Lösungen als die geeignete Regelungsform angesehen. Bei der Anwendung der vorhandenen Gesetze ist eher der Abbau des Vollzugsdefizites vordringlich. Vollzugsdefizite ergeben sich aus inkonsistenten Zielen und Zielkonflikten sowie aus fehlenden finanziellen und personellen Ressourcen bei den Kommunen, um das Regelungsinstrumentarium, z. B. des besonderen Städtebaurechts, oder die Förderung von klimapolitischen Vorstellungen umsetzen zu können. Bei den förderpolitischen Rahmenbedingungen sind die Verstetigung der Förderung und die Ermöglichung eines erleichterten Zugangs zu Informationen als Bedarfe identifiziert worden. Die Förderung von integrierten Konzepten im Quartier ist durch das neue KfW-Programm seit 2012 umgesetzt. Eine gesonderte Förderung der Klimaanpassung wird nicht als Bedarf gesehen, jedoch als integraler Bestandteil sollte Klimaanpassung bei den Förderkonzepten einbezogen werden. Schlussfolgen und Handlungserfordernisse 69 8 Schlussfolgerungen und Handlungserfordernisse Die Herausforderung des Klimaschutzes ist in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft angekommen. Hierfür sorgen sowohl die teilweise kritisch betrachteten ordnungsrechtlichen Anforderungen als auch die Förderung, welche umfangreich in Anspruch genommen wird und eine starke Lenkungswirkung übernimmt, so dass im Extremfall die Entscheidung zwischen Maßnahmen nur aufgrund der Höhe der jeweiligen Förderung getroffen wird. Klimaanpassungsstrategien sind bei den Pilotprojekten in Ansätzen erkennbar und als integraler Bestandteil in die Gesamtplanung einbezogen. Zum einen stellt die mangelnde Verfügbarkeit kleinräumiger Klima- oder Schadensdaten ebenso wie die hohe Ungenauigkeit von regionalen Klimaprognosen ein Hemmnis für Beschäftigung mit der Thematik für die Akteure der Immobilienund Wohnungswirtschaft dar. Hier besteht Handlungsbedarf bei Bund, Kommunen, Klimaforschung und Versicherungswirtschaft. Zum anderen sind Bemühungen zur Optimierung der Aufenthaltsqualität in Freiräumen, der thermischen Behaglichkeit und der Durchlüftung/Klimatisierung von Wohnungen in erster Linie Antworten auf Gesundheitsfürsorge und Komfortansprüche. Sie können zwar im weitesten Sinne als Klimaanpassungsstrategie bezeichnet werden. Sie werden allerdings von den Unternehmen nicht als solche wahrgenommen. Sie werden auch nur im Rahmen ohnehin stattfindender größerer Maßnahmen im Lebenszyklus einer Immobilie realisiert. Eine zunehmende Anzahl von Unternehmen der Immobilien- und Wohnungswirtschaft erfüllt mehr als die gesetzlichen Anforderungen an den Klimaschutz bei Modernisierungsmaßnahmen und setzten gleichzeitig – wenn auch aus anderen Motiven heraus – Maßnahmen zur Klimaanpassung um. Darunter befinden sich auch die ImmoKlimaPilotprojekte. Diese können allerdings nicht als repräsentativ für die Immobilien- und Wohnungswirtschaft in Deutschland bewertet werden, sondern stellen eher einen Teil der Avantgarde dar. Für die Beurteilung des wirtschaftlichen Nutzens von Klimaschutzund Klimaanpassungsmaßnahmen spielen bei ihnen nicht nur die reinen Kosten und Erlöse auf Objektebene eine Rolle: 1. Die Unternehmen bedienen eine spezifische Nachfrage am Markt nach qualitativ hochwertigen, ökologisch korrekten und innovativen Produkten. Klimaschutz und Klimaanpassung dienen dabei der Imagebildung und müssen dann auch entsprechend sichtbar und kommunizierbar sein. Imageträchtige Vorhaben stärken gleichzeitig die Verhandlungsposition mit Politik und Stadtplanung und eröffnen Chancen bei der Grundstücksakquise. Wohnprojekte jenseits der klassischen Immobilienwirtschaft bewerten Klimaschutz und Klimaanpassung tendenziell noch höher, ohne dass dabei die Regeln der Rentabilität von Maßnahmen außer Kraft gesetzt werden könnten. 2.Durch den Einsatz innovativer Technologien entstehen für die Unternehmen Lerneffekte, welche künftige Entscheidungen verbessern und die Marktposition auch in Zukunft sichern. Innovation entsteht dabei immer dort, wo etablierte Partner (d. h. v.a. die Unternehmen und deren Planer bzw. Fachingenieure) vertrauensvoll zusammenarbeiten und Unternehmen zeitlich und finanziell bereit sind, Neues auszuprobieren. Der Begriff des wirtschaftlichen Nutzens ist also relativ bei den Projektträgern zu betrachten und erfasst nicht nur das konkrete Objekt sondern betrachtet (häufig) ein Ensemble und das Quartier als ganzheitliches Projekt. Bei der Betrachtung des wirtschaftlichen Nutzens beziehen sich die Projektträger auf ihren sozialen Auftrag und lassen sich von Aspekten der corporate social responsibilty leiten. Obwohl die Immobilien- und Wohnungswirtschaft ein zentraler Akteur zur Erreichung der Klimaschutzziele ist, findet im Rahmen der Erstellung kommunaler Klimaschutzkonzepte nur wenig Austausch zwischen der öffentlichen Hand und der privaten Wohnungs- und Immobilienwirtschaft statt. Zum einen bestehen Hemmnisse darin, dass die politischen Prozesse für die Unternehmen aufwändig sind und nur dann begleitet werden, wenn ein entsprechender Nutzen in Form von Kontakten oder Mitsprache bei relevanten politischen Entscheidungen besteht. Auf der anderen Seite war in den Pilotprojekten von Immo- ImmoKlima 70 Klima festzustellen, dass die Kommunen im Wesentlichen ihre eigenen Wohnungsunternehmen im Blick haben und die Pilotprojekte Anstrengungen unternehmen mussten, um überhaupt als relevante Akteure wahrgenommen zu werden. Hier besteht deutlicher Verbesserungsbedarf, zumal am Markt agierende Akteure wesentliche Inputs für kommunale Konzepte und Konzepte auf der Landesebene geben können und diese „näher an die Praxis“ führen. Durch die bundesdespolitische Ebene könnte dies bei Förderung von Klimaschutzkonzepten berücksichtigt werden. In den Kommunen der Pilotprojekte haben die Projektforscher teilweise derartige Kommunikationsprozesse erfolgreich angestoßen. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung zwar Synergien gibt (so kommt der Verzicht der FLUWOG-NORDMARK eG auf eine Nachverdichtung dem Kleinklima und der Freiflächensicherung als Maßnahme der Klimaanpassung zu Gute), aber ebenso Konflikte zwischen öffentlichem und privatem Interesse auftreten können. So können die (städtebauliche) Dichte, die wirtschaftliche Grundstücksausnutzung einerseits und Freiflächenansprüche und Stadtklima andererseits miteinander kollidieren. Kollidieren können auch die planerischen Vorstellungen zu hochwertiger, gering verdichteter, energieeffizienter PremiumBebauung (Marienhöhe Erfurt) mit der dafür am Standort fehlenden Nachfrage. (84) Vgl. dazu das aktuelle Projekt „Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele des Energiekonzepts im Gebäudebereich – Zielerreichungsszenario“ des BBSR (Bearbeiter: IWU) Das rechtliche und fördertechnische Instrumentarium für die Erreichung der Klimaschutzziele ist vielfältig und weit entwickelt. Die Bundesregierung agiert mit einer Mischung aus ordnungsrechtlichen Anforderungen, Fördermitteln und den oben beschriebenen informellen Instrumenten der Beratung, der organisatorischen Unterstützung und der Wissensverbesserung. Diese informellen Instrumente erscheinen auf der kommunalen Ebene ausbaubar und sollten verstärkt in Förderprogrammen, die an die kommunalen Akteure gerichtet sind, Eingang finden. In diese Richtung weisen das neue KfW-Programm Energetische Stadtsanierungs-Zuschüsse für integrierte Quartierskonzepte und Sanierungsmanager (seit 2012) und die BMU-Förderrichtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten in sozialen, kulturellen und öffentlichen Einrichtungen im Rahmen der Klimaschutzinitiative vom Dezember 2010. Förderprogramme können den organisatorischen Rahmen bilden Werkstatt: Praxis Heft 79 für die Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft seitens der öffentlichen Hand. Ziel muss es sein, die Anwendung innovativer Strategien der Immobilien- und Wohnungswirtschaft in die Breite zu bringen. Wohnungs- und Immobilienunternehmen, seien es Bestandshalter, Projektentwickler oder Bauträger, haben dabei eine Vorbildrolle auch für private Eigentümer. Innovative Unternehmen können Vorbild „demonstrator“ für weniger innovative sein. So sollte der Innovationstransfer stärker als bisher in den Fokus der Betrachtung gelangen, auch wenn dies aufgrund der Konkurrenz zwischen Unternehmen – insbesondere zwischen Projektentwicklern, in deutlich geringerem Maße zwischen institutionellen Bestandshaltern – schwierig ist. Zum Innovationstransfer zwischen Wohnungsunternehmen und Privateigentümern wären bspw. Modellprojekte des Bundes oder von Kommunen denkbar. Wichtig sind grundsätzlich sowohl bei Förderung als auch bei ordnungsrechtlichen Anforderungen, die Offenheit gegenüber verschiedenen Technologien. Die Frage, mit welchen technologischen Strategien eine Erreichung der Klimaschutzziele möglich ist, muss der Markt, aber vor dem Hintergrund von begrenzten Potenzialen (bspw. bei regenerativer Energieversorgung durch Biomasse) auch die Forschung beantworten84. Die Betrachtung der Pilotprojekte führt zu der Diskussion, wie sich innovative Einzelvorhaben – „Leuchttürme“ – zur allgemeinen Modernisierungstätigkeit (mit geringerer Modernisierungstiefe) verhalten sollen. Hier sollte das eine getan werden ohne das andere zu lassen. Wie in der Untersuchung gezeigt, gibt es Innovationssprünge in Leuchtturmprojekten, von denen mittelfristig auch die Standardmodernisierung profitieren kann. Hier entstehen unter Umständen neue Erfordernisse für Regulierung und Förderung, die dann doch zur speziellen Förderung bestimmter Technologien führen könnten. Zeitlich nicht schnell anpassbare Instrumente wie die klassische Bauleitplanung sind – im Gegensatz zu den Regelungen des städtebaulichen Vertrages – weniger geeignet für die Erreichung der Klimaschutzziele. Größere professionelle Akteure der Immobilien- und Wohnungswirtschaft können steigende Klimarisiken über Versicherungen gut abpuffern. Hier wäre ein Eingriff der öffentlichen Hand gar nicht erforderlich. Im vorliegenden Bericht wurde jedoch aufgezeigt, dass der Versicherungsmarkt Schlussfolgen und Handlungserfordernisse nicht gut funktioniert. Erstens sind die Risiken auch aufgrund fehlender kleinräumiger Daten nicht ausreichend transparent. Zweitens sind insbesondere Privateigentümer oft nicht ausreichend versichert, obwohl sie im Gegensatz zu institutionellen Bestandshaltern keinerlei räumliche Risikostreuung betreiben können. Drittens tendiert die öffentliche Hand dazu, Kompensationsforderungen nach Großschadensereignissen wie Überschwemmungen nachzugeben und damit Versicherungslösungen zu konterkarieren. Hier ist eine Versicherungspflicht für Gebäudeeigentümer zu diskutieren, um die Forderungen an die öffentliche Hand im Falle größerer Schadensereignisse zu minimieren. Die kleinere Lösung besteht darin, öffentliche Kompensationszahlungen an den Nachweis der Nichtversicherbarkeit von Risiken zu koppeln. Von großer Bedeutung ist die Erhöhung der Transparenz von Risiken. Hier besteht von öffentlicher Seite erheblicher Gestaltungsspielraum – z. B. über die Klimaforschung und die Entwicklung entsprechender Bewertungswerkzeuge85. Sinnvoll wäre es auch, die Versicherungswirtschaft, die über umfangreiche Daten zu Schadensfällen verfügt, zu einer Mitwirkung zu bewegen. Die Veröffentlichung der ZÜRS-Zonen für die Vulnerabilität von Gebäuden gegenüber Hochwasser geht hier in die richtige Richtung. Vor dem Hintergrund der Handlungsmöglichkeiten im Bereich von Risikotransparenz und Versicherungsmarkt erscheint die Klimaanpassung damit grundsätzlich als kein Politikfeld, in dem eigene Förderprogramme aufgelegt werden sollten, es profitiert immer der Gebäudeeigentümer selbst von einem geringen Risiko. Denn letztendlich profitiert immer der Gebäudeeigentümer oder -nutzer von geringeren Risiken, so dass er es auch ist, der dafür aufkommen sollte. Anpassungen an Baunormen sind denkbar und auch schnell umsetzbar, sie sollten geprüft werden. Problematisch sind hier allerdings regionale Besonderheiten. Im Bereich des Hochwasserschutzes spielt auch das Bauplanungsrecht eine Rolle, wobei hier alle gesetzlichen Instrumente vorhanden sind. Insgesamt sind die Anforderungen des Klimaschutzes im Gebäudebereich trotz der Präsenz des Themas in der öffentlichen Diskussion eine immense Herausforderung. Bei der Klimaanpassung erscheinen die Probleme zumindest für die professionelle Immobilien- und Wohnungswirtschaft aufgrund der Versicherbarkeit von Risiken bewältigbar, allerdings stellt die fehlende Transparenz der Risiken ein Hemmnis dar, welches 71 es zu beseitigen gilt. Bei der Bearbeitung des Projektes ImmoKlima hat sich weiterer Forschungs- und Handlungsbedarf ergeben. Diesen sieht die Forschungsassistenz wie folgt: • Veränderungen bzw. (erhöhte) Anforderungen an Klimaanpassungsmaßnahmen setzen Kenntnisse über die Klimarisiken voraus. Hier sollte in Übereinstimmung mit dem Aktionsplan Anpassung die Forschung verstärkt werden. Die Ergebnisse müssen auch an die Immobilien- und Wohnungswirtschaft kommuniziert werden. • Die öffentliche Hand sollte verstärkt Risikodaten generieren, vorhandene Risikodaten veröffentlichen oder auf eine Veröffentlichung von Fremddaten, gerade durch die Versicherungswirtschaft, hinwirken. Schadensereignisse wie Hochwasser, Hitzewellen oder Orkane könnten nach ihrem Eintreten durch eine Begleitforschung evaluiert werden. • Die Rolle der Nutzer, die Möglichkeiten, ihr Verhalten zu Gunsten eines klimabewussten Verhaltens zu beeinflussen sowie die Akzeptanz von technologischen Innovationen (Smart Metering, Feedback-Ansätze, Kommunikationstechniken) ist bislang nur wenig erforscht. Die Aktivierung der Nutzer und Nutzerinnen wird in den Pilotprojekten als sehr wichtig beurteilt. • Die Pilotprojekte intendierten bei den integrierten Energieversorgungskonzepten Lösungen, die über ihre eigenen Projektgrenzen hinausgingen. Für die angestrebten Quartierslösungen (Energie- und Wärmelieferung in den Quartieren Marienhöhe Berlin-Tempelhof oder Abgabe der überschüssigen Energie in fremde Netze, Rekommunalisierung der Energieversorgung in Günzburg) sind sie auf die Zusammenarbeit mit den Energieversorgern des Quartiers angewiesen. Diese notwendige Zusammenarbeit können die Projektträger nicht alleine herstellen, sondern sind auf die organisatorische und/oder finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand angewiesen. Das oben erwähnte KfW-Programm Energetische Stadtsanierung – Zuschüsse für integrierte Quartierskonzepte und Sanierungsmanager will auf diese Unzulänglichkeiten reagieren. Die avisierte Begleitforschung zum KfW-Förderprogramm sollte die Möglichkeiten zur Steigerung der Kooperationsbereitschaft zwischen Eigentümern im Blick haben. (85) Vgl. dazu das aktuelle Projekt ImmoRisk des BBSR (Bearbeiter: Prof. D. S. Bienert) ImmoKlima 72 Literaturverzeichnis Bardt, H.; Demary, M.; Voigtländer, M.: Immobilien und Klimaschutz – Potenziale und Hemmnisse, IW-Trends 2/2008, Köln, Institut der Deutschen Wirtschaft, 2008. Bayerisches Landesamt für Umwelt (2007): Klimaanpassung Bayern 2020. Bayerisches Umweltministerium / Bayerisches Wirtschaftsministerium / Oberste Baubehörde (Hg.): Leitfaden Energienutzungsplan. Bearbeitet von G. Hausladen und T. Hamacher. München, 2011. Becker, P.: Klimawandel – Extremwetter – Frühwarnsysteme. Vortrag 2. UBA Anpassungskonferenz, Dessau-Roßlau, 02.03.09.2010, www.anpassung.net/...Fruehwarnsysteme. Behr, I. et al.: Neue Soziale Fragen des Wohnens. Studie im Auftrag des Verbandes der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft e.V. (VdW südwest). Darmstadt, IWU, 2008. Behr, I. et al.: Heizkosten im Passivhaus – Warmmiete oder Flatrate-Modell. Praxiserfahrungen. Darmstadt, IWU, 2010. Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG: Geschäftsbericht 2010. Berlin, 2010. 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Abbildung 7: Lageplan des Gesamtgebietes mit Projektgebiet Quelle: Berliner Bau und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG Tabelle 8: Marienhöhe in Berlin-Tempelhof: Das Wichtigste in Kürze Name des Projektträgers + Sitz Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG, Berlin Eigentümerstruktur Eingetragene Genossenschaft GrößedesUnternehmens 11.300 Mitglieder, 6.500 Wohnungen, 88 Mitarbeiter Zentrales Geschäftsfeld des Unternehmens Vermietung, Instandhaltung und nachhaltige Bewirtschaftung, des Wohnungsbestandes und Wohnungsneubaus im genossenschaftlichen Grundgedanken Nutzungen Wohnen Projekt + Standort Marienhöhe in Berlin-Tempelhof: Integrierte Energie-, Modernisierungs- und Nutzungskonzepte im Quartier Projektziel Komplexe energetische Sanierung von Bestandswohnungen Art des Projekts Bestandsbewirtschaftung GrößeundNutzung 9 Gebäude, 304 WE, nur Wohnnutzung Lage Bestandswohngebiet der 1920er bis 1960er Jahre Quelle: Eigene Darstellung ImmoKlima 78 Werkstatt: Praxis Heft 79 Abbildung 8: Marienhöhe in Berlin-Tempelhof: Bestand vorher mit Gebäudeeinschnitten (links) und Bestand nachher mit 16 cm Wärmedämmung-Metallkassetten-Fassade und Schließung der Gebäudeeinschnitte Quelle: 1892, ECOPLAN GmbH 9.1 Das Projekt – Ausgangssituation Projektträger ist die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG. Sie ist mit rd. 6.500 Wohnungen und 11.000 Mitgliedern eine der großen Berliner Genossenschaften. In den Beständen der 1892 sind alle Baualtersklasen vertreten, sie verfügt über Wohnungen aus der Gründerzeit, den 20er und 30er bis hin zu den 60er bis 2000er Jahren. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zur Stilllegung der Nachtstromspeicheröfen (EnEV 2007) war die 1892 gezwungen, auf andere Wärme- bzw. Energieversorgungssysteme umzustellen. Zum damaligen Zeitpunkt waren rd. 2.000 Wohnungen der 1892 mit Nachtstromspeichergeräten – zum Teil noch aus den frühen 1960er Jahren – ausgestattet. Bis 2019 sind alle Nachtstromspeicheröfen auszutauschen. Die 1892 hat sich entschieden, bei der Sanierung ihrer Bestände nach dem Baualter vorzugehen, d. h. mit den Beständen der 60er Jahre zu beginnen. Die Siedlung Marienhöhe besteht aus 9 Einzelgebäuden der Baujahre 1965 und 1966 mit 304 Wohnungen und Wohnungsgrößen von 40 - 90 m². Sie hat den direkten Zugang zum Park Marienhöhe und zu einer Kleingartensiedlung und ist geprägt von parkartig gestalteten Außenanlagen. Die Bauweise ist offen mit Zeilenbauten und einem Punkthochhaus. Da der energetisch sanierte Wohnungsbestand der 1892 eG eines Projektes aus 2009 in Berlin-Charlottenburg auf hohe Akzeptanz bei den Bewohnern stößt, wurde auch für die Modernisierung der Marienhöhe ein entsprechender Masterplan erarbeitet. Die konkrete Entscheidung der Genossenschaft für die umfassende Modernisierung ihrer Bestände in Charlottenburg basierte auf der Prüfung von 11 verschiedenen Szenarien. Die 1892 hat sich für die Modernisierung entsprechend dem KfW 100 Standard ENEV 2009 entschieden, weil die Genossenschaft neben dem Ziel der langfristigen Werthaltigkeit ihrer Bestände auch umweltfreundliche und energiesparende Strategien zur Begrenzung der Betriebskosten für ihre Genossen verfolgt. Durch den Projektpartner, das Büro ECOPLAN GmbH Planungsbüro und Beratende Ingenieure, wurde in der Marienhöhe im Jahr 2009 eine umfassende, systematische Bestandsaufnahme durchgeführt. Die untersuchten Varianten reichen von einem bloßen Austausch der vorhandenen Nachtstromspeicheröfen durch eine zentrale Heizungsanlage über zentrale Wärmepumpenanlagen bis hin zu einer komplexen Modernisierung. Neben der selbstverständlichen Beachtung gesetzlicher Vorgaben liegt das Hauptaugenmerk auf der Errichtung von zukunftsfähigem, d. h. langfristig vermietbarem Wohnraum mit einem möglichst geringen Verbrauch an Primärenergie und geringen Betriebskosten. Die Fassaden, die Fenster, das Dach und die Keller werden entsprechend der Vorgaben ertüchtigt bzw. erneuert. Bei der Planung wurde u. a. darauf geachtet, die architektonischen Besonderheiten der Objekte (Fassa- Berlin-Tempelhof: Marienhöhe 79 den mit „Hoffmannschen Blumenfenstern“) zu erhalten. Weitere Maßnahmen sind: Außerbetriebnahme und Rückbau der bestehenden Nachtstromspeicheröfen, Rückbau der elektrischen Trinkwasser-Durchlauferhitzer, Installation einer Zentralheizung und einer zentralen Trinkwarmwasserbereitung, der Einbau einer kontrollierten Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sowie die Modernisierung der kompletten Küchenstränge und eine Erneuerung der Bäder. In den Bädern werden, sofern von den Bewohnern gewünscht, bodengleiche Duschen für eine generationenübergreifende Nutzung eingebaut. Der Verbrauch von Trinkwarmwasser wird über zentrale Wärmemengenzähler gemessen. dernisierten Wohnungen umgelegt. Die 1892 eG hat sich für den Ausbau eines Nahwärmenetzes mit Anschluss an eine Heizzentrale mit KWK-Technik entschieden. • (Kostenlose) Umzugshilfen für den Modernisierungszeitraum. Nach der Ermittlung der entsprechenden Heizlasten wurde für die Wärmeversorgung im Rahmen einer Ausschreibung ein Wärmeversorger gesucht. Voraussetzung hierfür war der einzuhaltende Primärenergiefaktor zwischen 0,56 und 0,9. Aufgrund der örtlichen Nähe zu weiteren rd. 1.000 Wohnungen, die bereits vor fünf Jahren an die Blockheizkraftwerks-Träger- und Betreibergesellschaft mbH Berlin (BTB) vergeben wurden, wurde die BTB als Wärmelieferant und Kooperationspartner ausgewählt. Die BTB betreibt im direkten Umfeld ein Kesselhaus mit einem Blockheizkraftwerk (BHKW). Aufgrund erfolgter Modernisierungen im Gebäudebestand sind Überkapazitäten vorhanden, so dass lediglich ein zusätzliches BHKW zu den bestehenden Anlagenteilen in der Siedlung installiert werden muss. Damit entsteht eine Energieeffizienzinsel, die in der Lage ist, neben dem Altbestand auch die jetzt zur Modernisierung anstehenden Wohnungen ausreichend mit Wärmeenergie zu versorgen. Der Strom, den das BHKW über Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt, wird in das Netz des örtlichen Stromanbieters Vattenfall Europe AG eingespeist. Darüber hinaus arbeitet die BTB daran, den Strom den Bewohnern als „Genossenschaftsstrom“ anzubieten. Hierbei sollen die kurzen Wege und damit verbundenen geringen Netzentgelte zu einem günstigeren Angebot führen. Insgesamt werden durch das Vorhaben die CO2-Emissionen um 84 % bzw. um 1.717.195 kg/Jahr reduziert. Die Bestandsmieten nach Modernisierung sind annähernd warmmietenneutral, die Modernisierungskosten werden nicht vollständig auf die Mieten der mo- Das Selbstverständnis der 1892 als Wohnungsgenossenschaft erfordert eine transparente und umfassende Strategie zur Kommunikation und Umsetzung der geplanten Maßnahmen mit den Bewohnern, die nicht nur Genossenschaftsmitglieder sondern in gleicher Weise als Kunden betrachtet werden. So wird jeder Arbeitsschritt schon vor der Durchführung kommuniziert und durch eine Vielzahl an Informations- und Beratungsangeboten begleitet, für die gesonderte Mittel bei der 1892 eingeplant werden: • Es gab die Möglichkeit, sich im Verwalterbüro zu informieren und beraten zu lassen. • Während der gesamten Bauzeit stand den Bewohnern ein Bauleitungsbüro vor Ort zur Verfügung. • Der Umgang mit der neuen Heizungsanlage wurde erläutert. • Informationen zum Thema Feuchtigkeit in der Wohnung wurden aufbereitet. Durch die Einbeziehung des Siedlungsausschusses, der Haussprecher und der Bewohner, z. B. in Versammlungen, Sprechstunden, auf Hoffesten oder über den Concierge, erfolgte eine Bewusstseinsstärkung im Umgang mit den energetischen Ressourcen. Hierdurch wurden die Motivation der Bewohner zum Energiesparen und ihre Zufriedenheit insgesamt gefördert. Mit der Photovoltaik-Fassade am Hochhaus Arnulfstraße 93 und der angeschlossenen Stromtankstelle wird das Thema regenerative Energieverbräuche sichtbar gemacht. Der erzeugte Strom wird vor Ort eingespeist und den Bewohnern und Angestellten der Wohnungsgenossenschaft werden Stromtankstelle und Elektroauto bereitgestellt. Das Elektroauto soll zusammen mit Informationskampagnen Anreiz für die Bewohner sein, für Fahrten in die Innenstadt vom benzingetriebenen Pkw auf das Elektroauto zu wechseln und die genossenschaftseigene Stromtankstelle zu nutzen. Diese Vorgehensweise erforderte bereits von Anfang an eine enge – der Genossenschaftsphilosophie und der Projektidee folgende – Kooperation mit den Fachplanern, dem Büro ECOPLAN GmbH Planungsbüro und Beratende Ingenieure. ImmoKlima 80 9.2Projektziele Die Projektziele der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG sind durch ihr Selbstverständnis als Wohnungsgenossenschaft mit engem und spezifischem Kundenbezug geprägt. Mit dem Projekt Energieeffizienzinsel Berlin Marienhöhe sind im Wesentlichen folgende Ziele verbunden: • Erhalt der Wertbeständigkeit und Sicherung der langfristigen Vermietbarkeit der Wohnungen durch eine energetische und generationengerechte Modernisierung unter Einhaltung des KfW Neubau-Standards nach EnEV 2009; • Umweltfreundliche und energiesparende Erzeugung von Strom und Wärme und Weiterleitung an die Bewohner (Kosten für den Strom unterhalb der marktüblichen Kosten); • Erhöhung der Bewohnerzufriedenheit; • Vermeidung von Leerständen; • Umsetzung einer möglichst warmmietenneutralen Modernisierung im Sinne des Genossenschaftsgedankens; • Schaffung eine Energieinsel für Wärme und Strom zur Stärkung der Unabhängigkeit von großen Energielieferanten; • Entwicklung eines Leuchtturmprojektes z. B. durch Vorbildfunktion mit dem Elektroauto; • signifikante Reduzierung der CO2-Emissionen. Ein in diesem Sinne erfolgreiches Projekt stärkt den Grundgedanken der Genossenschaft und festigt sowohl die Marktfähigkeit der Wohnungsbestände als auch die Attraktivität der Genossenschaft selbst. Die Planung für die Modernisierungen sah jeweils vor, die Arbeiten vor Einbruch der kalten Jahreszeit abschließen zu können. Der 1. Bauabschnitt wurde im April 2010 begonnen und im November 2010 fertig gestellt. Der 2. Bauabschnitt wurde im April 2011 begonnen und im November 2011 fertig gestellt. Die Fertigstellung der Photovoltaik-Fassade wurde ebenfalls 2011 abgeschlossen. Entgegen der Planung konnte die Stromtankstelle aufgrund bürokratischer Hindernisse nicht termingerecht in Betrieb genommen werden. Da der vorgesehene Standort (im öffentlichen Raum) nicht genehmigt wurde, ist jetzt eine Alternative auf einer privaten Fläche unmittelbar vor dem Werkstatt: Praxis Heft 79 Haus der Photovoltaik-Fassade gewählt worden. Anfang 2012 konnten die tatsächlichen Endenergieverbräuche für Warmwasser mit den geplanten Angaben verglichen werden. Das jetzt vorliegende Ergebnis von 17,13 kWh/ m² (tatsächlicher Verbrauch nach Modernisierung) ist im Vergleich zu sonstigen Werten in Berlin laut Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. günstig (Werte in Berlin zwischen 26 und 40 kWh/m²). Darüber hinaus hat die Gegenüberstellung des errechneten Bedarfswertes und des tatsächlichen Verbrauchswertes Bedeutung für die Praxis. Das mithilfe der 1892 ermittelte Ergebnis zeigt, dass die Werte (errechnet und tatsächlich) weit auseinander liegen. Die tatsächlichen Werte sind wichtig für die Diskussion um die Energieausweise. Die Ergebnisse der 1892 zeigen, dass, wenn die Bewohnerdichte hoch ist (Bautypologie), sich der tatsächliche Wert dem berechneten Erwartungswert nähert. Dies bedeutet, dass die EnEV-Vorgaben letztendlich von schlechten Rahmenbedingungen ausgehen (eher von Hochhäusern). Die Auswertung der Heizkosten und der „energetischen Situation vor und nach der Modernisierung“ erfolgt im Juni 2012 in Abstimmung mit dem Senat. 9.3 Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete Die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG hat sowohl im Interesse ihrer Genossenschaftsmitglieder wie auch als Genossenschaft selbst ein strategisches Interesse an geringen Ressourcenverbräuchen in ihrem Wohnungsbestand und an langfristig wettbewerbsfähigen Wohnungen. Die schließt einen verantwortungsvollen Umgang durch Klimaanpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen implizit ein. Die Stadt Berlin verfügt über gute stadtklimatologische Grundlagen. Darüber hinaus gibt es stadtstrukturbezogen erste Projektionen für die zukünftige thermische sommerliche Belastung. Ein Stadtentwicklungsplan Klima mit Aussagen zum Klimawandel und zum Anpassungsbedarf liegt seit Kurzem vor. Für praktische Anwendungen in der Stadtplanung ist zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst DWD das Stadtbioklimamodell UBIKLIM (Urbanes BIoKLImaModell), entwickelt worden, welches in Berlin bereits 1996 zur Bewertung der thermischen Situ- Berlin-Tempelhof: Marienhöhe 81 ation eines typischen Sommertages zum Einsatz kommt. Das in diesem Modellverfahren erfolgte Downscaling regionaler Klimaprojektionen ermöglicht die kombinierte Berücksichtigung der durch den globalen Klimawandel zu erwartenden Änderungen und der durch die städtischen Nutzungen hervorgerufenen Einflüsse, wobei die Hintergrundbelastung durch das globale beziehungsweise das daraus abgeleitete regionale Klima definiert wird. Zur Ermittlung der künftigen Hintergrundbelastung werden die Resultate regionaler Klimamodelle herangezogen; ausgewertet wurden REMO- und WettReg-Daten für den Kontrollzeitraum 1971 - 2000 und die Projektionszeiträume 2021 - 2050 sowie 2071 - 2100. an Informationen im Hinblick auf künftige Handlungsnotwendigkeiten interessiert ist. Die Genossenschaft hat eine differenzierte Liste mit Daten zur energetischen Modernisierung der Siedlung Marienhöhe erstellt. Aufgrund der Stadtgröße und der Bebauungsdichte ist Berlin durch ein Stadtklima mit ausgeprägten Überwärmungsgebieten gekennzeichnet: Klimaprojektionen für Berlin bis zum Jahr 2050 bzw. 2100 deuten darauf hin, dass langfristig mit einer markanten Erwärmung und einer damit verbundenen Zunahme der Wärmebelastung innerhalb der Stadt zu rechnen ist. • Helle Fassadenfarben und damit Schutz vor der Zunahme von Hitzewellen im Sommer; Neben der spürbaren Veränderung der genannten Klimakenngrößen haben extreme Klimaereignisse deutlich zugenommen. Von einer weiteren Zunahme extremer Wetterereignisse ist auch für Berlin auszugehen. Die Stadt Berlin ist gegenwärtig dabei, die wichtigsten Klimawandelfolgen für Berlin herauszuarbeiten und die verschiedenen Stadtstruktur- und Nutzungstypen auf eine entsprechende Vulnerabilität hin zu überprüfen sowie daran anschließend Mitigations- und Adaptionsmaßnahmen für Stadtplanung und Architektur abzuleiten. Aus dem Pilotprojekt ist – durch die Projektforschung (empirica) angestoßen – der partnerschaftlichen Austausch zwischen der 1892, dem BBU und den zwei Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz hervorgegangen. Das Projekt wird von der Senatsverwaltung als Modellprojekt aufgenommen. Die Senatsverwaltung ist an einem Erfahrungsaustausch über die konkreten Erfahrungen und Maßnahmen – sowie deren Kosten – der Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 interessiert. Die 1892 wiederum ist an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung interessiert, weil sie wissen möchte, wie sich die Rahmenbedingungen und Rahmensetzungen in Berlin entwickeln und weil sie Im Sinne des Klimaschutzes und der Klimaanpassung werden im Projekt Marienhöhe die nachfolgenden Maßnahmen durchgeführt. Dabei handelt es sich zum Teil um Maßnahmen, die primär unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes gesehen werden, jedoch auch Wirkungen im Hinblick auf die Klimaanpassung haben: • Gebäudedämmung und damit Schutz vor der Zunahme von Hitzewellen im Sommer; • Einsatz außen liegender Verschattungselemente: Erneuerung der defekten bauzeitigen Markisen nach der Modernisierung und damit Schutz vor der Zunahme von Hitzewellen im Sommer; • Kontrollierte Be- und Entlüftung der Wohnungen mit Wärmerückgewinnung für das Treppenhaus, um Schimmelbildungen zu vermeiden und eine gute Raumluftqualität zu gewähren; • Bereitstellung von Schneewerkzeugen für die Bewohner; • Concierge: Unterstützung der Bewohner, z. B. an warmen Tagen Einkauf für Ältere (durch Kontakt Informationen über Befinden). Im Hinblick auf den Klimawandel ist die Durchgrünung im Quartier Marienhöhe optimal. Die Außenanlagen sind parkartig gestaltet und es gibt einen direkten Zugang zum Park Marienhöhe und zur Kleingartensiedlung. Außerdem ist die Bauweise insgesamt sehr offen. Im Rahmen der Modernisierungsmaßnahmen werden die Freiräume neu gestaltet, jedoch sind vor dem Hintergrund der ohnehin guten städtebaulichen Rahmenbedingungen keine klimatischen Aufwertungen bei der Freiraumgestaltung notwendig. Der Verzicht auf eine Nachverdichtung des Quartiers unterstreicht die Wertschätzung der Freiräume und der Durchgrünung des Quartiers durch die 1892. Generell verfolgt die 1892 eine Strategie der Bestandsentwicklung im Hinblick auf Klimaanpassung und Klimaschutz in folgenden zentralen Bereichen: ImmoKlima 82 • Bauliche Maßnahmen an der Gebäudehülle (Dämmung, Wärmeschutzfenster); • Bauliche Maßnahmen an der Anlagentechnik (erneuerbare Energien, höhere Effizienz herkömmlicher Technik, sonstige Steuerungstechniken); • Maßnahmen der Verhaltensänderung der Bewohner (z. B. Information und Beratung zum richtigen Heizverhalten, zum Stromverbrauch in der Wohnung, Ergänzung mit technischen Mitteln). Dabei werden folgende Maßnahmen bzw. Maßnahmenpakete eingesetzt: • Wärmedämmung der Gebäude und neue Fenster entsprechend KfW-Neubaustandard (KfW 100- Standard nach EnEV 2009); • Demontage vorhandener Nachtstromspeicherheizungen und Einbau von XTherm-Heizkörpern; Werkstatt: Praxis Heft 79 nungsgenossenschaft von 1892 eG – Integrierte Energie-, Modernisierungs- und Nutzungskonzepte im Quartier Marienhöhe in Berlin Tempelhof“ wurde durchgeführt von: empirica Forschung und Beratung Kurfürstendamm 234 10719 Berlin Telefon: (030) 88 47 95-0 Fax: (030) 88 47 95-17 www.empirica-institut.de berlin@empirica-institut.de Die Ergebnisse der Projektforschung fanden Eingang in die Bewertungen des vorliegenden Berichts. Abbildung 9: Berlin-Tempelhof Marienhöhe • Einbau einer kontrollierten Be- und Entlüftung der Wohnungen mit Wärmerückgewinnung für das Treppenhaus; • Bau einer Photovoltaik-Fassade und Einrichtung einer Stromtankstelle. Photovoltaik-Fassade mit Luftspeicher (vorgehangene hinterlüftete Fassade) und somit passive Kühlung der Hausfassade auch für den Fall, dass die Photovoltaik-Anlage warm ist; • Energieinsel für Wärme und Strom zur stärkeren Unabhängigkeit von großen Energielieferanten (Erweiterung der bestehenden Nahwärmeversorgungsanlage mit einem zusätzlichen BHKW), Versorgung der Bewohner mit „Genossenschaftsstrom“ (energiesparend und preisgünstig); Quelle: Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 Abbildung 10: Übergabe des E-Autos an Stromtankstelle • Information und Beratung der Bewohner zur Einsparung von Energie. 9.4Projektforschung Die Projektforschung für das ImmoKlima Pilotvorhaben „Berliner Bau- und Woh- Quelle: Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 Hamburg-Niendorf Nord 10 83 Klimapakt Hamburg-Niendorf Nord: Integrierte Energie-, Modernisierungs- und Nutzerkonzepte für 60er-Jahre-Bestände Das Vorhaben der FLUWOG-NORDMARK eG in drei Quartieren im Hamburger Stadtteil Niendorf Nord mit insgesamt 620 Wohnungen – die vorwiegend in den 1960er Jahren errichtet wurden – setzt auf der Angebots- bzw. Objektebene (Gebäude) wie auf der Nachfrage- bzw. Subjektebene (Bewohnerverhalten) an. Gegenstand ist die Entwicklung einer neuen „Marke“ für ein Energiesparhaus („Substitutionshaus“) durch intelligente bauliche und nichtbauliche Maßnahmenkombinationen in den Bestandsgebäuden. Abbildung 11: Lage der Quartiere I - III Bestandes der Baugenossenschaft wärmegedämmt. Die Wohnanlage in Niendorf-Nord zählt zu den größeren Beständen der Genossenschaft und ist daher von besonderer Bedeutung im Rahmen der Unternehmensstrategie. Quelle: Fluwog-Nordmark eG 10.1 Das Projekt – Ausgangssitua tion Der Projektträger, die Baugenossenschaft FLUWOG-NORDMARK eG ging 1969 aus der Fusion der Flughafen-Wohnungsbau Genossenschaft mit dem Bauverein NORDMARK hervor. Das vorrangige Ziel der FLUWOG-NORDMARK eG ist in ihrer Satzung definiert als „die gute, sichere und verantwortungsvolle Wohnungsversorgung unserer Mitglieder in einer demokratischen Organisation.“ Das Pilotprojekt „Klimapakt Hamburg Niendorf Nord“ ist eingeordnet in die Marktstrategie der FLUWOG-NORDMARK, ihren gesamten Wohnungsbestand zukunfts- und wettbewerbsfähig weiterzuentwickeln – dem Bewusstsein, „dass der Markt auch mal umkippen kann“. Vor diesem Hintergrund ist es Ziel der FLUWOG-NORDMARK eG, die Versorgungssicherheit und bezahlbare (Warm-)Mieten für die Mitglieder nachhaltig zu sichern. Seit mehr als zehn Jahren saniert die FLUWOG-NORDMARK ihre Bestände energetisch. Bislang sind 36 % des Im Jahr 2009 lebten in Niendorf mehr Senioren und weniger erwerbsfähige Personen als im städtischen Durchschnitt. Der Anteil der über 65-Jährigen in Niendorf wächst zunehmend seit 2005. Angaben zur Altersstruktur der Bewohner der FLUWOG-NORDMARK Siedlung in Niendorf-Nord liegen nur für die Hauptmieter vor. Danach ist jeder vierte über 70 Jahre alt. Das Durchschnittsalter liegt bei knapp 54 Jahren. Das Projekt Niendorf-Nord liegt rd. 12 km nördlich der Hamburger Innenstadt am Stadtrand. Der Pilotstandort verteilt sich auf drei Quartiere (siehe Abbildung 11): • Quartier I im zentralen Bereich mit 391 WE; • Quartier II am Viehlohweg mit 229 EW; • Quartier III am östlichen Rand mit 181 WE (Quartier III ist nicht direkt Gegenstand der ImmoKlima Beforschung, wird aber im Rahmen der Forschungsbegleitung mit betrachtet.) Im Fokus des Projekts steht der klima- und altengerechte Umbau des Wohngebäudes Quedlinburger Weg 76 sowie die Einbindung der Bewohner in die Energieeinsparziele durch Beratung und Information zu Energieverbrauch, Einsparmöglichkeiten und Nutzerverhalten in Verbindung mit intelligenter Verbrauchserfassung und verbessertem Service. Hierfür sind mit dem Büro ÖKOPLAN, dem Erfassungsdienstleister KALORIMETA und den Stadtwerken Norderstedt die tech- ImmoKlima 84 Werkstatt: Praxis Heft 79 Tabelle 9: Hamburg-Niendorf Nord: Das Wichtigste in Kürze Baugenossenschaft FLUWOG-NORDMARK eG, Hamburg Name des Projektträgers + Sitz Eigentümerstruktur Eingetragene Genossenschaft Größe des Unternehmens 6.500 Mitglieder, 4.300 Wohnungen, 30 Mitarbeiter Zentrales Geschäftsfeld des Unternehmens Schaffung und Bereitstellung von bezahlbaren Mietwohnungen für die Mitglieder der Genossenschaft Nutzungen Wohnen Projekt + Standort Hamburg-Niendorf „Klimapakt Hamburg-Niendorf Nord: Genossenschaftliche Innovationen bei der Modernisierung von 60er-Jahre-Gebäuden“ Projektziel Lage Komplexe energetische Sanierung von Bestandswohnungen in zwei Quartieren in Hamburg Niendorf Art des Projekts Bestandsbewirtschaftung Größe und Nutzung 620 WE, nur Wohnnutzung Lage Bestandswohngebiet im Stadtteil Niendorf, Bebauung überwiegend 1960er Jahre Quelle: Eigene Darstellung nischen, organisatorischen (Kommunikationskonzept) und (datenschutz-)rechtlichen Grundlagen geschaffen worden. Kalorimeta wurde gewählt, nachdem die Zusammenarbeit mit der Hamburger Energieagentur, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt – Hamea – aufgrund personeller Engpässe in der Energieagentur nicht möglich war. Für die Nutzerkommunikation steht eine Diplom-Sozialpädagogin des Sozialmanagements der FLUWOG-NORDMARK eG zur Verfügung. Sobald die Wohnungen zur Vermietung bereitstehen, wird mit den Interessenten in Einzelgesprächen das Konzept dargestellt werden. Diese Maßnahmenkombination bezieht den Primärenergieverbrauch des gesamten Gebäudes ein, d. h. auch Strom- und Wärmeverbrauch der Bewohner. Für Hamburg hat diese Strategie im Sinne des Klimaschutzkonzeptes Pilotcharakter. In Kooperation mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) und der Hamburgischen Wohnungsbaukreditanstalt werden die Maßnahmen im Pilotprojekt intensiv abgestimmt, um die wirkungsoptimierte Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten zu erreichen. Die Zusammenarbeit wird als sehr positiv wahrgenommen, da der Fördermittelgeber Handlungsspielräume hinsichtlich Wohnflächendefinitionen, Einkommensgrenzen und weiteren relevanten Aspekten ausschöpft. Die E.ON Hanse liefert die Nahwärme- und Energieversorgung für das Quartier. Allerdings handelt es sich nicht um eine echte, d. h. gleichrangige Kooperation, da die Preisvorteile durch die verbesserte Energieeffizienz nicht adäquat an die FLUWOGNORDMARK weitergegeben werden. In die- sem Kontext ist diese Konstellation im Sinne integrierter Klimawandel-Strategien wenig förderlich, da die Integration regenerativer Energien seitens der E.ON Hanse nicht unterstützt wird. Perspektivisch ist darüber hinaus vorgesehen, weitere Partner in das Projekt zu integrieren. Dies ist zum einen der Car Sharing Anbieter „Car2Go“, um das Thema Mobilität und E-Mobilität zu integrieren. Zum anderen soll im Rahmen der Beschaffung energieeffizienter Geräte (z. B. Kühlschränke) mit geeigneten Partnern (Handel, Hersteller) zusammengearbeitet werden. 10.2Projektziele Um ihr Profil als serviceorientierte und moderne Genossenschaft weiter zu schärfen, will die FLUWOG-NORDMARK deutlich über aktuelle Standards beim Einsatz zeitgemäßer und innovativer Gebäudetechniken hinausgehen und insbesondere wirkungsvolle – aber alltagsrobuste – Maßnahmenkombinationen einsetzen. Dabei sind die Neben- bzw. Verbrauchskosten ein wichtiger Bestandteil: der Primärenergiebedarf soll sowohl durch bauliche Maßnahmen als auch durch informelle Handlungsansätze im Bereich der Verhaltensoptimierung der Bewohner ohne Komfortverlust deutlich reduziert werden und somit zu einer Absenkung der Energiekosten führen. Konkretes Ziel vor Ort ist der Erhalt attraktiver und bezahlbarer Wohnanlagen durch Stärkung zentraler Funktionen im Quartier, durch die Bereitstellung von Serviceangeboten und durch ein attraktives Wohnumfeld. Zielgruppe sind die dort wohnende Senioren, aber auch junge Familien, die als künf- Hamburg-Niendorf Nord tige Mietergeneration eine wichtige neue Zielgruppe sind. Folgende Aspekte wurden hierbei Teil der Konzeption: • Wettbewerbsfähigkeit im Wohnungsmarkt • Minderung der Verbrauchskosten durch energetische Modernisierungen • Versorgungssicherheit für die Mitglieder • funktionierende Nachbarschaften 85 • Einbau einer kontrollierten Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung • Einbau eines Aufzugs • Einsatz optimierter Licht- und Aufzugsteuerung • Erarbeitung von Maßnahmen zur passiven Kühlung und/oder solaren Klimatisierung • angemessenes Wohnumfeld Im Vielohweg 124a - 130d (Quartier II) ist vorgesehen: 10.3 • Dämmung der Gebäudehülle Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenbündel Auf der Ebene des Stadtteils Niendorf und des Bezirks Eimsbüttel liegen bislang keine kleinräumigen, handlungsleitenden Erkenntnisse zu den zu erwarteten Folgen des Klimawandels vor. Schlüsselprojekt im Untersuchungsgebiet ist das Gebäude Quedlinburger Weg 76 (Quartier I), das nter folgenden Prämissen zukunftsorientiert entwickelt wird: • Bestands- und Quartiersentwicklung unter den Aspekten des demographischen Wandels und des Gesundheitsschutzes • Klimaschutz durch energetische Modernisierung • Information und Beratung der Bewohner zum Nutzerverhalten im Interesse des Klimaschutzes und der Auswirkungen des Klimawandels Baulich erfolgt eine Gebäudesanierung mit Passivhauskomponenten. Ziel ist die deutliche Einsparung von Primärenergie (auch Strom) und die Entwicklung einer neuen „Marke“ für ein Energiesparhaus unter dem Label „Substitutionshaus“: • Umbau der Balkone mit thermischer Trennung vom Gebäude • Dämmung der Gebäudehülle • Einbau neuer Fenster • Aufstockung (Staffelgeschoss) und Dämmung des Daches • Einbau einer Thermosolar-Anlage zur Unterstützung der Beheizung und Warmwasserbereitung • Umgestaltung der Grundrisse zu barrierefreien, altengerechten Wohnungen • Erneuerung der Sanitär-und Heizungsinstallationen • Die Holzfenster von 1994 werden aus Gründen der Nachhaltigkeit erhalten und erst im Jahr 2013 ausgetauscht • Einbau einer kontrollierten Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung • Aufbau eines Solarnetzes bzw. einer solaren Wärmewirtschaft im Verbund für das Quartier • Umstellung der Warmwasserversorgung auf dezentrale Frischwarmwasserbereitung. Auf Grund hygienischer Vorteile (kurze Leitungswege) kann hierbei mit deutlich niedrigeren Temperaturen gefahren werden. Folgende Arbeiten stehen zum Zeitpunkt der Berichtserstellung (April 2012) noch an: Substitutionshaus (Quartier I, Quedlinburger Weg 76) • Finalisierung der technischen Spezifikation • Fortführung des begonnenen Umbaus (Herstellung neuer Grundrisse etc.) • 2012: Verhandlungen mit Haushaltsgeräteherstellern, um Sammelbestellungen für energiesparende Hausgeräte für den Neubezug des altengerechten Wohngebäudes Quedlinburger Weg 76 zu ermöglichen • Beginn der Interessentengespräche mit potenziellen Mietern Smart Metering • Konkretisierung der Überlegungen über Einsatz und Technik von Smart Metering (mit Kooperationspartner Kalorimeta und dem Ingenieurbüro Ökoplan sowie den Stadtwerken Norderstedt) • Konkretisierung eines Nutzungsvertrages für die Bewohner (Thema Datenschutz) • Entwurf eines Beratungskonzeptes für die ImmoKlima 86 Bewohner des Quartiers Niendorf-Nord (zusammen mit Hamea) Quartier II, Vielohweg Abbildung 12: Werkstatt: Praxis Heft 79 Hamburg-Niendorf Nord: Mo- dernisiertes Hochhaus (oben) und saniertes Hochhaus mit Solarfassade (unten) • alte Gaskessel entfernen • neue Leitungssysteme • Installation solarthermischer Anlagen Das Gesamtsystem der geplanten solaren Sanierung, bestehend aus optimiertem Netz, Frischwarmwasserbereitung und Fernüberwachung, stellt mit damit verbundenem Monitoring eine Technologieinnovation in der Gebäudesanierung dar. Die Verbräuche werden um ca. 20 % niedriger sein als bei vergleichbaren energetischen Sanierungen. Seit Oktober 2009 lässt die Genossenschaft FLUWOG-NORDMARK die Heizkostenabrechnung für die Quartiere I und III nicht mehr durch den Energieversorger E.ON Hanse erstellen, sondern übernimmt diese Leistung in Eigenregie. Ziel ist es, die Transparenz der Abrechnungen, die Eigenkontrolle und die Beratungsmöglichkeiten für die Bewohner zu verbessern. Mit diesem Angebot reagiert die Genossenschaft auf entsprechende Kritik der Mitglieder an den bisherigen Abrechnungen. Darüber hinaus werden mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) und der Hamburger EnergieAgentur als Kooperationspartnern der Einsatz intelligenter Verbrauchs-Messtechniken (Smart Metering) pilothaft eingeführt. Sowohl der Stromverbrauch wie auch der Heizwärmeverbrauch werden individuell erfasst und für die Bewohner aufbereitet. Die Planungen zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs stellen einen weiteren Beitrag zum Klimaschutz dar. Im Rahmen einer integrierten Strategie für die klimagerechte Gesamtentwicklung des Quartiers in Niendorf, beabsichtigt die Genossenschaft die Einrichtung einer Car-Sharing- und einer Fahrradleihstation. Im Handlungsfeld Wohngesundheit ist die Durchführung von Workshops und Beratungen zu den Themen Haustechnik, Energieeinsparung, Nutzerverhalten und gesundes Wohnklima vorgesehen. Im Nachbarschaftstreff der Wohnanlage wird es Informationsveranstaltungen der Genossenschaft geben, in denen allgemeine und individuelle Beratungen zum Thema Wohngesundheit und Energieeinsparung angeboten werden. Quelle: Fluwog-Nordmark eG 10.4Projektforschung Die Projektforschung für das ImmoKlima Pilotvorhaben „Klimapakt Hamburg-Niendorf Nord: Genossenschaftliche Innovationen bei der Modernisierung von 60er-Jahre-Gebäuden“ wurde durchgeführt von: empirica Forschung und Beratung Kurfürstendamm 234 10719 Berlin Telefon: (030) 88 47 95-0 Fax: (030) 88 47 95-17 www.empirica-institut.de berlin@empirica-institut.de Die Ergebnisse der Projektforschung fanden Eingang in die Bewertungen des vorliegenden Berichts. Berlin-Kreuzberg Möckernkiez 87 11 Möckernkiez in Berlin-Kreuzberg: Integrierte nachhaltige Entwicklung eines neuen Stadtquartiers durch private Akteure Auf dem Projektgelände in Berlin-Kreuzberg entwickelt die Möckernkiez Genossenschaft für selbstverwaltetes, soziales und ökologisches Wohnen eG ein Stadtquartier für gemeinschaftliches, ökologisches, barrierefreies, Generationen verbindendes, interkulturelles und selbstbestimmtes Wohnen mit rund 400 Wohnungen, Gemeinschaftsräumen, einem Kinder- und Jugendzentrum, einer Kindertagesstätte, verschiedenen Gewerbeeinheiten, einem barrierefreien Hotel, einem Kiezcafé, einem ambulanten Pflegedienst, Büros, Werkstätten sowie Praxen für verschiedene Dienstleister. Abbildung 13: Möckernkiez in Berlin-Kreuzberg: Bebauungsplan Quelle: Möckernkiez eG Tabelle 10: Möckernkiez in Berlin-Kreuzberg: Das Wichtigste in Kürze Name des Projektträgers + Sitz Möckernkiez Genossenschaft für selbstverwaltetes, soziales und ökologisches Wohnen eG, Berlin Eigentümerstruktur Eingetragene Genossenschaft GrößedesUnternehmens 7 Mitarbeiter, über 1.000 Mitglieder, Bestände erst im Aufbau Zentrales Geschäftsfeld des Unternehmens Förderung des gemeinschaftlichen, ökologischen, barrierefreien, Generationen verbindenden, interkulturellen und selbst bestimmten Wohnens in dauerhaft gesicherten Verhältnissen Nutzungen Geplant: Wohnen, Gewerbe, soziale Einrichtungen Projekt + Standort Berlin-Kreuzberg: Möckernkiez Berlin – integrierte, nachhaltige Entwicklung eines neuen Stadtquartiers durch private Akteure Projektziel Errichtung und Bewirtschaftung eines Stadtquartiers „Möckernkiez“ für gemeinschaftliches, ökologisches, barrierefreies, Generationen verbindendes, interkulturelles und selbstbestimmtes Wohnen auf einem innerstädtischem Baufeld Art des Projekts Projektentwicklung (später Bestandsbewirtschaftung) GrößeundNutzung 3 ha, geplant: ca. 400 WE, Gemeinschaftsräume, verschiedene Gewerbenutzungen und soziale Einrichtungen (Umfang des Bauvorhabens ca. 100 Mio. €) Lage Quelle: Eigene Darstellung Berlin-Kreuzberg, Lage am Rand des Gleisdreieckparks, ehem. Bahngelände ImmoKlima 88 11.1 Das Projekt – Ausgangssituation Träger des Modellvorhabens ist die Möckernkiez Genossenschaft für selbstverwaltetes, soziales und ökologisches Wohnen eG, die für die Planung und Errichtung des Stadtquartiers „Möckernkiez“ sowie die anschließende Verwaltung und Bewirtschaftung der Gebäude und des Geländes im Mai 2009 gegründet wurde. Im März 2010 wurde der Kaufvertrag für das oben genannte Grundstück unterschrieben. Werkstatt: Praxis Heft 79 Abbildung 14: Möckernkiez in Berlin-Kreuzberg: Besichtigung des Baufeldes (oben) und Alte Gleistrasse über der Yorckbrücke (unten) Zur Verwirklichung dieser Ziele wurde sukzessive die dreigliedrige Organisationsstruktur aufgebaut: • Initiative Möckernkiez: Hierbei handelt es sich um eine Kreuzberger Stadtteilinitiative – ein Netzwerk von bürgerschaftlich engagierten Menschen und Menschen aus verschiedenen Institutionen. • Möckernkiez Genossenschaft für selbstverwaltetes, soziales und ökologisches Wohnen eG: Die Genossenschaft ist für das Bauen und Verwalten von Wohnungen, Gemeinschafts- und Gewerberäumen unter besonderer Mitwirkung der zukünftigen Bewohner zuständig. • Verein Möckernkiez e. V.: Der Verein unterstützt die Gestaltung des sozialen und kulturellen Miteinanders. Über den Verein werden auch Menschen aus der Umgebung einbezogen. Viele der aktuellen Genossenschaftsmitglieder hatten sich bereits 2007 in einer Bürgerinitiative engagiert, die das Ziel hatte, das Baufeld Möckernkiez in bürgerschaftlicher Eigenregie zu bebauen und das soziale Leben im Kiez zu fördern. Dieses Anliegen wurde auch von der Politik unterstützt. Laut Satzung hat die Genossenschaft den Zweck, ihre Mitglieder durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung zu fördern. Die Genossenschaft hatte Anfang Januar 2012 über 1.000 Mitglieder (Mischung aus Jung und Alt), davon haben rund 400 bereits Anteile gezeichnet. Die Anteile variieren zwischen 5.000 und 200.000 Euro. Dennoch hat niemand einen Anspruch auf eine bestimmte Wohnung. Erst wenn alle Wohnungen geplant sind, werden diese nach einem noch zu entwickelnden Verfahren vergeben. Vorteil einer Genossenschaft gegenüber einer Baugemeinschaft ist, dass auch diejenigen Menschen, die nicht kaufen können, nicht ausgeschlossen werden. Quelle: Fotos Inka Drohn Das drei Hektar große Baufeld liegt auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Güterbahnhofs an der Ecke Yorck-/Möckernstraße in Berlin-Kreuzberg. Im Westen und Norden grenzt das Grundstück, das auf einem 3,50 m hohen Plateau liegt, an den neu entstehenden Gleisdreieck-Park. Entlang der Yorckstraße am südlichen Rand erstreckt sich das alte Gebäude des ehemaligen Zollpackhofes. Das Gleisdreieck (ca. 60 ha) wurde mehrere Jahre teilweise als Baulogistikzentrum für den Potsdamer Platz und große innerstädtische Verkehrsprojekte zwischengenutzt. Eigentümer der Flächen war die Vivico Real Estate GmbH, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG. Die Vivico hat dem Baufeld die Bezeichnung „Möckernkiez“ gegeben. Die umgebende Bebauung stammt überwiegend aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Darunter befinden sich mehrere denkmalgeschützte Ensembles mit Villen, Wohn- und Gewerbebauten sowie Baudenkmäler, unter anderem Mietshäuser, Yorckbrücken und S-Bahnhof Yorckstraße. Das Bezirksrathaus Berlin-Kreuzberg Möckernkiez und drei Grundschulen sind nahe gelegen. Die Bergmannstraße, eine sehr beliebte Einkaufsstraße mit vielen Cafés und Restaurants, ist in ca. 15 Minuten zu Fuß erreichbar. Das Baufeld ist sehr gut an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen und zentral gelegen. Entlang der Yorckstraße verlaufen in beide Richtungen gut ausgebaute Radwege. Schon die Anfangsphase war durch intensive Kooperation mit vielen Auftragnehmern und ehrenamtlichen Partnern geprägt: • Stattbau Stadtentwicklungsgesellschaft mbH Berlin, Netzwerkagentur GenerationenWohnen: planerische Begleitung, Durchführung von Veranstaltungen z. B. Planungswerkstätten, Fachgespräche, Informationsveranstaltungen, Durchführung Architektenwettbewerb • Baufrösche – Architekten und Stadtplaner GmbH: Entwicklung des städtebaulichen Entwurfs für das Baufeld (federführend, unter Beteiligung weiterer Architekten, der Beratungsstelle GenerationenWohnen und der Mitglieder) • Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg: Abschluss Städtebaulicher Vertrag, Durchführung Bebauungsplanverfahren • Drees & Sommer: Erarbeitung der Auslobungsunterlagen für den Architektenwettbewerb, Vorplanung zum Energie-konzept • Freie Planungsgruppe Berlin GmbH: Leitung der Verhandlungen im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Auftrag der Genossenschaft; technische Leitung, Erarbeitung des Bebauungsplans • Jacoby Rechtsanwälte: Verhandlungen zum Grundstückskauf und umfassende immobilienrechtliche Beratung • Universität Stuttgart, Städtebau-Institut: Wissenschaftliche Forschung zu Städtebau und Nachhaltigkeit. 11.2Projektziele Die Genossenschaft definiert die Projektziele zusammenfassend wie folgt: „Das Projekt hat zum Ziel, eine innovative, moderne und angenehme Wohnumgebung zu schaffen, die mit geringem Ressourceneinsatz behaglich ist. Die Umsetzung des Bauvorhabens soll einen hohen Lebensstandard und ein beispielhaft ökologisch nachhaltiges Leben in guter Gemeinschaft mit den Nachbarn im Kiez 89 und zu bezahlbaren Kosten ermöglichen.“ Das Projekt soll zeigen, wie und mit welchen Wirkungen Klimaschutzbelange und Maßnahmen zur Klimaanpassung schon frühzeitig im Planungsprozess berücksichtigt werden können. Dazu gehört ein nachhaltiger Städtebau, ein Energiekonzept für das gesamte Quartier, klimafreundliche Hochbauentwürfe und Freiraumgestaltung, technische Lösungen, ein klimagerechtes Verkehrskonzept und ein bewusstes Nutzerverhalten. Eine Besonderheit und große Herausforderung ist, dass ein so umfassendes und großes Projekt ehrenamtlich initiiert und bei sehr engem Kostenrahmen mit einem hohen Anspruch an Partizipation der Genossenschaftsmitglieder umgesetzt wird. Das Quartier wird im Sinne einer mehrdimensional nachhaltigen Stadtentwicklung geplant und soll Vorbildcharakter haben als ein generationenübergreifendes, ökologisches und soziales Bauvorhaben. Mit dem Projekt wird eine integrierte Strategie zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung verfolgt. Der Projektträger orientiert sich an den Kriterien des Deutschen Gütesiegels Nachhaltiges Bauen in Gold und hat sich die Erfüllung dieser Kriterien zum Ziel gesetzt. Eine Zertifizierung ist derzeit aus Kostengründen nicht beabsichtigt. Neben ökologischen Zielen verfolgt das Projekt gleichermaßen soziale Ziele. Das Quartier soll nach den Prinzipien des „Design für Alle“, das die Verschiedenartigkeit und die Lebensqualität aller Menschen berücksichtigt, gestaltet werden. Die Förderung und Stärkung des sozialen Zusammenhalts und Miteinanders spielt eine wichtige Rolle. Der im April 2008 gegründete Verein Möckernkiez e. V. soll die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass ein Quartier mit gelebter Nachbarschaft gelingen kann. Die Angebote des Vereins sollen allen Menschen – auch über den Möckernkiez hinaus – offen stehen. Wesentlich für den gesamten Prozess ist die Partizipation der zukünftigen Bewohner sowie der Menschen aus den umliegenden Gebäuden bei der Gestaltung des Quartiers. 11.3 Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete Das städtebauliche Rahmenkonzept berücksichtigt die klimatischen Entwicklungen durch die Ausrichtung und Gestaltung der Gebäude. Der Rahmenplan sieht für das Bau- ImmoKlima 90 feld Möckernkiez ein Mischgebiet mit einer maximalen GRZ von 0,8 und einer GFZ von 2,5 vor. Ein Nachteil der hohen Dichte ist, dass mit wenig solaren Erträgen zu rechnen ist. Die Vivico hatte diese hohe Baudichte wegen der hohen Grundstückspreise ausgehandelt. Nach dem Umweltatlas Berlin liegen für das Baufeld unter anderem folgende Informationen vor: • Der Kaltluftvolumenstrom um 22 Uhr (zu Beginn einer austauscharmen Strahlungsnacht) wird mit 80 bis 200 m³/s als gering bewertet. Die Fläche des Gleisdreieckparks hat eine sehr hohe stadtklimatische Bedeutung (Kaltluftentstehungsgebiete mit Zuordnung zu belasteten Siedlungsräumen, höchste Empfindlichkeit gegenüber Nutzungsintensivierung, Vermeidung von Austauschbarrieren gegenüber bebauten Randbereichen, Emissionen reduzieren, mit benachbarten Freiflächen vernetzen) • Das Baufeld Möckernkiez liegt im Belastungsbereich, die Bewertungskategorie nach VDI ist weniger günstig (Siedlungsräume mit geringer, in Einzelfällen mäßiger bioklimatischer Belastung, hohe Empfindlichkeit gegenüber Nutzungsintensivierung, möglichst keine weitere Verdichtung, Verbesserung der Durchlüftung und Erhöhung des Vegetationsanteils, Erhalt aller Freiflächen, Entsiegelung und ggf. Begrünung der Blockinnenhöfe) • Szenarien Klimawandel: für den Bereich ist je nach Art und Dichte der Bebauung für den Zeitraum 2021 bis 2050 von einer Gesamtzahl der Tage mit Wärmebelastung von 21 - 24 bzw. 24 - 27 auszugehen; die Zunahme der Wärmebelastung 2071 bis 2100 zu 1971 bis 2000 liegt bei einer mittleren Anzahl von 21 - 23 bzw. 23 - 25 zusätzlicher Tage mit Wärmebelastung in den benachbarten Blöcken des Möckernkiez. (Tag mit Wärmebelastung: Tag, an dem tagsüber zwischen 9 und 15 UTC die gefühlte Temperatur mindestens an drei Stundenterminen 32°C und damit starke Wärmebelastung erreicht oder überschritten hat (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Umweltatlas Berlin. In: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/ umwelt/umweltatlas/, Thema 04.12 Klimawandel und Wärmebelastung der Zukunft). Mit dem Projekt wird eine integrierte Strategie zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung verfolgt. Die zentralen Komponenten hierzu sind im Klimaschutz: Werkstatt: Praxis Heft 79 • Reduzierung des CO2-Ausstoßes durch Passivhausstandard, Einsatz erneuerbarer Energien, Energieeffizienz in der Nutzung, Förderung umweltfreundlicher Mobilität (Car- und Fahrradsharing), autofreies Quartier, Integration wohnortnaher Versorgungseinrichtungen (kurze Wege); • reduzierter und umweltschonender Ressourcenverbrauch durch Verwendung von recycelten und klimafreundlichen Materialien und Produkten, Grau- und Regenwassernutzung und Regenwasserversickerung, Einsatz energiesparender Techniken, Berücksichtigung des Gesamt-/Primärenergiebedarfs, des Trinkwasserbedarfs und der Flächeninanspruchnahme. In der Klimaanpassung: • Verbesserung des Mikroklimas und Stabilisierung der städtischen Artenvielfalt durch Begrünung der Dächer und Fassaden (u. a. sommerliche Kühlung), bauliche Maßnahmen zur Verschattung und als Sonnenschutz, ökologisch nachhaltiges Begrünungs- und Freiraumkonzept. Wichtig ist dem Projektträger dabei, Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit miteinander zu verbinden. Er erwartet, dass nur durch eine konsequent ökologische und nachhaltige Bauweise bezahlbares Wohnen langfristig sichergestellt werden kann. 11.4Projektforschung Die Projektforschung für das ImmoKlima Pilotvorhaben „Möckernkiez Berlin – integrierte, nachhaltige Entwicklung eines neuen Stadtquartiers durch private Akteure“ wurde durchgeführt von: WEEBER + PARTNER Institut für Stadtplanung und Sozialforschung Mühlrain 9 70180 Stuttgart Telefon: (0711) 62 00 93 60 Fax: (0711) 62 00 93 89 www.weeberpartner.de wpstuttgart@weeberpartner.de Die Ergebnisse der Projektforschung fanden Eingang in die Bewertungen des vorliegenden Berichts. Berlin-Friedrichshain: Bodhicharya 91 12 Interkulturelle Bildungs- und Begeg- nungsstätte Bodhicharya in Berlin-Friedrichshain Klimagerechte Revitalisierung eines Denkmalensembles Im Mittelpunkt dieses Pilotprojektes im Berliner Stadtteil Friedrichshain steht die klimaorientierte Wiederherrichtung, Modernisierung und der Umbau eines innerstädtischen Denkmalensembles zu einem sozialen und interkulturellen Zentrum. Abbildung 15: Berlin-Friedrichshain: Lageplan des Quartiermanagementgebietes Boxhagener Platz mit Projektstandort Quelle: F + B, Endbericht Tabelle 11: Bodhicharya in Berlin-Friedrichshain: Das Wichtigste in Kürze Name des Projektträgers + Sitz Bodhicharya Deutschland e.V., Buddhistisches Zentrum für Frieden und Verständigung, Berlin-Friedrichshain GrößedesUnternehmens Gemeinnütziger Verein Eigentümerstruktur Angestellt: 4 Mitarbeiter, Ehrenamtlich: ca. 30 Mitarbeiter Zentrales Geschäftsfeld des Unternehmens Förderung der Kultur, der Bildung und mildtätiger Zwecke u. a. durch interreligiöse Dialoge und soziale Projekte, wie z. B. ein ambulantes Hospiz mit der Ausbildung ehrenamtlicher Hospizhelfer und die Arbeit mit Strafgefangenen Nutzungen Soziales und kulturelles Zentrum Projekt + Standort „Klimagerechte Revitalisierung eines Denkmalensembles – Interkulturelle Bildungs- und Begegnungsstätte Bodhicharya“, Berlin-Friedrichshain Projektziel Klimaorientierte Revitalisierung eines Denkmalensembles Aufbau einer Begegnungsstätte zur Förderung der Kultur, der Bildung sowie mildtätiger Zwecke, durch Studium und Praxis der buddhistischen Lehre zur Kultivierung von geistigem Frieden und Stabilität Art des Projekts Eigennutzung, grundstückskonkrete Projektentwicklung und Bestandsbewirtschaftung einer revitalisierten Immobilie GrößeundNutzung Grundstück ca. 1.800 m² mit kleinteiliger Bebauung; Seminar-, Büro- und Veranstaltungsräume für kulturelle und soziale Projekte, Bibliothek, Kiezcafé, kleiner Laden, Wohnungen, ökologischer Nachbarschaftsgarten, Spielplatz Lage Quelle: Eigene Darstellung Innerstädtisches Quartier mit typischer gründerzeitlicher Mietskasernenbebauung in Berlin-Friedrichshain ImmoKlima 92 12.1 Das Projekt – Ausgangssitu- ation Werkstatt: Praxis Heft 79 Abbildung 16: Berlin-Friedrichshain: Neugestal- tung des Hofgartens Träger des Projekts „Klimagerechte Revitalisierung eines Denkmalensembles – Interkulturelle Bildungs- und Begegnungsstätte Bodhicharya“ ist der Verein Bodhicharya Deutschland e. V. Grundlage des Projekts ist die ethische Überzeugung von Bodhicharya Deutschland e. V. von der eigenen Verantwortung für die Natur und den Erhalt einer lebenswerten Umwelt im Einklang von Mensch und Natur. Der Verein wurde 2001 zu Beginn der Grundstücksverhandlungen mit dem Land Berlin von Mitgliedern des gemeinnützigen buddhistischen Vereins Karma Kagyu Gemeinschaft Deutschland e. V. gegründet, um einen rechtlichen Rahmen für eine selbstständige Projektentwicklung des Pilotprojekts zu schaffen. Das Pilotprojekt Kinzigstraße 25 - 29 liegt inmitten des ehemaligen Quartiersmanagementgebiets „Boxhagener Platz“ im Ortsteil Friedrichshain des Bezirks FriedrichshainKreuzberg. Das 75 ha große Quartier „Boxhagener Platz“ im Berliner Ortsteil Friedrichshain gehört mit seinen ca. 18.500 Bewohnern zu den am dichtesten besiedelten Gebieten Berlins und ist geprägt durch eine Blockrandbebauung aus dem 19. Jahrhundert, mit der für Berlin typischen Mischung von Wohnen und Gewerbe. Ziel des Mitte des letzten Jahrzehnts ausgelaufenen Quartiersmanagements „Boxhagener Platz“ war es, unter breiter Beteiligung der Bewohnerschaft das Gebiet als Wohn-, Arbeits- und Freizeitstandort attraktiver zu gestalten und Handlungsschwerpunkte für die Quartiersentwicklung zu bestimmen. Dabei hatten die Verbesserung des Wohnumfeldes, die Qualifizierung der Bildungseinrichtungen und die Gewerbe- und Wirtschaftsentwicklung Priorität. In all diesen Bereichen sind mittlerweile positive Veränderungen feststellbar und das Quartier befindet sich insgesamt in einem städtebaulichen und sozialen Aufwertungsprozess. Die städtebauliche und mikroklimatische Situation erfordert jedoch Beiträge zur Verbesserung des lokalen Mikroklimas. Da das Quartier nur über sehr wenige Grünflächen verfügt, steht ihre Erhaltung und Pflege im Vordergrund. Das Pilotprojekt bietet vor diesem Hintergrund die Chance, einen ebenso wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Quelle: Fotos Inka Drohn Verbesserung des innerstädtischen Mikroklimas zu leisten wie auch zur Quartiersentwicklung dieses multikulturellen Stadtteils insgesamt. Das in Berlin-Friedrichshain in der Kinzigstraße 25 - 29 gelegene denkmalgeschützte Ensemble aus dem Jahre 1860 umfasst eine ursprünglich unstrukturierte Stadtrandbebauung mit kleingewerblicher Durchmischung. Historisch überliefert sind anfangs inmitten von Gärten gelegene zwei- bis dreigeschossige Wohnhäuser, Stallungen und Remisen, die einst eine Geflügelhandlung, ein Fuhrunternehmen und eine Getreideund Tierfutterhandlung beherbergten. Auf einer Grundfläche von rund 1.800 m² entsteht derzeit ein buddhistisches Zentrum mit Seminar-, Büro- und Veranstaltungsräumen für kulturelle und soziale Projekte, mit Bibliothek, Kiezcafé, einem kleinen Laden, einem ökologischen Nachbarschaftsgarten, Spielplatz sowie Wohnungen für Mitarbeiter, Dozenten und Gäste. Die klimagerechte Revitalisierung des Denkmalensembles soll auch Impuls für eine integrierte Quartiersentwicklung sein. Nach langwierigen Verhandlungen mit dem Land Berlin erfolgte die Besitzübertragung 2003 an Bodhicharya Deutschland e. V. Die Herrichtung des Grundstücks erfolgte überwiegend in Eigenleistung durch ein „Bau- Berlin-Friedrichshain: Bodhicharya team“ ehrenamtlicher Mitarbeiter unter professioneller – teilweise jedoch ebenfalls ehrenamtlicher – Leitung von Inka Drohn vom Berliner Architekturbüro archid. Das heute aus mehreren kleinen Baukörpern mit Um- und Erweiterungsbauten bestehende Gebäudeensemble wird seit 2003 mit sehr viel ehrenamtlicher Arbeit des Vereins „Bodhicharya Deutschland e.V.“ und Unterstützung aus der Nachbarschaft in mehreren Bauabschnitten instandgesetzt, umgebaut und erweitert. Das gesamte Projekt wird weitgehend durch bürgerschaftliches Engagement „von Vielen für Viele“ getragen und unterhalten, es gibt keine wesentliche öffentliche Förderung. Das Buddhistische Zentrum finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, das Spendenaufkommen bestimmt den Baufortschritt. Die ehrenamtlich geleistete Arbeit und die Öffnung der Begegnungsstätte ins Quartier für die Bürgerschaft, für kulturelle und soziale Projekte, für Besucher und Gäste von Seminaren und Veranstaltungen haben das Zentrum von Anfang an zu einem Ort der Begegnung gemacht, der Menschen unterschiedlichster sozialer und kultureller Herkunft anzieht und ihnen die Möglichkeit gibt, gemeinsam zu wachsen, zu lernen und zu leben. Interkultureller Austausch soll hier praktisch erlebbar sein und das Verständnis füreinander fördern. Im Laufe der Projektentwicklung vollzog sich eine schrittweise Professionalisierung: Das vereinseigene Bauteam wurde bereits seit 2004 sukzessive durch angestellte Mitarbeiter verstärkt und für den Neubau des Tempels schließlich fast vollständig durch professionelle Baufirmen ersetzt. Die Fachingenieursleistungen (Haustechnik, Tragwerksplanung) wurden sowohl auf ehrenamtlicher Basis als auch auf Grundlage marktüblicher Honorarverträge erbracht. Entsprechend der thematischen Breite des interkulturellen Zentrums arbeitet Bodhicharya mit einem breiten Spektrum unterschiedlicher kultureller, religiöser, sozialer und umweltpolitischer Akteure zusammen und wird bzw. wurde in der Vergangenheit seit Projektbeginn von einer Vielzahl ehrenamtlicher Helfer unterstützt, die vielfältige Planungs- und Bauleistungen übernehmen. Diese Unterstützung findet häufig in Form einer zeitlich begrenzten, aufgabenbezogenen Mitarbeit statt. Insgesamt ist dieses Pilotprojekt durch eine 93 komplexe interne Entscheidungs- und Projektstruktur charakterisiert, mit hohem Abstimmungs- und Organisationsaufwand durch ehrenamtliche Strukturen mit wechselnden Akteuren und einer damit verbundenen hohen Zahl an Schnittstellen. Im Rahmen der umwelt- und klimawandelbezogenen Aktivitäten von Bodhicharya gab es informelle Kontakte mit der Initiative „TransitionTown Friedrichshain-Kreuzberg“ bei der Gestaltung der Garten- und Hofflächen. Darüber hinaus war das Projekt Teil der Projektreihe „StadtKlimaWandel“ des NABU Berlin und wurde im Rahmen dieser Reihe einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Die ungesicherte Finanzierungssituation und die unmittelbare Abhängigkeit des Projektfortgangs von jeweils vorhandenen finanziellen Mitteln erschweren und verlangsamen die Projektdurchführung. Die Überarbeitung des Wirtschaftsplans erfolgt 2012 durch den Finanzvorstand des Vereins. Nach dem Wegfall zweier buddhistischer Stiftungen als Finanzgeber und der Ablehnung eines Antrags auf Förderung durch Lottomittel ist die Finanzierung des Projektabschlusses weiterhin nicht gesichert. Der Verein hat die noch fehlenden Projektmittel auf ca. 900.000 € kalkuliert. Der Umstand, dass Spenden eher für konkrete investive Maßnahmen akquiriert werden können, die unmittelbar und physisch durch die Spender wahrnehmbar sind, erschwert die Finanzierung der laufenden Bewirtschaftung des Zentrums, kommt aber den Maßnahmen zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz zugute. Diese Maßnahmen zielen außerdem explizit auf die Herbeiführung dauerhaft geringer Betriebskosten durch ressourcenschonende Technologien. Gleichzeitig sollten sie geeignet sein, in der Bauphase ein Höchstmaß an Selbsthilfe der (nicht-professionellen) Nutzer zuzulassen. 12.2Projektziele Im Mittelpunkt des Pilotprojekts steht die klimaorientierte Wiederherrichtung, Modernisierung und der Umbau eines innerstädtischen Denkmalensembles zu einem beispielgebenden sozialen und kulturellen Zentrum mit folgenden Zielsetzungen: • Klimaorientierte Revitalisierung Denkmalensembles eines ImmoKlima 94 • Aufbau einer Begegnungsstätte für Menschen unterschiedlichster sozialer und kultureller Herkunft • Förderung der Kultur, der Bildung, sowie mildtätiger Zwecke • Studium und Praxis der buddhistischen Lehre zur Kultivierung von geistigem Frieden und Stabilität • Interkultureller Austausch, Förderung des friedensstiftenden Dialoges zwischen den Kulturen und den Weltreligionen • soziale und pädagogische Projekte, vielfältige Aktivitäten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales • Klimaschutz und Verbesserung des innerstädtischen Mikroklimas • Stärkung des Bewusstseins für ökologische Kreisläufe und umweltwirksame Maßnahmen • Schaffung und Erhalt von Rückzugsgebieten und Nistplätzen für Wildtiere • Erhöhung der Lebensqualität im Stadtteil 12.3 Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete Die Stadt Berlin verfügt über gute stadtklimatologische Grundlagen. Darüber hinaus gibt es stadtstruktur-bezogen erste Projektionen für die zukünftige thermische sommerliche Belastung. Ein Stadtentwicklungsplan Klima mit Aussagen zum Klimawandel und zum Anpassungsbedarf liegt seit Kurzem vor. Für praktische Anwendungen in der Stadtplanung ist zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst DWD das Stadtbioklimamodell UBIKLIM (Urbanes BIoKLImaModell), entwickelt worden, welches in Berlin bereits 1996 zur Bewertung der thermischen Situation eines typischen Sommertages zum Einsatz kommt. Das in diesem Modellverfahren erfolgte Downscaling regionaler Klimaprojektionen ermöglicht die kombinierte Berücksichtigung der durch den globalen Klimawandel zu erwartenden Änderungen und der durch die städtischen Nutzungen hervorgerufenen Einflüsse, wobei die Hintergrundbelastung durch das globale beziehungsweise das daraus abgeleitete regionale Klima definiert wird. Zur Ermittlung der künftigen Hintergrundbelastung werden die Resultate regionaler Klimamodelle herangezogen; ausgewertet wurden REMO- und Werkstatt: Praxis Heft 79 WettReg-Daten für den Kontrollzeitraum 1971 - 2000 und die Projektionszeiträume 2021 - 2050 sowie 2071 - 2100. Auf Grund der Stadtgröße und der Bebauungsdichte ist Berlin durch ein Stadtklima mit ausgeprägten Überwärmungsgebieten gekennzeichnet: Klimaprojektionen für Berlin bis zum Jahr 2050 bzw. 2100 deuten darauf hin, dass langfristig mit einer markanten Erwärmung und einer damit verbundenen Zunahme der Wärmebelastung innerhalb der Stadt zu rechnen ist. Neben der spürbaren Veränderung der genannten Klimakenngrößen haben extreme Klimaereignisse deutlich zugenommen. Von einer weiteren Zunahme extremer Wetterereignisse ist auch für Berlin auszugehen. Die Stadt Berlin ist gegenwärtig dabei, die wichtigsten Klimawandelfolgen für Berlin herauszuarbeiten und die verschiedenen Stadtstruktur- und Nutzungstypen auf eine entsprechende Vulnerabilität hin zu überprüfen sowie daran anschließend Mitigations- und Adaptionsmaßnahmen für Stadtplanung und Architektur abzuleiten. Bodhicharya Deutschland e. V. und seine Mitglieder sind aufgrund ihrer weltanschaulichen Orientierung in hohem Maße für die Belange des Klimaschutzes und der Klimaanpassung sensibilisiert. Die zeigt sich sowohl in der Gesamtkonzeption des Vorhabens als auch in den einzelnen Maßnahmen und Maßnahmenpaketen des Vorhabens. Auch wenn die baulichen Maßnahmen des Vereins Bodhicharya nicht systematisch aus den Erkenntnissen der Stadt Berlin abgeleitet wurden, so beziehen sich eine ganze Reihe der Ausprägungen des Vorhabens explizit auf die Auswirkungen des Klimawandels und auf den Klimaschutz und können insofern als Beitrag zur Strategie Berlins verstanden werden. Die vorgesehenen baulichen Maßnahmen des Projekts zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung, die weitestgehend mit aktiver Einbindung und Unterstützung der Nutzer entwickelt und umgesetzt wurden, beinhalten u. a.: • die Begrünung der Dächer • die Entsiegelung und Begrünung ehemaliger Garagenhöfe • eine ressourcenschonende Bauweise durch Recycling vorhandener Materialien und weitgehenden Einsatz von natürli- Berlin-Friedrichshain: Bodhicharya chen Baustoffen • die Nutzung regenerativer Energien durch Solarenergie und Wärmerückgewinnung • die Optimierung der thermischen Gebäudehülle • Schaffung und Erhalt von Rückzugsgebieten und Nistplätzen für Wildtiere (z. B. Vögel und Nutzinsekten) • die Optimierung der thermischen Gebäudehülle • Der Biotopflächenfaktor, d. h. das Verhältnis von naturhaushaltswirksamen Flächen zur gesamten Grundstücksfläche, betrug vor dem Umbau 0,175. Nach Fertigstellung der geplanten Maßnahmen wird der Biotopflächenfaktor 0,43 betragen und sich somit mehr als verdoppeln. Dabei setzt Bodhicharya nicht nur auf rein bauliche Strategien, sondern zielt auf einen ganzheitlichen Ansatz, der auch „nicht-bauliche“ Maßnahmen und Konzepte explizit einschließt. Im „Arbeitskreis Ökologie“ werden beispielsweise die Möglichkeiten des eigenen individuellen Handelns im Alltag – wie z. B. ressourcen- und umweltschonendes Wirtschaften – bearbeitet. Ziel dieser Aktivitäten ist es, die Besucher und Gäste der Seminare und Veranstaltungen auch als Multiplikatoren nach außen zu nutzen. Im „Arbeitskreis Garten“ mit offenen Workshops und Aktionen – ökologische Gartenplanung, Dachbegrünung, Entsiegelung von Hofflächen, Anlegen einer Ökoecke etc. – wird das Bewusstsein für ökologische Kreisläufe und umweltwirksame Maßnahmen 95 geschult und vertieft. Die Workshops finden in den Frühjahrs- und Sommermonaten in einem Abstand von ca. 6 Wochen mit jeweils ca. 5 bis 12 Teilnehmern statt. Der Interessentenkreis des AK Garten umfasst ca. 30 bis 35 Personen. Der neu geschaffene Garten soll allen Menschen offen stehen und auch einen besonderen Spielplatz beinhalten der die Sinne, Kreativität und die Motorik der Kinder anspricht. Umgeben von einem „Garten der Sinne“ bietet dieser Spielplatz in dem kleinmaßstäblichen historischen Ensemble die seltene Gelegenheit, Ruhe und Harmonie mitten in der Großstadt zu erfahren. 12.4Projektforschung Die Projektforschung für das ImmoKlima Pilotvorhaben „Klimagerechte Revitalisierung eines Denkmalensembles – Interkulturelle Bildungs- und Begegnungsstätte Bodhicharya“, Berlin-Friedrichshain“ wurde durchgeführt von: F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH Adenauerallee 28 20097 Hamburg Telefon: (040) 28 08 10-0 Fax: (040) 28 08 10 20 www.fund-b.de service@f-und-b.de Die Ergebnisse der Projektforschung fanden Eingang in die Bewertungen des vorliegenden Berichts. ImmoKlima 96 Werkstatt: Praxis Heft 79 13 Klima, Umwelt und Soziales im Leitbild des Siedlungswerkes Stuttgart Im Leitbild des Siedlungswerks Stuttgart sind sowohl soziale als auch ökologische Zielsetzungen verankert. Daraus abgeleitet verfolgt das Siedlungswerk eine Unternehmensstrategie, die konsequent beide Aspekte miteinander verbindet. Dabei werden die besonderen Chancen jedes Standorts jeweils differenziert analysiert und in der Projektentwicklung explizit berücksichtigt. 13.1 Der Projektrahmen Projektträger ist die „Siedlungswerk gemeinnützige Gesellschaft für Wohnungs- und Städtebau mbH“, Stuttgart, die mit dem Bau von über 27.000 Wohneinheiten und der Verwaltung von mehr als 23.000 Wohnungen ein bedeutendes Wohnungs- und Städtebauunternehmen in Baden-Württemberg ist. Das Unternehmen wurde 1948 als „Siedlungswerk der Diözese Rottenburg in Stuttgart GmbH“ gegründet. Seit 1975 firmiert es unter dem heutigen Namen. Zu den Hauptgesellschaftern gehören das Bistum Rottenburg-Stuttgart und die Landesbank Baden-Württemberg. Das Stuttgarter Siedlungswerk entwickelt, baut, vermarktet und verwaltet Wohnbauprojekte und dazugehörige soziale Infrastruktureinrichtungen – in den ImmoKlima Pilotgebieten ein Pflegeheim, eine Kindertagesstätte und ein Kinder- und Familienzentrum. Basierend auf dem Leitbild des Siedlungswerks, den Menschen in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen, werden alle Projekte und deren Standorte hinsichtlich ihrer sozialen und ökologischen Möglichkeiten überprüft. Das Siedlungswerk verfolgt mit Engagement, Kompetenz und Resonanz eine Unternehmensstrategie, die soziale und ökologische Ziele konsequent in Einklang bringt. Bei der Konzeptentwicklung und Umsetzung für die einzelnen Projekte werden die besonderen Bedingungen und Chancen am Standort und im Quartier sehr differenziert berücksichtigt und innovative Lösungen in sozialer wie auch ökologischer Hinsicht entwickelt. In sozialer Hinsicht ist das Ziel des Siedlungswerks, durch ein breites Wohnungsangebot möglichst viele Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Ergänzt wird dieses Angebot durch Sondernutzungen mit sozialem Charakter. Tabelle 12: Siedlungswerk Stuttgart: Das Wichtigste in Kürze Name des Projektträgers + Sitz Siedlungswerk gemeinnützige Gesellschaft für Wohnungs- und Städtebau mbH, Stuttgart Eigentümerstruktur GmbH; Gesellschafter: Bistum Rottenburg, LBBW GmbH; Gesellschafter: Bistum Rottenburg, LBBW Größe des Unternehmens 200 Mitarbeiter, 5.300 eigene Mietwohnungen, 18.000 verwaltete Eigentumswohnungen, Bautätigkeit ca. 500 Einheiten pro Jahr als Bauträgermaßnahmen Zentrales Geschäftsfeld des Unternehmens Bau und Unterhaltung von Wohnungsbau, Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen Nutzungen Wohnen Projekt 1 + Standort Freiburg/Breisgau, FreiburgLeben Projektziel Umnutzung eines ehemaligen Werksgeländes zu einem Quartier für hochwertiges Wohnen Art des Projektes Projektentwicklung Größe und Nutzung ca. 125 WE, Kinder- und Familienzentrum St. Augustinus, Büro ca. 2.000 m² Lage Innenstadtnähe Projekt 2 + Standort Stuttgart-Bad Cannstatt, SeelbergWohnen Projektziel Umnutzung eines ehemaligen Werksgeländes zu einem Quartier für hochwertiges Wohnen Art des Projektes Projektentwicklung Größe und Nutzung 1,6 ha, 133 ETW, 19 Appartements, 6 Miet-WE, Kindertagesstätte, Pflegeheim Lage Innenstadt Quelle: Eigene Darstellung Siedlungswerk Stuttgart 97 Abbildung 17: Siedlungswerk Stuttgart: Struktur der Projektentwicklung Leitbild Projektentwicklung Soziale Verantwortung Ökologische Verantwortung Ziel: Schaffung eines sozial intakten Wohngebietes für unterschiedliche Nutzergruppen Ziel: Entwicklung eines ökologischen Energiekonzeptes zur CO2 Reduzierung Suche nach lokal vorhandenen Bedürfnisssen / Möglichkeiten Suche nach lokal nutzbaren Energiequellen Suche nach Partnern FreiburgLeben Untersuchung der möglichen Varianten Stuttgart Seelberg/Wohnen 103 Eigentumswohnungen 92 Eigentumswohnungen Kinder- und Familienzentrum St. Augustinus - 40 geförderte Wohnungen - 10 Appartements für Senioren - 8 Appartements für Menschen mit Körperbehinderungen - 30 betreute Seniorenwohnungen - 50 Pflegeplätze (St.Anna Stiftung) - Kindertagesstätte für 65 Kinder (Stadt Stuttgart) Mehrwert Stuttgart Seelberg/Wohnen FreiburgLeben - Wärmepumpe nutzt Grundwasser - Wasserschnecke zur Stromerzeugung - Holzpellets zur Abdeckung der Spitzenlast - Abwasserkanal Wärmetauscher - BHKW zur Stromerzeugung - BHKW zur Abdeckung der Spitzenlasten Gesellschaft - Umwelt - Unternehmen Quelle:Siedlungswerk In ökologischer Hinsicht werden bei allen größeren Bauprojekten des Siedlungswerks Standortanalysen durchgeführt und Energieund Klimastudien mit unterschiedlichen Varianten eingeholt. Das Unternehmen legt besonderen Wert auf Klimaschutz (ausreichende Gebäudedämmung, Reduktion des CO2-Ausstoßes, Verwenden von erneuerbaren Energien). Klimaanpassung stand bislang jedoch noch nicht explizit im Fokus des Siedlungswerks, gleichwohl umfassen die Projekte des Siedlungswerks auch Aspekte der Vorbeugung gegen die Auswirkungen des Klimawandels. Neben diesen Kriterien spielen aber auch wirtschaftliche Aspekte sowie architektonische Qualitäten eine Rolle. Um auch diese garantieren zu können, wurde in den Projekten jeweils ein Architektenwettbewerb durchgeführt. Die Projekte wurden im Anschluss an die Entwicklungsplanung durch das Siedlungswerk realisiert, vermarktet und durch die Siedlungswerk Verwaltungsgesellschaft (SWV) nach der Fertigstellung weiter betreut. Um die Qualität in der Planung zu garantieren, werden bei allen größeren Projekten Architekturwettbewerbe durchgeführt. Das Siedlungswerk übernimmt die Baureifmachung der Grundstücke, die komplette Projektentwicklung und die Realisierung der Objekte. Zum weiteren Leistungsbild gehört die Vermarktung bzw. Vermietung und die spätere Verwaltung der Gebäude. Das Siedlungswerk arbeitet in gegenseitigem Vertrauen und Respekt mit seinen Projektpartnern zusammen. Dadurch ist sichergestellt, dass nicht nur während der Projektierungs- und Realisierungsphase, sondern auch weit darüber hinaus eine nachhaltige Entwicklung der Projekte garantiert ist. Gegenstand der Projekte ist die Schaffung neuer sozial intakter Wohnquartiere für unterschiedliche Nutzergruppen und die Entwicklung ökologischer Energiekonzepte zur CO2-Reduzierung durch die Verwendung von Energieressourcen aus dem jeweiligen Baugrundstück. ImmoKlima 98 13.2FreiburgLeben Das Projekt – Ausgangssituation Das Planungsgebiet des Projekts FreiburgLeben liegt zwischen Kartäuserstraße und Schlossberg östlich der Innenstadt Freiburgs. Es handelt sich um das ehemalige Werksgelände der Firma Coats/MEZ. Hier entstehen rund 125 Wohneinheiten, das St. Augustinus-Heim für Kinder und Jugendliche und ein Dienstleistungsgebäude. Werkstatt: Praxis Heft 79 Anfang 2006 wurde das Büro EGS-Plan damit beauftragt, verschiedene Energiekonzepte auf dem Grundstück zu prüfen. Ziel war, KfW-60-Häuser zu bauen und regenerative Energien für die Energieversorgung zu nutzen. Fest stand bereits, dass der nördlich des Grundstücks vorbeifließende Gewerbekanal zur Stromerzeugung genutzt werden sollte. Im Jahr 2006 lobte das Siedlungswerk einen begrenzt offenen Wettbewerb unter 15 Ar- Abbildung 18: FreiburgLeben: Wettbewerbsentwurf des Projektes, Lageplan und Modell Quelle: Ackermann und Raff Abbildung 19: FreiburgLeben Quelle: Siedlungswerk Stuttagrt Das Planungsgebiet war ursprünglich als Gewerbegebiet ausgewiesen. Da das Siedlungswerk auf dem Grundstück hochwertige Eigentumswohnungen errichten wollte, war eine Änderung des Bebauungsplans notwendig. Im Zuge dieser „Grundstücksveredelung“ mussten zehn Prozent der Flächen der Stadt Freiburg kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Das Siedlungswerk einigte sich mit der Stadt Freiburg darauf, dass auf den städtischen Flächen eine katholische Einrichtung für Kinder und Jugendliche – das St. Augustinus Heim im Erbbaurecht entstehen sollte. Im Heim sollten 25 Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren aufgenommen werden, darunter auch Kinder, die behindert oder von Behinderung bedroht sind. chitekturbüros mit dem Titel „Wohnen und Arbeiten am Schlossberg“ aus. Im Einzelnen wurde gefordert: • Öffnung des Gewerbekanals auf der gesamten Grundstücksbreite; • Schaffung von beidseitigen mindestens 5 m breiten Gewässerrandstreifen am Gewerbekanal, naturnahe Gestaltung, Ausschluss jeglicher Bebauung und Flächenversiegelung in den Gewässerrandstreifen; • keine Bebauung nördlich des Gewerbekanals; • Erhalt der Natursteinmauern im Bereich der nördlichen Gebietsgrenze und soweit möglich am Gewerbekanal; Siedlungswerk Stuttgart • weitgehender Erhalt des Baumbestandes im Gebiet; • Erhöhung des Grünflächenanteils im Gebiet; • Reduktion der Flächenversiegelung; • möglichst Versickerung der anfallenden Niederschläge auf dem Gelände. Die Jury entschied sich für den Entwurf von Ackermann & Raff aus Tübingen. Besonders gewürdigt wurde die verkehrliche und fußläufige Anbindung zwischen Fabrikstraße und Augustinerweg/Schlossberg sowie die städtebauliche Einbindung des St. Augustinus-Heims. Ebenso überzeugte die Gestaltung des Platzes vor dem St. AugustinusHeim, der einen Entréecharakter ausbildet. Nach dem Wettbewerbsverfahren wurde von der Stadt Freiburg 2006 ein vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt, der 2008 vom Gemeinderat beschlossen wurde. Der Verkauf verlief sehr gut, so dass zum Zeitpunkt der Berichterstellung der erste Bauabschnitt ausverkauft und bezogen und das Dienstleistungsgebäude vermietet ist. Die 54 Wohnungen des zweiten Bauabschnitts konnten noch vor Rohbaufertigstellung innerhalb eines Jahres komplett verkauft werden. Zum Zeitpunkt der Bewerbung und Aufnahme als Pilotprojekt war dieses Projekt des Siedungswerks bereits fertig geplant und befand sich in Realisierung. Im März 2008 wurde mit den Bauarbeiten des ersten Bauabschnitts begonnen. Bei der Planung des neuen Stadtquartiers wurde großer Wert auf eine versetzte Anordnung der Häuser und eine strömungsdurchlässige Bauweise gelegt. So können die vom Schlossberg kommenden kühlen Winde durch die Gebäude hindurch in Richtung Innenstadt gelangen. Eine großzügige Gartengestaltung und der an der Grundstücksgrenze verlaufende offengelegte Gewerbekanal bringen zudem viel Grün in das Quartier. Das St.-Augustinus-Heim für Kinder und Jugendliche und das Dienstleistungsgebäude beleben den Quartiersplatz. Im Erdgeschoss ist eine Bäckerei mit Stehcafé eingezogen, die sich zum Quartierplatz hin öffnet. Der Wohnungsbau gruppiert sich um die „Grüne Mitte“ im Quartiersinnern. Der unbefestigte Bodenbelag und die Schatten spendenden Bäume laden zum Boulespielen ein. Das Quartier ist autofrei, die Parkierung erfolgt in einer Tiefgarage mit zwei Zufahrten. 99 Inzwischen befindet sich der 2. Bauabschnitt in Fertigstellung. Alle Wohnungen sind bereits verkauft. Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete Da bei der Wettbewerbsauslobung bereits EGS-Plan mit Überlegungen zum Energiekonzept beauftragt worden war, konnten im Ausschreibungstext genaue Angaben zur Energieversorgung gemacht werden: Die Gebäude sollen mit einem sehr niedrigen Primärenergieverbrauch (der Energiebedarfskennwert gerechnet nach Freiburger Verfahren von 65 kWh/m² ist einzuhalten) und mit lokalen Energiekreisläufen auskommen. Hierauf basiert das Energieversorgungskonzept mit den folgenden Bausteinen: • Reduktion des Wärmebedarfes durch kompakte Bauweise und eine gute Wärmedämmung; • Wärmeversorgung der Gebäude aus einer Heizzentrale mit einem Verteilnetz für das gesamte Quartier; • Erzeugung der Wärme durch eine Wärmepumpe, daher werden Niedertemperaturheizflächen (z. B. Fußbodenheizung) benötigt; • Als Antriebsquelle für die Wärmepumpe soll ein vorhandener Grundwasserbrunnen (Wärmequelle) und ein zu errichtendes Wasserrad (Strom) genutzt werden; • Das Wasserrad wird im östlichen Teil des Grundstückes, im Gewerbekanal errichtet. Es kann transparent eingehaust werden; • Dachflächen des Gebäudes sollen sich für die Integration von Solartechnik eignen. Sowohl thermische Sonnenkollektoren als auch PV-Module sind als Nachrüstung denkbar. Das Quartier verfügt über eine eigene Heizzentrale mit Nahwärmenetz. Die Basis bilden der entlang des Geländes verlaufende Gewerbekanal und der auf dem Grundstück vorhandene ehemalige MEZ-Brunnen. Das ganzjährig zehn Grad Celsius warme Wasser wird mit einer Wärmepumpe auf die notwendige Temperatur gebracht. Die elektrische Antriebsenergie für die Wärmepumpe wird durch eine Wasserschnecke im Gewerbekanal erzeugt. Diese ökologischen Komponenten sowie eine Holzpellet-Heizung für winterliche Spitzenheizlasten machen das ImmoKlima 100 System sehr wirtschaftlich. Die Fußbodenheizung kann im Sommer auf Wunsch einen Kühleffekt (um zwei Grad) in den Wohnungen erzeugen. Dafür wird kaltes Wasser durch die Heizungsrohre gepumpt. Das System ist unabhängig von fossilen Energieträgern. Dadurch wird eine CO2Reduzierung um 90 Prozent erreicht. Zusätzlich bietet das Konzept der Nahwärmeversorgung eine einfache Möglichkeit, in der Zukunft weitere neue Energietechniken mit einzubinden. Die Umsetzung und Bewirtschaftung erfolgt durch den regionalen Energieversorger Badenova Wärmeplus GmbH & Co. KG. 13.3 SeelbergWohnen in Stutt- gart-Bad Cannstatt Das Projekt - Ausgangssituation Werkstatt: Praxis Heft 79 gefielen die Klarheit und Prägnanz der „Winkelgruppe“ bestehend aus Pflegeheim und betreutem Wohnen und den drei „Wohnwinkeln“, die vielfältige Freiräume und Höfe ausbilden. Zudem wurde die Lage und Größe des Quartiersplatzes und die gute Einbindung des Bestands gelobt. In klimatischer Hinsicht wird laut Umweltgutachten eine klimatische Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Zustand erreicht (Grünflächen, begrünte Dächer etc.). Das neu geschaffene Wohnquartier „SeelbergWohnen“ besteht aus: • 106 Eigentumswohnungen, darunter barrierefreie Wohnungen und Familienwohnungen im Förderprogramm „Preiswertes Wohneigentum für Paare und Alleinerziehende mit Kindern“ der Landeshauptstadt Stuttgart; • 27 Senioren-Eigentumswohnungen im Wohnverbund mit der St. Anna Stiftung; Das etwa 1,6 ha große Terrot-Areal der ehemaligen gleichnamigen Strickmaschinenfabrik liegt in Stuttgart im Seelbergviertel zwischen Wildunger Straße und Daimlerstraße. In der Nähe befindet sich der Bahnhof Bad Cannstatt und der Wilhelmsplatz. • 12 Appartements in einer SeniorenWohngemeinschaft; Nach der Insolvenz der alteingesessenen Strickmaschinenfabrik im Jahr 2001 standen die Gebäude leer. Vorübergehend konnten Teile von Existenzgründern, Vereinen und Künstlern angemietet werden. Das U-förmige Gebäude – das „Blaue Haus“ – wurde von Künstlern zwischengenutzt. Diese Künstlergruppe setzte sich sehr für den Erhalt des ortsbildprägenden Gebäudes ein. 2005 bot die Stadt Stuttgart im Rahmen des TerrotInsolvenzverfahrens dem Siedlungswerk das Areal zum Kauf an. Wegen des nicht so guten Rufs Bad Cannstatts gab es zunächst Unklarheiten darüber, ob das Gebiet erworben werden sollte. • eine Kindertagesstätte mit 6 Gruppen; 2006 wurde vom Siedlungswerk Stuttgart gemeinsam mit der St.-Anna-Stiftung Ellwangen unter der Prämisse „Generationenübergreifendes Wohnen und Arbeiten im Innenstadtquartier“ ein eingeladener Wettbewerb unter zwölf Architekturbüros ausgeschrieben. In der Auslobung – die in engem Kontakt mit der Stadtverwaltung entstand – wurde festgelegt, dass ein Mischgebiet mit generationenübergreifendem Wohnen und nicht störenden gewerblichen Nutzungen entstehen sollte. Die Jury entschied sich für den Entwurf von Ackermann & Raff aus Tübingen. Besonders • 7 Appartements in einer Wohngemeinschaft für Körperbehinderte; • 6 Mietwohnungen im „Blauen Haus“; • ein Pflegeheim mit 50 Pflegeplätzen der St.-Anna-Stiftung. Mitte 2011 waren das Pflegeheim und 127 Wohnungen bezugsfertig, davon 79 Eigentumswohnungen, 28 Seniorenwohnungen und 20 Mietwohnungen, die im Anlagevermögen des Siedlungswerks verbleiben. Im Juli 2011 wurde mit den Bauarbeiten des zweiten Bauabschnitts begonnen, wo bis Herbst 2012 weitere 36 Wohnungen bezugsfertig sein sollen. Abbildung 20: Stuttgart-Bad Cannstadt Seel- bergWohnen Quelle:Siedlungswerk Siedlungswerk Stuttgart Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete In der Karte „Klima-Analyse“ des Umweltatlas der Landeshauptstadt Stuttgart ist das Gebiet als Stadtkern-Klimatop dargestellt. Stadtkern-Klimatope sind durch einen intensiven Wärmeinseleffekt, eine geringe Feuchte, starke Windfeldstörungen, einen problematischen Luftaustausch und eine Schadstoffbelastung der Luft gekennzeichnet. Nach dem Architektenwettbewerb beauftragte das Siedlungswerk EGS-Plan mit der Ausarbeitung eines Energiekonzepts für das Quartier. Darin enthalten waren unterschiedliche Wärmeversorgungsvarianten: • Gas-Brennwertkessel (dezentral); • Gas BHKW + Gaskessel (zentral); • Abwasser-Wärmepumpe + Gas BHKW + Gaskessel (zentral); • Holzpelletkessel + Gaskessel; • Holzpelletkessel + Pflanzölkessel. 101 13.4Projektforschung Die Projektforschung für das ImmoKlima Pilotvorhaben „Klima, Umwelt und Soziales im Leitbild des Sied-lungswerks Stuttgart – Unternehmerische Strategien an den Beispielen „FreiburgLeben“ und Stuttgart „Seelberg Wohnen““ wurde durchgeführt von: WEEBER + PARTNER Institut für Stadtplanung und Sozialforschung Mühlrain 9 70180 Stuttgart Telefon: (0711) 62 00 93 60 Fax: (0711) 62 00 93 89 www.weeberpartner.de wpstuttgart@weeberpartner.de Die Ergebnisse der Projektforschung fanden Eingang in die Bewertungen des vorliegenden Berichts. Abbildung 21: Stuttgart-Bad Cannstadt SeelbergWohnen In der Daimlerstraße wurde ein geeigneter Abwasserkanal gefunden. Das Siedlungswerk konnte sich mit der Stadt Stuttgart über die Nutzung der Abwasserwärme vertraglich einigen. Somit fiel die Entscheidung für die Variante Abwasser-Wärmepumpe, die zwar hohe Investitionskosten und einen zusätzlichen Installationsaufwand bedeutet, jedoch sehr geringe Energiekosten und keine Emissionen. Die Wärmepumpe nutzt die Abwasserwärme zur Versorgung des gesamten Quartiers. Das Gas-Blockheizkraftwerk (BHKW) erzeugt den benötigten Strom zum Antrieb der Wärmepumpe und deckt den restlichen Wärmebedarf ab. Die berechneten Primärenergiebedarfswerte der Gebäude laut Energieausweis betragen für die neu gebauten Mehrfamilienhäuser (als Berechnungsgrundlage diente das Haus 1) 59 kWh/(m2a) und unterschreiten damit die während der Planung gültige EnEV 2007 um 27 %. Das neue Pflegeheim, das ebenfalls einen errechneten Primärenergiebedarf von 59 kWh/(m2a) aufweist, unterschreitet die EnEV-Anforderung um 25 %. Das integrierte, umgenutzte Fabrikgebäude „Blaues Haus“ mit Kindertagesstätte und 25 Wohnungen unterschreitet die EnEV mit 63 kWh/(m2a) um 20 %. Quelle: Siedlungswerk, Weeber+Partner ImmoKlima 102 Werkstatt: Praxis Heft 79 14 Nachhaltige Unternehmensstrategie der Thierergruppe Die Thierergruppe, bestehend insbesondere aus den beiden Unternehmen TPP-Projektentwicklungsgesellschaft mbH und MTP, Günzburg, fokussiert auf umweltverträgliche bzw. energieeffiziente Technologien und auf die Gestaltung eines innovativen Verfahrensansatzes im Rahmen der Baulandentwicklung. Dies wird anhand von drei Projektbeispielen untersucht. Im unternehmerischen Handeln der inhabergeführten Thierergruppe ist die ökologische Zielstellung aus persönlichem Verantwortungsbewusstsein verankert. 14.1 Der Projektrahmen Die TPP als Teil der Thierergruppe ist eine Projekt- und Baulandentwicklungsgesellschaft, die sich im Wesentlichen um die „Urbarmachung“ von problembehafteten innerstädtischen Flächen bemüht. Sehr häufig findet dies im Bereich bereits bestehender Gebäudestrukturen oder bestehender Bauleitplanungen, die nicht zur Realisierung gekommen sind, statt. Im Rahmen einer Baulandentwicklung überträgt die Kommune der Thierergruppe – in der Regel durch Abschluss eines städtebaulichen Vertrages – die Vorbereitung und Durchführung städtebaulicher Maßnahmen. Mit dem Erschließungsvertrag überträgt die Kommune die technische Durch- führung und kostenmäßige Abwicklung der Erschließung eines Baugebietes auf einen Dritten. Der Kommune entstehen dabei keine Aufwendungen, so dass keine Erschließungsbeiträge erhoben werden müssen. Der Herstellung der Erschließungsanlage durch den Erschließungsträger steht gleichsam als kommunale Gegenleistung die Beitragsbefreiung gegenüber. Der Erschließungsträger refinanziert sich ausschließlich durch den Verkauf der Grundstücke. Dieses Verfahren bezeichnet Thierergruppe als „Ankaufverfahren“, da üblicherweise die Grundstücke von Thierergruppe vor der Erschließung gekauft werden, dann im eigenen Risiko im Einvernehmen mit der Gemeinde erschlossen und nach Fertigstellung der Erschließungsanlage zur Refinanzierung verkauft werden. Tabelle 13: Thierergruppe: Das Wichtigste in Kürze Name des Akteurs + Sitz Thierergruppe (TPP Projektentwicklungsgesellschaft mbH und MTP Wohn- und Gewerbebau GmbH), Günzburg Eigentümerstruktur GmbHs im Eigentum eines privaten Eigentümers GrößedesUnternehmens 9 Mitarbeiter Zentrales Geschäftsfeld des Unternehmens Baulanderschließung, Projektentwicklung Nutzungen Wohnen, Gewerbe, Konversion Projekt 1 + Standort Günzburg, ehem. Radbrauerei, Wohnpark „ Residenz Bellevue“ Projektziel Entwicklung einer innerstädtischen Gewerbebrache zu hochwertiger und attraktiver Wohnnutzung unter energetischen und ökologischen Gesichtspunkten Art des Projekts Projektentwicklung GrößeundNutzung 35 WE, nur Wohnnutzung Lage Zentral, Rand der Altstadt Projekt 2 + Standort Augsburg, Lechrainstraße, „Lechpark Hochzoll“ Projektziel Entwicklung einer innerstädtischen Gewerbebrache zu hochwertiger und attraktiver Wohnnutzung unter energetischen und ökologischen Gesichtspunkten Art des Projekts Projektentwicklung GrößeundNutzung 8.000 m², 21 WE, 20 RH, 3 EFH Lage Wohnquartier, Stadtrand Projekt 3 + Standort Günzburg, ehem. Kaserne, Prinz-Eugen-Park (PEP) Projektziel Entwicklung einer Konversionsfläche mit Realisierung von vier Nutzungsbereichen Art des Prokekts Projektentwicklung GrößeundNutzung 28 ha, Wohnen, Gewerbe, Beherbergung, Büro, Energieerzeugung Lage Stadtrand/Gewerbegebiet (ehemal. Kaserne) Quelle: Eigene Darstellung Thierergruppe Das Ziel der geringstmöglichen Flächenversiegelung bei der Ausweisung von Bauland ist nach dem Verständnis der Thierergruppe bereits in der Bauleitplanung zu berücksichtigen. Dadurch verbleiben mehr Flächen ohne eine Oberflächenversiegelung. Es entsteht mehr Nettobauland für mehr Wohneinheiten und damit eine wirtschaftlichere Nutzung der vorhandenen Flächen bei gleichzeitiger Schonung der Umwelt. Die Ausführung von begrünten Flachdächern unterstützt die Regenrückhaltung und entlastet entweder die Versickerungsanlagen oder die städtischen Klärwerke. Damit sind sowohl klimaschützende wie auch klimaanpassende Maßnahmen allein durch eine sorgfältige Bauleitplanung zu erreichen. So geplante Baulanderschließungskonzepte schaffen zudem eine Kleingliedrigkeit, die sich bei Wohnnutzungen in einem sehr verkehrsberuhigten und behaglichen Wohnumfeld widerspiegelt. Die Grundsätze der Projektentwicklungsphilosophie bestehen in der Schaffung von neuen Lösungsansätzen in der Projektentwicklung durch detaillierte Analyse der Ausgangssituation, im Ausloten von Handlungsspielräumen, im Mut zu ungewohnten Wegen und kreativen Lösungen, in einem hohen Maß an Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit, im fundierten Wissen um den Markt bzw. die jeweiligen lokalen Teilmärkte, im Wissen um die technischen Möglichkeiten und im durch langjährige Erfahrung getragenen Wissen um die Wohnbedürfnisse der Kunden. 14.2 Residenz Bellevue in Günz- burg Das Areal, auf dem der Wohnpark Residenz Bellevue realisiert werden soll, liegt am Rand der Altstadt von Günzburg (20.000 Einwohner), die vom Standort aus fußläufig zu erreichen ist. Nach der Bevölkerungsprognose des Bayerischen Statistischen Landesamtes geht die Einwohnerzahl im Landkreis Günzburg in den nächsten zwanzig Jahren (2009 - 2029) um rd. 3 % zurück – entgegen dem positiven Trend in anderen Landesteilen. Hiervon dürfte auch die Stadt Günzburg negativ betroffen sein. Gleichzeitig wird der Anteil der älteren Bevölkerung im Landkreis und in der Stadt deutlich wachsen und somit ist die Entwicklung von adäquaten Wohnangeboten für Ältere eine wichtige Zukunftsaufgabe. 103 Das Projekt – Ausgangssituation Die bestehenden Gebäude auf dem ehemaligen Brauereiareal werden abgerissen und es entstehen vier neue Wohngebäude mit 35 Wohnungen und Tiefgarage. Projektträger ist die MTP Wohn- und Gewerbebau GmbH. Die Zugänge zu den Wohnungen werden schwellenfrei gestaltet und erfüllen somit Ansprüche der angestrebten Hauptnachfragegruppe Senioren: Haushalte ab 55 Jahren, die ihr Einfamilienhaus verkaufen und einen zentraleren Standort suchen. Zwischen den Gebäuden wird ein großer Grünzug angelegt als parkähnliche Verbindung der bestehenden Grünanlagen und Weiterführung des Grünkonzeptes der Stadt Günzburg. Alle Gebäude sind mit den Tagesbereichen nach Süd und Südwest ausgerichtet, die Schlafräume nach Norden und Osten. Auf Grund des zentralen Standortes, der Objektqualität einschließlich der energetischen Konzeption kann unter Fokussierung auf die genannte Zielgruppe mit Preisen von bis zu 3.000 €/ qm Wohnfläche in der Residenz Bellevue ein Verkaufspreisniveau oberhalb des marktüblichen Niveaus (2.000 – 2.200 €/qm Wohnfläche) angeboten werden. Die größte Herausforderung bei der Entwicklung des Vorhabens der Residenz Bellevue lag in der erforderlichen Grundstücksarrondierung, da das Areal fünf Einzeleigentümern gehörte. Eine weitere Herausforderung lag in den Kosten der Grundstücksaufbereitung. Auf Grund der Lage des Areals am Fuß eines Hangs mussten bei der Entwicklung Hangsicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, da ansonsten die Gefahr bestand, dass der Hang nach Abriss der Bestandsgebäude aus statischen Gründen auf die Fläche rutscht. Aus üblicher Ingenieurs-Perspektive gab es zwei Alternativen: zum einen, vor dem Abriss des Gebäudes eine Betonspundwand (eine etwa einen halben Meter dicke Wand, die 6 - 7 Meter oberirdisch sichtbar und 3 - 5 Meter im Erdreich verankert wäre) zu errichten, zum anderen eine so genannte Injektionswand (60 Bohrpfähle mit einer Tiefe von jeweils 16 Metern) einzubringen. Aufgrund der damit verbundenen zu hohen Kosten und auf Grund der Nachteile, die mit den herkömmlichen Lösungen verbunden wären, bestand erheblicher „Druck eine alternative Lösung zu finden“. Diese bei der Thierergruppe intern gefundene Lösung bestand dann darin, eine Masse (800 m³ Be- ImmoKlima 104 Werkstatt: Praxis Heft 79 Abbildung 22: Residenz Bellevue in Günzburg: Bilder aus dem Quartier Quelle: Thierergruppe ton) zwischen dem Bestandsgebäude und dem Hangfuß einzubringen, die genau der Masse des Bestandsgebäudes entspricht und somit unter statischen Gesichtspunkten eine Hangrutschung vermeidet. Es wurde dann im Weiteren überlegt, „wie man die Schwerlastwand zusätzlich nutzen kann“. Im Ergebnis dieser Überlegungen stand die Idee, die Betonmasse unter energetischen Gesichtspunkten zu nutzen, Heizschleifen in den Beton einzugießen und diese mit Wasser zu befüllen und für Wärmeerzeugung im Winter sowie Kühlung im Sommer zu nutzen. Nachdem das letzte Grundstück des Areals im Juli 2011 vom Projektträger gekauft wurde, wurde der Bauantrag im August 2011 gestellt, und nach Genehmigung startete der Verkauf der ersten Wohnungen im unmittelbaren Anschluss. Mittlerweile sind (Stand Februar 2012) 60 % der Wohneinheiten in der Residenz Bellevue vermarktet. Projektziele Das Projektziel der Thierergruppe bestand – der Firmenphilosophie folgend – darin, ein Grundstück in der Innenstadt von Günzburg „urbar“ zu machen, d. h. eine inhaltlich und wirtschaftlich tragfähige Projektkonzeption zu entwickeln – was anderen Projektentwicklern bislang nicht gelungen war. Dabei soll dieses Projekt positiv zur Innenstadtentwicklung beitragen, hohen energetischen und ökologischen Ansprüchen genügen und ein attraktives Angebot bieten für die von der Thierergruppe besonders in Fokus genommenen Zielgruppe der „best agers“, die in die Innenstadt zurückziehen. Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete Die Gebäude wurden als KfW 70-Haus nach EnEV 2009 realisiert. Durch einen gerin- geren Energieverlust als in der EnEV 2009 vorgeschrieben sowie der Unterschreitung der Wärmeabgabe der wärmedämmenden Hülle – als Förderkriterium nach den Richtlinien der KfW-Bank – spricht die Thierergruppe davon, ein Projekt realisiert zu haben, dass „eine Stufe besser ist“ als die EnEV 2009 (Klimaschutz). Aus klimatischen Gründen werden im Südwesten außen liegende Verschattungselemente installiert (Klimaanpassung), die Fenster zu den übrigen Himmelsrichtungen erhalten Rollläden. Zur Vermeidung von Wärmebrücken werden die Balkone vorgestellt (Klimaschutz). Zur Regenwasserrückhaltung und positiven Beeinflussung des Klein- und Mikroklimas werden auf den Dächern großflächig Dachbegrünungen gepflanzt (Klimaanpassung). Zwei Blockheizkraftwerke (je 4,7 kW) im Projekt liefern eine 70 %ige Grundlast der Wärmeenergie, Gasbrennwertkessel decken die Spitzenlasten ab. 50 % des Strombedarfs werden durch die BHKW abgedeckt, der übrige Strom wird extern eingekauft (Klimaschutz). Die aus statischen Gründen eingebrachte Beton-Schwerlastwand ist ebenfalls Bestandteil des energetischen Konzeptes. Im Beton werden Rohrschlangen eingebracht, in denen Wasser in den Kreislauf der Gebäude geführt wird. Im Winter hat das Wasser auf Grund dieser besonderen Konstruktion eine – im Vergleich mit einer herkömmlichen Wasserzuführung – erhöhte Temperatur von 8 - 12° C, so dass die Erhitzung für die Fußbodenheizung der Wohnungen weniger Energie verbraucht (Klimaschutz). Das gleiche Prinzip sorgt umgekehrt im Sommer dafür, dass das Rohrsystem in den Fußböden der Wohnungen zur Kühlung dient: hier liegt die Temperatur bei 12° C. In Thierergruppe einem herkömmlichen System müsste das Wasser zur Nutzung im Fußbodensystem erst energieaufwändig gekühlt werden (Klimaschutz und -anpassung). Der Stromverbrauch wird zentral für alle Wohnungen erfasst und kann im Tagesund Wochenverlauf dargestellt werden. Die Verwaltung (in den ersten drei Jahren wird dies von der Thierergruppe übernommen) kann dann die Bewohner auf Optimierungsmöglichkeiten hinweisen, die im Ergebnis zu einer besseren Verteilung der Stromverbrauchs führen soll, so dass der im Projekt produzierte Strom in hohem Maße von den Bewohnern genutzt wird (Klimaschutz). Über den Contractor GETEC besteht das Angebot, Green Gas einzukaufen. Alternativ kann auch das Biogas-Angebot des Anbieters Erdgas Schwaben zum Betrieb der BHKWs eingesetzt werden (Klimaschutz). Auf einen Einbau einer Wärmepumpe wurde aus Kostengründen verzichtet. Demgegenüber wurde der Nutzen als zu gering bewertet. 14.3 Lechpark in Augsburg- Hochzoll Auf einem 8.000 qm großen, vormals gewerblich genutzten Grundstück an der Lechrainstraße, hat die Thierergruppe im Zeitraum von 2004 - 2007 die Wohnanlage „Lechpark Hochzoll“ realisiert. Das Grundstück gehörte dem Bezirk Schwaben, der dort bis 2004 eine Gehörlosenschule betrieben hatte. Im Kontext des Baus eines neuen Gehörlosenzentrums in zentralerer Lage durch die Stadt Augsburg wurde die Schule in der Lechrainstraße nicht mehr benötigt. Der Bezirk Schwaben hatte mit der Stadt Augsburg vereinbart, den Neubau des Gehörlosenzentrums sowie den Bau eines Museums mit zu fördern. Es wurde vereinbart, dass der Wert des Grundstücks in der Lechrainstraße der Zuschuss des Bezirks Schwaben für die Stadt Augsburg ist. Das Areal liegt 4 - 5 km östlich der Augsburger Innenstadt in fußläufiger Nähe zum Ufer des Lech. Westlich an das Grundstück grenzt eine Parkanlage an. Nördlich befinden sich Einfamilienhäuser, südlich liegen Genossenschaftsbauten. Das Projekt – Ausgangssituation Im Lechpark in Augsburg-Hochzoll wurden unterschiedliche Wohnformen realisiert: 105 21 Wohnungen, 20 Reihenhäuser für 2- bis 5-Personenhaushalte und 3 freistehende Einfamilienhäuser. Die Gebäude haben eine Nord-Süd Ausrichtung und eine entsprechende Orientierung der Schlafräume nach Osten/Norden und der Tagesbereiche nach Süden/Westen. Das Konzept umfasste eine optimale Baulandnutzung bei geringstmöglicher Versiegelung, Regenwasserversickerung, Dachbegrünung zur Regenwasserrückhaltung, teilw. Nutzung als Dachterrassen, KfW 60 (EnEV2004), Pelletheizung + Solarthermie für alle Wohneinheiten, kontrollierte Be- und Entlüftung, begrünte Dächer und Baustoffe mit Umweltsiegel „Blauer Engel“. Die Thierergruppe hat außerdem die Ausarbeitung des kompletten Erschließungs- und Grünordnungskonzeptes übernommen, um unter rechtlichen praktischen, ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten umfassenden Einfluss auf die Projektentwicklung zu haben. Die Reihenhäuser wurden in einer Spanne von rd. 225.000 bis 330.000 € verkauft, die Geschosswohnungen lagen im Schnitt bei etwa 2.600 €/qm und reichten in der Spitze bis knapp 3.000 €/qm. Im Zeitraum von 3 - 4 Monaten nach der Wettbewerbsentscheidung wurde der Versiegelungsgrad mit dem Ziel, eine größere Nettobaufläche zu erreichen, weiter reduziert. Dies geschah durch eine frühzeitige, intensive und proaktive Kommunikation mit den relevanten Trägern öffentlicher Belange, d. h. insbesondere der Müllabfuhr, der Feuerwehr und dem Rettungsdienst. Im Unterschied zum herkömmlichen Herangehen wurde die Diskussion persönlich zwischen der Thierergruppe und den jeweiligen Stellen geführt. Umsetzungsprobleme konnten unmittelbar besprochen werden, und neue Lösungen ergaben sich auch in den Gesprächen. Ein wichtiger Punkt nach Einschätzung der Thierergruppe war auch, dass sie die Träger nach alternativen Lösungsvorschlägen gefragt hat, um so erst gar nicht eine ausschließliche Verteidigungshaltung der Akteure und ein Beharren auf vermeintlichen Vorschriften herauszufordern (vom DAD „decide - announce - defend“ zum EED „engage - deliberate - decide“). Im Ergebnis konnte so erreicht werden, dass die o. g. Träger nicht mehr mit sehr großen Fahrzeugen in das Gebiet hereinfahren müssen, sondern kleinere Fahrzeuge verwenden, was dann auch wieder eine geringere erforderliche Verkehrsfläche und somit einen geringeren Versiegelungsgrad zur Folge hat. ImmoKlima 106 Dabei konnten mehrere hundert qm Grundstücksfläche eingespart werden, die dann wieder als bebaubare Fläche genutzt werden konnte. Der Lechpark Hochzoll wurde im Jahr 2007 fertig gestellt. Alle Wohneinheiten sind verkauft und bezogen. Projektziele auf dessen Wettbewerbsfähigkeit hat. Zudem eröffnet die „Gestaltungshoheit“ über die Erschließung die nach dem Selbstverständnis der Thierergruppe zwingend erforderlichen Spielräume zur Umsetzung von über den Marktstandards liegenden Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen im jeweiligen Vorhaben. Der Lechpark Hochzoll in Augsburg spricht verschieden Zielgruppen an. Dabei sind v. a. Familien in die Reihen- und Einfamilienhäuser gezogen und Ein- und Zweipersonenhaushalte in die Geschosswohnungen. Der Lechpark Hochzoll positionierte sich im Augsburger Markt als Wohnprojekt mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Der innovative Ansatz in diesem Projekt im Hinblick auf den Klimawandel liegt insofern im planerischen Prozess, der schließlich zu einer Flächeneinsparung in Verbindung mit einem möglichst geringen Versiegelungsgrad geführt hat. Entscheidende Stellschraube war der kreative Umgang mit den Definitionen der Mindestanforderungen an die Dimensionierung der Verkehrsflächen. Für die Thierergruppe liegt ein zentraler Ansatz für Wirtschaftlichkeit in der Maxime: Die Erschließung folgt dem Projekt und nicht umgekehrt. Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete Ein zentrales Ziel lag daher auch in diesem Projekt darin, die Kontrolle über das Erschließungskonzept zu erhalten, da dieses wesentlichen Einfluss auf Qualität und Wirtschaftlichkeit des Projekts und damit Abbildung 23: Lechpark in Augsburg-Hochzoll Quelle:Thierergruppe Werkstatt: Praxis Heft 79 Aus den vorliegenden Klimaprognosen für den süddeutschen Raum lassen sich nur wenige Anknüpfungspunkte ableiten, die eine Betroffenheit des Areals des Lechpark Hochzoll durch den Klimawandel definieren können. Thierergruppe Die Gebäude sind als Niedrigenergiehaus 60 KWh konzipiert. Durch einen geringeren Energieverlust als in der damals geltenden EnEV 2004 sowie der Unterschreitung der Wärmeabgabe der wärmedämmenden Hülle (Qp) als Förderkriterium nach den Richtlinien der KfW-Bank spricht die Thierergruppe davon, ein Projekt realisiert zu haben, das „eine Stufe besser“ ist als die damalige EnEV 2004 (Klimaschutz). Der kompakte Baustil ermöglicht ein günstiges Außenhülle/Volumen-Verhältnis, so dass der Energiebedarf reduziert wird (Klimaschutz). Die südliche Orientierung der Gebäude erlaubt eine optimale passive thermische Nutzung der Sonnenenergie (Klimaschutz). Wärmeschutzverglasung (k-Wert 1,1) ermöglicht es, die eingestrahlte Sonnenwärme im Hausinneren effizient zu nutzen (Klimaschutz). Die Außenwanddämmung wurde als Kalksandstein mit Vollwärmeschutz mit 12 - 14 cm Dämmung ausgeführt (Klimaschutz und Klimaanpassung). Ein Kontrolliertes Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung wurde eingebaut (Klimaschutz und Klimaanpassung). Zur Wärmeversorgung des Lechpark Hochzoll wurde eine 270 kW-Biomasse-Heizzentrale mit solarthermischer Unterstützung der Brauchwassererwärmung errichtet. Hierzu wurde eine 25 qm große solarthermische Anlage auf dem Dach des Mehrfamilienhauses realisiert. Diese Anlage deckt entsprechend den ingenieurtechnischen Untersuchungen 100 % des Wärmebedarfs der Anlage ab (Klimaschutz). Die Reihenhäuser wurden, wo möglich, mit einer Dachbegrünung zur Regenwasserrückhaltung und zur positiven Beeinflussung des Mikroklimas ausgestattet. Einige Reihenhäuser erhielten Dachterrassen (Klimaschutz und Klimaanpassung). Darüber hinaus wurde bei der Konzeption und Vermarktung auf das Thema Wohngesundheit besonderer Wert gelegt. Eine aktive Regulierung der Raumfeuchtigkeit, eine gleichmäßige Raumtemperatur und ein insgesamt gutes Raumklima wurden mittels der Mischung aus zweischaliger Bauweise, kontrollierte Be- und Entlüftung und durch begrünte Dächer erreicht. Die ausgewählten Baustoffe tragen das Umweltsiegel „Blauer Engel“ (Klimaschutz und Klimaanpassung). 107 14.4 Prinz-Eugen-Park (PEP) in Günzburg Das Konversionsprojekt „Prinz-Eugen-Park“ (PEP) in der bayerischen Kreisstadt Günzburg liegt rd. 3 km nördlich der Günzburger Innenstadt und umfasst eine Fläche von 28 ha. Das Projekt – Ausgangssituation Der Vorhaben- und Entwicklungsplan für den PEP sieht die Realisierung von vier Nutzungsbereichen vor: • Freizeit, Sport und Erholung • Entertainment, Unterhaltung, Messeveranstaltungen • Schulung, Bildung und spielerische Wissenschaftsvermittlung bei Kindern • Gewerbe, Lagerfläche, Parkhaus, Ausstellung, Biomasse-Heizkraftwerk Der Freizeit- und Entertainmentbereich mit einem um einen See angelagerten Feriendorf (Villagio) liegt im südlichen Bereich des PEP, das Thema Energie (Biomasse-Heizkraftwerk) ist zusammen mit gewerblichen Nutzungen im nördlichen Abschnitt der Liegenschaft vorgesehen. In der ursprünglichen Planung war vorgesehen, den PEP ausgehend von den Freizeitbereichen zu entwickeln, um so auch dem Entwicklungsleitbild des PEP eines multifunktionalen Freizeit-, Sport-, Entertainment- und Schulungspark frühzeitig gerecht zu werden. Ein Teil des Areals des PEP wird von gewerblichen Unternehmen mit befristeten Mietverträgen genutzt. Diese Bestandsgebäude werden mit photovoltaischen Anlagen und Fassadenmodernisierungen ertüchtigt. Im Hinblick auf die Vermarktung der Energie ist vorgesehen, neben dem Eigenverbrauch durch das Energie herstellende Unternehmen auch private Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen zu bedienen. Mit der Gemeinde Günzburg wird an einem Konzept zur Rekommunalisierung der Energieversorgung gearbeitet. Energieintensive Unternehmen sollen für den Standort gewonnen werden. Angesichts der geringen Resonanz von Investoren im Freizeitbereich wurde bereits im Herbst 2011 die Entwicklungsstrategie überarbeitet und die baurechtliche Umnutzung der für das Feriendorf vorgesehenen Flächen zu Gewerbeflächen bei der Stadt Günzburg beantragt. ImmoKlima 108 Werkstatt: Praxis Heft 79 Abbildung 24: Prinz-Eugen-Park (PEP) in Günzburg: Vorhaben- und Erschließungsplan Quelle: Thierergruppe und Stadt Günzburg Eine weitere Änderung hat sich in Bezug auf das ursprünglich geplante Biomasse-Kraftwerk auf dem Areal ergeben. Vor dem Hintergrund des gestiegenen Holzpreises stellt sich der Kraftwerksbetrieb als nicht mehr wirtschaftlich dar, so dass hierauf verzichtet wird. Darüber hinaus werden – auch in Zusammenarbeit mit dem Regierungsbezirk Schwaben – für die leer stehenden Unterkunftsgebäude auf dem Areal temporäre Nachnutzungsmöglichkeiten gesucht. Projektziele Günzburg ist Standort von Legoland Deutschland, dem mit mehr als 1,5 Mio. Besuchern pro Jahr viertgrößten Freizeitpark Deutschlands. In Günzburg ist eine Vielzahl von Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe ansässig. Das Umfeld des Gewerbegebietes Donauried besteht zudem aus zahlreichen Lebensmittel verarbeitenden Betrieben auch von nationaler Bedeutung (Zott Molkerei, Lieken Backwaren, HaVi als McDonalds Exklusivlieferant, Rad Brauerei, Küchle Backoblaten etc.). Hierdurch ergeben sich außerordentlich interessante Wärme-, Kälte- und Stromabnehmer. Die Ansprache dieser Kunden war der Ausgangspunkt für die ursprüngliche Projektkonzeption. Im Juli 2006 leitete die Bezirksregierung von Schwaben das Raumordnungsverfahren für den PEP, einem „multifunktionalen Freizeit-, Sport-, Entertainment- und Schulungspark“ ein. Währenddessen wurde das Grobkonzept des PEP von der Thierergruppe verfeinert. 2006 wurde, als weiteres Modul des Nutzungskonzeptes im Prinz-Eugen-Park, ein Biomasse-Heizkraftwerk (26 MW) mit aufgenommen. Vor dem Hintergrund der sich in jüngster Zeit abzeichnenden Entwicklungshemmnisse für den Freizeitbereich des PEP gibt es alternative bzw. weiterführende Überlegungen, die an dem im PEP angedachten Energiethema (Blockheizkraftwerk) ansetzen und in Abstimmung mit einer kommunalen Strategie gegenwärtig entwickelt werden. Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete Aus den vorliegenden Klima-Prognosen für den süddeutschen Raum lassen sich nur wenige Anknüpfungspunkte ableiten, die eine Betroffenheit des Areals des PEP durch den Klimawandel definieren. Einzige Ausnahme sind Hochwasser der Donau. Im Ergebnis eines voll ausgebauten PEP wird die versiegelte Fläche auf dem 28 ha großen Areal geringer sein als zur Zeit der ehemaligen Kaserne. Dies wird erreicht durch einen teilweisen Abbruch der Gebäude, deren Flächen dann nicht wiederbebaut, sondern Grünflächen werden. So entsteht Thierergruppe bspw. im Südwesten des Grundstücks ein großer See mit angrenzenden unbebauten Uferbereichen. Ein nennenswerter Teil der ehemaligen Kasernengebäude wird nicht abgerissen, sondern modernisiert/saniert und neuen Nutzungen zugeführt. Der PEP liegt im Einzugsbereich der Donau. Zu diesem Zweck sind Schutzmaßnahmen im Süden vorgesehen. Durch den auf dem Grundstück liegenden Freizeitsee im Südwesten des Grundstücks verfügt der PEP über eine entsprechende Retentionsfläche, in die ein Hochwasser gezielt eingeleitet werden kann. Der PEP ist für die Thierergruppe Impuls für eine Neuausrichtung des Energiekonzeptes der Stadt Günzburg. Zu diesem Zweck stehen im nordwestlichen Bereich des PEPAreals Flächen für ein Biomasse-Kraftwerk rd. 35.000 qm zur Verfügung, auf denen bis zu 30 MW Feuerungsleistung über Holzhackschnitzel als Brennstoff und für die redundante Absicherung weitere 20 MW über fossile Brennstoffe/Erdgas installiert werden dürfen. Neben der Versorgung des 109 PEP bietet sich die Chance, Teile des nahen Gewerbegebietes Donauried mitzuversorgen. Diese Maßnahme ist eingebunden in eine Energieversorgungsstrategie der Stadt Günzburg. 14.5Projektforschung Die Projektforschung für das ImmoKlima Pilotvorhaben „Nachhaltige Unternehmensstrategie der Thierergruppe Projektentwicklungsgesellschaft mbH, Günzburg anhand ausgewählter Beispiele“ wurde durchgeführt von: empirica Forschung und Beratung Kurfürstendamm 234 10719 Berlin Telefon: (030) 88 47 95-0 Fax: (030) 88 47 95-17 www.empirica-institut.de berlin@empirica-institut.de Die Ergebnisse der Projektforschung fanden Eingang in die Bewertungen des vorliegenden Berichts. ImmoKlima 110 Werkstatt: Praxis Heft 79 15 Solarenergetische Siedlung Marienhöhe in Erfurt: Projektentwicklung einer solarenergetischen Siedlung Im Westen der Erfurter Kernstadt soll auf einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche von ca. 10 ha ein neues hochwertiges Angebot entstehen – vorbildlich in Bezug auf Klimaschutz und -anpassung, Städtebau, Verkehrskonzept und Wirtschaftlichkeit. Der Standort gilt als Premiumstandort für eine Wohnungsbauentwicklung. Er zeichnet sich durch eine sehr gute ÖPNVAnbindung, die Nähe zum Stadtzentrum sowie seine Südhanglage und den damit verbundenen Blick auf die Erfurter Altstadt aus. Abbildung 25: Marienhöhe in Erfurt, Lageplan Quelle: Landeshauptstadt Erfurt 15.1 Das Projekt – Ausgangssituation Projektträger des Projekts „Solarenergetische Siedlung Erfurt Marienhöhe“ ist die Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH (LEG Thüringen). Die LEG kann da- bei ihre langjährige Erfahrung beim Ausbau des Technologie- und Wirtschaftsstandortes Thüringen und aus der Baulandentwicklung einbringen. Alleiniger Gesellschafter ist der Freistaat Thüringen. Die Landeshauptstadt Erfurt ist in doppelter Funktion Projektpartner: als Eigentümer (Amt für Grundstücks- und Gebäudeverwaltung) und als Träger der Planungshoheit (Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung). Schoppe/ Dr. Anton GbR sind zwei private Projektentwickler, die seit acht Jahren erfolgreich in der Immobilienentwicklung tätig sind. Der städtische Anteil an dem Gebiet beträgt 6,93 ha (64 %), der der LEG 2,92 ha (27 %) und derjenige der Schoppe/Dr. Anton GbR 1 ha (9 %). Das für die Projektentwicklung vorgesehene Grundstück liegt westlich des Stadtzentrums in einer Südhanglage auf einer Anhöhe mit Blick auf die Altstadt der Landeshauptstadt Erfurt. Das Gebiet wird im Norden begrenzt durch die stark befahrene Tabelle14:Erfurt-Marienhöhe:DasWichtigsteinKürze Name des Projektträgers + Sitz LEG Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH, Erfurt Eigentümerstruktur 242 Mitarbeiter, 9 Auszubildende, Wohnen: ca. 1.500 Einheiten, Gewerbeflächen: ca. 120.000 m² + weitere Geschäftsfelder GrößedesUnternehmens 242 Mitarbeiter, 9 Auszubildende, Wohnen: ca. 1.500 Einheiten, Gewerbeflächen: ca. 120.000 m² + weitere Geschäftsfelder Zentrales Geschäftsfeld des Unternehmens Stadt- und Regionalentwicklung; Entwickeln, Verwalten und Vermarkten von Immobilien und Konversionen; Akquisition, Technologie, Internationale Kon-takte und Marketing; Unternehmer- und Fachkräfteservice; Wirtschaftsförderung Nutzungen Wohnen, Gewerbe, Industrieimmobilien Projekt + Standort Erfurt: „Solarenergetische Siedlung Erfurt Marienhöhe; Projektentwicklung einer solarenergetischen Siedlung Projektziel Drei Grundstückseigentümer – die LEG Thüringen, die Landeshauptstadt Erfurt und die Schoppe/ Dr. Anton GbR – planen gemeinsam die Entwicklung einer solarenergetischen Siedlung am Standort „Marienhöhe“. Art des Projekts Projektentwicklung GrößeundNutzung 10 ha, 60 bis 80 WE, nur hochwertige Wohnnutzung Lage Innenstadtrand, bisher landwirtschaftlich genutzte Fläche im Westen der Erfurter Kernstadt Quelle: Eigene Darstellung Erfurt: Marienhöhe 111 Abbildung 26: Gelände Marienhöhe in Erfurt Quelle: Weeber+Partner Binderslebener Landstraße. Auf dieser verläuft auch die Stadtbahnlinie. Die Bebauung nördlich der Straße ist seit den 1930er Jahren entstanden und städtebaulich sehr heterogen. Im Westen bildet die Grenze der städtische Hauptfriedhof. Im Süden grenzt der Brühler Herrenberg an, dort ist in den 1990er Jahren eine Wohnsiedlung entstanden; ab 2007 wurde dort auch die „Solarund Ökosiedlung am Bonifaciusbrunnen“ mit 12 Einfamilienhäusern entwickelt. Das Gebiet verfügt über eine sehr gute Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr: Die Stadtbahn verkehrt im 10-MinutenTakt, die Fahrzeit ins Stadtzentrum beträgt 10 Minuten. Zwei Haltestellen im Radius von 450 m befinden sich in fußläufiger Entfernung von der Marienhöhe. Verkehrsgünstig gelegen ist das Gebiet auch im Blick auf den PKW-Verkehr, nicht zuletzt durch die Nähe zum Flughafen. Allerdings sorgt der Fluglärm für Beeinträchtigungen. Durch die Nähe zum Stadtzentrum – Fahrzeit zum Hauptbahnhof 13 Minuten – sind auch die guten überörtlichen Bahnverbindungen (ICE) leicht erreichbar. Die Überlegungen für eine Bebauung auf der Marienhöhe reichen schon lange zurück. Seit der Zeit nach der „Wende“ wurden die Möglichkeiten immer wieder diskutiert. 1990 wurde ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan „Bei dem Kreuzchen/ Am Schleifwege“ gefasst, 1997 ein Rahmenplan entwickelt, aber nicht vom Stadtrat beschlossen. Die neuerlichen Überlegungen wurden durch Initiativen aus dem Stadtrat angestoßen. Der größte Teil des Grundstücks war bereits in städtischem Eigentum, eine weitere Teilfläche wurde 1997 von der LEG erwor- ben. Im Jahr 2007 führte die Landeshauptstadt Erfurt einen vorbereitenden Workshop zur Eignung des Standorts als Pilotprojekt zu Klimaschutz und Klimaanpassung mit Vertretern der Immobilienbranche und Forschungseinrichtungen durch; dabei gab es auch kontroverse Positionen zur Bebauung der bisher landwirtschaftlichen Fläche. Zur Vorbereitung des Projekts hat die Stadt ein Gutachten zur solarenergetischen und energieeffizienten Bauleitplanung erstellen lassen. Außerdem hat die Stadt ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet, um die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Entwicklung zu schaffen und gleichzeitig die ökologischen Ziele zu verankern. Der Aufstellungsbeschluss wurde 2009 mit großer Mehrheit gefasst, der frühere Aufstellungsbeschluss von 1990 wurde aufgehoben. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan mit den jeweiligen Einzeleigentümern war politisch nicht gewollt, weil auf eine ganzheitliche Entwicklung des gesamten Geländes Wert gelegt wurde. Mit dem Begriff „Marienhöhe“ verbindet sich in Erfurt vor allem die beliebte Kleingartenanlage gleichen Namens. Sie soll großenteils erhalten bleiben. Das Projekt mit voraussichtlich 60 bis 80 Wohneinheiten wird von den Grundstückseigentümern LEG Thüringen mbH, der Landeshauptstadt Erfurt und der Schoppe/Dr. Anton GbR, Erfurt, gemeinsam entwickelt und soll zeigen, wie sich Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung wirtschaftlich umsetzen lassen und den Bedürfnissen neuer Nutzergruppen entgegenkommen – in Verbindung von technischen energetischen Lösungen, intelligentem Städtebau und innovativem Verkehrskonzept. ImmoKlima 112 Weitere Kooperationspartner sind • die Stadtwerke Erfurt Energie GmbH als lokaler Energieversorger, die ggf. als Betreiber gemeinschaftlicher Energieversorgungsanlagen gewonnen werden sollen, • das Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (TMBLV), Ref. 51 demografischer Wandel und Monitoring, Klima- und Umweltschutz, als zuständiges Fachministerium im Freistaat Thüringen. Der ursprüngliche Zeitplan sah vor, dass im Herbst 2011 • alle Fachbeiträge und Gutachten im Rahmen der Aufgabenstellung für den städtebaulichen und solarenergetischen Wettbewerb in eine Gesamtstrategie integriert sind, • die Ergebnisse des Wettbewerbs vorliegen, • die baulichen Standards der Klimaschutzund Klimaanpassungsstrategien definiert, auf Realisier-barkeit geprüft sind, • die Instrumente und Strategien zur Umsetzung der Umweltziele (u. a. Festsetzungen im Bebauungsplan, städtebauliche Verträge, zivilrechtliche Instrumente u. a.) definiert und vorstrukturiert sind, • vertragliche Vereinbarungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 BauGB für Betrieb und Nutzung von Gemeinschaftsanlagen (Solarkraftwerk, Regenrückhaltungs- und Versickerungsanlagen) konzipiert sind, • Voraussetzungen für die Herstellung der Erschließungsanlagen (Ausführungsplan, Bodenordnung, Erschließungsverträge) in Erarbeitung sind. Zum Ende des Forschungsvorhabens im Frühjahr 2012 war angestrebt, dass • der Bebauungsplan „Marienhöhe“ Planreife nach § 33 BauGB besitzt, • die Voraussetzungen für die Realisierung der Erschließungsanlagen vorliegen, • die Vermarktung startet. Die für 2011 geplanten Arbeitsschritte sind zu Beginn des Jahres 2012 noch nicht abgeschlossen. Für die zweite Jahreshälfte 2011 stand besonders die Klärung der Projektträgerschaft, die Konstituierung der Projektstruktur, die Fertigstellung und Auswertung der Gutachten, die bündelnde Gesamtbetrachtung und Ableitung von Zielen aus den Einzelgutachten und die Ausschreibung des Werkstatt: Praxis Heft 79 städtebaulichen Ideenwettbewerbs an. Insgesamt ist festzustellen, dass es aufgrund der bisher fehlenden Projektentwicklungsstruktur und des fehlenden Finanzrahmens bei der Zeitplanung zu erheblichen Verzögerungen gekommen ist. Während zu Beginn des Forschungsvorhabens beabsichtigt war, dass die LEG als Projektentwickler und Erschließungsträger des Gesamtareals unternehmerisch tätig wird und die Projektentwicklung im Rahmen eines Geschäftsbesorgungs- und Treuhändervertrags übernimmt, soll nunmehr gemäß Stadtratsbeschluss vom 18.01.2012 die Projektträgerschaft für die Wohnungsbauentwicklung der Marienhöhe an die KoWo (Kommunale Wohnungsgesellschaft mbH Erfurt) übertragen werden. Die LEG Thüringen hat in diesem Zusammenhang mit Schreiben vom 20.12.2011 das Interesse an einer Projektträgerschaft zurückgezogen. Als Grundlage für diese Entscheidung wurden seitens der Stadt verschiedene Entwicklungsmodelle, einschließlich der Gründung einer eigenen Stadtentwicklungsgesellschaft, untersucht und bewertet. Die Untersuchung und Entscheidungsfindung erwiesen sich als langwieriger als erwartet. Dadurch haben sich die Voraussetzungen auch für die Projektforschung mehrfach geändert. 15.2Projektziele Die Strategie für die Entwicklung der solarenergetischen Siedlung „Marienhöhe“ verbindet Klimaschutz und Klimaanpassung. Im Mittelpunkt steht die Vermeidung bzw. Verringerung des CO2-Ausstoßes durch Einsatz emissionsloser erneuerbarer Energien und die Senkung des Energiebedarfs durch entsprechende Energiestandards. Dies bezieht sich auf die Entwicklung und Nutzung von Wohnimmobilien und auf die Deckung der Mobilitätsbedürfnisse. Das Konzept geht über die Gebäudeebene hinaus (gedacht ist an ein Solarkraftwerk als Gemeinschaftsanlage im Quartier) und berücksichtigt gesamtstädtische Bezüge (Grün, Kaltluft, Feinstaub). Primäres Ziel des Projektträgers und der Kooperationspartner ist der wirtschaftliche Erfolg des Projekts. Durch ein erfolgreiches Beispiel soll für die lokalen Marktakteure nachgewiesen werden, dass unter allgemeinen Marktbedingungen Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung unternehmerisch nachhaltig sind und Wettbe- Erfurt: Marienhöhe werbsvorteile schaffen können. Beabsichtigt ist eine Standortprofilierung, die mit hohen Qualitäts- und Umweltstandards dem Wertewandel bestimmter Lebensstilgruppen in Umweltschutzfragen gerecht wird. Die Landeshauptstadt Erfurt verspricht sich damit die Erschließung neuer Angebotssegmente und die Ansprache potenzieller Zuzügler – wie beispielsweise der Einpendler – im interkommunalen Wettbewerb um Einwohner. Zudem erwartet die Landeshauptstadt Erfurt verallgemeinerbare Erkenntnisse über realistische und zumutbare Klimaschutz- und Klimaanpassungsanforderungen und über die Umsetzung entsprechender Ziele unter lokalen Marktbedingungen, die Rückschlüsse auf die Definition von Standards und Zielen für kommunale Klimaschutzkonzepte erlauben. 15.3 Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete Für die Stadt Erfurt liegen umfangreiche Messdaten zur thermischen Situation sowie zu den Windverhältnissen und deren Veränderungen in den letzten 20 Jahren vor. Diese lassen prognostische Einschätzungen zu. Allerdings hat die Stadt Erfurt selbst bisher keine wissenschaftlich und gutachterlich untersetzten Klimaprognosen erstellt. Von der TLUG liegt ein von den globalen und Thüringer Klimaszenarien abgeleiteter „Klimatischer Ausblick“ für die Stadt Erfurt vor. Für den Standort Marienhöhe selbst gibt es bisher keine konkreten Klimauntersuchungen. Es wurde jedoch abgeschätzt, dass aufgrund der moderat nach Süden geneigten und gewässerfernen Standortsituation bestimmte Aspekte nicht oder weniger relevant sind. Anhand dieser Einschätzungen werden folgende Risiken identifiziert: • zunehmende Starkwindereignisse (Stadt Erfurt und Standort lagebedingt nur eingeschränkt betroffen) • zunehmende Starkregenereignisse/Regenwasserversickerung (nach Süden geneigter Standort, nicht versickerungsfähige Böden, gewässerfern, aber Abfluss in Richtung Breitstrom, Überschwemmungen: Maßnahmen Regenrückhaltung) • Kaltluftentstehung/Temperaturerhöhung (Temperaturanstieg Erfurt im Jahresdurchschnitt um 3 ° C; Standort Marienhöhe in Kalt-/Frischluftentstehungsge- 113 biet, Bedeutung für Be- und Entlüftung der Stadt/Abfluss in Tallage; Standort selbst weniger betroffen, gespeist durch Hauptfried-hof/Gärten) • Biotopsituation (Bedeutung für Biotopverbund zwischen Hauptfriedhof und angrenzender Gartenanlage, Bedeutung z. B. für Fledermäuse, Amphibien, Zauneidechsen) • Feinstaubbelastung (problematisch bei Inversionswetterlagen, Überschreitung der Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub in Heinrichstraße, Bedeutung für lufthygienische Situation) • ggf. Degradation der Böden durch Erosion Daraus wurden Handlungserfordernisse für gezielte planerische Voruntersuchungen, Standortanalysen und Gutachten abgeleitet, durch welche die projekt- und standortspezifischen Vulnerabilitäten und Risiken konkret untersucht sowie weitere Handlungserfordernisse identifiziert werden sollen. Die Handlungsstrategien beziehen sich auf die Zieldefinition für das Projekt und Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes (Energiekonzept, energetisches Konzept, städtebauliches Konzept, Regenentwässerungskonzept). Dabei sollen insbesondere die solaren Eigenschaften der Gebäude, die Belüftungs- und Bewindungssituation, das Offenhalten von Flächen, der Biotopverbund sowie die passive und aktive Solarenergienutzung untersucht und berücksichtigt werden. Im Rahmen eines teilräumlichen Klimagutachtens werden die Auswirkungen von Bebauungsszenarien – u. a. bauliche Ausnutzung und Ausrichtung der Baukörper – auf die klimatische und lufthygienische Funktion der Fläche für das Stadtgebiet untersucht und Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung abgeleitet. Dazu gehören auch die Funktion des Standortes für die Kaltluftentstehung und Frischluftzufuhr einschließlich Vorschlägen für die Sicherung dieser Funktion sowie ggf. aufgrund der Hanglage erforderliche Maßnahmen zum Schutz bzw. zur Anpassung an Starkregenereignisse. Diese Aspekte werden bei der Aufgabenstellung für den städtebaulichen Wettbewerb und durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan berücksichtigt, ebenso die bioklimatische Optimierung des Quartiers durch Gebäude- und Freiflächengestaltung. Das Klimagutachten liegt der Stadtverwaltung vor, befindet sich aber noch in der Abstimmung und wurde von der Unteren Immissionsschutzbehörde noch nicht freigegeben. ImmoKlima 114 Die Dächer haben in ihrer Funktion als klimatische Entlastungsflächen ebenso wie als Flächen für solare Energiegewinnung eine große Bedeutung. Abhängig vom späteren Bebauungs- und Energiekonzept kommen Solaranlagen auf den Südseiten der Dächer sowie Dachbegrünungen auf den nicht solar genutzten Dachflächen in Betracht. Die Konzeption des Projekts Marienhöhe umfasst folgende Bausteine: • Baustein Energie: Entwicklung und Umsetzung einer solarenergetisch optimierten städtebaulichen Struktur, die für die Bebauung passive Energiegewinne sichert und Energieverluste reduziert (auf der Grundlage des Gutachtens zur solarenergetischen und energieeffizienten Bauleitplanung sowie einer projektbezogenen solarenergetischen Entwurfsoptimierung); Solarkraftwerk als Gemeinschaftsanlage zur effektiven und emissionsfreien Nahwärmeerzeugung; Energiestandard Gebäude: Passiv-, Nullenergie- oder Plusenergiehaus; Verwendung CO2-neutraler nachwachsender Rohstoffe zur Verminderung der kritischen Feinstaubbelastung. • Baustein Verkehr: der Standort in Nähe zum Stadtzentrum und gute ÖPNV-Anbindung durch die Stadtbahntrasse lassen ein geringeres Verkehrsaufkommen mit entsprechend geringeren Emissionen erwarten; gute Erreichbarkeit DB-Fernverkehr; Schaffung Carsharing-Stellplätze in Abstimmung mit dem lokalen Betreiber teilAuto Mittelthüringen, ggf. verbunden mit einer Reduzierung der Stellplatzverpflichtungen. Werkstatt: Praxis Heft 79 • Baustein Boden- und Grundwasserschutz/Anpassung an Starkregenereignisse: lt. Konzeption flächensparende Bauweise, Minderung der Versiegelung; private oder gemeinschaftliche Anlagen der Regenwasserversickerung, -rückhaltung oder Brauchwassernutzung. • Baustein Mikroklima/Anpassung an Temperaturanstieg; Konzentration des Großgrüns in Bereichen gesamtstädtischer Grünverbindungen und im Bereich der Zuwege zum ÖPNV, Vermeidung solarenergetischer Verluste durch geeignete Art- und Standortwahl von Bäumen im Quartier. 15.4Projektforschung Die Projektforschung für das ImmoKlima Pilotvorhaben „Solarenergetische Siedlung Erfurt Marienhöhe; Projektentwicklung einer solarenergetischen Siedlung “ wurde durchgeführt von: WEEBER + PARTNER Institut für Stadtplanung und Sozialforschung Mühlrain 9 70180 Stuttgart Telefon: (0711) 62 00 93 60 Fax: (0711) 62 00 93 89 www.weeberpartner.de wpstuttgart@weeberpartner.de Die Ergebnisse der Projektforschung fanden Eingang in die Bewertungen des vorliegenden Berichts. Hoyerswerda: „SolarGardenCity“ 115 16 „SolarGardenCity“ in Hoyerswerda; Klimagerechte Inwertsetzung von Stadt Das Motto des Energie- und Klimaschutzkonzeptes „Hoyerswerda – Alte Energiestadt mit Neuer Energie“ sollte in zwei zusammen etwa 7 ha großen Stadtbrachen im nördlichen Zentrumsbereich von Hoyerswerda, die unter dem Leitthema „SolarGardenCity“ entwickelt werden, konkretisiert und realisiert werden. 16.1 Das Projekt – Ausgangssituation Projektträger ist die asenticon AG, Potsdam, deren Kerngeschäftsfelder in der Projektentwicklung und dem Projektmanagement für Stadtentwicklungsprozesse bzw. Brachflächenentwicklung liegen. Das Projektgebiet bildet den Übergang zwischen der südlich gelegenen historischen Altstadt und einer offenen, vier- bis sechsgeschossigen Zeilenbebauung aus der Nachkriegszeit im so genannten Elsterbogen. SolarGardenCity“ ist die Vision für die klimagerechte Revitalisierung innerstädtischer Brachflächen in Hoyerswerda und wird konsequent aus dem Energie- und Klimaschutzkonzept abgeleitet. Sie ist zugleich ein Element der angestrebten regionalen Wirtschafts- und Ressourcenentwicklung und von strategischer Bedeutung im Rahmen der Stadtreparatur. Das 2010 beschlossene kommunale Energie- und Klimaschutzkonzept führt den grundsätzlich integrierten Planungsansatz der Stadt Hoyerswerda fort und leitet sich aus dem kommunalen Programm zur energetischen Stadterneuerung sowie dem Aktionsplan Klima und Energie des Freistaates Sachsen aus Jahr 2009 ab. Es ergänzt das integrierte Stadtentwicklungskonzept von 2008 und das Stadtteilentwicklungskonzept Altstadt von 2008 der Stadt Hoyerswerda. „Das Zeitalter der fossilen Energien und damit die „alte Energiestadt“ neigt sich dem Ende zu und die „neuen Energien“ und mit ihnen vielleicht auch ein neues, nachhaltiges, lebensfähiges und liebenswertes Hoyerswerda stehen in Aussicht. Wagen wir den Aufbruch, klug, mutig und im Vertrauen auf die Kraft der Gemeinschaft und jedes Einzelnen.“ (Zitat aus dem Vorwort des Oberbürgermeisters für das funktionale Energie- und Klimaschutzkonzept der Stadt Hoyerswerda, Dezember 2009). Die Stadt Hoyerswerda durchläuft den zweiten grundlegenden Wandel ihrer jüngeren Geschichte. Während der erste durch ein mehr als vier Jahrzehnte andauerndes Wachstum geprägt war, wird der zweite durch einen tiefgreifenden Schrumpfungsprozess geprägt. Während allerdings der Wandel von einer knapp 8.000 Einwohner zählenden ländlich geprägten Kleinstadt in der sächsischen Lausitz zu einer Mittelstadt mit 71.000 Einwohnern und dem Zentrum der Braunkohle- und Energiewirtschaft der Tabelle 15: „SolarGardenCity“ in Hoyerswerda: Das Wichtigste in Kürze Name des Projektträgers + Sitz asenticon AG, Potsdam Eigentümerstruktur AG mit privatwirtschaftlichen Anteilseignern Größe des Unternehmens 8 Mitarbeiter, Bilanzsumme ca. 960.000 € Zentrales Geschäftsfeld des Unternehmens Projektentwicklung Nutzungen keine eigenen Bestände Projekt + Standort Hoyerswerda, „SolarGardenCity Hoyerswerda Altstadt – Klimagerechte Inwertsetzung von Stadtbrachen Projektziel Inwertsetzung von Stadtbrachen in der historischen Altstadt von Hoyerswerda durch eine den Erfordernissen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung entsprechende Bebauung Art des Projekts Projektentwicklung Größe und Nutzung 7 ha, geplant: Eigentumswohnungsbau, Mietwohnungsbau, altersgerechtes Wohnen, kleinteiliges Gewerbe Lage Innenstadt Quelle: Eigene Darstellung ImmoKlima 116 ehemaligen DDR staatlich verordnet und organisiert war, wird der dramatische Rückgang an Arbeitsplätzen und Einwohnern – seit 1990 hat die Region mehr als 100.000 Arbeitsplätze und die Stadt etwa die Hälfte ihrer Einwohner verloren – weitgehend lokal bewältigt werden müssen. Die Neustadt von Hoyerswerda (überwiegend Geschosswohnungsbau in Großtafelbauweise) wird weiter schrumpfen, die Altstadt soll durch Wohnen, Dienstleistung, Handel und nichtstörendes Gewerbe dauerhaft gestärkt werden. Die Bergbaulandschaft wird langsam in eine Erholungslandschaft umgestaltet, das „Lausitzer Seenland“ wird künftig Europas größtes künstliches Seengebiet. Gleichzeitig verändern großflächige Absenkungen des Grundwassers im Zuge des Bergbaus spürbar das regionale Klima. Trotzt intensiver Bemühungen gelang es bisher nicht, die innerstädtischen Brachen zu revitalisieren. Der Projektentwickler, die asenticon AG, verfolgte das Ziel, Akteure aus der Immobilien- und Wohnungswirtschaft mit Erfolg versprechenden Konzepten einzubinden, um die „SolarGardenCity“ im Sinne des Energie- und Klimaschutzkonzeptes zu realisieren. Während der Erarbeitung des Energieund Klimaschutzkonzeptes der Stadt Hoyers¬werda wurden Kooperationen zwischen einer Reihe von Akteuren gebildet. Wesentliche Projektpartner sind die Stadtverwaltung, die Wohnungsgesellschaft Hoyerswerda mbH, die Wohnungsgenossenschaft LebensRäume Hoyerswerda eG, die städtischen Wirtschafts- und Versorgungsbetriebe GmbH, die Stadtentwicklungsgesellschaft mbH, das Unternehmens-/Projektnetzwerk Hoyerswerda, die Sächsische Energieagentur Dresden, die Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg, die Ostsächsische Sparkasse und die asenticon AG. Nach weitgehend abgeschlossener Sanierung der Bestände soll das Altstadtzentrum zu einem attraktiven Standort für Wohneigentum, Mietwohnungen, Seniorenwohnungen und für kleinteiliges Gewerbe entwickelt werden. Vor diesem Hintergrund stellen diese Brachen ein sehr wichtiges Potenzial für die künftige Stadtentwicklung dar, da sie die Ansiedlung von Bürgern ermöglichen, die – aus der dramatisch schrumpfenden Neustadt und den Stadtrandzonen kommend – in Hoyerswerda verbleiben möchten, aber einen neuen Wohnund Lebensmittelpunkt suchen. Werkstatt: Praxis Heft 79 Eine wesentliche Herausforderung für die Projektentwicklung der „SolarGardenCity“ wird sein, trotz wirtschaftlich sehr enger Vorgaben die besondere klimaorientierte Ausrichtung des Projekts und dessen zentrale innerstädtische Lage als Alleinstellungsmerkmal für eine erfolgreiche Positionierung am örtlichen Wohnungsmarkt zu nutzen. Wichtige Voraussetzung hierfür wird sein, trotz der erhöhten Energiestandards und der damit verbundenen Mehrkosten wirtschaftlich konkurrenzfähige Immobilienprodukte zu entwickeln. Erschwerend kommt hinzu, dass die Stadt Hoyerswerda sich in einem schwierigen Prozess der Haushaltskonsolidierung befindet. In diesem Zusammenhang werden offensichtlich alle kommunalen Ressourcen überdacht. Dies betrifft auch die Stadtentwicklungsgesellschaft Hoyerswerda mbH, die zum 01.01.2012 aufgelöst worden ist. Die Stadt Hoyerswerda, maßgebliche Eigentümerin der in Rede stehenden Brachflächen, hat sich bis heue nicht dazu geäußert, ob und wie das Vorhaben fortgeführt werden soll. Somit existiert nach Abschluss der Machbarkeitsstudie kein Vertragsverhältnis mehr, das die Projektträgerschaft der asenticon AG legitimiert. Insoweit bleibt abzuwarten, wie die Stadt entscheidet und ob bzw. in welcher Form die „SolarGardenCity“ fortgeführt werden kann. 16.2Projektziele Ziel des Projektes die Inwertsetzung von zwei zusammen etwa 7 ha großen Stadtbrachen im nördlichen Zentrumsbereich von Hoyerswerda, die unter dem Leitthema „SolarGardenCity“ entwickelt werden (siehe Lageplan). Dabei steht „Solar“ für Klimaschutz, Energieeffizienz und erneuerbare Energien, „Garden“ für Klimaanpassung, Vegetationsaufbau sowie Temperaturausgleich und „City“ für Innenstadtentwicklung, Urbanität und kurze Wege. Die Flächen befinden sich zum weit überwiegenden Teil im Besitz der Stadt Hoyerswerda. Kern des Projektes sind fünf nicht bauliche Maßnahmepakete im Rahmen der Projektentwicklung, die die Basis für die Realisierung des Vorhabens durch Unternehmen der Wohnungswirtschaft und private Investoren bzw. Eigennutzer schaffen. Sie sollen letztendlich auch Vorgaben für spätere bauliche Maßnahmen treffen, insbesondere für die Erstanwendung von klimawirksamen Hoyerswerda: „SolarGardenCity“ Technologien in Hoyerswerda. Ziel des Projektträgers ist es, herauszuarbeiten, wie sich Projektentwicklung auf fünf Ebenen manifestiert: • städtebaulich = als attraktive innenstädtische Quartiere • objektbezogen = als von Nutzern und Investoren begehrte Gebäude • ökologisch = als innovativer Beitrag zu Klimaschutz und -anpassung • politisch = als erlebbarer Erfolg politischen Handelns • unternehmerisch = als Leistungsangebot mit Alleinstellungsmerkmal. Diese konsequente Integration unterschiedlicher Planungen, Planungsebenen und Fachdisziplinen soll ganz gezielt Synergieeffekte ermöglichen bzw. befördern. So sollen durch integrative Projektarbeit von Beginn an für die Kommune und die Bürger bezahlbare Baukosten und geringe Betriebskosten erreicht werden, soll die Kombination von Low- und High-Tech positive wirtschaftliche Effekte auslösen, soll über das Bekanntmachen technologischer Innovationen bei Bau und Gebäudeausrüstung internationales Know-how auf die lokale Ebene übertragen werden. Aus städtebaulicher Sicht wirkt sich die integrative Projektarbeit stärkend für die Innenstadt und für die Zentrumsfunktionen aus, insbesondere indem nachfragegerechte Wohn- und Gewerberäume geschaffen werden. Vorgegangen werden soll in miteinander zweckdienlich verknüpften Schritten: • Etablieren einer geeigneten Akteurskonstellation; • Sichern notwendiger Kooperationen; • Managen unabdingbarer Voraussetzungen, wie z. B. Planungsrecht, Verfügbarkeit von Grundstücken zu angemessenen Preisen, Medienerschließung nach den Maßgaben des Energie- und Klimaschutzkonzeptes; • Positionierung in Wohnungsmarkt; einem schwierigen • Relevante Zielgruppen identifizieren (Marktanalyse) und interessieren (Markttest); • Darstellen und Bewertbarmachen der Gestaltungsmittel, Technologien und Maßnahmen für Klimaschutz und -anpassung für potenzielle Immobiliennutzer und -käufer; 117 Entwickeln, Erproben eines Vermarktungsmodells. Die asenticon AG hat im Januar 2011 die Machbarkeitsstudie vorgelegt, deren Ergebnisse eine Grundlage für die Entscheidung der Stadt Hoyerswerda bilden, ob und in welcher Weise die Brachflächen entwickelt und an gewerbliche und private Investoren und Bauherren verkauft werden. Die Machbarkeitsstudie verweist auch auf die zentralen Konflikte der weiteren Projektentwicklung: • das Ziel der Stadt, hohe Grundstückserlöse zu erzielen und das Ziel der Grundstückserwerber, geringe Grundstückspreise als eine Grundlage rentabler Immobilieninvestitionen zu zahlen; • das Ziel, klimagerecht und altersgerecht zu bauen und das Ziel, kostensparend zu bauen; • das Ziel der Stadt, die Brachen soweit in Wert zu setzen, also in die Grundstücksentwicklung zu in-vestieren, bis die Baugrundstücke tatsächlich Käufer finden und das Ziel der Stadt, dafür aus dem kommunalen Haushalt möglichst wenig Mittel aufzuwenden. 16.3 Klimaorientierte Konzepte und Maßnahmenpakete Hoyerswerda liegt in einer der Regionen in Deutschland, die durch den Klimawandel voraussichtlich mit am stärksten von sommerlicher Trockenheit und Hitze betroffen sein werden. Das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie stellt hierzu z. B. regionalisierte Rasterklimadaten (RAKLIDA) zur Verfügung. Diese oder vergleichbare Klimadaten und Klimaprojektionen haben allerdings bislang keine Relevanz für kommunale Planungen in Hoyerswerda. Für den Standort Hoyerswerda ist von einer zunehmenden Zahl an sommerlichen Hitzetagen und Extremwetterereignissen (Starkregen, Hagelzüge) sowie Hochwasser und Überschwemmungen auszugehen. Dabei ist noch nicht hinreichend abschätzbar, wie sich die weitere Entwicklung der Bergbaufolgelandschaft in der Region auf die Wasserversorgung und unter Umständen auch auf die Entwicklung des regionalen Klimas auswirken wird. Die daraus resultierenden veränderten Anforderungen an die Gebäude werden u. a. sein: ImmoKlima 118 • steigender Wasserbedarf im Sommer • Optimierung von Raumklima (Klimaanlage, Be- und Entlüftungssysteme, Beschattung) • erhöhte Ansprüche an die technische Infrastruktur (z. B. Entwässerung bei Starkregen, etc.) • veränderte Ansprüche an die Ausgestaltung und Pflege von Freiflächen (z. B. Schattenplätze, Wasserflächen, Bewässerung von Grünflächen) Das Projekt „SolarGardenCity“ verbindet hierzu konzeptionell einen breiten Mix innovativer Strategien und Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung: Optimierung der thermischen Hülle der Gebäudes (Verglasung, Einsatz moderner Dämmstoffe und -technologien) • Effiziente Heizungs- und Anlagentechnik unter Einsatz technologischer Innovationen • Einsatz erneuerbarer Energien, insbesondere passive und aktive Nutzung von Solarenergie • Reduktion der CO2-Emissionen durch Nutzung regenerativer Energien und intelligente Auswahl von klimaaktiven Bau- Werkstatt: Praxis Heft 79 stoffen und -materialien • Flächensparendes Bauen und Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs • Garten- und landschaftsgestalterische Maßnahmen zur thermischen Entlastung • Innovatives Wassermanagement 16.4Projektforschung Die Projektforschung für das ImmoKlima Pilotvorhaben „SolarGardenCity“ Hoyerswerda Altstadt – Klimagerechte Inwertsetzung von Stadtbrachen“ wurde durchgeführt von: F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH Adenauerallee 28 20097 Hamburg Telefon: (040) 28 08 10-0 Fax: (040) 28 08 10 20 www.f-und-b.de service@f-und-b.de Die Ergebnisse der Projektforschung fanden Eingang in die Bewertungen des vorliegenden Berichts. Abbildung 27: „SolarGardenCity“ in Hoyerswerda: Bilder aus dem Quartier Quelle: F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH