PJ Okt 2013 - Universität Würzburg
Transcription
PJ Okt 2013 - Universität Würzburg
長崎 Erfahrungsbericht: 13.10.2013 ~ 06.12.2013 Praktisches Jahr in Nagasaki Katrin Weiß & Sebastian F. von der Assen Inhaltsverzeichnis Seite Einleitung 2 1. Organisation a.) Motivation Sebastian Katrin b.) Bewerbung und Vorbereitung Zeitpunkt Visum & Gesundheitszeugnis Flug Stipendium Reisen innerhalb Japans Gastgeschenke Sprache 3 3 3 3 4 4 4 5 5 6 6 6 2. Nagasaki a.) Ankunft b.) Unterkunft & Miete c.) Internet & Handy d.) Elektrische Geräte und Adapter e.) Kleiderordnung f.) Geld g.) Einkaufsmöglichkeiten h.) Fahrt zum Flughafen 7 7 7 8 8 9 9 10 10 3. Universität & Krankenhaus a.) Sebastian Viszeralchirurgie HNO Herzchirurgie Neurochirurgie b.) Katrin Hämatologie 1. Innere Medizin: Neurologie, Endokronologie, Rheumatologie 2. Innere Medizin: Pulmonologie, Nephrologie 11 11 11 14 17 18 20 20 22 23 4. Freizeit und Reisen a.) Sehenswertes in Nagasaki Atombombenmuseum & Memorial Hall Brillenbrücke, Einkaufsarkaden & Daiso Kaufhaus Chinatown & Former Chinese Settlement Dejima Glover Garden Oura Hypocenter & Peace Park Urakami Kathedrale Sanno-Shinto Schrein Siebold Memorial Museum Sofukuji Tempel & Straße der Tempel Inasayama b.) Reisen in der Region Nagasaki Gunkanjima oder Battleship Island Onsen Unzen und Shimabara-Halbinsel c.) Reisen auf Kyushu Einführung: Fahren mit der Bahn Kumamoto, Aso & Beppu Kagoshima & Sakurajima d.) Reise nach Kyoto 5. Schöne und weniger schöne Erlebnisse 6. Fazit 25 25 25 26 27 28 29 30 31 32 32 33 34 35 36 36 37 39 41 41 42 44 46 48 50 1 Einleitung Wir sind nach 8 Wochen Japan stolz darauf, sagen zu können, dass wir in Nagasaki einen Teil unseres PJ-Tertials absolvieren durften und nun auf einige Freundschaften in Japan zurückblicken, die wir so wohl niemals geschlossen hätten. Es war daher nicht nur ein lehrreiches halbes Tertial, sondern auch von der menschlichen Seite her eine wunderbare Erfahrung und sehr persönlicher Gewinn für jeden von uns. Man wächst an seinen Aufgaben und davon gab es einige gleich am Anfang zu meistern. Das beginnt bei der korrekten Vorstellung vor der versammelten Ärzteschaft auf Japanisch, zieht sich fort mit der Organisation seines Tagesablaufs, mit der Kommunikation mit seinen japanischen Mitstudenten und endet bei der Bezahlung seines Tickets in der Straßenbahn. Diese Selbstständigkeit, Organisationsfähigkeit, die Fähigkeit, in den richtigen Momenten zu improvisieren und die Offenheit für alles Neue und alles Andere wurde wesentlich und nachhaltig durch den Austausch gefördert. Die Arbeitszeiten hingen von der Station ab. Besonders arbeitsreich war die viszeralchirurgische Station, als man an OP Tagen schon mal von 07:00 bis 22:30 Uhr Dienst hatte. Doch das sind Extrembeispiele und dafür mussten wir keinen Wochenenddienst leisten, sodass wir jedes Wochenende genutzt haben, die Stadt, die Region, Japan und seine Menschen kennenzulernen. Auf unseren vielen Reisen haben wir einfach zu viele schöne Dinge erlebt und gesehen, als dass wir sie nur in unserer Erinnerung tragen könnten. Von den Vulkanen Unzen, Sakurajima und Aso, den heißen Quellen in Beppu, dem Schloss in Kumamoto, den Geishas, Tempeln und Schreinen in der Weltstadt und Millionenmetropole Kyoto, sowie den unendlichen vielen Sehenswürdigkeiten in Nagasaki selbst, habe wir einen enormen Fundus an Eindrücken sammeln können, sodass wir uns entschlossen haben, den Erfahrungsbericht gemeinsam zu verfassen, um andere NagasakiAustauschstudenten an dem teilhaben zu lassen, was uns so sehr beeindruckt hat. Wir wünschen trotz der über 50 Seiten viel Spaß beim Lesen und hoffen, dass wir die Vorfreude der möglichen zukünftigen Austauschstudenten wecken können. Katrin Weiß & Sebastian von der Assen Januar 2014 2 1. Organisation a.) Motivation - Why are you coming to Japan? Sebastian F. von der Assen W enn man seine Zeit in Nagasaki verbringt, wird man als Europäer zwischen den vielen asiatischen Austauschstudenten mit besonders neugierigen Blicken betrachtet. Da wundert es nicht, dass die ansonsten etwas zurückhaltenden Japaner diese Neugierde nicht verbergen können und man immer wieder gefragt wird: Why are you coming to Japan? Mit der Beantwortung dieser Frage habe ich mich ehrlicherweise am Anfang schwer getan. Nicht weil ich nach Gründen hätte suchen müssen oder ich um eine Pauschalantwort mit dem besonderen Interesse an der japanischen Kultur und Gesellschaft verlegen gewesen wäre, sondern weil man im Nachhinein betrachtet die Frage gar nicht korrekt beantworten konnte. Erst jetzt, nach 8 Wochen intensiver Erfahrung in Nagasaki mit Japanern kann ich sagen: Ich bin nach Japan gekommen, um euch kennenzulernen. Als Medizinstudent ist man in vielerlei Hinsicht in einer privilegierten Position. Anders als die vielen Kreuzfahrtschiffreisenden, die sporadisch und unvorhersehbar die Stadt überfallen, die Rucksacktouristen, die wir auf unseren Ausflügen trafen oder sonstige Besucher erhält man einen besonderen Einblick in die Gesellschaft. Man erfährt abseits der medizinischen Diagnosen und Behandlungsvorgänge von den Sorgen und Nöten der Menschen, von den Alltagsproblemen und Zielen und Wünschen in der Lebensplanung. Jeder Patient und auch jeder Arzt, der einem begegnet trägt ein Steinchen zum Mosaik eines Verständnisses des Gesellschaftsbildes bei. Ebenso interessant war die Frage, was sich hinter dem Vorurteil einer Gesellschaft, die Angst hat, das Gesicht zu verlieren, verbergen mag, wenn der Arzt in diese Sphäre eindringt und nach den Erkrankungen und Schwächen fragt. Ich erklärte einem japanischen Arzt aus der Herz-Thorax-Chirurgie einmal auf die Frage, warum ich denn überhaupt nach Nagasaki komme, um Medizin zu studieren, wo ich doch kein Japanisch sprechen würde, dass es mir nicht immer darum ginge, jeden Operationsschritt bis ins Detail genau nachzuvollziehen, welches Gefäß an welcher Stelle genau abgetrennt wird und so fort. Das steht alles in den Lehrbüchern. Neben der Sprache ist es ebenso wichtig, ein aufmerksamer Beobachter zu sein. Ich sagte ihm, dass man in den Lehrbüchern keine Hinweise findet über die Organisation des Operationsteams, über den Umgang der Ärzte untereinander oder mit den OPSchwestern während den Operationen, der Aufgabenteilung zwischen Assistenz- und Oberarzt und schon gar nichts erfährt man in den Büchern über die Aufgaben eines japanischen Studenten. Das kann man nur alles selbst vor Ort erleben. Es mag zwar sehr altklug klingen, aber ich bin nach Nagasaki gekommen, um das zu erleben, was ich dort in den 8 Wochen gelernt und erlebt habe. Es war eine prägende Zeit. Und dies ist mein Erfahrungsbericht. Katrin Weiß V or unserer Reise nach Japan wusste ich noch nicht sonderlich viel über dieses Land. Bei einer Sprachreise nach Vancouver, Kanada, hatte ich 2006 viele Japaner und Süd-Koreaner kennen gelernt und hatte mit ihnen viel Spaß beim gemeinsamen Reisen und Englisch lernen. Zu zwei der dort kennengelernten Japaner Miho und Kazu besteht bis heute Kontakt. Wir hatten uns damals versprochen, uns unbedingt irgendwann einmal gegenseitig zu besuchen und das Land des anderen zu erleben. Ich spielte dann über längere Zeit mit dem Gedanken japanisch zu lernen, hatte sogar einmal einen Kurs der virtuellen Hochschule Bayerns angefangen. In Ermangelung der Möglichkeit, in absehbarer Zeit einmal nach Japan reisen zu können und aufgrund der nicht so zahlreich vorhandenen Sprachkurse wie auch mangels Zeit, schob ich dieses Vorhaben schließlich immer weiter in die Zukunft. Anfang des Jahres 2013 bestand plötzlich und endlich die Möglichkeit, meine 3 japanische Freundin Miho wieder zu sehen, da diese sich für ein Masterstudium in Europa aufhielt und auf einer Deutschlandreise bei mir vorbeikommen konnte. Wir hatten erneut ein paar wundervolle Tage zusammen. So war die Begeisterung über die sich überraschend auftuende Möglichkeit für einen längeren Aufenthalt nach Japan zu fahren groß und wir stürzten uns – wenn auch sehr spät – umso intensiver in die Bewerbung. a.) Bewerbung & Vorbereitung Zeitpunkt Wir haben uns relativ kurzfristig im März 2013 für einen zweimonatigen Praktikumsblock von Oktober bis Dezember 2013 beworben, also etwa 7 Monate vor dem geplanten Aufenthalt. Dies war aufgrund der zur diesem Zeitpunkt niedrigen Nachfrage auch außerhalb der offiziellen Fristen möglich. Die Einladung zum Bewerbungsgespräch erhielten wir Mitte April, die endgültige Zusage dann erst im Juni. Ab diesem Moment wurde der Kontakt mit Frau Kusumoto, der Assistentin des koordinierenden Arztes auf japanischer Seite, intensiver, da noch einige Formalitäten zu klären waren. Frau Kusumoto war dann auch per E-Mail die erste und von Deutschland aus auch die einzige Person, mit der wir regen Kontakt hielten. Visum & Gesundheitszeugnis Frau Kusumoto regelte die Antragsstellung an der Universität von Nagasaki für uns, sowie anschließend die Organisation einer Einladung für die japanische Botschaft, um uns den Visumantrag für ein 1-jähriges Studentenvisum, welches von der Universität Nagasaki gefordert wird, zu ermöglichen. Dieses muss man dann in der japanischen Botschaft (z.B. in Frankfurt oder München) persönlich beantragt werden, wobei man auch einen Bevollmächtigten vorbeischicken kann. Wir haben die Botschaft in Frankfurt gewählt, da diese für uns leichter erreichbar war. Auf der Internetseite der Botschaft erfuhr man, dass es von Visumstellung bis Visumerteilung etwa 7 Werktage dauert. Organisatorisch schwierig ist, dass man persönlich erscheinen muss, um den Antrag zu stellen und erneut persönlich erscheinen muss, um das Visum abzuholen. Die Öffnungszeiten sind nur werktags und zeitlich relativ eingeschränkt (Mo – Fr 9:00-12:30 und 14:30 – 16:30). Kleiner Tipp: Wer in Frankfurt sein Visum beantragt, wird mit einer traumhaften Aussicht über die Banken- und Messestadt belohnt, da sich das Generalkonsulat der japanischen Botschaft im 34. Stockwerk des Messeturmes befindet. Die Damen an der Rezeption sprechen fließend Deutsch. Man wird beim Eintritt in das Generalkonsulat wie bei einer Flugreise eindringlich untersucht. Also falls ihr zufälligerweise Scheren in eurer Tasche dabei habt, weil ihr eure Passfotos nicht rechtzeitig zurechtschneiden konntet …äh… lasst sie besser Zuhause und erspart euch unnötige Aufregung. Frau Kusumoto beantwortet jede Frage zu jedem noch ausstehenden Dokument sehr ausführlich und ist generell sehr hilfsbereit. Verzweifelt also nicht. Etwas überraschend und kurzfristig erhielten wir eine Email von Frau Kusumoto, dass für die Einladung noch ein Gesundheitszeugnis inklusive einer aktuellen Röntgenthorax-Untersuchung nötig sei. Hierfür gab sie uns aufgrund der universitären Fristen eine knappe Woche Zeit. Mit etwas Glück konnten wir beide einen sehr kurzfristigen Termin bei unseren Hausärzten inklusive Röntgenaufnahme ergattern. In meinem Fall musste für das Röntgenbild sogar eine Überweisung zum Facharzt erfolgen (und war erfreulicherweise am gleichen Tag möglich). Eventuell empfiehlt sich, bereits im Voraus mit dem Hausarzt Kontakt aufzunehmen, so dass es weniger spannend ist, ob alles innerhalb der so kurzen Zeit neben laufendem Unibetrieb – bei uns während des Blockpraktikums – funktioniert. 4 Flug In etwa zeitgleich haben wir über eine Suchmaschine nach dem günstigsten Flug von Frankfurt nach Nagasaki gesucht und schließlich einen Flug mit Lufthansa mit Umstieg in Tokio (Achtung: mit Flughafenwechsel in Tokio!) gebucht – Preis für Hin- und Rückflug etwa 1300€ pro Person. Flüge nach Nagasaki sind in der Regel etwas teurer, so dass es sich anbietet, auch nach Flügen in andere Städte in der Nähe zu schauen. Man kann zum Beispiel direkt nach Tokio fliegen und anschließend etwa 8-10 Stunden mit dem Zug (mit Umstieg) nach Nagasaki fahren oder einen Flug nach Fukuoka (mit dem Zug noch etwa 2 Stunden, ohne Umstieg) wählen. Da wir aufgrund des gesplitteten Tertials allerdings keine Fehltage haben durften und uns daher nur ein sehr beschränkter Zeitraum blieb, haben wir uns für die erste Variante entschieden. Wir haben Ende Juni, also knapp 4 Monate vor Abflug, unseren Flug gebucht. Zu diesem Zeitpunkt konnte man bereits täglich eine Preissteigerung beobachten. Wenn man kann, sollte man den Flug also möglichst noch frühzeitiger buchen. 6 Monate vor dem Praktikumsbeginn hätte man durchaus auch noch Flüge für unter 1000€ buchen können. Hat man bei Lufthansa gebucht, so fliegt man im Rahmen der Star Alliance, d.h. zunächst mit Lufthansa nach Tokio und von dort mit der japanischen Fluglinie ANA nach Nagasaki. Auf dem Rückflug sind wir dann nur noch mit der ANA geflogen. Etwas irreführend, wie wir fanden. Ebenso sollte man die Gepäckbestimmungen ganz genau im Internet durchlesen. Es gab bei der Internetbuchung seitens der Lufthansa eine böse Überraschung, bei der zwar für zwei Koffer der Hinflug gebucht war, der Rückflug jedoch nur noch einen Koffer pro Person vorsah. Auf telefonische Nachfrage im Servicecenter hieß es, da liege ein Fehler vor, man habe selbstverständlich die Möglichkeit mit zwei Koffern hin und auch wieder zurück zu fliegen. Auf erneute Nachfrage am Schalter noch in Frankfurt kannten die Lufthansa-Damen das Problem zwar, jedoch hatten sie außer dem Ratschlag, sich doch ernsthaft beim Kundendienst zu beschweren, auch keine Lösung. Am Ende durften wir je 9000 Yen bezahlen. Doch auch diese Gebühren lagen bei unserem Abflug bei der ANA bei 7000 Yen. Also, bitte die Gepäckaufgabe und den fehlerhaften Internetdienst der Lufthansa genauestens überprüfen. Sebastian ist mit 2 Koffern à 23 Kg geflogen und Katrin mit einem Koffer. Am Ende hatte jeder zwei volle Koffer. Plant also lieber für zwei Koffer. Wichtige Anmerkung zur Buchung im Internet: Viele Kreditkarten, gerade von Studenten, sind auf 500 oder 1000€ limitiert. Vor Buchung des Fluges sollte man also mit dem Kreditkartenunternehmen Kontakt aufnehmen und darum bitten, die Limitation für die Flugbuchung zu erhöhen. Stipendium Nachdem Frau Dausacker unsere Zusagen an das Dekanat weitergeleitet hat, kümmerte sich Frau Moll selbst um die Organisation von Stipendien für uns und so konnten wir, trotz der kurzfristigen Bewerbung noch vor Abflug ein Homberger-Stipendium in Höhe von je 1000 € erhalten. Bei frühzeitiger Bewerbung seien auch größere Stipendien möglich, wir waren aber bereits glücklich über diesen Reisezuschuss, der immerhin einen Großteil des Fluges deckte. 5 Reisen innerhalb Japans In den uns vorliegenden Erfahrungsberichten hatten wir gelesen, dass es sinnvoll sein kann, einen Japan Rail Pass oder Japan Fly Pass zu buchen, da man diesen nur im Ausland kaufen könne. Da dieser aber für mehrere zusammenhängende Tage gültig ist, wir aber immer nur am Wochenende Zeit für Reisen hatten, haben wir darauf verzichtet und uns schließlich vor Ort über unsere Reisemöglichkeiten informiert – den Japan Rail Pass kann man wider Erwarten problemlos auch innerhalb Japans kaufen! Die Möglichkeiten, ein Auto zu mieten gibt es theoretisch zwar, allerdings haben wir davon keinen Gebrauch gemacht, zumal man eine Übersetzung, sowie beglaubigte Kopie des Führerscheins anfordern muss, da der internationale deutsche Führerschein in Japan nicht anerkannt wird. Da dies alles mit weiteren Kosten und unnötiger Bürokratie verbunden ist, haben wir davon Abstand genommen. Zumal der öffentliche Nah- und Fernverkehr mit dem Bus oder Zug hervorragend organisiert sind. Man sollte dringend davon abraten, innerhalb der Stadt auf ein Taxi zurückzugreifen. Eine 3 minütige Fahrt vom Krankenhaus bis zum Bahnhof hat schon umgerechnet gute 10 Euro gekostet und abends gibt es nochmals einen 30% Aufschlag. Gastgeschenke Es empfiehlt sich, einige Gastgeschenke mitzunehmen, da man recht häufig eingeladen wird. Beliebte Gastgeschenke sind Frankenwein (insbesondere Frau Kusumoto freut sich hierüber), Kugelschreiber, aber auch beispielsweise Überraschungseier. Viele der Ärzte haben kleine Kinder und einige waren längere Zeit in Amerika oder Europa, so dass manche berichten, ihre Kinder hätten so viel Gefallen an diesen Ü-Eiern gefunden und es sei sehr schade, dass es diese in Japan nicht zu kaufen gibt. Eine relativ leichte Freude kann man seinen japanischen Kollegen mit Postkarten oder Kalendern von Würzburg oder seinem Heimatort machen und einer kleinen Widmung auf der Rückseite. Das kommt gut an. Sehr wichtig ist in Japan die Verpackung. Üblicherweise werden Geschenke vom Empfänger erst aufgepackt, wenn er wieder alleine zu Hause ist. Daher wird oft noch mehr Wert auf die Verpackung als auf das Geschenk selbst gelegt. Allerdings haben unsere japanischen Kollegen uns eigentlich ausnahmslos die Freude gemacht, ihre Geschenke bereits vor unseren Augen aufzupacken. Sprache Die japanische Sprache und insbesondere die Schrift sind sehr faszinierend. Allerdings ist sie auch so komplex, dass es nicht möglich ist, diese innerhalb kurzer Zeit zu erlernen. Niemand erwartet, dass man als deutscher Austauschstudent japanisch spricht, es erleichtert aber sicherlich die Verständigung. Als „Eisbrecher“ sollte man sich, auch wenn man sonst wenig Kontakt mit der Sprache hatte, zumindest einige Floskeln aneignen. Ebenfalls wirkungsvoll ist es, wenn man sich einige Schriftzeichen inklusive Bedeutung und Aussprache aneignet. Mir (Katrin) gelang es innerhalb der 8 Wochen durch aufmerksames Zuhören und gelegentliches Nachfragen immerhin gut 30 Schriftzeichen so zu lernen, dass ich auch einige – insbesondere häufigere – Namen lesen konnte. Dadurch ließ sich auch häufig der Kontakt zu neuen japanischen Kollegen erleichtern und es bereitete den meisten Freude, dass ich mich für ihre Schrift und Sprache interessierte. Will man aber als Ausländer großen Eindruck bei den Japanern machen und insbesondere unter den Studenten, so begrüßt man sich bei enger Freundschaft untereinander mit Otsukaresama desu. Es ist schwierig zu übersetzten, bedeutet es abhängig von der Situation Hallo, Hy, wie geht´s, Gute Arbeit, Sehe dich später, Tschüss oder Nett dich zu sehen usw. Man sprich es Otskaresama des aus, ohne Betonung der u-Laute. Im Jugendjargon hört man oft auch nur ein kurzes Ots. Gegenüber Fremden sollte man allerdings etwa Vorsicht walten lassen, da die genaue Anwendung dieses Ausdruckes nicht einfach zu erfassen ist und nicht in allen Kontexten richtig ist. 6 2. Nagasaki a.) Ankunft Frau Kusumoto holte uns vom Flughafen in Nagasaki ab und brachte uns direkt in das International Guesthouse Sakamoto, welches direkt etwas oberhalb der Uniklinik liegt. Unsere Ankunft an einem Sonntagnachmittag war kein Problem, da Frau Kusumoto für uns die Schlüssel organisiert hatte. Sie führte uns zu unseren Zimmern, erklärte uns die Einrichtung und schilderte uns den Ablauf der nächsten Tage. Da Montag, der 14.10. ein Feiertag war, konnten wir uns noch etwas erholen, uns den sehr warmen Temperaturen von fast 27 °C sowie den 7 Stunden Zeitumstellung (Deutsche Sommerzeit) anpassen und die Gegend erkunden. b.) Unterkunft & Miete Die Unterkunft wurde uns von Frau Kusumoto im Voraus organisiert. Das International Guesthouse ist sehr günstig, sowohl vom Preis wie auch von der Lage. In etwa 3 Minuten ist man an einem Seiteneingang der Klinik, über den man direkt zu den Büros gelangt. Die Miete beträgt etwa 60€ im Monat – allerdings zählt jeder Tag in einem neuen Monat bereits als neuer Monat. Ist man also von Mitte Oktober bis Anfang Dezember dort, zahlt man die Miete für 3 Monate (immer noch sehr, sehr günstig!). Dazu kommen dann noch Nebenkosten von etwa 10€ pro Monat, eine einmalige Reinigungsgebühr von etwa 100€ und die Miete für Bettdecke, Kissen Sebastians Zimmer und Bettwäsche. Diese ist abhängig von der tatsächlichen Aufenthaltsdauer und beträgt für 2 Monate etwa 30€. Nach Ankunft muss man einmal im International Office bei Frau Ozaki vorbeigehen. Dort kann man auch die Reinigungsgebühr sowie die Mietgebühr fürs Bett bezahlen. Die monatliche Miete sowie die Nebenkosten werden ganz bequem im nächstliegenden Convenience-Store (Kombini-Store), wie dem Lawson, Seven Eleven oder Family Mart bezahlt. Am einfachsten gelingt die Bezahlung im Krankenhaus eigenen Lawson. Zu beachten ist hierbei nur, dass diese Kosten generell in bar bezahlt werden müssen. Die Wohnungen selbst sind zweckmäßig ausgestattet: Man hat etwa 18m² zur Verfügung. Zwei Schränke, Schreibtisch, Bett, sowie eine Regalwand sind enthalten. Ebenso verfügt jedes Zimmer über eine kleine Plastiknasszelle inklusive Badewanne. Die Raumtemperatur wird generell über die Klimaanlage geregelt. (Im Winter kann man damit auch heizen – wie ist aber etwas schwieriger herauszufinden.) Eine große Küche mit vielen Gaskochern befindet sich auf jedem Stockwerk. Ebenso Waschmaschinen (Achtung: Jede hat nur eine Kaltwasser Zuleitung!) und Trockner. Die Gemeinschaftsküche sowie die Gänge werden unter der Woche regelmäßig professionell gereinigt. Etwa einmal in zwei Monaten hat jeder Mieter an einem Tag (nur Wochenenden oder Feiertage) „Küchenputzdienst“. Gemeint ist damit allerdings nur, auf dem eigenen Stockwerk die Müllsäcke zu tauschen und den Müll in die Container vor dem Haus zu bringen. Die sehr spezielle Mülltrennung (Glas, Plastik und brennbarer Müll) Japans bzw. des Wohnheims wird erfreulicherweise auch in Englisch von den Mülltüten selbst erklärt. Vor öffentlichen Müllcontainern steht man aber schon manchmal vor der Frage, welches der japanischen Schriftzeichen jetzt genau den Mülleimer bezeichnet, für den man Müll hat. 7 c.) Internet & Handy Internet im „International Guest House Sakamoto“ zu bekommen ist sehr umständlich. Man muss es zunächst bei einem „internet provider“ beantragen, dann dauert es wohl etwa 3 Wochen, bis man das Internet über ein selbst besorgtes LAN-Kabel verwenden kann. Da wir sowieso nur für 8 Wochen da waren, haben wir darauf verzichtet. Mit etwas Glück hat einer der anderen Mieter des International Guest Houses WLAN und stellt es einem zur Mitbenutzung zur Verfügung. Leider war das während unseres Aufenthaltes nicht der Fall. Im Krankenhaus gibt es WLAN nach Registrierung durch einen der Ärzte (die IP Adresse des jeweiligen Gerätes muss zunächst registriert werden, dann gibt es eine Liste mit Passwörtern für die jeweiligen Gebäudeteile und Stockwerke). Alternativ kann man in den ersten Tagen auch das kostenlose Internet im Starbucks (z.B. im Cocowalk – ein Einkaufszentrum etwa 15min zu Fuß vom Krankenhaus mit Riesenrad auf dem Dach) nutzen. Hierfür ist allerdings vorab eine Anmeldung mit Email Adresse über „starbucks japan“ nötig. Wer ein japanisches Handy nutzen möchte, kann dieses entweder am Flughafen mieten, oder sich ein altes von einem der japanischen Studenten ausleihen. Selbst kaufen ist leider aufgrund des japanischen Gesetzes nicht möglich, wonach nur Personen mit dauerhaftem Wohnsitz eine Handykarte/Handy erwerben können. Ob das eigene Handy für den Notfall in Japan funktioniert, sollte man vorher prüfen. Ich hatte sicherheitshalber zwei Handys dabei, von denen das eine, trotz „Quadband“ nicht funktioniert hat. Vermutlich weil es für Prepaid Kunden nicht vorgesehen war. d.) Elektrische Geräte und Adapter Die Stromspannung in Japan ist eine andere (100V, 60Hz) – es empfiehlt sich alle elektrischen Geräte auf ihre mögliche Verwendung zu prüfen (Info steht irgendwo auf dem Stecker, die meisten (neueren) Geräte funktionieren). Adapter kann man entweder am Flughafen (am besten noch in Tokio) kaufen, oder aber im Yamada Laden, ganz in der Nähe des Stadiums (etwa 2 Haltestellen vom Krankenhaus entfernt – gut sichtbar), ein „großer schwarzer Klotz“. Dort erzählen einem die Mitarbeiter zwar, dass sie den nötigen Adapter nicht hätten – die Beschriftung ist auch tatsächlich nicht für Deutschland gedacht, dennoch Yamada-Elektroladen lässt sich ein Adapter finden, mit dem sich unsere Geräte problemlos an das japanische Netz anschließen lassen. In Deutschland kann man zwar auch versuchen, einen Adapter zu erwerben, allerdings benötigt man für Nagasaki bzw. das Wohnheim einen 2-poligen Stecker. In den Läden in Würzburg, in denen ich zuvor nach einem Adapter gesucht hatte, gab es nur 3-polige, die einem aber nur an sehr wenigen Stellen weiterhelfen. 8 e.) Kleiderordnung Eine richtige Kleiderordnung gibt es in der Klinik eigentlich nicht. Man sollte unbedingt einen passenden weißen Kittel mitbringen, denn es wird bereits am ersten Tag erwartet, dass man diesen dabei hat. Zur Not kann man einen solchen aber auch auf dem Campus der medizinischen Fakultät in einem kleinen Supermarkt neben der Mensa kaufen. Ansonsten empfiehlt es sich, ordentliche Schuhe und Hosen dabei zu haben. Manche Ärzte arbeiten allerdings auch in „Lederschuhen“ welche eher offenen Hausschuhen ähneln. Vor unserem Aufenthalt dachten wir, dass unsere Socken unbedingt neu oder zumindest lochfrei sein müssten. Im Laufe der Zeit haben wir aber bei manchen meiner Kollegen, die in offenen Schuhen arbeiteten, festgestellt, dass die Socken bereits mehrere Löcher hatten. ;-) f.) Geld Das Thema Geld ist so eine Sache für sich. Prinzipiell kann man überall – oder zumindest in jeder größeren Stadt – an Bargeld kommen. Es empfiehlt sich auch immer, genügend Bargeld dabei zu haben, da Kreditkarten, insbesondere unsere „Übersee-Kreditkarten“ nur selten akzeptiert werden, außer in den meisten Kombini-Stores. Visa ist in Japan stärker vertreten als Master Card. Geld abheben geht eigentlich nur mit Kreditkarte. Wo man Geld abheben kann, ist abhängig von dieser Karte. Mit der deutschen Visa-Karte kann man entweder im seven eleven (7up) oder bei der Postbank Geld abheben. Mit der deutschen Mastercard geht das nur bei der Postbank. Dies stellt nur bedingt ein Problem dar, da die Post ganz in der Nähe des Krankenhauses direkt an der Streetcar Haltestelle „Nagasaki daigaku byoin“ (Nagasaki Universitätsklinik - 長崎大学病院) ist. Allerdings ist der Geldautomat an die Öffnungszeiten der Post gekoppelt. Generell kann man sagen, dass die bargeldlose Bezahlung mit Visa erheblich einfacher war als mit MasterCard. Wichtig zu wissen ist auch, dass der Mindestbetrag, den man abheben muss, sowohl im 7up wie auch in der Post 10.000 Yen (etwa 75€) sind. Im 7up gibt es nur 10.000 und 5 000 Yen Scheine, in der Post kann man ab 10.000 Yen auch 1000 Yen Scheine abheben und so quasi jeden Geldbetrag über 10.000 abheben. Interessant zu wissen ist, dass man 2000 Yen Scheine zwar in Deutschland bekommt, diese aber in Japan inzwischen überaus selten sind. Bezahlt man damit wird man häufig mit großen, erstaunten Augen angeschaut. Teilweise wird auch mehrfach geprüft, ob der Schein wirklich echt ist. In Japan zahlen die Menschen einen 500 Yen Betrag lieber mit einem 10.000 Yen Schein als mit einem 2000 Yen Schein. Als ich (Katrin) mit meiner Mentorin mal in einem Supermarkt war, habe ich den Geldbetrag mit einem 2000 Yen Schein bezahlt. Sie wirkte beinahe entsetzt. Später haben wir uns darüber unterhalten, dass ich Bedenken hätte einen kleinen Betrag mit einem 10.000 Yen Schein zu bezahlen. Daraufhin meinte sie: „Aber nein, das ist hier überhaupt kein Problem! Man zahlt hier auch ganz kleine Beträge häufig mit einem Zehntausender!“ Als ich ihr erzählte, dass das bei uns eher unerwünscht sei, meinte sie: „Oh, jetzt verstehe ich, warum man mich in Europa unfreundlich angeschaut hat, als ich 2€ mit einem 100€ Schein bezahlen wollte!“ ;-) 9 g.) Einkaufsmöglichkeiten Essen und Trinken ist in Japan relativ teuer. Auf Empfehlung eines früheren Austauschstudenten haben wir uns vor Ort im 100 Yen-Shop (je nach Wechselkurs etwa 0,80€ Shop) mit Besteck und Tellern eingedeckt sowie in einem Supermarkt nahe der Universität Topf und Pfanne gekauft. Wir haben dann regelmäßig gekocht und uns dabei meist auf Reis und Gemüse beschränkt. Für einen Japaner übrigens kein richtiges Essen: Für meine Kollegen dort gehört immer mindestens ein Stück Fleisch oder Fisch zu einem „richtigen“ Essen. Wenn ich erzählt habe, was es bei uns zu Abend gab, dann kam oft die erstaunte Nachfrage: „Okay, Reis und Gemüse – und was habt ihr gegessen?“ Es gibt so gut wie alles im 100 Yen-Shop, den man am besten mit der Roten Linie-3 oder Blauen Linie-1 erreicht und bis zur Haltestelle Sumiyoshi-12 fährt. Man überquert die Straße in Fahrtrichtung links und steht genau vor dem Eingang der gleichnamigen Einkaufspassage Sumiyoshi. Man geht an den Gemüsehändlern vorbei und geht in einen großen Supermarkt auf der linken Seite. Im ersten Stock befindet sich der 100 Yen Shop. Im Erdgeschoss kann man eine große Auswahl an Obst und Gemüse kaufen, sowie sehr gutes Sushi, zahllose Bento-Boxen oder gutes Fleisch. Im 100 Yen-Shop kann man auch günstig Geschirr kaufen, das auch tatsächlich gut 8 Wochen durchhält. Ein anderer, viel größerer Daiso-100 Yen Shop findet sich in den Einkaufsarkaden in der Nähe Chinatowns und wird weiter unten beschrieben. Wer in der Nähe schön shoppen oder Lebensmittel einkaufen gehen möchte, kann dies bis 21 Uhr im nur 10 min. zu Fuß entfernten Cocowalk erledigen. Schon am zweiten Tag haben wir je eine 500Yen Fahrt mit dem Riesenrad unternommen, welches im 4. Stock des Einkaufszentrums angegliedert ist, zusammen mit einer Spielhalle für Jung und Alt. Den Cocowalk sollte man sich auch deshalb gut merken, da man von dort aus mit dem Bus zum Flughafen Nagasaki oder auch nach Kyoto gelangt. Zudem ist die Bahnhaltestelle „Urakami“ in unmittelbarer Nähe. Ein etwas kleinerer Supermarkt, der aber alles an Lebensmitteln hat, was man im Laufe der Zeit benötigt, befindet sich auch unmittelbar unterhalb der Klinik. h.) Fahrt zum Flughafen Da unser Flug am Freitagabend ging und wir daher schon zur Mittagszeit zum Flughafen aufbrechen mussten, fand sich leider keiner, der uns mit dem Auto zum Flughafen bringen konnte. Daher sind wir mit dem „Airport-Bus“ ab dem Cocowalk zum Flughafen gefahren. Der Bus fährt alle 20 bis 30 Minuten, benötigt etwa 1 Stunde und kostet ungefähr 6€ pro Person (inkl. beliebig vieler Gepäckstücke). Den Fahrplan gibt es im Internet auch auf Englisch einzusehen. Um zum Cocowalk zu kommen, kann man entweder ein Taxi bestellen (etwa 10€), mit der Streetcar fahren oder eben zu Fuß gehen. Nagasaki besitzt, wie einige Städte auf Kyushu eine Art Straßenbahn. Außerhalb Kyushus sei es eine Rarität. Das Schienennetz ist sehr gut ausgebaut und leicht verständlich. Die Fahrt in Nagasaki kostet pauschal 120 Yen, die man immer passgenau beim Aussteigen an der Fahrertür zu zahlen hat. Am anderen Ende des Wagons steht immer ein Geldwechselautomat in der Bahn, sodass man keine Probleme haben sollte, zumal touristenfreundliche Abbildungen den Bezahlprozess in einer bunten Bilderreihe darstellen. Die Fahrt mit dem Bus innerhalb der Stadt sollte auch kein Problem darstellen, allerdings sind die Buspläne hauptsächlich auf Japanisch und so haben wir Busreisen nur für Fernreisen unternommen. Taxifahrten sollte man, außer wenn von der Klinik gesponsort, eher vermeiden, da die Kosten eher noch höher sind als bei uns. 10 3. Universität & Krankenhaus a.) Sebastian Viszeralchirurgie (3 Wochen) Der (aller-) erste Tag Am ersten Tag wurde man von Mr. Tanaka, den ich danach nicht wieder gesehen habe vom Admission-Office nahe der UniversitätsBibliothek abgeholt. Herr Tanaka kam recht pünktlich um 07:00 Uhr. Seine eifrigen japanischen Worte habe ich vorerst nicht verstanden, aber ich sollte kurz auf ihn warten. Dann kam er mit meinem Ausweis, der Codekarte für die gesicherten Türen und Aufzüge, sowie einem Diensttelephon zurück und wir machten uns auf den Weg zur Klinik. Wir plauderten etwas und kamen flüchtig ins Gespräch. Er brachte mich sogleich in die 11. Etage, um mich dem Chef der Studienabteilung vorzustellen. Hier verließ mich Mr. Tanaka und ich kam auch hier schnell ins Gespräch. Er teilte mir noch meinen Schreibtisch zu und ich konnte mich dort umkleiden. Allerdings setzte er irgendwie voraus, dass ich einen Coat dabei habe. In der Zeit im Krankenhaus hatte ich immer meine eigene Kleidung, wie Hose, Hemd, Schuhe und Kittel dabei. Arbeitskleidung für Studenten gäbe es anscheinend auch, aber wir habe nie davon Gebrauch gemacht. Der Herr stellte mich dann Herrn Professor Eguchi vor, der einige Zeit in Groningen/Niederlande und in den USA verbracht hatte. Er ist ein ganz, wie ich nun behaupten darf, untypischer Japaner, der offen auf die Leute zugeht und interessanterweise gerne sein Holländisch unter Beweis stellen möchte. Wir haben uns freundlicherweise auf Englisch geeinigt und hier und da verabschiedete er sich auf Deutsch. Bei der Morgenbesprechung um 7:30 Uhr kamen alle Mitarbeiter der Chirurgie-Abteilung zusammen. Es stellten sich die japanischen Studenten vor und mir schlug das Herz etwas höher. Dann durfte auch ich mich vor fast vierzig Leuten in dem dafür nicht ausgelegten Konferenzraum vorstellen. Der gegenseitige Respekt ist enorm. Ohayo gozaimasu. Watashi wa Sebastian von der Assen desu. Doitsu-jin desu. Dann musste ich wechseln. I´m an exchange student from Germany. Ich gebrauchte zwar viel mehr Worte als die japanischen Studenten, aber alle Anwesenden verneigten sich und klatschten in die Hände. Ein tolles Gefühl, dem ich mit einem breiten warmen Grinsen begegnete. Dann ging die Konferenz los und sofort waren zwei Ärzte um mich herum, um mir alles auf Englisch zu übersetzen. Man erzählte mir, wie sich der Ablauf strukturierte. Zuerst werden die Pre-OPs (Vorbesprechungen der kommenden Operationen) besprochen, dann die bereits stattgefundenen OPs. Dabei wurde schnell die Verteilung der Aufgaben klar. Es gibt einzelne OP-Teams, die sich auf eine OP, bzw. auf ein Organ spezialisiert haben. Ich wurde eher zufällig dem „Leber-Team“ zugeteilt, da ich Herrn Eguchi bei meiner ersten Begegnung auf die Frage, was mich denn besonders an der Chirurgie reizen würde, hektisch-nervös „…liver and pancreas surgery…“ hervorbrachte. 11 Dabei stellt die Gruppe den Patienten anhand der Krankheitsgeschichte vor, zeigt Laborwerte, ein standardmäßig angefertigtes EKG, sowie durchgeführte Ultraschalluntersuchung oder Röntgen-, CT- oder MRT-Bilder. Die Besonderheit dabei war, dass sämtliche OP-Schritte in einer Art Briefing einzeln durchgesprochen wurden, sowie detaillierte Zeichnungen des voraussichtlichen OP-Feldes angefertigt wurden und auf die kleinen Meisterwerke wurde offensichtlich auch großer Wert gelegt. Danach folgte die ebenso umfassende Post-OP-Besprechung im selben Raum. Anschließend ging es auf die Station. Das Krankenhaus besteht aus zwei großen Komplexen, sodass man nicht jeden beliebigen Fahrstuhl verwenden kann, was in den ersten Tagen zur perfekten Verwirrung geführt hatte. Lustigerweise verirren sich auch langjährige Mitarbeiter noch gelegentlich im Wirrwarr der Gänge, Stockwerke, Gebäude und Aufzüge. Ein Krankenhauskomplex beinhaltet die Forschungs- und Verwaltungsabteilung und der andere Teil die Patientenbetten und Untersuchungsräumlichkeiten. Sich in diesem Gewirr von Treppen und Türen und Fahrstühlen zurecht zu finden, braucht seine Zeit. Auf Station werden einem schnell die großen Dimensionen bewusst. In den breiten Fluren konnte man problemlos zwei Betten parallel vorbeischieben. Das Stationszimmer hatte nie geahnte Ausmaße und im Zentrum befanden sich die Arbeitsplätze mit den stets in Rosa gekleideten Nurses. Nicht nur die waren rosa, sondern auch die vielen teuren Littmann Stethoskope, die Patientenhemden, die OP-Kleidung der Schwestern samt Kopfhaube, die Vorhänge in den Patientenzimmern und die Bleischürzen im OP waren ebenfalls rosa mit niedlichen Häschen oder Pandas darauf. Die einzelnen Etagen unterteilen sich in einen Ostflügel 東, der orange eingefärbt war und in einen Westflügel 西, der grün als Erkennungsfarbe hatte. Der absolut höfliche Umgang und der Geduld der Mitarbeiter ist es zu verdanken, dass man sich nie alleine gelassen fühlt und ermuntert wird, Fragen zu stellen. Ich dachte, dass wir sogleich in den OP gingen, aber ich wurde darauf hingewiesen, dass die OP-Tage der Montag, Mittwoch und Freitag sind. An den anderen Tagen erfolgen „Schreibtischarbeit“ und die Patientenaufnahme sowie -entlassungen. Am Dienstag war also ein OP-freier Tag, dennoch wurde es durch die Frühvisite um 10:00 und die Spätvisite um 16:00 Uhr nicht langweilig. Die vielen neuen Eindrücke in Kombination mit dem Jetlag begannen einen im Laufe des Tages zu erschlagen, so dass man gegen 18:30 Uhr gehen konnte. OP-Tag Ich war mir noch nicht ganz sicher, was mich an diesem ersten Tag im OP erwarten würde. Ich wusste, dass wir eine Lebendlebertransplantation durchführen würden. Zu meiner Überraschung stand ich auf dem OP-Plan. Zwischen all den Katakana, Hiragana und Kanji erspähte ich ein paar lateinische Lettern. Es war deutlich Sebastian zu lesen. Der Plan war sehr strukturiert und zeigte den kompletten OP-Ablauf einschließlich der postoperativen Versorgung. Gestartet wurde in zwei OPSälen. Der Donor (Spender) war die Ehefrau eines Patienten mit Hepatocellulären Karzinom (HCC) und ethyltoxischer Leberzirrhose. Das eine Team operierte den Spender und das andere Team operierte den Empfänger (Rezipienten). Ich wurde dem Empfänger zugeteilt, zusammen mit Professor Eguchi und 4 weiteren Operateuren. Die Teams holten den Patienten aus seinem Zimmer ab und auf halber Strecke zum OP trafen wir auf das andere Team, sodass sich ein eindrucksvolles Grüppchen zusammenfand, um die vorausgehenden Patienten zum Saal zu begleiten. Es war eine sehr bezeichnende Szene, die mir immer wieder verdeutlicht, welche tiefe Wertschätzung die Japaner untereinander eint. Die Operation war insofern etwas Besonderes, als dass Lebertransplantationen von gehirntoten Spendern in Japan sehr selten sind. Einer der Oberärzte malte mir eine Zahl von ca. 50 Lebertransplantationen pro Jahr auf meinen Schreibblock. In Korea sind es schon über 200 pro Jahr. 12 Die Operation begann ca. um 08:00 Uhr. Wir betraten das Labyrinth aus Gängen und wechselten zu allererst – genau - die Schuhe. Ich wechselte zuerst die Krankenhauslaufschuhe und zog die OPSchuhe an. Dann folgte erst die übliche Umkleide und der Wechsel der Arztkittel zur OP-Kleidung bestehend aus Hose und Hemd. Alternativ kann man auch OP-Socken anziehen, jedoch habe ich nie davon Gebrauch gemacht und auch nicht jeder Chirurg wechselte seine Socken. Die Wertsachen, wie die unzählbaren Smartphones und Tablet-PCs wurden anschließend verwahrt. Danach folgten die OP-Haube und die Maske, die mir jedoch meine Nase mit einem kräftigen Zug an den Mund presste. Jetzt erst konnte ich den ausladenden OP-Komplex betreten und die rund 13 Operationssäle genauer betrachten. Vorbei ging es an sehr geräumigen Waschstraßen und Aufenthaltsräumen. Es war doch alles etwas größer, als ich es bisher erlebt hatte. Die Operationssäle werden allesamt überwacht und sind untereinander mit einem Funksystem verbunden. Auffällig war auch hier der gegenseitige Respekt, kein wortloses Aneinandervorbeirennen oder schlechtgelaunte Mienen. Wie im Alltag, so dominiert auch hier meist die Farbe rosa oder pink. Vor allem die OP-Schwestern trugen rosa Hauben, rosa Kleidung und pinkfarbene Schuhe. Vor dem Schnitt sollte sich jeder Beteiligte nochmal mit seinem Namen vorstellen: Watashi-wa Sebastian desu. Erst jetzt wurde begonnen. Am Kopf des Operationsfeldes war Prof. Eguchi, ihm gegenüber und jeweils daneben die anderen Operateure. Einer der Studenten wurde nach vorne gerufen und durfte überraschenderweise den ersten Schnitt mit dem Skalpell machen. Prof. Eguchi assistierte dem nervösen Studenten dabei. Ich empfand dies als große Ehre, wie ich es Prof. Eguchi mitteilte und dass dies in Deutschland in den allermeisten Fällen ungewöhnlich sei. Als diese Nachricht dem Studenten überbracht (also übersetzt) wurde und er ein in meinen Augen „ehrenvolles“ Werk getan hatte, glänzten seine Augen deutlich. Auffällig war die absolut saubere und konzentrierte Arbeitsweise während der Operation. Nahezu keinerlei Blutstropfen verließen das Operationsfeld, ständig hielt einer der Operateure den Sauger in die Wunde. So eine saubere Operation hatte ich zuvor nicht gesehen. Die Studenten hatten derweil die Möglichkeit auf einem der drei Monitore das Geschehen zu verfolgen oder sie konnten in den ausliegenden und reich bebilderten Operationsanleitungen der Ärzte blättern. Es waren didaktisch einwandfreie Bücher, die rund 10.000 Yen (derzeit etwa 75€) gekostet hatten. Zu jedem Operationsgebiet gab es eine Ausgabe. Diesmal lag die kan-zo Transplantation aus. In 45 Schritten zum Erfolg. Jeder einzelne OPSchritt wurde mit zahlreichen Texten und viel besser verständlichen, idealisierten Zeichnungen abgebildet. Die Assistenzärzte waren zunächst nicht am OP-Feld, sondern sollten am Ende die Operationswunde zunähen und bedienten die Kamera über dem OP-Feld. Jede Operation wurde aufgezeichnet. Jeder wichtiger Teilschritt wurde zudem auf unzähligen Fotobildern dokumentiert, weshalb die Operation an unzähligen Stellen extra für Dokumentationszwecke unterbrochen wurde. Daneben wurden die Operationsschritte nochmals in einer Art timetable oder Fahrplan festgehalten und die jeweiligen abgeschlossenen Stufen der Operation mit einem Häkchen versehen. Danach wurde ich an das OP-Feld gerufen und stand in dritter Reihe, wo ich leider absolut gar nichts gesehen habe. Aber man sagte mir „Don´t worry“, das sei hier eben so. Die chirurgische Handreinigung bestand aus drei Phasen. Mit einem Pedal bediente man eine Art Blasebalg und pumpte mit Fußkraft eine rötliche seifenartige Masse auf seinen Arm. Das ganze wurde dann unter dem Wasserhahn abgewaschen und dann wurde bis zum Unterarm eingeseift und zum Schluss die Hand. Zum Abschluss spendete ein Automat trockene Tücher, man rubbelte sich trocken, nahm ein wenig Desinfektionsmittel, den sog. alcohol, wird von der netten Schwester angekleidet und geht in den OP. Der Saal war geräumiger, als ich es bisher aus deutschen Krankenhäusern kannte. Es waren im Laufe der OP ziemlich genau 22 Menschen im Saal, die allesamt durcheinander redeten und die Bon Jovi Musik aus der bereitgestellten CD-Anlage erstaunten mich umso mehr. Doch alle Beteiligten waren weiterhin konzentriert. Es gab keine lauten, bösen Worte unter den Operateuren und auch die OPSchwestern nahmen die Anweisungen gelassen und sehr aufmerksam hin. Die OP dauerte noch viele Stunden und um 19 Uhr gab es einen „Brake“. Das Abendessen wurde bereitgestellt und Prof. Eguchi lud mich ein, bevor wir im zweiten Teil der OP die Leber einsetzten und die Portalvene durchtrennten. Im Aufenthaltsraum gab es Hotto Motto Chicken mit Reis und Gemüse. Hotto Motto ist die japanische Antwort auf KFC oder McDonalds, nur irgendwie gesünder. Anbei lief ein Baseballspiel im Fernsehen und einige Ärzte fieberten engagiert mit. Nachdem der zweite Teil der Operation lief, folgten einige teaching lessons. Dabei durften wir als Studenten die zirrhotische Leber im Situs tasten, bei der Präparation der Gefäße der Spenderleber habe wir uns die Anatomie nochmals vergegenwärtigt und 13 wurden nach einer weiteren kurzen Pause von Prof. Eguchi auf den OP-Boden gerufen, wo er uns einige chirurgische Knoten zeigte. So kam ich immer besser mit den japanischen Studenten in Kontakt und wir hatten viel Spaß dabei, als wir vor lauter Müdigkeit unsere Finger selbst zusammenknoteten. Um 22:30 Uhr, nach über 14 Stunden habe ich den OP-Saal und auch das Krankenhaus verlassen und bin im International Guest House kraftlos in meinem Bett zusammengebrochen. Aber mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. Sebastian und die Empfangsdamen der Chirurgie ENT-Department (2 Wochen) Grundsätzlich: Ich habe mich immer am Freitag vor dem Wechsel in ein neues Department bei den Sekretärinnen des jeweiligen Departments gemeldet, mich vorgestellt und mir nochmals die Anfangszeiten bestätigen lassen, die mir Frau Kusumoto teilweise schon vor unserem Japan-Austausch mitgeteilt hat. Sehr angenehm war, dass die 11. Etage des Outpatient Buildings komplett in Chirurgischer Hand war. Nur die Prof. Takahashi und Sebastian Herzchirurgie befand sich im 10. Stock. So konnte man bequem ein paar Türen weiter gehen und sich kurz bei den Leuten melden. Das wäre zwar nicht nötig gewesen, da an der PIN-Wand bereits die kopierten Austauschdokumente hingen mit dem Verweis, dass ich komme, aber alle fanden es sehr gut und haben sich gefreut. Nach drei Wochen Viszeralchirurgie hatte man sich schon derart an die Gesichter jeden Morgen gewöhnt, dass ich nur schwer Abschied nehmen konnte und mit gemischten Gefühlen das ENT (Ear Nose Throat) oder HNO-Department besuchte. Was wird mich dort erwarten? Um es kurz zu machen: Ich war nicht nur angenehm überrascht, sondern hochgradig begeistert, so dass ich mich sogar geärgert hatte, nicht eine Woche mehr dort verbringen zu können. Der Professor und damit Chef der HNO sprach ein amerikanisches Englisch mit einer überraschend angenehmen Stimme, die ihn sehr sympathisch machte. Man wird immer gefragt, was man machen möchte und ist eigentlich relativ frei in seinen Entscheidungen. Viele verstehen das System aus Deutschland mit den Tertialen nicht und nahmen generell an, man möchte unbedingt Chirurg werden. Ich erklärte immer ehrlich, dass man vielleicht kein Chirurg werden 14 möchte, aber hier in Japan die einmalige Gelegenheit hätte, anstatt zweigleisig Viszeralchirurgie und Unfallchirurgie, multidisziplinär ein viel breiteres Chirurgiespektrum abzudecken. Und das stimmte auch und es war auch deutlich vielfältiger und spannender. Erfreut erklärte er mir, dass man eng mit Würzburg auf dem Feld der Cochlea Implantate arbeitete, umso erstaunter war er, als ich ihm erklärte, dass ich leider noch keine Gelegenheit hatte, eine OP dieser Art direkt zu verfolgen. Etwas erstaunt darüber schmunzelte er etwas, aber versprach mir, dass ich Gelegenheit hätte, eine solche OP zu sehen. Ich war angetan von seiner freundlichen Art und Weise. Er übergab mich in die Hände seines Stellvertreters, Dr. Kaneko. Ein schmal gebauter, sehr freundlicher Herr, der sich um mich kümmerte und mich mit etwas versorgte, was ich im Laufe der Zeit mehrfach als very good und best organisation lobte: Ein Wochenplan! Wow, jetzt weiß ich wenigstens wo ich wann, warum sein muss. Die ENTLeute bezeichnen sich selbst als „Spätstarter“, sodass ich erst um 9:00 Uhr anwesend sein musste und gegen 15:00 Uhr bereits fertig war. Lobenswert sollen aber nicht die studentenfreundlichen Hospitationszeiten sein, sondern die Vielfalt an Möglichkeiten, die für mich vorgesehen waren. Neben dem Chef und seinem Stellvertreter gab es noch andere in seinem Team, die mich sehr freundlich begrüßten. Das ENT Department unterteilt sich in zwei Teams: das Ear-Team und das Larynx-Team. Am wohlsten fühlte ich mich unter den Ohren-Leuten. Zunächst durften die Studenten, sowie alle übrigen ENT-Ärzte mit auf die Visite des Professors. Es handelte sich dabei um die Voruntersuchung zu den bevorstehenden Operationen. Auf zwei Sesseln wurden in einem gut ausgestatteten Raum Patienten empfangen und untersucht. Dabei erklärten die beistehenden Ärzte immer, was der Patient gerade hatte. Einer der ENT-Ärzte war ein kräftiger, lustiger Kerl, der gerade Deutsch lernte und versuchte, hier und dort ein Wort einzubringen. Ein anderer konnte nur gebrochen Englisch sprechen, doch auch er war sehr bemüht, den Studenten und auch mir etwas bei zubringen. Das Highlight war eine Pharyngoskopie, die wir gegenseitig durchführen durften. Danach hielt der Professor für die japanischen Studenten einen einstündigen Vortrag und wechselte gleich am Anfang auf Englisch, wofür ich mich unterwürfig mehrfach verbeugte und bedankte. Am Ende durfte jeder an einem echten Schädelmodell ein Cochlea-Implantat einführen. Es war ein fast unmögliches Unterfangen und man begriff sofort die ausgesprochene Fingerfertigkeit und Erfahrung die ein solcher Eingriff voraussetzte. Eines Tages kam Mr. Kaneko auf mich zu, wegen einer Patientenvorstellung, die ich im Team dem Professor präsentieren sollte. Ich teilte mir die Arbeit mit den anderen japanischen Studenten, die allerdings lediglich den vorgefertigten Diagnostik- und Anamneseteil vorzulesen hatten, den der Arzt schon angefertigt hatte. Das lief auch auf anderen Abteilungen so. Zwar dürfen die japanischen Studenten mal einen Patienten betreuen und bei den unregelmäßigen Visiten vorstellen, bei der Vorstellung in der Teambesprechung mittags wurden vorgefertigte Anamnesen und Diagnoseblöcke nur vor-, bzw. abgelesen. Leider haben sich die Kollegen nicht richtig abgesprochen, sodass ich einen zusätzlichen Patienten alleine vorstellen sollte. Gewiss, es war ein einfacher Fall, einer Otitis media, allerdings präsentierte ich dies auf die herkömmliche Art mit PD Dr. Kaneko und Sebastian selbstverfassten Texten und Recherchen mit Hilfe des Internets oder der gut ausgestatteten Bibliothek. Man wird während dieser Patientenvorstellung aber sehr gut betreut. Eine nette Ärztin aus den Ear-Team nahm sich fast 2 h Zeit, mir die japanischen Krankenunterlagen ins Englische zu übersetzen. Dies lag aber vor allem daran, dass die Dame noch nicht so gut Englisch sprach, so dass man sprachlich improvisieren musste. In diesen Situationen machte der Austausch mit den Japanern am meisten Spaß. Man lernte gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen. Man war gezwungen, mit sehr einfachen Worten komplexe Sachverhalte in einer anderen Sprache zu erklären, bzw. aus den einzelnen Worten große Zusammenhänge auf Englisch zu formulieren. Gelang dies, so freuten wir 15 uns beide. Schlussendlich habe ich in einem gut akzeptierten Vortrag die Patienten vorstellen können und obendrein noch für einen Lacher gesorgt, als ich dem Professor auf sein Nachfragen sehr rasch die gewünschte Antwort präsentieren können. Etwas erschrocken fragte er auf Englisch, woher ich das denn wisse. Ich antwortete nur, dass das Team mir das doch im Vorfeld gut erklärt hätte. Ich habe diese Station sehr gemocht und vermisse sie noch heute. An einem anderen Tag nahm mich Dr. Kaneko mit auf seine 2 stündige Sprechstunde. In dieser Zeit nahm er sich unglaublich viel Zeit für die Untersuchung der Patienten. Sein Untersuchungszimmer war sehr umfangreich ausgestattet und besonders stolz war er auf seine Hochgeschwindigkeitskamera, die er selbst noch zusätzlich modifiziert hatte. Die Patienten wurden wie in Deutschland aus dem Vorraum hereingebeten und Voruntersuchungen zu bevorstehenden OPs im Pharynxbereich oder Nachkontrollen durchgeführt. Dabei wurde ich immer ausgiebig vorgestellt und hörte den Ausführungen von Dr. Kaneko zu und bewunderte die Funktionsweise der Hochgeschwindigkeitskamera, die Prof. Kanda und Sebastian Bewegungen der Stimmbänder verlangsamt wiedergeben konnte, so dass Störungen dokumentiert werden konnten. Fast genauso viel Zeit, wie für das Patientengespräch und die klinische Untersuchung verbrachte der Arzt allerdings damit, seine Befunde im Computer festzuhalten. So wurden innerhalb der 2 Stunden lediglich 5 Patienten versorgt. Anschließend wollte Dr. Kaneko mir noch die anderen Räumlichkeiten der HNO zeigen, allerdings hat er sich das ein und andere Mal in den Gängen geirrt und die falsche Tür aufgestoßen, sodass er mich bat, doch lieber nach Hause zu gehen. Ich habe Dr. Kaneko sehr gemocht. Eine der spannendsten Begegnungen hatte ich eines Tages in der HNO-Klinik. Es stellte sich ein Prof. Kanda vor, von der Kanda-HNO-Klinik. Er lud mich zu sich in seine HNO Klinik ein und bot mir an, ihm bei der nächsten Cochlea-Implantation zu assistieren. Er war sehr neugierig und erkundigte sich über viele Details über Deutschland und die Ausbildung zum HNO-Arzt, die ich ihm aber nicht alle erklären konnte. Und wirklich, bei seiner nächsten OP durfte ich assistieren. Rein zufällig waren auch Fotographen im OP um diese interkulturelle Zusammenkunft zu dokumentieren. Ich empfand eine große Wertschätzung. Eine Wertschätzung, die ich in Deutschland als Student noch nicht erlebt habe. In jene Tagen fühlte ich mich sehr wohl und war froh Teil des Austauschprogramms sein zu können. Cochlea-Implantation mit Prof. Kanda (ganz rechts) und das OP-Team 16 Heart-Surgery (2 Wochen) Eigentlich hatte ich mich riesig auf die Herzchirurgie gefreut und war schon gespannt, welche OP ich als erstes miterleben dürfte. Zudem war ich gespannt, inwieweit ich mich nach den vergangenen Wochen Viszeralchirurgie und HNO in das Team würde einbringen können. Ich wurde sehr nett begrüßt von Prof. Aishi, einem der anerkanntesten Herzchirurgen Japans. Er betreute die Studenten auf die klassische Art und Weise. Jeden Morgen gab es eine Vorlesung zu einem Prof. Aishi und Sebastian bestimmten Thema, wie Herzklappenfehler, während der Bypass-Operation angeborene und erworbene Herzfehler, sowie Myokardinfarkt. Man musste sehr aufmerksam zuhören, er erklärte erst auf Japanisch und dann in einem sehr gut verständlichen Englisch. Am darauffolgenden Tag wurde eine Prüfung zu dem gestrigen Vortragsthema geschrieben. Es handelte sich um Multiple-Choice-Fragen, der japanischen Variante des 2. Staatsexamens. Als Doitsu-jin musste ich diese „Tortur“ in den Augen eines jeden Studenten nicht mitkreuzen. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass diese Tests tatsächlich benotet wurden. Ebenso wie die von der Station ausgehändigten DIN A4 Notizbögen, in denen man die Informationen zu den in der Woche operierten Patienten festhalten sollte. Zusätzlich sollte man Zuhause noch patientenbezogen etwas nachlesen und zu dem jeweiligen Patienten und seiner Krankheit im Notizbuch ergänzen. Am Ende der Woche wurden diese Hefte eingesammelt und überflogen. Für jede Seite, die beschrieben war, erntete man ein „very good“ und ein Häkchen. Hier beginnt mein „leider“. Im OP wird man weniger stark eingebunden, wie in der Viszeralchirurgie und das Team war weniger interessiert an einem als in der HNO. Insgesamt fühlte ich mich die ersten Tage eher unwohl. Neben dem netten Professor und seinem Stellvertreter, einem Oberarzt, der in Dresden 3 Jahre lang operativ tätig war und daher relativ gut Deutsch, wie auch Englisch sprach, gab es noch weitere Ärzte, deren Fremdsprachenkenntnisse eher gering waren. Irgendwie fand ich zu ihnen nie den richtigen „Draht“. In den OPs bemühte ich mich zwar mit einfachen englischen Worten, doch mit jedem Wort Englisch stieg das Unbehagen. Schließlich ließ man nur noch die japanischen Studenten Englisch reden und forderte sie auf, die Ausführungen in den OPs zu übersetzen. Man machte sich nicht mehr die Mühe, mir auf meine Fragen zu antworten und wenn dann nur auf Japanisch. Ich will mich jedoch auf das Positive in dieser Zeit erinnern. Der Arzt, der Deutsch konnte, leitete einen Nahtkurs und wir versuchten Anastomosen zu vernähen. In diesen rund 60 min. habe ich mich wieder fröhlicher stimmen können und ich stellte den Studenten die Frage, die ich dem Arzt beim ersten Treffen aufgegeben hatte: Wie viele Frankfurts gibt es in Deutschland? Der Arzt war über die Antwort 3 so erstaunt, dass er es den Studenten sogar als Hausaufgabe mitgegeben hatte. In diesem Nahtkurs versuchte er immer auf Deutsch zu antworten, wenn ich Englisch mit ihm redete. Es war ein herrliches Babylon, in das ich da geraten bin ;-) 17 Zum guten Ton gehören in Japan „Welcome Parties“, d.h. die Neuen, und seien es auch nur Studenten, werden zu einem guten Essen eingeladen. Meine Willkommensfeier musste man bis auf den vorletzten Tag meiner Anwesenheit verschieben. Es kamen wirklich alle des Herzchirurgie-Teams und sogar der Professor. Mit jedem Glas Bier und jedem Sake öffneten sich die Herzchirurgen mehr und mehr, bis wir mit lauthalsem Lachen das kleine Restaurant unweit der Klinik in den kleinen Straßen Nagasakis verlassen haben. Es war ein glanzvoller Abschied ehrlicherweise durchwachsener zwei Wochen Herzchirurgie. Vor allem wegen den netten japanischen Studenten habe ich nie den Spass und die Freude ganz verloren. Welcome Party, neben mir nette der Arzt (Brille) mit Deutschkenntnissen Brainsurgery (1 Woche) Eine Woche Neurochirurgie? Und dann nicht mal eine ganze Woche, da wir bereits am Freitag zum Flughafen mussten. Also 4 Tage Neurochirurgie? Macht das überhaupt Sinn? Lernt man da was? Die Frage nach dem „Was hast du heute gelernt?“ beantworte ich mir selbst immer mit: Ich muss nicht immer etwas lernen. Ich bin glücklich, dem Team zugehörig zu sein und genieße jeden Tag, den ich am Universitätskrankenhaus in Nagasaki verbringen darf. Natürlich macht es Sinn, in einer solch spezialisierten Fachdisziplin für ein paar Tage zu hospitieren. So war man einerseits sehr frei in der Wahl seiner OPs, die man im Tagesverlauf besuchen wollte und war trotzdem im Team integriert. Am ersten Tag begrüßte mich in einem herrlich deutlichen Englisch mit leichtem Amerikanischen Akzent der Facharzt namens Yoshi. Sein eigentlicher Name war etwas länger und schwieriger für mich auszusprechen, daher wählte er diesen Namen. Das ist auch unter den Studenten so. Ich wählte anstatt des Zungenbrechers Sebastian die durchaus gebräuchliche Abkürzung Sebi. Die Japaner konstruierten daraus einen sehr spannenden Buchstabensalat. Es dauerte zwar nur wenige Sekunden, aber als ich begriffen hatte, dass mit dem Wort an der OP-Tafel Saby ich gemeint war, empfand ich als sehr lustig und auch die Japaner konnten darüber lachen. Apropos Lachen: Man führte mich in den OP, um mich dem Professor der Neurochirurgie vorzustellen. Aber ich solle mich vorsehen, er sei bekannt für seine Witzchen. Ich betrete den Saal mit meinem Betreuer Yoshi und sehe auch schon die Chirurgen bei der Arbeit. Sehr konzentriert und mit OP-Brillen versuchten sie kleinste Hirngefäße zu vernähen. Vor lauter neuer Eindrücke und positiver Anspannung bemerkte Mikrochirurgie-Teaching 18 ich leider nicht den hageren, älteren Kerl, der im Hintergrund die Kabel aus dem Weg räumte und auf Verlangen der Chirurgen Knöpfe auf dem Touchscreen drückte. I´m the guy who cares about the cables and I support the surgeons, sagte er. Nice to meet you, I am Sebastian from Germany, entgegnete ich langsam in möglichst einfachem Englisch. Mit viel mehr Interesse blickte ich weiter gen OP-Feld. Als kurz darauf der OP-Saal lachte, bin ich natürlich in die Falle getappt. Der „Cable Guy“ war natürlich der Professor, der im Hintergrund blieb, um sicherzustellen, dass seine Ärzte auch korrekt arbeiteten. Er konnte ihnen so bei Problemen oder Fragen als „Back up“ zur Seite stehen. So lernte man sich kennen und später hat er immer ein paar Späßchen gemacht, dabei immer eine leichtes Schmunzeln auf den Lippen. Dies war mit Abstand die lustigste Station auf der ich gewesen bin. Dies hat zur Folge gehabt, dass man sich schnell wohl gefühlt hatte, die Integration fiel ungemein leichter als in der Herzchirurgie. Besonders beeindruckt war ich eines Tages, als Yoshi mir anbot, bei einem Patienten eine Magensonde zu legen. Etwas zittrig führte ich die Sonde nach genauer Instruktion ein und kontrollierte die Lage nochmals mit dem Stethoskop. Wenn ich mir sicher sei, dann soll ich sagen, dass alles richtig liege. Ich war beeindruckt von der Verantwortung, die man mit zugetragen hatte und auch von der sehr netten und ausführlichen Anleitung. So habe ich mir mein Praktisches Jahr vorgestellt. Yoshi, Sebastian & Prof. Nagata 19 b.) Katrin Hämatologie (4 Wochen) Überblick In der Hämatologie habe ich meine ersten 4 Wochen Katrin und Prof. Myazaki verbracht. Das war eine sehr gute Entscheidung, da gerade Prof. Myazaki bereits sehr viel Erfahrung mit ausländischen Studenten hat. Er war selbst einige Jahre in Amerika und spricht daher auch sehr gut Englisch. Ein weiterer Vorteil war, dass mein kompletter Stundenplan bereits einige Wochen im Voraus festgelegt worden war. Dieser sah neben der 5 stündigen Visite einmal wöchentlich, sowohl Stunden in der hämatologischen Ambulanz, jeden Tag einige Stunden auf Station, Anwesenheit bei Knochenmarkspunktionen, Ganzkörperbestrahlung und anderen Untersuchungen, sowie etwa 3 Stunden Einzelunterricht pro Woche (auf Englisch) über eines der vielen hämatologischen Krankheitsbilder vor. Da Professor Myazaki zusätzlich Lehrstuhlinhaber des Atombombeninstitutes ist, erhielt ich zusätzlich 3 Stunden Unterricht über die Folgen der Atombombe. Desweiteren wurde erwartet, dass ich im Rahmen der Ärztekonferenzen jede Woche einen Patienten vorstelle und zusätzlich einen „Report“, also eine Krankengeschichte, über einen Patienten schreibe, den ich während der 4 Wochen jeden Tag eigenständig visitiert habe. Zu jeder Visite begleitete mich einer der Ärzte, um für mich und den Patienten zu übersetzen. Besonders spannend war, dass ich dadurch ein Krankheitsbild näher kennenlernen konnte, welches in Nagasaki endemisch, in Deutschland hingegen eine Rarität ist: Die Adult T-Zell Lymphoma Leukämie (ATL). Diese Sonderform des Lymphoms wird durch das Humane T-Zell Virus 1 (HTLV-1) ausgelöst. In der Umgebung von Nagasaki sind 60 - 80% der Menschen Träger dieses Virus. Es wird zumeist durch Stillen übertragen und führt in etwa 5% der Infektionen zur ATL-Erkrankung. Da diese eine schlechte Prognose hat, stellt die Erkrankung in Nagasaki und in ganz Japan ein großes Problem dar, so dass Screeninguntersuchungen der Schwangeren bereits vom Staat übernommen werden und betroffenen Frauen empfohlen wird, auf das Stillen zu verzichten. Leider scheinen die Maßnahmen bisher wenig erfolgreich, da das Stillen in Japan einen sehr großen Stellenwert hat und die Langzeitfolgen von vielen jungen Familien nicht wirklich verstanden oder erfasst werden. In der Hämatologie waren mir 2 Ärzte als Mentoren zugeteilt, ein Facharzt (Dr. Ando) und eine junge Assistenzärztin (Dr. Kamijo). Diese nahmen ihre Aufgaben sehr ernst. So nahm die junge Assistenzärztin mich in ihrer Mittagpause einfach mal mit, um mir einen Supermarkt in der Nähe zu zeigen und mir auch die teilweise für uns exotischen Lebensmittel und deren Zubereitung zu erklären. Der Facharzt hingegen lud Sebastian und mich ein, einen Ausflug durch Dejima und das frühere China Town (siehe unter Sehenswürdigkeiten in Nagasaki) mit seiner Familie zu unternehmen. Während meiner Zeit in der Hämatologie stellte ich fest, dass jede Woche ein anderes Grüppchen, bestehend aus 3 japanischen Studenten, Unterricht auf Station erhielt. Da mein Stundenplan sich aber größtenteils von den Anderen unterschied, kam ich nur mit zwei dieser Grüppchen in Kontakt und auch jeweils nur für kurze Zeit. Am letzten Tag wurde sowohl mir, wie auch den japanischen Studenten ein Kuchenessen spendiert, zu dem mich der zuständige Facharzt (Dr. Imaizumi) mit den Worten einlud: „Es ist eine so gute Übung für die Studenten, endlich mal Englisch zu sprechen. Das ist so wichtig für uns, aber es gibt so selten Gelegenheit dazu.“ Rasch aufgefallen ist mir der große Andrang an Pharmavertretern. Etwa 60 Vertreter stehen pro Tag, verteilt in 3 Schichten auf den Gängen vor den internistischen Abteilungen. Alle zwei Wochen gibt es einen Fortbildungsabend inklusive großem Buffet in einem teuren Hotel in Nagasaki, welcher von den Pharmafirmen finanziert wird. Wir hatten die einmalige Gelegenheit, bei einem solchen Abend dabei zu sein! In der letzten Woche wurde von Prof. Myazaki und meinen Mentoren schließlich ein Abschiedsessen organisiert, zu dem auch Sebastian eingeladen wurde. 20 Willkommensfeiern Sehr gefreut hat mich, dass ich bereits in der ersten Woche zu einem Willkommens- (für mich) und gleichzeitig Abschieds-Dinner (einer Ärztin) eingeladen wurde, zu der so gut wie alle Ärzte der Hämatologie kamen. Hierbei wurde mir der kulturelle Unterschied deutlich bewusst und dass sowohl ich, wie auch die japanischen Kollegen eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit der anderen EssKultur hatten. Das Abendessen fand bei einem japanischen Italiener statt und jeder hatte sowohl Essstäbchen wie auch Messer und Gabel vor sich liegen. Je mehr ich mich bemühte, mit Essstäbchen zu essen, desto mehr bemühten sie die Japaner mit Messer und Gabel zu essen. Bei gutem Wein und bereits von Anfang an guter Stimmung wurde das Essen so zu einem sehr lustigen Erlebnis, bei dem „beide Seiten“ mehr und mehr die Scheu voreinander verloren. Interessant fand ich auch den Hauptanlass des Abendessen: Eine schwangere Ärztin verabschiedete sich von ihren Kollegen, da sie in Mutterschutz ging. Sehr erstaunt hat mich hier der Kommentar des Chefarztes, der lächelnd erklärte, sie möge gerne wieder kommen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich immer gehört, dass für Frauen in Japan die Karriere in dem Moment beendet war, in dem sie Kinder bekamen. Für manche Frauen sei dies sogar bereits bei der Hochzeit der Fall. Allerdings war die Stellvertretung des Chefarztes eine Frau, deren beiden Kinder bereits 15 und 17 Jahre alt waren. Offenbar gab es doch eine Möglichkeit für Frauen Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Andererseits erlebte ich in der Zeit auch, dass eine Arzthelferin aus dem Beruf ausschied, da sie heiratete. Dies wurde mir von ihren Freundinnen wie selbstverständlich erklärt. In Gesprächen mit japanischen Studenten kamen häufig die Begriffe „Work-Life-Balance“ und „Lebensqualität“ zur Sprache. Sie erklärten mir, dies sei ein zunehmend wichtiger Faktor und immer mehr eines der Hauptgesprächsthemen unter jungen Leuten, insbesondere unter jungen Ärzten. Abschiedsfeier von Katrin mit Prof. Myazaki, Dr. Ando und Dr. Kamijo 21 1. Internal Medicine: Neurologie, Endokrinologie, Rheumatologie (2 Wochen) Für die folgenden zwei Wochen war geplant, dass ich in der Rheumatologie sein sollte. Vor Ort stellte sich dann heraus, dass die Rheumatologie zusammen mit Neurologie und Endokrinologie zum first internal medicine department gehört. Ich bekam einen Übersichtsstundenplan, den ich teilweise auch mit 6 japanischen Studenten teilte. So hatten manche Tage einen Schwerpunkt in der Rheumatologie inklusive Gelenkultraschall zur Verlaufskontrolle bei Rheuma und Lippenbiopsien bei Verdacht auf Sjögren-Syndrom, andererseits hatte ich aber auch die Möglichkeit, Untersuchungen in der Neurologie wie zum Beispiel die Elektrophysiologische Untersuchung oder in der Endokrinologie, wie zum Beispiel die Ultraschall geführte Feinnadelbiopsie von Schilddrüsenknoten zu erleben. Zusätzlich bestand die Möglichkeit, mit den Studenten an verschiedenen Skillslab Übungen aus allen drei Fächern teilzunehmen. Auf meine Bitte wurde mir auch ein Patient mit einer Rheumatologischen Erkrankung (Adult-Onset-Still-Syndrom) zugeteilt, den ich regelmäßig mit einer, als Übersetzerin mitkommenden Ärztin besuchte, über den ich einen Bericht verfasste und am letzten Tag im Rahmen der Studentenkonferenz vorstellte. Da in der Universitätsklinik von Nagasaki die Forschung gleichzeitig neben dem Klinikalltag im Bürogebäude abläuft, hatte ich auch die Chance, einen kleinen Einblick in die Forschungslabors zu erhalten und auch eine RNA-Isolierung mit dem mir als Mentor zugeordneten Rheumatologen (Dr. Iwamoto) durchzuführen. Auch in dieser Abteilung war es bisweilen sprachlich schwierig. Manchen Ärzten fiel es sehr schwer, Englisch zu sprechen, wohingegen andere fließend und problemlos sprechen und verstehen konnten. So habe ich überraschend eine sehr lehrreiche Klinische Konferenz über die aktuell stationären neurologischen Patienten erleben können, bei der eine hervorragend Englisch sprechende Ärztin mir neben der direkten Übersetzung zusätzlich noch weiterführende Inhalte zu mir bis zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte Erkrankungen geben konnte. Andererseits erlebte ich es auch einmal im Studentenunterricht, dass der vortragende Arzt kein Wort englisch sprechen konnte und mir daher eine Studentin übersetzen musste – wer bereits in der Neurologie die Vorlesung zum Elektromyogramm gehört hat, kann sich vorstellen, wie absurd die Veranstaltung in einer Fremdsprache ist, wenn der Dozent „unverständliches Zeug brabbelt“ und zwischendurch immer wieder ohne erkennbaren Zusammenhang die Geräusche von Automotoren nachahmt. Glücklicherweise wusste ich bereits, was er damit vermitteln wollte und so konnte ich das ganze gelassen beobachten, ohne vor Lachen unter dem Tisch liegen zu müssen (was ohne das Vorwissen sicherlich leicht passiert wäre). Diese beiden Wochen waren für mich interessant und lehrreich, insbesondere auch, da ich etwas mehr Einblick in das Fach Neurologie erhalten konnte, was in Deutschland leider im Rahmen des Inneren-Tertials normalerweise nicht möglich ist. Auch der Einblick in die Rheumatologie war vielfältig und faszinierend. Neben dem großen Teil an Patienten, die unter rheumatoider Arthritis leiden gab es einige mit insbesondere in Deutschland selteneren Erkrankungen wie der Mikroskopischen Polyangiitis, auch in schwerster Ausprägungsform inklusive schwerer Lungenblutung, Kollagenosen, Adult Onset Still Disease, und einigen weiteren. Der Uniklinik werden zudem Patienten mit unklaren Symptomen bzw. Syndromen aus den umliegenden Kliniken zugewiesen, so dass man die Möglichkeit hat, viele spannende Krankheitsbilder näher kennen zu lernen. Erschreckend fand ich, wie wenig die einzelnen subspezialisierten Ärzte über die Krankheitsbilder der anderen Abteilungen wussten. Dies liegt sicherlich auch am Ausbildungssystem der Fachärzte in Japan: Nach 2 Jahren zweimonatlicher Rotation durch verschiedene medizinische Abteilungen können sie direkt in einer Abteilung ihrer Wahl beginnen und dort sowohl die Ausbildung zum allgemeinen Internisten (ca. 2 Jahre) und anschließend die zum spezialisierten Facharzt (je nach Gebiet 2-5 Jahre) absolvieren. Umso bewundernswerter fand ich es, dass der Chefarzt der Abteilung sich in allen drei Fachgebieten relativ gut auskannte. Eine weitere Besonderheit war, dass ich in diesen zwei Wochen in näheren Kontakt mit einigen japanischen Studenten kam, mit denen ich auch im Laufe der letzten beiden Wochen noch einiges unternehmen konnte. 22 2. Internal Medicine: Pulmonologie, Nephrologie (2 Wochen) Meine letzten beiden Wochen habe ich im second internal medicine Department verbracht. Hier durfte ich eine Woche in der Pulmonologie, die zweite Woche dann in der Nephrologie verbringen. In der Pulmonologie war ich erneut einem Facharzt (Dr. Hara) zugeordnet. Man muss dazu sagen, dass die Pulmonologie in Nagasaki in drei Unterbereiche aufgeteilt ist: Immunologie, Infektiologie und Onkologie. Im Laufe der Woche hatte ich so erneut die Möglichkeit, die Bandbreite eines Faches kennenzulernen. Ich durfte sowohl stationäre wie ambulante Patienten untersuchen und durch den Schwerpunkt meines Facharztes insbesondere etwas über die immunologischen Erkrankungen (interstitielle Pneumonien) der Lunge lernen. Zusätzlich konnte ich mehrfach bei ultraschallgesteuerten Bronchoskopien mit Tumorbiopsien (EBUS = Endobronchialer Ultraschall) anwesend sein. Diese Technik wurde in Japan entwickelt und ist in Deutschland noch nicht sonderlich verbreitet, so dass ich den Untersuchungen mit starkem Interesse folgte. Desweiteren hatte ich dabei die Möglichkeit, zu erleben, welche Sicherheitsmaßnahmen bei einer Bronchoskopie bei einem Patienten mit Verdacht auf Tuberkulose durchgeführt werden. Außerdem erhielt ich eine Einführung in die verschiedenen Beatmungstechniken, denn Beatmungspatienten, die der Pulmonologie angehören liegen häufig nicht auf der Intensivstation, sondern in speziellen Intensivzimmern auf der Station. Mein persönliches Highlight in dieser Woche war, dass ich am Bronchoskopiesimulator selbst unter Anleitung eine komplette Bronchoskopie durchführen durfte. Ein sehr spannendes Erlebnis, da auch das Gefühl beim „Bronchoskopieren“ und die Reaktionen des Patienten auf die Untersuchung simuliert wurden. Die zweite und letzte Woche verbrachte ich in der Nephrologie. Der mir zugeteilte Facharzt hatte den Schwerpunkt Dialyse und so konnte ich täglich etwas über die verschiedenen Dialyseverfahren und die Besonderheiten im Umgang mit Dialysepatienten lernen. Auch in dieser Woche sah ich sowohl stationäre wie auch ambulante Patienten, hatte die Möglichkeit, etwas über die aktuelle Forschung des Instituts zu erfahren und diese auch zu erleben, konnte bei einer Nierenbiopsie zusehen und einige der vielen nephrologischen Krankheitsbilder näher kennen lernen. Persönliches Highlight dieser Woche war der Besuch einer Privatklinik für Dialyse in Nagasaki. Wir haben in den acht Wochen schnell bemerkt, dass so gut wie jeder Arzt, der eine Vollzeitstelle an der Universitätsklinik hat, nebenher noch einen halben bis ganzen Tag pro Woche an einer anderen, in der Regel privaten Klinik, teilweise auch auf entfernt gelegenen Inseln oder in anderen Städten, tätig ist. Dies sei nötig, da das Gehalt der „Teilzeitstelle“ monatlich genauso viel abwerfe wie das Gehalt der Vollzeitstelle an der Uniklinik. In der Privatklinik wurde mir durch den Klinikleiter ebenfalls ein vielseitiges Programm organisiert! Ich durfte bei der minimalinvasiven Aufweitung einer Shuntstenose zusehen, die Fußwunden eines Diabetikers beurteilen und bekam durch den Klinikleiter zusätzlich noch eine private Führung durch die Klinik, inklusive Visite schwieriger Patienten. Die Klinik hat der Klinikleiter zusammen mit seinem Vater mit sehr viel Detailliebe aufgebaut hat. Die Dialyseklinik verfügt über 8 Stockwerke von denen das oberste als Seniorenresidenz, zwei Stockwerke als Dialysezentrum für ambulante Patienten, drei Stockwerke für Zimmer und Dialyseräume für stationäre Patienten und technisches Gerät, ein Stockwerk für das Personal und ein Stockwerk für Verwaltung und Empfang der Patienten dienten. Sehr erstaunt hat mich, dass ein offenbar so reicher und wichtiger Mann immer noch die Zeit und das Interesse daran hatte, einen unwichtigen ausländischen Studenten ausgiebig durch seine Klinik zu führen und auch mit mir Patientenfälle zu besprechen. Ebenso erstaunt hat mich, dass er selbst noch beim Starten der Dialysemaschinen mitgeholfen hat. 23 Resümee Klinikerfahrung Insgesamt waren die Arbeitszeiten in jedem Bereich der Inneren relativ moderat. Meistens fing ich erst um 9 Uhr an – dafür ging es in der Regel bis 17 Uhr und an manchen Abenden sogar bis 21 Uhr. Es ist schwierig, alle Erfahrungen kurz zusammen zu fassen oder ein pauschales Urteil zu fällen. Daher nur beispielhaft zwei Erlebnisse, die die Bandbreite des Lernerfolges aufzeigen: Ich stellte einmal am Patientenbett die Frage, welche Medikamente konkret man bei diesem Patienten auf keinen Fall anwenden dürfte. Als Antwort bekam ich auch nach mehreren Nachfragen zurück, dass es ja generell viele unterschiedliche Medikamente gäbe und diese unterschiedlich verstoffwechselt würden. Trotz Wörterbuch und einfacher Sprache kann die Kommunikation teilweise sehr, sehr mühsam werden. Ein Gegenbeispiel ist die Konferenz, auf der ich in etwa so viel gelernt habe wie in 4 Vorlesungen in Deutschland, da eine sehr gut sprechende, engagierte Ärztin neben mir saß, alles wesentliche übersetzt hat und darüber hinaus noch weitere Erklärungen einfließen hat lassen. 24 4. Freizeit und Reisen a.) Sehenswertes in Nagasaki Atombombenmuseum & Memorial Hall A m 9. August, drei Tage nach der Zerstörung Hiroshimas im Jahre 1945 zerstörte die Atombombe Fat Man den Stadtkern Nagasakis vollständig. Ursprünglich hatten die damaligen amerikanischen Streitkräfte nach schlechtem Wetter über dem urprünglichen Ziel Nagasaki als Alternativziel ausgewählt und dabei geplant die Munitionsfabriken und Werften von Mitsubishi im Hafen Nagasakis zu zerstören, doch leider, auch durch schlechtes Wetter (Nebel und Wind) bedingt, gelangte die Bombe viel weiter nördlich ins Stadtzentrum und tötete ca. 70.000 Menschen unmittelbar. Bis heute sind es über 200.000 Tote, wie man sich an einer Zähltafel in der Memorial Hall eindrucksvoll vergewissern kann. Das Museum liegt nur 5 min. Fußmarsch von Universitätskrankenhaus entfernt und ist ein weithin sichtbarer, hoher, moderner Bau aus Glas und Beton. In einem Rundgang kann man das Museum in einer guten Stunde besichtigen. Man sieht zunächst noch ein Standbild von Nagasaki am Morgen vor dem Atombombenabwurf und gelangt vorbei an Bildern von der Unbeschwertheit in jenen Tagen zu einer riesigen abgedunkelten Halle. Ein Brummen und ein heller Lichtblitz erhellen den Raum und man wird von dem nachempfundenen Ausmaß der Zerstörung tief getroffen. Originaltrümmerteile sind als Mahnmahle aufgebahrt, Vitrinen zeigen weitere Fundstücke und Fernseher in allen Ecken des Raumes liefern die Schreckensbilder menschlichen Leides, die uns immer in Erinnerung bleiben werden. Eine alte und stark zerstörte Uhr zeigt noch die Detonationszeit 11:02 Uhr an. Nach dieser emotionalen Aufladung werden dann die geschichtlichen Abläufe die zum Abwurf der Atombombe führten, dargestellt, eine Nachbildung von Fat Man ist zum Begreifen aufgestellt und viele Bilderserien skizzieren persönliche Schicksale. Es gibt Informationen über die Zeit nach dem Bombenabwurf, sowie über die 3 Zerstörungskräfte der Bombe (Hitze, Wind und Strahlung), die sehr eindrucksvoll dargestellt sind, mit vielen Beispielen aus der damaligen Zeit, wie beispielsweise eingeschmolzene Dachziegel. Für Medizinstudenten ganz interessant ist die Ausstellung über die direkten und indirekten Folgen der Strahlung und die Wirkungsweise der einzelnen Strahlenqualitäten. Im weiteren Rundgang kann man sich noch ausführliche Filme ansehen, erfährt etwas über die Friedensbewegungen in der Welt und über den Uranabbau bis hin zur Geschichte von der Entdeckung der Kernfusion. Ich empfand das Museum als sehr eindrucksvoll und es sollte auf keiner Nagasaki-Reise fehlen. Es ist ein Museum zum Begehen und Erleben. Alles ist auch in Englisch ausgeschrieben. Der Eintritt kostet nur 200 Yen, wer die freundlichen Kassierer überzeugen kann, dass man ein Student ist, zahlt sogar nur 100 Yen. Vom Atombomben-Museum gelangt man über unterirdische Zugänge zur Memorial Hall. In deren Zentrum stehen beleuchtete Glasstehlen, die auf eine weitere riesige, schmale Glasstehle hin ausgerichtet sind. Dort liegen in Listen die Namen aller bisherigen Opfer der Katastrophe. Hier kann man in stiller Andacht verweilen. Der Eintritt ist frei. Versteht sich Nagasaki als Stadt des Friedens und predigt die Vernichtung aller Atomwaffen in der Welt, so mag es aufmerksame NagasakiBesucher wundern, dass im Hafen Nagasakis weiterhin Kriegsschiffe zur Reparatur vor Anker liegen. 25 Brillenbrücke, Einkaufsarkaden & Daiso 100 Yen Kaufhaus M an nimmt die Straßenbahnhaltestelle Hamaguchi- Machi-19 an der Hauptstraße, nur 5 min. Fußmarsch von der Klinik entfernt. Dort steigt man in die Blaue Linie 1 und lässt sich bis Nishihamano-Machi-32 fahren. Auf der linken Seite in Fahrtrichtung liegt der Nakashima River. Den läuft man noch etwa 10 Minuten Flussaufwärts, vorbei an vielen kleineren Steinbrücken, die von Autos befahren werden dürfen. Dort wo sich die meisten Menschen aufhalten und die wenigsten Autos fahren, wird man die Brillenbrücke identifizieren können. Etwas unspektakulär zwischen den anderen Steinbrücken gelegen, die sich den Fluss wie eine Perlenkette entlangziehen, wurde 1643 die älteste Steinbogenbrücke Japans errichtet. Man kann auf und ab laufen, ein paar Fotos machen und sich einbilden, in dem Flusslauf darunter die Brücke spiegeln zu sehen, um die Namensgebung zu rechtfertigen. Am interessantesten sind jedoch Spaziergänge unterhalb der Brücke den Fluss entlang. Man kann ruhig die sehr steile und teilweise rutschige Steintreppe zum Flussbett nehmen und dann eine Stunde unter den vielen anderen Brücken hindurch wandern, die verschiedenfarbigen KoiFische betrachten, die nach Futter bettelnd einen im Wasser verfolgen und an einigen Stellen eine Rast für eine Mahlzeit einlegen. Ich empfehle auf jeden Fall einen Spaziergang unterhalb der Brücken. Wer genug von Steinbrücken hat, kann eine Shoppingtour unternehmen in den Einkaufsarkaden Hamano-Machi-Arcade gegenüber der Haltestelle Kanko-Dori-33, zu erreichen über die Blaue Linie 1, oder zu Fuß. Dort findet man auch den größten 100 Yen Shop Daiso. Fast schon kein Geheimtipp mehr, aber der größte Laden seiner Art in Nagasaki. Die Firma Daiso aus Tokio bietet auf fast 6 Etagen ein komplettes Kaufhaus mit vielen nützlichen bis sinnlosen Dingen für lediglich 100 Yen. Man kann sich hier mit Geschirr, Besteck, Töpfen, Pfannen, Tupperware und anderen Küchenutensilien günstig eindecken, sowie Schreibwaren und Blöcke. Wir haben den Laden jedenfalls nie mit leeren Händen verlassen, auch wenn wir es immer fest vorhatten, selbst nicht am allerletzten Abend. Man findet auch hier viele Kleinigkeiten und Souvenirs für die Daheimgebliebenen. In selbiger Passage findet man bei genauem Hinsehen noch einen weiteren großen 100 Yen Shop, der nicht so offensichtlich gekennzeichnet ist. Nur versteckt findet man zwischen den japanischen Schriftzeichen den Aufdruck 100 Yen. Auch hier findet man auf bis zu 4 Etagen allerlei Waren, v.a. aber Drogerie-Artikel, wie Zahncremes, Zahnpasta, Badezusätze, Handtücher oder ähnliches. Man sollte hier günstig zugreifen, ehe man in den vielen in der Stadt verteilten Convenience-Stores wie Family Mart, Seven Eleven oder Lawson zu einem vergleichsweise deutlich höheren Preis einkaufen geht. In der überdachten Einkaufspassage kann man aber auch z.B. Koffer oder kleine Rolltaschen kaufen, falls die Mitbringsel nach Hause das Fluggewicht des mitgebrachten Koffers deutlich übersteigen sollten. Für die westliche Welt bietet die Einkaufspassage noch einen McDonalds, Burger King und einen KFC, jeweils mit geringen Anpassungen an die japanische Küche. (Im Subways gibt es beispielsweise Shrimps im Angebot). Die Japaner reden gerne von der Verwestlichung der Gesellschaft. Letztendlich bieten die Einkaufsarkaden mit ihren vielen kleinen und großen Geschäften ein deutlich breiteres Produktspektrum als die vor 5 Jahren errichtete Einkaufsmall Coco-Walk und zu deutlich günstigeren Preisen. Die Lage, unweit von Chinatown, Glover Garden, der Brillenbrücke und Dejima ist zudem ein guter Grund auf der Rückkehr seiner Sightseeing-Tour mal dort vorbeizuschauen. Außerdem findet sich dort auch sehr leckeres Sushi zum Mitnehmen, falls man noch nach einem schnellen Abendessen sucht. 26 Chinatown & Chinese Settlement D ie älteste und eine der größten Chinatowns Japans befindet sich in Nagasaki. Aufgrund der geographischen Nähe zu China und anderen asiatischen Ländern wie Südkorea oder Taiwan haben sich hier schon im 15. Jahrhundert Chinesen niedergelassen. Das Viertel des heutigen „Chinatowns“ ist vielmehr eine lange, aber enge Fußgängerzone mit zwei sich kreuzenden Gässchen. Alles ist dem Klischee entsprechend mit zahllosen Lampions ausgestattet, rote Querbalken und goldene Drachen dominieren die Gebäudeoptik und hier und da hört man etwas chinesisch. In den Abendstunden beginnen die Laternen und Drachen zu leuchten und emsiges Treiben belebt das Viertel mehr als am Tage. Es ist eine kunterbunte Flaniermeile mit vielen chinesischen Geschäften und der wohl größten Dichte an chinesischen Restaurants in ganz Nagasaki in allen Preiskategorien. Man kann an der Straßenecke eine Kugel Eis für 120 Yen kaufen in Blütenoptik oder bei einer alten Frau zwischen all dem Rauch und Qualm an ihrem Stand für 400 Yen irgendetwas aus Fleisch mit frittierter Panade zu sich nehmen oder in einem feinen Restaurant für mehrere 1000 Yen ein komplettes Buffet verköstigen. Zu dieser Gelegenheit wurden wir von einer Familie eines Arztes der Hämatologie eingeladen. Wir warteten gespannt, bis der erste mit dem Essen anfing, damit wir wussten, was man mit Stäbchen essen konnte und was mit den Händen, welche Soßen man mit welchem Fleisch oder Gemüse zu kombinieren hatte oder welche Kombinationen Erstaunen auslösten oder hinter welcher Panade sich der nächste Oktopusarm verbarg. Das Essen war ein Erlebnis. Wir haben diesen Besuch Ausflug nach Dejima und Chinatown mit Dr. Andos Familie heute immer noch als pure Freude, sowohl geschmacklich, als auch menschlich in Erinnerung. Am besten nimmt man die Blaue Linie 1 von Hamaguchi-Machi-19 bis zu Tsuki-Machi-31. Von dort läuft man entgegen der Fahrtrichtung über die kleine Brücke und sieht schon die großen roten Tore, die den Eingang kennzeichnen. Kleiner Tipp: Unweit von Chinatown befindet sich etwas nach hinten versetzt ein Feuerwerksverkauf mit allerlei Wunderkerzen für 20 bis 300 Yen. Geht man nun einige hundert Meter am Nagasaki Bus Terminal vorbei, vorbei am Minato-Park und ein wenig bergauf, gelangt man durch unscheinbare, versteckte Gassen in eine andere Welt. Die Häuser werden kleiner, wirken älter und der Straßenbelag wandelt sich von Asphalt zu groben, beschlagenen Steinen. Man steht nun in Mitten der alten chinesischen Siedlung, in der heute aber kaum noch Chinesen wohnen. Der Rundgang ist eine nette Abwechslung zu der Dauerbeschallung und der Hektik im Stadtzentrum. Im Rahmen einer (rein japanischen) Führung beginnend in Dejima mit der Ärztefamilie, die für uns übersetzte, haben wir einen Einblick von den gemütlichen Seiten Nagasakis bekommen. 27 Dejima E ine Insel mitten in Nagasaki? Wo? Hier etwa? Ich blicke mich um und sehe ringsherum nur das Gebäudewirrwarr, zahllose Autos und schon gar kein Meer. Natürlich nicht. Nicht jetzt zumindest, denn Dejima war eine ab 1636 aufgeschüttete künstliche, fächerförmige Insel vor der Bucht von Nagasaki, verbunden nur über eine kleine Brücke mit dem Festland und der Stadt. Es war der einzige Ort, an dem die Europäer mit Japan Handel treiben durften. Heute, fast 380 Jahre später, ist Nagasaki größer geworden und hat sich im Zuge von Neulandgewinnung immer weiter auf das Meer hin ausgebreitet, sodass die damalige Insel heute in mitten der Stadt liegt. Dejima war auch die erste Station von Philipp Franz von Siebold, einem der Mitbegründer westlicher Medizin in Japan, wenngleich sein naturwissenschaftliches Schaffen, insbesondere in der Botanik wesentlich höher einzuschätzen sind. Die ursprünglichen Wohnhäuser auf Dejima sind längst abgerissen, jedoch hat man die Insel mit originalgetreuen Nachbauten für den Tourismus wiederentdeckt und einen Graben angelegt, um die Ausdehnung den Besuchern zu verdeutlichen. Diese natürliche Abgrenzung wird nachts zudem in blauen Farben erstrahlt. Für die Zukunft geplant ist wohl auch die Insel wieder in einen möglichst ursprünglichen Zustand zu versetzen. Dafür sollen einige Häuser weichen, was derzeit noch heftig diskutiert wird. Man kann Dejima als eine Art Freiluftmuseum begreifen und sich Wohnräume der ehemaligen Ostindischen Kompanie, Kirchen und Gärten genau anschauen. Im Zentrum Dejimas ist ein 5 x 10 m großes Modell der Originalinsel zu bestaunen. Über die Blaue Linie 1 gelangt man von unserem Startpunkt, der Haltstelle Hamaguchi-Machi-19 direkt vor den Haupteingang Dejima-30. 28 Glover Garden S chon der Weg zu Glover Garden ist ein kleines Erlebnis. Man kann eine längere Route einplanen und sich die westlich geprägten Holzhäuser reicher europäischer Händler ansehen, indem man mit der Grünen Linie 5 bis zu Station Ishibashi-5 fährt. Nördlich davon liegen am Hollander Slope die Western-Style Houses. Geht man in südlicher Richtung gelangt man in Richtung Glover Garden. Sehr zu empfehlen ist die Glover Sky Road, eine Art kostenfreie Seilbahn hinauf zu Glover Garden. Wer sich allerdings die Mühe macht, die Strecke auf der Wendeltreppe direkt daneben hinauf zu Fuß zurückzulegen, der wird wesentlich länger benötigen. Dies liegt allerdings nicht an der Beschwerlichkeit des Weges als vielmehr an den verschiedenen Zwischenplateaus von denen man aus die Häuserwüste von der Glover Sky rückwärtige Seite der dicht besiedelten Berghänge Nagasakis Road aus betrachtet betrachten kann. Atemberaubend und viele Fotos wert. Thomas Blake Glover war ein schottischer Industrieller, der zusammen mit den Brüdern Mitsubishi (ja, die heute u.a. günstige Autos produzieren) die Industrialisierung in Nagasaki einläutete. Er ließ u.a. die ersten westlichen Häuser errichten, die man ebenso besichtigen kann wie seine Residenz in einer hübschen Parkanlage auf dem Hügel im Minami-yamate District. Weitere Verdienste Glovers sind die Begründung des Kohlebergbaus in Japan mit seiner Firma Glover & Co., die wiederum von Mitsubishi aufgekauft wurde und deren Vorsitz er einige Jahre Inne hatte, sowie die Konstruktion der ersten Dampflokomotive Japans Iron Duke, die erste Bierbrauerei Japan Kirin Brewery & Co., sowie die erste moderne Schiffswerft in Japan Glover & Kosuge Ship Repair Yard. Ausblick von der Mitsubishi-Villa auf den Hafen Das Gelände ist in einer der besten Lage Nagasakis und wenn man möchte, so eine Art Altstadt mit wunderbar erhaltenen Herrschaftshäusern bedeutender Industrieller und einer der schönsten Aussichtspunkte der Stadt. Jedes Haus kann begangen werden und jeder Besucher darf sich die vollmöblierten Räume ansehen. Auch die verwinkelte Glover-Residenz, kurz als Glover-House bezeichnet kann betreten werden. Ein riesiger Koi-Teich vor der Mitsubishi-Villa mit dem Industriehafen und dem International Cruise Ship Terminal im Hintergrund vervollständigen das eindrucksvolle Ensemble. Die Anlage und die Region um Glover Garden ist auch Schauplatz Puccinis weltberühmter Oper Madame Butterfly. Für rund 600 Yen lohnt sich der Eintritt, allein der Ausblick bei Nacht ist nicht weniger beeindruckend wie die Aussicht von Inasayama. Man sollte allerdings genügend Zeit bis zum Sonnenuntergang einplanen, da der Garten zeitnah zum Sonnenuntergang schließt. 29 Oura Kirche M öchte man den gesamten Hügel mit allen Sehenswürdigkeiten im Minamiyamate District erleben, sollte man mit der Grünen Linie 5 bis zur Station Ouratenshudo-Shita-50 fahren. Von dort geht man über den kleinen Fluss, vorbei am ANA Crowne Plaza Hotel und trifft auf die enge Straße den Hügel hinauf. Spätestens dort trifft man auf viele europäische oder amerikanische Touristen. Der Weg ist dicht gesäumt mit Souvenirgeschäften und Läden, die einem kleine Verköstigungen anbieten, und man hat die Möglichkeit, den traditionellen Kuchen aus Nagasaki in verschiedenen Variationen zu kaufen. Bei unserem erstmaligen Besuch Ende Oktober 2013 trafen wir zufällig auf eine Art Drachenfestival, vermutlich im Rahmen der immer im Herbst stattfindenden chinesischen Feiern, bei dem zwei Gruppen unter ohrenbetäubender Musik mit abschließendem Feuerwerk jeweils eine fast 10m lange Drachenfigur zu psychedelischen Klängen auf und ab bewegten. Dieses Erlebnis wird immer in unserer Erinnerung verweilen. Haben wir die Straßen passiert, steht sie auch schon vor uns. Die älteste Holzkirche Japans, die Oura-Church. Der Eintritt kostet seltsamerweise etwas, aber ca. 200 Yen für eine sehr hübsche, in weiß getauchte, katholische Kirche nebst einem Palmenhain zeichneten ein Lächeln in unsere Gesichter. Die eintreffenden Lichtstrahlen verwandeln durch die bunten Drachenfest am Fuße der Oura-Kirche Glasfenster den Innenraum der Kirche in ein buntes Farbenmeer. Blickt man zurück, so kann man bis auf das Meer schauen. Wer sich aber die 200 Yen sparen möchte, der kann auch am nicht allzu hohen Gitter wundervolle Erinnerungsfotos machen. Am besten man kommt abends her, wenn die Kirche im schwarzen Nachthimmel reinweiß angestrahlt wird. Wer jetzt noch Kraft und Lust hat, kann die Oura passieren und den Weg weiter den Hügel aufwärts folgen, ebenfalls vorbei an vielen Souvenirläden, die meist in der Hand von Chinesen sind. Oben angekommen kann man dann bequem den Glover Garden besuchen oder die Abendsonne sehen, sowie das Nachtpanorama der hell erleuchteten Stadt genießen. 30 Hypocenter & Peace Park M it der Roten Linie 3 oder der Blauen Linie 1 fährt man bis zur Station Matsuyama-Machi-19 und ist schon direkt am Eingang zum Atomic Bomb Hypocenter. Auch zu Fuß kann man den Weg von der Klinik aus gemütlich zurücklegen. Das Hypocenter ist ein weitläufiger Platz, dessen Zentrum eine 10m hohe Stehle einnimmt und exakt die Stelle markiert, an der am 9. August 1945 um 11:02 in 500m Höhe die zweite Atombombe explodiert ist. Daneben stehen als Mahnmal die letzten Originalteile der ebenfalls zerstörten, aber mittlerweile leicht verändert wiedererrichteten UrakamiKirche. Der schlichte Platz mit den Kirchentrümmern lädt nach unserem Dafürhalten eher zum Nachdenken ein, als der Peace Park mit seinen Monumentalbauten. Nur wenige Minuten zu Fuß gen Norden grenzt schon der Peace Park mit seiner charakteristischen Peace Statue. Auf dem Boden der ehemaligen Strafvollzugsanstalt, die in ihren Grundmauern noch flüchtig zu erkennen ist, wurde der Friedenspark angelegt Doch leider sind fast alle Flächen asphaltiert, so dass wir eher negativ, denn positiv überrascht waren. Die imposante Figur steht im Zentrum des Parks. Sie streckt die rechte Hand gen Himmel mit ausgestrecktem Zeigefinger, um warnend und mahnend an die Gefahr, die von Atomwaffen ausgeht, zu erinnern. Die ausgestreckte linke Hand symbolisiert den Frieden und die geschlossenen Augen zum Gebet predigen für die Ruhe der Seelen der Opfer. 31 Urakami Kathedrale V om Peace Park gelangt man nach 10 Minuten Fußweg in östlicher Richtung zur Urakami-Cathedral. Nach fast 30 jähriger Bauzeit als größtes christliches Bauwerk Asiens errichtet, wurde das Gotteshaus nach nur 20 Jahren völlig zerstört. Es lag nur 500m entfernt von Zündungsort der Atombombe. Erst im Jahre 1959 wurde die Kathedrale wieder aufgebaut. Die originalen Trümmerteile wurden verworfen und nicht wie etwa beim Wiederaufbau der Frauenkirche zu Dresden in das neue Gebäude integriert. Nur ein großes Trümmerteil des Haupttores und einige Steinfiguren wurden erhalten. Die Tortrümmer steht jetzt direkt neben dem Hypocenter und die Figuren stehen auf dem Vorplatz der neuerrichteten Urakami-Kathedrale. Wie im Falle der Oura-Kirche, lohnt auch hier ein Besuch in den Abendstunden. Im Dunkel der Nacht zeichnet sich perfekt die Silhouette der aufwendig ausgeleuchteten Kathedrale ab, die schon von weitem hin sichtbar ist. Im Innenraum etwas schlicht gehalten, sollte man sich die hübsche Kathedrale auf jeden Fall ansehen. Kleiner Tipp: Auf dem Weg zur Urakami-Kathedrale kommt an einer Filiale von California Pizza vorbei. Wir haben uns ehrlichweise an unserem ersten Abend je eine Pizza gegönnt und waren von der japanischen Interpretation einer amerikanischen Pizza geschmacklich überrascht. Die 1300 Yen kann man ruhig mal investieren. Sanno-Shinto Schrein W ill man die Spuren des Atombombenabwurfs in unmittelbarer Nähe erleben, so kann man sich die zerstörten Grundmauern der Haupttore der Nagasaki Medical School auf dem Weg von der Klinik zur Bibliothek ansehen, die dort unverändert stehen oder etwa auch das ehemalige „Guesthouse“ der Universität auf dem medizinischen Campus. Es wird heute sogar noch an Studenten vermietet. Ein weiterer kurzweiliger Spaziergang führt von der Sanno-ShintoStreet direkt unterhalb der Klinik in Richtung Coco-Walk. Man kommt vorbei an einen Bäcker, der sein Handwerk in Europa gelernt hat und auf dessen Tür auf Deutsch Bäckerei & Konditorei zu lesen ist. Er bietet nach europäischer Rezeptur belgische Waffeln, schweizer Brot, deutsche Brezeln und französisches Baguette sowie weitere für japanische Verhältnisse exotische Leckereien an. Wir haben nirgendwo so gutes und auch sehr teures Schwarzbrot gegessen wie in diesem Laden. Die Baguettes sind preiswert sowie empfehlenswert und erfreulicherweise kein Softbrotimitat wie die meisten im Coco-Walk erhältlichen. Ein Hinweisschild weist uns den Weg scharf gen Norden zu gehen und man steht vor einer riesigen Treppe an deren Ende das einbeinige Torii steht. Es steht im zerstörten Zustand als Mahnmal unverändert an selbiger Stelle, wie vor dem Atombombenabwurf. Die übrigen Trümmerteile liegen abgegrenzt geordnet daneben. Dem Weg kann man folgen und gelangt zum Schrein, dessen Eingangsbereich von zwei riesigen Kampferbäumen flankiert wird. Diese Bäume werden sehr verehrt, da auch sie den Atombombenabwurf überstanden haben. Nachdem die Bäume durch die Schockwelle und die Hitze der Atombombe völlig entlaubt und fast abgebrannt waren, blühten sie wundersamer weise wieder auf, was viele Menschen als Zeichen ansahen, ihr Leben wieder zu ordnen und die Stadt aufzubauen. Der Schrein selbst beeindruckt dann weniger, aber die imposanten Bäume lohnen den kurzen Weg. 32 Siebold Memorial Museum Das Siebold-Museum liegt etwas versteckt im Osten Nagasakis. Am besten man nimmt die Rote Linie- 3 von Hamaguchi-Machi-20 oder Daigaku-Byoin-Mae21 und fährt fast 20 Stationen weiter ca. 30 min. mit dem Streetcar nach Shin Nakagawa-Machi-41. Das 1989 eröffnete Museum wurde Siebolds früherem Haus im holländischen Leiden nachempfunden und steht auf dem Gelände seiner ehemaligen Klinik und Lehrzentrums. Man betritt das Gelände der Klinik durch die Originaleisengitter und wird empfangen von einer imposanten Büste des Würzburger Forschers und Mediziners. Etwas weiter oberhalb ist das Museum gelegen. Es ist ein hübsches Backstein-Imitat-Häuschen und bietet auf 2 Etagen viele Ausstellungsstücke zum Leben und Wirken Siebolds in Nagasaki und ganz Japan. Einige Dokumente und Briefe Siebolds sind heute als Nationale Schätze Japans eingestuft. Den Museumsführer gibt es umsonst und er ist zu unserem Erstaunen in perfektem Deutsch verfasst worden. Der Eintritt kostet nur 100 Yen, geöffnet ist von 09:00-17:00 Uhr, wobei montags Ruhetag ist. Philipp Franz von Siebold stammte aus einer angesehenen Medizinerfamilie und wurde 1796 in Würzburg geboren. Seine Interessen lagen allerdings nicht nur in der Medizin, sondern im Sinne eines Leibniz in der Vielzahl unterschiedlicher Naturwissenschaften und der Völkerkunde. Im Jahre 1822 ging er als Arzt und Naturkundler der niederländisch-ostindischen Armee nach Japan und erreichte 1823 erstmals Nagasaki auf der künstlichen Insel Dejima. Nagasaki war der einzige Hafen Japans, in dem der Westen Handel treiben durfte. Mit der Zeit gewann er das Vertrauen der Menschen vor Ort erlaubte, Dejima zu verlassen und eine und gewann an Einfluss, der es ihm Schule westlicher Medizin zu errichten, an dessen Stelle heute das Museum steht. Die vielen Kulturgegenstände, die Siebolds umfangreiche Japansammlung begründen, trug er im Rahmen seiner medizinischen Tätigkeit zusammen. Im Einvernehmen wurden die Behandlungen mit diversen Kunst-, Kriegsgegenständen oder sonstigen kulturellen Artefakten beglichen. Seine Schüler unterrichtete er auch in Naturkunde, sodass auch eine Vielzahl von bisher für den Westen unbekannten Tier- und Pflanzenarten durch seine Schüler zusammengetragen wurden. Die Ausfuhr dieser Gegenstände war strengstens untersagt. Auf weiteren Reisen durfte Siebold als einer der wenigen Europäer bis ins Landesinnere nach Edo (Tokio) vorstoßen. Im Jahre 1828 endete seine Dienstzeit in Japan. Die wertvolle Sammlung japanischer Kunstgegenstände wurde nach japanischem Recht illegal verladen, jedoch fiel der Inhalt der Ladung auf, als das Schiff, welches Siebold nach Europa bringen sollte zu Reparatur an der japanischen Küste verweilte. Man sprach fortan von der Siebold-Affäre, in deren Folge enge Freunde und Bekannte verhaftet wurden. Siebold selbst gesteht Schuld ein und wurde 1829 von Japan bis zu seinem Tode verbannt. Erst 1830 konnte er Japan verlassen. In Europa widmete er sich ganz der Auswertung seiner Sammlungen und veröffentlichte seine v.a. naturwissenschaftlichen Werke. So verwundert es nicht, dass Siebolds bedeutendste Werke ethnologische (Nippon) und botanische Studien (Flora Japonica) sind. Siebold gilt als Begründer der Japanologie der westlichen Welt. Weniger bedeutsam wird in der Literatur sein Einfluss auf die Überbringung der westlichen Medizin bewertet, was einem auch die Ärzte in der Klinik bestätigen. Philip Franz von Siebold verstarb 1866 in München. 33 Sofukuji Tempel & Straße der Tempel Eigentlich begegnet man überall in Japan an beinahe jeder Ecke Tempeln, Pagoden und Schreinen. Eine besonders hohe Dichte an Tempeln in Nagasaki findet man am besten im Südosten der Stadt. Hier ziehen sich über 10 Tempelanlagen entlang einer schmalen Straße, die man auch als Straße der Tempel bezeichnet. Man beginnt bei dem bekanntesten Tempel Nagasakis, dem Sofukuji Tempel. Über die Endstation der Blauen Linie 1 oder Gelben Linie 4 Shokakuji-Shita-35 gelangt man die Straße in östlicher Richtung folgend zum Tempel. Dieser wurde von chinesischen Migranten 1629 erbaut und ist das älteste noch existierende Bauwerk in Nagasaki. Kennzeichen des Tempels ist seine von weitem sichtbare rote Farbe und das charakteristische Eingangstor, das Daiippomon. Der Eintritt kostet etwa 300 Yen. Man sollte unbedingt hinter dem Tempel die Treppen zum Friedhof hinaufsteigen und die einmalige Aussicht auf die Stadt genießen. Der Tempel wird von den in Japan lebenden Chinesen bei besonderen Festtagen besucht und ist Zentrum des ZenBuddhismus. Schon im Eingangsbereich des Tempels entdeckt man eine Karte, auf der wie auf einer Perlenkette weitere Tempelanlagen eingezeichnet sind: Daikoji, Daionji, Kotaiji Choshoji, Enmeiji, Kofukuji, Joanji, Sanpoji, Jinsoji und so weiter. Die Straße wird flankiert von hohen Mauern und zwischen einzelnen Abschnitten geben sie den Eingang zu den Tempeln frei. Bei einigen ist der Eintritt frei andere verlangen wiederum etwas Eintritt. Wir sind die Straße etwa 2 Stunden entlang gelaufen und haben uns mit Außenportraits begnügt, da man hier einen vollen Tag hätte investieren können. Aussicht über dem Sofukuji-Tempel 34 Inasayama Der Mount Inasa oder Inasayama erhebt sich kuriose 333m über Nagasaki. Der „Hügel“ wirbt vielversprechend mit einer Nachtaussicht, die 10 Millionen Dollar wert sei und die drittschönste Aussicht der Welt habe, nach Monaco und Hongkong. Das Komitee zur Abstimmung über die schönsten Nachtansichten der Welt fand übrigens ins Nagasaki statt. Die Lage ist ideal, auf halber Strecke der Stadt, etwas westlich außerhalb des Gebäudemeeres gelegen, kann man dort perfekt Nagasaki der gesamten Länge nach bewundern. Der Blick reicht bei klarer Sicht von den vielen kleinen vorgelagerten Inseln weit hinter der 2006 fertiggestellten, 480m Spannweite umfassenden und bis zu 170m hohen Megami Bridge bis zum Flughafen bei Omura. Man kann mit der Roten Linie 3 oder Blauen Linie 1 zu Station TakaraMachi-25 fahren, geht über die Inasa-bashi Bridge und folgt den blauen Hinweisschildern Ropeway. Wir sind an einem milden Oktoberabend bei toller Sicht mit der Seilbahn hinaufgefahren. Das Hin- und Rückfahrtticket kostet 1200 Yen. Die Seilbahn fährt von 09:00-22:00 Uhr im 15-20 min. Takt. Noch in den frühen Abendstunden konnten wir mit jedem Meter, den wir an Höhe gewonnen haben, uns mehr davon überzeugen, wie extrem zugebaut die Stadt eigentlich ist und dass die Häuser sich scheinbar endlos über den Horizont ziehen. Ich stellte mir ernsthaft die Frage, ob Nagasaki nicht doch mehr als 440.000 Einwohner zählt und negierte in meinen Gedanken die Feststellung der Einwohner und japanischen Hinzugezogenen, dass Nagasaki eigentlich bloß Countryside sei. Für deutsche Verhältnisse zumindest. In Hinblick auf unsere Erkundungstouren in und um Kumamoto, Beppu, Oita, Kagoshima und Kyoto allerdings konnte ich verstehen, dass man Nagasaki eher zu den kleineren und gemütlicheren Städten Japans zählt. Oben am Inasayama angekommen, läuft man noch ein paar Schritte zum Hauptaussichtspunkt, allerdings kommt man aufgrund der atemberaubenden Aussicht nicht weit. Oben auf der Aussichtsplattform sollte man sich rechtzeitig positionieren, denn sonst wird man vor nerviger Kamerastative und Menschenmassen nicht viel sehen können. Deshalb unser Tipp: schon vor Sonnenuntergang sich oben einfinden und den Sonnenuntergang genießen. Ist die Nacht erstmal hereingebrochen, funkelt und glitzert die Stadt in vielen Farben und erleuchtet den Nachthimmel bis an den Horizont und noch weiter. Besonders eindrucksvoll ist es, wenn wieder einmal ein Kreuzfahrtschiff der Nagasaki-Wochenendtouristen eintrifft, da es ebenfalls von Heck bis Bug erstrahlt. Wir waren fest davon überzeugt, dass es eine der schönsten Nachtansichten war, die wir je gesehen hatten. 35 b.) Reisen in der Region Nagasaki Gunkanjima oder Battleship Island W ir trafen eines Tages überraschend einen Studenten namens Gaku, der ebenfalls als Austauschstudent in Würzburg war und der sehr engagiert und hilfsbereit uns irgendetwas Besonderes zeigen wollte, da er von den Studenten in Würzburg ebenfalls viel Unterstützung erfahren hatte. Etwas, wo man als normaler Tourist ohne Japanisch Kenntnisse nur selten hinkommt. So etwas war Gunkanjima. Im Englischen heißt es Battleship Island, weil die Silhouette mit den Gebäuden an ein Kriegsschiff erinnert. Man findet den wenig ausgeschilderten Zugang zu den Fähren zu Gunkanjima etwas versteckt nahe dem International Cruise Ship Terminal. Dazu fährt man mit der Blauen Linie 1 bis Tsuki-Machi-31 und wechselt in die Grüne Linie 5 gen Hafen bis zu Ourakaigan-Dori-48. Auf der Rückseite der Haltestelle direkt am Hafenbecken sieht man endlich ein Hinweisschild zu den Fähren. Mit fast 4500 Yen war es der teuerste Spaß, den wir uns in Nagasaki selbst geleistet haben, allerdings sollte dies auch eine einmalige Erfahrung werden. Man fährt etwa 30min. zur Insel. Dabei durchfährt man das Hafenbecken, sieht die unzähligen Containerschiffe, die riesigen Werften von Mitsubishi, die Kriegsmarine und gelangt unter der Megami-Brücke hindurch auf das offene Meer. Wer jetzt zurückschaut, genießt ein weiteres eindrucksvolles NagasakiPanorama mit der Stahlhängebrücke im Vordergrund eingebettet von den Hügeln der vulkanisch geprägten Landschaft. Die Insel selbst war von den 50-70er Jahren ein bedeutendes Kohleabbaugebiet und bot Platz für über 5000 Kumpel. Krankenhäuser, Schulen, Gymnasien, Sportanlagen und vieles mehr bot die völlig zugebaute Insel den hier lebenden und arbeitenden Menschen. Mit dem Zusammenbruch der Kohleindustrie wurde die Insel Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts plötzlich völlig entvölkert und alle Gebäude wurden der salzigen See überlassen. Das Ergebnis ist die nun leer stehende Geisterstadt auf Gunkanjima, die man an ausgewiesenen Stellen betreten darf. Zwar sind es eigentlich nur heruntergekommene und baufällige Baracken, die man zu sehen bekommt, aber das Zusammenwirken der einzelnen verlassenen Gebäudeteile auf der Insel hat ihren Reiz. Das sahen wohl auch andere Menschen so, so dass Gunkanjima in die Liste der UNESCO Weltkulturerbe 2014 aufgenommen werden soll. Die baufälligen Wohnblöcke erinnerten mich an Szenen aus dem Film Inception. In Wahrheit wurden aber hier Teile des James Bond Films Skyfall abgedreht. Es war ein teures, aber einprägsames Vergnügen, das uns mit unseren japanischen Freunden viel Spaß bereit hat. Arigato gozaimasu Gaku! 36 Onsen Nagasaki und die gesamte Insel Kyushu sind vulkanisch besonders aktiv. Auf ihr befinden sich die drei aktivsten Vulkane Japans: Aso, Sakurajima und der Unzen. Dabei wird das Grundwasser durch die vulkanische Aktivität erhitzt und durch Bohrungen und Leitungen an die Oberfläche befördert. Zwar finden sich die heißen Quellen überall in Japan, doch in besonders hoher Dichte auf Kyushu. Das berühmteste Onsen ist in Beppu (siehe Bericht) unweit des Asos. Man sollte bei der Aussprache in Gesprächen mit unseren japanischen Freunden allerdings darauf achten, dass man genau beschreibt, was man meint. Frage wie: Where do we find the Onsen? Kann in einer verwirrenden Diskussion enden, in der man das Onsen meint, der Gesprächspartner aber vom Vulkan Unzen ausgeht. Am besten man fügt hinter Onsen auch noch gleich Hot Spa an, dann wissen alle Bescheid. Eigentlich hatte man fest vor, beim Besuch der Aso-Region ein Onsen zu besuchen, doch die schöne Natur und die Wanderlust hielten uns davon ab. An einem der letzten Abende resümierten wir unsere bisherigen Erlebnisse: Wir haben alle drei großen Vulkane Kyushus gesehen, die Tempel und Geishas Kyotos, die Hochhauswüsten Osakas, sämtliche Sehenswürdigkeiten Nagasakis, das Schloss von Kumamoto und sogar den Fuji aus dem Flugzeug, aber ein klassisches Onsen hat uns gefehlt. Also beschlossen wir, am letzten Abend doch noch ein Onsen zu besuchen. Stellte sich nur die Frage, welches und wie hinkommen. Dazu haben wir die Internetseite Google mit dem Wort Onsen Nagasaki bemüht und glücklicherweise eine sehr hilfreiche Website gefunden: http://champagneproject.com/blog/onsen-review-yasuragi-iojima-nagasaki-japan. Man erfährt von einem schönen Onsen auf einer Insel vor Nagasaki, zu dem regelmäßig Fähren, inzwischen sogar Busse fahren. Auf der Internetseite sind auch die Abfahrtszeiten der Fähre aufgelistet. Am nützlichsten empfand ich jedoch diese Website: http://onsensoaker.blogspot.ch/2010/04/yasuragi-ioujimanagasaki-city-nagasaki.html, auf der das Onsen – inklusive eindrucksvoller Bilder (siehe hier) sowie der Weg dorthin genau beschrieben wird. Wir haben uns genau nach dieser Beschreibung orientiert und einen unglaublich entspannten Abend erlebt. Ioujima ist wie Gunkanjima eine Insel etwa 20 min mit der Fähre von Nagasaki entfernt und ebenfalls ein ehemaliges Kohleabbaugebiet. Nun dient die kleine Insel als unmittelbarer Erholungsort für die Einwohner Nagasakis. Man fährt mit der Blauen Linie 1 von unserem Startpunkt Hamaguchi-Machi19 oder Daigaku Byoin-Mae-20 bis zur Station Ohato-29 am gleichnamigen Ohato Pier. Von der Haltestelle geht man noch etwas in südlicher Richtung bis zur ersten Kreuzung, vorbei am großen YouMe Kaufhaus und dann nach rechts in Richtung der kleinen Bogenbrücke. Nun geht man immer geradeaus am Hafenbecken entlang und sieht in der Ferne schon den hässlichen Beton-Glas-Terminal des Ohato Piers. Beim Kauf der Tickets benötigten wir allerdings Hilfe, da hier nun keine lateinischen Lettern mehr zu finden waren. Im Prinzip war es aber ganz einfach. Wir haben uns den nächstbesten Japaner geschnappt, ihm gesagt, wo wir hin wollen und wie wir das Hin-und Rückfahrtticket lösen können. Ein Druck auf das Knöpfchen des Automaten und die 1200 Yen sind bezahlt. Nun merkt man sich noch sein Pier, auf dem die 37 Fähre ablegt und die Zeiten neben der Pier-Nummer an der Abfahrtstafel über den Ticketautomaten. Man muss allerdings auch sagen, dass wir erst gegen 19:30 Uhr losgefahren sind, sodass die sonst sehr höflich-hilfsbereiten Damen und Herren an den Ticketschaltern nicht mehr anwesend waren. Entweder man lässt sich auf ein interkulturelles Erlebnis zur besten Abendzeit ein oder man geht den sicheren Weg und kauft sich die Tickets am Tage. Nun sind wir bei Nacht von Pier 6 mit der Fähre abgelegt und wären die Fensterscheiben etwas besser gepflegt gewesen, hätte man eine grandiose Nachtaussicht auf den Hafen und die hell ausgeleuchtete Megami-Brücke gehabt. Nach 20 min. erreichten wir die Anlegestelle. Im Nachhinein wussten wir, dass der Weg zum Onsen in Sichtweite lag, aber leider war der 5 min. Fußweg derart schlecht ausgeleuchtet, dass wir zunächst im Kreise gingen, ehe uns der Herr der uns zuvor beim Ticketkauf geholfen hatte mit seiner Frau in seinem Auto mit nahm und uns zum Onsen fuhr. Ich bin immer noch sehr erstaunt über die Hilfsbereitschaft der Japaner. Das Onsen ist in einer Hotelanlage, durch die man hindurch geht, da das Bad erst im Innenhof des Hotels gelegen war. Man zahlte etwa 1000 Yen für den Eintritt und 200 Yen für die Ausleihe eines großen und kleinen Handtuchs. Organisiert man den Ausflug etwas besser (also zur Öffnungszeit der Ticketschalter), kann man ein Roundticket und den Onseneintritt für ca. 1000 yen zusammen erhalten. Doch für unsere Spontanität zahlen wir eben etwa mehr. Von jetzt an trennten sich die Wege von Katrin und mir. Jeder ging in seinen Umkleidebereich (Männer und Frauen getrennt) und von dort in seinen Spa-Bereich. Dieser SpaBereich wechselte aber täglich, so dass beide Geschlechter, bei einem längeren Inselaufenthalt in den Genuss der anderen SpaHälfte kamen. Zunächst duscht und wäscht man sich sitzend vor einem der vielen Spiegel. Schaum, Pflegespülung, Fön und sonstige Badutensilien waren ausreichend vorhanden. Meine Spa-Hälfte bestand aus einigen Wasserfontänen die von der Decke herab auf ein kleines Höckerchen prasselten, aus zwei riesigen halbierten Holzfässern mit Thermalwasser und zwei großen Becken, sowie einer geräumigen Sauna. Ich beachtete zunächst die bereits anwesenden Japaner, wie man am besten in die Fässer steigen sollte oder wo das kleine Handtuch abgelegt werden konnte und schon schritt ich in das warme Nass. Nach einem Bruchteil einer Nanosekunde stürzte ich aber schon wieder aus dem Wasser. Zunächst dachte ich an eine Verbrennung und suchte meinen Körper nach Blasen ab, aber da war nichts. Es war einfach ganz schön heiß. Die ausgewiesenen Angaben von 44°C konnte ich nicht glauben, fühlten sich die teilweise bei uns ausgewiesenen 36°C relativ angenehm warm an. Nach einigen Versuchen konnte man die Wärme, wenn auch nur immer für einen einstelligen Minutenzeitraum wirklich genießen. Die Sauna wollte ich meinem Körper aber nicht antun. Dafür entdeckte ich den Außenbereich und der ist eine wirkliche Sensation. Man kann sich dort in einem großen Becken aufhalten oder am besten eine der drei halbierten kleineren Holzfässer nutzen und sich neben dem fast unerträglichen Thermalwasser auch kühleres Wasser per Ventil nachfließen lassen. Ich blickte von der Insel in der Nacht auf das hell erstrahlte Nagasaki in der Ferne in meinem nun angenehm warmen Fass und über mir war ein fast klarer Sternenhimmel. Es war der entspannendste Moment des gesamten Nagasaki-Aufenthalts. Der krönende Abschluss eines unvergesslichen und vielgestaltigen Austauschs. 38 Unzen & Shimabara-Halbinsel Der Vulkan Unzen liegt auf der Shimabara-Halbinsel in unmittelbarer Nähe von Nagasaki. Durch einen Ausbruch 1991 machte der Vulkan internationale Schlagzeilen: Aufgrund einer Pyroklastischen Wolke kamen knapp 50 internationale Wissenschaftlicher und Journalisten ums Leben. Darunter auch die damals weltweit bekanntesten Vulkanologen: Das französische Ehepaar Katia und Maurice Krafft sowie der Amerikaner Harry Glicken. Der Unzen bietet sich für einen Tagesausflug an, insbesondere, da es schwierig ist, günstige Übernachtungsmöglichkeiten vor Ort zu finden. Mit dem Bus ist man vom Nagasaki Busbahnhof (schräg gegenüber des Bahnhofs) innerhalb von 1:40 Stunde in Unzen. Einziger Nachteil: Dieser Bus fährt von beiden Orten nur dreimal täglich. Man kann also erst um 9 Uhr losfahren und ist somit frühestens 10:40 dort. Der letzte Bus zurück nach Nagasaki fährt bereits um 16:00 ab. Dies erschien uns sehr schade und wir haben mehrere japanische Kollegen gefragt, ob es nicht eine bessere Lösung gäbe. Leider bekamen wir von allen nur die Antwort: „Warum fahrt ihr nicht mit dem Auto?“ Was für uns wiederum nicht in Frage kam, da wir uns weder um einen international-japanischen Führerschein bemüht hatten, noch große Lust hatten, einen Mietwagen zu nehmen. Wir sind bis zur Seilbahn hinaufgewandert (etwa 2 Stunden) und hatten dann von oben eine super Aussicht. Zu einem Bad in einem der vielen heißen Quellen – oder wenigstens zu einem Fußbad hatten wir dann allerdings keine Zeit mehr. Unzen Vulkan 39 Soeben habe ich eine alternative Verbindung gefunden, welche einem deutlich mehr Zeit in Unzen gibt. Bei sprachlichen Bedenken und der konkreten Planung lohnt es sich, die Kollegen um Hilfe zu bitten – hat man Unzen Vulkan ein Papier mit den Verbindungen auf Japanisch dabei, kann einem eigentlich jeder auf der Straße helfen. Für die alternative Verbindung recherchiert man nach der „shimatetsu bus schedule“ (so heißt das Busunternehmen, das den Ort Unzen anfährt) – man kommt dann (zumindest im Januar 2014) auf eine Internetseite (z.B. http://www.unzenfukiya.com/en/jrbus.html) auf welcher die Busabfahrtszeiten zwischen Unzen und Nagasaki, Fukuoka oder Isahaya aufgeführt werden. Zwischen Isahaya und Unzen fährt zwischen 7:15 und 18:45 etwa jede Stunde ein Bus. Von Nagasaki nach Isahaya und zurück gibt es mehrere Verbindungen pro Stunde mit der Bahn (ebenfalls www.westjr.co.jp). Insgesamt bleibt die Fahrzeit in etwa gleich, man kann aber früher losfahren und später zurück. Wir hatten unsere Kollegen auch nach einer Verbindung nach Unzen über Isahaya gefragt, diese meinten nur, das sei aber sehr umständlich. Im Laufe der Zeit stellten wir fest, dass die wenigsten Japaner große Erfahrungen mit Reisen im eigenen Land haben und sie somit vieles für nahezu unmöglich halten – auch wenn man am Ende überhaupt keine Probleme damit hat. Also am besten nicht verunsichern lassen und gezielt nach den Verbindungen (in diesem Fall also nach Busverbindungen zwischen Isahaya und Unzen) fragen! 40 c.) Reisen auf Kyushu Einführung: Fahren mit der Bahn An den Wochenenden haben wir entweder Nagasaki weiter erkundet, oder Ausflüge auf Kyushu, der südlichsten Insel Japans, unternommen. Süd-Japan ist erstaunlich grün, vulkanisch geprägt und wirklich sehr schön! Da wir nur 7 Wochenenden zur Verfügung hatten, von denen eines durch einen Feiertag auf 3 Tage verlängert war, und wir unbedingt auch noch Kyoto erleben wollten, mussten wir uns auf eine kleine Auswahl aus dem Reiseführer beschränken. Wer mehr Zeit hat, sollte durchaus noch weitere Ziele auf Kyushu oder in ganz Japan anfahren, denn davon gibt es noch eine unendliche Anzahl. Wir haben uns bei unseren Reisen durch den Reiseführer „Japan: Unterwegs in einem Land zwischen Tradition und Innovation; Christine Liew; Trescher Verlag“ anleiten lassen und haben damit gute Erfahrungen gemacht, da im Regelfall alles Wichtige im Buch zu finden war. Es gibt aber eine ganze Reihe weiterer empfehlenswerter Reiseführer, so dass jeder individuell entscheiden sollte, ob man sich einen zulegen möchte und welcher einem am hilfreichsten erscheint. Für die Reisen auf Kyushu lohnt es sich einen (Northern) Kyushu Pass für das Schienennetz zu kaufen. Diese gibt es für 3 oder 5 Tage und entweder für Nord-Kyushu (bis Kumamoto/Oita, 7000Yen, etwa 60€ für 3 Tage) oder für ganz Kyushu (14 000Yen, etwa 110€ für 3 Tage). Man kann dann, so oft man innerhalb dieses Zeitraums möchte, mit allen Zügen inklusive Shinkansen innerhalb des Geltungsbereiches fahren. Aufgrund des speziellen Visums, durch welches man länger als 2 Monate im Land bleiben darf, gibt es am Ticketschalter ein kleines Problem. Der Kyushu Pass ist offiziell nur für KurzzeitTouristen verkäuflich, daher muss man am Schalter seinen Reisepass und das Visum vorlegen. Da im Visum steht, dass man länger in Japan bleiben darf, reagiert der Ticketverkäufer zunächst irritiert, muss dann etwas im Intranet recherchieren und bietet einem schließlich an, ein Ticket für ausländische Studenten zu kaufen. Dieses Ticket gibt es zu genau den gleichen Konditionen wie den Kyushu Pass. Einziger Nachteil: sämtliche Informationen auf dem Ticket sind auf Japanisch. Wir haben uns diese dann durch unsere Kollegen im Krankenhaus übersetzen lassen. Einzige wichtige Information: Das Ticket gilt nur für die „Non-reserved“ Sitze im Zug. Jeder Zug hat mindestens einen, im Regelfall 3 oder mehr Wägen, in denen die Sitze alle „Non-reserved“ sind. Man kann bereits am Bahnhof auf der Anzeigetafel herausfinden welche Wagennummern „Non-reserved bzw. auf Japanisch: 自“ sind. Die Sitze im Zug werden übrigens bei jeder Fahrt der Fahrrichtung angepasst! ;-) Die beste englischsprachige Internetseite der japanischen Bahn um genaue Verbindungsdetails (Abfahrts- und Ankunftsuhrzeit der Züge an den entsprechenden Bahnhöfen, Fahrzeit und ganz wichtig: Zugnummer) ist interessanter Weise die der Japan Rail West Company (westjr.co.jp). Für Kyushu gibt es eine eigene Internetseite, welche einem aber nur das Schienennetz, eine Übersicht über die Züge auf bestimmten Strecken und eben die Infos zum Kyushu-Ticket liefert. Mit den Informationen Abfahrtszeit und Zugnummer von der westjr-Seite kann man auch an kleinen Bahnhöfen, an denen die Anzeigetafeln ausschließlich auf Japanisch sind den richtigen Zug finden: Die Züge fahren immer auf die Minute pünktlich und mit Hilfe der Zugnummer kann man, auch wenn man sonst nichts lesen kann, immer noch das richtige Gleis finden. Mit Hilfe der Ankunftszeit kann man auch an kleinen Bahnhöfen aus Zügen aussteigen, in denen es nur mündliche oder keine Informationen zum nächsten Bahnhof gibt. 41 Kumamoto, Aso & Beppu Da wir aufgrund eines Feiertags ein verlängertes Wochenende hatten, haben wir dieses genutzt um uns einen 3-Tages-NordKyushu-Pass zu kaufen und mit diesem an 3 Tagen 3 verschiedene Orte anzuschauen. Los ging es am Samstagmorgen mit einem der regelmäßig verkehrenden ExpressBahnen (Züge fahren nach Fukuoka, der Bahnhof dort heißt allerdings Hakata-station - 博多駅) von Nagasaki Bahnhof (Nagasaki Eki - 長崎駅) aus. (Der Express-Zug hält allerdings 3 Minuten später auch am „Urakami-Bahnhof“ (浦上駅) – Achtung, dort sind die Anzeigen ausschließlich auf Japanisch – welche näher am Krankenhaus ist und zu der man auch gut laufen kann.) Nach etwa anderthalb Stunden steigt man in Shin-Tosu (新鳥栖駅) um. Diesen Namen sollte man sich für Dauer der Fahrt einprägen, da der Zugbegleiter bei der Ticketkontrolle von jedem Fahrgast wissen möchte, wo er aussteigt. Dies schreibt er sich auf, so kann er später neu zugestiegene Fahrgäste gezielt kontrollieren. In Shin-Tosu hatten wir etwa 10 Minuten, um vom Normalzugtrakt zum Shinkansen Gleis zu wechseln. Das ist kein Problem, da alle Anzeigen über den Shinkansen auch auf Englisch erfolgen. Dann ging es nochmals 22 Minuten, eine, bezogen auf die Kilometerzahl, etwa ebenso lange Strecke, von Shin-Tosu nach Kumamoto - 熊本市. Kumamoto selbst ist eine für europäischen Geschmack eher hässliche Stadt mit etwa 740 000 Einwohnern. Da wir möglichst viel der Atmosphäre der Stadt erleben wollten haben wir uns zu Fuß auf den Weg zur Burg von Kumamoto gemacht. Dabei kam man, wie auch in Nagasaki, an vielen schönen Tempeln und Schreinen, klassischen kleinen japanischen Häusern, sowie eben auch an eher hässlichen, hohen Appartementbauten und vielen praktischen Getränkeautomaten vorbei. Nahe der Burg kamen wir durch einen großen öffentlichen Park und an einem Baseball-Stadion vorbei. Großer Benefit: Baseball ist eine Art Nationalsport in Japan, welcher insbesondere von der jüngeren Generation intensiv gespielt und somit auch schon an den Schulen unterrichtet wird. Wir hatten die Möglichkeit, kostenlos die Stimmung in einem von ein paar Schulklassen/ Sportvereinen bevölkerten Baseball-Stadion zu genießen und einige Zeit einem Wettkampfspiel zuzusehen. Für uns war das Baseball-Spiel eine Art Highlight, während für die Schüler vermutlich wir das Highlight waren. Die Burg von Kumamoto ist eine wirklich schöne, typisch japanische Burg. Laut unseren Kollegen im Krankenhaus sei es eine der Schönsten. Für uns war es jedenfalls ein tolles Erlebnis, diese Burg von außen, wie auch von innen zu erkunden. Man kann die beiden Türme der Burg zu Fuß erklimmen und hat – klare Sicht vorausgesetzt – eine wundervolle Aussicht über die entferntere Umgebung. Desweiteren besteht die Möglichkeit, die goldverzierten Räume der umgebenden „Palast“-Gebäude zu besichtigen. Diese sind mit Tatami-Reis-Matten ausgelegt, so dass man – ebenfalls typisch für Japan – die Schuhe am Eingang ausziehen muss, bevor man die Räume auf vorgegebenen Wegen in Socken erkunden darf. 42 Die buntverzierten Wände und Schiebetüren bestehen aus Holz und speziellem Papier. Dies ist typisch für den japanischen Baustil und man findet diese spezielle Raumgestaltung auch in Kyoto in vielen Tempeln und Palästen und wahrscheinlich auch über ganz Japan verteilt. Abends ging es dann mit dem Expresszug in Richtung Beppu nochmals etwas über eine Stunde weiter nach Aso (Kumamoto) Aso-Base-Backpackers 阿蘇市, einer kleinen Stadt mitten auf Kyushu und am Fuße des Vulkanes Aso. Dort haben wir im „Aso-Base-Backpackers Hostel“ übernachtet. Gebucht haben wir immer über hostelworld.com. Dieses ist sehr klein, familiär, gemütlich und sehr zu empfehlen. Am nächsten Tag haben wir dann am wirklich kleinen Bahnhof von Aso einen Bus in die Nähe des Vulkankraters genommen. Leider hat das Wetter nicht mitgespielt. Der Aso ist ein wirklich beeindruckender, noch aktiver Vulkan. Dies äußert sich durch qualmen, den Ausstoß von Schwefeldioxid und gelegentlich durch die Luft fliegende Steine. Bei schönem Wetter kann man auch auf den Gipfel wandern und den Kratersee bewundern. Es gibt auch ein Aso-Vulkanmuseum. Dieses sieht auf den ersten Blick sehr klein aus und Vulkan Aso hat uns durch seinen Preis (ca. 25€) abgeschreckt. Vulkan Aso Am nächsten Morgen nahmen wir den ersten möglichen Zug nach Beppu - 別府市. Die Fahrzeit dorthin sind etwa 2 Stunden, wobei man in den wirklich sehr bequemen und eben immer pünktlichen Zügen auch noch eine interessante und schöne Aussicht auf die Landschaft Kyushus haben kann. In Beppu empfiehlt es sich, den Bus zu nehmen, um zu den „Höllenseen“ zu kommen. Die „Höllenseen“ sind 80 – 100°C heiße Quellen, die unterschiedliche Farben haben. Für etwa 20€ kann man eine Eintrittskarte zu allen 7 Seen erwerben und diese dann nacheinander besichtigen. Wenn anschließend noch Zeit bleibt, kann man auch in eines der vielen Onsen (heißes Bad) gehen, für welche Beppu berühmt ist. Abends ging es dann über Fukuoka innerhalb von etwa 4.5 Stunden zurück nach Nagasaki. Hier bleibt zu sagen, dass die Fahrt von Fukuoka nach Nagasaki unsere einzige unbequeme Zugfahrt blieb. Aufgrund des langen Wochenendes waren so viele Heimkehrer im Zug, dass wir die komplette Fahrt über im Eingangsbereich gequetscht stehen mussten. 43 Kagoshima & Sakurajima Kagoshima - 鹿児島市 liegt ganz im Süden auf Kyushu. Die Stadt hat ihren Reiz durch den aktiven Vulkan Sakurajima, der auf einer Insel in der Meeresbucht bei Kagoshima liegt. Dieser qualmt mal stärker, mal weniger stark und spuckt in regelmäßigen Abständen Lava. Kagoshima wird daher auch als das Neapel Japans bezeichnet, auch wenn der Vulkan eher Ähnlichkeiten mit dem Stromboli hat. Mit dem Zug kommt man innerhalb von knapp drei Stunden von Nagasaki nach Kagoshima-Chuo-eki - 鹿児島中央駅, das ist der zentrale SchnellzugBahnhof in Kagoshima. Man fährt erneut anderthalb Stunden von Nagasaki mit dem „Expresszug“ nach Shin-Tosu und steigt dort in den Shinkansen nach Kagoshima-Chuo ein. Nach etwas mehr als einer Stunde kommt man dort an. Da der 3-Tage Railway Pass auf allen Zügen der JR (Japan Railway) gültig ist, bietet es sich an, auch in der Stadt mit dem Zug zu fahren, um beispielsweise zum Hafen zu kommen. Wir haben uns an einem Wochenende (Samstag und Sonntag) in Ruhe den Vulkan auf der Vulkaninsel und den Senganen-Garten angeschaut. Auf der Vulkaninsel gibt es auch ein nettes Informationszentrum mit vielen Informationen, Büchern und auch DVDs über den Vulkan. Mit einem Island-Sightseeing-Bus kann man eine einstündige Rundfahrt in die Nähe des Vulkans machen, die sich hauptsächlich wegen der wirklich schönen Aussicht lohnt. Wer mehr Zeit hat, kann auch ein Bad in einem Onsen oder auch ein einfaches Fußbad mit Blick auf die Meeresbucht und Kagoshima-Stadt genießen. Der Senganen-Landschaftsgarten ist ein alter Samurai-Garten, der insbesondere durch seine Blumenpracht, sowie durch die „geborgte Landschaft“ besticht. Er fügt sich wunderbar in die Landschaft ein, die waldbewachsenen Berghänge, die Küste, sowie der Vulkan geben dem Garten einen besonderen Reiz. Wir hatten zusätzlich das Glück einer Prozession von „Samurai“ beiwohnen zu können. 44 Ziemlich direkt neben dem Garten befindet sich die Glasbläserei der traditionellen Glaskunst von Kagoshima. Das hergestellte Glas ist eine Reproduktion des „Satsuma Kiriko“ Schnittglases, welches ursprünglich in der späten Edo sowie der frühen Meiji Periode (1868 bis 1912) hergestellt wurde. Die Glasbläserei kann kostenlos besichtigt werden und gibt einen Einblick in die Herstellung dieses sehr teuren Glases. Außer den genannten Sehenswürdigkeiten gibt es noch einige mehr. Insbesondere bei klarer Sicht sind Aussichtspunkte zu empfehlen. In Kagoshima gibt es nur wenige günstige Hostels. Hier empfiehlt sich eine rechtzeitige Buchung. Wir haben im „Little Asia Guest House“ gewohnt, welches zwar günstig und gut gelegen, aber leider eher weniger zu empfehlen ist. Für eine Nacht ist es aber dennoch geeignet. 45 Goldener Tempel d.) Reise nach Kyoto Da Kyoto als eine der geschichtlich und kulturell bedeutendsten Städte Japans gilt, haben wir beschlossen, dass ein Besuch in dieser Stadt während unseres Aufenthaltes nicht fehlen darf. Die Aussage eigentlich aller unserer Kollegen in Nagasaki, dass Kyoto die Lieblingsstadt aller Japaner und eine der schönsten Städte sei und die Tatsache, dass alle unserer Kollegen mindestens einmal dort waren, hat diesen Plan noch einmal bestätigt. Kyoto liegt im Westen der japanischen Hauptinsel Honschu, etwa 700km Nord-östlich von Nagasaki. Von 794 bis 1869 war sie Sitz des kaiserlichen Hofes von Japan und ist heute noch voller, zum Weltkulturerbe ernannter Sehenswürdigkeiten (UNESCO-Weltkulturerbe Historisches Kyoto). Aufgrund der deutlichen Entfernung bieten sich drei Möglichkeiten an, um von Nagasaki nach Kyoto zu kommen, insbesondere, wenn man nur ein Wochenende Zeit hat: - Flugzeug + Vorteil: Man ist innerhalb von etwa 3 Stunden vor Ort - Nachteil: Flug nach Osaka oder Kobe, dann Fahrt mit dem Zug oder Bus nach Kyoto. Kosten ca. 60.000 Yen (~ 400€) - Zug + Vorteil: Man ist nach 5 Stunden in Kyoto - Nachteil: Kosten ca. 36.000 Yen (~ 250€), mit Japan Rail Pass West evtl. günstiger - Nachtbus + Vorteil: Kosten nur ca. 21 000 Yen (~ 180€), Nachtfahrt, Schlafen möglich - Nachteil: Die reine Fahrzeit beträgt bereits über 11 Stunden Um Kosten und Zeit zu sparen, haben wir uns für den Nachtbus entschieden. Wir sind am Freitagabend in Nagasaki in den Nachtbus gestiegen und kamen dann am Samstag gegen 9 Uhr in Kyoto an. Tatsächlich konnte man während der Fahrt relativ gut schlafen, da nur drei Sitze pro Reihe im Bus sind und diese in etwa den Sitzen in der Business-Class im Flugzeug entsprechen. Gegen 22:30 hält der Bus nochmals auf einem Parkplatz, so dass alle Gäste vor dem Schlafen nochmals auf Toilette und Zähneputzen können. Es gibt allerdings auch immer eine Toilette im Bus (Achtung: auch im Bus gibt es spezielle Toilettenschuhe!). In Kyoto haben wir eine kleine Auswahl uns besonders interessierender Tempel und Schreine angeschaut, sowie das Gion-Viertel, welches bekannt für seine Geishas ist, und nebenbei die Atmosphäre in der Stadt genossen. Es ist wirklich ein Erlebnis durch die engen Gassen Kyotos zu laufen, mit vielen kleinen, maximal zweistöckigen Gebäuden, von denen viele traditionelle Restaurants beherbergen. 46 Ein bisschen könnte man sagen, Kyoto sei das „München“ Japans. Nirgends sonst haben wir so viele Japaner in traditioneller Bekleidung gesehen, die wie selbstverständlich durch die Stadt laufen, wie hier. Interessant ist es auch, durch die ausgedehnten Einkaufspassagen mit integrierten Marktständen zu wandern. Neben den teils exotischen Waren, wie beispielsweise ganze getrocknete Tintenfische oder Riesenkürbissen, kann man hier auch verschiedenste Mitbringsel erwerben. Die beliebteste Reisezeit der Japaner für eine Fahrt nach Kyoto ist der Herbst, wenn die Bäume bereits rot sind. Trotz des erwarteten großen Andrangs haben wir noch relativ kurzfristig sowohl den Platz im Nachtbus bekommen, wie auch ein Doppelzimmer in einem günstigen, aber zentral gelegenen Hostel („Guest House Renjishi Kabuki“, 3500 Yen, etwa 25€ pro Person und Nacht). Wie viele der japanischen Hostels und insbesondere der Hostels in Kyoto, war auch unseres im japanischen Stil – das heißt: Schuhe ausziehen am Eingang, Hausschlappen werden gestellt. Die Böden sind größtenteils aus Tatami-Reismatten, die Betten eher unbequem, das Gebäude ist relativ klein und beengt, dafür aber zweckmäßig ausgestattet (jedes Hostel hat zumindest einen heiß-wasser-Spender für die Instant Nudel Suppe). Für uns waren die Nächte in den Hostels immer ein besonderes Erlebnis, man hatte jedes Mal das Gefühl, noch etwas tiefer in das Land und die Kultur einzutauchen. Am Sonntagabend stiegen wir wieder in den Nachtbus und kamen am Montag früh gegen 8 Uhr wieder in Nagasaki an. Früh genug also, um gegen 9 Uhr pünktlich wieder in der Klinik aufzutauchen. Um einen Nachtbus vom Nagasaki Busbahnhof (長崎県) nach Kyoto (京都県)zu buchen, sollte man entweder japanisch können, oder jemanden fragen, der diese Sprache beherrscht: Die wichtigsten Seiten hierzu sind nur auf Japanisch vorhanden. Wurde einem gezeigt, wie man eine dieser Seiten richtig benutzen kann, ist man mit etwas Übung rasch dazu in der Lage, auch andere Ziele zu recherchieren. Hierfür muss man nur herausfinden, wie die jeweilige Stadt auf Japanisch geschrieben wird. Eine Kollegin zeigte uns die Internetseite secure.j-bus.co.jp auf der man den von uns beschriebenen Nachtbus buchen kann oder sich auch einfach nur über Preise und Abfahrtszeiten informiert. Wir haben die Seite mit dem genauen Fahrplan dann einfach ausgedruckt und sind damit zum Busbahnhof bzw. zum Cocowalk gegangen, um dort unsere Bustickets zu kaufen. Dabei kann man auch gleich die Sitze reservieren und mit etwas Glück auch selbst auswählen, wo im Bus man sitzen möchte. Aufgrund der nahen Lage zum Krankenhaus empfiehlt sich als Abfahrtsort das Einkaufszentrum „Cocowalk“ - ココウォーク, in welchem der Nachtbus (wie auch der Flughafenbus) ebenfalls hält. 47 5. Schöne und weniger schöne Erlebnisse Das schönste Erlebnis war natürlich überhaupt die Möglichkeit, an diesem Austauschprogramm teilnehmen zu können. Während des Nagasaki-Aufenthaltes hat man einige besonders schöne Dinge gesehen und erlebt, sowie auch Tiefpunkte erfahren müssen. Einige Erlebnisse möchten wir mit unseren Nachfolgern gerne teilen: a.) Das war nicht so schön… Mülleimer? Es gehört wohl zu den größten Geheimnissen, warum auf der einen Seite Waren dreifach verpackt werden, aber andererseits der dadurch produzierte Plastikabfall wenig Möglichkeiten findet, abgeworfen zu werden. Es gibt schlichtweg keine öffentlichen Mülleimer. Im Krankenhaus findet man noch nicht mal Müllbehälter auf den Toiletten und in den Straßen ebenso wenig. So war man auf einigen Ausflügen mit Bergen von Müll unterwegs, die wir erst in unserer Wohnanlage entsorgen konnten Miete im International Guesthouse Man sollte sich im Klaren sein, dass man die komplette Monatsmiete zahlen darf, selbst wenn man nur einen Tag in diesem Monat verbleibt. So durften wir für den Zeitraum volle drei Monate Miete zahlen. Zwar ist der Mietpreis insgesamt sehr niedrig mit rund 70-80 Euro pro Monat inkl. Nebenkosten, aber für die zweite Hälfte des Oktobers, den vollen November und einer Woche im Dezember drei Mieten zu verlangen, sorgten für ein klärendes Gespräch im International Office und einer Rücksprache mit Frau Kusumoto, die versprach, dies zukünftig besser zu kommunizieren. Taifun Einen Taifun in Nagasaki zu erleben ist eine interessante Angelegenheit. Meist gibt es sehr viel Regen, oft auch sehr viel Wind. Ein Spaziergang während eines Taifuns lohnt sich nur, wenn man unbedingt bis auf die Haut nass werden möchte und keine Angst vor fliegenden Ästen hat. Je nachdem, auf welcher Seite des Gebäudes man wohnt, bekommt man vom Wind nichts mit, oder man hat große Bedenken, dass die Äste die Fensterscheiben des eigenen Zimmers zerschlagen und macht unter Umständen nachts kein Auge mehr zu. Meine Ohren! Was am Anfang noch ein spaßiger Kulturunterschied war, sorgte am Ende für große Vorfreude wieder in Europa zu sein zu können. Überall in Nagasaki piept es, tönen schrille Werbejingles oder schallen Werbebotschaften auf den Straßen, in den Zügen, in den Straßenbahnbahnen und Parkanlagen. Mitunter konnte man sich im Kaufhaus kaum von Angesicht zu Angesicht austauschen, aufgrund der sehr lauten Werbebotschaften. Ein Geschäft hat dieses Prinzip pervertiert. In jedem Gang lief eine andere Musik, leider derart laut, dass man kaum die eine oder andere künstlerische Darbietung verstehen konnte. Das war nicht nur in Nagasaki der Fall, sondern durchweg auf allen Destinationen unserer Erkundungsreisen. Nach dieser Dauerbeschallung merkt man plötzlich, wie ruhig es auf deutschen Straßen eigentlich zugeht. 48 „Dienstgenauigkeit“ Ist ein Japaner im Dienst, also steht er beispielsweise mit einem „Lichtschwert“ bewaffnet am Zebrastreifen, um den Verkehr zu regeln, so kann man leider keinerlei Entgegenkommen erwarten. Selbst wenn man als Frau mit 2 großen Koffern unterwegs ist, wird der „Verkehrswächter“ nicht einen Millimeter zurückweichen, damit man besser vorbeikommt. Hat man dann auch noch Schwierigkeiten mit den Koffern wieder auf den Gehweg zu kommen, so stehen die arbeitenden, pflichtbewussten Japaner regungslos an Ort und Stelle und regeln den Verkehr. An dieser Stelle zeigt sich kein Funken der sonst weit verbreiteten Hilfsbereitschaft, da die „Dienstgenauigkeit“ offenbar mehr zählt. b.) Das hat mir besonders gefallen… Hello! Es waren erst 3 Wochen vergangen und ich war in den kleinsten Straßen Nagasaki unterwegs, als ein großer schwarzer Van vorbeifuhr und die freundliche Person am Steuer das Fenster herunterkurbelte und mich auf Englisch grüßte: „Hello Sebastian, nice to see you!“ Und schon war die Gestalt verschwunden. Bis heute weiß ich nicht, wer mich da gegrüßt hat, aber es hat mich sehr beeindruckt irgendwo in Japan zu sein und plötzlich grüßt dich jemand, der dich anscheinend kennt. Thank you ENT Mr. Kaneko von der HNO habe ich bereits mehrfach lobenswert erwähnt. Aber hier nochmals: Man bekommt einen detaillierten Wochenplan, wird sehr gut betreut mit einer guten Mischung aus Praxis, OP-Zeit und Teaching. Eine sehr gute Arbeitsatmosphäre. Hilfsbereitschaft In den Reiseführern hat man viel über die fast schon bedingungslose Freundlichkeit der Japaner gelesen, aber die Erfahrung selbst zu machen, war atemberaubend. Wir suchten verzweifelt den Eingang zu einer Busstation im Cocowalk, als wir eine Dame hinter einer Art Lotto-Kiosk ansprachen. Ohne Zögern kam sie lächelnd hinter ihrem Stand hervor, zog den Rollladen herunter, schloss den Laden trotz Kundschaft davor ab und ging mit uns auf die Hauptstraße, um uns genau zu unserem gesuchten Ort zu führen. Erstaunlich. Who ist who? Am lustigsten empfand ich die Frage, die einem jeder japanische Student einmal stellen wird. Naja, es waren eher die männlichen Studenten und man sollte sich dafür etwas vorbereiten oder man ist ein eingefleischter Fußballfan. Man möchte zu jeder Zeit gerne wissen, welcher japanische Fußballspieler gerade in der Bundesliga aktiv ist. Ich weiß allerdings nicht, ob es nur suggestive Fragen waren oder nicht, aber diese Musterung haben wir bestanden. Die Erklärung, dass man sich nun mal überhaupt nicht für Fußball interessiere (eindeutig Katrin), sorgte allerdings ebenfalls für Gelächter, da doch „alle Deutschen Fußball lieben“. 49 6. Fazit Nach 8 Wochen Japan war man selbstverständlich wieder froh, Zuhause zu sein. Aber nach dieser intensiven Erfahrung blieb auch ein wenig Wehmut hängen und die Erinnerung an ein grandioses Land mit einer schier unerschöpflichen Quelle der Freundlichkeit. Auf unseren Reisen sind uns so viele Menschen begegnet und viele haben wir als Freunde gewonnen. Es ging nicht primär darum zu verstehen, sondern vielmehr um ein genaues, aktives Zuhören und Hinsehen. Wer sich trotz sprachlicher Barrieren nicht verunsichern lässt und mit etwas sozialem Feingefühl sich auf eine sehr harmonische und spannende Gesellschaft einlässt, der wird positiv überrascht werden, wenn sich für einen selbst während des Austauschs die beteiligten Personen mehr und mehr öffnen. Wir haben während unseres Aufenthaltes sehr viel Wertschätzung und Dankbarkeit erfahren, dass wir sicherlich ein zweites Mal nach Japan kommen werden. Wir hoffen, dass wir mit unserem Erfahrungsbericht etwas dazu beigetragen konnten, dass sich auch in Zukunft weitere Medizinstudenten finden werden, um diesen unglaublich einmaligen Austausch zu einem einmaligen Erlebnis zwischen Deutschen und Japanern zu machen. Wir sind sehr froh Teil dieses Austauschprogramms gewesen zu sein und bedanken uns bei allen beteiligten Personen sehr herzlich. Ebenso bedanken wir uns für die Bewilligung des Stipendiums, ohne dessen finanzielle Hilfe die Realisierung dieser großartigen Erfahrung sicherlich in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Arigato gozaimashite, Nagasaki 50