Umweltpolitische Bewertung des Reglements von Straßenplanungen
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Umweltpolitische Bewertung des Reglements von Straßenplanungen
Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 1 Überprüfung der Angemessenheit und Wirkung von Inhalt und Struktur des Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Abschlussbericht Stand 09.09.2013 Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Auftraggeber: Seite 2 Bündnis 90 / Die Grünen Bundestagsfraktion Auftragnehmer: Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt, SVU Dresden Inhaber Tobias Schönefeld Bearbeiter: Dr.-Ing. Ditmar Hunger Dipl.-Ing. Tobias Schönefeld Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 3 Inhalt 1 VERANLASSUNG UND ZIELSTELLUNG ___________________________________ 8 2 RELEVANTE RICHTLINIEN UND REGELWERKE ____________________________ 8 2.1 FGSV-Regelwerke______________________________________________________8 2.1.1 Entstehungsgeschichte __________________________________________________9 2.1.2 Aufbau der aktuellen Richtliniengeneration __________________________________10 2.2 Straßenverkehrsordnung / zugehörige Verwaltungsvorschrift ________________12 2.3 Weitere Regelwerke, Richtlinien und Rahmenbedingungen __________________12 3 AUSWIRKUNGEN UND ANWENDUNGSPROBLEME _________________________ 13 3.1 Verbindungsfunktion gemäß RIN ________________________________________13 3.2 Verkehrsprognosen ___________________________________________________17 3.3 Kosten-Nutzen-Berechnungen __________________________________________20 3.4 Lärmschutz / Gesundheitsschutz an Bestandsstraßen ______________________24 3.5 Neubau statt Ertüchtigung _____________________________________________27 3.6 Fehlende integrierte Netzplanung / planerische Zielstellungen _______________32 3.7 Städtebauliche Dimensionierung ________________________________________35 3.8 Finanzierung / Fördermittel _____________________________________________38 3.9 Qualitative Bewertung des Verkehrsablaufes ______________________________40 3.10 Auswirkung von Geschwindigkeiten _____________________________________43 3.11 Verbreiterung der Regelquerschnitte _____________________________________47 3.12 Dimensionierung von Anschlussknotenpunkten ___________________________52 3.13 Anwendung / Nutzung von Ermessensspielräumen _________________________58 3.14 Planungsprozess / Interessenkonflikte ___________________________________61 4 ZIELSTELLUNGEN / ZUSAMMENFASSUNG DER HINWEISE __________________ 62 5 ZUSAMMENFASSUNG / FAZIT __________________________________________ 67 6 LITERATURVERZEICHNIS ______________________________________________ 70 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 4 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Organigramm / Übersicht FGSV-Gremien _________________________________9 Abb. 2: Planungsablauf / Einordnung wesentlicher Richtlinien _______________________11 Abb. 3: Verknüpfungsmatrix zur Ableitung der Verkehrswegekategorie Kfz-Verkehr ______12 Abb. 4: Zielgrößen für die Erreichbarkeit zentraler Orte / zentrale Orte 2004____________14 Abb. 5: Zentrale sozioökonomische Leitdaten der Bundesverkehrsprognose 2025 _______19 Abb. 6: Kosten-Nutzen-Komponenten für den Ausbau der B 93n (2.Vorstudie 2005) _____21 Abb. 7: Regelquerschnitt RQ 15,5 mit wechselseitigen Überholmöglichkeiten___________27 Abb. 8 Parallelverlauf BAB 14 / B 106 südlich von Schwerin________________________29 Abb. 9 Parallelverlauf geplante BAB 14 mit den bestehenden B 189 / B 5 / B 106 _______30 Abb. 10 Variantenvergleich Bad Reichenhall (Kirchholztunnel / Ausbau im Bestand) ______31 Abb. 11 Vergleich Flächenverbrauch (Kirchholztunnel / Optimierung im Bestand) ________32 Abb. 12 Verkehrsprognose zur Ortsumgehung B 87 Bad Kösen / Naumburg ____________33 Abb. 13: Beispiele für die Notwendigkeit einer städtebaulichen Dimensionierung _________36 Abb. 14: Städtebaulich integrierte Gestaltung Bahnhofstraße Cottbus (vorher / nachher) ___37 Abb. 15: Beispiel Leibnitzstraße in Gera _________________________________________38 Abb. 16: Beispiel Dresden (Bodenbacher Straße, Leipziger Straße) ___________________39 Abb. 17: typische Tagesganglinie für einen innerstädtischen Straßenabschnitt ___________41 Abb. 18: Verteilung der Verkehrsbelegung A 8 ____________________________________43 Abb. 19: Autobahn BAB 8 zwischen Rosenheim und Salzburg im Bestand ______________49 Abb. 20: BAB 8 Vergleich Bestandquerschnitt / geplanter 6-streifiger Ausbau____________49 Abb. 21: Vergleich Verkehrsräume für das Begegnen zweier Fahrzeuge _______________51 Abb. 22: Dimensionierung mehrspuriger Abschnitte innerorts ________________________52 Abb. 23: Regeleinsatzbereiche von vierarmigen Knotenpunkten ______________________52 Abb. 24 Parallelverlauf B 169 / K 6612 in Höhe Senftenberg ________________________53 Abb. 25 Umgehungstrasse B 112n im Bereich Brieskow-Finkenheerd _________________55 Abb. 26: Flächenverbrauch Verknüpfung BAB 8 / B 20 (Umbauplanung / bestandsorientierte Alternativlösung) ______________________56 Abb. 27: Flächenverbrauch Verknüpfung BAB 8 / B 20 Umbauplanung (rot) / bestandsorientierte Alternativlösung (grün) ______________57 Abb. 28: Einsatzbereiche von Fußgängerüberwegen gemäß R-FGÜ __________________60 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 5 Tabellenverzeichnis Tab. 1 Verkehrsaufkommen von Straßenbauprojekten (Prognose / Ist-Belegung 2011) __18 Tab. 2 Kostenvergleich von Straßenbauprojekten (Bedarfsplan / genehmigte Kosten) ___23 Tab. 3 Übersicht zu den Lärmgrenzwerten _____________________________________24 Tab. 4 UBA-Empfehlung für Auslöseschwellwerte bei der Lärmaktionsplanung _________25 Tab. 5 Vergleich Querschnitte der RAS-Q 96 mit den aktuellen Regelwerken __________47 Tab. 6 Zielstellungen / Effekte _______________________________________________62 Tab. 7 Zusammenfassung der Hinweise und Anregungen _________________________66 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 6 Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung BAB Bundesautobahn BASt Bundesanstalt für Straßenwesen BImSchV Bundesimmissionsschutzverordnung BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit BMVBS Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung DIN Deutsches Institut für Normung DTV durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke in Kfz/24h EAHV Empfehlung für die Anlage von Hauptverkehrsstraßen EAÖ Empfehlungen für Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs EFA Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen EntflechtG Entflechtungsgesetz ERA Empfehlungen für Radverkehrsanlagen ESAS Empfehlungen für das Sicherheitsaudit von Straßen ESN Empfehlungen für die Sicherheitsanalyse von Straßennetzen EWS Empfehlungen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an Straßen FFH Fauna-Flora-Habitat FGS Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen FGÜ Fußgängerüberwegen FStrG Bundesfernstraßengesetz GVFG Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz HBS Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen HOAI Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Kfz Kraftfahrzeug LAI Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz OU Ortsumgehung ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr QSV Qualitätsstufen des Verkehrsablaufes RAA Richtlinien für die Anlage von Autobahnen RAL Richtlinien für die Anlage von Landstraße Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht RAS-K Richtlinie für die Anlage von Straßen, Teil: Knotenpunkte RAS Q Richtlinie für die Anlage von Straßen, Teil: Querschnitte RASt Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen RIN Richtlinien für integrierte Netzgestaltung R-FGÜ Richtlinie für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen ROG Grundsätze der Raumordnung RQ Regelquerschnitt SPNV Schienenpersonennahverkehr StufA Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau StVO Straßenverkehrsordnung SV Schwerverkehr Tab. Tabelle UBA Umweltbundesamt VDE Verkehrsprojekte Deutsche Einheit ZTV Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden Seite 7 SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht 1 Seite 8 Veranlassung und Zielstellung Als Grundlage für die Planung, den Entwurf, die Gestaltung und Bau von Straßenverkehrsanlagen existieren in Deutschland eine Vielzahl miteinander z. T. eng verzahnter Regelwerke, Richtlinien und Vorschriften. Diese definieren die Grundlagen beginnend bei der Netzgestaltung, über die Dimensionierung und Gestaltung bis hin zu verkehrsrechtlichen Vorgaben für die Benutzung und den Betrieb. Im Rahmen der Untersuchungen zur Angemessenheit und Wirkung von Inhalt und Struktur der Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht sollen die durch die entsprechenden Regelwerke, Richtlinien und Vorschriften entstehenden Umweltauswirkungen im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen untersucht werden. Hierzu sollen u. a. anhand konkreter Beispiele die Aus- und Wechselwirkungen der Regelwerke, Richtlinien etc. auf die Dimensionierung und Gestaltung der Verkehrsanlagen sowie daraus resultierende Probleme, Hemmnisse und Interessenkonflikte dargestellt und erläutert werden. Auch Probleme bei der Anwendung und Umsetzung der Richtlinien sollen herausgearbeitet und Hinweise zur Anpassung der entsprechenden Regelungen abgeleitet werden. Neben den umweltpolitischen Auswirkungen werden hierbei auch die ökonomischen Effekte, wie z. B. hinsichtlich der Senkung von Investitions-, Unterhalts- und Instandhaltungskosten betrachtet. Die Betrachtungen erfolgen dabei beispielhaft und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. 2 Relevante Richtlinien und Regelwerke Für Planung, Entwurf, Bau und Betrieb von Straßen existieren in Deutschland eine Vielzahl von Richtlinien, Merkblättern, Leitfäden, Hinweisen, Gesetzen, Anweisungen, Verordnungen, Technischen Prüfvorschriften, Sammlungen etc. Mittlerweile besteht ein komplettes Richtlinienwerk, welches nahezu alle verkehrsplanerischen sowie verkehrstechnischen Fragestellungen abdeckt. Nachfolgend werden auszugsweise verschiedene wichtige Richtlinien insbesondere für die Planung von Straßenverkehrsanlagen ohne Anspruch auf Vollständigkeit im Gesamtkontext dargestellt. 2.1 FGSV-Regelwerke Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) ist ein gemeinnütziger technisch-wissenschaftlicher Verein, der Fachwissen aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft bündelt und dessen Gremien (siehe Abb. 1) für die Aufstellung und Fortschreibung des Technischen Regelwerks in den Bereichen Straßenbau, Straßenverkehrstechnik und Verkehrsplanung verantwortlich sind. Diese Regelwerke Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 9 beschreiben den so genannten aktuellen „Stand der Technik“ und bilden vielfach die Beurteilungsgrundlage bei gerichtlichen Streitfällen. Abb. 1: Organigramm / Übersicht FGSV-Gremien Quelle: FGSV, FGSV-Gremien 2012/2013 Aktuell bestehen, aufbauend auf den in Abb. 1 dargestellten Arbeitsgruppen bzw. Querschnittsausschüssen, 66 Arbeitsausschüsse mit 147 Arbeitskreisen bzw. Querschnittsausschüssen in den ca. 2.000 Mitglieder ehrenamtlich tätig sind. Bestandteil sind u. a. 19 Gemeinschaftsausschüsse mit dem Deutschen Institut für Normung (DIN)1. 2.1.1 Entstehungsgeschichte Der Ursprung der heutigen FGSV liegt in der Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau (StufA), die am 15. Oktober 1924 in Berlin gegründet wurde und die Schaffung von geeigneten Fahrwegen für Automobile sowie die Entwicklung von Richtlinien für den Straßenentwurf zum Ziel hatte. Seit 1983 hat die FGSV ihren heutigen Namen. Zwischen 1935 und 1982 hieß sie Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen (FGS). Bereits die Namensgebung verdeutlicht, dass vor allem in den Anfangsjahren der Automobilverkehr und Straßenbau die Hauptschwerpunkte der Arbeit von StufA / FGS / FGSV bildeten. So wurden als erste technische Regelwerke 1926 vorläufige Merkblätter für Oberflächenteerungen und den Bau sowie die Unterhaltung vorn Automobilstraßen aus Beton veröffentlicht2. Weitere Veröffentlichungen beinhalteten z. B. „Aussichten und Aufga- 1 2 Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV), FGSV-Gremien 2012/2013 Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV), FGSV-Bibliographie 1924 bis 2004, S. 5ff. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 10 ben für den deutschen Straßenbau“ sowie den „Vorentwurf zu einem Kraftwagenstraßennetz Deutschlands – Spitzennetz.“ Insgesamt wird deutlich, dass neben der Schaffung technischer Grundlagen durch die StufA auch gezielter Einfluss auf der Verkehrspolitik genommen wurde. Bereits 1927 wurden Richtlinien über die „Einteilung der Wege und ihre Breite“ sowie für „Regelquerschnitte innerstädtischer Verkehrsstraßen (Entwurf)“ veröffentlicht. Das erste technische Regelwerk zum Radverkehr wurde im Jahr 1932 mit der „Richtlinie über die Anlage von Radfahrwegen“ herausgegeben.3 Über die Jahre hat sich die Systematik der Richtlinien und Regelwerke aufgrund von Ergänzungen und Anpassungen im wieder verändert. Dabei ist zu beachten, dass sich die Struktur der FGSV einschließlich der erstellten Regelwerke zunehmend allen Verkehrsarten, insbesondere auch dem Fuß- und Fahrradverkehr sowie dem Umweltschutz, der Landschaftsplanung etc. widmet. Ein Überblick zum Aufbau der aktuellen, neuen Richtliniengeneration ist im nachfolgenden Kapitel 2.1.2 zusammengefasst. 2.1.2 Aufbau der aktuellen Richtliniengeneration Die FGSV Richtlinien der aktuellen, neuen Generation untergliedern sich in vier Kategorien mit unterschiedlicher Bedeutung: Regelwerke regeln entweder, wie technische Sachverhalte geplant oder realisiert werden müssen bzw. sollen (R 1) oder empfehlen, wie diese geplant oder realisiert werden sollten (R 2). R 1 Veröffentlichungen umfassen Vertragsgrundlagen (ZTV – Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien, TL – Technische Lieferbedingungen und TP – Technische Prüfvorschriften) sowie Richtlinien. Sie sind stets innerhalb der FGSV abgestimmt. Sie haben, insbesondere wenn sie als Vertragsbestandteil vereinbart werden sollen, eine hohe Verbindlichkeit. R 2 Veröffentlichungen umfassen Merkblätter und Empfehlungen. Sie sind stets innerhalb der FGSV abgestimmt. Die FGSV empfiehlt ihre Anwendung als Stand der Technik. Wissens- zeigen den aktuellen Stand des Wissens auf und erläutern, wie ein technischer Sachver- dokumente halt zweckmäßigerweise behandelt werden kann oder schon erfolgreich behandelt worden ist. W 1 Veröffentlichungen umfassen Hinweise. Sie sind stets innerhalb der FGSV, jedoch nicht mit Externen abgestimmt. Sie geben den aktuellen Stand des Wissens innerhalb der zuständigen FGSV-Gremien wieder. W 2 Veröffentlichungen umfassen Arbeitspapiere. Dabei kann es sich um Zwischenstände bei der Erarbeitung von weitergehenden Aktivitäten oder um Informations- und Arbeitshilfen 3 Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV), FGSV-Bibliographie 1924 bis 2004, S. 6f. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 11 handeln. Sie sind nicht innerhalb der FGSV abgestimmt und geben die Auffassung eines einzelnen FGSV-Gremiums wieder.4 Die Zusammenhänge zwischen den wichtigsten Richtlinien werden in Abb. 2 dargestellt. Übergeordnet wird mit der Richtlinie für integrierte Netzgestaltung (RIN) die funktionale Gliederung der Verkehrsnetze für den Kfz-, öffentlichen Personen-, Rad- und Fußgängerverkehr definiert. Für den Personenverkehr werden darüber hinaus verbindungsbezogene Angebotsqualitäten und Zielgrößen für die mittlere Fahrgeschwindigkeit auf den Netzabschnitten definiert. Abkürzungsverzeichnis: RIN Richtlinien für integrierte Netzgestaltung EWS Empfehlungen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an Straßen ESN Empfehlungen für die Sicherheitsanalyse von Straßennetzen RAA Richtlinien für die Anlage von Autobahnen RAL Richtlinien für die Anlage von Landstraßen RASt Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen ERA Empfehlungen für Radverkehrsanlagen EFA Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen EAÖ Empfehlungen für Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs HBS Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen Empfehlungen für das SicherESAS heitsaudit von Straßen Abb. 2: Planungsablauf / Einordnung wesentlicher Richtlinien Quelle: FGSV, Richtlinien für integrierte Netzgestaltung (RIN 2008), S. 7 4 Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV), Systematik der FGSV-Regelwerke Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Abb. 3: Seite 12 Verknüpfungsmatrix zur Ableitung der Verkehrswegekategorie Kfz-Verkehr Quelle: FGSV, Richtlinie für integrierte Netzgestaltung (RIN 2008), S. 15 Die Nachfrageanalyse- und Bedarfsplanung erfolgt auf Grundlage von Untersuchungen bezüglich der Wirtschaftlichkeit und Verkehrssicherheit. Für den konkreten Straßenentwurf werden in Abhängigkeit der Verbindungsfunktion sowie der Kategoriengruppen Autobahnen, Landstraßen und Stadtstraßen unter Berücksichtigung der R 1- Richtlinien RAA, RAL und RASt die Parametern für die Dimensionierung, Knotenpunktegestaltung sowie Entwurfsgeschwindigkeiten definiert. Ergänzend zu beachten sind hierbei die vertiefenden Empfehlungen ERA, EFA und EAÖ zur Gestaltung der Verkehrsanlagen für den Fuß- und Radverkehr sowie den ÖPNV. Wesentliche weitere Grundlagen für die Bemessung der Straßenverkehrsanlagen werden durch das HBS vorgegeben. 2.2 Straßenverkehrsordnung / zugehörige Verwaltungsvorschrift Die Straßenverkehrsordnung (StVO) ist ein Kernbestandteil des deutschen Straßenverkehrsrechtes. In Verbindung mit der Verwaltungsvorschrift zur StVO bildet sie für die Straßenverkehrsbehörden die Grundlage für die Beschilderung sowie für verkehrsorganisatorische Maßnahmen. Die Ursprünge der StVO gehen zurück bis in das Jahr 1910, wo ein erstes RahmenGesetz über den Kraftverkehr für das Deutsche Reich in Kraft gesetzt wurde. Seitdem erfolgen regelmäßige Anpassungen, Neufassungen bzw. Novellierungen unter Berücksichtigung aktueller verkehrswissenschaftlicher Erkenntnisse. Die letzte Änderung trat zum 6. März 2013 in Kraft. 2.3 Weitere Regelwerke, Richtlinien und Rahmenbedingungen Neben dem Straßenverkehrsrecht und den Regelwerken, Hinweisen und Merkblättern der FGSV spielen bei der Planung, Entwurf, Bau und Betrieb von Straßen die Aspekte des Umweltschutzes eine immer wichtigere Rolle. Grundlage sind hierbei insbesondere die EU-Richtlinien 92/4/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 13 wildlebender Tiere (FFH-Richtlinie), 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (EU-Umgebungslärmrichtlinie) und 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa sowie die darauf Bezug nehmenden Regelungen im deutschen Recht. Weiterhin hat sich die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der EU-Lastenteilung zum Kyoto-Protokoll verpflichtet, im Zeitraum 2008-2012 insgesamt 21 Prozent weniger klimaschädliche Gase zu emittieren als 1990. Darüber hinaus hat Deutschland zugesagt, seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 sogar um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken - und dies unabhängig von den notwendigen Anstrengungen anderer Staaten.5 Auch das Bundesfernstraßengesetz (FStrG) sowie die Gesetze zur Finanzierung der Verkehrsanlagen einschließlich der zugehörigen Förderrichtlinien der Länder beeinflussen Planung, Entwurf, Bau und Betrieb von Verkehrsanlagen. Ein sehr wichtiges Instrument war hierbei das Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG), welches mittlerweile durch das Gesetz zur Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen (Entflechtungsgesetz – EntflechtG) fortgeschrieben bzw. modifiziert worden ist. In beiden Gesetzen werden die förderfähigen Vorhaben in Ihren Grundsätzen definiert. 3 Auswirkungen und Anwendungsprobleme Nachfolgend werden die Auswirkungen der Regelwerke und Richtlinien auf die Dimensionierung der Verkehrsanlagen sowie daraus resultierende Probleme und Hemmnisse dargestellt. Weiterhin wird auf Probleme bei der Anwendung eingegangen. Die Betrachtungen erfolgen dabei exemplarisch sowie teilweise anhand konkreter Beispiele und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. 3.1 Verbindungsfunktion gemäß RIN In den Richtlinien für die integrierte Netzgestaltung (RIN) werden mit Verweis auf die Leitvorstellung des Raumordnungsgesetzes - gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen herzustellen - Zielgrößen für die Erreichbarkeit zentraler Orte ausgehend von den Wohnstandorten und zwischen den einzelnen zentralen Orten als Reisezeiten definiert. Eine Differenzierung erfolgt ausschließlich hinsichtlich der Bedeutung des zentralen Ortes (Metropolregion, Ober-, Mittel- bzw. Unterzentrum siehe Abb. 4). Die regionalen siedlungsstrukturellen Gegebenheiten werden jedoch nicht berücksichtigt. Dies bedeutet, dass gemäß RIN für eine vergleichbare Verbindungsfunktion (z. B. von einem Grund- in ein Oberzentrum) im stark verdichteten Ruhrgebiet dieselbe Zielgröße 5 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Kurzinfo Klimaschutz Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 14 für die Erreichbarkeit, wie in peripheren Räumen in Mecklenburg-Vorpommern gilt. Speziell in den dünnbesiedelten Regionen kann dies dazu führen, dass Verkehrsanlagen entstehen, die durch den tatsächlichen Bedarf (zu erwartende Verkehrsmenge) nicht bergründet und aufgrund ihrer vermeintlichen Verbindungsfunktion überdimensioniert sind. Zwar wird im Text der RIN relativiert: „Die Zielgrößen für die Erreichbarkeit geben Hinweise auf mögliche raumordnerische Defizite oder auf Defizite in der Verkehrserschließung, sie stellen aber im Rahmen der Netzgestaltung gemäß dem Konzept der RIN kein eigenständiges Qualitätskriterium dar.“6 Abb. 4: Zielgrößen für die Erreichbarkeit zentraler Orte / zentrale Orte 2004 Quelle: FGSV, Richtlinie für integrierte Netzgestaltung (RIN 2008), S. 10f. Jedoch wird auch bei der Festlegung der Verbindungsfunktionsstufen, die maßgeblichen Einfluss auf die Dimensionierung haben, lediglich die Einordnung entsprechend des Systems der zentralen Orte vorgenommen. Der Verknüpfungsbedarf ist jedoch von verschiedenen anderen Faktoren z. B. Stärke der Verkehrsbeziehung, der Entfernung oder konkurrierenden Verknüpfungen abhängig. Zumindest auf den Einfluss der Stärke der Verkehrsbeziehung und Möglichkeiten der Auf- bzw. Abwertung der Verbindungsfunktion wird im Begleittext zur entsprechenden Tabelle der RIN hingewiesen. Allerdings werden derartige Möglichkeiten wegen zu unkonkreter Anwendungshinweise und fehlender Verweise in der Übersichtstabelle häufig nicht angewendet oder überlesen. 6 FGSV, Richtlinien für Integrierte Netzgestaltung, S. 10f. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 15 Wird eine zu hohe Verbindungsfunktion angesetzt, kann dies auch Auswirkungen auf den weiteren Planungsprozess haben, da die Verbindungsfunktion eine wichtige Eingangsgröße für die Festlegung der Entwurfsklasse gemäß der Richtlinie für die Anlage von Landstraßen (RAL 2012) bildet. Mit der Entwurfsklasse werden wiederum grundlegende Gestaltungsmerkmale bezüglich Fahrbahnquerschnitt, Knotenpunktführung, Betrieb (z. B. Kraftfahrstraße), Radien, Kuppenhalbmesser, Höchstlängsneigung, Überholmöglichkeiten etc. definiert. So erfolgt ggf. eine Überdimensionierung. Positiv ist daher inzwischen, dass in der RAL zusätzliche Hinweise und Anhaltswerte bezüglich der Verkehrsaufkommen enthalten sind, für die eine Ab- bzw. Hochstufung der Entwurfsklasse geprüft werden sollte. Trotz einer deutlicheren klareren Darstellung der Thematik im Vergleich zu den entsprechenden Hinweise in den RIN und der damit verbundenen höheren Verbindlichkeit bleibt abzuwarten, in wie weit speziell die Abstufung der Entwurfsklasse in der Praxis tatsächlich Anwendung finden wird. Zudem muss eingeschränkt werden, dass gemäß RAL eine Abstufung nur für die Entwurfsklassen I und II möglich ist, aber für Entwurfsklasse III, also für regionale Verbindungen zwischen Grund- und Mittelzentren oder zwischen zwei Grundzentren ausgeschlossen wird. Insgesamt werden gemäß RIN die Verbindungsfunktionsstufen für das Straßennetz vorrangig auf Basis einer Zeit bzw. geschwindigkeitsbasierenden Bewertung vorgegeben. Somit wird der Indikator Geschwindigkeit als erste maßgebende Bewertungsgröße des Straßenverkehrs angesetzt und andere wesentliche Aspekte wie Verkehrssicherheit, Austauschbeziehungen und Teilhabe sowie Landschaftstypik etc. vernachlässigt. Zwar wird in den RIN hierzu ausgeführt: „Relevante Kriterien zur Beschreibung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität sind Zeitaufwand, Direktheit, Sicherheit, Kosten, Zuverlässigkeit und Komfort sowie beim öffentlichen Personenverkehr die zeitliche Verfügbarkeit und beim nichtmotorisierten Verkehr der Kraftaufwand.“7 Bei der Festlegung der Stufen der Angebotsqualität (SAQ) wäre gemäß RIN eine Berücksichtigung wünschenswert, findet jedoch nicht statt. Ausschlaggebend sind hier lediglich der Zeitaufwand, berechnet aus der Luftliniengeschwindigkeit und dem Reisezeitverhältnis sowie bei einer schlechten Einstufung in diesem Bereich die Direktheit, unter Berücksichtigung von Umwegfaktor und Umsteigehäufigkeit. Notwendig ist die Entwicklung von Indikatoren, welche die jeweiligen spezifischen Rahmenbedingungen berücksichtigen und auf eine „angemessene“ Angebotsqualität abzielen. Auch die Berücksichtigung umwelt- und landschaftsbezogener Planungsziele ist im Rahmen der Festlegung von Verbindungsfunktionen und Angebotsqualitäten zu berücksichtigen. So ist z. B. die Verbindungsfunktion zwischen den Oberzentren Cottbus und Frankfurt (Oder) nicht vergleichbar mit der zwischen den Oberzentren Erfurt und Jena und erst 7 FGSV, Richtlinien für Integrierte Netzgestaltung, S. 19 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 16 recht nicht mit der zwischen den Oberzentren Dortmund und Bochum8. Dennoch wurde und wird diese Verbindung (B 97 / B 112) durch das Land Brandenburg im Rahmen der Umsetzung des sog. „blauen Netzes“ mit hohem finanziellen Aufwand im Sinne der Verbindungsstufe I ausgebaut. Das Verkehrsaufkommen im Bereich der etwa mittig zwischen beiden Ortslagen befindlichen Dauerzählstelle Steinsdorf (B 112) lag 2011 bei 4.378 Kfz/24h. Hier wird am Bedarf vorbei in einer schrumpfenden Region mit hohem Aufwand ein über weite Strecken überdimensionierter Verkehrsweg geschaffen und nicht berücksichtigt, dass beide Städte eine starke Ausrichtung nach Berlin besitzen und der Verkehrsbedarf zwischen den Oberzentren gering ist. In Teilabschnitten bestehen bezüglich der Qualitätsvorgaben zur Gestaltung von Verkehrsnetzen, Netzabschnitten und Verknüpfungspunkten auch Widersprüche in der RIN. Einerseits wird ausgeführt: „Veränderungen im Straßennetz durch Neu-, Aus- und Umbaumaßnahmen sollen in Betracht gezogen werden, wenn - erhebliche Verkehrsengpässe beseitigt, - auffällige Sicherheitsdefizite behoben, - deutliche Belastungen der bebauten Umwelt gemindert werden sollen.“9 Andererseits wird auf der nachfolgenden Seite formuliert: „Durch die Verkehrsnetzgestaltung sollen die einzelnen Verbindungen so gestaltet werden, dass – entsprechend dem raumordnerischen Ziel der guten Erreichbarkeit – für die Netzelemente bestimmte Verkehrsqualitäten realisiert werden können. Daher werden für die Gestaltung und Bemessung der Netzabschnitte in Abhängigkeit von der jeweiligen Kategorie Zielgrößen [angestrebte Fahrgeschwindigkeiten] für eine angemessen Verkehrsqualität bestimmt.“10 Während im ersten Passus Reisegeschwindigkeiten keine Rolle spielen, sind sie im zweiten maßgebende Zielstellung. Weiterhin beschreiben die RIN einleitend, dass Raum- und Siedlungsstrukturen mit dem Verkehr in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen, gleichwohl werden diese Wechselwirkungen zwischen den Verkehrsarten und den Maßnahmenplanungen der RIN als wichtige Planungs- und Entscheidungshilfe ausgeklammert. Ohne Beachtung der Interdependenzen zwischen den Verkehrsträgern und ohne ökologische und sozial verträgliche Zielvorgaben sowie fehlende Evaluation der Investitionen sind die RIN nicht zeitgemäß und werden dem Anspruch einer integrierten Netzgestaltung nicht gerecht. Dies wird u. a. im Vergleich mit dem im Jahr 2009 in Kraft getretenen Grundsätze der Raumordnung deutlich. Im Raumordnungsgesetz (ROG) wird in § 2, Abs. 3 wie folgt ausgeführt: 8 9 10 Alle Relationen werden jedoch derselben Verbindungsfunktionsstufe I zugeordnet. FGSV, Richtlinien für Integrierte Netzgestaltung, S. 22 FGSV, Richtlinien für Integrierte Netzgestaltung, S. 23 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 17 „Es sind die räumlichen Voraussetzungen für nachhaltige Mobilität und ein integriertes Verkehrssystem zu schaffen. Auf eine gute und verkehrssichere Erreichbarkeit der Teilräume untereinander durch schnellen und reibungslosen Personen- und Güterverkehr ist hinzuwirken. Vor allem in verkehrlich hoch belasteten Räumen und Korridoren sind die Voraussetzungen zur Verlagerung von Verkehr auf umweltverträglichere Verkehrsträger wie Schiene und Wasserstraße zu verbessern. Raumstrukturen sind so zu gestalten, dass die Verkehrsbelastung verringert und zusätzlicher Verkehr vermieden wird.“ Speziell bezüglich der Stichworte „nachhaltige Mobilität“ und „integriertes Verkehrssystem“ besteht für die RIN weiterer Ergänzungs- und Überarbeitungsbedarf. Der Anspruch der RIN für eine „integrierte Netzgestaltung“ sollte auch Raum lassen für Unterscheidungen zwischen dem ÖV als Vorrangsystem, als Konkurrenzsystem oder als Daseinsvorsorge und zugleich die Thematik des Parallelausbaus transparent machen zu können. Unterschiedliche Zielgrößen für Pkw-Verkehr und ÖPNV bei der Erreichbarkeit der Zielorte (siehe Abb. 4) führen in die falsche Richtung, nämlich die priorisierte Orientierung auf den Kfz-Verkehr. Im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit der RIN wird von Gerd Würdemann bereits kurz nach deren Erscheinen 2009 zusammenfassend festgestellt, dass die RIN „wie beim Vorgängerwerk RAS-N - im Pragmatismus des Alltags nicht den Herausforderungen an eine ökonomische, sozial gerechte und ökologische Mobilität gerecht werden kann.“11 Weiterhin führt Würdemann aus, dass Teilhabe durch Erreichbarkeit statt kontinuierlicher Erhöhung der Geschwindigkeiten neue Überlegungen und Festlegungen mit zeitlichen Ober- und Untergrenzen für Erreichbarkeiten in angepassten Siedlungsstrukturen erfordert und verweist auf die bereits heute guten bzw. teilweise übererfüllte Erreichbarkeiten. So beträgt z. B. die Fahrzeit zur nächsten Autobahnanschlussstelle für 94 % der Bevölkerung weniger als 30 Minuten, 78 % benötigen weniger als 15 Minuten bis zur nächsten Auffahrt.12 3.2 Verkehrsprognosen Grundlage für jegliche Projekte zur Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur bildet die Prognose des zukünftig zu erwartenden Verkehrsaufkommens. Hierzu werden Modellrechnungen durchgeführt, die neben den bestehenden Verkehrsaufkommen strukturelle und soziodemographische Entwicklungen berücksichtigen. Hinweise zur Durchführung von Verkehrsprognosen werden in den FGSV-Hinweisen zur Verkehrsprognose in straßenverkehrstechnischen Anwendungen zusammengefasst. Die Ergebnisse der Verkehrsprognosen spielen eine wesentliche Rolle im Rahmen der Abwägungs- und Entscheidungsabläufe im Planungsprozess. Sie sollen Antworten lie- 11 12 Würdemann, mobilogisch!, Heft 3/2009 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Erreichbarkeit von Autobahnen Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 18 fern zur Notwendigkeit und Verkehrswirksamkeit einer Maßnahme einschließlich wichtiger Eingangsdaten für die Kosten-Nutzen-Berechnung und für die Dimensionierung der Straßenverkehrsanlage. Verkehrsprognose Straßenbauprojekt Ist-Belegung Verkehrsaufkom- Prognose- 2010 men [Kfz/24h] horizont [Kfz/24h] A 20 AK Lübeck bis AS Genin 69.700 2010 41.000 A 20 AS Greifswald bis Dersekow 15.200 2010 11.500 A 20 Pasewalk Nord bis Pasewalk Süd 16.200 2010 9.400 A 38 Göttingen – Halle (Saale) 53.300 wØ 2010 16.400 - 25.000 A 71 Erfurt – Schweinfurt 30.400 wØ 2010 11.500 - 31.300 A 71 Suhl – Sangerhausen 26.700 wØ 2010 15.000 - 24.000 A 73 Suhl-Lichtenfels 26.100 wØ 2010 12.300 - 16.400 B 6n Bad Harzburg (A396) – Bernburg (A14) 30.100 wØ 2010 13.900 - 15.000 B170 Bergstraße Dresden 42.600 2015 26.010 (2011) B 101 Meißen 15.850 2010 7.068 B184 Dessau – Rosslau 30.500-35.100 2010 19.452 (2005) S 289 (OU Reichenbach) 13.500 w 2015 5.600 w w…werktägliche Verkehrsaufkommen (Ansonsten handelt es sich um DTVMo-So) Ø…Durchschnittswert für längere Streckenabschnitte Tab. 1 Verkehrsaufkommen von Straßenbauprojekten (Prognose / Ist-Belegung 2011) Eine realistische Verkehrsprognose ist daher entscheidend für eine nachhaltige Gestaltung und Dimensionierung des Straßennetzes. Beim Vergleich der Verkehrsprognosen verschiedener bereits realisierter Verkehrsprojekte mit den tatsächlichen Verkehrsaufkommen zeigt sich, dass bei einer Vielzahl von Straßenbauprojekten zu hohe Verkehrsaufkommen prognostiziert worden sind, was zu Fehlinvestitionen sowie zu einer Überdimensionierung geführt hat. In Tab. 1 werden die Verkehrsmengen für ausgewählte Projekte verglichen. Die Probleme und Ursachen für die Abweichungen sind vielschichtig. Ein Problem liegt in einer unrealistischen Einschätzung der Bevölkerungs- und Beschäftigtenzahl sowie hinsichtlich der Entwicklung der Fahrleistungen. Teilweise wurden und werden Entwicklungsabsichten bzw. Wunschvorstellungen (Schaffung von Wohn- und Gewerbestandorten) in die Verkehrsprognosen integriert, ohne diese in Umfang und Inhalt zu hinterfragen. Erst in den letzten Jahren ist eine gewisse Berücksichtigung aktueller wirtschaftlicher (Wirtschaftskriese, Verknappung fossiler Rohstoffe etc.) und soziode- Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 19 mographischer (Überalterung der Bevölkerung etc.) Entwicklungen mit ihren Auswirkungen auf die Verkehrsleistungen erfolgt. Die aktuelle Verflechtungsprognose des Bundes wurde 2007 veröffentlicht und basiert auf Analysedaten aus dem Jahre 2004, so dass entsprechende Entwicklungen noch nicht ausreichend berücksichtigt werden (siehe Abb. 5). Aktuelle Planungen erfolgen unter Berücksichtigung dieser Verflechtungszahlen, die auch in weiterführende Landes- bzw. Projektprognosen übernommen werden. Abb. 5: Zentrale sozioökonomische Leitdaten der Bundesverkehrsprognose 2025 Quelle: BMVBS, Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025, S.2 Entsprechende Differenzen zeigen sich häufig bei kommunalen Verkehrsprognosen. Im Rahmen der kleinteiligen innerörtlichen Betrachtung erfolgt im Vergleich zum Bunde- bzw. Landemodel lokal eine deutlich stärkere Differenzierung des Verkehrsmodells unter Verwendung konkreter innerörtlicher Verkehrszählungen und -befragungen. Aus der Landesplanung sind für den Prognosehorizont in die städtischen Modelle häufig zusätzliche Durchgangsverkehre zu übernehmen, die sich aus dem Bestand nicht nachweisen lassen und durch großräumige Verflechtungen begründet werden. Meist sind jedoch Quell-, Ziel- und Binnenverkehre dominierend. Selbst in schrumpfenden Regionen ergeben sich Zuschläge aus der Landesplanung. Gemäß des Entwurfes der Grundkonzeption für den Bundesverkehrswegeplan 2015 soll zukünftig bei der Priorisierung der Projekte eine weniger starke Fokussierung auf Zeitvorteile und eine stärkere Konzentration auf die Erhöhung der Effizienz der vorhandenen Infrastruktur sowie die Berücksichtigung der ökologischen Verträglichkeit gelegt werden. In wie weit diese Ansätze konsequent umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 20 Allgemein wird bei den Prognosen im sog. Prognosenullfall in der Regel auch das Vorhandensein verschiedener anderer Verkehrsprojekte mit berücksichtigt, deren Realisierung in weiter Ferne liegt oder welche teilweise kaum über echte Realisierungschancen verfügen. Dies kann dazu führen, dass sich die entsprechenden Projekte teilweise gegenseitig begründen, da die jeweils andere Maßnahme als Sowiesomaßnahme im Nullfall enthalten ist. Auch die Thematik des induzierten Verkehrs sowie einer Erhöhung der Reiseweiten mit ggf. negativen Auswirkungen für andere Netzabschnitte (siehe Kapitel 3.6) wird dadurch nicht in ausreichendem Maß berücksichtigt. Grundsätzlich sollte dort wo eine gemeinsame Wirkung angestrebt wird, auch eine zusammenhängende Prognose und verkehrsplanerische Bewertung durchgeführt werden. Bei Projekten ohne gemeinsame Zielstellungen sollte zumindest in einem Berechnungsszenario eine gesonderte Bewertung der Einzelmaßnahme erfolgen. Zur Vermeidung einer Überlagerung mit den abstrakten und unsicheren Prognoseeffekten ist parallel ein zusätzliches Grundszenario zu empfehlen, welches aufbauend auf den aktuell bestehenden Verkehrsmengen die Verkehrswirkung der Baumaßnahme für das Analysejahr berechnet („Analysefall mit Maßnahme“). Prognostische Unsicherheiten würden in diesem Szenario keine Rolle spielen. Die entstehenden Verkehrswerte und Verlagerungseffekte verdeutlichen dementsprechend relativ sicher das Mindestpotenzial der Verkehrsinfrastrukturmaßnahme. 3.3 Kosten-Nutzen-Berechnungen Speziell beim Neubau von Verkehrswegen spielen Kosten und Nutzen eine entscheidende Rolle bei der Einschätzung der Effektivität und Wirkung einer Maßnahme. Die generelle Vorgehensweise für Kosten-Nutzen-Untersuchungen in der Verkehrsplanung wird in den Empfehlungen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an Straßen (EWS) zusammengefasst. Gemäß EWS werden den Kostenkomponenten (Investitionskosten und laufende Kosten) die Nutzenkomponenten (Veränderung der Betriebskosten, der Fahrzeiten, des Unfallgeschehens, der Schadstoffbelastungen, der Klimabelastung, der Trennwirkung von Straßen, der Flächenverfügbarkeit in bebauten Gebieten) gegenübergestellt. Als wesentliches Entscheidungskriterium wird auch im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung eine Kosten-Nutzen-Bewertung durchgeführt. Diese beinhaltet folgende Nutzenkomponenten: - Senkung der Beförderungskosten (NB) - Erhaltung der Verkehrswege (NW) - Erhöhung der Verkehrssicherheit (NS) - Verbesserung der Erreichbarkeit (NE) - positive räumliche Wirkungen (NR) Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht - Entlastung der Umwelt (NU) - Berücksichtigung des induzierten Verkehrs (NI) - Verbesserung der Anbindung von See- und Flughäfen (NH) 13 Seite 21 Grundsätzlich ist festzustellen, dass überwiegende Teile des errechneten Nutzens sich häufig aus Zeitgewinnen generieren, die sich in einer Senkung der Beförderungskosten (NB) sowie einer Verbesserung der Erreichbarkeit (NE) bei der Nutzenberechnung niederschlagen. Dies verdeutlicht auch die Kosten-Nutzen-Berechnung am Beispiel des Ausbaus der B 93n (siehe Abb. 6). Alle anderen Nutzenkomponenten liefern vergleichsweise geringe Effekte. Abb. 6: Kosten-Nutzen-Komponenten für den Ausbau der B 93n (2.Vorstudie 2005) Datenquelle: Prof. Dr.-Ing. Gert Marte, Kommentar zur gesamtwirtschaftlichen Bewertungsmethodik des Bundesverkehrswegeplans 2003, S 6 Inwiefern die Zeitgewinne im MIV als tatsächlicher Nutzen anzusehen sind, wird von verschiedenen Verkehrswissenschaftlern hinterfragt, da im Durchschnitt von relativ konstanten Reisezeitbudgets auszugehen ist. Statt einer Einsparung von Zeit ergibt sich durch die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse dementsprechend eine Verlängerung der möglichen Fahrtwege, die jedoch zu einer Erhöhung von Verkehrsarbeit, CO2- und Abgasemissionen und ggf. für Probleme durch höhere Verkehrsaufkommen in anderen Netzabschnitten sorgt. Darüber hinaus ergeben sich kontraproduktive Wir- 13 Deutscher Bundestag, Bundesverkehrswegeplan 2003, Drucksache 15/2050 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 22 kungen bezüglich einer integrierten Stadt- und Verkehrsentwicklung im Sinne kurzer Wege mit einem hohen Verkehrsmittelanteil des Umweltverbundes. Durch die Erweiterung des Mobilitätsradius bei gleichem Zeitbudget können sich Konkurrenzsituationen und eine Schwächung lokaler kleinteiliger Strukturen ergeben. Wird gar deren Existenz bedroht, entsteht für weitere Bürger die Notwendigkeit längere Wege zurückzulegen, die dann zumeist nur noch motorisiert möglich sind. Statt einer Förderung der lokalen Wirtschaft durch die Verbesserung der Anbindung an ein höherwertiges Zentrum werden häufig Kauf- und Arbeitskraft in dieses abgezogen. Häufig erfolgt gleichzeitig eine Schwächung parallel verlaufender SPNV- bzw. ÖPNVAngebote. Eine „Analyse der regionalwirtschaftlichen Effekte des Fernstraßenbaus anhand ausgewählter Autobahnprojekte“ durch das Institut für Verkehr und Raum der Fachhochschule Erfurt kommt 14zu folgenden Ergebnissen: Im allgemeinen Maßstab ist ein statistischer Zusammenhang zwischen neuer Autobahnverfügbarkeit und über- bzw. unterdurchschnittlicher regionalwirtschaftlicher Entwicklung für keinen der untersuchten Indikatoren ableitbar. Die wirtschaftliche Entwicklung ist im regionalen Maßstab vor allem durch die Nähe zu besonders leistungsstarken Metropolregionen bestimmt. Mit zunehmender Nähe zum Verdichtungskern nimmt offensichtlich auch die Bedeutung von verfügbaren Autobahnanschlüssen für die gemeindliche Entwicklung zu. In den peripheren ländlichen Räumen hat dagegen weder die (relativ geringe) Nähe zu Verdichtungskernen noch die Autobahnverfügbarkeit einen erkennbaren Einfluss auf die regionalwirtschaftliche Entwicklung. Eine Ausnahme können diese Regionen darstellen, wenn sie – wie im Emsland gezeigt – im „peripheren Mittelpunkt“ mehrerer Metropolregionen liegen und über einen Autobahnanschluss mit diesen Regionen verbunden sind. Diese relative Lagegunst prädestiniert diese Gebiete offensichtlich für distributive Logistikfunktionen und kann so überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum induzieren. Es ist daher zu empfehlen, anderen Faktoren einen deutlich höheren Stellenwert bei der Kosten-Nutzen-Bewertung einzuräumen. Straßenbaumaßnahmen sollten insbesondere dort vorgesehen werden, wo eine tatsächliche Entlastung der Bevölkerung von den negativen Auswirkungen des Kfz-Verkehrs (Lärm, Luftschadstoffe, Trennwirkungen, Verkehrsunsicherheit, städtebauliche Missstände) erreicht werden kann. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo der Anteil des lediglich durchfahrenden Verkehrs besonders hoch ist. Je größer aber die Stadt ist desto höher ist die Bedeutung von Quell-, Ziel- und Binnenverkehren. Hier ist eine Entlastungsstraße i. d. R. nur dann sinnvoll, wenn sie auch große Teile der stadtbezogenen und städtischen Eigenverkehre aufnehmen kann. Besonders wichtig ist der gleichzeitige Rückbau des zu entlastenden 14 FH Erfurt, Berichte des Institut für Verkehr und Raum Band 13 (2013), S. 68 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 23 Straßenabschnittes, der jedoch in der Regel ausbleibt, da er kostenseitig nicht vorgesehen und auch im Rahmen der Kosten-Nutzen-Berechnung nicht berücksichtigt ist. Daher zeigt sich in solchen Fällen meist auch, dass die prognostizierte Umlegung auf die Neubautrasse nicht voll eintritt und stattdessen die wesentlich kürzere alte Trasse, zumindest teilweise, weiter genutzt. Diese Effekte gewinnen mit steigenden Kraftstoffkosten und dem Einsatz von Navigationsgeräten an Bedeutung. Kosten (Mio. € gerundet) Bedarfsplanmaßnahme Differenz Kosten gemäß genehmigte Bedarfsplan Kosten absolut15 prozentual B 29 OU Schwäbisch Gmünd 123 230 107 + 86 % B 298 OU Mutlangen 10 25 15 + 150 % A 70 Knetzgau - Eltmann 25 97 72 + 288 % A 71 Schweinfurt – Berkach 277 477 200 + 72 % 5 19 14 + 280 % 313 420 107 + 34 % 7 15 8 + 114 % 1.003 1.308 305 + 30 % A 66 Fulda-Süd – AD Fulda 5 41 36 + 720 % B 3 OU Fuldatal / Ihringshausen 5 12 7 + 140 % B 42 OU Rüdesheim 24 102 78 + 325 % B 84 OU Hünfeld 5 21 16 + 320 % B 426 OU Pfungstadt 7 20 13 + 186 % B 508 Teil-OU Kreuztal 14 33 19 + 136 % B 178 Bundesgrenze D/Pl – Zittau 4 9 5 + 125 % B 86 Nordost-OU Riestedt 5 10 5 + 100 % B 2 Nordanbindung Gera 10 20 10 + 100 % 12.360 16.888 4.538 + 37 % B 85 Wackersdorf - Schwandorf A 100 Neukölln - Am Treptower Park A 24 Hamburg Horn – Landesgrenze HH/SH A 44 Kassel – Wommen etc. Summe Projekte kleine Anfrage 16/11177 Tab. 2 Kostenvergleich von Straßenbauprojekten (Bedarfsplan / genehmigte Kosten) Quelle: Kleine Anfrage „Transparenz bei Kostensteigerungen von Straßenbauprojekten“ Deutscher Bundestag Drucksache 16/11521 Ein weiteres Problem bildet der durch den Um-, Aus- oder Neubau entstehende induzierte Verkehr. Dieser wird zwar als Faktor NI im Rahmen der Kosten-Nutzen- 15 Die Kostendifferenz bezieht sich auf die Ausgangsdaten (ohne Rundung). Im Vergleich zur Differenz der gerundeten Werte sind daher Abweichungen möglich. Dies betrifft insbesondere die Gesamtsumme in der letzten Zeile der Tabelle. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 24 Rechnung berücksichtigt, spiegelt jedoch nicht in ausreichendem Umfang die tatsächlichen Effekte wieder. Neben der Überschätzung der Nutzen und der Unterschätzung der Umweltfolgen bestehen häufig auch auf der Kostenseite Fehleinschätzungen. Die im Rahmen der Bedarfsermittlung verwendeten Kosten erhöhen sich im Zuge der Planung und Bauausführung. Da die Nutzen jedoch in der Regel konstant bleiben ergibt sich eine schleichende Abnahme der Kosten-Nutzen-Faktoren, die im Extremfall dazu führen kann, dass ein Projekt letztendlich unwirtschaftlich wird. Beispiele für einen deutlichen Kostenanstieg bei Straßenbaumaßnahmen existieren viele. Einige werden in Tab. 2 zusammengefasst. Im Ergebnis des aktuellen Kosten-Nutzen-Berechnungsverfahrens erfolgt eine zu starke Priorisierung großräumiger und teuer Neubauvorhaben. Stattdessen wäre vielfach eine bestandsorientierte Optimierung (siehe Kapitel 3.4) ausreichend um die bestehenden Probleme zu beseitigen. Hierfür ist jedoch eine Loslösung der Nutzenbewertung an Hand von den theoretischen Zeitvorteilen durch die Neubauprojekte, welche jedoch in Wirklichkeit vielfach induzierte Verkehrsarbeit darstellen, notwendig. 3.4 Lärmschutz / Gesundheitsschutz an Bestandsstraßen Ein wesentliches Problem im Zuge von innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen bilden, die durch den Kfz-Verkehr verursachten Lärmbelastungen sowie die daraus resultierenden gesundheitsschädlichen Wirkungen (Herz-Kreislauf-Krankheiten, Stoffwechselkrankheiten, Diabetes, Herabsetzung der Lern- und Leistungsfähigkeit, Nervosität, Stressreaktionen, Schlafstörungen) bei dauerhafter Exposition. Lärmwerte in dB(A) mit T...Tag bzw. N ... Nacht Anlass sowie zugehörige rechtliche Grundlage Neubau von Straßen 16. BImSchV Lärmsanierung an VLärmSchR Bundesfernstr. sonstige Straßen im Bestand - Sondergebiete reine Wohngeb. Kernstadt& allg. Wohngeb. Dorf-, Misch- & Kerngeb. Gewerbegeb. T N T N T N T N T N 57 47 59 49 59 49 64 54 69 59 67* 57* 67* 57* 67* 57* 69* 59* 69* 59* - - - - - - - - - - * Freiwillige Leistung des Bundes bei entsprechender Mittelverfügbarkeit. Tab. 3 Übersicht zu den Lärmgrenzwerten Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 25 Für die Umsetzung von Lärmminderungsmaßnahmen bestehen unterschiedlichste Voraussetzungen (siehe Tab. 3). Während für den Neubau bzw. wesentliche Änderungen an Straßenverkehrsanlagen im Sinne der Lärmvorsorge die Grenzwerte der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung (16. BImSchV) einzuhalten sind, existieren für bestehende Straßen keine verbindlichen und einklagbaren Lärmgrenzwerte. Für Straßen in Baulast des Bundes werden über die Lärmsanierung als freiwillige Leistung des Bundes Lärmminderungsmaßnahmen je nach Mittelverfügbarkeit finanziert oder gefördert. Teilweise existieren weiterführende Lärmsanierungsprogramme auch auf der Ebene der Länder. Die Grenzwerte für die Lärmsanierung liegen jedoch deutlich über denen Grenzwerten der 16. BImSchV. Ebenfalls darunter liegen die von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) sowie von verschiedenen Bundesländern im Rahmen der Lärmaktionsplanung (gemäß EU- Umgebungslärmrichtlinie 2002/49/EG) vorgegebenen Auslöseschwellwerte von 55 dB(A) nachts und 65 dB(A) ganztags. Auch vom Umweltbundesamt (UBA) werden diese Werte als kurzfristiges Handlungsziel zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen definiert16. Hinsichtlich der Vermeidung von Belästigungen sind gemäß UBA mittel- bzw. langfristig deutlich niedrigere Auslösewerte in der Größenordnung der Grenzwerte der 16. BImSchV anzustreben (siehe Tab. 4). Umwelthandlungsziel Zeitraum ganztags Lden nachts Lnight Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen kurzfristig 65 dB(A) 55 dB(A) Minderung von erheblichen Belästigungen mittelfristig 60 dB(A) 50 dB(A) Vermeidung von erheblichen Belästigungen langfristig 55 dB(A) 45 dB(A) Tab. 4 UBA-Empfehlung für Auslöseschwellwerte bei der Lärmaktionsplanung Quelle, UBA, http://www.umweltbundesamt.de/laermprobleme/ulr.html Aus der aktuellen Gesetzeslage ergibt sich für bestehende Straßen das Problem, dass lediglich für die am stärksten betroffenen Einwohner eine Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen - zumeist von Lärmschutzfenstern und Lüftern - möglich ist. Einer nachhaltigen Lösung der bestehenden Lärmprobleme im Hauptstraßennetz wird diese Regelung nicht gerecht. Sie verhindert diese teilweise sogar regelrecht. Werden die Lärmsanierungswerte nicht überschritten, ist gemäß Aussage der Baulastträger eine Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen nicht möglich. Als Ausweg wird hier vielerorts der Neubau einer Entlastungs- oder Umgehungsstraße aufgezeigt, denn für die Neubautrasse ist Lärmvorsorge gemäß 16. BImSchV vorzusehen. Eine bestandsorientierte Lösung (siehe Kapitel 3.5) bestehender Probleme wird damit von vornherein konterkariert und stattdessen der Bau z. T. unnötiger Neubautrassen for16 Umweltbundesamt (UBA), Lärm – Umgebungslärmrichtlinie Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 26 ciert. Im Ergebnis ergibt sich daraus häufig eine Art Erpressungssituation pro Neubautrasse oder unveränderte Beibehaltung der Bestandsituation. Ein Beispiel hierfür bildet der geplante Kirchholztunnel in der Stadt Bad Reichenhall. Die Loferer Straße (B 20 / B 21), welche durch den Tunnelneubau entlastet werden soll, stellt bereits eine historisch gewachsene Umgehungstrasse des Kernstadtgebiets dar (siehe Abb. 10 in Kapitel 3.5). Die Lärmbetroffenheiten überschreiten lediglich punktuell die Lärmsanierungsgrenzwerte. Ein durchgehender Lärmschutz ist daher nach aktueller rechtlicher Lage nicht realisierbar. Durch die Anlage von Lärmschutzwänden bzw. -wällen wäre eine deutliche Verbesserung der Lärmsituation technisch jedoch möglich. Stattdessen wird eine extrem aufwendige und teure Neubautrasse forciert, die allerdings im Zuge der Loferer Straße nur für eine Reduzierung der Verkehrsaufkommen von ca. 23.000 auf ca. 20.000 Kfz/24h sorgt. Ursache sind die hohen Anteile des Quell- und Zielverkehrs. Die Lärm- bzw. auch andere Konflikte werden damit zwar reduziert, jedoch nicht gelöst (lediglich geringe Verkehrsabnahme / kein Bau von Lärmschutzeinrichtungen an der Lofer Straße). Deutlich effektiver und kurzfristig ohnehin sinnvoll wäre die Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen an der Bestandstrasse. Neben deutlich niedrigeren Kosten von ca. 2,5 Mio. € gegenüber Baukosten von ca. 166 Mio. € für den Kirchholztunnel bietet der Lärmschutz entlang der Bestandstrasse den Vorteil einer zeitnahen Lösung. Mit den bisher verbrauchten Planungsmitteln für den Tunnel hätten die Lärmschutzwände entlang der Loferer Straße schon längst finanziert sein können. Es sind gesetzliche Regelungen zu entwickeln, die eine Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen im Zuge bestehender Straßen auch bei einer Unterschreitung der aktuellen Lärmsanierungswerte ermöglichen. Ziel muss es dabei sein neben einem flächendeckenden Abbau der höchsten Betroffenheiten, in Konfliktbereichen komplexe und effektive Lärmminderungsmaßnahmen in Orientierung an die Grenzwerte der 16. BImSchV realisieren zu können. Hierzu ist die Finanzierung im Straßenbau zu Gunsten des Gesundheitsschutzes anzupassen. Neben dem Straßenverkehr ist dies auch für den Schienenverkehr dringend erforderlich. Nutzerbezogene Abgaben wie z. B. die Lkw-Maut sollten auch vor Ort für die Verbesserung der Lebensqualität und die Verminderung der Gesundheitsgefährdungen an den entsprechenden Hauptverkehrswegen genutzt werden können. Insgesamt würde damit gleichzeitig den Zielstellungen der EU- Umgebungslärmrichtlinie Rechnung getragen: „schädliche Auswirkungen, einschließlich Belästigungen, durch Umgebungslärm zu verhindern, ihnen vorzubeugen oder sie zu mindern“17 17 Europäisches Parlament und Rat: Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, Luxemburg 25.Juni 2002, Artikel 1 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht 3.5 Seite 27 Neubau statt Ertüchtigung Wie in den Kapitel 3.1 bis 3.4 bereits herausgearbeitet wurde, sind verschieden Faktoren dafür ausschlaggebend, dass anstatt einer problemorientierten Weiterentwicklung des Bestandsnetzes häufig auf großräumige Neubaumaßnahmen orientiert wird. Netzfunktionen, zukünftige Verkehrsaufkommen und Nutzen werden überbewertet und führen zu überhöhten Anforderungen an die zu bauende Verkehrsinfrastruktur. Effektive Lärmschutzmaßnahmen im Bestand sind nicht finanzierbar, da die rechtlichen Grundlagen fehlen. Als Beispiel können hier verschiedene realisierte und in Planung befindliche Autobahnbzw. Kraftfahrstraßenprojekte dienen, bei denen eine Ertüchtigung und Attraktivierung bestehender Bundesstraßen z. B. durch die Verbesserung der Überholmöglichkeiten (Verwendung des Querschnittes RQ 15,5 m mit wechselseitiger Überholspur, siehe Abb. 7), die Ergänzung von Ortsumgehungen und eine punktuelle Vernetzung ausreichend gewesen wäre bzw. ist. Für die in Planung befindliche BAB 14 zwischen Magdeburg und Schwerin existieren entsprechende Vorschläge u. a. von Seiten des BUND. Parallel zur geplanten Autobahn verlaufen im Bestand die Bundesstraßen B 189, B 5 und B 106 mit bereits existierenden Ortsumgehungen für den überwiegenden Teil der größeren Ortschaften im Trassenverlauf (Stendal, Osterburg, Seehausen, Wittenberge, Perleberg, Karstädt, Grabow). Lediglich die Stadt Ludwigslust und verschiedene kleinere Ortschaften verfügen derzeit nicht über Ortsumgehungen (siehe Abb. 9). Unter Berücksichtigung der strukturellen Gegebenheiten (Peripherraum mit sehr geringer Dichte) und der für die Region prognostizierten Bevölkerungsentwicklung wäre eine Ertüchtigung der bestehenden Bundesstraßen ausreichend. Abb. 7: Regelquerschnitt RQ 15,5 mit wechselseitigen Überholmöglichkeiten Bereits im nördlich bestehenden Abschnitt zwischen BAB 24 und Schwerin verläuft die BAB 14 auf einer Länge von ca. 12 km in einem Abstand von unter einem Kilometer parallel zur Bundestraße B 106 (siehe Abb. 8). Eine Bündelung beider Trassen oder zumindest ein Rückbau der Bundesstraße wäre hier sowohl aus verkehrlichen als auch aus wirtschaftlichen Erwägungen zwingend geboten gewesen. Auf Grundlage der Da- Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 28 ten der Straßenverkehrszählung 2010 zeigt sich, dass die Autobahn mit 7.200 Kfz/24h eine geringere Verkehrsbelegung als die von 11.300 Kfz/24h genutzte Bundesstraße aufweist. Im Ergebnis bestehen zwei unterausgelastete Bundesfernstraßen mit doppeltem Unterhaltungsaufwand. Derartige Parallelführungen sind auch andernorts, wie z. B. südlich der Anschlussstelle Bad Gottleuba im Verlauf der BAB 17 zu verzeichnen. Hier verläuft auf einer Länge von ca. 4 km die Staatstraße S 174 ähnlich parallel zur Autobahn. Parallel zur A 96 verlaufen zwischen den Anschlussstellen Wörthsee und Landsberg Ost auf einer Länge von ca. 29 km Staats- bzw. Kreisstraßen unmittelbar parallel zur Autobahn. Weitere Beispiele mit einer deutlichen Unterschreitung der prognostizierten Verkehrsbedeutung und -aufkommen (siehe Tab. 1), für die ein bestandorientierter Ausbau mit zusätzlichen Überholmöglichkeiten, Ortsumgehungen und Vernetzungen ausreichend gewesen wäre, sind die B 6n (autobahnartige Nordharzverbindung, DTV zwischen 13.900 und 15.000 Kfz/24h) sowie die A 20 (Ostseeautobahn, DTV zwischen 10.200 und 31.400 Kfz/24h). Ein wesentliches Problem für den bestandsorientierten Ausbau ist, dass entsprechende Alternativen nicht oder nicht fair in die Bewertung einbezogen werden und durch die in Kapitel 3.3 erläuterte Fixierung auf Reisezeitvorteile in der Bewertung zu schlecht abschneiden. Hinzu kamen und kommen politische Zielstellungen hinsichtlich der Funktion sowie des Ausbaugrades der Trassen (siehe auch Kapitel 3.6). So wurde von der Bundesregierung bezüglich der Differenzen zwischen Prognose und Ist-Verkehrszahlen bei den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit (VDE) ausgeführt: „Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich die Notwendigkeit des Neubaus von Bundesfernstraßen nicht nur aus der verkehrlichen Bedeutung in Form der zu erwartenden oder vorhandenen Verkehrsbelastung sowie aus dem gesamtwirtschaftlichen Nutzen mit dem Nachweis des Nutzen-Kosten-Verhältnisses ergibt. Vielmehr sind u. a. die Aspekte der raumordnerischen Erschließung sowie die Verbesserung der Erreichbarkeit ebenfalls entscheidungsrelevant. Die damals vorliegenden Erreichbarkeitsmängel wurden mit Hilfe der VDE beseitigt. Darüber hinaus sind die Aspekte der Bündelung der Verkehre auf einer leistungsfähigen Straße in Verbindung mit einer wesentlichen Entlastung des vorhandenen Straßennetzes und der unmittelbaren Entlastung der Menschen in den Ortsdurchfahrten sowie die Erhöhung der Verkehrssicherheit – Autobahnen haben nachweislich geringere Unfallraten als Landstraßen – ebenso zu berücksichtigen.“18 Zum einen ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass alle hier gesondert nochmals angeführten Faktoren (Erreichbarkeit, Entlastung von Menschen, Verkehrssicherheit etc.) im Rahmen der Kosten-Nutzen-Berechnung berücksichtigt sind (siehe Kapitel 18 Deutscher Bundestag, Antwort auf die kleine Anfrage zur Evaluierung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit und weiterer Vorhaben des Bedarfsplans Straße in Ostdeutschland, Drucksache 17/12140 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 29 3.3) und sich in ihrer Auswirkung wesentlich auf die zu erwartenden Verkehrsaufkommen stützen. Insofern ist die Argumentation hinfällig. Wenn andere Effekte oder Zielstellungen mit der Verkehrsmaßnahme politisch angestrebt werden, sind diese im Planungsprozess konkret darzulegen und nicht durch geschönte Verkehrszahlen, Kostenansätze und Kosten-Nutzen-Verhältnisse in das Abwägungsverfahren einzubeziehen. Abb. 8 Parallelverlauf BAB 14 / B 106 südlich von Schwerin Karte: © OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA http://www.openstreetmap.org/ bzw. http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/ Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Abb. 9 Seite 30 Parallelverlauf geplante BAB 14 mit den bestehenden B 189 / B 5 / B 106 Kartengrundlage: © OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA (bearbeitet) http://www.openstreetmap.org/ bzw. http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/ Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 31 Zum anderen sind diese Effekte auch durch einen bestandsorientierten Ausbau i. d. R. erreichbar. Bezüglich der geringeren Unfallkostenraten von Autobahnen ist festzustellen, dass ein Vergleich mit allen Bundesstraßen und nicht ein gesonderter Vergleich mit Bundesstraßen gemeint ist, die über wechselseitigen Überholmöglichkeiten verfügen. Im Rahmen des dreistreifigen Ausbaus der Bundesstraße B 300, welche als Querverbindung zwischen der A 9 bei Ingolstadt und der A 8 bei Augsburg dient, wurde im Bereich des Straßenbauamtes Ingolstadt ein Vorher-Nachher-Vergleich zu dieser Thematik durchgeführt. Die Anzahl der Unfälle mit Personenschaden ist nach Realisierung der dreistreifigen Abschnitte um 50 %, die Zahl der Unfälle mit schwerem Personenschaden um 75 % zurückgegangen. Besonders hervorgehoben wird zudem, „dass die Fehler bei Überholvorgängen stark abgenommen haben. Weiterhin hat sich die Reisegeschwindigkeit im Trassenverlauf um 16 % erhöht.“19 Dieses Bespiel zeigt, dass mit der Ertüchtigung einer bestehenden Bundesstraße auch ohne die Schaffung einer Autobahn wesentliche positive Effekte hinsichtlich einer Erhöhung der Verkehrssicherheit möglich sind. Abb. 10 Variantenvergleich Bad Reichenhall (Kirchholztunnel / Ausbau im Bestand) Kartengrundlage: © OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA (bearbeitet) http://www.openstreetmap.org/ bzw. http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/ Dort, wo bereits heute bestandsorientierte Varianten im Rahmen der Abwägung geprüft werden, erfolgt dies nicht immer unter fairen Bedingungen. So wurde z. B. im Rahmen 19 Oberste Baubehörde im Bayrischen Staatsministerium des Inneren, Verkehrs- und Unfallgeschehen auf Straßen des überörtlichen Verkehrs in Bayern, Jahresbericht 1998/99. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 32 des Variantenvergleichs für den Kirchholztunnel in Bad Reichenhall (siehe Abb. 10) für die bestandsorientierte Alternativvariante ein durchgängig vierstreifiger Ausbau der aktuell zweistreifigen Loferer Straße einschließlich einer Einhausung (Lärmschutz) und die Verknüpfung zwischen den Bundesstraßen B 20 und B 21 über den sog. Stadtbergtunnel angenommen. Damit erhöhen sich die Kosten für die bestandsorientiere Variante so deutlich, dass die teure Tunnellösung gar nicht mehr so teuer erscheint. Eine tatsächliche Null-Plus-Lösung, d. h. die Schaffung von Lärmschutzeinrichtungen im Zuge der Loferer Straße und eine aufwandsminimierte Verknüpfung zwischen B 20 und B 21 wurde jedoch nicht untersucht. Gemäß einer eigenen Grobkostenschätzung könnte eine Null-Plus-Lösung mit ca. 10 % der Tunnelkosten auskommen. Letztere hätte vor allem hinsichtlich des Flächenverbrauches extrem deutliche Einsparpotenziale im Vergleich zur Anbindung des Kirchholztunnels (siehe Abb. 11). Dieser wäre allein für die in Abb. 11 dargestellte Querverbindung zwischen B 20 und B 21 um ca. 85% niedriger. Abb. 11 Vergleich Flächenverbrauch (Kirchholztunnel / Optimierung im Bestand) Kartengrundlage: Planfeststellung Kirchholztunnel Bad Reichenhall (bearbeitet) Insgesamt sollte im Rahmen von Neubauvorhaben immer eine bestandsorientierte Alternative in die Variantenuntersuchungen, jedoch unter fairen Rahmenbedingungen einbezogen werden. Gleichzeitig ist der Unterhaltungsaufwand parallel führender Trassen sowie die Notwendigkeit und finanzielle Berücksichtigung des Rückbaus von den zu entlastenden „Alttrassen“ zu berücksichtigen. 3.6 Fehlende integrierte Netzplanung / planerische Zielstellungen Bei verschiedenen bereits realisierten und geplanten Verkehrsvorhaben (speziell bei Neubauvorhaben) sind statt Verkehrsengpässen, Sicherheitsdefiziten, Umweltbelastungen etc. einzig der örtliche politische Wille oder bereits weit in die Vergangenheit zurückreichende Planungsideen ausschlaggebend für die Ableitung eines Bedarfes für die entsprechenden Trasse. Der tatsächliche Nutzen bzw. die resultierenden Effekte des Verkehrsweges werden dabei unzureichend berücksichtigt Als Begründung dienen häufig abstrakte großräumige Verkehre. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Abb. 12 Seite 33 Verkehrsprognose zur Ortsumgehung B 87 Bad Kösen / Naumburg Quelle: PTV AG „B 87 Ortsumgehung Bad Kösen – Naumburg, Fortschreibung der Verkehrsuntersuchung Prognose 2020“ Ein Beispiel für eine derartige Planung ist die Ortsumgehung Bad Kösen / Naumburg im Zuge der B 87. Die wesentlichen Belastungen im städtischen Straßennetz sind auf den Binnen- sowie Quell- und Zielverkehr zurückzuführen. Dies betrifft vor allem die Verknüpfung zwischen Naumburg und Bad Kösen. Für die 68 Mio. teure Neubautrasse20 einschließlich einer aufwendigen Saalequerung wird abschnittsweise ein Verkehrsaufkommen von lediglich 6.000 Kfz/24h prognostiziert. Die Entlastungswirkung der bestehenden Ortsdurchfahrten ist gering. Dies wird selbst im Rahmen der Fortschreibung der Verkehrsprognose des Projektes bestätigt: „Die Entlastungswirkung der Neubaumaßnahme auf die innerstädtischen Bereiche der Städte Bad Kösen und Naumburg ist gering. Der Grund ist das generell geringe Verlagerungspotenzial in dieser Relation und der […] geringe Anteil von weiträumigem Durchgangsverkehr in beiden Städten.“21 Dennoch wird der Bau der B 87n weiter forciert. Die Maßnahme ist Bestandteil des vordringlichen Bedarfs des Bundesverkehrswegeplans und verdeutlicht die Problematik der Bedarfsanmeldung durch die Länder („Wunschliste“ / „Gießkannenprinzip“). Maßgebendes Prüfkriterium ist der Kosten-Nutzen-Faktor. Dieser liegt für die B 87n trotz fehlender Entlastungswirkung bei 2,5. Auf mögliche Ursachen hierfür wurde bereits in Kapitel 3.3 eingegangen. 20 21 Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage zur Ortsumfahrung B 87 in der mitteldeutschen Kulturlandschaft Saaletal, Drucksache 17/4965. PTV AG „B 87 Ortsumgehung Bad Kösen – Naumburg, Fortschreibung der Verkehrsuntersuchung Prognose 2020, S. 13 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 34 Beim Beispiel der B 87 kommt noch hinzu, dass für die zwischen Naumburg und der BAB 9 liegende Ortschaft Wethau, welche im Gegensatz zur Stadt Naumburg einen sehr hohen Durchgangsverkehrsanteil aufweist, keine Lösung zur Verkehrsentlastung geplant wird. Die Folge der unterausgelasteten und überdimensionierten Verkehrswege ist u. a. eine Verschiebung des Modal-Split zu Lasten des Umweltverbundes und der Umwelt- bzw. Klimaschutzziele. Zudem ist die in den Begründungen oft enthaltene Aussage, dass sich in den vormaligen Ortsdurchfahrten die Lärm- und Schadstoffemissionen erheblich reduzieren, nicht immer zutreffend. Kritisch zu bewerten sind auch die unnötigen Flächenverbräuche. So wird z. B. das Zerschneiden von land- und forstwirtschaftlichen Flächen nicht ausreichend gewichtet. Auch die zukünftig schwer finanzierbaren Folgekosten für die Unterhaltung der Verkehrsinfrastruktur spielen kaum eine Rolle. Gleichzeitig erfolgt teilweise durch die entsprechenden Alternativrouten auch eine Verlagerung von Verkehrsströmen von den Autobahnen auf das Bundes- und Landesstraßennetz, mit negativen Folgen für die Anwohner im Zuge von Ortsdurchfahrten ohne Ortsumgehung. Eine entsprechende Verkehrsverlagerung in das nachgeordnete Netz kann nicht Zielstellung einer nachhaltigen und intergierten Verkehrsnetzentwicklung sein. Die Bündelung des Fernverkehrs (insbesondere des Güterverkehrs) im Autobahnnetz sollte hierbei die oberste Prämisse bilden. Die Umsetzung von Ortsumgehungen macht daher nur dort Sinn, wo lokal eine deutliche Entlastung im Sinne von Gesundheitsschutz, Erhöhung der Verkehrssicherheit und zur Reduzierung von Umweltbelastungen erreicht werden kann. Dies ist in der Regel der Fall, wenn ein großer Anteil lediglich durchfahrender Verkehrsströme zu verzeichnen ist. Ob es sich dabei um lokale oder weiträumige Durchgangsverkehre handelt ist zweitrangig. Bei größeren Städten und Ortschaften machen Entlastungstrassen nur dann Sinn, wenn eine Bündelung der Verkehrsfunktionen, d. h. eine parallele Verlagerung von Quell-, Ziel- und Binnenverkehren, erfolgt und eine maximale Entlastung der Alttrasse erreicht wird. In beiden Fällen ist ein Rückbau der zu entlastenden Ortsdurchfahrten bzw. Straßenverbindungen einschließlich einer Erhöhung der Durchfahrtswiderstände (bis hin zur Abbindung) im Sinne einer zukunftsfähigen Verkehrsentwicklungsstrategie zwingend notwendig. Häufig wird stadt- und verkehrsplanerisch auf die vermeintliche Entlastungswirkung durch großräumige Umgehungstrassen gewartet, dabei lassen sich verschiedene negative Auswirkungen des Kfz-Verkehrs bereits durch Maßnahmen im Bestand kurzfristig reduzieren. Eingriffsmöglichkeiten bestehen dabei in der Regel beim Geschwindigkeitsniveau, der kurzfristigen Markierung z. B. von Radverkehrsanlagen („Pinsel und Farbe“), der Schaffung zusätzlicher Querungsmöglichkeiten für Fußgänger sowie bei der punktuellen oder komplexen Umgestaltung der Straßenräume. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 35 Bei verschiedenen Planungen müssen auch die grundsätzlichen planerischen Zielstellungen hinterfragt werden. So wird z. B. die BAB 143 westlich von Halle / Saale u. a. wie folgt begründet: „Mit der Vervollständigung der „Mitteldeutschen Schleife“ wird die planerische Zielstellung verbunden, den überörtlichen Verkehr im Ballungsraum Halle / Leipzig möglichst gleichmäßig zu verteilen.“22 Diese Zielstellung wiederspricht sowohl der Bündelungsstrategie der Lärmminderung, als auch einer wirtschaftlichen Entwicklung des Straßennetzes, zumal sowohl die bestehende Nord-Süd-Verbindung im Zuge der BAB 9, als auch die BAB 14 weitere Leistungsfähigkeitsreserven aufweisen. 3.7 Städtebauliche Dimensionierung Bei der Planung und beim Bau von Stadtstraßen sowie im Zuge von Ortsdurchfahrten sind die zur Verfügung stehenden Flächen häufig stark begrenzt. Weiterhin sind innerorts wesentlich höhere Nutzungsanforderungen für den Fuß- und Radverkehr, den ÖPNV sowie durch angrenzende Bebauungsstrukturen vorhanden, die im Rahmen des Entwurfes zu berücksichtigen sind. In der Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) wird hierzu einleitend richtig festgehalten: „Planung und Entwurf von Stadtstraßen müssen sich an Zielstellungen orientieren, die sich aus der Bewohnbarkeit und Funktionsfähigkeit der Städte und Gemeinden ergeben und eine ausgewogene Berücksichtigung aller Nutzungsansprüche an den Straßenraum verfolgen. Dabei wird es vielfach – vor allem in Innenstädten – notwendig sein die Menge des motorisierten Individualverkehrs oder zumindest die Ansprüche an Geschwindigkeit und Komfort zu reduzieren und den Fußgänger- und Radverkehr sowie den öffentlichen Personenverkehr zu fördern.“23 Neben einem geführten Entwurf mittels sogenannter typischer Entwurfssituationen wird in der RASt als zweiter „individueller“ Entwurfsvorgang, die städtebauliche Bemessung unter Beachtung der individuellen Ziele, Nutzungsansprüche und Entwurfsvorgaben vorgegeben. Ziel ist dabei eine „Straßenraumgestaltung vom Rand aus“. Auf Basis der Ermittlung der erforderlichen Seitenraumbreite (Empfehlung Aufteilung Fahrbahn Seitenraum im Verhältnis 30 : 40 : 30) ergibt sich die städtebaulich mögliche Fahrbahnbreite, welche anschließend mit der verkehrlich notwendigen Fahrbahnbreite abzugleichen und abzuwägen ist. In der Praxis wird der städtebauliche Entwurf teilweise nicht, nicht richtig oder unter falschen Vorzeichen angewendet. Statt der vorgesehenen Bemessung von außen nach innen wurde und wird, ausgehend von den tatsächlichen oder vermeintlichen Erfordernissen des motorisierten Verkehrs von innen nach außen dimensioniert. Die Breite der Seitenräume resultiert in diesem Fall aus den verbleibenden Restflächen und wird den Nutzungsanforderungen der angrenzenden Bebauung sowie des Fuß- und Radver- 22 23 PTV AG, BAB A 143 AD Halle-Nord bis AD Halle-Süd VKE 4224, Verkehrsplanerische Untersuchung, S. 7 Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen, Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) S. 15 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 36 kehrs sowie ÖPNV i. d. R. nicht gerecht. Häufig existieren keine oder unzureichende Angebote für den Radverkehr. Gehwege zwängen sich unter- oder mindestmassig zwischen Fahrbahn und Bebauung. Für den ÖPNV stehen keine ausreichenden und qualitativ ansprechenden Warteflächen zur Verfügung. Hinzu kommt teilweise auch, dass früher vorhandene Baupflanzungen entfallen. Die unzureichenden Angebote für den Umweltverbund wirken sich nicht nur lokal durch Einbußen bei der Verkehrs- und Querungssicherheit, durch Trennwirkungen und Nutzungseinschränkungen aus, sondern sind auch gesamtstädtisch hinsichtlich der Veränderung der Verkehrsmittelwahl zu Gunsten des Umweltverbundes kontraproduktiv. Hinzu kommt, dass die städtebaulich unangemessenen, großzügigen Flächen für den Kfz-Verkehr verkehrsinduzierend und durch die fehlende optische Gliederung bzw. Fassung des Straßenraumes häufig geschwindigkeitserhöhend wirken. Dadurch werden die ohnehin bestehende Luftschadstoff- und Lärmprobleme weiter verschärft. Für die Anwohner ergeben sich zusätzliche Einschränkungen bezüglich Wohn- und Aufenthaltsqualität und eine Verstärkung der gesundheitsschädlichen Auswirkungen durch den motorisierten Individualverkehr. Auch hinsichtlich der Vermietbarkeit, Leerstand, Verfall der angrenzenden Bebauung sowie der sozialen Segregation sind deutliche Unterschiede zwischen städtebaulich integriert und Kfz-orientiert gestalteten Straßenräumen festzustellen. In Abb. 13 werden einige innerstädtische Straßenzüge (jeweils Bundesstraßen) dargestellt, für die eine städtebauliche Dimensionierung einschließlich einer Reduzierung der Ansprüche des MIV an den Straßenraum notwendig ist. Abb. 13: Beispiele für die Notwendigkeit einer städtebaulichen Dimensionierung Jedoch ist eine Überwindung von über Jahre gewachsenen Strukturen sowohl verkehrsplanerisch als auch politisch schwierig, da keine konkreten Handlungszwänge durch die Richtlinien bestehen und Einschränkungen für den MIV vielerorts aufgrund der übergeordneten Bedeutung der Straßenzüge weggewogen werden (siehe Kapitel 3.1). Zudem ist auch die Finanzierung entsprechender Um- und Rückbaumaßnahmen schwierig, da eine Förderung in der Regel auf eine Verbesserung der Verkehrsverhält- Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 37 nisse abzielt (z. B. entsprechend § 3 GVFG). Diese Zielstellungen wurden und werden zum einen leider häufig ausschließlich auf den Kfz-Verkehr und nicht auf die gesamten Mobilitätsbedürfnisse in einem innerstädtischen Straßenzug bezogen. Zum anderen werden andere Aspekte wie Umweltwirkungen, Gesundheitsgefährdungen der Anwohner sowie Einschränkungen der angrenzenden Nutzungen nicht ausreichend berücksichtigt. Eine Reduzierung Fahrspuren oder Angebotsqualität für den Kfz-Verkehr schließt häufig eine Finanzierung aus den üblichen Quellen aus. Die Realisierung von integrierten Umgestaltungs- und Rückbaumaßnahmen ist daher heute zumeist nur mit Mitteln aus dem Städtebau- bzw. Umweltbereich möglich. Ein Beispiel bildet die Bahnhofstraße in Cottbus (siehe Abb. 14), wo aufgrund erheblicher Probleme hinsichtlich der Einhaltung der Luftschadstoffgrenzwerte, gefördert durch das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, eine städtebaulich integrierte Umgestaltung des Straßenraumes erfolgt ist. Der Fahrbahnquerschnitt wurde von 4 auf 2 Fahrspuren reduziert, Teile des Kfz-Verkehrs aus dem Konfliktbereich herausverlagert und die historische Alleebepflanzung revitalisiert. Dabei wird die Straßenbahn nicht separiert, sondern innerhalb der 2 Kfz-Fahrspuren geführt. Zudem wurden die Trennwirkungen für den Fußgängerverkehr erheblich reduziert und die Bedingungen für den Radverkehr verbessert, auch wenn hier zu Gunsten des Städtebaus Kompromisse erfolgt sind. Einen wesentlichen Kernbaustein für die Gewährleistung einer stadtverträglichen Abwicklung des Kfz-Verkehrs bildete die Berücksichtigung von Tempo 30 als Planungsprämisse. Abb. 14: Städtebaulich integrierte Gestaltung Bahnhofstraße Cottbus (vorher / nachher) Insgesamt zeigt sich, dass die Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen die geeigneten Grundlagen für eine stadtverträgliche, städtebaulich integrierte und alle Verkehrsarten berücksichtigenden Straßenraumgestaltung bietet. Bereits in der übergeordneten Richtlinie zur integrierten Netzplanung auf entsprechende Gestaltungsanforderungen hingewiesen: „Straßen innerhalb bebauter Gebiete dienen neben der Verbindung von innergemeindlichen Zentralitäten auch der Erschließung bzw. dem Aufenthalt. Deshalb sollen die umfeldbezogenen Wirkungen des motorisierten Verkehrs durch eine gute städtebauliche Einpassung soweit wie möglich gemildert werden. Da Straßen innerhalb bebauter Gebiete gemeinsam von motorisierten und nicht motorisierten Verkehren ge- Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 38 nutzt werden, sind Maßnahmen erforderlich, welche die Verträglichkeit der Verkehrsteilnehmer fördern.“24 Probleme bestehen vor allem in der praktischen Umsetzung sowie bei der Abwägung zwischen Flüssigkeit und Leichtigkeit des Kfz-Verkehrs und den sonstigen Nutzungsanforderungen. In der Zukunft ist hier eine Neuabwägung zugunsten der Belange des Umwelt- und Gesundheitsschutzes, der städtebaulichen Integration sowie der Förderung des Umweltverbundes erforderlich. Parallel müssen die Anreize, insbesondere Förderinstrumente, für entsprechende Gestaltungslösungen im Sinne der städtebaulichen Dimensionierung geschaffen und die Umsetzung der in den Regelwerken formulierten Zielstellungen im Rahmen der Planung evaluiert werden. 3.8 Finanzierung / Fördermittel Neben den eigentlichen verkehrsplanerischen Richtlinien und Hinweise spielen bei der Planung und Gestaltung von Verkehrsanlagen auch Richtlinien, Erlasse und Rahmenbedingungen von Förderprogrammen sowie deren Auslegung eine wesentliche Rolle. Durch die teilweise sektorale Ausrichtung der Förderprogramme entstehen vor allem innerorts z. T. Widersprüche zur integrierten Planungsstrategie. Abb. 15: Beispiel Leibnitzstraße in Gera So war beispielsweise die Formulierung zur ÖPNV-Förderung bezüglich des Straßenbahnverkehrs im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) zu starr und wurde von einigen Bundesländern auch so angewendet. Es entstanden gesonderte Gleiskörper in Straßenabschnitten, wo diese verkehrlich nicht begründet sind und zudem städtebauliche Strukturen in keiner Weise berücksichtigen. Ein Extrembeispiel bildet, die 2006 / 07 im Zuge des Stadtbahnprogramms in der Stadt Gera umgebaute Leibnitzstraße. Trotz eines Verkehrsaufkommens von lediglich ca. 3.500 Kfz/24h wurde hier die Straßenbahntrasse einseitig separiert (siehe Abb. 15). Hierfür wurden die Gehweg- 24 Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen, Richtlinie für Integrierte Netzgestaltung, S. 22 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 39 breiten auf Mindestmaße reduziert. Für eine Begrünung sowie die Einordnung von Flächen für den ruhenden Verkehr verbleibt so kein Platz. Auch im Zuge von Hauptverkehrsstraßen widerspricht teilweise die erfolgte Separierung des Straßenbahnverkehrs den Vorgaben der städtebaulichen Bemessung gemäß RASt (siehe Kapitel 3.8). So erfolgte z. B. im Zuge der Bodenbacher Straße und Leipziger Straße in Dresden eine unzureichende Berücksichtigung des Radverkehrs (siehe Abb. 16). Abschnittsweise mussten in der Bodenbacher Straße aus Platzmangel die Radverkehrsanlagen unterbrochen werden. Dies führt zu erheblichen Konflikten zwischen Rad- und Kfz-Verkehr. In der Leipziger Straße wurde im Rahmen einer Neuplanung ein gemeinsamer Rad- und Gehweg vorgesehen, welcher die Anforderungen einer modernen Radverkehrsförderung nicht erfüllt und zusätzlich durch Einbauten sowie Großpflasterabschnitte an Einmündungen eingeschränkt ist. Auch die Querungsbreiten und daraus resultierende Trennwirkungen für den Fußverkehr sind durch die Trennung von Straßenbahn- und Kfz-Verkehr deutlich höher. Im Falle der Leipziger Straße kommt hinzu, dass keine harte bauliche Trennung vorgesehen wurde. Der „gesonderte Gleiskörper“ darf also mitgenutzt werden. Durch die entstehenden Überholmöglichkeiten werden ein diskontinuierlicher Verkehrsfluss provoziert und die Fußgängerqerungsbedingungen weiter eingeschränkt. Jedoch war diese quasi-4-streifige Variante politisch gewollt und zeigt, dass durchaus Interpretationsspielraum bei der Anwendung der Fördergesetzgebung bestand. Abb. 16: Beispiel Dresden (Bodenbacher Straße, Leipziger Straße) Wie bereits in Kapitel 3.7 erläutert, bildet die Verknüpfung der Förderfähigkeit mit der Zielstellung der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse (z. B. entsprechend § 3 GVFG) ein weiteres Problem. Ursache ist, dass diese Zielstellung zumeist nicht integriert auf alle Verkehrsmittel sowie auf die städtebauliche-räumlichen Funktionen der Straße, sondern ausschließlich auf die Verkehrsverhältnisse des Kfz-Verkehrs bezogen wird. Hier ist zukünftig eine verstärkte Berücksichtigung des intergierten Gestaltungsgedankens sowie der Aspekte des Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschutzes erforderlich. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 40 Statt in Abhängigkeit von den Vorgaben der Förderrichtlinie sollte dabei die eigentliche Gestaltung ausschließliche durch die örtlichen Gegebenheiten bestimmt werden. Die Förderrichtlinien sollten lediglich die Zielstellungen und grundsätzlichen Rahmenbedingungen definieren. Zukünftig muss es dabei auch möglich sein zu Lasten des KfzVerkehrs eine Umgestaltung oder einen Rückbau von Verkehrsanlagen, die aus der Zeit der autogerechten Stadt stammen, zu fördern. Förderprogramme, die ausschließlich eine Oberflächensanierung beinhalten, sind hierbei zumeist nicht zielführend. So sind z. B. im Rahmen des Konjunkturpaketes mit dem Ziel des Lärmschutzes teilweise überbreite Kfz-Fahrbahn mit neuen Fahrbahnbelägen versehen worden, ohne dass eine Anpassung des Fahrbahnquerschnittes vorgenommen wurde. Durch den Austausch von Pflaster in Asphalt ist es zwar leiser geworden, die Effekte des ebeneren Fahrbahnbelages wurden jedoch durch die überbreiten Querschnitte und das daraus resultierende höhere Geschwindigkeitsniveau zum Teil gleich wieder aufgezehrt. Entsprechende Beispiele zeigen, dass auch unter Berücksichtigung der knapper werdenden Haushaltsmittel zukünftig ein gezielterer und sparsamerer Einsatz der Gelder mit Fokus auf die Erhaltung und die integrierte Weiterqualifizierung des Bestandsnetzes erfolgen muss. Die aktuelle Praxis der sektoralen Finanzierung mit, von höherer Stelle zufließenden Fördergeldern ohne Bezug zu den hierfür erforderlichen Abgaben vor Ort, ist dabei zukünftig zu hinterfragen. So zeigt z. B. die Nahverkehrsabgabe in Frankreich auf, welche befruchtenden Effekte durch lokale Förderstrukturen möglich sind. 3.9 Qualitative Bewertung des Verkehrsablaufes Auf Grundlage des Handbuches für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS) werden anhand standardisierter Verfahren die Kapazität der Straßenverkehrsanlagen sowie die Qualitätsstufen des Verkehrsablaufes (QSV) aus verkehrstechnischer Sicht bewertet. Die einzelnen Qualitätsstufen werden dabei wie folgt beschrieben25: Stufe A Die Verkehrsteilnehmer werden äußerst selten von anderen beeinflusst. Sie besitzen die gewünschte Bewegungsfreiheit in dem Umfang, wie sie auf der Verkehrsanlage zugelassen ist. Der Verkehrsfluss ist frei. Stufe B Die Anwesenheit andere Verkehrsteilnehmer macht sich bemerkbar, bewirkt aber eine nur geringe Beeinträchtigung des Einzelnen. Der Verkehrsfluss ist nahezu frei. Stufe C Die individuelle Bewegungsmöglichkeit hängt vielfach vom Verhalten der übrigen Verkehrsteilnehmer ab. Die Bewegungsfreiheit der Verkehrsteilnehmer 25 Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen, Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen, S.2-12 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 41 ist spürbar eingeschränkt. Der Verkehrszustand ist stabil. Stufe D Der Verkehrsablauf ist gekennzeichnet durch hohe Belastungen, die zu deutlichen Beeinträchtigungen in der Bewegungsfreiheit der Verkehrsteilnehmer führen. Interaktionen zwischen ihnen finden nahezu ständig statt. Der Verkehrszustand ist noch stabil. Stufe E Es treten ständige gegenseitige Behinderungen zwischen den Verkehrsteilnehmern auf. Bewegungsfreiheit ist nur in sehr geringem Umfang gegeben. Geringfügige Verschlechterungen der Einflussgrößen können zum Zusammenbruch des Verkehrsflusses führen. Der Verkehr bewegt sich im Bereich zwischen Stabilität und Instabilität Die Kapazität wird erreicht. Stufe F Die Nachfrage ist größer als die Kapazität. Die Verkehrsanlage ist überlastet. Darüber hinaus wird im HBS erläutert: „Diese Art der Qualitätsbeschreibung kann der Politik und der Öffentlichkeit verständlich vermittelt werden. Die Zusammenfassung in Stufen verdeutlicht die verkehrlichen Zielvorstellungen, die z. B. mit der Planung von Netzergänzungen, dem Ausbau von Straßen und Knotenpunkten, der Bevorrechtigung des öffentlichen Personennahverkehrs sowie der Steuerung und Beeinflussung von Verkehrsströmen verfolgt werden.“26 Durch die Qualitätsstufen ergibt sich verkehrsplanerisch tatsächlich eine gute Vergleichbarkeit des Verkehrszustandes verschiedener Verkehrsanlagen. Jedoch birgt das Notensystem auch gewisse Nachteile bezüglich der Interpretation. Abb. 17: 26 typische Tagesganglinie für einen innerstädtischen Straßenabschnitt Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen, Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen, S. 1-4 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 42 Ergibt sich für einen Straßenabschnitt oder für alle Ströme eines Knotenpunktes eine „gute“ qualitative Bewertung z. B. mit QSV A oder B so ist diese Verkehrsanlage de facto überdimensioniert, es sei denn sie verfügt bereits über den niedrigst möglichen Ausbaustandard und es existieren keine parallelen Alternativangebote. Denn grundsätzlich erfolgt die Bewertung des Verkehrszustandes für die Spitzenstunde. Dies bedeutet, dass über die größten Teile des Tagesverlaufs, in denen zumeist deutlich geringere Verkehrsbelegungen zu verzeichnen sind eine Unterauslastung (siehe Abb. 13). Ist bereits für die Spitzenstunde eine „gute“ Qualität zu verzeichnen, sind die Anlagen für die Neben- und Schachverkehrszeiten wesentlich zu großzügig ausgelegt. Das Erreichen von QSV A kann daher nicht das Ziel einer nachhaltigen Verkehrsplanung sein. Ziel muss es sein, das Verkehrsnetz so zu gestalten, dass es effektiv genutzt wird. Hierfür ist eine hohe Auslastung in den Spitzenstunden ein Indiz. Im Einzelfall kann es dabei auch sinnvoll sein, Überlastungen bewusst in Kauf zu nehmen bzw. Engpässe einzuplanen. In der Stadt Greiz erfolgte z. B. im Dezember 2012 die Aufhebung der Einbahnstraßenregelung in der Mastallstraße (L 2.344). Die Leistungsfähigkeitsberechnungen ergaben, dass das Linkseinbiegen aus der angrenzenden Einmündung Obere Silberstraße nicht leistungsfähig möglich ist. Dennoch wurde die Maßnahme ohne zusätzliche Begleitmaßnahmen nach längerer Diskussion umgesetzt. Die prognostizierte Überlastung des Knotenpunktes ist nicht eingetreten. Stattdessen haben sich die Verkehrsaufkommen im Zuge der Oberen Silberstraße von ca. 7.300 Kfz/24h auf ca. 5.600 Kfz/24h reduziert, da von den Verkehrsteilnehmern in den Hauptverkehrszeiten offensichtlich andere Fahrtrouten gewählt werden und teilweise eine Reduzierung von Kfz-Fahrten stattgefunden hat. Im Autobahnnetz ergeben sich nicht nur tageszeitliche Schwankungen der Verkehrsaufkommen sondern zum Teil auch an einzelnen Tagen besondere Verkehrsspitzen. In Abb. 18 wird dies für die A 8 exemplarisch dargestellt. Besonders hohe Verkehrsmengen sind hier an Ferientagen durch den Urlaubsverkehr nach und von Österreich und Italien zu verzeichnen. Allerdings betreffen die tatsächlichen Spitzenverkehrsbelegungen auch hier nur wenige Stunden des Jahres. Der u. a. wegen der Urlaubsspitzenverkehre geplante durchgängig 6-streifige Ausbau der A 8 vom Inntaldreieck bis zur Bundesgrenze ist daher zu hinterfragen. Zumal die Verkehrsbelegungen zur österreichischen Grenze hin abnehmen. Für solche Abschnitte ist stattdessen die Anwendung einer dynamischen Standstreifenfreigabe sowie von Geschwindigkeitsbegrenzungen im Sinne einer angemessene, kostengünstige und landschaftsschonende Dimensionierung der Autobahn effektiver (siehe auch Kapitel 3.11). Ein Problem bei einem derartigen bestandsorientierten Ausbau bildet jedoch die Schaffung adäquater Lärmschutzeinrichtungen (siehe Kapitel 3.4). Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 43 Diese Beispiele zeigen, dass solange, wie keine dauerhaften Überlastungen mit besonders negativen Auswirkungen insbesondere auf die innerstädtische Luftschadstoffsituation erfolgen, eine hohe Verkehrsauslastung im Sinne einer effektiven Nutzung der Infrastruktur verkehrsplanerisch unproblematisch ist. Abb. 18: Verteilung der Verkehrsbelegung A 8 Hierbei sind auch die aus dem Netzzusammenhang entstehenden Selbstregulierungsmöglichkeiten durch veränderte Verkehrswege bzw. eine veränderte Verkehrsmittelwahl zu bedenken. Denn gering ausgelastete Straßenverkehrsanlagen mit „guter“ Qualitätsstufe für den Verkehrsablauf wirken sich auch negativ auf die Nutzung des Umweltverbundes aus und sind damit auch im Sinne einer nachhaltigen Verkehrsentwicklungs- und Klimaschutzstrategie kontraproduktiv. Auf derartige Aspekte ist bei der Bewertung von Leistungsfähigkeitsberechnungen hinzuweisen. 3.10 Auswirkung von Geschwindigkeiten Die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten sind für verschiedene Aspekte des Fahrverhaltens von maßgebender Bedeutung. Darüber hinaus hat auch die Gestaltung und Dimensionierung der Verkehrsanlagen einen wesentlichen Einfluss auf das tatsächliche Geschwindigkeitsniveau sowie umgekehrt genauso die zulässige Geschwindigkeit auf die Dimensionierung. Vom Wissenschaftlichen Beirat des Ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wird hierzu ausgeführt: „die Zeit für die Gefahrenkognition und angemessene Reaktion sinkt sowohl auf Seiten der Fahrzeugführer wie der anderen Verkehrsteilneh- Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 44 mer. Damit steigen die Unfallrisiken und vor allem die Unfallfolgen mit der Wucht des Aufpralls exponentiell an. Für jeden Straßentyp werden vor allem die einzuhaltenden Geschwindigkeitsbereiche, ausgehend von den jeweiligen Entwurfselementen, Nutzungs- und Konfliktkonstellationen des Straßenraumes festgelegt. Die besondere Bedeutung der Geschwindigkeit für die Unfallwahrscheinlichkeit und die Unfallschwere hat in fast allen entwickelten Ländern der Welt zu deutlicheren Geschwindigkeitsbegrenzungen als in Deutschland geführt.“27 Weiterhin wird ausgeführt: „Zu hohe Geschwindigkeiten werden häufig durch früher nach fahrdynamischen Gesichtspunkten optimierte Ausbaustandards noch immer ermöglicht und gefördert.“28 Im Jahr 2012 waren ca. 20 % der Unfälle mit Personenschaden ursächlich auf eine unangepasste Geschwindigkeit zurückzuführen.29 Geschwindigkeitsübertretungen waren damit Unfallursache Nummer eins. Drüber hinaus stehen weitere Unfallursachen (ungenügender Sicherheitsabstand, Überholen etc.) eng im Zusammenhang mit dem Geschwindigkeitsniveau. Bei der Anpassung und Überarbeitung der Regelwerke sowie bei der Begründung von Aus-, Um- und Neubauvorhaben steht das Thema Verkehrssicherheit häufig an erster Stelle. Es wird nach baulichen und technischen Lösungen gesucht, um Unfälle und Konflikte zu vermeiden. Regulatorische Maßnahmen (Geschwindigkeitsbegrenzung und -überwachung, Verschärfung der Sanktionen) spielen eine untergeordnete Rolle, bilden jedoch eine wesentliche Grundlage für die Verbesserung der Verkehrssicherheit sowie zur Verminderung weiterer durch den Kfz-Verkehr verursachter Probleme und Konflikte. So hat das Fehlen einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung im Zuge der deutschen Autobahnen nicht nur Auswirkungen auf die Unfallsituation, den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen, sondern wirkt sich bis in die deutschen Städte und Gemeinden hinein aus: Die Fahrzeugtechnik und -sicherheit einschließlich der Reifen ist auf die hohen Geschwindigkeiten ausgelegt. Für den innerstädtischen Bereich sind die Fahrzeuge schwerer und höher motorisiert als eigentlich notwendig, was zu erhöhtem Luftschadstoffausstoß und einer Verschärfung der negativen Gesundheitsfolgen durch den Kfz-Verkehr führt. Hinsichtlich der Reifen müssen harte Gummimischungen verwendet werden, um die Haltbarkeit bei hohen Geschwindigkeiten zu gewährleisten. Diese wirken sich innerstädtisch lärmerhöhend aus. Die hohen Geschwindigkeiten und die daraus teilweise resultierenden unstetige Fahrweise sorgen für einen erhöhten Ausstoß von Luftschadstoffen im Zuge der 27 28 29 Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Sicherheit zuerst – Möglichkeiten zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit in Deutschland, S. 15 Ebd. S. 20 Statistisches Bundesamt, Fachserie 8 Reihe 7, Verkehr – Verkehrsunfälle Januar 2013, S. 33 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 45 Autobahnen. Dieser fließt wiederum in die städtische bzw. großräumige Hintergrundbelastung der Luftschadstoffimmissionen ein und verstärkt die innerstädtischen Luftschadstoffprobleme, wie auch im Bereich ohnehin kritischer Hot Spots. Teilweise bestehen auch beim Durchfahren besiedelter Bereiche keine Geschwindigkeitsbegrenzungen. Dadurch entstehen unnötige Lärmbelastungen für die Anwohner, durch eine erhöhte Eindringtiefe der Belästigungen durch den Autobahnverkehr in die Siedlungsstrukturen und zusätzliche Pegelspitzen. Problematisch ist zudem, dass der Lärm der Autobahnen lediglich an Hand der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h berechnet wird. Bezüglich der Verbesserung der Verkehrssicherheit durch Geschwindigkeitsherabsetzung wurde, beauftragt durch den Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg, eine Vorher-Nachher-Untersuchung für die BAB 24 zwischen den Autobahndreiecken Havelland und Wittstock (Dosse) durchgeführt. Die Zahl der Unfälle mit Personenschaden und schwerwiegendem Sachschaden hat sich nach der Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 130 km/h etwa halbiert. Die Zahl der verunglückten Personen sank sogar um ca. 57 %.30 Durch die geringeren Differenzen bezüglich der Zielgeschwindigkeiten zwischen den Verkehrsteilnehmern und die daraus resultierende verstetigte Fahrweise ist davon auszugehen, dass auch der Verkehrsfluss verbessert und die Durchlassfähigkeit der Autobahn erhöht wird. Gleichzeitig sinken die Anforderungen an die Trassierung und Dimensionierung des Autobahnquerschnittes (siehe auch Kapitel 3.11). Auf Abschnitten, in denen die Autobahn in geringem Abstand unmittelbar durch bebautes Gebiet führt, sind weitergehende Geschwindigkeitsbegrenzungen (Tempo 100 / 80 oder Tempo 60 für Lkw) insbesondere nachts zwingend erforderlich, um eine ausreichenden Gesundheitsschutz der Anwohner zu gewährleisten. Hemmnisse für die Umsetzung derartiger Maßnahmen bilden häufig die zu hohen Eingriffswerte der Lärmschutz-Richtlinie-StV sowie eine Prioritätensetzung zu Gunsten des fließenden Verkehrs im Rahmen der Abwägung durch die zuständigen Behörden. Im Rahmen der Einzelfallentscheidung müsste jedoch verstärkt der besonders hohen Lästigkeit des Autobahnlärms aufgrund von weitreichender Flächenverlärmung, fehlenden Lärmpausen und besonders störender Pegelspitzen Rechnung getragen werden. Auch in den Städten scheitert eine Umsetzung von Geschwindigkeitsbegrenzungen im Zuge von Hauptverkehrsstraßen häufig an den für die Anordnung zuständigen Behörden. Prinzipiell besteht gemäß § 45 StVO die Möglichkeit, Geschwindigkeitsbegrenzung aus Lärmschutzgründen auch auf Hauptverkehrsstraßen anzuordnen. Gemäß Lärmschutz-Richtlinie-StV, welche als Orientierungshilfe zur Entscheidung über straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen für die zuständigen Behörden dienen soll, 30 Schlothauer & Wauer, Auswirkungen eines allgemeinen Tempolimits im Land Brandenburg Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 46 ist die Grenze des zumutbaren Verkehrslärms nicht durch gesetzlich bestimmte Grenzwerte festgelegt, sondern ist im Einzelfall zu klären. Straßenverkehrsrechtliche Lärmschutzmaßnahmen kommen insbesondere in Betracht, wenn der vom Straßenverkehr herrührende Beurteilungspegel am Immissionsort eine der folgenden Richtwerte überschreitet: In reinen und allgemeinen Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten sowie an Krankenhäusern, Schulen, Kur- und Altenheimen 70 dB(A) zwischen 6.00 und 22.00 Uhr (tags) 60 dB(A) zwischen 22.00 und 6.00 Uhr (nachts) In Kern-, Dorf- und Mischgebieten 72 dB(A) zwischen 6.00 und 22.00 Uhr (tags) 62 dB(A) zwischen 22.00 und 6.00 Uhr (nachts) In Gewerbegebieten 75 dB(A) zwischen 6.00 und 22.00 Uhr (tags) 65 dB(A) zwischen 22.00 und 6.00 Uhr (nachts) 31 Insgesamt ist jedoch u. a. gestützt durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht aus dem Jahr 1986 (Urteil 7 C 76/84), die Schutzbedürftigkeit nicht nach einem abstrakt festgelegten Lärmpegel festzulegen, sondern hat sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu richten. Werden die o. g. Werte überschritten, wird im Urteil festgehalten, „dass in derartigen Fällen sich das Ermessen der Behörde zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichten kann; es bedeutet also nicht, dass geringere Lärmeinwirkungen straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen ausschlössen.“ Eine entsprechende Anwendung erfolgt jedoch kaum. Stattdessen werden, wenn überhaupt, verkehrsrechtliche Maßnahmen größtenteils lediglich dort umgesetzt, wo die in der Lärmschutz-Richtlinie-StV genannten Lärmwerte überschritten werden. Die verwendeten Mittelungspegel bilden jedoch im Einzelfall, wie z. B. im Zuge der Autobahnen die tatsächliche Lärmbetroffenheit nicht ausreichend ab. Im Sinne des Gesundheitsschutzes ist eine Veränderung des Umgangs mit Lärmminderungsmaßnahmen im Zuge von bestehenden Straßen dringend erforderlich (siehe auch Kapitel 3.4). Ein weiteres Problem bildet auf den Autobahnen die nahezu durchgehende Überschreitung (ca. 10 km/h) der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h durch den Schwerverkehr. Dadurch entstehen zusätzliche Lärmbelastungen gerade durch die lautesten und störendsten Fahrzeuge. Entsprechende Geschwindigkeitsübertretungen werden nur selten kontrolliert bzw. geahndet. Wichtig wäre daher die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für streckenbezogene Geschwindigkeitskontrollen (sec31 BMVBS, Richtlinie für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (LärmschutzRichtlinien-StV, S. 768 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 47 tion control). Vor allem in den Hauptkonfliktbereichen könnte so ein angemessenes Geschwindigkeitsniveau gewährleistet werden. 3.11 Verbreiterung der Regelquerschnitte Mit der Einführung der neuen Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA) 2008 sowie für die Anlage von Landstraßen (RAL) 2012 wird die bis dato gültige Richtlinie für die Anlage von Straßen, Teil: Querschnitte (RAS-Q 96) vollständig ersetzt. Beim Vergleich zwischen dem alten und den neuen Regelwerken werden verschiedene Veränderungen deutlich, die u. a. zu einer Verbreiterung der Regelquerschnitte führen (siehe Tab. 5). Querschnitt RAS Q 96 RAA / RAL Veränderung Autobahn 8-streifig - RQ 43,5 neue Entwurfsklasse Autobahn 8-streifig - RQ 38,5 neue Entwurfsklasse Stadtautobahn Autobahn 6-streifig RQ 35,5 RQ 36 0,50 m breiterer Mittelstreifen Autobahn 6-streifig RQ 33 - Autobahn 6-streifig - RQ 31,5 neue Entwurfsklasse Stadtautobahn Autobahn 4-streifig RQ 29,5 RQ 31 0,50 m breiterer Mittelstreifen / 0,50 m breitere Standstreifen Autobahn 4-streifig - RQ 28 neue Entwurfsklasse autobahnartige Straße Autobahn 4-streifig RQ 26 - Autobahn 4-streifig - RQ 25 neue Entwurfsklasse Stadtautobahn Kraftfahrstraße 4-streifig RQ 20 RQ 21 0,50 m breiterer Mittelstreifen Kraftfahrstraße 3-streifig RQ 15,5 RQ 15,5 Außerortsstraße 3-streifig - RQ 15 neue Entwurfsklasse Außerortsstraße 2 (3)-streifig - RQ 11,5 (+) neue Entwurfsklasse Außerortsstraße 2-streifig RQ 10,5 RQ 11 0,25 m breitere Randstreifen Außerortsstraße 2-streifig RQ 9,5 (RQ 10) 0,25 m breitere Randstreifen Außerortsstraße 2-streifig - RQ 9 neue Entwurfsklasse Außerortsstraße 2-streifig RQ 7,5 - Tab. 5 Vergleich Querschnitte der RAS-Q 96 mit den aktuellen Regelwerken Bisher existierende reduzierte Querschnitte mit Fahrstreifenbreiten von 3,50 m statt 3,75 m, wie der 6-streifige Autobahnquerschnitt RQ 33 oder der 4-streifige Autobahnquerschnitt RQ 26 wurden gestrichen. Bezogen auf diese Querschnitte ergeben sich mit dem neuen Regelwerk Verbreiterungen von 3 bzw. 4 m. Dadurch ergibt sich ein Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 48 zusätzlicher Flächenverbrauch von ca. 9,2 % bei 6-streifigen und ca. 19,2 % bei 4streifigen Autobahnabschnitten, welcher sich in ähnlicher Größenordnung auch auf die erforderlichen Bau- und Instandhaltungskosten auswirken wird. Parallel wurden ebenfalls die Breiten der Regelquerschnitte mit einer Fahrstreifenbreite von 3,75 m jeweils nochmals um 0,50 m erhöht.32 Das geringere Querschnittsbreiten prinzipiell möglich sind, zeigen die neu eingeführten Regelquerschnitte RQ 31,5 und RQ 25 für Stadtautobahnen, welche die bisher niedrigsten Autobahnregelquerschnittsbreiten sogar nochmals unterschreiten. Für die Überholspuren wurden hier Fahrstreifenbreiten von 3,25 m angesetzt. Als eine wesentliche Ursache für die Verbreiterung der Querschnitte sind das in Deutschland bestehende Geschwindigkeitsniveau sowie das Fehlen eines generellen Tempolimits auf Autobahnen anzusehen (siehe Kapitel 43). Das Beispiel der Stadtautobahnen zeigt, dass bei geringeren Geschwindigkeiten auch eine verträgliche Dimensionierung und Trassierung mit geringerem Flächenverbrauch möglich wären. Viele negative Wirkungen von Autobahnen (Flächenlärmquelle, Zerstörung des Landschaftsbildes etc.) werden durch die überbreite Dimensionierung deutlich verstärkt. Sowohl hinsichtlich des Querschnittes als auch bezüglich der Trassierung zeigen verschiedene bestehende Autobahnen, dass eine wesentlich verträglichere Einordnung in das Landschaftsbild mit geringeren Querschnittsbreiten deutlich besser möglich ist (siehe Abb. 19). Auch wenn derartige Trassen, z. B. wegen des Fehlens von Standstreifen, heute nicht mehr zeitgemäß sind, sollten bei deren Ausbau eine sensible Umgestaltung und die Übertragung des Minimierungsprinzips auf Neubaustrecken erfolgen. Dies findet jedoch bedingt durch die Regelwerke sowie politische Zielstellungen, meistens nicht statt. Als negatives Beispiel kann die Autobahn BAB 8 zwischen Rosenheim und Salzburg dienen. Im Rahmen des 6-streifigen Ausbaus ist hier eine Querschnittsverbreiterung von bisher 17,00 m auf zukünftig 36,00 m vorgesehen (siehe Abb. 20). Die Flächeninanspruchnahme durch die Autobahn wird sich damit mehr als verdoppeln. Hinzu kommt, dass anders als früher häufig parallel weitere Flächen zum „Schutz“ der Autobahn beräumt und z. B. von Bäumen befreit werden, so dass die durch die Autobahn entstehende Schneise um ein vielfaches breiter ist. Wie bereits in Kapitel 3.8 erläutert und in Abb. 18 dargestellt, beschränkt sich der Bedarf für einen 6-streifigen Querschnitt im Zuge der BAB 8 südlich vom Dreieck Inntal auf kurze Zeitabschnitte im Jahr und nimmt in Richtung Bundesgrenze ohnehin kontinuierlich ab. Daher wäre als Alternative ein Ausbau mit dem Regelquerschnitt RQ 29,5 gemäß RAS-Q sowie eine temporäre Standstreifenfreigabe ausreichend. Im Vergleich zum geplanten Ausbau würden sich damit keine nennenswerten Einschränkungen be32 Auch der für autobahnartige Bundesstraßen vorgesehene Regelquerschnitt RQ 28 ist zu großzügig dimensioniert. Wird der Querschnitt RQ 20 um Standstreifen ergänzt, ergäbe sich eine Querschnittsbreite von lediglich 25 m. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 49 züglich der Kapazität der Autobahn ergeben. Der Flächenbedarf wäre jedoch um ca. 15 - 18 % geringer. Abb. 19: Autobahn BAB 8 zwischen Rosenheim und Salzburg im Bestand Abb. 20: BAB 8 Vergleich Bestandquerschnitt / geplanter 6-streifiger Ausbau Die Thematik der Standstreifenfreigabe wird jedoch im Zusammenhang mit den Regelquerschnitten nicht thematisiert, da sie aktuell lediglich als Maßnahme zur kurzfristigen Erhöhung der Kapazität bestehender Straßen und nicht als allgemeines Planungsinstrument angesehen wird. Zudem ist es ein Trugschluss davon auszugehen, dass sich mit breiteren Straßen Probleme beheben lassen, die aus hohen Geschwindigkeiten resultieren. Vielmehr wird durch die Verbreiterung und großzügigere Trassierung der Straßen ein erhöhtes Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 50 Geschwindigkeitsniveau zusätzlich befördert. Speziell auf Landstraßen ist dies im Außerortsbereich ein Problem. Unangepasste Geschwindigkeiten bilden hier eine der Hauptunfallursachen. Auch für den Bereich der Landstraßen sind mit der Einführung der RAL Veränderungen erfolgt (siehe Tab. 5). Nunmehr gibt es vier Entwurfsklassen, die sich an der Netzfunktion gemäß RIN orientieren. Auf die Konflikte bei der Festlegung der Verbindungsfunktionsstufen gemäß RIN wurde bereits in Kapitel 3.1 eingegangen. Für Entwurfsklasse I ist ausschließlich der 3-streifige Querschnitt RQ 15,5 vorgesehen. Punktuell kann es jedoch erforderlich sein, auch im Zuge derartiger Verbindungen aufgrund von Zwangspunkten 2-streifige Abschnitte auszuweisen. Die 2-streifigen sind nochmals etwas breiter geworden und als schmalster Querschnitt wird der RQ 9 in Entwurfsklasse 4 angeboten. Der bisher zur Verfügung stehende RQ 7,5 ist in der RAL nicht mehr enthalten. Für die Verbindung zwischen jeglicher Gemeinde bzw. zu jeglichem Gemeindeteil wäre dementsprechend eine Querschnittsbreite von 9 m vorzusehen. Dies wird der geringen Verkehrsbedeutung vieler dieser Verbindungen nicht gerecht. Hier ist zwingend eine zusätzliche Entwurfsklasse erforderlich, die neben dem alten RQ 7,5 auch einen einstreifigen Querschnitt mit Ausweichstellen als Regellösung beinhaltet. Insgesamt ist es bezüglich der Landesstraßen nicht zielführend zu versuchen, die Dimensionierung an das Fehlverhalten der Verkehrsteilnehmer (insbesondere unangepasste Geschwindigkeiten) anzupassen. Durch einen großzügigere Querschnittsgestaltung und Dimensionierung wird das eigentliche Problem nicht gelöst. Richtig wäre in erster Linie, die Gewährleistung eines angemessenen Geschwindigkeitsniveaus durch eine Verstärkung der Kontrollen sowie eine Erhöhung des Strafmaßes. Innerorts wird durch die RASt für Hauptverkehrsstraßen eine Fahrspurbreite von 3,25 m definiert, von welcher lediglich bei der Markierung von Schutztreifen nach oben (3,75 m) und der Führung neben Radstreifen nach unten (3,00 m) abzuweichen ist. Leider werden auch 7 Jahre nach der Einführung der RASt weiterhin teilweise größere Fahrspurbreiten - vor allem bei der Markierung von Schutztreifen - in der Planungspraxis vorgesehen. Diese Überdimensionierung sorgt für unnötigen Flächenverbrauch, größere Querungsbreiten und durch den optischen breiteren Straßenraumeindruck für ein potenziell höheres Geschwindigkeitsniveau mit negativen Auswirkungen bezüglich Lärm, Abgasen und Verkehrssicherheit. Bei der städtebaulichen Dimensionierung (siehe auch Kapitel 3.7) sind alternativ zu den festen Breitenvorgaben für die Fahrstreifen die in der RASt enthaltenen Verkehrsräume beim Begegnen, Nebeneinander- und Vorbeifahren für die verschiedenen Bemessungsfahrzeuge von hoher Bedeutung im Rahmen der Abwägung zwischen städtebaulichen und verkehrlichen Aspekten. Im Vergleich zur Vorgängerrichtlinie, den Empfehlungen für die Anlage von Hauptverkehrsstraßen (EAHV) zeigt sich, dass für den Bemessungsfall mit eingeschränkten Bewegungsspielräumen (bei niedrigen Ge- Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 51 schwindigkeiten) die Breite der erforderlichen Verkehrsräume zugenommen hat (siehe Abb. 21). Statt wie vorher 0,125 m ist nunmehr für Lkw jeweils ein Bewegungsspielraum von 0,20 m und für Pkw von 0,15 m vorzusehen. RASt 2006 (…) Klammerwerte für eingeschränkte Bewegungsspielräume33 EAHV 1993 für eingeschränkte Bewegungsspielräume34 Abb. 21: Vergleich Verkehrsräume für das Begegnen zweier Fahrzeuge Dies sorgt ebenfalls für eine breitere Dimensionierung von Verkehrsanlagen, da z. B. die früher üblichen Fahrbahnbreiten mit 4,75 m und 5,50 m nun nicht mehr angewendet werden sollen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass derartige Querschnitte i. d. R. ohnehin nur für Straßen mit geringen Verkehrsbelegungen und ohne Verbindungsfunktion in Betracht kommen. Die Wahrscheinlichkeit des jeweiligen Begegnungsfalles ist sehr gering und erfolgt in der Regel unter gegenseitiger Rücksichtnahme bzw. Halten eines Fahrzeuges am Fahrbahnrand. Durch die Verbreiterung des Mindestquerschnittes ergibt sich für die Regelnutzung durch Pkw eine größere Freizügigkeit, die sich häufig im Geschwindigkeitsniveau niederschlägt und die in diesen Bereichen zumeist vorherrschende Verkehrsberuhigung konterkariert. Auch bei der Dimensionierung mehrspuriger innerstädtischer Verkehrsanlagen erfolgt häufig eine Dimensionierung für einen eher theoretischen Extremfall (siehe Abb. 22), dem Nebeneinanderfahren von Lkw auf allen Spuren. Im Regelfall erfolgt jedoch überwiegend eine Nutzung durch Pkw. Für diese Nutzung ergibt sich ein deutlich geringerer Breitenbedarf. Eine effektive Lösung für diese Problematik bilden überbreite Mischspuren, die durch den Pkw-Verkehr nebeneinander genutzt werden können. Lediglich bei 33 34 FGSV, Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen, S. 27 FGSV, Empfehlung für die Anlage von Hauptverkehrsstraßen (EAHV), S. 26 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 52 der in den maßgebenden Spitzenstunden seltenen Lkw-Nutzung ergibt sich eine Fahrspurreduktion. Abb. 22: 3.12 Dimensionierung mehrspuriger Abschnitte innerorts Dimensionierung von Anschlussknotenpunkten Auch bezüglich der Knotenpunkte wurde die bis dato gültige Richtlinie für die Anlage von Straßen, Teil: Knotenpunkte (RAS-K) für den Außerortsbereich durch die neuen Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA) und für die Anlage von Landstraßen (RAL) ersetzt. Abb. 23: Regeleinsatzbereiche von vierarmigen Knotenpunkten Quelle: FGSV, RAL 2012 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 53 Insgesamt ist dabei eine verstärkte Tendenz zu niveaufreien und teilniveaufreien Knotenpunktlösungen zu verzeichnen. Diese Entwicklung ist zum einen auf das höhere Verkehrssicherheitsniveau derartiger Lösungen zu zurückzuführen, liegt jedoch zum anderen auch an den aus der RIN resultierenden Verbindungsfunktionen. Nicht Berücksichtigt werden dabei jedoch Flächenverbrauch, Umwege für den Kfz-Verkehr, insbesondere auch für den öffentlichen Busverkehr, Trennwirkungen und Umwege für den Fuß- und Radverkehr. Wie aus Abb. 23 deutlich wird, ist für den Schnittpunkt zweier aufeinandertreffender Straßen der Entwurfsklasse 1 ein Kleeblatt wie bei der Verknüpfung zweier Autobahnen die Regellösung. Der Anschluss an jede andere untergeordnete Straße hat teilniveaufrei zu erfolgen. Eine Anbindung von Straßen der Entwurfsklasse 4 ist nicht vorgesehen. Auch für Entwurfsklasse 2 wird eine entsprechende Einbindung nicht empfohlen. Bei den Straßen der Entwurfsklasse 4 handelt es sich funktionell gemäß RIN um Straßen zwischen zwei Gemeinden / Gemeindeteilen oder zwischen einer Gemeinde und ihrem Grundzentrum. In der Praxis ist zudem zu beobachten, dass aus Kostengründen (u. a. wegen der hohen Ausbaustandards) oder im Sinne einer Reduzierung der Widerstände im Zuge der übergeordneten Straße auch auf eine Anbindung weiterer Straßen verzichtet wird. Abb. 24 Parallelverlauf B 169 / K 6612 in Höhe Senftenberg Karte: © OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA http://www.openstreetmap.org/ bzw. http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/ Erfolgt eine entsprechende kleinteilige Anbindung nicht, ergeben sich verschiedene negative Effekte. Wie das Beispiel von B 169 und K 6612 in Höhe Senftenberg zeigt (siehe Abb. 24), verläuft teilweise die untergeordnete parallel zur übergeordneten Straße. Wäre an beiden Schnittpunkten eine Anbindung erfolgt, hätten ca. 2 km Straße gespart werden können. Allerdings hätte hierzu die Möglichkeit bestehen müssen, auf ei- Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 54 nen teilniveaufreien Anschluss zu verzichten. Angesichts des 3-streifigen Ausbaucharakters der Umgehungsstraße als Kraftfahrstraße ist dies jedoch schwierig. Außerdem müsste ggf. eine Alternative für den landwirtschaftlichen Verkehr vorgehalten werden. Dies zeigt nochmals, welche Schwierigkeiten die Übertragung der Autobahnphilosophie des ungestörten Verkehrsflusses auf die Landstraßen mit sich bringt. Der generelle Ausschluss von untergeordneten Anbindungen z. B. einzelner entlegener Gebäude oder Gehöfte sowie kleiner Straßenverbindungen für die EKL 1 und 2 kann nicht zielführend sein. Zumindest Lösungen, die ein Rechtsausbiegen bzw. Rechtseinbiegen ermöglichen, sollten vorgesehen werden können. Für das Linksabbiegen wäre zu prüfen, ob die in Schweden praktizierte Lösung, mit indirektem Abbiegen (nach rechts Ausfahren und anschließend Kreuzen) praktikabel ist. Hierzu ist jedoch der angestrebte autobahnartige Ausbaustandard zu überdenken und ggf. das Element zweistreifiger Abschnitte für EKL 1 zu ergänzen. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit ist dies bei 3-streifigen Querschnitten unproblematisch, da ohnehin durch die wechselnde Zuordnung der Überholspur abschnittsweise nur ein Fahrstreifen pro Richtung existiert. Zurückkommend auf das Beispiel B 169 und K 6612 (siehe Abb. 24) wäre unabhängig davon jedoch zumindest eine Einbindung der Kreisstraße im Bereich der Querung der Bundesstraße sinnvoll gewesen, um die Entlastungswirkung der Umgehungsstraße für die Stadt Senftenberg zu maximieren und neben dem Durchgangsverkehr auch weitere Quell- und Zielverkehre aus dem Stadtgebiet heraus zu verlagern. Auch beim Neubau der Bundestraße B 112n im Bereich der Ortslage BrieskowFinkenheerd südlich der Stadt Frankfurt (Oder) werden die möglichen Entlastungspotenziale der Neubautrasse nicht genutzt (siehe Abb. 25). Hinzu kommen, weitere durch den vorgesehen Ausbaustandard bedingte, Konflikte. Eigentlich entspricht der geplante Trassenverlauf einer nachhaltigen und sinnvollen Entlastungsstrategie. Die Bundesstraße soll aus dem Ortskern heraus verlagert und zukünftig parallel zur Eisenbahnstrecke geführt werden. Damit erfolgt eine Bündelung von Lärmquellen. Allerdings wird den angrenzenden Nutzungen und Siedlungsstrukturen nicht Rechnung getragen. Die Neubautrasse soll auch in diesem Bereich der Trassierung und Dimensionierung der nördlich und südlich angrenzenden Außerortsbereiche folgend als Tempo 100-Straße mit 3-streifigem Querschnitt und ohne Anbindung an das örtliche und regionale Straßennetz durchgeführt werden. Begründet wird dies mit der überregionalen Bedeutung (Verbindungsfunktion) der Straße. Diese überlagert sich jedoch hier mit regionalen und lokalen Funktionen. Zudem ist eine ortsverträgliche Einordnung der Trasse mit reduziertem Querschnitt- und Geschwindigkeitsniveau erforderlich, um die negativen Auswirkungen des KfzVerkehrs zu minimieren. Bezogen auf die Gesamtfahrstrecke fällt es nicht ins Gewicht, auf einem ca. 2 km langen Abschnitt beidseitig nicht überholen zu können und etwas langsamer fahren zu müssen. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Abb. 25 Seite 55 Umgehungstrasse B 112n im Bereich Brieskow-Finkenheerd Karte: © OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA http://www.openstreetmap.org/ bzw. http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/ Entsprechend angepasste Lösungen werden dabei mit der Begründung verneint, dass eine einheitliche und wiedererkennbare Gestaltung erfolgen sollte. Derartige Zielstellungen sind prinzipiell nicht verkehrt, sollten jedoch nicht als Dogma gesehen und zu starr ausgelegt werden. Das Ingenieursprinzip sollte auch bei Planung und Entwurf von Landstraßen Anwendung finden. Hierzu ist es erforderlich, dass neben den Regellösungen auch für besondere Gegebenheiten sinnvolle Gestaltungslösungen in den Richtlinien mit aufgezeigt werden. Im Falle der B 112n in Brieskow-Finkenheerd (siehe Abb. 25) kommt hinzu, dass auf eine Anbindung der von Westen kommenden L 373 aus Kostengründen verzichtet wurde. Damit besteht auch für die südlich von Brieskow-Finkenheerd liegenden Ort- Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 56 schaften Wiesenau und Ziltendorf die erste sinnvolle Anbindung auf die Bundesstraße erst nördlich der Ortslage. Die Bündelungsfunktion der Neubautrasse wird so gänzlich konterkariert, da die entsprechenden Verkehre weiterhin die bestehende Ortsdurchfahrt B 112alt nutzen müssen und hier auch zukünftig für Lärm, Verkehrsunsicherheit und Trennwirkungen sorgen. Statt einer Entlastung entsteht so für die Ortslage Brieskow-Finkenheerd eine Doppelbelastung durch zukünftig zwei Hauptverkehrsstraßen. Grundsätzliches Problem bilden dabei u. a. die Qualitätsvorgaben der Regelwerke hinsichtlich des Anschlusses zwischen den einzelnen Straßenverbindungen. Flächensparende Lösungen z. B. durch Kreisverkehre, Turbokreisverkehre etc. werden mit dem Verweis auf einen ungestörten Verkehrsfluss und die Verbindungsfunktion (RIN) im Zuge der durchgehenden Relationen ausgeschlossen. Hierbei wird nicht berücksichtigt, dass an derartigen Schnittunkten ohnehin ein hoher Teil abzweigender und einmündender Verkehrsströme existiert. Auch Lösungen mit Parallelrampen sind im Regelwerk für Landstraßen nicht enthalten. Abb. 26: Flächenverbrauch Verknüpfung BAB 8 / B 20 (Umbauplanung / bestandsorientierte Alternativlösung) Die Folgen hinsichtlich der Flächeninanspruchnahme durch zu hohe Zielvorgaben beim Anschluss lassen sich am Beispiel des Anschlusses zwischen BAB 8 und B 20 sowie Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 57 zwischen B 20 und St 2103 in Piding verdeutlichen. Der bestehende Anschluss kommt mit einem minimalen Flächenverbrach aus. Der Anschlusskreisverkehr an die B 20 ist hoch ausgelastet, sorgt aber flexibel für eine ausreichende Verkehrsqualität aller Ströme. Mit dem nunmehr geplanten Ausbau der Autobahnanschlussstelle als Vollanschluss (Kleeblatt) ist ein immenser zusätzlicher Flächenbedarf verbunden (siehe Abb. 26). Gleichzeitig wird das unmittelbar östlich angrenzende Gewerbegebiet abgebunden und wäre zukünftig nur über Umwege unter Nutzung des südlichen Knotenpunktes mit der St 2103 erreichbar. Auch der Knotenpunkt mit der Staatsstraße wird durch den geplanten teilniveaufreien Ausbau stark aufgeweitet. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass etwa 3 km östlich eine zusätzliche Autobahnanschlussstelle an die B 21 geplant ist. Statt des Vollanschlusses sollte bei der Verknüpfung zwischen BAB 8 und B 20 sowie zur Anbindung der St 2103 eine flächensparende bestandsorientierte Lösung vorgesehen werden, welche auch die örtlichen Verknüpfungsnotwendigkeiten zu den Gewerbestandorten (direkte Zufahrt zur Autobahn) und des Fuß- und Radverkehrs berücksichtigt (siehe Abb. 27). Im Vergleich zur geplanten Kleeblattlösung beansprucht diese lediglich ca. 17,5 % der Fläche (siehe Abb. 26). Neben dem geringeren Flächenverbrauch ergeben sich auch deutlich geringere Investitions- und Unterhaltungskosten. Abb. 27: Flächenverbrauch Verknüpfung BAB 8 / B 20 Umbauplanung (rot) / bestandsorientierte Alternativlösung (grün) Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 58 Für flächensparende bestandsorientierte Lösungen sind die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Es ist unverständlich, dass der Einsatz von Kreisverkehren an Schnittpunkten der EKL 2 nicht möglich sein soll (siehe Abb. 23), wo gerade diese Lösung vielerorts in Deutschland am Schnittpunkt von Bundesstraßen und auch im Ausland erfolgreich praktiziert wird. Auch die generelle Tendenz einer Signalisierung bzw. Anlage von Kreisverkehren bei allen Kreuzungen im Zuge der EKL 2 und 3, auch bei der Einbindung untergeordneter Straßenverbindungen sorgt für eine Überregulierung und unnötige Kosten. Es kann nicht Ziel sein die Verantwortung der Verkehrsteilnehmer durch immer weiterführende Regelungen mittels aufwendiger baulicher Gestaltung und verkehrstechnischer Lösungen reduzieren zu wollen. Damit werden das eigenverantwortliche und vorausschauende Fahren sowie § 1 Abs. 1. der StVO („Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme“) konterkariert und die Probleme in den Ortslagen und Städten weiter verschärft, da die Verkehrsteilnehmer die Nutzungsansprüche aus dem Außerorts- auf den Innerortsbereich übertragen. Gleiches gilt auch für den Autobahnbereich. Hier ist zunehmend auch an den Knotenpunkten eine Durchdringung der Planungsphilosophie hin zu einer immer stärkeren fahrdynamischen Gestaltung, welche hohe Geschwindigkeiten bei den Abbiegevorgängen ermöglicht, zu beobachten. So bildet das sogenannte halbe Kleeblatt die einzig empfohlene Regellösung für Anschlussstellen an Autobahnen der Entwurfskategorie 1. Die Anwendung platzsparender Parallelrampen, die im Übrigen in den letzten Jahren an verschiedenen Stellen des Autobahnausbaus erfolgte, ist lediglich für Stadtautobahnen vorgesehen. Neben dem zusätzlichen Flächenverbrauch wird auch dadurch die Eigenverantwortlichkeit der Verkehrsteilnehmer reduziert. 3.13 Anwendung / Nutzung von Ermessensspielräumen Wie bereits punktuell angesprochen, ergeben sich vielfach auch Konflikte aus der Anwendung der bestehenden Regelwerke, Richtlinien und gesetzlichen Grundlagen. Dies ist vor allem dort der Fall, wo neue wissenschaftliche Erkenntnisse und daraus resultierend veränderte Prioritäten, Regelungen und Vorgaben zur Anwendung empfohlen werden. Ein Kernproblem ist dabei, dass verkehrsrechtliche Regelungen in der StVO aktuellen Entwicklungen häufig hinterherhinken. Gleiches gilt z. B. auch für die Berücksichtigung neuer innovativer Oberbauformen in den entsprechenden Regelwerken und Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen (ZTV). So ist z. B. der seit 2008 angewendete lärmarme sog. „Düsseldorfer Asphalt“35 keine Standardbauweise gemäß ZTV-Asphalt. Bei der Anwendung und Erprobung des Asphaltes erschwert dies die Ausschreibungs- und Gewährleistungsbedingungen. Bereits 35 LOA 5 D - klassischer Splitmastixasphalt mit optimierter Korngrößenverteilung, einem kleinen Größtkorn, modifizierten Bindemitteln und einer lärmtechnisch optimierten konkaven Oberflächenstruktur Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 59 für die ebenfalls lärmarmen offenporigen Asphalte war ein sehr langer Zeitraum erforderlich, um diese in den entsprechenden Regelwerken zu verankern. Auf der anderen Seite sind teilweise auch bei den Straßenverkehrsbehörden und Tiefbauämtern Vorbehalte gegenüber verschieden innovativen Markierungs-, Beschilderungs- und Gestaltungslösungen vorhanden. In einigen Orten erfolgt weiterhin auch bei Neuplanungen nahezu ausschließlich eine Führung des Radverkehrs auf Radwegen sowie Rad-/Gehwegen, obschon eine fahrbahnseitige Führung des Radverkehrs auf Radstreifen nachweislich sicherer ist. Radschutzstreifen werden neben vollwertigen Fahrspuren eingesetzt, obschon sie eigentlich Teil der Kfz-Fahrbahn sein sollen. Auch die Freigabe von Einbahnstraßen oder die Aufhebung der Benutzungspflicht nicht mehr zeitgemäßer Radverkehrsanlagen muss immer noch hart erkämpft werden. Die Realisierung entsprechender Maßnahmen im Sinne einer Umsetzung der aktuellen StVO erfolgt häufig nicht von allein aus durch die zuständigen Behörden. Gerade in Fällen, wo Ermessenspielräume bestehen, werden diese häufig zu Gunsten des Kfz-Verkehrs ausgelegt. Dies betrifft vor allem Geschwindigkeitsbeschränkungen im Hauptnetz zur Vermeidung erheblicher Gesundheitsgefährdungen durch Lärm (siehe hierzu auch Kapitel 3.4 und 3.10), aber auch verschiedene weitere Detailprobleme. So werden beispielsweise einzelner Formulierungen, welche den Ermessensspielraum der Behörde aufzeigen, schlichtweg ignoriert und starr nach den jeweiligen Regelempfehlungen gehandelt. Ein Beispiel bildet die verkehrsrechtliche Anordnung von Fußgängerüberwegen (FGÜ). Hierzu wird in der Richtlinie für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ) ausgeführt: „Außerhalb des für FGÜ möglichen / empfohlenen Einsatzbereiches können FGÜ in begründeten Ausnahmefällen angeordnet werden.“36 Eine Anordnung unter Bezug auf diesen Passus des Regelwerkes findet jedoch kaum statt. Speziell für den Sonderfall von FGÜ am Kreisverkehr ist diese Ausnahmefallregelung jedoch wichtig. In vielen Bundesländern wurde die Anwendungsnotwendigkeit von FGÜ an innerörtlichen mittlerweile durch spezielle Erlasse präzisiert. Jedoch bestehen vereinzelt weiterhin Probleme bei der Anwendung, da unter Verwendung der Mengenkriterien der R-FGÜ (siehe Abb. 28) nur in einzelnen Knotenpunktarmen FGÜ vorgesehen werden. Aufgrund der ansonsten vielen Verkehrsteilnehmern nicht bekannten Verkehrsregelung an Kreisverkehren ohne FGÜ37 ist jedoch in allen Knotenpunktarmen eine derartige Regelung notwendig. 36 37 Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen, Richtlinie für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ) Ohne FGÜ ist bei der Zufahrt in den Kreisverkehr der Kfz- gegenüber dem Fußverkehr bevorrechtigt, während bei der Ausfahrt aus dem Kreisverkehr die Fußgänger gegenüber dem Kfz-Verkehr den Vortritt genießen. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 60 Wesentlich eindeutiger sind die generellen Empfehlungen des Merkblattes für die Anlage von Kreisverkehrsplätzen - „innerhalb bebauter Gebiete sollten die Überquerungsstellen als FGÜ ausgebildet werden.“ - sowie im ADAC Praxisleitfaden der Kreisverkehr - „Wegen der unklaren Vorfahrtregelung an den Querungsstellen sollten grundsätzlich in allen Zufahrten FGÜ angelegt werden“. Abb. 28: Einsatzbereiche von Fußgängerüberwegen gemäß R-FGÜ Auch ergänzende Hinweise, wie z. B. die Möglichkeiten der Auf- bzw. Abwertung der Verbindungsfunktionsstufen gemäß RIN (siehe Kapitel 3.1), geraten aufgrund fehlender Hinweise unmittelbar in den zugehörigen Tabellen und Darstellungen zu den Regellösung häufig in Vergessenheit oder kommen aus anderen Gründen (z. B. politischen Vorgaben) nicht zur Anwendung. Auf bestehende Ermessenspielräume ist daher verstärkt und klar erkennbar hinzuweisen. Darüber hinaus ist die Information und Fortbildung der Mitarbeiter der zuständigen Behörden bezüglich aktueller Entwicklungen, Richtlinien, Gesetze, Ermessenspielräume etc. zu verbessern und eine unabhängige Evaluation von Maßnahmen nicht ausschließlich auf Verkehrssicherheitsaspekte bezogen vorzusehen. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die übergeordneten Landesbehörden, über die jedoch aktuell leider auch politische Interessen, teilweise mit kontraproduktiver Einflussnahme, eine Rolle spielen. So wurde z. B. die Stadt Jena vom Landesverwaltungsamt des Landes Thüringen aufgefordert, die aus Gründen des Lärmschutzes im Zuge verschiedener Bundesstraßen vorgesehene Tempo 30-Beschilderung für den Nachtzeitraum, wieder zu entfernen. Im Rahmen eines Einspruches der Stadt Jena hat sich jedoch letztendlich herausgestellt, dass deren Vorgehen (Tempo-30-Beschilderung) rechtens war. Zudem sind für verschiedene weitere Instrumente der Verkehrsplanung, z. B. City-Maut oder Section Control die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Anwendung entsprechender Maßnahmen ermöglichen. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht 3.14 Seite 61 Planungsprozess / Interessenkonflikte Die Höhe der Planungshonorare im Verkehrsplanungs- und Straßenbauwesen wird auf Grundlage der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) festgelegt. Dies bildet ein verbindliches Preisrecht für die Planungsleistungen. Maßgebenden Ausgangspunkt bilden dabei in der Regel die geschätzten bzw. tatsächlichen „anrechenbaren“ Baukosten der jeweils geplanten Baumaßnahmen. Hieraus ergeben sich Interessenskonflikte, die eine Planung sparsamer und ressourcenschonender, ökologisch und sozial verträglicher sowie nutzerfreundlicher Verkehrsanlagen nicht unbedingt befördern. Einsparungen sowie innovative Lösungen, die zudem hohen planerischen Aufwand und Einsatz bedingen, werden nicht honoriert, sondern schlagen sich im Gegenteil sogar honorarmindernd nieder. Eine flächendeckende Veränderung im Sinne einer integrierten und nachhaltigen Planungsphilosophie kann daher nur erfolgreich sein, wenn andere Wege zur Bestimmung der Planungshonorare gefunden oder für entsprechende Kosteneinsparungen honorarseitig Anreize geschaffen werden. Diese Interessenkonflikte reichen dabei bis in den Bereich der Regelwerkerstellung hinein. Die Ermittlung des aktuellen Standes der Technik erfolgt zu großen Teilen durch die FGSV. Deren Mitglieder sind Vertreter aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft. Bezüglich der Dimensionierung von Straßenverkehrsanlagen spielen auch hier verschiedene Lobbyinteressen eine Rolle. Diese sind weder für alle Mitglieder zu verallgemeinern noch gänzlich von der Hand zu weisen. Positiv ist, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten alle Verkehrsarten, insbesondere auch der Fuß- und Fahrradverkehr, der Umweltschutz sowie die Landschaftsplanung bei der FGSV eine stärkere Rolle bekommen haben. Inwieweit eine noch umfangreichere Einbindung von Interessenvertretern aus Raumentwicklung und Umweltbereich sinnvoll ist, muss diskutiert werden. Gleiches gilt für die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), deren Umweltbereich ebenfalls ausgebaut werden sollte. Ziel muss eine stärkere Vernetzung der einzelnen Teilaspekte Verkehrsplanung, Verkehrstechnik, Ingenieurbau und Umweltschutz vom Planungsbeginn an sein. Satt der sektoralen Betrachtung und Planung einzelner Teilabschnitte und Teilfachgebiete ist ein frühzeitiger integrierter / komplexer Planungsansatz erforderlich. Ausschließlich technische Lösungen vernachlässigen die erforderliche menschliche Verhaltenskomponente, den Respekt vor der Natur und die ökologischen Grenzen. Die vor allem bei Großprojekten zu beobachtende „Heilung“ von Konflikten z. B. durch zusätzliche Maßnahmen im Umweltschutz zum Ende der Planung ist nicht zielführend. Da liegt es manchmal nicht fern, anstatt von Ausgleich herstellen, von Ablass leisten zu sprechen. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht 4 Seite 62 Zielstellungen / Zusammenfassung der Hinweise In der nachfolgenden Tab. 6 werden die wesentlichen Zielstellungen und Effekte hinsichtlich einer nachhaltigen und integrierten Planung und Dimensionierung von Verkehrsanlagen im Sinne der Hinweise in Kapitel 3 zusammengefasst. Zu berücksichtigen ist dabei, dass zwischen den einzelnen Themenfeldern vielfältige Wechselbeziehungen bestehen. Themenfeld Zielstellungen / Effekte Ökologie Reduzierung von Lärm, Luftschadstoffen Verbesserung der CO2-Bilanz Reduzierung von Flächenversieglung / Flächenverbrauch Minimierung der Zerschneidung von Natur- und Erholungsräumen Senkung von Investitionskosten Reduzierung von Unterhalts- und Instandhaltungskosten Reduzierung externer Kosten effektive Auslastung bestehender Infrastruktur Reduzierung der Anforderungen an die Fahrzeugtechnik Einsatz innovativer Instrumente zur Lösung von Verkehrsproblemen Stärkung des Umweltverbundes Bündelung des Verkehrs im Hauptnetz Stadt- und Sied- Reduzierung von Trennwirkungen lungsentwicklung Erhaltung kleinteiliger Strukturen Förderung kurzer Wege Reduzierung von Gesundheitsgefährdungen für Bewohner Erhöhung der Stadt-, Wohn- und Aufenthaltsqualität geringerer Flächenverbrauch durch ruhenden Verkehr Ökonomie Technik Verkehr Tab. 6 Zielstellungen / Effekte Die daraus abgeleiteten Hinweise zu den Regelwerken und Richtlinien sowie deren Anwendung in Bezug auf die Dimensionierung der Verkehrsanlagen werden ebenfalls tabellarisch in Tab. 7 nochmals zusammengefasst. Hierbei sei nochmals darauf verwiesen, dass die Betrachtungen beispielhaft erfolgt sind und nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Problem / Richtlinie / Kapitel Hinweis RIN Festlegung Verbindungsfunktionsstufe ausschließlich an Hand zentraler Orte 3.1 RIN Zeit bzw. geschwindigkeitsbasierende Bewertung 3.1 RAL Abstufung Entwurfsklasse III nicht vorgesehen 3.1 Prognose BVWP zu hohe Annahmen bei der prognostischen Entwicklung der Verkehrsaufkommen 3.2 Bedarfsanmeldung BVWP Wunschliste durch die Länder 3.6 Verkehrsprognosen parallel Berücksichtigung anderer Maßnahmen 3.2 Verkehrsprognosen unsichere Prognoseannahmen 3.2 Kosten-Nutzen Nutzen fast ausschließlich aus Zeitgewinnen Kosten-Nutzen Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Seite 63 Anregung - gleiche Verbindungsstufe für stark verdichtete und peripheren Räume Raum- und Siedlungsentwicklung stärker berücksichtigen - tatsächlicher Bedarf und regionale Besonderheiten nicht berücksichtigt - einseitige Betrachtung - Förderung des Kfz-Verkehrs - höhere Zeitwerte für ÖPNV - ggf. Überdimensionierung bei zu geringer Verkehrsbedeutung - zu starre Reglung - fehlende Berücksichtigung aktueller Entwicklungen (Demographie, Energiekosten etc.) - Übertragung auf Objektprognosen - fehlende integrierte Netzbetrachtung Integrierte Netzplanung - Umsetzung von Projekten mit geringer Verkehrswirksamkeit - Schaffung von Konflikten in anderen Netzabschnitten Bündelung im BABNetz statt Bundesstraßenalternativen auf zeit- / geschwindigkeitsbasierte Bewertung verzichten, Wechselwirkungen integrieren flexiblere Handhabung nach tatsächlicher Verkehrsbedeutung Verwendung realistischer Prognoseannahmen Ortsumgehungen nur wo verkehrlich sinnvoll - gegenseitige Begründung der Maßnahmen (induzierter Verkehr) - Umsetzung teilweise nicht absehbar - zu hohe Verkehrszuwächse für den Prognosenullfall - Überdeckung der eigentlichen Effekte 3.3 - 3.3 - statt Nutzen entstehen lediglich länanderen Faktoren stärgere Fahrtwege (konstantes tägliches ker Wichten (LoslöReisezeitbudget) sung von theoretischen Zeitvorteilen) induzierten Verkehr & keine ausreichende Berücksichtigung Kosten Rückbau Alt- Stadt - Verkehr - Umwelt Planfall nur mit der zu planenden Maßnahme betrachten Analysefall mit Maßnahme rechnen Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Problem / Richtlinie / Kapitel Hinweis Induzierter Verkehr 3.4 Lärm zu hohe Werte für die Lärmsanierung 3.4 Integrierte Planung Ausbau im Bestand 3.5 RASt Nichtanwendung städtebauliche Dimensionierung Finanzierung Rückbaumaßnahmen Anregung des induzierten Verkehrs Lärm keine Grenzwerte für bestehende Straßen 3.7 3.8 trasse berücksichtigen - Aufhebung der positiven Effekte - keine nachhaltige Lösung der bestehenden Lärmprobleme im Hauptstraßennetz möglich - Verhinderung bestandsorientierter Lösungen - Priorisierung von Neubaumaßnahmen (Lärmschutz verpflichtend) - Orientierung auf kostenintensive Neubauprojekte - Vergleich mit Ausbau im Bestand unter z. T. unfairen Voraussetzungen - Dimensionierung von innen nach außen / Anwendung zu breiter Kfzfahrspuren - unzureichende Verkehrsanlagen für Fuß- und Radverkehr sowie ÖPNV - städtebaulich kontraproduktiv - geschwindigkeitserhöhende Effekte - Förderziel: häufig Verbesserung der Verkehrsverhältnisse - Reduzierung Fahrspuren oder Angebotsqualität für den Kfz-Verkehr damit förderschädlich - wenig Fördermittel für Rückbau Seite 64 Lärmsanierungsgrenzwerte absenken bzw. Instrumente schaffen die nachhaltige Lösungen ermöglichen Finanzierung zu Gunsten Gesundheitsschutz anpassen bei Neubauvorhaben bestandsorientierte Alternative fair prüfen Neuabwägung zugunsten Umwelt- & Gesundheitsschutz, städtebauliche Integration und Umweltverbund erforderlich Verbesserung der Verkehrsverhältnisse aller Verkehrsarten Schaffung von Förderinstrumenten für städtebauliche Dimensionierung Finanzierung sektorale Finanzierung 3.8 - Fördermittel von höherer Stelle sorgen für Finanzierung ohne Bezug zu den lokalen Abgaben lokale Finanzierungsstrukturen entwickeln HBS Bewertung der Qualitätsstufen 3.9 - Bewertung für die Spitzenstunden - „gute“ qualitative Bewertung bedeutet daher ggf. Unterauslastung / Überdimensionierung hohe Auslastungen als Indiz für effektive Auslastung des Verkehrsnetzes ansehen Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Problem / Richtlinie / Kapitel HBS zeitlich beschränkte Spitzenverkehre Verkehrssicherheit Umgang mit dem Thema Geschwindigkeit Lärm Gesundheitsschutz an Hauptverkehrsstraßen RAA / RAL Regelquerschnitte RAL Regelquerschnitte RASt Hinweis 3.9 3.10 3.10 3.11 3.11 3.11 Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger 3.12 Anregung Nutzung innovativer Planungsinstrumente (z. B. Standstreifenfreigabe) - Überdimensionierung bei Auslegung der Verkehrsanlagen auf kurze zeitlich beschränkte Spitzenverkehre - Beispiel Urlaubsverkehre auf BAB - Priorisierung baulicher und technischer Lösungen gegenüber regulatorische Maßnahmen Geschwindigkeitskontrollen und Sanktionen erhöhen - Auswirkungen auf Unfallsituation, Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Fahrzeugtechnik, Luftschadstoffhintergrundbelastung, Lärmsituation Einführung Tempolimit auf BAB - unzureichende Anwendung von Ermessensspielräumen gemäß § 45 StVO (Geschwindigkeitsbegrenzung) - Mittelungspegel bilden Lästigkeit des Autobahnlärms nicht ausreichend ab Veränderung Umgang mit Lärmminderungsmaßnahmen zum Gesundheitsschutz - Geschwindigkeitsübertretungen im Lkw-Verkehr werden kaum geahndet - Verbreiterung der Regelquerschnitte im Vergleich zur Vorgängerrichtlinie - Erhöhung negativer Effekte (Flächenverbrauch, Lärm, Geschwindigkeiten, etc.) Tempo 100 / 80 oder Tempo 60 für Lkw in bebauten Gebieten Schaffung rechtliche Voraussetzungen für section control Minimierungs- bzw. Ingenieursprinzip anwenden Geschwindigkeiten reduzieren (BAB) - schmalster Querschnitt zukünftig RQ 9 (RQ 7,5 nicht mehr enthalten) - Überdimensionierung bei minimaler Verkehrsbedeutung zusätzliche Entwurfsklasse mit RQ 7,5 und einstreifigem Querschnitt mit Ausweichstellen - Verbreiterung Raumbedarf bei eingeschränkten Bewegungsspielräume Anpassung der Regelungen prüfen - breitere Mindestquerschnitte - Tendenz zu niveaufreien und teilniveaufreien Knotenpunktlösungen - einseitige Betrachtung von Verkehrs- Bewegungsspielräum RAA / RAL Dimensionierung Knotenpunkte Seite 65 Stadt - Verkehr - Umwelt kleinteilige Anbindungen und flächensparende Lösungen Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Problem / Richtlinie / Kapitel Hinweis Anregung sicherheitsgewinnen RAL Knotenpunkte 3.12 Seite 66 - erhöhter Flächenverbrauch, Umwege, Trennwirkungen etc. - teilweise Wegfall sinnvoller Anbindungen - Reduzierung der Entlastungswirkungen (Kreisverkehr, Turbokreisverkehr, Parallelrampen etc.) ermöglichen Entwurfs- und Ausbaustandards reduzieren Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer erhalten RAA Knotenpunkte 3.12 - Parallelrampen für Autobahnen der Entwurfsklasse 1 nicht vorgesehen Anwendung Ermessensspielräume 3.13 - verkehrsrechtliche Regelung hinkt aktuellen Entwicklungen hinterher klarer auf Ermessensspielräume hinweisen - Vorbehalte gegenüber innovativen Lösungen - Auslegung Ermessensspielräume zu stark zu Gunsten des Kfz-Verkehrs Informationen verbessern & politische Einflussnahme minimieren Planungsprozess Interessenkonflikte Planungsprozess Interessenkonflikte Tab. 7 3.14 3.14 - fehlende rechtliche Voraussetzung für innovative Maßnahmen (CityMaut, Section Control) - Honorare in Abhängigkeit von der Bausumme - keine Anreize für Kosteneinsparungen - teilweise Lobbyinteressen bei Erarbeitung der Richtlinien - weitere Potenziale für Berücksichtigung Umweltaspekte rechtliche Voraussetzungen schaffen Andere Wege zur Honorarbestimmung oder Anreize für Kosteneinsparungen schaffen Stärkung der Umweltbereiche bei Richtlinienerarbeitung integrierter / komplexer Planungsansatz Zusammenfassung der Hinweise und Anregungen Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht 5 Seite 67 Zusammenfassung / Fazit Für Planung, Entwurf, Bau und Betrieb von Straßen existieren in Deutschland eine Vielzahl von Richtlinien, Merkblättern, Leitfäden, Hinweisen, Gesetzen, Anweisungen, Verordnungen, Technischen Prüfvorschriften, Sammlungen etc. Mittlerweile besteht ein komplettes Richtlinienwerk, welches nahezu alle verkehrsplanerischen sowie verkehrstechnischen Fragestellungen abdeckt. Insbesondere für den Innerortsbereich beinhalten die aktuellen Regelwerke und Richtlinien eigentlich alle notwendigen Werkzeuge für eine städtebauliche angemessene Dimensionierung und Straßenraumgestaltung unter Berücksichtigung aller Verkehrsarten sowie der Aspekte des Umwelt- und Gesundheitsschutzes. Teilweise unzureichend ist jedoch die praktische Umsetzung der entsprechenden Regelungen. Hinzu kommen speziell im Hauptstraßennetz Hemmnisse durch eine weiterhin zu starke sektorale Priorisierung der Belange des Kfz-Verkehrs im Rahmen der Abwägung ökologischer Aspekte, ökonomischer Austauschprozesse, sozialer Teilhabechancen und verkehrsorganisatorischer bzw. gestalterischer Maßnahmen. Außerorts ergeben sich durch die stark von Zeitgewinnen und Fahrgeschwindigkeiten dominierte Bewertung bei Kosten-Nutzen-Berechnungen, bei der Bedarfsplanung und bei der Festlegung von Verbindungsfunktionen (RIN) teilweise unangemessene und überdimensionierte Verkehrsanlagen. Hier sind zukünftig verstärkt Wechselwirkungen zwischen Raum- und Siedlungsentwicklung, regionale Besonderheiten sowie umweltund landschaftsbezogenen Planungsziele im Sinne einer „angemessene“ Angebotsqualität sowie einer tatsächlich integrierten Netzplanung zu berücksichtigen. Statt teurer Neubauvorhaben sind vielerorts die notwendigen Verbesserungen zur Beseitigung erheblicher Verkehrsengpässe, Behebung auffälliger Sicherheitsdefizite und Minderung deutlicher Belastungen der bebauten Umwelt auch und teilweise besser durch eine kleinteilige und bestandsorientierte Optimierung der Verkehrsnetze zu erreichen. Neubautrassen sollten nur dort entstehen, wo ein tatsächlicher Nutzen vor Ort entsteht. Hierzu ist eine Loslösung von den theoretischen Zeitvorteilen bei der Bewertung des Nutzens von Straßenverkehrsprojekten erforderlich. Effektiv sind Neubauvorhaben i. d. R. lediglich dort, wo tatsächlich hohe Durchgangsverkehrsanteile bestehen. In jedem Fall sollte der Rückbau der zu entlastenden Alt-Trasse kostenseitig mit berücksichtigt und im Rahmen des Neubaus finanziert werden. Auch der Ansatz, bestehende Verkehrssicherheitsprobleme vorrangig baulich bzw. technisch durch immer weiterführende Regelungen und fahrdynamische Gestaltungsvorgaben lösen zu wollen, ist zu hinterfragen. Dabei muss auch beachtet werden, dass viele historisch gewachsene, standortbezogen individuell gestaltete und dabei flächen- Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 68 und kostensparende Verkehrslösungen häufig bestens funktionieren, obwohl sie nach heutigem Standard nicht mehr richtlinienkonform sind. Das gute Funktionieren findet auch deshalb statt, weil die Straßenbenutzer z. B. die standortbezogenen Trassierungs- und Dimensionierungsansätze mehr oder weniger bewusst erkennen und akzeptieren, vor allem aber den im deutschen Straßenverkehrsrecht verankerten Grundsatz des eigenverantwortlichen und vorausschauenden Fahrens gemäß § 1 StVO anwenden. Dieses Verhalten wird hingegen bei der regelkonformen und zumeist großzügigen Dimensionierung von Fahrbahnquerschnitten und Anschlussknotenpunkten weniger eingefordert, wie auch die Aspekte Flächenverbrauch, Umwege für den Kfz-Verkehr, Trennwirkungen und Umwege für den Fuß- und Radverkehr etc. nicht ausreichend berücksichtigt werden. Eine wesentliche Wechselbeziehung besteht dabei zum richtlinienbedingt angestrebten relativ hohen Geschwindigkeitsniveau, was durch die unzureichende Überwachung und Sanktionierung bestehender Verkehrsregeln noch unterstützt wird. Sowohl zur Reduzierung negativer Umweltwirkungen durch den Kfz-Verkehr, als auch wegen verschiedener verkehrlicher Vorteile, wie geringeren Unfallhäufigkeiten, besserem Verkehrsfluss etc. ist die Einführung standortbezogener spezifischer Geschwindigkeitsfestlegungen einschließlich einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen überfällig. Abschließend ist festzustellen, dass bei einer Betrachtung des aktuellen Reglements für Planung, Entwurf, Bau und Betrieb von Straßen verschiedene Ansatzpunkte zur Optimierung bestehen. Wichtige Handlungsebenen bilden dabei die Weiterentwicklung der Richtlinien im Sinne einer noch stärken Berücksichtigung der Auswirkungen von Verkehr auf Mensch, Umwelt und Natur sowie der komplexen Wechselwirkungen zwischen verkehrlichen, ökologischen, ökonomischen, technischen sowie stadt- und siedlungsstrukturellen Aspekten. Dies gilt insbesondere für den Außerortsbereich sowie für die Anwendung geltender Richtlinien innerorts. Darüber hinaus sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine zukunftsorientierte Verkehrsplanung zu schaffen. Neben verkehrsrechtlichen Vorgaben (z. B. Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen), Änderungen bezüglich des Lärmschutzes, einer alternativen Bestimmung der Planungshonorare etc. bildet die Prioritätensetzung bei der Finanzierung / Förderung von Verkehrsanlagen ein wesentliches Steuerinstrument. Eine weitere wichtige Handlungsebene liegt im Anwendungs- und Umsetzungsbereich bezüglich der Nutzung von Handlungsspielräumen sowie einer Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten und einer ressourcenschonenden Dimensionierung der Verkehrsanlagen. Neben regelmäßigen Informationen zu aktuellen Entwicklungen ist hier- Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 69 bei auch eine fachliche Begleitung bzw. ein Monitoring im Rahmen des Planungsprozesses erforderlich, welches neben der Verkehrssicherheit auch ökologiosche und ökonomische Aspekte beinhaltet. Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht 6 Seite 70 Literaturverzeichnis [1] ALLGEMEINER DEUTSCHER AUTOMOBIL-CLUB E. V. (ADAC): ADAC-Praxisleitfaden der Kreisverkehr, München 2005 [2] BUNDESINSTITUT FÜR BAU-, STADT- UND RAUMFORSCHUNG (BBSR), Wie weit ist es zur nächsten Autobahn? Neue Erreichbarkeitsanalyse des BBSR, http://www.bbsr.bund.de/cln_032/nn_1051708/BBSR/DE/Raumbeobachtung/ AktuelleErgebnisse/Raumentwicklung/Erreichbarkeiten/autobahnen __node.html?__nnn=true [letzter Zugriff: 02.07.2013] [3] BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND: Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden, 18. März 1971 (BGBl. I S. 239) mit letzter Änderung vom 5. April 2011(BGBl. I S. 554, 555 f.) [4] BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND: Sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. 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Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU Reglements der Straßenplanung in Deutschland aus umweltpolitischer Sicht Seite 71 [13] DEUTSCHER BUNDESTAG, Unterrichtung durch die Bundesregierung zum Bundesverkehrswegeplan 2003, Drucksache 15/2050, 17.11.2003 [14] EUROPÄISCHEN PARLAMENTES UND RATES: Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, Luxemburg, 25. 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Ditmar Hunger Stadt - Verkehr - Umwelt Dresden SVU