Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich
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Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich
Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich a) Einleitung Kulturelle, gesellschaftliche und psychologische Aspekte der Musik Musik gibt es, seit es Menschen gibt, sie ist seit jeher Bestandteil des Menschseins. Rhythmus, Harmonie und Melodie lösen Emotionen aus und können uns Menschen in ihren Bann ziehen. Musik berührt Geist und Seele, sie wühlt uns auf und beruhigt uns. Was Worte alleine nicht sagen können, bringt seit jeher die Musik zum Ausdruck: große Freude, unfassbare Trauer, Siegestaumel und Liebesschmerz. Bedeutende Momente und große Gefühle in unserem Leben werden von Musik begleitet. Für viele Menschen sind Erinnerungen untrennbar mit Musik verbunden: Kinderlieder, die erste selbst gekaufte Single, ein schöner Urlaub mit Freunden, die erste Liebe, eine Hochzeit oder ein tolles Konzert. Vor allem auch für Schüler ist Musik Unterhaltung, ein wichtiger Bestandteil in der Freizeit und für viele auch Ausdruck ihrer Lebensphilosophie. Für Österreich und seine Stellung in der Welt hat Musik seit Jahrhunderten große kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung. Oper, Operette und klassische Musik begeistern und begleiten unverändert das Leben sehr vieler Menschen aller Altersgruppen, ob am Stehplatz oder in der Festloge. Mozart, Schubert, die Wiener Philharmoniker und das Neujahrskonzert sind untrennbar mit unserem Land verbunden. Musik ist heute aber den Festen, den Ball- und Konzertsälen, den Kirchen und den Hausmusik-Abenden entwachsen und hat das tägliche Leben erobert. Sie ist durch Radio, CD- und MP3-Player, Fernsehen und Internet allgegenwärtig und überall abrufbar. Sie dient nicht nur zur Untermalung. Sie hilft Menschen bei der Einordnung ihres Gegenübers und ist somit ein wichtiges Werkzeug der nonverbalen Kommunikation: „Sage mir, was du hörst, und ich sage dir, wer du bist.“ Musik hat deshalb besonders bei Jugendlichen einen hohen Stellenwert. Wer „in“ ist, der weiß auch, wer die Charts anführt und welche Gruppen und welcher Musikstil gerade im Trend liegen. Der Musikgeschmack ist allerdings weit gestreut und beschränkt sich bei weitem nicht auf diese Musikrichtungen und auch nicht nur auf Stars der Gegenwart. Surfer und Snowboarder haben ihre eigene Musik ebenso wie die Hörer von Popsendern und die Zuseher von Viva, MTV oder GoTV. www.ideensindetwaswert.at 01 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Ideen sind etwas wert Was die Österreicher/innen am liebsten in der Freizeit tun: 1 2 4 17 9 1 2 3 2 5 1 2 3 8 4 8 4 10 19 5 18 9 12 2 5 15 13 4 9 20 25 6 12 11 20 44 23 22 33 23 30 76 55 27 57 45 25 29 41 35 20 13 Fernsehen (fast) täglich Musik nebenbei hören Ausruhen mit der Familie sein Lesen mehrmals/Woche 9 vor dem Wandern/ Musik Computer aufmerksam Spazieren sitzen hören mehrmals/Monat seltener Freunde treffen mehrmals/Jahr nie Was den Österreicher/innen an ihrer Musik wichtig ist 3 2 4 6 4 5 3 6 12 7 9 8 4 14 13 14 9 5 18 6 6 16 17 18 11 13 9 12 19 21 24 25 22 20 12 24 15 25 29 25 23 22 55 42 37 39 31 26 dazu entspannen können hervorragende Musiker sehr wichtig Text, der anspricht Gefühle ausleben können Rhythmus zum Tanzen nachpfeifen/ verbindet mit nachsingen Freunden Persönlichkeit ausdrücken unwichtig Quelle: Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Studie „Wozu Musik?“ 2010. 02 www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Die Studie „Wozu Musik?“ von der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien zeigt, dass Musik im Leben der Österreicher/innen eine zentrale Rolle spielt. 85% der Bevölkerung bezeichnen Musik als unverzichtbaren Teil ihres Lebens. In der Freizeit wird insgesamt öfter aufmerksam Musik gehört als Sport betrieben und jede(r) Zweite ist musikalisch aktiv. Die mit Abstand wichtigste Funktion der Musik wird von den Österreicher/innen in ihrem Erholungswert gesehen. Für mehr als die Hälfte ist es sehr wichtig, dass sie sich zu Musik entspannen können. Die Qualität der musikalischen Darbietung wird ebenfalls sehr hoch bewertet. So ist es für 41% sehr wichtig, dass die Musik von hervorragenden Musikern gesungen oder gespielt wird. Auch ansprechende Texte und die Möglichkeit, zur Musik seine Gefühle auszuleben, werden positiv bewertet. Der Wunsch nach Ausdruck der Persönlichkeit ist vor allem bei unter Dreißigjährigen besonders wichtig. Und dass Musik mit den Freunden verbindet, ist umso wichtiger, je jünger man ist. Quelle: Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Studie „Wozu Musik? Musikalische Verhaltensweisen, Vorlieben und Einstellungen der Österreicher/innen“ 2010, Projektleiter: Dr. Michael Huber Die Erhebung erfolgte durch mehr als 1.000 persönliche Interviews. Das Interesse und die Reaktionen, die Musik hervorruft, werden in verschiedensten Bereichen genutzt: um Kinder in den Schlaf zu wiegen, um Freude bei Siegen im Sport auszudrücken oder um die Spannung in einem Film bei den Zusehern zu steigern. Auch im Gesundheitsbereich wird Musik eingesetzt. Eigens ausgebildete Therapeuten nützen ihre Wirkung im Rahmen der Musiktherapie. Musik wird aber auch genutzt, um Produkten in der Werbung eine Identität zu geben oder um unsere Kauflust in Geschäften anzuregen. Sie ist auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein wesentlicher Faktor unserer Gesellschaft. Die Kreativität, die dem Entstehen von Musik zu Grunde liegt, fordert Talent, Konzentration, Einsatz, Arbeit sowie Freude an der Musik und der Komposition. Nicht zufällig werden Komponisten aus vergangenen Jahrhunderten verehrt, sind Elvis, Stones und Beatles immer noch für viele Idole – oft kopiert und doch nicht erreicht – und sind Madonna, Robbie Williams, Shakira, Pink, Lady Gaga, David Guetta oder Christina Stürmer Idole für viele Jugendliche. Musiker und auch alle anderen Künstler schaffen ein Produkt, das sowohl einen ideellen, durchaus aber auch einen finanziellen Wert hat. Es ist geistiges Eigentum. Ludwig Hirsch zum Thema Schutz des Geistigen Eigentums: „Wer etwas findet, das ein anderer nicht verloren hat, ist ein Dieb. Ich habe weder meine Musik, meine Texte, noch meine Kreativität verloren.“ www.ideensindetwaswert.at 03 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Ideen sind etwas wert Einige Zitate zum Thema „Musik“: „Musik ist wie ein alter Freund, der keine Fragen stellt." Nelly Furtado „Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“ Victor Hugo „Ich betrachte die Musik als die Wurzel aller übrigen Künste.“ Heinrich von Kleist „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“ Friedrich Nietzsche „Musik ist der vollkommene Typus der Kunst: sie verrät nie ihr letztes Geheimnis.“ Oscar Wilde „In ,Hoffnung‘ gibt es eine Passage, wo ich darüber singe, dass die Musik das Schönste auf der Welt ist. Mit ganz simplen Worten, fast schon kitschig, aber einfach die Wahrheit. Das sind Stellen, die man vielleicht sogar versteht, wenn man die Sprache nicht spricht, die sich rein über die Musik erschließen.“ Jan Delay Bedeutung des Films in der Gesellschaft „Film ist 24mal in der Sekunde die Wahrheit.“ (Jean-Luc Godard) Keine andere Kunstform hat das 20. Jahrhundert so geprägt wie die Kunstrichtung Film. Erstmals war es möglich, Fotos in bewegte Bilder zu übersetzen und mit Sprache, Musik und Schnitt in eine Komposition zu bringen. In den Kindertagen des Films war Europa noch Vorreiter des jungen Mediums – man denke nur an den österreichischen Monumentalfilm „Sodom und Gomorra“ aus dem Jahr 1922. Die Vorreiterrolle im Monumentalfilm – heute wohl Blockbuster-Film – wurde bald von den USA übernommen. Heute ist der US-Film in Europa mit über 75 Prozent Marktanteil dominant. Angesichts dieser Dominanz ist die Feststellung des französischen Schauspielers Gerard Depardieu berechtigt: „Die Filmindustrie ist Kern unserer Kultur und unserer Werte. Die Bilder des Films und des Fernsehens sind der Spiegel, in dem wir uns betrachten und das Fenster, durch welches wir das Leben der anderen sehen. Die 04 www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Frage, die wir uns daher stellen müssen lautet: Werden wir diese Bilder in Zukunft selbst herstellen, oder werden wir nur als passive Betrachter daneben stehen, die sich die Bilder anschauen, die andere für sie produziert haben?“ Für diese Dominanz gibt es mehrere Gründe: k Film ist teuer und daher in einem großen einheitlichen Wirtschafts- und Sprachraum kostengünstiger und wirtschaftlicher zu produzieren. Der US-Wirtschaftsraum verfügt über entsprechende Finanzierungssysteme. k Ein weiterer Grund ist der amerikanische „Way of Life“, der gerade durch US-Film und Musik im Nachkriegseuropa den europäischen Lebensstil nachhaltig geprägt hat. Das Erfolgsmodell des US-Films ist zu einem nicht unwesentlichen Teil durch das vom Nationalsozialismus verursachte Zwangsexil österreichischer Kreativer beeinflusst – ein „Aderlass“, von dem sich der österreichische Film erst im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts lösen konnte. Viele große Namen der amerikanischen Filmgeschichte kamen aus Österreich: Billy Wilder, Erich von Strohheim, Otto Preminger, Fred Zinnemann, Eric Pleskow etc. Die heimische Filmlandschaft hat sich seit Gründung der Filmförderung 1981 zu einem auf der ganzen Welt anerkannten „Österreichischen Filmwunder“ entwickelt – das Portfolio reicht inzwischen von Publikumshits wie Niki Lists „Müllers Büro“ in den Achtzigerjahren, über Komödien wie „Indien“ und „Hinterholz 8“ in den Neunzigern bis zu den Werken des neuen Jahrhunderts von Regisseure/innen wie Michael Haneke, Ulrich Seidl, Barbara Albert und anderen (Mehr zu diesem Thema im Internet unter www.afc.at und www.filminstitut.at). Ein Beispiel: Michael Haneke konnte seit den Anfangsjahren der österreichischen Filmförderung mit anspruchsvollen Arthouse-Filmen – z.B. „Bennys Video“ (1991), „Funny Games“ (1997; 2001 als US-Version wiederverfilmt), der Verfilmung des Elfriede Jelinek-Romans „Die Klavierspielerin“ (lockte in Österreich über 100.000 Besucher, international aber mehr als 2 Mio. Besucher in die Kinos) – reüssieren. Zuletzt hat er mit „Das weisse Band“ (2009) sowohl künstlerisch (Oscar-Nominierung, Europäischer Filmpreis u.a.) als auch kommerziell (weit über 150.000 Besucher allein in Österreich) neue Maßstäbe gesetzt. Dies beweist die Nachhaltigkeit der österreichischen Filmförderung. Allerdings ist die Filmwirtschaft genauso im Umbruch wie die Musikwirtschaft. Die klassischen Medien Kino, Fernsehen, Video- bzw. DVD-Verleih werden immer mehr durch Online-Angebote, audiovisuelle Formate für Mobiltelefone und andere Innovationen ergänzt. Ob damit die Entwicklung weg vom „Blockbuster“ hin zu individuellen, das regionale und kulturelle Umfeld des Sehers berücksichtigenden Filmen www.ideensindetwaswert.at 05 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Ideen sind etwas wert gehen wird, wird sich zeigen. Der nachhaltige Erfolg heimischer Dokumentarfilme – z.B. „We Feed The World“ (2005) und „Plastic Planet“ (2009) – zeigt, dass sich die Zuschauer auch im Kino mit anspruchsvollen Themen beschäftigen wollen. Von der Dynamik dieser neuen Märkte kann auch die kleine, aber flexible und innovative österreichische Filmindustrie profitieren. Gleichzeitig macht die digitale Revolution auch vor dem Kino nicht halt: Digitale Projektion, vor allem aber 3D, eröffnen nicht nur neue optische Welten, sondern auch ökonomische Potenziale. Dies gilt nicht nur für den Kinofilm (man denke an den Einsatz von 3D bei Unterrichts-/ Bildungsfilmen). „Kulturpolitisch ist gerade Film ein Imageproduzent erster Ordnung. Ein kleines Land wie Österreich, das nicht im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit steht, braucht eine adäquate Positionierung, die heute vorrangig über audiovisuellen Inhalt erreichbar ist, der von Geschichte, Lebensumständen, Denkweisen und Befindlichkeit eines Landes erzählt.“ Danny Krausz, Produzent (DOR-Film) 06 www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich b) Wertschöpfung für Österreich Musik und Wirtschaft In unserem Kulturraum haben künstlerische Kreativität, berufliche und private künstlerische Betätigung sowie Unternehmen und Institutionen, die Kunstwerke aufführen oder Kunsterziehung und Ausbildung betreiben, einen hohen Stellenwert. „Die Kunst lebt nicht vom Brot allein“ ist ein alter Ausspruch, der bereits auf den direkten Zusammenhang zwischen Kunst und Wirtschaft hinweist: Die Ausübung der Kunst erfordert wirtschaftliche Grundlagen und entsprechende Rahmenbedingungen, ohne die kreative Leistungen bzw. die Verbreitung dieser Leistungen zum Teil nicht möglich sind. Durch Aktivitäten in der Kreation und der Verbreitung von Kunstwerken werden beträchtliche wirtschaftliche Effekte, wie z.B. Beschäftigung, Einkommen, Investitionen und Steueraufkommen, ausgelöst. Laut der Studie „Die Musikwirtschaft Österreichs - Strukturen, Chancen und wirtschaftliche Bedeutung“ von Univ.-Prof. Dkfm. Dr. Fritz Scheuch erwirtschaftete die österreichische Musikwirtschaft in den erfassten Erhebungsbereichen insgesamt eine Wertschöpfung von 2,175 Milliarden Euro (Erhebungsjahr 1998). Dies entspricht einem Anteil von 1,25% am (mehrwertsteuerbereinigten) Bruttoinlandsprodukt. In der Musikwirtschaft waren im Erhebungsjahr 42.537 Personen beschäftigt. Mit diesen Zahlen ist der Bereich Musikwirtschaft aus gesamtwirtschaftlicher Sicht unter Berücksichtigung von Beschäftigung und Wertschöpfung bedeutender als z.B. die Textilwirtschaft, die Papierindustrie, die chemische Industrie, die Kunststoffindustrie und die Produktion von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen in Österreich. Aber auch im Vergleich zu bedeutenden Dienstleistungssektoren zeigt sich, dass die Musikwirtschaft hinsichtlich Wertschöpfung z.B. den Bereichen Hotels, Gasthöfe und Pensionen gleichwertig ist (Details siehe Kapitel f). Musik ist also nicht nur ein Kulturfaktor, Musik ist auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Beiträge zur Wertschöpfung: Musikwirtschaft Unterschiede in der Beim Vergleich der relativen Wertschöpfungsbeiträge innerhalb der Musikwirtschaft zeigt sich die überragende Bedeutung leistungsfähiger Vertriebssysteme. Im direkten Vergleich zwischen Produktion und Vertrieb werden 78% der Wertschöpfung im Vertrieb und 22% in der Produktion erwirtschaftet. www.ideensindetwaswert.at 07 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Ideen sind etwas wert Zur Produktion zählen Musikautoren, ausübende Künstler, Tonstudios, Musikproduzenten, Tonträgerindustrie, Musikverlage und Agenturen. Zum Vertrieb werden Bühne und Aufführung, Tonträgerhandel, Online-Vertrieb und Presswerke, anteiliger Handel mit Geräten der Unterhaltungselektronik, Rundfunk und TV, anteilige Filmproduktion und -aufführung und Verwertungsgesellschaften gezählt. Wirtschaftspolitisch gesehen sind allerdings Kreation und Produktion in der Wertekette der Musikwirtschaft die zentralen Auslöser für alle weiteren wirtschaftlichen Effekte. Inhaltlich, insbesondere hinsichtlich des Anteils an populärer Musik, werden dabei auch die Weichen für das daraus resultierende nationale und internationale Geschäftsvolumen gestellt. Werden in diesen Vergleich auch die Bereiche Ausbildung und Musikinstrumentenherstellung und -handel einbezogen, ergibt sich hinsichtlich der Wertschöpfung ein Anteil von 16% für Musikkreation und Produktion, 57% für Distribution, 20% für Ausbildung und 7% für Musikinstrumente. In diesem Vergleich ist mit 20% insbesondere die relative Größe des Tätigkeitsfeldes Ausbildung sichtbar, das auch 25% der Beschäftigten aufweist. In der Produktion sind 42%, in der Distribution 27% und im Bereich Musikinstrumente 6% der Beschäftigten tätig. Produktion und Distribution von Musik in Österreich Beschäftigte Produktion Distribution 18.100 11.400 29.500 % 61 39 100 Wertschöpfung in Mio. EUR 345 1.233 1.578 % 22 78 100 Struktur der gesamten Musikwirtschaft in Österreich Beschäftigte Produktion Distribution Ausbildung Musikinstrumente Beschäftigte in Öst. BIP (MwSt.-bereinigt) % 18.100 11.400 10.650 2.380 42.530 % 42 27 25 6 100 Wertschöpfung in Mio. EUR 345 1.233 448 149 2.175 % 16 57 20 7 100 3.888.300 1,09% 173.993,3 1,25% Quelle: Scheuch, o. Univ. Prof. Dkfm. Dr. Fritz: Die Musikwirtschaft Österreichs. 08 www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Film und Wirtschaft „Filmemachen ist eines der größten und sichersten Geschäfte, die ich kenne. Aber nur für das Finanzamt.“ Carlo Ponti, italienischer Filmproduzent Die österreichische Filmindustrie ist bei Cineasten und inzwischen auch beim breiten Publikum sehr anerkannt. In den letzen Jahren konnte im österreichischen Kino der Anteil der Besucher österreichischer Filme verdreifacht werden; er liegt aber mit knapp unter 10% noch immer unter jenem vergleichbarer Länder (2008 in Deutschland z.B. 26,6%; zum Vergleich das unerreichte „Filmland Frankreich“ mit 45,4% 2008). Film ist allerdings nicht nur Kinofilm. Die nachfolgende Grafik zeigt die verschiedenen Filmarten und ihre Bedeutung in Österreich: Arten des Films und ihr Stellenwert in Österreich 2008 12,9 4,8 4,4 23,2 54,7 64 Fernsehfilme Sonstige Filme Wirtschafts-, Image- und Bildungsfilme Kinofilme Werbefilme Quelle: Filmwirtschaftsbericht 2009 / Filminstitut Die folgenden Ausführungen beziehen sich aber vorwiegend auf den fiktionalen und dokumentarischen Kino- und Fernsehfilm, da dieser in historischer und ästhetischer Hinsicht das Leitmedium bildet. Die Film- und Fernsehwirtschaft ist weltweit eine Branche mit hoher Wertschöpfung und qualifizierten Arbeitsplätzen. In diesem Bereich werden EU-weit Wachstumsraten von ca. 20% prognostiziert, die also weit über denen in anderen Branchen liegen. www.ideensindetwaswert.at 09 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Ideen sind etwas wert Die nachfolgende Tabelle zeigt einen Vergleich der Besucherzahlen österreichischer Filme: TOP 20 DER ÖSTERREICHISCHEN FILME NACH BESUCHERZAHLEN Rang Titel Produktion Regie Besuche 1 2 3 4 Dor Film Dor Film Wega Film Harald Sicheritz Harald Sicheritz Niki List 617.558 441.017 441.000 Bonus Film Dor Film Dor Film MR Film Dor Film Dor Film Köpf Film Dor Film Allegro Film Allegro Film Josef Aichholzer MR Film Dor Film Kurt Ockermüller Joseph Vilsmaier Wolfgang Murnberger Harald Sicheritz Wolfgang Murnberger Paul Harather Peter Hajek Wolfgang Murnberger Erwin Wagenhofer Erwin Wagenhofer Stefan Ruzowitzky Harald Sicheritz Sherry Hormann 372.539 307.276 278.790 272.849 230.361 223.680 210.000 205.424 201.826 197.228 190.380 187.542 179.797 Dor Film Scheiderbauer Film Stefan Ruzowitzky 174.002 Harald Sicheritz 173.658 Star Film Reinhard Schwabentitzky 156.594 MR Film Thomas Roth 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Hinterholz 8 Poppitz Müllers Büro Echte Wiener – Die Sackbauer-Saga Schlafes Bruder Der Knochenmann MA 2412 - Der Film Komm, süßer Tod Indien Sei zärtlich Pinguin Silentium We Feed the World Let’s make Money Die Fälscher Wanted Wüstenblume Hexe Lilli – Der Drache und das magische Buch Freispiel Eine fast perfekte Scheidung Falco – Verdammt wir leben noch! 154.980 Quelle: www.filminstitut.at Aktuelle Zahlen zum österreichischen Film – aber auch zur europäischen Filmlandschaft – finden Interessierte auf der Seite des österreichischen Filminstituts, der größten bundesweiten Filmförderung Österreichs, unter http://www.filminstitut.at/ de/filmwirtschaftsberichte/ im Filmwirtschaftsbericht. Dazu gehören beispielsweise die Besucherzahlen österreichischer und internationaler Filme. 10 www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Umsätze der Filmwirtschaft 2008 nach Bereichen (in %) 1,7 20,1 17,9 5,9 7,8 7,5 Kino- und TV-Film Werbefilm Wirtschafts- und Bildungsfilm Kino 39,1 Nachbearbeitung und sonstige Filmtechnik Filmverleih und vertrieb Videotheken Quelle: Statistik Austria Wie die Grafik zeigt, fällt in Österreich ein hoher Anteil auf den Fernsehfilm. Die Vergabe von Fernsehsendern an die Filmproduktion sind in ganz Europa ein wesentlicher Teil des „Filmkuchens“. Nachdem in Österreich privates Fernsehen erst nach 2000 zögerlich Fuß fassen konnte, ist der ORF in der Produktionsvergabe noch immer führend. Im Schnitt der letzten Jahre vergab der Österreichische Rundfunk rund 90 Mio. Euro an die österreichische Filmproduktion für die Erstellung von Fernsehspielfilmen und Dokumentationen, Reportagen usw. Im Übrigen ist der ORF über das Film-Fernseh-Abkommen an der Produktion österreichischer Kinofilme fördernd beteiligt. Obgleich die Kinofilmproduktion in der öffentlichen Wahrnehmung wohl die meistbeachtete Sparte ist, machten Kinofilme in den letzten Jahren nur zwischen 10% und zuletzt 17,9% des gesamten Jahresproduktionswertes aus. Das entspricht im Jahresschnitt der letzten 10 Jahre etwa 15 bis 30 Kinolangfilmen pro Jahr (Spielfilm und Dokumentarfilm). www.ideensindetwaswert.at 11 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Ideen sind etwas wert Staatliche Filmförderung Mitte der 50er-Jahre entstand – ausgehend von Italien, Frankreich und Großbritannien – in vielen Ländern Europas die staatliche Filmförderung. Das Ziel dieser Initiative war, dem Eindringen amerikanischer Filme auf europäischen Märkten entgegenzuwirken. Ohne Filmförderung gäbe es keinen europäischen Spielfilm. Dabei spielten neben wirtschaftlichen auch kulturelle Motive eine Rolle. Das Medium Film wurde und wird als Mittel künstlerischen Ausdrucks, kultureller Bildung und sozialer Kommunikation beurteilt. Film ist dazu geeignet, „nationale Kultur“ im Ausland zu repräsentieren. Mit der staatlichen Filmförderung erkennt der Staat die wirtschaftliche, industrielle und kulturelle Bedeutung des Films als eine im öffentlichen Interesse liegende Kunstform an. In Österreich besteht seit 1981 eine kontinuierliche Förderung auf der Grundlage des Filmförderungsgesetzes. Daneben gibt es regionale Förderungen (z.B. den Wiener Filmfonds, der budgetär nahezu so groß ist wie der Etat des Österreichischen Filminstituts), Förderungen von Fernsehfilmproduktionen etc. Das Gesamtvolumen der Fördermittel für Film beträgt inzwischen rund 45 Mio. Euro pro Jahr. Wiewohl das nach einer hohen staatlichen Förderung klingen mag, ist die Existenz einer prosperierenden Filmwirtschaft in ganz Europa von staatlicher Förderung einerseits und von der Vergabe und Koproduktion von bzw. mit Fernsehsendern anderseits, abhängig. De facto ist die österreichische Filmförderung im EU-Vergleich eher gering. International wird daher zur Kenntnis genommen, dass es der österreichischen Filmwirtschaft – trotz tendenzieller Unterdotierung, im EU-Vergleich geringen Durchschnitts-Filmbudgets* und eines kleinen Inlandsmarktes – gelungen ist, eine Filmsprache zu entwickeln, die auch international Anerkennung findet. Von Cineasten und bei Festivals wird diese Entwicklung als „österreichisches Filmwunder“ bezeichnet. *Nach wie vor liegt das Durchschnittsbudget eines rein nationalen Österreichischen Films (keine internationale Koproduktion, nur Mittel aus Österreich) bei etwa 2 Mio. Euro. In Deutschland ist das Durchschnittsbudget etwa doppelt, in Frankreich drei- bis viermal so hoch. 12 www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Film in Europa Die österreichische Filmwirtschaft ist im europäischen Vergleich eher klein. So werden in ganz Europa im Jahr rund 800 Filme hergestellt. Der Marktanteil europäischer Filme lag in der Europäischen Union 2005 insgesamt bei rund 25%. Dabei sind aber jene Filme nicht eingerechnet, die zwar überwiegend in Europa produziert, aber teilweise von US-Firmen finanziert werden. Beispiele hierfür sind „Harry Potter“ oder „Charlie And The Chocolate Factory“. Anteil nationaler Filme in den EU-Ländern (Land Marktanteil nationaler Filme 2008) 65 60 60 55 50 45 45,4 40 35 30 33 31 25 29,3 26,6 20 23,2 22,4 15 17,9 10 13,3 Schweiz UK 3 Türkei 2,5 Portugal Norwegen Niederlande Italien Frankreich Finnland Deutschland Dänemark Belgien Österreich 6,6 0,9 0 Spanien 10 Irland 5 Quelle: Europäische Audiovisuelle Informationsstelle Weitere Informationen zum Filmmarkt sind im Internet unter folgenden Adressen zu finden: Lumiere http://lumiere.obs.coe.int Corda http://corda.obs.coe.int/web/search_aid.php IRIS Merlin http://merlin.obs.coe.int/search.php www.ideensindetwaswert.at 13 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Ideen sind etwas wert c) Kreativwirtschaft im Wandel – Entwicklung des Tonträgers und des Films im Zeitalter des Internet Entwicklung des Tonträgers Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Musikbranche von starken Veränderungen geprägt. Diese wurden ausgelöst durch neue Technologien, neue Musikstile und durch Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Grafik auf S. 16 beschreibt diesen Wandel. Musik zum Downloaden: Legale Online-Shops und illegales Filesharing Die Musikwirtschaft durchlebte in der letzten Dekade einen turbulenten Strukturwandel. Digitalisierung, Datenkomprimierung und das Internet haben die gesamte Branche unter enormen Veränderungsdruck gesetzt. Die Musikwirtschaft hat in den letzten Jahren massiv in neue digitale Musikangebote und Vertriebswege investiert. War es vor einigen Jahren noch üblich, Musikaufnahmen in nur wenigen Formaten wie CD oder Vinyl-Schallplatte zu vertreiben, so werden Songs und Alben heute in vielen zusätzlichen Variationen angeboten: Vom Download einzelner Songs oder kompletter Alben bis zu Musik-Abos und Streamingangeboten, vom Klingelton bis zur Konzertaufnahme auf USB-Sticks, die sofort nach dem Konzert erhältlich sind. Wie rasant sich die Entwicklung beim Verkauf von Musik über Internet und Handy entwickelt hat, zeigen folgende Zahlen: In Österreich startete im Jahr 2003 mit den „aonMusicDownloads“ der erste österreichische Online-Shop. Damals wurden rund 50.000 Songs angeboten. Im Jahr 2010 gibt es bereits mehr als 20 legale OnlineMusikshops. Das Download-Angebot ist auf mehr als 11 Millionen Titel gestiegen und bereits 600.000 Musikkonsumenten nutzen legale Download-Shops zum Musikeinkauf. Die Umsätze mit Musikdownloads erreichten knapp 16 Mio. Euro, im Vergleich zum Jahr 2009 bedeutet dies eine Steigerung von 38%. Diese positive Entwicklung ist allerdings nur die eine Seite der Medaille. Illegale Angebote auf Filesharing-Plattformen wirken sich negativ auf diese Marktentwicklung aus: von nicht wenigen Usern wird Geistiges Eigentum immer noch ignoriert und geltendes Urheberrecht verletzt. Dadurch entstehen große Verluste. Allein in Österreich beträgt der jährliche Schaden durch Online-Musikpiraterie etwa 15 Millionen Euro. Illegale Musikangebote richten aber auch nachhaltigen Schaden an, denn die Einnahmen von heute finanzieren die Musik von morgen. Ohne ausreichende Einnahmen aus dem Verkauf von Musik fehlt das Geld, das in neue Künstler investiert werden könnte. Auch Jobs in der Kreativwirtschaft sind gefährdet. Es trifft jeden, der 14 www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich mit Musik seinen Lebensunterhalt bestreitet – Komponisten und Textautoren, Interpreten, Musiker und Labels, Tonstudios, Techniker, Händler u. a. m. Laut der Studie "Building a Digital Economy" aus dem Jahr 2010 musste die Kreativwirtschaft der EU (Film, TV-Serien, Musik und Software) 2008 aufgrund von OnlinePiraterie Umsatzeinbußen von 10 Milliarden Euro sowie den Verlust von mehr als 185.000 Arbeitsplätzen hinnehmen. Bis 2015 droht laut dieser Studie der Verlust von 1,2 Millionen Arbeitsplätzen. Auch wenn das ein Worst-Case-Szenario ist, der Schaden ist enorm. Quelle: “Aufbau einer digitalen Wirtschaft: die Bedeutung der Sicherung von Arbeitsplätzen in der Kreativwirtschaft der Europäischen Union”, erstellt von TERA-Consultants, Leiter der Studie: Patrice Geoffron, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Paris-Dauphin. Auftraggeber: Internationale Handelskammer (ICC) Internet- und Handy-Musikshops in Österreich A1: Amazon: DG Webshop: Finetunes: iTunes Music Store: Jamba: Ladezone: Last.fm: Musicbox: Musicload: Mycokemusic: Nokia Comes with Music: Nokia Music Store: Preiser: Simfy: SMS.at: Soulseduction: Telering: T-Mobile: TunesBag: Weltbild: Zed: 3MusicStore: 7digital: www.ideensindetwaswert.at http://a1.net/a1music http://amazon.at/mp3 http://deutschegrammophon.com http://finetunes.net http://iTunes.com/at http://jamba.at http://ladezone.at http://lastfm.at http://musicbox.de http://musicload.at http://mycokemusic.at http://comeswithmusic.com/austria http://music.nokia.at http://preiserrecords.at http://simfy.de http://sms.at/fun/mp3_klingeltoene http://soulseduction.com http://handyfun.telering.at http://t-zones.at/at/08t_musik http://tunesbag.com http://weltbild-downloads.at http://zed.at http://drei.at/music http://at.7digital.com 15 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Technologie Schallplatte setzt sich gegenüber Ideen sind etwas wert Musikgenres und – stile Rechtlicher Rahmen 1909: US-Copyright Act. 1901: Erste Aufnahme eines Opernstars (Schaljapin) auf Schallplatte. 1920: Erster kommerzieller 1914: Gründung der ASCAP. 1917: Erste Jazz- Aufnahme der Original Dixieland Jazz Band 1920: Erste Blues- Aufnahme mit Mamie Smith. 1925: Erster Einsatz des elektri- 1927: US- Radio Act. 1922: Erste originäre JazzAufnahme im New Orleans Stil. 1923: Erste „Hillbilly“- Aufnahme mit John Carson. 1934: US- Federal Communications Act. 1939: Gründung der BMI. 1934: Beginn der Swing-Ära. 1948: Vinyl-Platte und Einsatz des 1947: Die US Federal Communications Commission (FCC) öffnet Rundfunkmarkt. 1944: Erste Bebop-Aufnahme. 1945: Rhythm & Blues. 1954: Transistorradio. 1958: Beginn der Stereophonie. 1959: Beginn der Payola-Hearings 1954: Rock’n’Roll stürmt die USin den USA. Charts. 1955: Hard Bop. 1958: Beginn des Folk-MusikBooms und der Free-Jazz Bewegung. 1960: Soul Music. 1963: Kompakt-Audio Kassette. 1966: Dolby-A Noise Reduction. 1961: Rom-Konvention. 1967: Gründung der World Intellectual Property Rights Organisation (WIPO). 1975: Erstes Musikvideo. 1978: Laser Disc. 1979: Walkman. 1971: Vertrag gegen die unautorisierte Vervielfältigung von Tonträgern. 1900 dem Zylinder als Tonträgerstandard durch. – 1910 1904: Erste doppelseitig bespielte Schallplatte. 1911 Rundfunk in den USA. – 1920 1921 schen Aufnahmeverfahrens. – 1927: Erster Tonfilm und erste 1930 Jukebox. 1931 1934: High Fidelity. 1935: Markteinführung des – Magnetophones in Deutschland. 1940 1941 Magnetophones in den USA. – 1949: Top-40 Hitparaden in den 1950 USA. 1951 – 1960 1961 – 1970 1971 – 1980 1962: Durchbruch der Beatles 1963: Durchbruch der Rolling Stones und Reggae-Boom. 1965: Folk-Rock. 1966: Psychedelic Rock. 1968: Klassik-Rock. 1969: Hard-Rock und Heavy Metal 1970: Jazz-Rock. 1971: Funk. 1973: Art Rock. 1976: Punk Rock. 1976: USCopyright Act. 1978: Durchbruch der Disco Musik. 1979: Erste House Party in Chicago und erste Rap-Aufnahme. 1981: Start von MTV. 1982: Beginn der World Music Bewegung. 1981 1982: Compact Disc (CD). – 1985: CD-Rom. 1990 1986: Acid House. 1988: Techno Music. 1987: Digital Audio Tape (DAT). 1992: MP3. 1991 1995: DVD. – 2000 2000: SACD (Super Audio CD). 2003: Erster Downloadshop in 2001 Österreich. – 2010: Über 20 Downloadshops, 2010 11 Mio. Titel online verfügbar 1996: WIPO Copyright Übereinkommen. Elektro, Drum’n’Bass. 1998: US-Digital Millennium Copyright Act. 2003: Umsetzung EUCopyrightrichtlinie in Österreich. kein neuer Musikstil – Bewährte Stile neu interpretiert Quelle: Peter Tschmuck, Kreativität und Innovation in der Musikindustrie, 2003. Ab 2001 Ergänzungen durch ISEW 16 www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Geschichte(n) des Films Technologie und Wirtschaft Gesellschaft Künstlerische Entwicklung Die europäische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ist in rapide steigendem Ausmaß von einer „Kultur des Schauens“ geprägt (Fotografie, Guckkasten, Panorama, Kaufhaus, ...) und wird ab 1850 immer stärker von einer Mobilisierung des Blicks erfasst (Umzüge, Eisenbahn, Vergnügungsparks, ...). Der Brite Eadweard Muybridge mit seinen Serienfotografien (ab 1872) und der Franzose Etienne-Jules Marey mit seinen Bewegungsstudien und „Chronofotografien“ (ab 1882) legen ästhetisch sehr einflussreiche und innovative Bildwelten vor, die das Kino bereits „embryonal“ in sich tragen. Die Populärkultur der „Belle Epoque“ akzeptiert das neue Medium Film sofort. In Europa und vor allem in den USA ist das Kino zunächst v.a. ein Medium der Proletarier und Einwanderer – eine kurzweilige und aufregende Form, sich miteinander zu verständigen und einen Platz in der Das Filmmaterial kann Gesellschaft zu erobern vorläufig nur Schwarz– jenseits der bürgerliWeiß-Bilder wiedergeben. chen Kultur-Codes. Diverse ausgefeilte 1895 Methoden der nachträg- Ab 1908: Versuch des lichen Färbung des Bürgertums, mit – 1913 Zelluloid (z.B. Hand- oder „Kunstfilmen“ – d.h. mit Schablonen-Kolorierung, der Verfilmung „wertvolVirage etc.) ermöglichen ler“ literarischer und aber schon ab 1904 historischer Vorlagen bunte Wunderwelten auf bzw. mit dem Einsatz von der Leinwand. Theater-Stars – das Kino „salonfähig“ zu machen. Viele kleine Filmfirmen beteiligen sich an einem expandierenden Markt. Französische Produzenten dominieren weltweit. Die frühesten Filme von Lumière (Arbeiter verlassen die Fabrik) und anderer Produzenten sind kurz und dokumentarisch: ungeschnittene Blicke auf Orte und Ereignisse. Vor 1895 Die Camera Obscura (seit dem 16. Jh.) und die Laterna Magica (seit dem 17. Jh.) sind die Haupt-Vorläufer für alle späteren Entwicklungen im Bereich der Projektion bewegter Bilder. 1891: Thomas A. Edison patentiert das „Kinetoskop“ (eine Art Guckkasten-Kino) und setzt es ab 1894 kommerziell ein. 28.12.1895: Auguste und Louis Lumière veranstalten in Paris die erste öffentlich-kommerzielle Kinovorstellung mit ihrem „Cinématographe“, der gleichzeitig Aufnahmegerät (Kamera) und Projektionsapparat ist. Beginn einer starken Monopolisierung der Filmwirtschaft in den USA: aus vielen kleinen Firmen entstehen wenige, bis heute dominante „Major Studios“ (Warner 1914 Bros., Universal, Paramount usw.), die – sich den Markt „unterein1929 ander ausmachen“ Ab 1924: Filmkrise in Europa nach dem Ende der Inflation; die USFirmen werden auch international dominant. 1914-1918: Erster Weltkrieg – Film und Kino werden erstmals großflächig als Propagandamedium, im „Kriegsdienst“ eingesetzt. 1917: Oktoberrevolution in Russland – der Film wird in der neuen kommunistischen Gesellschaft der Sowjetunion zur „wichtigsten aller Künste“ (Lenin). www.ideensindetwaswert.at Österreich Der Erfinder und Geometrie-Professor Simon Stampfer (1833) und der Zauberkünstler Ludwig Döbler (1847) legen in Österreich wichtige Vorstufen des Mediums Film vor: „Sehmaschinen“ für bewegte Bilder. 20.3.1896: Erste öffentliche Kino-Vorführung der Brüder Lumière in Österreich (Wien 1, Kärntnerstr. / Krugerstr.) Gleichzeitig entstehen durch Kameraleute der Lumières die frühesten Filmbilder in und von Ab 1902 wird der Schnitt Österreich (Le Ring). „entdeckt“: Die Montage – das Aneinanderfügen Ab 1906: Erste österverschiedener reichische Einstellungen zu kurzen Filmproduktion – die „Geschichten“ – wird Firma Saturn dreht porsehr populär und in nografische England und den USA „Herrenabend-Filme“. (D.W. Griffith) vorangetrieben. Ab 1910: regelmäßige Filmproduktion in Öster1900-09: Der reich. Zauberkünstler George Méliès und die Firma Pathé entwickeln zahlreiche innovative Trickverfahren und wenden sie v.a. im Genre des fantastischen Films (Reise zum Mond) an. 1910: Die Dänin Asta Nielsen wird als erster Filmstar gefeiert. Das skandinavische Kino blüht auf. 1914/15: Historische Epen (Cabiria, Birth of a Nation) leiten den Übergang zum Langfilm als „typisches“ Filmformat ein. Blüte der SlapstickKomödie in Europa und den USA (Max Linder, Charlie Chaplin, Buster Keaton). Der Typus „Filmkünstler“ nach heutiger Definition (= der Regisseur, dessen „Vision“ den Film prägt) 1914-18: Mit KriegsPropagandafilmen erobert der Produzent Sascha Kolowrat („Sascha-Film“) die führende Position in der Filmindustrie. Heimische Vorläufer (Der Mandarin, 1918) und Mitläufer (Orlacs Hände, 1924) des expressionistischen Films in Deutschland. Mit historischen Spektakeln (Sodom und 17 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich In den Berliner UFAStudios arbeiten innovative Techniker und Künstler eng zusammen; die politisch-wirtschaftliche Ausrichtung der UFA ist konservativ und nationalistisch. 1920er Jahre: Die sozialen und politischen Umbrüche nach dem Krieg, der Zug in die Großstädte und die in Europa und in den USA weitgehend durchgesetzte Industrialisierung lassen eine breite „Kultur Entwicklung der Tonfilm- der Moderne“ entstehen. Technologie in Auf dem Gebiet der Deutschland und in den Künste sind die USA. 1926: erster Bewegungen der Tonfilm (Don Juan); Avantgarde prägend, im 1927: erster abendfüllen- Alltagsleben spielen der Sprech-Film (The Jazz Massenmedien wie Film Singer). und Zeitungen die Rolle von „sanften Modernisierern“. 1927-1930: Diverse Tonfilmverfahren ringen um Vorherrschaft. Frühe Tonfilme müssen große technische Probleme bewältigen (unflexible Geräte). Durch rasche Beendigung der Stummfilmproduktion wird das Publikum aber auf den Tonfilm „eingeschworen“. Weltweite Popularität von Musikfilmen: Sie führen eingängig die „neue Welt des Hörens“ vor und bauen auf bekannten Stoffen 1930 (Musicals, Operetten) auf. Die Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre macht das Unterhaltungskino zum beliebtesten „Fluchtort“. Die Filmindustrie bedient die Illusionen von Millionen Arbeitssuchenden. Versuche einer kritischen, „linken“ Filmproduktion können sich kaum mehr durchsetzen. Ab 1939: Ausbreitung des Farbfilms, zunächst in den USA, dann auch 1940 in Deutschland – (Münchhausen), GB (The 1949 Red Shoes) und der SU (Iwan der Schreckliche). 1939-1945: Zweiter Weltkrieg. Der Kampf zwischen freier Welt undden faschistischen Staaten wird auch in der Kultur ausgefochten. Das Kino im Dienst der Propaganda verschmilzt Ideen sind etwas wert setzt sich durch. Nicht Buch & Schauspiel, sondern Kamera- und Montage-Arbeit sind entscheidend. 1923-1928 Reifezeit des stummen Spielfilms (Nosferatu, Greed, Panzerkreuzer Potjomkin, The Crowd, Die Mutter). Aus Alt-Österreich stammende Regisseure (z.B. Erich v. Stroheim, Fritz Lang, Josef von Sternberg) sind als Emigranten im Ausland sehr erfolgreich. Ab 1922: Entwicklung des kreativen Dokumentarfilms, v.a. durch Dziga Vertov (SU), Robert Flaherty (USA). In Paris und Berlin wird der Film ab 1919 von der Kunst-Avantgarde entdeckt; „reine“, abstrakte, surrealistische Filme entstehen (Man Ray, Hans Richter, Luis Bunuel). 1930/31: Innovativer, z.T. bewusst kontrastierender Umgang mit Bild und Ton – v.a. in Europa (Fritz Lang: M, René Clair: Unter den Dächern von Paris, Jean Renoir: La Chienne, Dziga Vertov: Enthusiasmus). Hollywood etabliert den „klassischen Illusionsstil“ und die aktionsbetonte Erzählform, die bis heute wirksam sind. Genres wie Horror (Dracula), Musical (42nd Street), Gangsterfilm (Scarface), romantische Komödie (It Happened One Night), Western (Stagecoach) usw. festigen sich. Im Verlauf des Jahrzehnts setzen sich in vielen Ländern Europas faschistische bzw. totalitäre Regimes fest. Das – Kino wird wichtiger Teil 1939 1935: Becky Sharp – der öffentlichen Premiere des ersten Ideologie-Produktion, d.h. Technicolor-Langfilms zum „Systemerhalter“. Die japanische nach dem Drei-StreifenFilmindustrie blüht auf. Verfahren Ab 1934: Auf ähnliche, Vom Westen unbemerkt, („Bonbonfarben”). Walt aber weit progressivere hat sich ein großes Disneys und Max Art nützt US-Präsident Studiosystem mit vielen Fleischers populäre Franklin D. Roosevelt den Meisterregisseuren etaZeichentrickfilme verstär- Film als Motor der USbliert (Kenji Mizoguchi, ken den Trend zur „künst- Politik („New Deal“). Yasujiro Ozu). lichen“ Farbe. 1935-39: „Poetischer 1936: Versuchsfernsehen Realismus“ – pessimiin Berlin zu den stisch-romantische Filme Olympischen Spielen. in Frankreich, zumeist 1939: NBC strahlt die mit Jean Gabin in der erste US-Fernsehsendung Hauptrolle (Hafen im aus. Nebel, Die große Illusion). 18 Gomorra, 1922) zielt Produzent Kolowrat auf den Weltmarkt. Kurz vor dem Kriegseintritt der USA und Frankreichs entstehen dort die ersten Meisterwerke der Kinomoderne, die sich mit der modernen Literatur misst – Die Ab 1933: Die Filme von Willi Forst etablieren die Gattung des „Wiener Films“ mit weltweitem Erfolg. Bedeutendste Filme: Maskerade und Vorstadtvarieté (Werner Hochbaum). Große Popularität der Wiener Stars im deutschen Sprachraum (Hans Moser, Paula Wessely, Paul Hörbiger). Ab 1933: Wochenschau des Austrofaschismus, Österreich in Bild u. Ton Ab 1935: De-FactoArbeitsverbot für jüdische Filmschaffende. Billy Wilder, Fred Zinnemann, Otto Preminger im Exil. In der „Ostmark“ des NS-Staates fungiert ab 1939 die Wien-Film als ein Hauptstudio. Österr. Filmschaffende produzieren nostalgische Unterhaltung und Propaganda (Heimkehr www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert 1945-49: Langsamer Wiederaufbau der europäischen Filmproduktion; z.T. unter dem Einfluss der USA. 1947: Versuch der Entflechtung des monopolistischen HollywoodSystems: Den Studios wird per Gesetz der gleichzeitige Besitz von Kino-, Verleih- und Produktionsfirmen verboten. 1947-1949: Höhepunkt des Kinobesuchs in den USA (und weltweit); zugleich Ausbreitung des Fernsehens in den USA. 1952-1954: Filme im 3DVerfahren (3D = dreidimensional) sollen eine neue, spektakuläre Raumerfahrung ermöglichen. Dieses kurzlebige Verfahren, v.a. in den USA angewendet, bleibt künstlerisch unbefriedigend und ist zu anfällig für technische Gebrechen. Die Filmindustrie erlebt den Aufstieg des Fernsehens als ökonomi1950 sche Bedrohung. In den 50er Jahren werden – Spielfilme deshalb nicht 1959 an TV-Sender verkauft – man will sich die Konkurrenz „vom Leibe halten“. 1953: Das extrem breite Kinoformat CinemaScope, eine weitere Gegenmaßnahme gegen das Fernsehen, wird in den USA (Das Gewand) und dann weltweit ein durchschlagender Erfolg. 1959/60: Die Entwicklung von 16mm1960 Kameras mit – Synchronton-Aufnahme 1969 revolutioniert die Filmtechnik, erleichtert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich fiktionale und dokumentarische Methoden im Sinne emotionaler Überwältigung; Widersprüche werden zumeist ausgeblendet. Ab 1947: Die Ex-Alliierten USA und SU werden zu Gegnern im Weltmaßstab, der „Kalte Krieg“ nimmt auch die Kunst und die Unterhaltung in „Geiselhaft“. In der SU frönt das Kino eifrig dem Stalin-Kult, im Westen gibt der Antikommunismus den Ton an. US-Senator Joe McCarthy beginnt seine “Hexenjagd” auf angebliche Kommunisten in Hollywood, die bis Mitte der 50er Jahre viele Karrieren zerstört. Die rasch expandierende Kultur- und Freizeitindustrie in den USA, ab 1957 auch in West-Europa, geht mit einem starken Wandel der Lebensarten einher: Beginn des Rückzugs an die Stadtränder und ins Eigenheim. Das Kino erreicht – und überschreitet – den Gipfel seiner sozialen Macht; Fernsehen passt bald besser zum neuen „Leben im Kokon“. In Europa geht der Kinobesuch ab 1958 zurück. Das Kino wird tendenziell zum Medium der Jugendkultur und an den neuen Teenager-Markt angebunden (Rock’n’Roll, Blüte der Autokinos, „rebellische“ Posen). Elvis Presley wird Filmstar, James Dean und Marlon Brando sind Kultfiguren. Film gewinnt erstmals eine Leitfunktion im kulturellen Leben Europas und der USA. Die führenden Intellektuellen und Philosophen sind eng mit www.ideensindetwaswert.at Spielregel (Renoir, 1939) und Ciitizen Kane (Orson Welles, 1941). Ihr Umgang mit Raumtiefe und Zeit wirkt nach. Ab 1943/44: „Neorealismus“ – das italienische Kino der Befreiung wendet sich radikal vom Illusionsfilm ab und vertraut auf den Alltag (in Ruinen), auf Geschichten einfacher Leute, auf Laiendarsteller: Luchino Visconti (Ossessione), Roberto Rossellini (Rom, offene Stadt), Vittorio De Sica (Fahrraddiebe). mit Paula Wessely) für das „Dritte Reich“. 1946-1950: Einzelne zaghafte Versuche einer filmischen Erneuerung (Sturmjahre, Der Prozess, Der Engel mit der Posaune); die Filmschaffenden der 30er Jahre und der NS-Ära arbeiten nach 1945 aber fast bruchlos weiter. Ab 1943: Der amerikanische „Film Noir“, geprägt von deutschen und österr. Exilanten und der harten US-KrimiLiteratur, zeichnet dunkle Bilder des modernen Menschen: Einsamkeit, Entfremdung, Paranoia. 1950-55: „Neue“ Filmländer, die z.T. lange Traditionen haben, werden vom Westen entdeckt: Mexiko (Luis Bunuel: Los Olivados), Brasilien (O Cangaceiro), Indien (Satyajit Ray: Die Apu-Trilogie) und Japan: (Ozu, Mizoguchi, Akira Kurosawa: Rashomon, Die sieben Samurai). Der europäische Kunstfilm etabliert eine anspruchsvolle, hochkulturelle, „erwachsene“ Form der Rezeption: Federico Fellini (La Strada), Ingmar Bergman (Wilde Erdbeeren), Max Ophüls (Lola Montez), Michelangelo Antonioni (L’Avventura). Unterhaltungskino und „Austria Wochenschau“ sind intensiv am Aufbau einer neuen „ÖsterreichIdentität“ beteiligt. Kommerzielle Blüte des Trivialfilms: Komödien, Heimatfilme, Stoffe der K.u.K.-Ära (Sissi). 1952: Gründung der Filmakademie Wien; 1955: Einführung des Fernsehens; Gründung des Österreichischen Filmarchivs 1955-1960: Unabhängige Filmemacher wie Peter Kubelka, Kurt Kren und Ferry Radax schaffen Meisterwerke des Experimentalfilms. Künstlerischer Höhepunkt der RegieMeister Hollywoods: psychologische Thriller (Alfred Hitchcock), kritische Melodramen (D. Sirk), Zeit-Satiren (H. Hawks, B. Wilder), „historisch-kritische“ Western (John Ford). 1959-1965: Die „Neue Welle“ in Paris. ExFilmkritiker wie Jean-Luc Godard (Außer Atem), Francois Truffaut (Jules und Jim) u.a. erneuern Ökonomischer Abstieg, künstlerische Stagnation des Kinofilms: Die Zahl der Produktionen sinkt bis 1969 gegen Null. 19 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich die Kinoproduktion für Außenseiter und beeinflusst vor allem den Dokumentarfilm („Cinéma vérité“, „Direct Cinema“) und die jungen Spielfilm-Bewegungen Europas. der Filmkultur verwoben (Susan Sontag, Roland Barthes, Umberto Eco, Gilles Deleuze). Die Reflexion der Medien wird eng mit politischen Debatten verknüpft (Vietnamkrieg). Auch als Vorführformat bringt die Verbreitung von 16mm eine Demokratisierung der Filmkultur mit sich: alternative, politisch engagierte und subkulturelle Spielstätten können leichter errichtet werden. Ab 1967: Der „Welterfolg“ der Jugendkultur führt zu einer Lockerung der Lebensstile und damit auch der Filmzensur. Sexualität, Drogenkultur und Rockmusik beeinflussen das Kino. In den USA und in West- und Osteuropa erwacht Hoffnung auf eine radikale Veränderung der sozialen Verhältnisse und kulturellen Formen. Ab 1962: Krise der Hollywood-Studios: altmodische „Großfilme“ scheitern an der Kinokasse. Die Jugend läuft zur Popmusik über. Filmklassiker kommen wieder in Umlauf: TVSender und Filmmuseen erzeugen ein breiteres Bewusstsein von der Geschichte des Films und einen neuen Markt für alte Filme. Ende der 60er Jahre: In den USA verbreitet sich das Farbfernsehen. Die frühen VideoFormate (SONY) werden auch für Künstler und Medienaktivisten zugänglich. 1971-1974: Die wirtschaftliche Krise der Hollywood-Studios wird durch neue Modelle des Vertriebs und des Marketing bewältigt. 1975: Beginn der „Blockbuster“-Ära (Steven Spielberg: Der weiße Hai, George Lucas: Krieg der Sterne). Große Filme starten nun 1970 eher im Sommer, in 1000 oder mehr Kinos gleich– zeitig und begleitet von 1979 starker TV-Werbung. Das Schmalfilm-Medium Super 8 findet massenhafte Verbreitung im Amateurbereich. Das Modell „Kinocenter” setzt sich in den USA, ab Ende der 70er Jahre auch in Europa, gegenüber dem „Ein-Saal-Kino“ durch. 20 1968: Der Studentenbewegung dient Film als Kampfmittel gegen jene „Gesellschaft des Spektakels“ (Guy Debord), die das Kino selbst miterzeugt hat. Auch die vom Kolonialismus befreiten Länder in Südamerika, Asien und Afrika versuchen, Film zur Bildung einer neuen Identität und Politik zu nutzen. Ideen sind etwas wert das Kino von Grund auf: Dreh auf den Straßen, billige Produktion, wilde Montage und Kamera, popkulturelle Querverweise. Das USKino wird ironisch-lustvoll zitiert. Filmemacher werden „Autoren“ und Intellektuelle. 1959/60: Junge Filmleute in New York rufen nach dem französischen Vorbild ein „New American Cinema“ aus (John Cassavetes: Shadows). Blüte des USUndergrounds (Kenneth Anger, Stan Brakhage, Jonas Mekas) und des US-Dokumentarfilms („Direct Cinema“, Richard Leacock). 1964: Gründung des Österreichischen Filmmuseums in der Albertina. 1967: RundfunkVolksbegehren, der ORF wird unabhängiger von der Politik. 1964-69: „Expanded Cinema“ und experimentelle Undergroundfilme im Umfeld des Wiener Aktionismus erregen Skandale und internationale Wirkung; Gründung der branchen-unabhängigen „Austria Filmmakers’ Coop“ (Kren, Ernst Schmidt jr., Hans Scheugl, Valie Export, Peter Weibel, Gottfried Schlemmer). Ab 1961: Junge Ideen und neue Stilmittel verdrängen in Europa den alten, behäbigen StudioFilmbetrieb. Neuer Deutscher Film (Rainer W. Fassbinder, A. Kluge), britisches Free Cinema, kurzer Film-Frühling in Osteuropa (R. Polanski, M. Forman), Neues Kino in Italien (Pier Paolo Pasolini, Bernardo Bertolucci). Ab 1963: Sozialpolitisch zugespitztes Kino in Brasilien (Glauber Rocha, „Cinema novo“) als Mittel des Volkes im Kampf um Demokratie. Im reformistischen Zeitgeist der 70er Jahre werden Kino und Fernsehen – v.a. in Europa – als aufklärerische Medien verstanden. Staatliche Filmförderung hat sich fast überall etabliert. Wirtschaftskrise, Vietnam-Krieg, massives Misstrauen gegenüber der Politik in den USA (Präsident Nixon tritt 1974 zurück) – auch das Kino wird von dieser „anti-autoritären“ Stimmung erfasst. “New Hollywood“: Ende der 60er Jahre bereits angekündigt (Bonnie & Clyde), vollzieht sich um 1970 ein Generationswechsel: Hollywood greift Einflüsse aus Europa bzw. dem Underground auf. Aus dem B-Picture„Stall“ von Roger Corman kommen neue Regie-Stars: Francis Ford Coppola (Der Pate), Martin Scorsese (Taxi Driver). Die „Post-68“-Generation in Frankreich (Jean Eustache, M, Pialat, Breite Diskussion über Chantal Akerman) und in Gewalt und Pornografie der BRD (Fassbinder, W. im Kino, entlang künstle- Wenders) feiert künstleririscher Filme (Uhrwerk sche Erfolge mit kargen, Orange, Die 120 Tage sehr persönlichen von Sodom) und der „Autorenfilmen“, die den neuen Porno-Welle (Deep Konflikt Individuum / Throat). Gesellschaft betonen. Ab 1973: Beginn einer staatlich-systematischen Förderung des künstlerischen Films durch eine Experten-Jury („Filmbeirat“). 1976-79: Erste künstlerische Erfolge des „Neuen Österreichischen Films“ (Unsichtbare Gegner, Langsamer Sommer, Kassbach, Wienfilm 1896-1976, Schwitzkasten). Ab 1975: Großes Echo bei Kritik und Publikum für die realistischen Fernsehfilme und Serien des ORF (Alpensaga, Kottan ermittelt, TVFilme von Axel Corti, Michael Haneke, Fritz Lehner, Käthe Kratz). www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert Öffentlich-rechtliche TVAnstalten in Europa (ORF, ZDF, RAI u.v.a.) werden zu entscheidenden Co-Finanziers einer anspruchsvollen Filmkultur, die sich oft nur mehr im TV, nicht im Kino artikuliert. Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Im Zuge der Frauenbewegung wird erstmals systematisch ein feministisches Kino gefordert und praktiziert. Der neue Horrorfilm (Zombie, Texas Chainsaw Massacre) zeigt Gewalt und Körperlichkeit ganz direkt und wird im Mainstream skandalisiert. Durchsetzung des HomeVideo-Mediums (Filme auf VHS). Viele kleinere US-Firmen steigen in die Filmproduktion ein, da der neue Videomarkt große, zusätzliche Verwertungsmöglichkeite n bietet. In der Ära von USPräsident Ronald Reagan (1981-1989) ist der öffentliche Diskurs – und damit auch das Kino – in den USA stark konservativ geprägt. Militärische Aufrüstung, Abbau der Sozialnetze und AntiKommunismus fallen Beginn der technischen zusammen. Filmhelden Revolution auf dem wie Rambo prägen diese Gebiet der Spezialeffekte Ära. (Sound Design, erster Vorwärtsbewegungen Einsatz von Computer(technologischer und Videotechnologie für Fortschritt) und besondere Bild-Effekte). Rückwärtsbewegungen Das Kino der „Special (nostalgische „HeimatEffects“ wird zur komSuche“) fallen zusammerziell dominanten men. 1980 Form (Science Fiction, Fantasy). Weder in den USA noch – in Europa reagiert das 1989 1981: Gründung von Kino in besonderer MTV (Music Television) in Weise auf die konservatiUSA. Die rasche ve Wende, die auch Entwicklung der Deutschland und Videoclips und des Großbritannien Musikfernsehens bringt bestimmt. neue ökonomische Querverbindungen zwiDie EU wirbt für eine verschen Film- und Popstärkte europäische Industrie. Die Ästhetik Filmpolitik: EU- Filme solder Videoclips prägt den len die Grenzen innerMainstream-Spielfilm. halb Europas überwinden, um ein Übergang zum Gegengewicht zu Privatfernsehen in Hollywood bilden zu könEuropa, nen. Kommerzialisierung und Neuordnung der Filmfinanzierung durch Fernsehsender. Ab 1992: Digital-Ton im Kino. Ab 1993: Durchsetzung digitaler Bildbearbeitung für Kinospielfilme (Jurassic Park). CGI (Computer generated 1990 images) werden zum – Standard in der 1999 Mainstream-Produktion. 1995: Toy Story, produziert vom Pixar-Studio, ist der erste ausschließlich am Computer „gedrehte“ Langfilm. 1970-76: Letzte Blüte des großen, „opernhaften“ italienischen Films (Tod in Venedig, Amarcord, 1900). „Fall der Mauer“: Nach dem Abdanken der kommunistischen Regimes in Osteuropa (1989-1991) endet der Kalte Krieg. Aus der „Zwei-FrontenWelt“ schält sich eine einzige (militärische) Weltmacht hervor: die USA. Die wirtschaftlich-kulturelle Dominanz der USA prägt auch die globale Filmbranche und den gesamten EntertainmentSektor. www.ideensindetwaswert.at Langsame Ermattung des europäischen „Autorenfilms“. Die letzte Welle künstlerischer Erfolge kommt aus Osteuropa (Andrej Tarkowskij: Stalker, Elem Kllimov: Komm und sieh’, Emir Kusturica, Krzysztof Kieslowski) Ab 1982: „Postmodernes“ Kino in Europa (P. Almodovar, P.Greenaway, Lars von Trier) und in den USA (Blade Runner, Back to the Future, Steven Spielberg, David Lynch, Coen Brothers). 1981: Einrichtung des Österreichischen Filminstituts laut Filmförderungsgesetz. Anstieg der Produktion auf jährlich ca. 15 Filme, darunter sind auch große Kassenerfolge (Der Schüler Gerber, Exit, Müllers Büro). Kritische Aufarbeitung der NS-Ära, v.a. im Umfeld der WaldheimDebatte: Welcome in Vienna (Axel Corti), Die Ausgesperrten (Franz Novotny), Heidenlöcher (Wolfram Paulus). 1987: Nominierung von 38 (Wolfgang Glück) für den Oscar. Blüte der „Film-Essays“: Der Film spricht mit der Stimme des Regisseurs (Chris Marker: Sans Etablierung einer eigensoleil, Harun Farocki, J.-L. ständigen Tradition des Godard). Dokumentarfilms (Ruth Beckermann, Ulrich In den politisch isolierten Seidl). Ländern Iran (Abbas Kiarostami, Mohsen Makhmalbaf) und Taiwan (Hou HsiaoHsien, Edward Yang) entsteht ein starkes, autonomes Autorenkino. 1984-89: Erfolge des „Independent Films”. USRegisseure Jim Jarmusch, Spike Lee, A. Ferrara, S. Soderbergh drehen unabhängig von Hollywood. Das junge ostasiatische Kino setzt sich weltweit durch – vom Genrefilm bis zum Kunstkino (Wong Kar-wai). Japanische Horror- und Samuraifilme (Takeshi Kitano), chinesisches Action-Kino (John Woo, Tsui Hark) dienen als frische, unverbrauchte Vorbilder und werden vom US-Kino importiert bzw. als Stil übernommen (Tiger & Dragon, Face off, Kill Bill). 990/91: Gründung des Verleihs „Sixpack Film“ und internationaler Durchbruch der „Dritten Generation“ der FilmAvantgarde (Martin Arnold, Lisl Ponger, Mara Mattuschka, Peter Tscherkassky u.a.) Ab 1993: Das neue Genre „Kabarett-Film“ mit Stars wie Josef Hader und Roland Düringer feiert Kassenerfolge. 21 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich 1994: Der Welterfolg von Pulp Fiction (Quentin Tarantino) lässt die Grenze zwischen Independent- und MajorStudio-Filmen wieder verschwinden. Die Hollywood-Studios bauen nun eigene „Indie“Abteilungen auf und verpflichten die besten Talente (David Fincher, P. Th. Anderson, Alexander Payne, Steven Soderbergh u.a.). 1995: Einführung und rasche Durchsetzung der DVD als neuer Homevideo-Standard für Filme. Mitte der 90er Jahre: Multiplex-Kinos setzen sich weltweit durch 1999: Erste digitale Kinoprojektion von Mainstream-Filmen (Star Wars: Episode 1) Starke Beschleunigung der Digitalisierung in allen Bereichen der Medienindustrie (Aufnahme, Postproduktion, Distribution). Die geringe Kontrollierbarkeit digitaler „Flüsse“ via Highspeed-Internet bringt Filme aller Art auf den PC („DownloadPiraterie“ und entsprechende Gegenkampagnen der Filmwirtschaft). Das Internetportal „YouTube“ wird zu einem gewalti2000 gen Motor für die Herstellung nicht-indu– strieller, privater (Kurz2010 )Filme und den Konsum von Laufbildern aller Art. Ideen sind etwas wert Beschleunigte Globalisierung: Die großen Entwicklungen in Bezug auf Wirtschaft, Arbeit und Lebensstile verlaufen weltweit tendenziell gleichzeitig. Grundlage dafür ist u.a. die Durchsetzung von PC und Internet als zentrale Arbeits- und Kommunikationsmittel. 1995: Die dänische Filmbewegung „Dogma 95“ (Lars von Trier u.a.) fordert – in Analogie zur „Neuen Welle“ von 1960 – die ungekünstelte, quasi-dokumentarische Zuwendung zur Realität (Das Fest, Idioten). Ab 2001: Die USRegierung (George W. Bush) ruft infolge der islamistischen Attentate vom 11.9.2001 einen globalen „War on Terror“ aus, der auch die Politik der Bilder bestimmt: Handy-Videos vom Einsturz des World Trade Center, Bilder von Folterungen durch USSoldaten (Guantanamo Bay) oder das visuelle Regime der Kriegs- und Überwachungskameras prägen das Antlitz der „Nullerjahre“. Dokumentarfilme zu politischen und sozialen Fragen treten erstmals im Kino-Mainstream auf (Michael Moore u.a.). Im US-Spielfilm bleiben Politik und Krieg rare Sujets. 2009/10 wird erstmals ein Film über den Irakkrieg weithin gefeiert (The Hurt Locker von Kathryn Bigelow). Innovatives Kino wird geprägt von IndividualKünstlern, die unabhänDas „neoliberale“ Modell gig von Hollywood (aber dominiert weltweit Politik auch von ihrer lokalen und Wirtschaft, auch in Branche) alle 2-3 Jahre Staaten, die sozialdemo- einen neuen Film vorlekratisch regiert sind. Der gen, so wie „GroßWirtschaftsboom der Schriftsteller“ ein neues Clinton-Ära suggeriert Buch: z.B. Nanni Moretti ein potenziell „endloses (I), David Cronenberg Wachstum“; die (CAN), Claire Denis, Medienindustrie ist Teil Olivier Assayas (F), die dieses Booms. Brüder Dardenne (Belgien), Mike Leigh (GB), Abbas Kiarostami (Iran), Wong Kar-wai (HK) u.a. Die Künstlergruppe oder „Bewegung“ ist eine seltene Form geworden. Ab 2000: Wiedererstarken des deutschen Autorenfilms: die „Berliner Schule“ (Christian Petzold: Die innere Sicherheit, Yella; „Anti-Amerikanismus“ als Maren Ade: Alle andeweit verbreitete Haltung ren; Valeska Grisebach: in Europa, Sehnsucht; u.a.) Lateinamerika, Asien. In einigen Ländern – Die wesentlichen USFrankreich, Korea, Japan, Filmemacher der Dekade Skandinavien – gelingt erschaffen schillernde Das Animationsfilmes, der Dominanz Welten, in denen die Studio Pixar, gegründet Hollywoods eine eigenRealitätsebenen durchvon John Lasseter, hebt ständige Filmbranche einander geraten, voller das Modell und lokale Kinoerfolge Bezüge zur Popkultur „Familienfilm“ auf ein entgegen zu setzen (z.T. (Wes Anderson, Spike neues künstlerisches per Gesetz, durch Jonze / Charlie Niveau (Die Monster AG, Quotenregeln für einhei- Kaufman, Todd Haynes, The Incredibles, mische Filme). Christopher Nolan u.a.) Ratatouille, Wall-E, Oben u.a.) und bleibt auch Die Ära Obama in den Gespaltene nach der Übernahme USA (ab 2008/09) Weltkinematografie durch Disney sehr autobeginnt mit der 2010: Die im Kino erfolgnom. Akzeptanz einer multipo- reichen „Filme mit laren Welt. Globale Niveau“ und die tatsächNeue Blockbuster-Ära: Wirtschaftskrise ab lich innovativen Werke Auf Basis von Comics, 2008: das driften immer weiter ausPC-Spielen, Büchern ent- „Erfolgsmodell“ des einander. Bedeutende 22 Ab 1995: FilmakademieAbsolventInnen (Barbara Albert, Jessica Hausner u.a.) definieren in ihren Kurzfilmen einen neuen Realismus. Ab 1998: Internationale Erfolge für junge Autorenfilme (Stefan Ruzowitzky: Die Siebtelbauern; B.Albert: Nordrand) und kreative Dokumentarfilme (Nikolaus Geyrhalter, Michael Glawogger). Ab 2000: Verjüngung der Produzentenlandschaft (z.B. „Coop 99“) und Anstieg der Produktion. Ab 2001: Weltweite Akzeptanz für die österreichische Schule eines ernsten, ästhetisch anspruchsvollen Kinos (Michael Haneke: Die Klavierspielerin, Caché; Ulrich Seidl: Hundstage, Import Export). 2002: Kurzfilm-OscarNominierung für Fast Film (Virgil Widrich). 2006-2010: Erfolgsserie des österreichischen Films. Preise für Darwins Nightmare (H. Sauper; Doku-OscarNominierung), Die Fälscher (Ruzowitzky; Oscar), Revanche (Götz Spielmann; Oscar-Nom.), Das weiße Band (Haneke; Goldene Palme, Oscar-Nominierung) und große Kassenschlager (Die Fälscher, Komm süßer Tod, Hexe Lilli, Echte Wiener u.a.) Ausbau der öffentlichen Filmförderung bei gleichzeitiger Krise der ORF(Film-)Finanzen. www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert stehen serienförmige „Epen“, die ein globales Publikum anpeilen (Spiderman, Harry Potter, Pirates of the Caribbean, Herr der Ringe). 2009/10: Dank des Welterfolgs von Avatar (J. Cameron) und Alice in Wonderland (T. Burton) setzt sich „Digital 3D“ als neue Gewinnformel der Filmindustrie durch: Während die Einnahmen aus Home-Video (DVD) sinken, steigen die Kinoeinnahmen. Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Finanzkapitalismus wird erschüttert (Verstaatlichungen). Auch die Filmproduktion geht leicht zurück, im Kino bleibt der Eskapismus jedoch dominant. Das bewegte Bild ist nahezu allgegenwärtig und „grenzenlos“ geworden (Konvergenz der Medien) neue Regisseure kommen in der Mehrzahl aus „kleinen“ (d.h. im Westen kaum bekannten) Filmländern; sie erringen viele Hauptpreise bei Festivals, aber nur kleine Kinoeinsätze: Cristi Puiu, Cristian Mungiu (Rumänien), Pedro Costa (Portugal), Lucrezia Martel (Argentinien), Jia Zhangke (China), Apichatpong Weerasethakul (Thailand), Lee Changdong (Südkorea), Jafar Panahi (Iran) u.a. Filmwirtschaft im Wandel (Digitalisierung und neue Verwertungsplattformen) Vom „Film Online“ zum Handy-TV Die Entwicklung der digitalen Medien hat auch die Filmwirtschaft verändert. Filesharing, Videopiraterie, DVD-Raubkopien, Handy-TV etc. stellen die Film-Branche im 21. Jahrhundert laufend vor neue Herausforderungen. Kopierschutzmaßnahmen – insbesondere die digitale Rechteverwaltung, das so genannte Digital Right Management (DRM) – soll teuer produzierten „Audiovisuellen Content“ vor Diebstahl schützen. Letztendlich bietet aber nur das Rechtsbewusstsein der Konsumenten einen wirklichen Schutz: Das Bewusstsein, dass „teure“ Filmproduktionen nur möglich sind, wenn die fertigen Filme auch legal ausgewertet werden können – sowohl in „traditionellen“ Verwertungsformen wie Kino, DVD und TV (die sogenannten Verwertungsfenster), als auch im immer wichtiger werdenden Online-Bereich. Auch in der EU denkt man unter dem Titel „Film Online“ über Lösungsmöglichkeiten nach: Urheberrechtliche Maßnahmen zur Pirateriebekämpfung, neue, legale Filmangebote, (Stichwort: digitale Filmbibliotheken) und ein erleichterter, leistbarer Rechteerwerb bestimmen die derzeitigen Überlegungen. Der Prozess gegen die Betreiber der Plattform Pirate Bay, die nachfolgende Gründung von sogenannten „Piratenparteien“ und die Diskussion um Grundrechte wie Datenschutz, freier Zugang zur Wissensgesellschaft, „Consumerism“ oder „free copyright“–movement haben weltweit eine Diskussion entfacht, wie generell mit gesellschaftlichen Veränderungen durch das Internet umgegangen werden soll. Auch Web 2.0 und user-generated-content (USG) auf Plattformen wie YouTube stellen geltende Urheberrechtsmodelle in Frage und unterteilen das Medienverhalten in die bisherigen Formen von Filmproduktion und Filmnutzung und in vom User/Konsumenten selbst geschaffene Inhalte. www.ideensindetwaswert.at 23 Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Wird user-generated-content aber wirklich die Antwort auf die künftigen Bedürfnisse der Konsumenten sein, oder benötigen die neuen Verwertungsformen nicht sogar noch mehr professionelle und daher teuer zu produzierende filmische Inhalte? Fakt ist: Film ist ein teures Geschäft. Nach wie vor kann ein US Film leicht über 100 Millionen Dollar kosten („Avatar“ kostete – ohne Werbung – nahezu das Dreifache), ein europäischer Film immerhin ca. 10 Millionen Euro (internationale europäische Koproduktion). Umso notwendiger erscheint es daher, dass der Aufbau von legalen Online-Filmangeboten – wie z.B. Spotify oder iTunes im Musikbereich – vorangetrieben wird. Gerade der europäische Film könnte die neuen digitalen Verwertungskanäle im Hinblick auf die Dominanz von US-Filmen gut gebrauchen. Durch die Gratisnutzung auf diversen Plattformen á la Pirate Bay gestalten sich die notwendigen Investitionen in funktionierende legale Plattformen wirtschaftlich so unergiebig, dass die Entwicklung stockt. Auch die noch nicht so weit entwickelten Breitbandnetze führen dazu, dass legale OnlineFilmangebote (in Österreich z.B. die Plattform In2Movies www.in2movies.at) aktuell noch nicht so leicht verfügbar sind wie im Musik-Onlinebereich. Eine effiziente Rechtsdurchsetzung – vor allem gegen jene, die sich gewerbsmäßig durch die Verletzung von Urheberrechten bereichern („Piraterie“ wäre in diesem Zusammenhang ein zu romantischer Begriff) – ist dabei eine Grundvoraussetzung. Das in Frankreich und Großbritannien entwickelte und umgesetzte Modell der „Three Strikes“ bei Urheberrechtsverletzungen (Information, mehrmalige Mahnung und terminlich begrenztes Kappen der Internet-Verbindung) wird europaweit kritisch und kontroversiell diskutiert. Eines ist sicher: Ohne Kooperation mit den Internetfirmen zum Schutz des Urheberrechts wird es zukünftig ebenso wenig gehen, wie ohne Information der Nutzer bzw. den geeigneten Mitteln zur Rechtsdurchsetzung. d) Kreativwirtschaft und Arbeitsmarkt Arbeitsplätze in der Musikwirtschaft Der Sektor Musik aus wirtschaftlicher Perspektive umfasst einerseits Betriebe und andererseits musikalisch tätige Personen wie Musiklehrer, Sänger, Musiker, Komponisten usw., die individuell oder im Rahmen umfassend tätiger Institutionen arbeiten (z.B. Musikprofessoren in Schulen). Diese sind entweder im Kernbereich der Kreation (Komponisten, Textautoren, Sänger, Musiker) oder in der Organisation und technischen Realisierung von musikalischen Produktionen tätig (Produzenten, Tonträgerhersteller, Tonstudios etc.). Neben Kreation und Produktion erwirtschaften auch Branchenbereiche und Institutionen Beiträge zur Wertschöpfung, die der Distribution musikalischer Werke dienen (CD- und DVD-Presswerke, Tonträgerhandel, Bühnen, Aufführungsbetriebe, Festspielorganisationen, Rundfunk etc.). 24 Zur Musikwirtschaft zählen weiters Betriebe, die für musikalische Betätigung erforderliche Güter herstellen und vertreiben (Musikinstrumente, technisches Equipment) oder die www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich die Nutzung von Musik technisch möglich machen (Unterhaltungselektronik). Schließlich umfasst der Sektor auch die Tätigkeit so genannter Verwertungsgesellschaften, die die Rechte von Urhebern, Labels und Künstlern wahrnehmen. Im Rahmen dieses Projektes werden laufend Exkursionsziele angeboten, um einige der Berufe in der Musikbranche näher kennen zu lernen. Nähere Informationen unter www.ideensindetwaswert.at. Eine österreichische Studie fasst die Arbeitsbereiche der Musikwirtschaft wie folgt zusammen: (Quelle: Scheuch, o. Univ. Prof. Dkfm. Dr. Fritz: Die Musikwirtschaft Österreichs.): Produktion Primäre Produktion - Musikautoren (Komponisten und Texter) - Ausübende Künstler - Tonstudios Sekundäre Produktion (verbundene Dienstleister) - Tonträgerindustrie - Musikverlage - Agenturen Ausbildung - Kindergärten - Volksschulen - Hauptschulen - AHS - Musikgymnasien - Musikschulen - Konservatorien - Musikhochschulen - Pädagogische Akademien und Lehrerbildungsanstalten Instrumentenherstellung und -handel Distribution Bühne und Aufführung - Musiktheater - Festspiele - Konzertveranstaltungsbetriebe - Aufführungsbetriebe (z.B. Discotheken, Restaurants, Bars) Tonträger - CD-Presswerke - Tonträgerhandel - Onlinevertrieb Handel mit Geräten der Unterhaltungselektronik www.ideensindetwaswert.at 25 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Ideen sind etwas wert Rundfunk und TV - Öffentlich-rechtlicher Rundfunk - Privatradio - Kabelgesellschaften Filmproduktion, -verleih und -aufführung Verwertungsgesellschaften Arbeitsplätze in der Filmwirtschaft Die Herstellung eines Films ist in der Regel ein komplexer Prozess, der den Einsatz zahlreicher Spezialisten erfordert. Der Gesamteindruck, den ein Film beim Zuschauer hinterlässt, ergibt sich aus dem Zusammenwirken vieler Menschen. Aus wirtschaftlicher Perspektive umfasst der Sektor Film zahlreiche gewerbliche Betriebe – von der gewerblichen Filmproduktion bis zu den Atelierbetrieben, Kopieranstalten, Tonstudios, Verleih- und Vertriebsunternehmen, technischen Zulieferbetrieben (z.B. Presswerke), spezialisierten Hardund Software Unternehmen (z.B. die Software für den digitalen Schnitt: Avid, Final Cut) etc. In der österreichischen Filmproduktion (Spiel- und Dokumentarfilme) sind im Durchschnitt 2.450 ganzjährige Arbeitsplätze vorhanden. Zusätzlich dazu gibt es den erweiterten Kreis der filmdienstleistenden Unternehmen, wie z.B. Kopierwerke, Postproduktionseinrichtungen und andere mit weiteren 2.210 Arbeitsplätzen. Indirekt sorgt die Film- und Fernsehproduktion weiters für Beschäftigung in zahlreichen anderen Branchen – von der Hotel und Gastronomie über das Transportgewerbe bis hin zur Investitionsgüterindustrie (siehe Grafik). Insgesamt erwirtschaftet die österreichische Filmwirtschaft einen Umsatz von über 1 Milliarde Euro pro Jahr und schafft rund 5.000 Arbeitsplätze. In dieser Zahl ist der ORF mit seinen rund 4.000 Mitarbeitern nicht enthalten. Arbeitsplätze in der Filmbranche Vertrieb und angrenzende Branchen Fernsehproduktion Mitarbeiter von Filmprojekten Agenten Autoren Casting Vermieter Catering Telekommunikationsindustrie Merchhandising Staff (projektbezogen): Ausstatter Kameramänner Beleuchter Regisseure Schauspieler Stunts Produktionsunternehmen Tourismus Hotels Banken + Finanzdienstleister Rundfunk- und Fernsehanstalten Location Studios Kinos Agencies Komponisten Visual Effects Special Effects Orchester Sound Technologieunternehmen Post-Produktion Forschung Technische Dienstleister Quelle: Paul & collegen 26 www.ideensindetwaswert.at Ideen sind etwas wert Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich e) Umsatz – Entwicklung des Musikmarktes in Österreich Die folgende Grafik zeigt, dass sich der Umsatz des Musikmarktes in Österreich nach einem Jahrzehnt des Wachstums seit 2001 rückläufig entwickelt hat. Im Jahr 2010 gab es ein Umsatzminus von 1,6%. Zum Gesamtumsatz werden folgende Produkte gezählt: k k k k k k k k CD CD-Single (2-Track und Maxi) Musikkassette Vinyl (LP und Single) Musik-DVD VHS (bis 2006) Internet- und Handy-Downloads (ab 2005) Merchandising-Produkte, z.B. Künstler T-Shirts (ab 2009) Umsatz Musikmarkt Österreich 1990 – 2009 (in Mio. Euro) 300 Mio. 286 273 h 200 Mio. 184 216 221 h h 310 316 302 312 h h h x h 303 x 314 h 283 x 260 x 250 x 234 230 216 x x x 201 x 185 x h 182 x 100 Mio. 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Quelle: IFPI Austria f) Musikwirtschaft im Vergleich mit anderen Wirtschaftsbereichen Vergleich der Beschäftigtenzahlen von ausgewählten Wirtschaftsbereichen in Österreich Quelle: Scheuch, o. Univ. Prof. Dkfm. Dr. Fritz: Die Musikwirtschaft Österreichs. www.ideensindetwaswert.at 27 Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich Ideen sind etwas wert g) Beschäftigungswachstum im Branchenvergleich 2004 – 2007 Im Jahr 2007 zählten mehr als 10% der österreichischen Unternehmen zur Kreativwirtschaft, rund 4% aller unselbstständig Beschäftigten der gesamten Wirtschaft waren in der Kreativwirtschaft tätig. Das durchschnittliche jährliche Beschäftigungswachstum betrug 5%. Es ist damit doppelt so hoch wie in der österreichischen Wirtschaft insgesamt. Die Betriebe erwirtschafteten fast 5% der Bruttowertschöpfung. Insgesamt nimmt die wirtschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft in Österreich zu. Creative Industries Sachgütererzeugung Bauwesen Handel Beherbungswesen Verkehr/Nachrichtenübermittlung Kredit-/ Versicherungswesen Unternehmensdienstleistungen Öffentliche Verwaltung Unterrichtswesen Gesundheits- und Sozialwesen Persönliche Dienstleistungen Wirtschaft Insgesamt -1,0 - 0,5 0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der selbstständigen, freien und unselbstständigen MitarbeiterInnen in % Quelle: Statistik Austria: Arbeitsmarktstatistik 2007, Mikroensus-Arbeitskräfteerhebung; ZEW: Befragung Kreativwirtschaft Österreich 2008 – Berechnung des ZEW Dritter österreichischer Kreativwirtschaftsbericht 2008 28 www.ideensindetwaswert.at