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YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
Theorie als Drehbuch
Eine Ansammlung von Zitaten, Gedanken, Bildern und Geschichten. Eine assoziative Bewegung als Stimulierung
eigener Ideen. Eine Anregung für weitere Formate und Exkursionen.
Wintersemester 2008/2009: Prof. Dr. Stefan Asmus, Marcus Klug M.A.
YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
Überforderung
1.1 Überforderung/Komplexität ....... 3
1.2 Überforderung/Rationalität ........ 7
1.3 Überforderung/Bewußtsein ........ 8
Kommunikation
1.4 Kommunikation/Übertragung .... 12
1.5 Kommunikation/Ästhetik ............. 14
1.6 Kommunikation/Entwurfslogik .. 16
Selektion
1.7 Selektion/Sinn .................................. 20
1.8 Selektion/Reduktion ...................... 24
1.9 Selektion/Variation ......................... 27
Qualität
1.10 Qualität/Quantität ........................... 32
1.11 Qualität/Wertschöpfung ............... 34
1.12 Qualität/Möglichkeit ...................... 37
Quellennachweis ........................................ 39
YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
„Die Geräuschekuppeln maschinellen Tumultierens (...),
die weit über die Grenzen der
eigentlichen Städte expandieren, setzen sich zum einen als
festes Zeichen einer funktionierenden Historie (...). Zum
anderen sorgen jene egalisierenden Geräuschekuppeln
für das Verschwinden klar getrennter Bezirke; sie annulieren Grenzen und lassen verwischte Großräume zurück.“
(Reinhard Jirgl: Abtrünnig. Roman aus der nervösen Zeit.)
3|4
Exemplarisch
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
1.1 Überforderung/
Komplexität
Ruine, Fragment, Virtualität, Mediale Überformung, Paradoxie,
Simultaneität: Das Buch
steht in seinem chronologischen Ablauf von Ereignissen – in der Form
von Texten und Bildern –,
im Gegensatz zu anderen
Medien, die sich u.a.
durch „Interaktivität“ auszeichnen. Auf der Basis
dieser Möglichkeiten erscheint die Entwicklung
eines narrativen Rahmens
innerhalb des Buches vor
den Möglichkeiten der anderen Medien – als „Film
in Worten und Bildern“,
der zu einem späteren
Zeitpunkt durchaus auch
für das Internet aufbereitet
werden könnte, nachdem
ein erstes Buch veröffentlicht wurde. Die Theorieund Bildbeispiele, die wir
bisher gesammelt haben
– in Form von Einträgen in
Zettelkästen, Transkriptionen, Zitaten etc. – stellen
dieser Analogie nach zu
folgen das Rohmaterial
dar, das wir schrittweise
bearbeiten werden.
Schöpferische Absicht:
Die Überforderung wächst
stetig an, ob im Alltag, in
den Medien oder in der
Arbeitswelt. Wie kann
man dieser Situation gestalterisch begegnen,
wenn die alten Rationalitätsprinzipien nicht mehr
richtig greifen wollen:
Zweiwertige Logik, erhöhte Flexibilisierung, straffere
Organisation etc.
Überforderung: Ein
Tohuwabohu an Informationen, an Möglichkeiten,
an nicht zu bewältigender
Komplexität. Die Zunahme
an Elementen, die von
einem System zusammengehalten werden müssen,
wachsen stetig an. Zu den
„natürlichen“ Umwelten
müssen technische und
computerisierte hinzugerechnet werden. Diese
zum Teil künstlich erzeugte
Komplexität kann aber
nicht mehr ohne weiteres
auf eine „primitivere“ Stufe
der „Evolution“ zurückversetzt werden. Die Konsequenzen wären verheerend: „Postatomar“.
„Oasen in der nervösen
Zeit“:
1. Der Supermarkt
2. Die Börse
3. Das Rave-Spektakel
Wie kann die „Überforderungssituation“
näher beschrieben
werden?
Säkularisation
Übergang von „ewigen“
zu „zeitlichen“ Werten.
Ausdifferenzierung der
Gesellschaftssysteme:
Poltik, Recht, Kunst etc.
Damit verbunden: Erhöhte
Reflexivität und Spezifikation (Siehe dazu u.a.
auch Luh 1984: 577 ff.).
Außerdem: „Verlust der
Repräsentation einzigrichtiger Ausgangspunkte“ (Luh 1992: 40).
„Der Künstler als Erfinder einer neuen Ordnung.“ Francis Bacon in
seinem Atelier
Veränderter Ordnungsrahmen
Ordnung kann nicht mehr
als allgemein verbindlich
aufgefasst werden, außer
als gesetzlicher Rahmen
oder Verstoß gegen zivilisatorische Grundprinzipien, u.a. die „Menschenrechte“. Aber selbst diese
werden im Krieg oder
ökonomisch regelmäßig
verletzt (Siehe dazu auch
Brock 1986).
Aber im Schnitt, in der Selektion der Sequenzen
und deren Beziehung untereinander, gilt es zu beachten, dass die Zeit der
großen Erzählungen an
ein Ende angekommen ist.
Im weiteren Verlauf muss
man sich daher im Klaren
darüber werden, dass es
sich z.B. bei den großen
Theorieerzählungen von
Luhmann und Derrida
um vollendete Denkbewegungen handelte, die
noch einmal versuchten,
eine größere Erzählung im
Angesicht ihrer Unmöglichkeit zu denken. Das
führt zu der bestürzenden
Entdeckung, „dass, wer
auf dem Gipfel startet,
nur noch durch Abstieg
weiterkommt“ (Sloterdijk
2007: 16).
Wie kann das Phänomen der „Überforderung“ dramaturgisch
eingeführt werden?
Das „Split-Screen-Verfahren“ oder die neue
Bilderflut
Die ersten Seiten des
Buches könnten den
Grundkonflikt, der von der
Überforderung herrührt,
durch das Übereinander
und Nebeneinander herlaufen von Bildsequenzen illustrieren: Die zu
sehenden Bilder stehen
sowohl formal als auch
inhaltlich für das Verkehrschaos, in dem sich
der moderne Gestalter
befindet, der sich in
diesen Tumulten zurecht
finden muss: Szenen von
Massenkundgebungen,
Konsumaktivitäten, von
anonymisierten Arbeitsabteilungen oder gestählten,
hochgeputschten Körpern
dominieren das Zuviel an
Impressionen.
Bild und Textinformationen
laufen aneinander vorbei,
sie besitzen nur noch
einen illustrativen Charakter. Hier könnte man die
historischen Eckdaten,
die auf dieses nervöse
Zeitalter hinzulaufen, mit
den zunächst querliegenden und übereinander
geschichteten Bildsequenzen montieren. Das
ist Gestaltungstheorie
als „Buch in Filmform“.
Exemplarisch
„Der Mond ist aufgesplittert“: Vom Naturalismus zur konstruktivistischen Wende
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
Mythologische und
mediale Sinnstiftungskrise
Die schwindende Autorität von Erzählungen,
die einst stellvertretend
Sinn stifteten für jene
Phänomene, die wir uns
verstandesgemäß nicht
erklären konnten. Zwar
setzen sich diese Erzählungen in den Massenmedien fort, jedoch unter
anderen Bedingungen. In
den Massenmedien wird
bereits eine veränderte
Beobachterperspektive
eingenommen. Man geht
nicht mehr davon aus,
dass die Berichterstattung
einen allgemein verbindlichen Rahmen erzeugen
könnte. Daneben ist auch
der multimediale Zugang
zu Informationen frappant: Gleichzeitig können
Nachrichten aus verschiedenen Quellen abgerufen
werden; die Bandbreite
reicht dabei von der Tageszeitung und den Nachrichten im Fernsehen zu
RSS-Feeds im WWW. Es
fügt sich die These eines
medialen Übergangszeitalters an: Der Medientheoretiker Volker Grassmuck bezeichnet diese
Schwelle als „Beginn der
Turing-Galaxie“. Weniger
technozentristisch könnte
man dieses Zeitalter der
„Dämmerung“ auch als
„spätaristotelisch“ und
„frühkomplex“ bezeichnen
(Vgl. Sloterdijk 2001: 10).
Erzählen nach dem
„Abstieg“
Mit diesem „Abstieg“
ist narrativ eine schwerwiegende Konsequenz
verbunden: entweder
konstruiert man Theorie
nunmehr aus der Perspektive eines „unmündigen“
Ich-Erzählers heraus (als
Differenz von Vorstellung,
Beobachtung und Vermittlung von Zeichen) oder
man entschließt sich dazu,
den anderen „unmündigen“ Beobachtern auf
ihrem Weg zu folgen:
und zwar als Beobachter
zweiter Ordnung.
Das kann man sich in
etwa so vorstellen: Es
existiert eine auf mehrere
Seiten angelegte Info-Graphik, in der die Eckdaten
dargelegt werden, die
auf das „nervöse Zeitalter“ hinzulaufen, z.B. die
Geburt des modernen
Subjektes bei Descartes,
die Erfindung der Fotographie, die damit verbundene Entwicklung der
abtrakten Kunst, die Herausschälung des Designs
aus dem Kunsthandwerk
usw. Die Bilder, die diese
Informationen bereichern,
sind aber keineswegs der
Info-Ordnung unterstellt.
Sie laufen quer zu ihnen,
über sie und in sie hinein;
bilden Neben-Stränge
aus, überfrachten die
chronologisch-angeordnete Info-Strecke mit einer
„Bilderflut“. Das passt
zu Luhmanns Beobachtungen zum Bewußtsein:
„Die Bilder tanzen auf
den Worten herum“, leicht
abgewandelt: „Die Bilder
tanzen auf den Informationen herum“ (Vgl. Luh
1987).
Kränkungseffekte
Die Anzahl der Kränkungen, die den Eurobewohnern in den vorangelaufenen Jahrhunderten
zugefügt worden sind, reichen von der Kopernikanischen über die Darwinistische und Freudsche bis
hin zur Quantenmechanik
und Ökologie (Siehe dazu
Mühlmann 1996: 2 ff.).
„Auf breitester Front haben reflektierende Autoren
den Habitus angenommen, nicht in eigener Sache über einen Gegenstand zu sprechen und
zu schreiben, sondern
über andere Autoren zu
sprechen und zu schreiben, die zum Gegenstand
gesprochen oder geschrieben haben“ (Sloterdijk 2007: 54).
Eine dritte Möglichkeit
würde darin bestehen,
zwischen diesen beiden
Möglichkeiten zu variieren.
Der Vorteil dieser Alternative liegt darin, auch
erzählerisch mit einer
bestimmten Perspektive
zu brechen.
„Systemtaxi“
In unserem Falle muss
man hier sicherlich die
Gruppenkonstellation
erwähnen; „Sytemtaxi“ als
einstiger „Kollektiv“-Begriff. Wir alle sind Beobachter zweiter Ordnung;
unterscheiden uns in dieser Gemeinsamkeit aber
wiederum voneinander.
Wenn also von „Wir“ die
Rede ist, kann das nur
relativ gemeint sein. Mit
diesem Bruch sollten wir
„kreativ“ umgehen.
Vom Chaos zur Anschauung
Erst peu à peu wird
dieses „Chaos“ gelichtet: „Spotlight“ auf die
Akteure und Requisiten,
denen wir als Beobachter
zweiter Ordnung folgen.
Aus der chronologisch
verlaufenden Info-Graphik
und den kontrastierenden
Bilderfluten kristallisieren
sich Cluster heraus;
Bündel von Knoten. Innerhalb dieser können die
Akteure und Requisiten
fokussiert werden, ohne
dass die Komplexität verloren gehen würde.
5|6
Exemplarisch
„200th ANNIVERSARY of
DARWINISMS COLLAPSE“: HAPPY BIRTHDAY!
„Der Kreationist als
Versace-Mannequin und
Web-Aktivist“: Adnar
Oktar und sein fulminantes Aggrotainment
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
Wir dürfen allerdings bei
diesen „Kränkungseffekten“ nicht vergessen, dass
sie z.B. von „Kreationisten“ angezweifelt werden.
Nicht nur in den USA
zweifeln Fundamentalisten
u.a. an der Evolutionstheorie, sondern auch in
der Türkei. So kämpft z.B.
Adnan Oktar seit Jahren
gegen den Darwinismus
an, weil nichts von dieser
Lehre im Koran überliefert ist. Das hat in der
Türkei dazu geführt, dass
landesweit Internetauftritte
verboten worden sind, in
denen die Evolutionstheorie propagiert wird.
Das empfinde ich als eine
interessante Option; wenn
gelegentlich von einem
„Ich“ die Rede sein sollte,
dann ist dieses bereits
von der „Gruppendynamik“ beeinflusst.
Schnitt. Ich erlaube mir
jetzt kurz an dieser Stelle
ein Beispiel für einen solchen Knoten aufzuzeigen,
auch wenn sich die Spalte
„Exemplarisch“ eigentlich auf der linken Seite
befindet. Dramaturgische
Ausnahmeanschauung :)
Gedankenexperimente
Fortführung der Kränkungen; insbesondere in den
Naturwissenschaften. Die
Perspektive eines Beobachters ist relativ. Je
nach Blickwinkel verändert
sich auch der „Zustand“
eines Objektes in Abhängigkeit zur Beobachtung.
Unabhängig von der
Beobachterperspektive
existieren aber auch Phänomene, die nicht beobachtet werden können.
Siehe dazu auch Kants´
„Kritik der reinen Vernunft“
als Vorläufer: Raum, Zeit
und Kausalität sind nicht
Gegenstände der Wahrnehmung. Schrödinger
und Heisenberg spitzen
diese Erkenntnis zu: Man
weiß nicht, ob die Katze
in Schrödingers´ Experiment tot oder lebendig ist.
Damit wird die Konstruktion von Wirklichkeit
als Gedankenexperiment
modellartig hinterfragt.
Bei Heisenberg sind es
die Bahnen der Atome,
die in Wiklichkeit nicht
existieren (Vgl. Fischer
2006).
Wir schreiben und beobachten zwar alle anders,
aber dennoch existiert ein
gemeinsamer Rahmen,
wo wir uns erzählerisch
treffen. Deshalb sollte man
auch die Sprache pro Kapitel nicht vereinheitlichen.
In der Gemeinsamkeit
bleiben die Differenzen
bestehen; das nenne ich
„modern“. Alles andere
wäre „vor-modern“: Der
Versuch, Gemeinsamkeiten gewaltsam über die
Sprache herzustellen.
„Your Communication“
Summa Summarum bedeutet das, dass wir zwar
alle Beobachter zweiter
Ordnung sind, aber sich
je nach Kapitel auch die
Sprache und die Darstellungsweise ändern kann,
allerdings unter der Voraussetzung, dass ein
recht hoher Qualitätsanspruch bewahrt bleibt und
der „Your Communication“-Rahmen auch weiterhin von Bedeutung ist:
Zentrale Aussagen, die für
Gestalter gelten, bündeln.
In anschaulicher Form
aufbereiten: Gleichrangigkeit von Bild und Text. Der
Werkzeugkasten: Neuere
Ästhetik und Sytemtheorie. Die zehn Kapitel:
dargeboten mit einer einführenden Einleitung, plus
weitere Unterscheidungen
und Unterscheidungen
dieser Unterscheidungen.
Das müssen nicht zehn
pro Kapitel sein; je nachdem.
Wir sehen einerseits
Hannes Böhringer als
Akteur, andererseits den
Bereich der „Requisiten“
angedeutet. Dieser ist
vor dem Hintergrund des
Kommunikationsbegriffs
von Niklas Luhmann zu
betrachten. Der Mensch
steht nicht mehr im Zentrum der Beobachtung;
er steht buchstäblich auf
dem Kopf und taucht in
„Informationsfluten“ ein,
die sein individuelles kognitives Fassungsvermögen
bei weitem übersteigern.
Kommunikation reproduziert sich an dieser
Schnittstelle somit auf
ihre eigene eigentümliche
Art und Weise. Oder wie
Luhmann wahrscheinlich
sagen würde: Auch Kommunikation kommuniziert
(Vgl. Luh 2000: 41-63).
Exemplarisch
Turbulente Existenzformen
Thematisch
Dynamische Fluktuationen
In einem vergleichenden
Artikel zu den grundlegenden volkswirtschaftlichen
Fragestellungen und
Hypothesen von Keynes
und Schumpeter hat Peter
F. Drucker das statische
Gleichgewicht in der
Wirtschaft angezweifelt.
Seine Position gleicht der
von Schumpeter: Eine moderne Wirtschaft befindet
sich immer in einem dynamischen Ungleichgewicht;
sie ist ein System, das
ständig wächst und darin
an die Biologie erinnert
(Drucker 1983). Auch
Systemtheoretiker wie
Niklas Luhmann sind zu
ähnlichen Erkenntnissen
gelangt: Systeme unterliegen in ihrer Abhängigkeit von der Umwelt
dynamischen Prozessen;
sie fluktuieren. Simultan
ist mit diesen Erkenntnissen „die Konstanz der
Wesensformen und der
Elemente“ radikal in Frage
gestellt (Luh 1992: 130).
Was die Anknüpfung
an biologische Modelle
anbelangt; siehe vor allem
Maturana/Varela zum
Begriff der „Autopoiesis“.
Weitere Assoziationen:
Otto Rössler und die
Chaostheorie: „Die Welt
ist zwar konsistent, aber in
jedem Moment neu.“
Narrativ
Dramaturgisch
Narrative Variantologie
Als da hätten wir noch
die „ästhetische Differenz“, die sich auch
dramaturgisch niederschlägt. Erzählt wird
keine Geschichte, die
ohne Wiederholungen,
Sprünge, intertextuelle
Bezüge und Nebenstränge auskommt.
„Die Theorieanlage (und
auch deren Darstellung)
gleicht eher einem Labyrinth als einer Schnellstraße zum frohen Ende“ (Luh
1984: 14).
Im Gegensatz zu „postmodernen“ Erzählungen
wird aber nicht pausenlos
zwanghaft dekonstruiert,
sondern eine Konstruktion verfolgt, die auch ihre
mögliche Dekonstruktion
im Auge behält.
Auf der dramaturgischen
Ebene wird demzufolge
die klassische Aristotelische Dramenkonzeption in
ihrer Dreiteilung in Frage
gestellt. Das passt auch
gut zu einer „frühkomplexen“ Schwellensituation,
in welcher die Einbildungskraft der zweiwertigen Logik „ein Schnippchen schlägt“. Sowohl
die Dramenkonzeption als
auch die Zweiwertigkeit
verweisen bekanntermaßen auf ihren Gründervater Aristoteles und seine
logischen Verwandten.
Den architektonischen
Grundriss bilden aber
dennoch jene Komponenten, die man sich von
einer mitreißenden Theorieerzählung wünscht:
Konflikte zwischen Akteuren und Beobachtungen;
Spannungsmomente, die
durch Differenzen aufgeladen werden können.
7|8
Exemplarisch
Auf den Spuren von
Aristoteles: „Die Wahrheit der Wahrheit ist
der Wahrheit“ (Meister
Bruce)
„Germany´s Next Topmodel“: Sei doch so natürlich wie möglich bei
größter Künstlichkeit!
Entfalteter „Raum-Essayismus“ oder „Lustmarsch durchs Theoriegelände“
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
1.2 Überforderung/
Rationalität
In einem ersten Schritt
wird erzählt, wie das
zweiwertige Denken
fortan seinen Lauf nahm,
um die Abendländer
einseitig zu konditionieren. Die nächste Etappe
in dieser Konditionierungsgeschichte wäre
der Buchdruck und die
Verbreitung der Diskurskultur. Das ist ein immer
noch waghalsiger Sprung,
da diese Geschichte in
ihren Zusammenhängen
genausogut auch in einer
separierten – vielleicht auf
zehn Bände angelegten
– Sonderedition erscheinen könnte. Da wir aber
Gestalter sind, können wir
hier glücklicherweise eine
Abkürzung wählen, die zumindest graphisch für den
Problemzusammenhang
sensibilisieren sollte:
Schöpferische Absicht:
„Das Bewußtsein“, so
kann man das bei Luhmann „nachschlagen“,
„will ständig unterhalten
werden“ (Vgl. Luhmann
1985: 404). Neben der
Sprache rücken in dieser
Sehnsucht vor allem die
Bilder hervor, die in ihren
assoziativen Strömen dem
Bewußtsein recht nahe
stehen. Mit der Computerisierung sind diese
Bilderströme jedoch in
ihrer Komplexität um ein
vielfaches angestiegen,
so dass es immer schwieriger wird, die Übersicht
darüber zu bewahren. Wir
halten es daher für eine
große Herausforderung,
unsere eigene Denkpraxis
auf diese Veränderungen
hin zu befragen. Können
wir etwa nicht mehr Stand
halten mit diesen Entwicklungen, ist unser Geist
also hoffnungslos überfordert? Oder benötigen wir
einfach andere Strategien
und Logikvorstellungen,
mit denen wir auf diese
Überforderungssituation
adäquat reagieren können?
„Die systemtheoretische
Logik folgt der Logik solcher Geister wie George
Spencer Brown und Bertrand Russell. Die ist paradoxal konstituiert und produziert Widersprüche (...)
Und das ist auch für Gestalter relevant, ab welchen Grad führe ich Prozesse, die vielleicht doppelsinnig, vielleicht widersprüchlich sind, durchaus
noch weiter (...)“ (YC.
Transkription 01: 1)
Als Gestalter arbeiten
wir nicht mit „Wahrheit“,
sondern mit „Konstruktion“. „Wahrheit“ erreicht
so über Umwege einen
ästhetischen Status;
weil sie plötzlich „schön“
erscheint, erhaben; unsere Sinne beflügelt.
Auch sprachgeschichtlich
und philosophisch wurde
bereits eine derartige
Logik angedacht. Auf Diskurs und eindimensionalen
Denkbewegungen folgte
ein tänzerischer Ausdruck;
man denke dbzgl. nur an
Nietzsches „Zarathustra“
– eine der ersten großen
Performance-Figuren in
der abendländischen Philosophie. Denken wird somit zum Aufführungsmodus erhoben.
Bazon Brock knüpft an
diese Tradition an; er
haucht den „Zarathustra“
quasi Leben ein. Die Überforderungssituation geht
von den Bildeindrücken
und Objekten aus, die der
Denker nunmehr innerhalb
des Raumes „essayistisch“ entfaltet (Vgl. Bazon
Brock 2008: Gespräch
mit Peter Weibel).
Gestalter arbeiten zunächst von der gegenü-
Wie lässt sich der Disput zwischen Diskurskultur und Bildlogik
visualisieren?
Der Überhang an Möglichkeiten wird schließlich
durch die Computerkultur
noch weiter vorangetrieben. Vordenker in dieser
Epoche sind u.a. Gotthard
Günther und Spencer
Brown. In der Logik wird
vor diesem Hintergrund
eine Art Kehrtwende
eingeschlagen, mittels
derer Paradoxien und
mehrwertige Lösungsansätze nicht mehr länger
unbeachtet am Wegesrand ausgelagert werden.
Aber auch diese Ansätze
„halten“ noch „an einer
strikten Entsprechung von
Ontologie und Logik“ fest
(Günther, dazu Luh 1992:
27) oder sind zu stark „formalistisch-mathematisch“
geprägt (Brown).
Resümierend könnte man
auch sagen, dass sich die
Präsenz einer dritten Grö-
Dramaturgisch lässt sich
die Frage der Logik nicht
von der des Bewußtseins
trennen.
Ein Theatermovie als
„Stream of Conciousness“
Im Rahmen des internationalen Tanzfestivals
NRW (07.11. - 30.11.08)
lud Pina Bausch bereits
zum zweiten Mal – als
künstlerische Leiterin –
renommierte Künstler aus
der ganzen Welt ein. Innerhalb dieses Rahmens
wurde auch das Projekt
„Ohne Blut“ das erste Mal
in Deutschland aufgeführt.
Bei diesem Stück der
chilenischen Theaterformation „La Troppa“ han-
Exemplarisch
„Ohne Blut“. Ein Theatermovie
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
berliegenden Seite aus;
sie versuchen nicht die
Bilder und Objekte als
Denkmaterial an sich zu
reißen. Sie haben die
Bilder und Objekte schon
inhaliert, bevor das Denken seinen Lauf nimmt.
Während der „Performance-Philosoph“ also
noch weiter „denkt“,
verwandeln sie den umliegenden Raum bereits in
eine andere Gestalt.
ße anbahnt, die alles, was
zuvor zweiwertig behandelt wurde, aus den Fugen
hebt. Durch den dritten
Wert werden Grenzmarkierungslinien in ihren geläufigen Konturen verwischt; was zu einer enormen Dynamik führt, die
wir nur verhältnismäßig
ungenau bestimmen
können.
delt es sich um einen virtuell-physischen Bastard:
Film- und Theaterszenen
greifen ineinander, vermischen sich und annulieren
bestehende Grenzen.
Archäologische Theorieausgrabungen: „Auf
den Spuren von Marshall
McLuhan würde man
sagen, dass die lineare
Mentalität, die in der
Diskurskultur kulminiert,
eine Konsequenz des
Buchdrucks ist“ (Sloterdijk/Hans-Jürgen Heinrich
2001: 266). Siehe zu
diesem Zusammenhang
auch Flusser. Weitere Verweise: Plato und Aristoteles usw.
Systemisch versuchen
wir aber dennoch diese
Zwischenräume näher
zu durchleuchten: Was
Spencer Brown formalistisch mit seinem Kalkül
beschreibt, ist noch nicht
die Bildwende, die sich
in einer „neuen“ Verhältnisbestimmung offenbart.
Der unbekannte Kontinent,
der vor uns liegt, ist unser
eigenes Bewußtsein. „Prophylaktisch“ wird dieses
im 21. Jahrhundert „digital“ erkundet.
Erzählt wird die Lebensgeschichte einer Frau,
die einst zum Opfer eines
Gewaltaktes wurde. Nach
fünfzig Jahren begegnen
sich Opfer und Täter
wieder.
Die Darsteller treten bei
dem Stück in die filmischen Projektionen und
Szenenwechsel ein. Der
Zuschauer fühlt sich so
relativ nahe emotional ins
Geschehen ver-setzt, ohne dass er immer zwischen den digital aufbereiteten Projektionen und
dem „realen“ Theatergeschehen differenzieren
könnte. Was für die einen
schon fast Film ist, „verwischt“ sich für die anderen zum „Hybrid-Drama“.
--------------------------------------1.3 Überforderung/
Bewußtsein
Maturana: Phylogenetischer Drift, der Gedanken irritiert. Bewußtsein
weicht von sprachlichen
Codierungen ab. „Code“
stellt somit eine unzureichende Bezeichnung
dar, wenn es um Prozesse geht, die sich im
Bewußtsein abspielen.
Asmus: „Die Eigendimension des Bildes ist
durch den Code verdrängt
worden; das eigentliche
Bildhafte verschleiert
die Sprache durch die
Begriffsdimension“ (YC
Seminar 11.11.2008: „Die
Autopoiesis des Bewußtseins“).
Auch „zweiwertig“ nehmen wir derzeitig Anteil
an einer solchen hybriden
Dramenkonstellation. Die
Bildabfolgen, die vom Digitalen herrühren, bilden
zusätzliche, künstlich hervorgerufene Komplexitäten aus, die in die Darstellungen mit eingehen.
Das gilt nicht nur für
gestalterische Disziplinen,
sondern auch für jene
Denkarten, die vorrangig
„auf der Bühne“ ablaufen. Mit Bazon Brock: als
entfalteter „Raum-Essayismus“.
Die neuzeitlichen Digitalsphären stehen demgegenüber für „energetische“ Bildbewegungen,
die Objekte zuweilen
auch rasend schnell in
9|10
YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
„Würden wir uns anstrengen,
das eigene Bewußtsein wirklich in seinen Operationen
von Gedanken zu Gedanken
zu beobachten, würden wir
zwar eine eigentümliche Faszination durch Sprache entdecken, aber zugleich auch (...)
eine eigentümlich-hintergründige Tiefe der Bewußtseinsaktualität, auf der die Worte
wie Schiffchen schwimmen,
aneinandergekettet, aber
ohne selbst das Bewußtsein
zu sein, irgendwie beleuchtet,
aber nicht das Licht selbst.“
(Niklas Luhmann: Was ist Kommunikation?)
Exemplarisch
Thematisch
„Bewußtsein funktioniert
letzlich assoziativ. Sprache ist die Engführung
der Kommunikation; das
Bewußtsein bedient sich
der Sprache als Transportund Strukturmedium“ (YC
Seminar 11.11.2008: „Die
Autopoiesis des Bewußtseins“).
„Studien zur nächsten
Gesellschaft“. Jeff Han:
„Perceptive Pixel“
In diesem Zusammenhang
ist auch der Begriff des
iconic turn von großer
Bedeutung – als „Wende zum Bild“. Was aus
diesem Turn folgen wird,
ist höchstwahrscheinlich
nicht nur eine Hervorhebung der bildlichen und
sinnlichen Logik, sondern
auch die Neukonturierung
unserer zweiwertigen Kultur, deren wir in „Alteuropa“ noch verhaftet sind.
Noch unfähig den Sprung
in die Mehrwertigkeit
denken zu können, aber
bereits ergriffen von einem
Möglichkeitenhorizont, der
das Licht auf die vor uns
liegenden Pixel-Phantasien wirft.
„Etwas anderes ist nun
allerdings zu verstehen,
wie diese ikonische Sinnerzeugung funktioniert.
Trotz zweieinhalbtausend
Jahren europäischer
Wissenschaft blieb dieses
Problem seltsam marginalisiert. Erst seit kurzer
Zeit wird am Projekt einer
`Bildwissenschaft´ gearbeitet, während sich die
Sprache seit der Antike
einer dauernden diskursiven Erörterung erfreut.
Aber diese Lage hat sich
zwischenzeitlich entscheidend verändert“ (Boehm
2007: 34).
Narrativ
Dramaturgisch
andere Zusammenhänge
überführen. „Raumessayismus“ würde in diesen
Sphären nicht mehr dem
Versuch gleichkommen,
Denken über statische
Objekte zu vollziehen. Im
Bereich der „Perceptive
Pixel“ wird statt dessen
aktuell an multidimensionalen Bildszenarien
geforscht, die über körperliche Eingriffsmöglichkeiten angesteuert werden
und „Bewußtseinsströme“
simulieren.
Dramaturgisch kann dieser erzählerische Nebenstrang ebenfalls als eine
Art von „Theatermovie“
angesehen werden. Folgt
man dieser Metapher,
so hat man es mit einem
Drama zu tun, in dem die
Erinnerung von Phantasien „heimgesucht“ wird,
die dem Zukünftigen
gewidmet sind.
Ein Beobachter durchreist
die Vergangenheit und erinnert sich zu einem späteren Zeitpunkt an Aristoteles zurück; wie dieser
ihn als Täter des Vorstellungsvermögens beraubte.
Die Bühne ist zum einen
mit Requisiten aus der
vergangenen Theaterepoche bestückt, zum anderen mit digitalen Projektionsflächen versehen. Die
Figuren sind ohnmächtig
verstrickt in dieses hybride
Drama. Neben Nietzsche
und Brock tauchen Günther und Brown auf; aber
sie reden nicht wirklich
miteinander. Das Bühnenbild im Hintergrund
stammt von Jeff Han. Es
wird vom Publikum per
Touchscreen navigiert.
„Schwindelerregend und
fast fieberartig“, wie ein
Zuschauer kurz nach der
Premiere bemerken wird.
11|12
YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
Kommunikation
----------------------------------------
Exemplarisch
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
1.4 Kommunikation/
Übertragung
Ein Gedankenexperiment: Als Beobachter unterwegs in einer Region, in
der die Menschen jederzeit an den Gefühlszuständen ihrer Mitmenschen
teilhaben, ohne dass
sie sich diesen Übertragungsformen widersetzen
könnten.
Schöpferische Absicht:
Bei der Kommunikation
handelt es sich nicht um
eine „Übertragung“. Wie
Menschen als Gestalter
ihre Gedanken und Vorstellungen zum Ausdruck
bringen, aber auch wie
diese durch ihre Umwelten beeinträchtigt werden,
ist als Skizze Aufgabe
dieses Abschnitts. Wir
werden also erfahren,
was Kommunikation mit
Ästhetik zu tun hat. Warum dieses Verhältnis als
„komplex“ bezeichnet
werden darf. Und drittens: Weshalb die Logik
von Gestaltern nicht mit
der einer „rein“ begriffsgestützten verwechselt
werden sollte. Kurz: „Entwerfen als Erfindungsprozess“. Eine eigene Logik.
Das Sender- und Empfängermodell wurde 1970
von Stuart Hall entwickelt.
In diesem Modell wird
Kommunikation als Übertragung einer Nachricht
von einem Sender zu einem Empfänger definiert.
Dieses Modell ist aber
zunächst rein technisch
angelegt; und zwar im
Sinne von Informationskanälen, die Botschaften
übermitteln und als solche
von einem Empfänger
decodiert werden müssen,
z.B. über den Empfang
von Radiosequenzen.
„Verbotene Aufnahmen“: Wenn Empfänger
sich dem Rausch der
„Übertragung“ hingeben
„Die spiritistische
Sitzung wäre damit
eröffnet“: Dr. Mabuse
lädt zum Spiel ein
In der Psychologie wurde
dieses Modell im Laufe
der Zeit weiter ausdifferenziert und auf menschliche Kommunikation
angewandt. So ging u.a.
Paul Watzlawick davon
aus, dass man „nicht nicht
kommunizieren kann“,
also auch unbewußt und
nonverbal.
Niklas Luhmann hat
dieses Modell in seinen
Grundannahmen für
obsolet erklärt. Kommunikation funktioniert nicht als
„Übertragung“. „Übertragung“ kann nur als eine
Metapher angesehen
werden, die eine bei weitem zu stark vereinfachte
Vorstellung impliziert.
In allen sozialen Systemen, wo Kommunikation
als Phänomen auftritt, sind
wir mit einer Eigendynamik konfrontiert, die als
„hochkomplex“ bezeichnet
werden darf.
„Ähnlich wie Leben und
Bewußtsein ist auch Kommunikation eine emergente Realität, ein Sachverhalt
sui generis. Sie kommt
zustande durch eine Synthese von drei verschiede-
Was anfänglich noch als
angenehm empfunden
wird, als Bereicherung der
Intuition und Empathie,
breitet sich immer stärker
aus; ja wird geradezu als
eine neue Art von „Epidemie“ wahrgenommen,
als eine Bedrohung, die
irgendwie bekämpft und
abgeschüttelt werden
muss.
Einst hatte ein Theoretiker über diese seltsamen
Phänomene geschrieben.
Er hieß Heiner Mühlmann
und ahnte bereits, dass
zwischen gefühlten Übertragungen und künstlich
erzeugtem Stress ein
Zusammenhang bestehen
müsse. Gelesen wurde
er allerdings nur kaum;
„zuviel Theorie ist ungesund“, dachten sich seine
Mitmenschen, bis plötzlich
diese „Seuche“ ausbrach.
Die Menschen reagierten panisch. Nervöses
Zucken, Ratlosigkeit und
Hast. Affektkommunikation. Das kannte man
schon vorher. Das wurde
in jenen Tagen als „normal“ empfunden. Aber die
Anteilnahme, die nunmehr
nicht mehr abgeschaltet
werden konnte, spitzte die
allgemeine Situation hochgradig zu. Zu den schon
„eingebürgerten“ Schattenseiten zivilisatorischen
Daseins kam jetzt auch
noch das allgegenwärtige
Mitgefühl hinzu.
Um besser zu verstehen,
warum „Übertragung“ in
Bezug auf Kommunikation
ein unzureichender Begriff
ist, eine Metapher, die
nicht greift, macht es Sinn,
ein Gedankenexperiment
vorzunehmen. Als negative Überhöhung müssen
wir uns nur dramaturgisch
in die Lage einer Situation
hineinversetzten, in der
ähnlich wie in dem Roman
„Stadt der Blinden“ von
José Saramago, eine „Eskalationssituation“ vorherrscht. In einer in ihren
Folgen zuerst kaum abzuschätzenden Gestimmtheit werden plötzlich die
Gefühlsregungen der anderen Menschen um uns
herum zur einer ernsthaften emotionalen Bedrohung. Wir können unsere
Anteilnahme einfach nicht
mehr ausschalten. Ausgehend von dieser dramatischen Wende steuern
wir auf eine Differenz zu,
die einen gestalterischen
Ausweg aufzeigt. Ein Happy Endig.
13|14
YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
„Ohne ästhetisches Kalkül
mit der Differenz von Anschauung und Vorstellung (...),
ohne die Erfahrung prinzipieller Uneinholbarkeit von Bewußtsein in Kommunikation
werden alle Aussagen über
die Welt zu beliebigen Metaphern oder Bildern, zu Gleichnissen oder willkürlichen
Analogien.“
(Bazon Brock: Der Barbar als Kulturheld)
Exemplarisch
„Der Zettelkasten als
Installation“. Gestaltwahrnehmung auf der
Basis ihrer Unterscheidungsmöglichkeiten
Thematisch
Narrativ
nen Selektionen – nämlich Selektion einer Information, Selektion der
Mitteilung dieser Information und selektives Verstehen oder Mißverstehen
dieser Mitteilung und ihrer
Information“ (Luh 2000:
45).
Noch waren es aber nur
wenige, die von den Auswüchsen dieser Übertragungsformen betroffen
waren. Aber zunehmend
wurden es mehr.
Diese Variante des Kommunikationsbegriffs sollte
weiter erklärt und durch
Theoreme ergänzt werden, welche die Basis für
Luhmanns Hypothesen
bilden, u.a. die Definition
von „Information“ nach
Bateson. Ferner könnte
die Frage aufgeworfen
werden, wie Informationen
„Sinn“ vermitteln, was
auf die Bedeutungszuweisung und Selektion eines
Beobachters verweist.
Erst der Beobachter
macht aus Daten Informationen. „Dies führt zu
einer Kopplung von Information und Sinn, bzw.
Gestalt“ (Asmus: Ästhetisches System).
Neben der „Information“
ist vor allem der Begriff
des „Verstehens“ für
Gestalter relevant. Wie
„Verstehen“ wiederum von
Gestaltern verstanden
wird, hängt mit der Ästhetik zusammen. Für Gestalter müssen die Dinge,
die sie vermitteln, anschaulich sein – wie ein
„gutes“ Bild, das „mehr
als tausend Worte sagt.“
Dramaturgisch
Das schon fast ins Vergessen geratene Buch von
Heiner Mühlmann – „Die
Natur der Kulturen“ – wurde so auf Umwegen doch
noch zu einem Bestseller.
Die Menschen erkannten
nämlich, dass Theorie
in manchen Zeiten ein
probates Mittel darstellen
kann, diese außerordentlichen Destabilisierungstendenzen näher zu
verstehen.
Aber noch fehlte es an
einer größeren Initiativbewegung, von der aus
diese Erkentnisse auch
auf die Eskalationssituation angewandt werden
konnten.
Es waren schließlich die
Gestalter, die einsahen,
dass eine nicht einstellbare Anteilnahme genausogut auf Objekte zutreffen
könne. Ferner brachten sie
den Menschen bei, dass
diese „Übertragungsformen“ nicht als Krankheit
wahrgenommen werden
müssen. Maximale Stresskooperation. Von da an
wurde wieder mehr dosiert. Man einigte sich also
auf Differenz. Liebe in Momenten ausgeschlossen.
--------------------------------------1.5 Kommunikation/
Ästhetik
„In der Gestaltung geht es
(...) darum, die Dinge und
Eindrücke, die in der Welt
oder im eigenen Leben
gesammelt werden, zum
Ausdruck zu bringen. (...)
Wie können die Dinge, die
Schnitt. Angekommen im
Zettelkastenland. Man beobachtet zunächst Niklas
Luhmann, wie dieser in
der Form eines „Ein MannDenker-Unternehmens“,
dem übermäßigen Drang
nachkommt, sich über
Zettel zu organisieren. Mit
noch eigentlich recht „un-
„Er wurde geboren, dachte und starb.“ In diesem
Moment läuft keine Musik;
das wäre schlichtweg zu
pathetisch. Letze Woche
noch lief ein anderer Film.
Der hatte eher weniger mit
Theorie zu tun; jedenfalls
nicht so direkt. Es ging um
David Carson und Neville
15|16
Exemplarisch
„Kommando Otl Aicher“: Ästhetische
Differenz als Versuch
„erzwungener Unmittelbarkeit“. Olympische Spiele 1972
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
wir aneignen oder herstellen, ihren Wert in der
Beziehung zu anderen
entfalten?“ (Asmus: Lexikon-Artikel zum Begriff
des „Verstehens“).
bedarften“ 25 Jahren steht
für ihn jedoch bereits fest,
dass er sein Leben fortan
planen müsse. Auf einen
Interviewer, der ihn zu
diesen Absichten befragt,
wirkt das seltsam befremdlich. Das Leben mit
25 Jahren planen? Wie
soll das funktionieren? Auf
die uns alle betreffende
„Überforderungssituation“
reagiert Luhmann mit dem
Stichwort der „Komplexität“. Als Denker reagiert
er auf diese Situation
mit einem „Masterplan“.
Wissen stetig ansammeln,
kombinieren usw. Der
Zettelkasten als eine „Reduktion zum Aufbau von
Komplexität“. „Aber nicht
ohne Zufall“, werden Beobachter einwenden. Und
auch Luhmann weiß den
Zufall bei allen Planungsabsichten, denen er quasi
„manieartig“ folgt – Zettel
auf Zettel, ein ganzes
Denkerleben lang – nicht
hoch genug zu würdigen.
Brody. Typographisch war
damals die Zeit reif für
ein größeres Experiment;
„Lifestyle und Postmoderne“ und solche Dinge.
Leute, die das „Ende der
Geschichte“ postulierten. Dabei existierte die
„Postmoderne“ eigentlich
überhaupt nicht. Ersonnen von Philosophen und
untermauert von einigen
berühmten Gestaltern.
In den 1980iger Jahren vertrat u.a. Neville
Brody die Ansicht, man
müsse typographisch
protestieren – „gegen die
überkommenden Formen
des Establishements und
Identifikationsvorlagen
für eine neue, alternative
Jugendkultur“ (Khazaeli
2005: 48).
Aber da eben „Verstehen“
nicht wie ein „Übertragungsmodell“ funktioniert,
können auch Gestalter
kein Verstehen im trivialen
Sinne „produzieren“. Die
Objekte, die sie entwerfen, bilden nur „Brücken“,
die vor der Pforte des
Bewußtseins halt machen
(Prinzip „Black Box“).
„Gerade Künstler verweigern sich häufig dem
oberflächlichen Wunsch,
Verstehen ohne Anstrengung, ohne Reflexion
nachkommen zu wollen.
Verstehen setzt also auch
die Bereitschaft voraus,
sich auf den anderen
einzulassen, auf die Kunst,
die Literatur oder das
Design (...) Verstehen ist
somit ein wechselseitiges,
nicht triviales Verhältnis,
in dem wir uns kommunikativ damit zurecht finden
müssen, dass wir uns
niemals wirklich verstehen
werden“ (Asmus: LexikonArtikel zum Begriff des
„Verstehens“).
„Die eigene Beobachtung bleibt stets
ein blinder Fleck“:
„Das Schwarze Quadrat“ von Malewitsch
Aus ästhetischer Perspektive sind wir mit dem
Grundproblem von nicht
übertragbaren Gestaltungszusammenhängen
konfrontiert. Was wir denken und fühlen, können wir
nicht auf direkte Art gestalterisch zum Ausdruck
bringen. Es geht also in
der neueren Ästhetik um
die Sensibilisierung für
„intrapsychische Prozesse“, die als solche nicht
durch zeichenbedingte
„Übersetzungen“ transportiert, wohl aber problematisiert werden können (Vgl.
Brock 2002: 427-431).
Schnitt. Der Ausgangspunkt ist die Theorie in
der Nachkriegssituation.
Erlebnisse von Chaos und
Kontingenz. Ein Schauspieler miemt Luhmann;
wie dieser in amerikanischer Gefangenschaft
nach 1945 auf unangenehme Weise überrascht
wird; seine Uhr wird ihm
vom Arm abgenommen.
Außerdem erlebt er physische Gewalt. Die Unterscheidung „gut“ und
„böse“ ist ein für alle Mal
hinfällig geworden. Wir
sehen ein Zitat von Carl
Schmitt, das noch für
eine Phase steht, in der
entschieden für das „Eine
von Zweien“ votiert wurde.
Luhmann muss stattdessen in amerikanischer
Gefangenschaft erleben,
dass derartige Enschiedenheiten tragischweise
nicht mehr funktionieren.
Dramaturgisch knüpfen
wir an dieser Stelle an die
Situation von Beobachtern
an, die auf zweiter Ebene „Cinephile“ sind; die
sich Woche für Woche in
einem kleinen Programmkino gemeinsam treffen.
Themen, die für Gestalter
mehr oder weniger von
Interesse sein dürften.
Nach der Aufführung wird
häufig rege diskutiert.
Diesmal fällt der dargebotene Film in seiner Machart aber ein wenig „strenger“ aus. Nicht ganz so
verspielt und collagiert
wie der Beitrag zu Carson
und Brody in der Woche
zuvor.
Ein vielleicht erster Kontakt mit Luhmann. Schwierig. Nicht ohne Anstrengung zu bewerkstelligen.
Aber wenn er so erzählt.
Im Kino: Wechsel zwischen lautem Gelächter
und phasenabhängiger
Überforderung. „Kommunikation, die kommuniziert“, „das Leben mit 25
verplant.“ Zettelkasten.
Exemplarisch
„Zen-Meditation für
Philosophen“ oder von
der „Austreibung des
Wahnsinns aus dem
Geiste“
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
Als „Gründervater“ der
neueren Ästhetik ist u.a.
Nietzsche zu nennen,
weil er ihr im Denken eine
stellvertretende Position
zugebilligt hat, die jenen
Vorstellungen zugute
kommt, die sich außerhalb
der „Wahrheit“ befinden.
Nietzsche hat dieses
Wahrheitsproblem also
über sprachliche Bilder
gefasst, die für eine Sphäre stehen, in der Denken
und Wahrnehmen eine
nicht einholbare Differenz
markieren.
Schnitt. Es sind Erinnerungsfotos zu sehen;
Deutschland nach 1945
in Schutt und Asche gelegt. Man stellt sich vor,
wie vor diesem Hintergrund das Denken weiterlaufen könnte; eingegossen in Theorie. Entweder
entscheidet man sich
dafür Konsens zu schaffen, wie es z.B. Habermas
als Nachkriegsdenker
angesonnen hatte, oder
man erklärt das „Ganze“
endgültig für passé. Es
kann also kein Konsens
mehr erzielt werden.
Die Künstler halten derartige „Auswüchse“ für
„Nonsense“. Die Designer
sehen dagegen zumindest
ein, dass in der Nüchternheit dieser Theorie
und in ihrer formalen und
funktionalen Strenge eine
Verwandtschaft besteht.
Später, wenn die Kriegsereignisse geschildert
werden und die „Ruine“
eingeführt, wird klar, wie
stark diese historischen
Episoden unsere Kultur
beeinflußt haben. Unser
Denken. Unsere Gestaltung.
Schnitt. Auf den Spuren
von Hegel. Man könnte
auch von einer „vormodernen“ Denksituation
sprechen, zumindest wenn
man „modern“ auch als
„ruinös“ anerkennt; in sich
gebrochen. Hegel gehört
demnach noch zu den
letzen „Geistern“ an, die
von Geschichte träumen,
die in ihren dialektischen
Bewegungen auf die Verabsolutierung des „Geistes“ hinauslaufen.
Das Motiv der „ästhetischen Differenz“ erscheint
als Antriebsmotor. Ruine.
Lücke zwischen Vorstellung und Realität. Zufall
und Kontingenz. Und der
Zettelkasten? Der scheint
insofern für einige Anwesende heute abend eine
bemerkenswerte Rolle zu
spielen, weil er zur Vernetzung anregt: malen,
skizzieren, illustrieren,
skribbeln, aufschreiben,
filmen usw. Und all diese Aktivitäten noch einmal „hypermedial“ unter
einer großen Kuppel
vereint.
„Wir hören nicht mit den
Ohren, sondern mit dem
Gehirn; wir sehen nicht
mit den Augen, sondern
mit dem Gehirn (...) Wir
müssen annehmen, dass
Nietzsche von diesem
Prinzip gehört hatte (...)
Die Verrechnung des
Prinzips mit anderen erkenntnis- und sprachtheoretischen Einsichten
und Auffassungen geriet
außer Kontrolle. Die Philosophie wurde in Schwingungen versetzt, von
denen sie sich bis heute
nicht erholt hat, ja deren
Diagnose sie sich bis heute verweigert“ (Baecker
2008: 189).
Weitere Analogien: Erkenntnisse der Neuro- und
Kognitionsforschung, die
in eine ähnliche Richtung
tendieren. Singer, Roth
usw.
Schnitt. Wer einst Zeuge
des Krieges wurde und
gleichsam das Denken für
sich zur Profession erklärte, kann eigentlich nur zu
der Erkenntnis gelangen,
dass sich in allen großen
Systemen unterschwellig
Ruinen ausbreiten. Geteiltes Bild. Imaginäre Begegnung Brock/Luhmann.
Luhmann adé. Das Kino
ist wie leergefegt. Die Besucher wieder zu Hause.
Der Computer läuft. Und
die Möglichkeiten? Wie
werden diese wohl weiter
wahrgenommen?
--------------------------------------1.6 Kommunikation/
Entwurfslogik
„Entwerfen findet in der
Welt der Vorstellung statt,
in der man anstelle der
realen Dinge Ideen und
Konzepte erfindet und
manipuliert, um den realen
Eingriff vorzubereiten. Sie
Der Entwurfsprozess, so
können wir das u.a. bei
Otl Aicher nachlesen, ist
ein „komplexes Gebilde
geistiger Tätigkeit (...) Er
berrechnet und eröffnet
Landschaften der Möglichkeiten. Im Entwerfen
kommt der Mensch zu sich
selbst. Anders bleibt er
Ab ins „Auenland, Wohnsitz der Hobbits“. John
Ronald Reuel Tolkien
– der Schöpfer und Entwerfer dieser Welt – war
beides: Professor für
„Englische Sprache und
Literatur“ und „Phantast“
allererster Güte. Tolkien
hat als Wissenschaftler
17|18
Exemplarisch
„Utopische Entwursszenarien“:
1. Tatlin: „Monument der
Dritten Internationale“
(1920)
2. Speer: „Germania“
(1937)
3. Fuller: „Floating Cloud
Structures“ (ca. 1960)
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
(= Planer, Architekten
usw.) arbeiten mit Modellen als Mittel zur stellvertretenden Wahrnehmung
und Manipulation. Skizzen,
Kartonmodell, Diagramme und mathematische
Modelle und, als flexibelste von allen, die Sprache,
dienen als Medien zur
Unterstützung der Vorstellungskraft“ (Rittel 1992:
136).
Beamter“ (Aicher 1991:
195). Wir können uns auf
der Basis dieses Zitates
den Entwurfsprozess als
eine Art von Reise vorstellen, ein Trip durch wechselnde Landschaften. Im
Luhmannland: verbunden
durch den Grundton der
Einsamkeit und den ekstatischen Rhythmus der
Sprache, der sich hinter
den spröden, nüchternen
und höchst ironischen
Beobachtungen eines
„GeistTäters“ verbirgt.
Die Idee der „Parallelpoesie“: was nichts anderes
bedeutet, als alles noch
einmal anders zu sagen.
Wie die „eigentümlichhintergründige Tiefe der
Bewußtseinsaktualität, auf
der die Worte wie Schiffchen schwimmen.“
u.a. die mythologischen
Sprachen erforscht,
um eine eigene zu erfinden, die er später in seinen „parallelpoetischen“
Erzählungen entfaltete.
„Herr der Ringe“.
Beim Entwurfsprozess
handelt es sich um eine
spezifische Form der
Logik, die als geistige
Tätigkeit über die Sinne
und die Wahrnehmung
erfahrbar ist. Im Entwurfsmodus werden Denken
und gestalterische Praxis
aufeinander bezogen, so
dass es zu einer Synthese kommt. Methodische
Strenge, Phantasie,
Erfindungsgabe, Anschauungs- und Selektionsvermögen sind gleichermaßen von Bedeutung.
Entwerfen stellt aber keine
Theorie dar, sondern eine
Art von „Erfindungstätigkeit“ (Vgl. Hammel 1999).
Wie kann man über Bestehendes, Gewußtes
und Bekanntes hinausgelangen?
Wirklich „Neues“ wird
zumeist nur in der Konstruktion sichtbar, „denn
was nie jemand gesehen,
gewusst oder gedacht
hat, weil es nicht existierte, wird hier durch geistige
Anstrengungen das erste
Mal hervorgebracht“ (Leyer 1963: 7).
Ohne die ideelle Konstruktion wäre das „Entwerfen
als Erfindungsprozess“
schier unmöglich. Im Entwurfsprozess werden
Denken und Praxis auf einander „abgestimmt“, was
in der Theorie nicht gilt.
Luhmann befand sich als
Gelehrter auf einer „einsamen Insel“, von der er
aus in die weiten Gebirge
des Denkens hineinmanövrierte. Seine Beobachtungen bildeten – in der
Form von Zetteln – das
lose Entwurfsgerüst für
eine Theoriearchitektur,
die er in drei Jahrzehnten
stetig weiter ausbilden
sollte. „Theorie der Gesellschaft. Laufzeit: 30 Jahre.
Kosten: keine.“ 1984 ist
es dann soweit: Der lose
Entwurf ist übergegangen
in den „Grundriß“. Im Untertitel zu dem Buch „Soziale Systeme“ heißt es
deshalb auch: „Grundriß
einer allgemeinen Theorie“. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür,
dass Luhmann in den
Jahren zuvor von einer
„Nullserie“ gesprochen
hatte.
Bevor Luhmann als ordentlicher Professor in
Bielefeld lehrte, arbeitete
er als Verwaltungsbeamter in Lünbeurg. In
Eine der größten Einflüsse war dabei für ihn
das „Arts and Crafts
Movement“. Tolkien war
von Morris und seinen
poetischen Visionen
derart fasziniert, dass er
diese zum Teil auch in
seine Geschichten hat
mit einfließen lassen – als
intertextuelle Bezüge.
Von allen möglichen Vergleichen, die „wir als
professionelle Touristen
im Luhmannland“ (Peter
Sloterdijk) ziehen können,
ist der Vergleich zwischen der Systemtheorie und dem „Auenland“
sicherlich einer der
befremdlichsten, doch
zugleich auch der aufschlussreichste. Wird mit
diesem doch die dramaturgische Frage eröffnet, wie sich Entwurfsprozesse gestalterisch
in Szene setzen lassen,
die von „Weltkonstruktionen“ handeln.
Während Luhmann eine
Welt schöpfte, die bei
einem ersten oberflächlichen Blick in ihrer Anmutung eher Wittgensteins
Haus für Gretl nahe steht,
haben wir es bei den
„Weltentwürfen“ von Tolkien mit Landschaften zu
tun, die in sich kartographiert und durch zahlreiche Fabelwesen ergänzt,
vorliegen.
Erst bei einem genaueren
Blick werden wir innerhalb
dieses „abstrus“ wirkenden Vergleiches bemerken, dass sich hinter der
spröden „Theoriearchitek-
Exemplarisch
„Geist“. „Das Absterben
der Madensäcke allein
kann es nicht gewesen
sein“ (Luther)
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
Was können wir unter
dem Begriff des „Geistes“ verstehen?
Anlehnung an Otl Aichers
Gedanken zur „Logik des
Entwurfsprozesses“ war
Luhmann zu dieser Zeit
„noch kein Mensch, der im
Entwerfen zu sich kommt.“
Ein erster Vergleich
zwischen dieser Tätigkeit
und dem außerordentlichen Drang, Wissen in
Zettelkästen „ordentlich“
zu organisieren und zu
archivieren, liegt deshalb
auf der Hand: die formale
Nähe des Verwaltungsbeamten zur Verarbeitungslogik eines Computers.
Ähnlich wie auch Heinz
von Foerster können wir
bei Luhmann die kuriose
„Selbstbeobachtung“
entdecken – wie eine Rechenmaschine zu arbeiten
– ohne jemals direkt auf
eine solche zurückgegriffen zu haben. „Landschaften der Möglichkeiten – avant les lettres
– berechnet: „Natürlich
ist mein Kopf erforderlich, aber er kann nicht
allein dafür verantwortlich
gemacht werden. Insofern
arbeite ich wie ein Computer, der ja auch in dem
Sinne kreativ sein kann,
dass er durch Kombination eingegebener Daten
neue Ergebnisse produziert, die nicht voraussehbar waren“ (Luhmann
2000: 28).
tur“ von Luhmann ein
zweiter „parallelpoetischer Kontintent“ in seinen schemenhaften Andeutungen anbahnt.
Es liegt nun an uns, diesen als Gestalter, auch
im Hinblick auf eine zur
neueren Ästhetik aufgeschlagenen Brücke,
bildhaft ins Buch zu „setzen“.
„Anscheinend doch, daß
jemand in der Lage ist, interessante Verknüpfungen
herzustellen und Dinge
zusammenzubringen, die
durch die Kraft ihrer Verknüpfung eine neue, eine
aussagekräftige Gestalt
ergeben. Die Form der
Verknüpfung wirkt sozusagen katalytisch. Da die
Form nichts anderes ist
als die Einheit einer Unterscheidung, ist Geist nichts
anderes als eine interessante, eine gestaltbringende Unterscheidung“
(Asmus: Ästhetisches
System).
Diese übergeordneten
Zusammenhänge, die zwischen „Geist“ und Gestalt
bestehen, können in der
Praxis des Entwerfens
aber erst dann zu einer
Synthese verwandelt werden, wenn das Abstrakte
(=der „Geist“ bzw. die
Gedanken) im Entwurfsprozess konkretisiert wird.
„Wittgenstein als Architekt“ – Das „wilde
Leben“ findet woanders statt
Ein gutes Beispiel dafür
ist Wittgenstein: Als er
seiner Schwester Gretl
ein Haus im Wald baute,
orientierte er sich einseitig
an die logische Strenge
seines „Tractatus“. Dem
Haus fehlte somit der Ausdruck, der „dem Leben zu
Eigen ist“. Wittgenstein
durfte daher an diesem
Experiment erkannt haben,
wie wichtig das „wilde Leben“ auch für die eigene
„Denk-Praxis“ ist. Er hat
daher, um der Meinung Aichers zu folgen, „gelernt,
dass das analoge Denken
Vorrang vor dem digitalen
hat“ (Aicher 1992: 14).
Alles, was Luhmann gelesen hat, um es später zu
publizieren, wird nach
systemischen Kriterien
organisiert: Numerierung,
Verschlagwortung, Indexierung etc. Da diese Vorgehensweise zu einem
erheblichen Teil verwaltungsmäßig formal erfolgt,
steht sie somit in einem
direkten Bezug zu einer
„Maschine auf Papier“.
Somit war Luhmann am
Ende beides: ein „selbsteingebildeter“ Computer
und ein großer Denker.
Umgekehrt kann man im
„Auenland“ – bei genauerer Beobachtung – genausogut feststellen, dass
Tolkien bei aller „Phantasterei“ niemals die „Konsistenz“ seiner fabulierten
Welten aus den Augen
verloren hat.
Frei nach Aicher bedeuet
das, dass Tolkien nicht nur
unglaublich weite Landschaftsimpressionen und
komplexe figürliche Konstellationen in uns wachruft,
sondern gelegentlich
auch „Erbsen gezählt hat“.
19|20
YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
Selektion
----------------------------------------
Exemplarisch
„Reine Faktizität in ihrer minimalsten Darstellung“. Donal Judd:
„Untitled“ (1969)
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
1.7 Selektion/Sinn
Würde man „Sinn“ als „Erlebnisform“ charakterisieren, so würde das wohl
am ehesten auf so etwas
wie einen längeren Aufenthalt in einem „Irrgarten“
oder „Dschungel“ hinauslaufen. In beiden Fällen
könnte man aber nur im
Augenblick – beim Durchstreifen – eine folgenreiche Entscheidung treffen.
Wir wären also vor die
Wahl gestellt: Wie jetzt
weiter fortschreiten? Welcher Weg soll nunmehr
eingeschlagen werden?
Einfach stehenbleiben wäre jedenfalls die schlechteste Alternative. Wir
wären also auf eine sehr
direkte Art und Weise mit
dem Problem der Selektion konfrontiert. Aber
selbst wenn wir diese
Entscheidung nicht treffen
müssten, wären doch
trotzdem auch überdies
„Irrgarten“ und „Dschungel“ existent. Weitere
Gänge, Pflanzen und Tiere
würden erscheinen und
wieder verschwinden,
unabhängig davon, ob
wir uns in diesem Umfeld
noch fortbewegen wollen
oder nicht.
Schöpferische Absicht:
„Sinn erscheint in der
Form eines Überschusses
von Verweisungen auf
weitere Möglichkeiten“
(Luhmann 1984: 93).
Jede Form der Selektion,
gleich welcher Art, kann
somit niemals in sich abgeschlossen sein. Als Gestalter fragen wir uns, wie
man mit dem Verhältnis
von Einfachheit und Komplexität umgehen kann.
„Der einfachste Weg zur
Einfachheit führt über
durchdachtes Weglassen“
(John Maeda 2007: 1).
Aber auch dieser Weg
kann schnell in eine Sackgasse führen, weil wir
plötzlich erkennen,
das „Weglassen“ nicht
immer die beste Lösung
darstellt. Reduktionismus
kann sich gewissermaßen
auch als „Tod“ erweisen. Ein Objekt, das zu
„sterril“ und „leblos“ wirkt.
Zuwenig „Emotionen“
versprüht. Ein wesentlich
anspruchsvollerer Weg
führt von der Reduktion
zur Variation. Dieser Weg
Weg verlangt uns wesentlich mehr ab; müssen
wir doch das Verhältnis
zwischen Einfachheit und
Komplexität immer wieder
aufs neue überdenken.
Dieser Weg schließt
Möglichkeiten nicht aus,
sondern führt sie bis zu
einer gewissen Grenze
mit. Genau darin liegt
auch die große gestalterische Herausforderung.
„Bewußtsein“ kennt keinen Namen und auch kein
Medium. „Bewußtsein“ ist
ein Fluss, ein alles fortreißender Strom, der von
anderen Systemen nur
operativ oder strukturell
angedeutet oder aufgegriffen werden kann, ohne
dass es je möglich wäre,
dass diese Systeme das
„Bewußtsein“ in seiner
überbordenden Komplexität „abbilden“ könnten.
Auch „Sinn“ schließt an
diese Art von Komplexität
an. Für Niklas Luhmann
ist „Sinn“ die „Gesamtheit
der vom sinnhaft intendierten Gegenstand ausgehenden Verweisungen“,
die ständig „aktualisiert“
werden müssen (Luh
1984: 93-94).
Unter „Sinn“ versteht Luhmann etwas anderes als
wir gemeinhin im Alltag
annehmen. Im Alltag ist
„Sinn“ an Handlungen und
Subjekte gebunden, die
etwas für „sinnvoll“ oder
„unsinnig“ erklären. Wir
sagen dann z.B.: „Deine
Reaktion war absolut
sinnvoll“ und meinen damit, dass jemand „richtig“
reagiert hätte.
„Sinn als Überschuss“.
„Die Sendung ohne Namen“ (2002 - 2007)
Für Luhmann ist „Sinn“
eine wesentlich abstraktere Bezugsgröße. „Sinnhaftes Handeln“ geht damit
weit über das alltägliche
Verständnis dieses Begriffes hinaus, indem „der
Handelnde seinen subjektiv gemeinten Sinn auf das
Verhalten eines anderen
bezieht“ (Asmus: Ästhetisches System).
Aus ideeller Perspektive
schließt „Sinn“ an eine
„geistige“ Bewegung an,
die sich auch im Entwurfsprozess vollzieht; „Sinn-
Dieses Bild kann in gewisser Hinsicht auch auf
andere Umfelder bezogen
werden. Als Analogie
fällt es uns in diesem
Zusammenhang einfach
leichter, zu verstehen, was
Luhmann mit dem Begriff
des „Sinns“ im Schilde
geführt haben könnte. Da
wäre z.B. der Maler und
Minimalist Donald Judd,
der alles Zufällige aus
dem „Sinn“ auschließen
wollte. Er hatte also seine
Auswahl getroffen, eine,
die buchstäblich „reine
Faktizität“ beim Betrachter
hervorrufen sollte. Dabei
vergaß er jedoch, dass
Malerei, auch wenn sie
gelegentlich „ohne Titel“
Der Berliner Künstler
Holger Lipmann bezeichnet das als „matter
of substraction“: „nicht
nur Reduktion der Form,
sondern vor allem was
hinter den verschiedenen
Lebenssituationen als
wertvoll entdeckt wird“;
also Veränderung und
Dynamik inbegriffen.
21|22
Exemplarisch
Thematisch
Narrativ
produktionen hängen von
den perzeptiven, motivationalen, operativen und
kognitiven Präferenzen ab,
die in der verbalen Sprache und anderen Sinnsystemen verankert sind“
(Transfer 2007: 56).
auskommt, niemals „frei“
von Zufällen existieren
kann. „Sinn“ schließt immer weitere Möglichkeiten
der Unterscheidung mit
ein, die im Augenblick
einer bereits getroffenen
und manifestierten Auswahl, über ein einzelnes
Werk hinausgehen. Demzufolge wäre die „Minimal Art“ von Judd nur eine
Form der Unterscheidung, die weitere mit impliziert. Z.B. jene Kunstwerke, die an diese Machart erinnern oder von
dieser abweichen.
Aber diese „Sinnsysteme“,
die z.B. in der Sprache als
Strukturmedium erscheinen, aktualisieren den
„Sinn“ nur in einer „unaufhebbaren Vorläufigkeit“.
„Das Problem, das sich
jetzt stellt, ist das der
Selbstüberforderung des
Erlebens durch andere
Möglichkeiten. Die Problematik dieser Selbstüberforderung hat nach
Luhmann die Doppelstruktur von Komplexität und
Kontingenz. Die Komplexität wird im Erleben
konstituiert und bleibt
erhalten, dadurch entsteht
die Selbstüberforderung
des Erlebens, weil andere
Möglichkeiten nie ausgeschaltet, sondern immer
nur vorläufig neutralisiert
werden“ (Asmus: Ästhetisches System).
„Im Niemandsland“.
Bilder von Jeff Wall:
1. „A Sudden Gust of Wind
(After Hokusai)“ (1993)
2. „After ‚Invisible Man‘ by
Ralph Ellison, the Prologue“
(1999 - 2000)
3. „A View From a Nightclub“ (2007)
4. „Milk“ (1984)
5. „After ‚Spring Snow‘
by Yukio Mishima“ (2000
- 2005)
Vor diesem Hintergrund
kann „Sinn“ – in der Möglichkeit der Selektion – als
ein Phänomen gedeutet
werden, das weit über
Handlungen und Subjekte
hinausragt und ähnlich wie
auch „Bewußtsein“ und
„Kommunikation“ ein komplexes „Eigendasein“ fristet.
Man kann daher in Anspielung auf Bazon Brock
sagen, dass „Sinn“ für ein
Problembewußtsein steht,
das zwar in einer aktuell
getroffenen Auswahl für
Gestalter verbindlich sein,
nicht aber gleichsam allgemeingültig als Lösungsansatz akzeptiert werden
kann.
„Sinn“ spielt somit stark
auf die Dynamik von „Bewußtseinsvorgängen“ an,
die permanent fortlaufen
und alternative Verzweigungen aufzeigen. Evolutionär hat so vermutlich
ein Transformationsprozess stattgefunden, der
uns zunehmend von statischen Zusammenhängen
hin zu dynamischen führt.
Kunsttheoretiker, wie z.B.
Gottfried Boehm, beziehen sich dennoch immer
noch auf Bilder, die diese
„Dynamik“ nicht medial als
Problem aufgreifen. Obwohl kein Medium „Bewußtsein“ oder „Sinn“
„abbilden“ kann, existieren doch spezifische Formen der Bild- und Tonverarbeitung, die dieser
Dynamik wesentlich mehr
entsprechen.
Beispiel: „Die Sendung
ohne Namen“. Assoziativ
wird an die Doppelstruktur
von „Sinn“ angeknüpft: Einerseits als Selektionsangebot, andererseits als
fortlaufender Sinnüberschuss. Das geschieht
in der Form von rasanten
Schnittabfolgen; und zwar
unter erhöhtem Selektionsdruck.
Dramaturgisch
YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
„Im Zuge eines einzigen Erlebnisses ein ausgewogenes
Verhältnis zwischen Einfachheit und Komplexität zu finden, ist schwierig. Eine Situation herzustellen, in der
die Unterschiede sich gegenseitig nicht auslöschen, sondern verstärken, ist eine Art
raffinierte Kunst, über die ich
mir noch nicht ganz im Klaren bin.“
(John Maeda: Laws of Simplicity.)
23|24
Exemplarisch
John Maeda: „Laws of
Simplicity“. „Wahrzeichen des Reduktionismus“
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
1.8 Selektion/Reduktion
Was bedeutet es, im
21. Jahrhundert von
„Reduktion“ zu sprechen?
Kritiker von Luhmann haben immer eingewendet,
dass er „konservativ“ und
„unkritisch“ gewesen sei.
Je länger man allerdings
das „Luhmannland“ als
professioneller Tourist
bereist, desto mehr fällt
einem auf, dass kaum ein
anderer Theoriedesigner
so kritisch wie er gewesen
ist. Von Luhmann lernen
wir bei aller „Ironie“ und
„Trockenheit“, unsere
Unterscheidungsfähigkeit
permanent auf die Probe
zu stellen. Als Dramaturg
führt diese Lehre zu der
Einsicht, jedes Stück auf
seine unmarkierten Unterscheidungsseiten hin zu
überprüfen. Im Falle der
„Reduktion“ fragen wir
uns systemisch, von welchen weiteren Unterscheidungen jemand ausgeht,
der z.B. von „Simplicity“
spricht. Darüberhinaus
ist es lohnenswert, die
„Zwischentöne“ dieser
Unterscheidungen im Zusammenhang zu ihrer
Inszenierung zu betrachten. „Systemtheoretische
Ästhetik“.
„Infosmog“; „das Gesetz vom abnehmenden
Grenzertrag: Die Informationsflut steigert unsere
Lebensqualität nicht mehr,
sondern statt dessen
Streß, Ratlosigkeit und
sogar Unwissenheit“
(Shenk 1998: 11). Das
ist die eine Seite unserer
Überforderung. Wo wir
bereits im Leben nicht
mehr mitkommen, in der
Arbeitswelt und in unseren
Beziehungen, die eigentlich Intensität und Hinwendung von uns verlangen,
steigt der Überhang im
Digitalen noch mal kräftig
an. Man kann daher von
einer Verdoppelung der
Überforderung sprechen. Die eine findet im
Analogen statt, während
die andere mit unseren
„logischen“ Vorstellungen bricht. Nicht mehr
die Chronologie eines
Buches. Das Nacheinander von Ereignissen, das
„Geschichtsbewußtsein“
buchstabiert. „Geschichte ist eine Funktion des
Schreibens und des sich
im Schreiben ausdrückenden Bewußtseins“ (Flusser 1987: 13). Im Internet
greift diese Logik nicht
mehr. Wäre das Internet
ein Buch, so würde es einer unendlichen Erzählung
gleichen, die in tausende
von Richtungen weht und
das Nacheinander von
„Ereignissen“ in der
„Gleichzeitigkeit“ auflöst.
„Weil die Daten nicht
haften, weil die Zeit nicht
als historische Sequenz,
sondern wie im Fantasy-Roman (...) vorliegt“
(Theweleit 2007: 6). Diese
Situation schreit nach radikalen Gegenmaßnahmen,
um noch irgendwie das
Gestalten zu kultivieren.
Berechtigterweise fragen
wir uns, wie wir z.B.
durch Reduktion mehr
Zeit gewinnen können.
Wie wir den Eindruck von
Einfachheit auslösen, der
häufig mit „Zeitersparnis“
gleichgesetzt wird. Als Unternehmer spricht man von
„Operation Controlling“.
Ein Tätigkeit im Optimalfall, z.B. von fünf auf eine
Minute zu vermindern.
Zu dieser Herausforderung, die im „Zeit-Managment“ besteht, kommt der
Überhang an weiteren
Möglichkeiten hinzu.
Während man also auf der
einen Seite Zeit „gespart“ hat, kann man auf
der anderen Seite diese
„eingesparte“ Zeit dazu
nutzen, bereits an der
nächsten Sache weiter zu
arbeiten, die auf der „Prioritätenskala“ vorweg einen
niedrigeren Rang eingenommen hatte. Irgendwie
scheint aber keine Grenze
mehr darin zu bestehen;
die einzelnen Tätigkeiten
verschieben sich nur oder
„Projekte“ werden für abgeschlossen erklärt. Weitere kommen hinzu, ohne
dass ein prinzipielles Ende
in greifbarer Nähe rücken
würde. Nur eines ist sicher
gewiss, das sich nicht
weiter aufschieben lässt:
unser eigenes. Was also
nun „unternehmen“? Ein
Leben ohne Arbeit wäre
jedenfalls genauso öde
und fad wie das „Ersticken in nicht mehr enden
wollenden Terminen“. Was
können wir in solchen
Momenten von anderen
Persönlichkeiten lernen,
die sich wie wir in diesem
„Dickicht“ aufhalten?
Mit „Simplicity“ sprechen
wir nun von John Maeda.
Maeda hat zehn Gesetze
aufgestellt, die für den
Versuch stehen, Einfachheit und Komplexität in
ihrem Zusammenspiel zu
denken. Zu dieser Beziehung gehört für Maeda
auch die Tätigkeit des
Organisierens, der Faktor
Zeit, Lernen, Unterscheiden, Kontextbildung usw.
Das ist für uns als Gestalter von größter Bedeutung. Der Leitspruch
„Keep it simple“ ist z.B.
ein Grundprinzip vieler
Designer. Aber „simpel“
um jeden Preis? Ohne Anstrengung, ohne Umwege,
ohne hier und da auch
einmal unbequem zu sein?
25|26
Exemplarisch
„Klar, dass irgendwann einmal die Ideen
ausgehen.“ Zombies im
Apple-Store in San
Francisco
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
„Utopie Arbeit“: Zwischen Erschöpfung
und Zukunftsmusik
Um Probleme zu veranschaulichen, ist es erforderlich, andere Kontexte
auszublenden. „Ausblenden“ bedeutet aber nicht,
sie einfach wegzulassen.
Die Formel löst einen
faden Beigeschmack aus.
Denn alles, was wir als
Gestalter „weglassen“,
kann sich auf andere Art
wieder bemerkbar machen. Vor der Erarbeitung
eines Entwurfs, Konzeptes, einer Anwendung
oder eines Formates, steht
die Frage, wie das „kreative“ Umfeld beschaffen
sein muss, um Ideen überhaupt entfalten zu können.
In diesem Umfeld können
wir uns ganz auf unsere
Arbeit als Gestalter konzentrieren, aber bereits
in diesem Ansinnen fällt
uns vermutlich auf, dass
andere Prozesse darauf
massiv einwirken können.
Nicht nur im Internet laufen Prozesse parallel, sondern auch während der
Arbeit und sogar vermehrt
in unserer Privatssphäre.
Das lässt sich natürlich
nicht pauschalisieren und
ist freilich auch nicht im
identischen Sinne auf andere Kulturen übertragbar.
Wir sprechen also hier von
der europäischen Kultur
oder von der „Achse“
Europa-USA. Und wir
sprechen außerdem von
Gestaltern, für die der
Umgang mit Computern
eine „Selbstverständlichkeit“ darstellt. Ferner sprechen wir über Menschen,
die überwiegend in einer Großstadt arbeiten
und damit mit einer anderen Situation konfrontiert
sind, als wenn sie von
den Alpen aus ihre Aufträge abwickeln würden. Wie
ist es also um das „kreative Umfeld“ bestellt?
Da wäre z.B. der Denker
und Kunstwissenschaftler
Hannes Böhringer. Auch
er ist wie wir ständig „in
Eile, in Verzug“. Wir schlagen einen Ratgeber auf:
„Laws of Simplicity“ von
John Maeda, der am MIT
in den USA als ordentlicher Professor lehrt. In
einer ersten Regel spricht
er von dem Weg, im Zweifelsfall einfach etwas weg
zu lassen.
Maeda tritt also auf die
Bühne. TED: Technology,
Entertainment, Design.
Bei TED handelt es sich
um eine Konferenz, bei
der international renommierte Persönlichkeiten
in 18 Minuten ihre jeweiligen Themen und
Ideen vorstellen. Maeda
eröffnet seinen Vortrag
mit einem Verweis auf die
Buch-Reihe „Dummies“.
Komplexe Inhalte, möglichst „einfach“ verpackt.
Auf Technologie bezogen:
„Are we really that `dumb´,
when it comes to technology?“ Technologie flößt
uns „Ehrfurcht“ ein; als ob
uns eine „fremde“ Macht
„bevölkern“ würde, die
wir nicht richtig verstehen.
Wie früher in der Schule:
Sobald der Lehrer Zahlen
und Formeln an die Tafel
schrieb, wirkten einige
sofort gehemmt und resignierten. Der Ansatz
von Maeda geht zunächst
auf; die Neugierde, von
einem „Spezialisten“ vermittelt zu bekommen, wie
man die Dinge im Alltag
einfacher halten kann,
mit etwas Organisation,
technischem Verständnis
und designerischem
Know-how. Mit Leichtigkeit und Witz führt uns
Maeda also vor, wie zwischen „kompliziert“ und
„einfach“ ein Wechselverhältnis besteht, wie
Technik im Alltag auch der
Einfachheit dienen kann.
Und wie Ideen zu dieser
Vereinfachung beitragen.
So weit, so gut. Aber
alles, was Maeda auch
ausführt, bleibt an der
Oberfläche verhaften.
„Amerikanische Coolness“
und „europäisches Tiefschürfen“. Der alte Streit
neu aufgeflackert. Man
wünscht sich einen zweiten Redner, der Maedas´
selbstgefällige Ausführungen ironisch flankiert.
Bei Hannes Böhringer
erweist sich diese Option
als eine zugespitzte. Böhringer redet nicht mehr
von einzelnen „designten“
Objekten. Z.B. von einem
DVD-Player oder einem
iPhone, wie bei Maeda. Das ist nur die eine
Seite der Ökonomie: die
der Objekte, die uns für
Momente befriedigt, weil
wir auf sie recht intuitiv
zugreifen können, ohne
eine Anleitung studieren
zu müssen. Unnötig Zeit
zu verplämpern. Oder
weil sie uns in ihrer Optik
gefallen, uns visuell stimulieren; zu einem „Status“
verhelfen. Uns mit „Prestige“ ausstatten.
Die zugespitzte andere
Seite geht nicht von den
Objekten aus. Sie betrifft
unser eigenes Leben als
Gestalter im „Zustand
der Dämmerung“. Gegen
das ständige Aufschieben
der passenden Momente,
gegen die Hoffnung auf
das Kommende, setzt
Böhringer die Reife, den
Mut, der mit der Unbekümmertheit einher geht.
Was darin „weggelassen“
wird, sind die Versprechungen irgend welcher
Moden, Diskurse; der
Wahn des völlig maßlosen Konsums. Erst im
Abstand, im Anschluss an
die Erkenntnis, eigentlich
gar nichts verpasst zu
Exemplarisch
„Unternehme Dich
selbst!“ Die „Zukunft
der Arbeit“ hat bereits
begonnen
„Mythos Multitasking“.
„Gleichzeitigkeit“ als
„künstlerischer Offenbarungsakt“
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
Es existieren verschiedene
Mythen, die wir in Zukunft
kritischer beäugen sollten.
haben, dämmert die Einsicht. Auch das: eine Form
der Reduktion.
„Kreativität verlangt nach
Menschen mit Selbstorganisation.“ Ein bißchen
erinnert das an Unternehmertum. Aber dieses
Unternehmen funktioniert anders als jene
Managmentstrategien, die
Arbeit nach „Sitzungsund Zeitplänen“ straffen
wollen. „Rituale und Hierarchien, Mehrheitsmeinungen und Hausordnungen – schlussendlich
alles, was den Laden der
`Gehemmten´ so zusammenhält“ (Lotter 2007:
59). Für Wolf Lotter sind
die „Gehemmten“ Menschen, die an feste, statische Organisationsprinzipien glauben und diese so
weit wie möglich aufrecht
erhalten wollen. Die „Zukunft“ scheint da eine
ganz andere Musik anzustimmen. Wir müssen uns
als Gestalter überlegen,
wie wir uns auf der Basis
von dynamischen und häufig nicht mehr kalkulierbaren Situationen behaupten
können. Und wie wir mit
einer digitalen Logik zurecht kommen können, die
Prozesse in eine „Gleichzeitigkeit“ überführt, die
außerhalb unserer eigenen
Natur verläuft. Wir sind an
sich nicht „multitaskingfähig“. Auch so ein Mythos
(Vgl. Merschmann 2007).
Von wesentlicher Bedeutung scheint es daher zu
sein, das „Wesen“ der
Arbeit noch einmal grundlegend zu überdenken.
Sei es Ideen als „Ware“ zu
behandeln, Kopf- gegen
Fleißarbeit auszuspielen,
oder sich dem Wahnsinn
bedingungslos auszuliefern, jegliche Grenzen
zwischen „privat“ und
„öffentlich“ freiwillig aufheben zu wollen.
„Vorsicht vor Sicherheit!
Sie geht auf Kosten der
Freiheit. Die braucht Mut.
Der aber kommt mit der
Unbekümmertheit. Die
alten Philosophen hatten
recht, sie sagten: Kummer
und Begierde tyrannisieren die Menschen. Der
Mutige liebt das Leben,
aber hängt nicht an ihm
um jeden Preis. Er wagt
etwas, er riskiert zu scheitern. Der Mutige ist immer
ein einzelner. Aber er hat
sein Herz wieder gefunden. Der Mutige ist beherzt“ (Böhringer 2008:
134).
Vielleicht so eine Person
wie Hannes Böhringer;
angenommen er wäre einer der „21 wichtigsten
Menschen des 21. Jahrhunderts“ (Esquire). Die
unmarkierte Seite der
Unterscheidung: Maeda
spricht von „Simplicity“
und zeigt Szenen aus der
MTV-Staffel „The Simple
Life“. Paris Hilton und
Nicole Richie, die das
„wahre Leben“ meistern,
z.B. die schweißtreibende
Arbeit auf einem Bauernhof, das Melken von Kühen usw. „Das hat mit
Einfachheit wohl kaum zu
tun.“ Maeda amüsiert sich
und wir lachen mit. Zwei
verwöhnte Gören, für die
„Einfachheit“ nur Mittel
zum Zweck ist. Abenteuer
Bauernhof, der richtige
Kick zur richtigen Zeit,
steinreich mit den Gummistiefeln in die Scheiße.
Und Maeda? Ist auch
nicht weit davon entfernt,
mit seiner „Simplicity“Show die falsche Ausfahrt
gewählt zu haben. Vielleicht ohne es zu ahnen in
Richtung Hilton und Co.
27|28
Exemplarisch
Michel-Edouard Leclerc – „Frankreichs Aktionskünstler unter
den Einzelhändlern“
Thematisch
Narrativ
1.9 Selektion/Variation
Geschichten, die das Leben schreibt. Eine davon
hat sich erst vor kurzem
ereignet. Es geht um so
einen recht unauffälligen
Typ. Klein, etwas gedrungen und korpulent. Mit
schiefen Zähnen. Geboren
in Bristol, England. Sohn
von einer Supermarktkassiererin und einem Busfahrer. Sein Name Paul
Potts. Besondere Kennzeichen: Sein ausgeprägtes
Gesangstalent. Und dann
auch noch Oper. Die Königsklasse. Da passt die
Statur wieder. Der Traum:
Einmal auf der Bühne zu
stehen und das massenhaft erschienene Publikum
mit betörendem Gesang
zu verzaubern. Aber erst
einmal scheinen die Zeichen nicht auf Glück zu
stehen, obwohl Paul mehrfach an Wettbewerben
teilnimmt. Das ungewöhnliche Debüt folgt 1999:
während eines KaraokeWettbewerbs, verkleidet
als Luciano Pavarotti.
Zu dieser Zeit arbeitet
Paul u.a. als Regalauffüller in einem Supermarkt
und zuletzt als HandyVerkäufer. 2003 wird
schließlich ein Blinddarmbruch diagnostiziert. Während dieser Behandlung
noch ein gutartiger Tumor.
Und – als ob das nicht
schon genug der Tragik
wäre – stürzt Paul auch
noch kurze Zeit später von
seinem Fahrrad und bricht
sich das Schlüsselbein.
Mein Gott denken wir uns,
was für ein Pechvogel.
Aber die Geschichte
ist brilliant. Der beinahe
am Alltag zerbrochene
Anti-Held, der von heute
auf morgen zum gefeierten
Operntenor avanciert.
„Britain’s Got Talent“
– Paul singt Nessun dorma von Puccini und mehr
als dreizehn Millionen
Zuschauer alleine in
Variation ist das Bindeglied zwischen Reduktion
und Möglichheit; die
schmale und riskante
Gradwanderung zwischen
Innovation und Kontingenz. Die Vorbedingung
für eine Entfaltung
gestalterischer Substanz
im „Totalraum der Möglichkeiten“. Der Weg von
vorgebenen Lösungsansätzen zu einer veränderten Perspektive.
Denken in Varianten entspricht einer Haltung, die
sich nicht vor Utopien
scheut. Die über den Tellerrand hinausschaut,
um zu sehen, was sonst
noch existiert, und wie
man von diesem „Sonst
noch“ angefixt werden
kann.
„Entwurf“, „Erfindung“
und „Qualität“ sind Phänomene, die in eine ähnliche Kerbe schlagen.
Auch sie stehen für Versuche, etwas anders machen zu wollen, einen
alternativen Vergleichshorizont aufzuwerfen, der
uns für weitere, manchmal auch abwegig erscheinende Ideen sensibilisiert.
„Das Prinzip Spaß“: Zusammenführung von
E-Commerce und Unterhaltung am Beispiel
des Online-Unternehmens Zappos
Zwischen 250 Sorten
Shampoo und 60 Providern auswählen zu können, hat jedenfalls nichts
mit Variantenreichtum zu
tun. Wie auch bei der Einfachheit steht die Variation
für eine Haltung, die auf
Umwegen eine bereits
getroffene Unterscheidung
in den Mögkeitenhorizont
zurückwirft oder in Abrede
stellt. Ein altes Rezept,
das nicht mehr greift. Der
Mut, sich ein neues auszudenken. Andere Wege
einzuschlagen. Mehr und
weniger zugleich.
Dramaturgisch
Exemplarisch
„Das YouTube-Phänomen Paul Potts“: Vom
Handyverkäufer zum
Startenor. Ein Glücksfall für die Telekom
„Das Ende kann auch
komisch sein.“ Beckett
im Schauspiel Stuttgart
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
Nur Blinde empfinden ein
Angebot, in dem wir z.B.
zwischen 50 verschiedenen Milchprodukten eine
Auswahl treffen können,
als eine Bereicherung.
Großbritanien schauen zu
und sind ergriffen; bekommen zum Teil Gänsehaut
vor der Mattscheibe.
Angenommen Paul Potts
wäre Murphy oder eine
andere Figur aus einem
Stück von Beckett, so
wäre die Oper nur eine
Fiktion geblieben; ein riskantes und entkräftendes
Gedankenspiel, das darin bestanden hätte, sich
z.B. vorzustellen, wie es
wäre in die Rolle von
Pavarotti zu schlüpfen.
Oder über Nacht als
Mariah Callas zur Welt zu
kommen. Das wären Hirngespinste, die alle Möglichkeiten, die prinzipiell vorstellbar wären,
zusätzlich noch um eine
irreale Note anreichern
würden. Der Verweisungshorizont von Wirklichkeit und Möglichkeit
und die Differerenz,
die sich in der Lücke zu
einer gespenstischen
Lähmung ausbreiten
kann. Ins Irreale abdriftet,
wo die Phantasie alle
weiteren Möglichkeiten
überwuchert.
Vor dieser Blindheit sind
aber auch wir nicht gefeit. Aber hinterfragen
können wir sie schon.
Was horten und sammeln
wir nicht alles für Dinge.
Was kaufen wir nicht alles
ein, um es später wieder
wegzuwerfen. Verfallsdatum überschritten.
In einem Interview erzählt
der Theoretiker Boris
Groys von seinen Erfahrungen an einer Universität für Design. Wie
Design zunehmend
utopisch und künstlerisch
wahrgenommen wird.
Er sieht die Projekte seiner Studenten, „wie sie
einen schönen Traum hervorrufen können, indem
sie passende Schlafbedingungen schaffen (...) Es
handelt sich nicht mehr
nur um die Arbeit am
funktionalen Objekt, sondern um die Gestaltung
von Events, um die Herstellung bestimmter Seelenzustände oder politischer Situationen“ (Groys/
Doze 2008: 172).
Der Schriftsteller, Dramatiker und Poet Samuel Beckett hat diese Varianten
in ihrer letzten Konsequenz durchdacht – als
„Endspiel“ –, um uns
davor zu bewahren, am
Möglichkeitenhorizont
zu zerbrechen. Ermüdung und Erschöpfung,
die von einer geistigen
Umnachtung umtrieben
werden, die weitere Handlungen als völlig abwegig
erscheinen lassen. Beraubter Antrieb. Ausbleibende Gestalt. Die Pforte
zur Praxis versperrt.
Das Original von Puccini
in nur wenigen Minuten
als Kondensat dargeboten; Momente höchster
psychischer und emotionaler Aufladung. Kaum
jemand kann sich dieser
Pathosformel entziehen.
Sie greift unmittelbar und
entrückt die Hörer in eine
andere außeralltägliche,
magische Emosphäre.
Diese paar Minuten werden von der Telekom noch
unterboten. Der Spot liegt
in einer 120-SekundenVersion für das Kino und
in einer 89-SekundenVersion für das Fernsehen
vor. Das Original Video,
das auf YouTube für eine
anhaltende Potts-Euphorie in Deutschland sorgt,
wird von der Telekom
geschickt für das eigene
Marketing benutzt. Die
Variante: Vermehrt auf das
Internet als Kommunikationskanal zu setzen.
Als Gestalter können wir
aus dieser Geschichte
und deren Vermarktung
mehrere Dinge ableiten.
Für die Telekom führte
diese Geschichte quasi
aus einem Zufall heraus
zu der Möglichkeit, eine
Zielgruppe zu erreichen,
die vielfach im Netz unterwegs ist. In Deutschland
verbreitete sich die PottsEuphorie vor allem über
die Kanäle von YouTube.
Die Geschichte passt
absolut zu diesem Medium: nahe am Leben, alles andere als perfekt; der
erfüllte Traum eines fast
Gescheiterten. In der
Kampagne wird dieses
Motiv und der dazugehörige musikalische Pathos
in aller Perfektion auf die
Potts steht auf der Bühne
bei „Britain’s Got Talent“,
aber er singt nicht. Er begnügt sich mit der Vorstellung, singen zu können.
Im Kopf ist er schon unzählig oft vor großem Publikum aufgetreten. In verschiedenen Ländern und
an unterschiedlichen Orten. Aber je weiter er sich
in diese Möglichkeiten
hineinsteigert, ohne jemals
eine von ihnen praktisch
ergriffen zu haben, desto
mehr vermischen sich
diese Variationen mit absurden Szenarien und
aberwitzigen Verwandlungsvisionen. Die Metamorphose: Potts in der
Gestalt von Pavarotti oder
eingetaucht in den Gesangskörper von Mariah
Callas.
Was im geistigen Entwurf
nicht zum Ende gerinnt;
29|30
Exemplarisch
„Verbeugung vor einem
großen Werk“. Bono in
Dublin
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
„So gibt beispielsweise
Becketts Romanfigur Molloy keinem ihrer sechzehn
Kieselsteine den Vorzug
(...) Und Murphy kann sich
an der bloßen Vorstellung
entzücken, seine Handvoll
Kekse möglicherweise
essen zu können. Die
magere Wirklichkeit (fünf
Kekse) verblaßt vor der
Überfülle an Varianten,
dies tun zu können (einhundertzwanzig verschiedene Wege, sie in eine
Reihenfolge zu bringen)“
(Kammerer 2008: 55).
Spitze getrieben. Nahe
am Leben, höchst emotional, aber zugleich perfekt in Szene gesetzt; ein
dramaturgisches Meisterwerk.
zu einem Klumpen, der
die Möglichkeiten zu einer
Gestalt ausformt, verwandelt sich erst in der Konkretion zu einer ergreifbaren Alternative. Entwurf
und Praxis. Gedanke und
Handlung.
Neben Utopie und
„Endspiel“ kann man die
Varianten auch auf die
Räume beziehen, in denen
man sich als Gestalter
aufhält. Der Kontext,
der für eine Landschaft
steht, in der gewisse
Zwänge abgelegt und
Phantasien bereichert
werden können.
Der französische Experimentator Michel Foucault
hat diese Räume einmal
als „Heterotopien“ bezeichnet. Als „die vollkommen anderen Räume“
(Foucault 2005: 11).
„Reservate der Auslassung und Erregung“.
Das Liquidrom in Berlin
Man kann diese „Räume“
auch als Orte charakterisieren, die Reservate der
Auslassung und Erregung
darstellen. Räume, die uns
auf andere Ideen bringen.
„Inseln“, die wir im Alltag
aufsuchen können, um Abstand vor der Gefahr einer
„leeren“ Betriebsamkeit
zu gewinnen.
„Die Entspannung, die
man erlebt, wenn man es
sich auf der heimischen
Couch gemütlich macht,
wird an einen halböffentlichen Ort der Wirtschaft
transferiert, einen Dritten
Ort“ (Mikunda 2002:
186).
Potts steht auf der Bühne. Die Schweißperlen
laufen ihm über die Stirn.
Kurz aufflackernde Gedankenblitze, die zum Teil von
Ohnmacht zeugen. Bin
ich in diesem Moment
dazu befähigt, Nessum
dorma anzustimmen? Die
Angst, versagen zu können. Die Freiheit, nicht
singen zu müssen; die
Bühne kurz vor der Darbietung wieder zu verlassen. Darüber zu sinnieren, wie es wohl gewesen sein mag, wenn die
Arie geschmettert worden wäre.
Wenn der Gestaltungsakt
erst einmal einsetzt –
die musikalische Betätigung –, sind die Gedanken außer Kraft gesetzt.
Die Stimme fließt. Der
Körper ergreift das Zepter.
Potts fängt an zu singen;
Millionen von Zuschauern
nehmen emotional daran anteil.
Es ist der Zufall, die Gelegenheit, nach all den
vorgelaufenen Passagen
und Einschnitten, die
Chance wahrzunehmen.
Im Hintergrund ist Luhmann als Souffleur zu vernehmen. Eine Biographie:
Ansammlung von Zufällen.
Aber auch Talent. Wille
zur Gestaltung. Auch das
Kontinuierliche daran: die
Sensibilität für Zufälle.
Die Disziplin aufzubringen
und abzuwarten, bis der
Moment gekommen ist,
um am Zopf gepackt zu
werden. Nessum dorma.
YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
Qualität
----------------------------------------
31|32
YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
„Nachdem er diese Vision einer qualitätslosen Welt heraufbeschworen hatte, entdeckte
er daran schon bald Ähnlichkeiten mit einer Anzahl Gesellschaftsformen, von denen
er gelesen hatte. Das antike
Sparta fiel ihm ein (...) Aldous
Huxleys Schöne neue Welt
und George Orwells 1984. Er
erinnerte sich auch an Menschen aus seinem eigenen Leben, die diese qualitätslose
Welt gutgeheißen hätten (...)
Bei ihnen musste man für alles Gründe und Pläne und Lösungen haben.“
(Robert M. Pirsig: Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten)
Exemplarisch
„Alles läuft auf einen
Punkt hinaus.“ Pietro
Perugiono: Petrus
übergibt den Schlüssel (1480 - 1482)
„Menschen als Forschungsobjekte“. Leonardos anatomische
Studien, um 1510
„Protokollierung der
Empfindungen“. James
Ayscough: „A Short
Account of the Eye and
Nature of Vision“ (1757)
Thematisch
Narrativ
Dramaturgisch
1.10 Qualität/
Quantität
Züge beobachten oder
Motorrad fahren. Pirsig ist
Philosoph, aber auch technisch bewandert. Er fährt
nicht nur gerne Motorrad,
sondern weiß dieses Vehikel auch zu warten. Die
Bastler-Schule. Friedrich
Kittler tritt auf und besucht
ihn. Im Leben hat diese
Begegnung allerdings
nie stattgefunden. Das
soll uns hier aber nicht
weiter beirren. Kittler ererzählt von Lötkolben und
Kondensatoren, die zu
Jugendzeiten durch das
Wohnzimmer flogen. Zerlegen und aufbauen. Überschwengliche Begeisterung. Es funktioniert. Die
Technik und ihre Systematik. Mit Qualität hat das
insofern zu tun, als dass
auch in diesem Metier
zuweilen von einer Welt
der Möglichkeiten gesprochen wird.
Die Dramaturgie stellt eine
Variante zur Erzählung
von Pirsig dar – „Zen und
die Kunst ein Motorrad zu
warten.“ Eine Mischung
aus Roman, Autobiographie und Philosophie. In
einer fiktiven Begegnung
trifft Pirsig auf Friedrich
Kittler und Gotthard Günther. Diese Begegnungen
werden abrupt unterbrochen durch ein Intervention zwischen Alexander
Kluge und Niklas Luhmann. Auch hier vermischen sich Erzählung mit
philosophischen Dialogen, Phantasie und gedanklichen Spekulationen.
Im Mittelpunkt der Reise
steht die Frage nach der
„Qualität“.
„Ebenso wie die Kunst
ist Design ein auf hohe
Qualität ausgerichtetes
Bemühen. Weil der Weg
dorthin, aber auch die
Rezeption dieser Leistung
stark von subjektiven
Momenten abhängt, muss
eine Referenz auf unbestreitbare Faktizitäten in
dieser Hinsicht ersetzt
werden durch die Referenz auf Beziehungen,
Differenzen und Semantiken. Qualität ist nicht
empirisch messbar und
kann nicht auf analytischem Weg erschlossen
werden. Qualität erfordert Umwege, Hingabe,
kairos und philia. Eine
Welt ohne Qualität wäre
möglich, aber öde und
nicht lebenswert. Qualität
ist der Weg, etwas besser
machen zu wollen, sich in
den Prozess zu begeben,
ohne an Strukturen zu
verhaften“ (Asmus: Lexikon-Artikel zum Begriff der
„Qualität“).
Von dem Phänomen der
„Qualität“ geht also eine
Komplexität aus, die nie
gänzlich durchdrungen
werden kann. Qualität
steht im Gegensatz zur
Wahrnehmung von Dingen
in der Welt, die statisch
erscheinen. Zwar kann
Gestaltung hinsichtlich
ihrer „Beurteilung“ auf
gewisse Rahmenbedingungen und Gestaltkriterien zurückgeführt werden,
z.B. Ordnungsaufbau im
Raster oder Farbgebungsverfahren, nicht aber in
ihrer sinnlichen Wirkungsweise analytisch bestimmt
werden. Die Analyse führt
immer nur bis zu jener
Grenze, an der es nicht
mehr ausreicht, lediglich
den Blick auf die einzelnen
Computernerds tauschen
sich gegenseitig aus. BitLeistung und Prozessorkraft. Das schnelle Bündeln, Abspeichern und
Versenden von Informationen. Statt Motorräder
zu fahren und zu warten,
werden eigene Regeln
über Rechenanlagen
aufgestellt. Irgendwann
erklingen auf diese Art
wohlmöglich Harmonizer,
die menschliche Stimmen imitieren. Romantisch ist das nur bedingt.
Aber witzig schon.
Kittler ist wieder verschwunden. Pirsig ganz
konzentriert; fast schon
meditativ versunken.
Er hat keine Lust mehr,
weitere technische
Handbücher und Bedienungsanleitungen
zu verfassen. Motorrad
zu fahren ist nicht vergleichbar mit der Wartung. Die erfordert zwar
technisches Verständnis,
Schöpferische Absicht:
Qualität stellt bei Pirsig
eine vorsprachliche Dimension dar, die sich an
der „Vorderkante“ der Zeit
abspielt. Im Moment des
Erkennens steht noch
keine Einteilung oder Abgrenzung. Somit lässt
sich Pirsigs Qualitätsbegriff auch ästhetisch
umdeuten, und zwar im
Sinne einer Differenz,
die Gestaltungsprozesse
nicht statisch, sondern
dynamisch beschreibt.
Das hat er sicherlich mit
Gotthard Günther und
Spencer Brown gemeinsam, die ebenfalls für sich
eine klassische logische
Zweiteilung ablehnen,
wenn auch stark ontologisch (Günther) und
formalistisch (Brown)
geprägt. Die Gestaltungsdimension wird in solchen
Fällen jedoch weitgehend ausgeklammert. Eine finale Begegnung
soll daher phänomenologisch eingefärbt sein:
Qualität als Form der
Kommunikation, die auch
Leib, Raum und Gefühle beinhaltet.
33|34
Exemplarisch
„Qualität steht für
sich selbst.“ Das alltägliche Verständnis von
den statischen Dingen
Thematisch
Narrativ
Objekte zu richten (Vgl.
dazu: Begriff der „Emergenz“). Nicht die Unterscheidung zwischen „Subjekt“ und „Objekt“ steht im
Vordergrund, sondern die
Unterscheidung zwischen „Statik“ und „Dynamik“. Deshalb ist es
auch nicht möglich, z.B.
durch statistische Verfahren und strenge empirische Methoden, diese
Wirkunsgmechanismen
auf quantitative Art vermessen zu wollen.
bereitet aber bei weitem
nicht so viel sinnliche
Freude wie das Durchqueren schier endloser Prärie.
In diesen Weiten zeichnet
sich auch der Flug des
Denkens ab. Nicht über
den Wolken, wie bei
Luhmann, sondern rasant über Asphalt, zusammen mit seinem Sohn.
„Alle Evolution, also auch
das Leben drängt dazu,
die statische Struktur auszuweiten und größere
Flexibilität (...) gegenüber
statischen Mächten der
Natur zu erlangen“ (Asmus: Zettelkasteneintrag
zu Pirsig).
Auch der amerikanische
Philosoph und Schriftsteller Robert M. Pirsig hat in
seinem Buch „Zen und
die Kunst ein Motorrad zu
warten“ (1974) bezüglich
der Qualität von einem
Phänomen gesprochen,
das viel weiter reicht als
wir gemeinhin im Alltag
annehmen. Pirsig spricht
von einem „Ereignis“, das
nicht als abgegrenztes
Untersuchungsobjekt beobachtet werden kann.
Alles, was wir in der Welt
begrifflich und verstandesgemäß ergründen, ist für
Pirsig nachträglich gegenüber dem „Qualitätsbewußtsein“.
„Auch Informationen
können schön sein.“
Design und die Aura
der Elastizität
Stark vorstrukturierte Formen der Erfahrung, wie sie
u.a. in naturwissenschaftlichen Modellbildungen
vorkommen, können somit
niemals außerhalb ihrer
Konstruktion von Bedeutung sein – „höchstens
innerhalb der Beweisführung vor Gericht“ (Roszak:
1986: 145).
Die psychotische Phase
ist endlich überwunden,
die bis zur traumatischen
Elektrokrampftherapie andauerte. Man schreibt das
Jahr 1968.
Jetzt kann endlich wieder das Denken an allen
Ecken und Kanten sprießen. Urlaub in „Rhizomcountry“. Von den Griechen kennt Pirsig das
zweiwertige Denken: Der
Dualismus bei Platon und
Aristoteles; die grobe
Trennung von Ding und
Mensch. Diese hat sich
bei Pirsig irgendwie in
letzter Zeit seltsam verschoben.
Motorradfahren mit Gotthard Günther. Auch so ein
Besessener. Zwischen 0
und 1 begegnen sie einander zum ersten Mal.
Leicht zeitversetzt. Wie
auch Pirsig ist Günther
davon überzeugt, dass es
nicht mehr ausreicht,
das „Sein“ nach logischen
Gesetzen zu verorten.
Günthers Vermutung:
Wir haben es mit einer
ausgeschlossenen dritten
Größe zu tun. Und wie
er so von seiner Vermutung erzählt, blitzt es in
seinen Augen auf. „Sieh
es einmal so“, sagt er zu
Pirsig, „ständig unterscheiden wir zwischen
Sein und Nichtsein. Damit hinken wir aber der
Evolution mächtig hinterher. Was wir brauchen ist
mehr Dynamik.“
Dramaturgisch
Exemplarisch
Thematisch
Narrativ
1.11 Qualität/
Wertschöpfung
Pirsig ist zuhöchst erfreut.
Was Günther da so freimütig erzählt, hat auch
viel mit seiner eigenen
Erfahrung gemeinsam.
Abgesehen von Hegel und
der deutschen Begriffsgläubigkeit. Das absolute
Wissen und der Geist,
der über die Geschichte
zu sich selbst finden
wird. „Mumpitz“, denkt er
sich. Da ist er wieder ganz
Amerikaner. Aber jedem
Freund das Seine.
Üblicherweise erwartet
das Publikum, wenn die
Wertedebatte einsetzt,
dass man z.B. moralisch
argumentiert, indem
man z.B. zwischen „gut“
und „böse“ unterscheidet.
In einem Gespräch mit
Alexander Kluge sollte
Luhmann einmal an einem
Beispiel verdeutlichen,
wie er unterscheiden
würde, wenn von „Bestialität“ gesprochen wird.
„Vor der Bewegung ist
nach der Bewegung“.
Muybridges Reihenaufnahmen neu interpretiert
Was wäre die Differenz?
„Ich würde vermuten
Humanität, wenn man die
normale Sprache kopieren will. Aber zugleich,
wenn jemand von Bestialität spricht, kann man
vermuten, dass er in Wirklichkeit human gewertet
werden möchte und dass
seine Motive auf der anderen Seite liegen“ (Hagen
2004: 66).
Auch „Werte“ sind keine
statischen Größen. Sie
verändern sich mit der
Zeit. Je nach Kultur und
Zeit erleben bestimmte
Werte eine Renaissance,
während andere scheinbar
verschwinden. Fasst
man die Werte als Form
einer Unterscheidung, so
lässt sich jeder Wert von
einem anderen unterscheiden. Da es sich aber
bei Luhmann um eine
mehrwertige Form der
Unterscheidung handelt,
wird zugleich auch immer
gefragt, welche Motive
auf der anderen Seite der
Unterscheidung bestehen.
Wir können demzufolge
vermuten, dass z.B. Konzerne wie E.ON, die für
„Öko-Energie“ werben,
eine andere Absicht ver-
Ganz abrupt bleiben Günther und Pirsig mit ihren
Motorrädern im Niemandsland stehen. Zwischen
0 und 1. Ein Zug ist vor
ihnen zu erblicken. Mit unzählig vielen Güterwagons
bestückt. Günther ertappt
sich beim Zählen; aber
der Zug ist einfach schneller. Er kommt nicht mit.
Sie führen ihre eingeschlagene Konversation fort.
Pirsig wendet sich dabei
für kurze Zeit von der
Logik ab. Mehrwertig
findet er zwar schön, aber
nicht so ontologisch wie
sein deutscher Kollege.
Das bringt ihn zurück zu
seiner Vorstellung von
Qualität. „Ein wenig Metaphysik ist aber auch
mit im Spiel“, muss er
schließlich vor Günther
eingestehen. Philosophen
unter sich.
„Qualität. Schau nur auf
den Zug. Wir schauen uns
die einzelnen Wagons an
und denken unweigerlich
an ein seltsames Foto.
Vielleicht jemand aus der
Familie, der leidenschaftlich gerne Züge fotographiert. Aber das Foto hat
eigentlich nichts zu tun
mit den Zügen. Da ähneln
sich Foto und Denken
in gewisser Weise. Der
Glaube, die Realität identisch abbilden zu können.“
Dramaturgisch
35|36
Exemplarisch
„Der Betrachter als Navigator im Netz“: Popart analog und angesteuert. Beispiel: WebAuftritt Museum Brandhorst in München
Thematisch
Narrativ
folgen, als sie vordergründig angeben. Die
Unterscheidung „umweltverträglich“ oder „umweltfeindlich“ müsste vor
diesem Hintergrund weiter
unterschieden werden.
Da die Mode derzeitig auf
„Öko-Energie“ steht,
verändern auch Energiekonzerne ihre Politik,
um z.B. ihr Image aufzupolieren. Langfristig
gesehen kann sich dieser
Trend aber nur dann positiv auswirken, wenn sich
die Kosten der Produktion
mit „erhöhtem“ Umweltbewußtsein vertragen.
„Das Sein“, bemerkt
Günther.
Auch in seinem zweiten
Buch – „Lila – oder ein
Versuch über Moral“
– beschäftigt sich Robert
M. Pirsig mit den gesellschaftlichen Auswirkungen
eines statischen Weltbildes. Am Beispiel der Viktorianischen Gesellschaft
beschreibt er, wie stark
eine Ideologie, die auf
äußere Facetten ausgerichtet ist, sich selbst in
ihrer Weiterentwicklung
behindern kann. Gutes,
situiertes Benehmen und
ein dazugehöriges erharbenes und elaboriertes
Auftreten galten den Viktorianern als höchstes
Gut. Wobei, man ahnt es
wahrscheinlich schon, diese Wertehaltung schlussendlich in ihr Gegenteil
umschlagen musste: also
zur Farce verkam.
Wir können dieses Beispiel auch als ein bildhaftes Gleichnis auslegen,
das für die gefährliche Bequemlichkeit steht, lieber
Ideologien in Kauf nehmen
zu wollen als mehr Dynamik einzufordern.
Dieses Problem betrifft
uns gerade auch in unserer Rolle als Gestalter.
Boris Groys hat in seinem
„Von mir aus. Jedenfalls
verläuft unser Denken
ganz statisch wie das
Foto. Das ist eine klassische Denkweise. Mit
Qualität meine ich aber
etwas anderes. Romantisches Wissen. Die
Perspektive ist nicht mehr
auf die einzelnen Wagons gerichtet, sondern
auf die Bewegung verschoben. Deshalb macht
es auch keinen Sinn zu
zählen. Es sei denn die
Zahlen würden in manchen Fällen für etwas
anderes stehen (...) Und
nun nimm Gleis, Zug
und Bewegung zusammen. Das Bewußtsein
für Qualität ereignet sich
noch vor der festgelegten
Perspektive auf die
einzelnen Wagons.“
„Warum?“ entgegnet
Günther in einem freundlichen Ton, obwohl er die
Antwort schon längst zu
wissen glaubt.
„Nun ja, unsere Wahrnehmung ist einfach viel zu
langsam. Die Einteilung in
Wagons, die Zerlegung
in einzelne Komponenten,
kurz gesagt der Drang zur
Analyse, findet erst im
Nachhinein statt. Die treibende Kraft bleibt aber die
Dynamik. Das entspricht
der Qualität auf einer
höheren Ebene. Der Beobachter muss sich von der
Vorderkante des Zuges
entfernen, um das Ereignis
wahrzunehmen. Denn in
diesem Moment kann
noch keine Einteilung
stattfinden. Dieser Prozess läuft jeder Einteilung
voraus.“
Schnitt. Gespräch über
Werte. Der redselige Filmer und Denker Kluge
Dramaturgisch
Exemplarisch
„Die Umwertung aller
Werte“: Das Rotkäppchen-Motiv als trojanische Vorlage
Thematisch
Narrativ
Buch „Über das Neue“
bzgl. der Innovation von
einer „Umwertung der
Werte“ (siehe dazu auch
Nietzsche) gesprochen.
Das Bewußtsein für Qualität hängt gerade auch
im Design mit dieser „Umwertung“ zusammen.
interviewt den großen
Soziologen Luhmann.
„Die Abwertung der
bestehenden kulturellen
Werte ist ein notwendiger
Aspekt des innovativen
Gestus – genauso wie
die Aufwertung des Profanen. Jede einzelne Innovation folgt aber darüber
hinaus der ökonomischen
Logik der Kultur selbst.
In diesem Sinne ist jede
Innovation eine Verkörperung dieser Logik, die die
entsprechenden kulturellen Kriterien erfüllen soll.
Falls eine Innovation erfolgreich wird, d.h. falls sie
diese Logik konsequent
umsetzt, wird sie in die
kulturellen Archive aufgenommen“ (Groys 2004:
63).
„Die Abwertung bestehender kultureller Werte“
sollte freilich nicht mit
einem Zerstörungsgestus
oder dem Hochmut gleichgesetzt werden, „auch
die größten Leistungen
zeitnaher Vorgänger als
historisch längst überholt betrachten zu müssen“ (Brock 2001: 3).
Qualität zielt auf den Anspruch ab, etwas besser
machen zu wollen, ohne
sich an starren Strukturen
zu orientieren. Qualität
wird zwar von uns mit
Werten verbunden, diese
können aber nicht von
Dauer verbindlich sein. Es
sei denn wir sprechen
über solche, die sich innerhalb einer Kultur als relativ konstant erwiesen
haben bzw. als Muster
wahrgenommen werden.
Schon in der Zeit verschieben sich unsere
Wertvorstellungen.
Das Differential dazu
stammt aus der Romantik, „das ist Novalis“,
sagt Luhmann. „Die
Gegenwart als Bruchpunkt.“
Schnitt. „Laws of Form“.
Luhmann am Telefon. Gespräch mit dem Mathematiker Spencer Brown. Er
hat ihn einmal angerufen,
für eine halbe Stunde.
Aber es scheint völlig abwegig zu sein, das Kalkül
von Brown am Telefon
erklärt zu bekommen. Man
stelle sich das vor: Ein
Güterwagen, der durch
einen Tunnel fährt, ist am
Ende nicht mehr derselbe.
Auch im Gespräch mit
Alexander Kluge erwähnt
Luhmann dieses absonderliche Beispiel. Kluge
will es wissen. Der Mathematiker Brown hat ein
entscheidendes Problem
erkannt. Man muss zwei
Zustände des Güterwagens bezeichnen. Problem der Form. Während
Brown zählt, bezeichnet er. Aber dieses Bezeichnen kann nicht zweiwertig erfolgen, weil der
Güterwagen am Ende,
wenn er durch den Tunnel
durchgestiegen ist, einen
anderen Zustand erreicht
haben wird. Der Mathematiker muss lernen, mit
der Zeit zu rechnen.
Erinnerung an Pirsig. Qualität ist ein Ereignis, das
noch vor einer festgelegten Perspektive stattfindet.
Zählen alleine kann daher
keine Lösung sein. Das
Kalkül benötigt Zeit; weitere Unterscheidungen, die
das Bezeichnen variieren.
Dramaturgisch
37|38
Exemplarisch
„Ein Jahr Urlaub vom
Leben“. „Der Mann
ohne Eigenschaften“:
Eine extreme Lektüreerfahrung
Thematisch
Narrativ
1.12 Qualität/
Möglichkeit
Die Geschichte könnte
auf einem Symposium
fortgeführt werden.
Bei Robert Musil – im
„Mann ohne Eigenschaften“ – findet sich der
bemerkenswerte Satz,
„dass nur eine Frage des
Denkens wirklich lohne,
und das sei die des rechten Lebens“ (Musil 1957:
263). Diese Frage wird
aber von Musil auf der
Folie eines Möglichkeitenhorizontes skizziert, die
Menschen in ihrer IchKonstruktion ad absurdum führt. So plant Ulrich
„ein Jahr Urlaub vom Leben zu nehmen“ (263),
um sich über Verhältnisse
klar zu werden, die sein
individuelles Fassungsvermögen bei weitem
übersteigern.
Legt man heutige Lebensumstände zugrunde, die
für Gestalter innerhalb
westlicher Metropolen
vielfach gelten, so werden
wir uns unter Umständen
wie Ulrich fragen, wohin
uns dieses Leben ohne
Besinnungspausen – mit
all seinen multiplen Echos
von Geräuschen, Informationen und medialen
Ereignissen – treiben
könnte. Als Gestalter
sind wir sensibel genug,
diese Probleme wie „atmosphärische Verstimmungen“ wahrnehmen
zu können. Man kann
deshalb auch behaupten,
dass diese „Verstimmungen“ – positiv umgewendet – gestalterische
Impulse in uns auslösen
können.
Wir wissen also, dass wir
Stellung zu diesen Problemen beziehen müssen.
Dazu ist eine Haltung oder
Maxime hilfreich, die trotz
Unübersichtlichkeit für
eine Orientierung stehen
könnte.
„Einen guten Abend zusammen. Ich begrüße Sie.
Wilfried Bauer mein
Name. Wir haben heute
die besondere Gelegenheit genutzt, uns die Frage
zu stellen – gemeinsam
mit Gestaltern –, wie
Wahrnehmung auch als
Kommunikation der Sinne
und des Körpers beschrieben werden kann. Der
Film, den sie im Vorfeld
sahen, wirft dbzgl. einige
bemerkenswerte Fragen
auf, die bei Pirsig in das
Feld des Qualitätsbewußtseins münden. Für Künstler und Designer ist dieses
Feld mit praktischen und
sinnlichen Erwägungen
verbunden, welche die
Art der Aufbereitung, der
Gestaltgebung von Material betreffen. Nehmen Sie
nur das Beispiel des Tastsinns. Wie das Sehen und
das Hören, so hat auch
das Tasten spezifische
Chancen leiblicher Kommunikation.“
Ein Typograph meldet sich
zu Wort: „Das Beispiel
des Tastsinns berührt uns
auch in der Buchgestaltung. Bei höherwertigen
Printprodukten fragen wir
uns nicht nur, wie Bild
und Schrift im Zusammenspiel auf den Betrachter
wirken, sondern wie daneben auch das Papier beschaffen sein muss, wenn
es ertastet und errochen
werden soll.“
Nachdem bereits ein wenig Zeit verstrichen ist,
nehmen die Symposiumsteilnehmer noch einmal
genauer Bezug auf die Inhalte, die im vorgeführten
Film angesprochen wurden. Überraschenderweise befindet sich unter den
Dramaturgisch
Exemplarisch
„Forscher im Höhenrausch künstlicher Intelligenzen“. Die Fußballweltmeisterschaften
der Roboter
Thematisch
Narrativ
Es ist der Weg, der en
passant auch über viele
Umwege und zusätzliche
Anstrengungen, dem
Verhältnis von Einfachheit
und Komplexität gewidmet ist.
Beteiligten auch ein Informationsdesigner,
der sich in einer Studie
ausgiebig mit Günther
beschäftigt hat und
aus dieser Lehre einige
praktische Erkenntnisse
gezogen hat. Da er seine
Graphiken im Internet
streut und kaum noch
in Büchern und Magazinen
publiziert, weiß er einiges über die sinnlichen
Qualitäten von immateriellen Dingen zu berichten,
die z.B. im Internet vermehrt beobachtet werden
können.
Es liegt uns aber in unserem Buch fern, Einfachheit
mit Trivialität verwechseln
zu wollen. Oder die Dinge
unnötig zu verkomplizieren, wo sie doch an sich
auch einfach sein können, als wir gelegentlich
im Abschweifen unserer
Gedanken annehmen
wollen.
Ohne Anstrengung, Willen und Energie ist dieser
Weg jedoch nicht zu
bestreiten. Aber auch
nicht ohne Ruhe, Auslassung, Unbekümmertheit
und Unterlassen.
Verstand, Körper, Raum
und Emotionen bilden eine
Art von Pendel im „Meer
der Möglichkeiten“, das
es gilt immer wieder von
neuem auszubalancieren.
Sich sammeln, weiter gestalten, intensiv leben.
„Nicht Phänomenologie, sondern Phantomologie“. Der Kybernaut Stanislav Lem
„Die Kunst ist eine unter
den Richtungen menschlicher Tätigkeit, die dazu
dienen, die Menschen ein
haltbares Verhältnis zu
ihrer Betroffenheit finden
zu lassen (...) Erregende,
verwirrende und beirrende
Eindrücke, Ansprüche
oder Atmosphären packen
oder beherrschen die
Menschen so, dass sie
sich erst wieder fassen
müssen, um in labilem
Gleichgewicht auf dem
Seil über einem Abgrund
– nach Nietzsche der
Mensch – ihr Leben führen zu können“ (Schmitz
1998: 91).
„Günther sah im kybernetischen Informationsbegriff eine Aufhebung der
klassischen Zweiteilung
am Werke. Information ist
nämlich weder Energie
noch Materie und somit
eine dritte Größe zwischen Subjektivität und
Objektivität.“
Bauer unterbricht ihn:
„Die Kybernetik war eine
Vision, die einfach nur
die große Utopie der
Weltbemächtigung durch
Technik und Steuerung
ausbauen wollte. Ihr Traum
war der einer grenzenlosen technischen Aneignung von Natur. Später
musste man sich dann
eingestehen, u.a. am
Beispiel der künstlichen
Intelligenzforschung,
wie vermessen dieser kühne Traum doch eigentlich
gewesen ist: Die Maschine als menschliches
Wesen.“
„Dennoch kommen wir
nicht umhin, mit Computern zu arbeiten. Der Leib
und die Gefühle sind an
diesen Prozessen auf
eine andere Art beteiligt.
Phänomenologie wäre
somit auch eine Frage der
Computerisierung und
ihrer Folgen.“
Dramaturgisch
39|40
YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
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Merschmann, Helmut (2007), Mythos Multitasking. Eine Berliner Kunstausstellung widmet sich dem Phänomen Multitasking. Abrufbar unter: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26244/1.html [12.12.08]
Weitere Quellen // Fernsehformate
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Informationen dazu: http://www.willkommen-tv.at/artikel.php?id=251 [12.12.08]
YOUR COMMUNICATION: GESTALTUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS
„Man nimmt sich ja nicht
Aufgaben vor, die einem logisch lösbar und vernünftig
erscheinen, sondern fühlt
sich fasziniert von wirren
Komplexen. Und obwohl es
so viel Text schon auf der
Welt gibt, ist mein wirklich
beinahe tägliches Gefühl,
dass die sprachliche Übersetzung und schriftliche
Darstellung der Wirklichkeit
der Welt des Menschen eigentlich noch ganz am Anfang steht.“
(Rainald Goetz: Freitag, 18. August 2000. Tag und Nacht)