Hirnmusik Skript - Simon Grab

Transcription

Hirnmusik Skript - Simon Grab
Hirnmusik
Ein Hörspiel
von Simon Grab
1
2
In einem weltweit erstmaligen Experiment stellt der Musiker SY-the-­Brain
seinen Körper der Wissenschaft zur
Verfügung. Das Hirn des Komponisten
wird vom Restkörper abgetrennt
und an die Hirnmusikmaschine angeschlossen. Seine imaginierte Musik
wird von nun an mittels Neurotechnik
direkt ausgestrahlt.
Inhalt
Vorwort
04
Prolog
06
Radio-Intro
06
Letzte Runde
08
Der Vertrag
08
Die Trennung
09
Erinnerungen
10
Radio – die Kreativen
11
Das Mittagessen
14
Bewusstsein
15
Radio – die Kranken
16
Intervention
18
Experimente
19
Radio – die Komposition
22
Das Ende
23
Epilog
24
Nachwort
25
Literaturliste
30
3
Vorwort
SOUND
Aussenaufnahme Dachterrasse, oberhalb des Ateliers des Studiengangs Master of Arts in Transdisziplinarität an der Zürcher Hochschule der Künste. Stimmen von Studierenden. Vorbeigehende
Schritte im Kies. Baumaschinen in der Nähe. Zug.
JENS BADURA
Was also jetzt vorgestellt wird hier, ist das Eintreten einer Erwartung. Und das Eintreten einer Erwartung ist jetzt an den unterschiedlichen Stellen natürlich mit unterschiedlichen Erwartungen
auch unterschiedlich konfiguriert, in der Vorstellung. Wichtig
scheint mir aber eben diese Differenz zwischen Vorstellung und
Erwartung, weil ich glaube, hinter dem Ganzen steckt ja doch auch
– also seitens des Autors, der jetzt hier – nicht der Autor innerhalb
dieses Hörspiels – sondern auch der Autor, der du als Hörspielmacher bist – scheint mir ganz zentral eine Erwartung zu sein,
nämlich die Erwartung, etwas deutlich werden zu lassen zum
Thema «Wie kann man sich Komposition als etwas Geistiges vorstellen?» Eine Auslegeordnung zu schaffen, im Rahmen derer man
genau diese Frage verhandeln kann, scheint mir die Intention dieses
ganzen Projekts zu sein, und diese Erwartung ist natürlich ein
stückweit immer in die verschiedenen Akteure mit eingetragen, die
dann die Verhandlung de facto innerhalb der Konstellation, die das
Hörspiel abbildet, realisieren.
4
Vorwort
Haben Sie auch schon mal einen dämlichen Popsong für Stunden
mit sich im Kopf herumgetragen? Dieser Ohrwurm geht nicht einfach so weg, nein, die Musik im Kopf bleibt. Diese «Hirnmusik»,
wie ich sie nenne, lässt sich auch bewusst hervorrufen. Interessant für uns Klanggestalter und Musizierende: sie lässt sich durch
reine Vorstellungskraft nach Lust und Laune kreieren, und durch
blosses Denken transformieren. Wir können in Gedanken akustisch in einen einzelnen Ton hinein zoomen, einzelne Instrumente
und Klänge extrahieren, weglassen, hinzufügen, modulieren und
die Lautstärke anpassen. Für Musiker und Komponistinnen tagtägliches Brot, müssen sie doch im Prozess der Kreation originäre
Ideen umsetzen, die sie unter anderem im Kopf haben.
Wie hören sich imaginierte Klangereignisse an? Welches Potential steckt in diesen mentalen Kompositionen? Welche musikalischen Perspektiven eröffnen sich damit? Lässt sich die Musik
im Kopf anzapfen, um sie im Lautsprecher hören zu können? Die
mentale Spielerei ist zugleich Motivation für den Autor, sich mit
dem Thema vertieft auseinanderzusetzen.
Die vorliegende Arbeit «Hirnmusik» befasst sich mit dem
Phänomen der «Musik im Kopf». Sie geht der Frage nach, wie gewollt und ungewollt imaginierte Musik wahrgenommen wird,
und wie sich Komponistinnen, Klangkünstler und Musiker Kraft
der eigenen Vorstellung diese mentalen Klangbilder für ihr eigenes Musikschaffen zunutze machen.
Es wird zudem die Frage gestellt, wie man sich Komposition
als etwas Geistiges vorstellen kann, und ob zukünftige Neurotechnik eine Übersetzung dieser Hirnmusik in Schallwellen möglich macht.
Das Thema wird dabei aus verschiedenen Perspektiven
beleuchtet, und mittels unterschiedlicher Methoden fassbar gemacht. In qualitativen Interviews geben Musikschaffende Einblick in ihre persönliche Wahrnehmung von Musik im Kopf. Die
ausgewählte Literatur aus den Disziplinen Musikwissenschaft,
Philosophie, Neurowissenschaft und Psychologie soll das Anliegen der Arbeit untermauern und Aussagen aus den Interviews
kontextualisieren. «Hirnmusik» nimmt insbesondere Bezug zum
Forschungsbereich «Auditory / Musical Imagery», indem die inneren Hörbilder und das Phänomen der Musik im Kopf aus unterschiedlichen Disziplinen untersucht werden. Künstlerische
Arbeiten und Ausschnitte aus anderen Medien verweisen auf die
gesellschaftliche Dimension des Themas. Und mit Musik- und
Klangexperimenten geht der Autor der eigenen Wahrnehmung
nach.
Die Arbeit «Hirnmusik» kann in unterschiedlicher Form gehört und gelesen werden. Im Zentrum steht das Hörspiel, das sich
idealerweise auf guten Kopfhörern oder Lautsprechern geniessen
lässt. Das vorliegende Hörspielskript dient als Anleitung für die
eigene innere, akustische Imagination der Lesenden, oder als Begleittext zum Gehörten, angereichert mit zahlreichen Kommentaren, Reflexionen und Referenzen. Die bearbeiteten Interviews
liegen als Audiodateien bei. Sie lassen sich gezielt einzeln oder als
mehrstündiger Hörmarathon zu Gemüte führen.
Master of Arts in Transdisziplinarität
«Neues entsteht an den Rändern oder an den Schnittstellen und Reibungsflächen zwischen traditionellen Disziplinen – sei dies in den
Künsten, den Wissenschaften oder in einer alltäglichen Lebenspraxis. Der Master Transdisziplinarität widmet sich diesen Schnitt- und
Nahtstellen und nimmt vor dem Hintergrund einer Kunsthochschule
eine Scharnierfunktion zwischen unterschiedlichsten Disziplinen in
Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft wahr. Transdisziplinarität erscheint als eine Form der Zusammenarbeit, die innovative Perspektiven, Fragestellungen und Lösungen eröffnet.«
Aus der Beschreibung des Master Studiengangs Transdisziplinarität. (www.zhdk.ch. 2015)
Autorschafltiche Perspektive
Mein direkter Bezug zum Thema liegt in meinem eigenen künstlerischen Schaffen. Mich interessiert die Kreation von äusseren und
inneren Klangphänomenen aller Art.
Mit meiner langjährigen Hör- und Praxiserfahrung als
Klangkünstler und nach vielen Experimenten mit Lärmmusik
hat sich mein Gehör, respektive mein Gehirn, insofern sensibilisiert, dass ich zum Beispiel Lärmquellen schnell als musikalische
Klangkörper erfassen kann und diese somit in erweiterteren Kategorien höre, als andere Menschen mit weniger «musikalischer»
Lärmerfahrung. Dieser jahrelange auditive Lernprozess bildet
sich unter anderem auch in der Präzision ab, wie Musik in meinem
Kopf klingt. Wie beim Lernen einer Sprache wird das Vokabular
vergrössert und die Grammatik verfestigt.
Insbesondere ein seit 2009 laufendes Musikprojekt namens
MRI hat mich auf aktuelle Forschungsfragen der Neurowissenschaft aufmerksam gemacht. Im Projekt MRI befasse ich mich,
zusammen mit der Musikerin Patricia Bosshard, mit dem Magnetresonanztomographen als Musikinstrument.
«Patricia Bosshard und Simon Grab benutzen in ihrem Projekt
MRI ausschliesslich aufwändig produzierte Tonaufnahmen eines
Magnetresonanztomographen. In der Tradition der Musique Concrète
werden die rohen Töne in ihrer Radikalität belassen. Die eigentliche
Transformation geschieht in der Schichtung dieser reichhaltigen
Klänge. Grab und Bosshard komponieren damit ein grossartiges,
dichtes Klanguniversum, welches stilistisch von minimalem Ambient
bis hin zu derbem Noise reicht – eine Musik, die in die tiefsten Schichten des Hirns vordringt und die Moleküle zum Tanzen bringt.» (Everest
Records. 2010)
Für die Tonaufnahmen legten wir uns selbst in die Röhre und
lauschten der Maschine, die durch starke Magnetfelder unsere
Protonen auszurichten vermag.
Die Vorstellung, dass im Moment des Scans ein eigentliches Eindringen in das Innere des Hirns geschieht, löste lange Diskussionen um
Möglichkeiten und Grenzen der Hirnforschung aus.
Aus einer kritischen Perspektive, aber auch als interessierter Nutzer neuer Technologie, beobachte ich seither die neusten Errungenschaften im Bereich Brain-Computer Interface. Was mich endgültig
dazu brachte, mich vertiefter mit der Materie auseinanderzusetzen,
war die neurowissenschaftliche Publikation des Artikels ’Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex’ (Pasley et al. 2012).
Forscher konnten im Hirn gehörte Sprache rekonstruieren und hörbar
machen.
Da ich mich zuvor nicht wirklich mit neurowissenschaftlichen
Details auseinandergesetzt hatte, war ich einerseits etwas schockiert
ob meinem Nichtwissen, wie fortgeschritten dieser Forschungsbereich tatsächlich ist, und anderseits fasziniert ob der Tatsache, dass sich
da etwas zu realisieren scheint, worauf bisher nur Science Fiction Zugriff hatte.
Nach weiteren Nachforschungen kam ich zum Schluss, dass es
wohl nicht mehr lange geht, bis komplexere Klangphänomene wie
Musik rekonstruierbar sein werden. Denn die Erkenntnisse aus der
Hirnforschung sind vielversprechend, werfen aber zugleich viele Fragen auf. Was medial zu hören ist, klingt zuerst mal nach Superlative
und Frankenstein, und richtet sich wohl eher an die Sponsoren. Beim
nüchternen Hinschauen sind die Resultate nur halb so spektakulär, zeigen aber in eine Richtung, die mich zu folgender Behauptung treibt:
Menschen werden in naher Zukunft imaginierte Musik mittels Neurotechnik hörbar machen können.
Etwas salopper gesagt: das angezapfte Hirn spielt die Musik im
Kopf direkt in den Lautsprecher. Natürlich hält sich meine Technologiegläubigkeit in Grenzen und ich lehne mich mit der Behauptung sehr
weit aus dem Fenster. Je weiter die Hirnforschung kommt, desto komplexer scheint das Hirn. In kleinen Schritten werden Erfolge gefeiert,
die Lichtjahre entfernt sind vom Gedanken lesen. Ich stelle deshalb die
‚nahe Zukunft’ auch nicht in ein definiertes Zeitverhältnis. Ich stürze
mich viel lieber in die Fiktion, mit Bezügen zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, untermauert mit Aussagen von Komponistinnen
und Musikern, und gespickt mit philosophischen Reflexionen.
Hörspielperspektive
«I believe in intuition and inspiration. Imagination is more important
than knowledge. For knowledge is limited, whereas imagination embraces the entire world, stimulating progress, giving birth to evolution. It is, strictly speaking, a real factor in scientific research.» (Einstein. 1931)
Für Hirngespinste ist die Kunst da!
Ich definiere meine Arbeit als Hörspiel, um grösstmögliche gestalterische Freiheiten zu geniessen, wobei eine Bezeichnung
wie ’Hybrid zwischen Hörspiel und Radiofeature’ durchaus seine
Berechtigung hätte. Hörspielgeschichtlich steht das Stück in der
Tradition des ’Neuen Hörspiels’ (Schöning. 1969).
Im radiophonen Stück verflechte ich Dokumentarisches mit
Fiktionalem. So stehen prägnante Aussagen aus Interviews als
O-Ton neben fiktiven Szenarien in der Zukunft. In der Montage
werden reflexive Momente und Experimente verwoben. Reale
und imaginierte Arbeitsumgebungen von Forschenden vermischen sich. Literarische Zitate, Samples aus Musik und Film werden parallel in das Feature montiert.
Wie kann man sich Komposition als etwas Geistiges vorstellen?
Um einer Antwort näherzukommen, ob Komposition als etwas
Geistiges überhaupt vorstellbar ist und auch zu etwas taugt, müssen wir die Unterschiede zwischen äusserer physikalischer Musik
und imaginierter Musik herausschälen.
Mentale Musik ist ein Klangphänomen, das ich in den üblichen musikalischen Parametern wie Klangfarbe, Tonhöhe, Dauer,
Tempo, Lautstärke, inklusive Raumakustik hören und beschreiben kann.
Im Unterschied zur äusseren Musik, die durchs Ohr zuerst
als pure Schallwelle ankommt und erst im Hirn ihre Bedeutung
als Musik erhält, muss imaginierte Musik im Kopf aktiv erstellt
werden. Was ist das spezifisch Andere? Was ist gleich? Was heisst
geistige Komposition? Lässt sich das Phänomen in Worte fassen?
Sprechen wir dabei von einer Metapher? Ist Musik im Kopf tatsächlich Musik?
Eine Auslegeordnung
Das Phänomen Musik im Kopf wird an den Begriffen Imagination, Übersetzung und Darstellung geschärft. In der im Hörspiel
geschaffenen Auslegeordnung beziehen Personen und Figuren
aus unterschiedlicher Sicht und Disziplin Position zum Thema.
In der Montage und Gegenüberstellung entsteht ein fiktiver Dialog zwischen den Akteuren. Fiktion wird als reale Möglichkeit
verhandelt, reale Wahrnehmung wirkt in der Beschreibung fiktiv. Das Mäandrieren zwischen diesen Polen und das Vermischen
oder Verwischen derselben soll die Auseinandersetzung mit dem
Thema produktiv machen und in Schwingung versetzen, damit
am Schluss neuartige Musik herauskommt.
Imagination
Die Auseinandersetzung mit Imagination bedingt eine Reflexion
über das Gehirn und unser Verständnis von Identität. Sich etwas
vorstellen, also etwas vor sich hinstellen, bedeutet eine Distanznahme vom Ich zu etwas Anderem. Imagination heisst Verbildlichung, es wird also ein Bild, ein Objekt aus Etwas gemacht, heisst
also, dass schon die Vorstellung eine Übersetzung von etwas Anderem ist. Dieses Andere lässt sich als ein Konstrukt beschreiben,
das dem Geist oder der Seele entstammt, oder dem Unbewussten,
wobei dieses Konstrukt sich auf ein existierendes Objekt aus der
physikalischen Welt bezieht, an ein Objekt aus der Vergangenheit
erinnert, ein neu kreiertes Objekt ist, oder ein existierendes Objekt kopiert (Godøy, R. I. et al. 2001). Diese Formen von Imagination werden in diesem Hörstück verhandelt. Mein Hauptinteresse
gilt der Form, die der Vorstellung eigen ist, die also in der physikalischen Welt (noch) nicht repräsentiert ist.
Die Akteure im Hörspiel versuchen ihre Wahrnehmung zu
beschreiben, versuchen das Spezifische der Imagination in Worte
oder Klang zu fassen.
Übersetzung
In diesen erwähnten Eigenheiten der imaginierten Musik sehe
ich ein Potential für neue musikalische Zugänge. Ich befasse
mich deshalb mit der Frage, wie sich solche imaginierten Klangereignisse in hörbare Schallwellen umsetzen lassen könnten.
Die bisher bekannten Methoden: Melodien im Kopf können wir
singen, Harmonieabfolgen instrumental spielen, in Gedanken
komponierte Orchesterwerke lassen sich auf Papier notieren und
anschliessend interpretieren. Technische Errungenschaften wie
Tonaufnahmegeräte, elektronische Instrumente und Computersoftware erleichtern den Kompositionsprozess, und bringen zugleich auch neue Musik zu Tage. Musique Concrète, Elektroakustische Musik bis hin zu aktueller Computermusik beziehen einen
Teil ihrer Innovationskraft aus technologischen Fortschritten.
Frank Zappa sagte im Interview mit John Diliberto vom Magazin Emusician über sein Synclavier (eines der ersten programmierbaren Sampler-Instrumente):
«Forget about the orchestra. It’s beyond the orchestra. Because
what this enables me to do is the same thing a painter gets to do. You
get to deal with the material in a real and instantaneous way. You go
boop and it’s there. You don’t sit down and write it outpainstakingly
over a period of years and have the part copied and hope that some
orchestra will have enough time to devote to a rehearsal so they come
within the vicinity of what your original idea is. There is no doubt
about it that if you can play on this thing and hear what you’re playing,
you have total control of your idea.» (Emusician, 1986)
Auch der Zürcher HipHop-Produzent Maloon TheBoom
bestätigt eine Vereinfachung der Ideenumsetzung durch die Musiksoftware Fruity Loops: «I think FruityLoops has a very easy way
to work, I don’t have to think about what I have to press or where to
put things, I can just flow the sounds directly from my head.» (thefindmag.com. 2014)
Dass der musikhandwerkliche Prozess vom Gedanken bis
zur schallgewordenen Umsetzung erst die kompositorische
Essenz zum Vorschein bringen kann, bestreite ich hier nicht.
KomponistInnen mit geübter Vorstellungskraft bezeichnen ihre
fertigen Kompositionen als sehr nahe an der ursprünglichen Vorstellung. (Grab. 2015)
Trotzdem stelle ich die Frage nach den Möglichkeiten einer
direkteren Übersetzung von Imagination in Schallwellen, denn
schliesslich weiss ich jetzt, was aus den Labors der Neurotechnologen versprochen wird.
Einer der Akteure im Hörspiel ist die Maschine. Eine Hirnmusikmaschine. Sie ist imstande, imaginierte Musik eines Hirns
in Schallwellen zu übersetzen. Dabei geht es mir nicht um das
Zelebrieren des Geniemythos, bei dem der grosse Komponist das
gesamte Werk schon perfekt im Kopf hat und die absolute Musik nur noch auszuspielen braucht. Im Gegenteil: musikalische
Ideen im Kopf sind in meiner Wahrnehmung häufig erst nur als
Fragmente vorhanden, ungewollte Wiederholungen erschweren
den Kompositionsfluss. Klangmüll, aussermusikalische Elemente und Referenzen aus der Erinnerung mischen sich dazwischen,
als wollten sie immerfort darauf hinweisen, dass es das Original
nicht gibt. In polyphone Klänge oder gesamte Orchester können
wir in Gedanken akustisch hineinzoomen, einzelne Instrumente
extrahieren, weglassen, hinzufügen und die Lautstärke anpassen.
Diese Unterschiede zu äusseren musikalischen Möglichkeiten gilt
es, wie schon erwähnt, herauszuschälen und auf ihr Potential zu
prüfen.
Meine Behauptung, dass eine solche Hirnmusikmaschine
in naher Zukunft mittels Neurotechnik realisierbar sei, lässt
sich hier nicht sinnvoll beweisen. Die neurowissenschaftliche
Forschung bietet wohl auch in Zukunft keine direkten Lösungsansätze für eine Hirnmusikmaschine, aber sie ist in vielfältigen
Teilbereichen tätig, deren Forschungsresultate mir genügend Anlass geben, ein solches Szenario im Hörspiel zu schaffen, um damit
eine Diskussion in Gang zu bringen.
Aktuelle Grossprojekte der Hirnforschung deuten auf einen
Wissensschub durch die Verbindung von riesigen Datenmengen
von Forschungsresultaten hin. Ein Ziel ist die Kartierung des Gehirns, und somit das Verfügbarmachen von neuen Wissenskombinationen.
Der Bioethiker und Neuroinformatiker Markus Christen
schreibt dazu:
«In der Geschichte der Menschheit haben wahrscheinlich nie zuvor derart viele Wissenschaftler das Gehirn studiert. Diese Beobachtung bezieht sich nicht nur auf grundlegende biologische Forschung
und Neurologie, auch verwandte Bereiche experimentieren mit Theorien und Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft. […] Diese vielfältigen Forschungsaktivitäten generieren riesige Mengen von Daten
und wissenschaftlichen Arbeiten auf allen Ebenen der neuronalen
Organisation: Genexpression in Neuronen, neuronale Verbindungen,
mit bildgebenden Verfahren erfasste Gehirnaktivitätsmuster, menschliches und tierisches Verhalten, um nur einige Aspekte zu nennen.
[…] Da es nicht möglich ist, die individuellen Verbindungsmuster von
Nervenzellen im menschlichen Gehirn auf dieselbe Art und Weise zu
‹entschlüsseln› wie wir heute das Genom einer Person sequenzieren
können, werden Neurowissenschaftler Werkzeuge brauchen, die ihnen sagen, wonach sie im realen Gehirn suchen müssen. Simulationen
und Landkarten könnten sowohl zu ‹Integratoren› von Wissen oder
zu ‹Linsen› werden, durch welche die Wissenschafter schauen, um
die Komplexität des Gehirns zu erfassen. Das ist in der Tat eine faszinierende Idee, und einer der wenigen gangbaren Wege, den Graben
zwischen erhobenen Gehirn-Daten und realen Anwendungen der Neurowissenschaft zu überbrücken.» (SWI Swissinfo.ch. 2015)
Darstellung
Das Sprunghafte, das Abrupte, das Assoziative, das ineinander
Verweben von Gedanken und Klang, all dies schlägt sich in der
formalen Umsetzung des Hörspiels nieder und verweist auf die
Art und Weise, wie solche Fragmente in meiner Imagination repräsentiert sind. Das produzierte Hörspiel ist nur eine Variante
der Klangrealisation, mit der Intention, Sie als Hörer oder Hörerin
möglichst präzise an meiner Wahrnehmung und meiner Klangidee teilhaben zu lassen. Eine unterschiedliche Montage, eine andere klangliche Ästhetik ist immer denkbar und möglich.
Eine eindeutige Übersetzung von der Produktion zur Rezeption ist aber auch insofern nie möglich, als das Gehörte immer
auch einer individuellen Interpretation unterliegt, denn Schallwellen werden erst im Hirn zu bedeutvollem Klang verarbeitet.
Muss damit der Begriff der Autorschaft auf ein Neues diskutiert
werden?
Auch beim Durchlesen des Hörspielskripts werden Sie selber
zur Hörspielmacherin oder zum Hörspielmacher. Geben Sie den
Personen und Figuren in Ihrer Vorstellung eine Stimme, dem beschriebenen Sound eine Klangfarbe und einen akustischen Raum.
Versuchen Sie die Tonhöhe einer Stimme zu ändern, oder die Lautstärke eines imaginierten Elements anzupassen. Hören Sie auch
auf die eigenen Assoziationen, die in die Geschichte unaufgefordert reinspringen, und achten Sie darauf, in welchen Momenten
Sie eine Gefühlsäusserung wahrnehmen, oder welche klanglichen Elemente persönliche Erinnerungen hervorrufen.
Akteure
Es spielen mit:
Das Hirn: Kurt Grünenfelder,
Sprecher und Schauspieler, Rikon
Die Pflegerin: Carine Kapinga,
Schauspielerin und Tänzerin, Zürich
Der Radiomoderator und Autor: Simon Grab,
Klangkünstler, Zürich
Die Maschine: Computer und diverse analoge Synthesizer
Als sich selber sind zudem zu hören:
Jens Badura, Philosoph, Zürich
Patricia Bosshard, Komponistin und Violonistin, Lausanne / Paris
Dan Suter, Tonmeister, Zürich
James S. Adams, Lärm-Musiker, Washington DC
Isabel Mundry, Komponistin, Zürich
Raed Yassin, Improvisator und Künstler, Beirut
Bernd Schurer, Komponist und Computermusiker, Berlin / Zürich
Martin Bezzola, Klanggestalter, Zürich
Christoph Grab, Jazz-Musiker, Zürich
Jörg Köppl, Klangkünstler, Zürich
David Chazam, Pop Experimentator, Brüssel
Rolf Inge Godøy, Musikwissenschaftler, Oslo
Freya Bailes, Musikwissenschaftlerin, Hall UK
Rudolf Eber, Lärm-Musiker, Tokyio
Dave Phillips, Performance-Künstler, Zürich
José Garcia, Chemiker und Naturheilpraktiker, Genf
Mike Hamerski, Musiker, Warsaw
Willi Grab, Aromatiker, Orpund / unterwegs
«Hirnmusik» ist die Diplomarbeit des Autors Simon Grab im Studienbereich Master of Arts in Transdisziplinarität an der Zürcher
Hochschule der Künste 2015.
Simon Grab ist Mitbegründer des Tonstudios ganzerplatz.
Er produziert als Komponist und Klanggestalter Musik und Ton
für Spiel- und Dokumentarfilme, Theater und Radio. In Live Performances und Installationen nutzt Grab mit seinem Sound den
Raum als akustische Spielwiese. Er fühlt sich dort zuhause, wo
Neues entsteht und Grenzen verwischt werden.
5
Prolog
Der Autor, das «Über-Ich» des Hörspiels, stellt sich die Geschichte vor. Sie beginnt mit einer regelrechten Hirnwäsche, mit einem
Ohrwurm aus der Popwelt. Abrupt wird der Song unterbrochen. Zu
hören sind nur der Atem des Autors. Und sein Tinnitus.
SOUND
Kurze Stille
SOUND
Harter Schnitt. Refrain Fragment von Aqua «I’m a Barbie Girl»
DER AUTOR
(Atmen)
SOUND
Simon Grab, <eintritt>.
Verfremdung des Atmens durch ein Mundstück eines Blasinstruments, mit viel Hall. Dazu ein orgelähnlicher elektronischer Clusterklang der asynchron, aber auch langsam pulsiert.
SOUND
Simon Grab, <egypt>
6
SOUND
Tinnitus, ein hochfrequenter Ton ca 11kHz, langsamer fade in. Mit
weiteren leicht verschobenen und auf rechts und links verteilten
Frequenzen modulieren.
DAS HIRN
(Aus Dürrenmatt <Das Hirn>. Stimme aus kleinem Lautsprecher)
Ein zweites «Ich». Aber woraus besteht es? Womit denkt sein
«Ich»? Es hat Atome, die aus einer Wolke von Atomen und Molekülen bestehen, und Moleküle, die aus Atomen bestehen, sein «Ich»
muss aus einer komplizierten Anordnung von Atomen und Molekülen bestehen, sein «Ich» muss etwas Räumliches sein, ein überaus
komplizierteres Gebilde als alles, was es bis jetzt gedacht hat.
SOUND
Transformation in Radio Rauschen, Frequenzbandsuche
Über-Ich
Der Autor begibt sich selber ins Hörspiel, wird zur Figur. Die Geschichte wird von ihm modelliert und überwacht. Die Akteure
werden von ihm entworfen, entstammen also seiner Vorstellung.
Sie sind Veräusserungen seiner eigenen Identität.
«Das Über-Ich kann im Freud’schen Strukturmodell der Psyche
vereinfacht als die moralische Instanz oder auch das Gewissen angesehen werden und stellt den Gegenspieler für die elementaren Lusttriebe des Es dar. Freud sprach von dieser Instanz als einer Zensur.
Es wird in der frühen Kindheit (bis zum 6. Lebensjahr) gebildet und
enthält die (moralischen) Normen und verinnerlichten Wertvorstellungen der kulturellen Umgebung, in der das Individuum aufwächst
(insbesondere die der Eltern). Das Über-Ich entsteht durch Angleichen
der eigenen Person an andere, mit denen sich dieser Mensch identifiziert. Dieser Prozess wird fachsprachlich als Introjektion bezeichnet.
Wenn ein Mensch zu denken beginnt, geschieht dies bereits unter
dem Einfluss des Über-Ichs und der darin enthaltenen grundsätzlichen
Wertvorstellungen. Da er diese als seine ureigenen empfindet und er
seine persönliche Identität aus ihnen bezieht, kann er sich durch rationales Denken nur sehr bedingt von ihnen distanzieren oder emanzipieren.
Das Über-Ich fungiert in der menschlichen Psyche nach Freud als
eine Kontrollinstanz, deren Ziel es ist, durch Selbstbeobachtung das
eigene Verhalten in Übereinstimmung mit dem Idealbild zu bringen.»
(Wikipedia. 2015)
Tinnitus
Kaum setze ich mich an einen ruhigen Ort, meldet sich mein seit
Jahren treuer Begleiter, der Tinnitus. Er tritt bei mir konstant als
hoher Pfeifton in Erscheinung. Er ist jeweils stärker in Stresssituationen und in Momenten von starken Rückenbeschwerden.
Durch Entspannung und Konzentration bringe ich die Lautstärke
des Tinnitus auf ein akzeptierbares Minimum, oder vergesse hinzuhören. Ausserdem kann ich den Ton mit weiteren Frequenzen
modulieren. Ich glaube, ihn als zwei einzelne Monoklänge in jeweils einem Ohr wahrzunehmen.
Der Ursprung des Tinnitus ist nach wie vor ungeklärt. Dr.
Christian Wolf fasst den Wissensstand folgendermassen zusammen:
«Der Auslöser von Tinnitus ist häufig ein Defekt wie zerstörte
Haarzellen im Innenohr. Die eigentliche Ursache suchen Forscher
mittlerweile aber im Gehirn. Einer weit verbreiteten Theorie zufolge
entsteht Tinnitus durch Umbauvorgänge im Gehirn: Die noch intakten
Frequenzen im normalen Hörbereich werden in der Hörrinde überrepräsentiert – das Klingeln entsteht. Möglicherweise sind neben der
Hörrinde noch andere Hirnareale an dem Entstehen des nervtötenden
Geräuschs beteiligt. Limbische Regionen etwa könnten zur negativen
emotionalen Färbung des Klingelns im Ohr beitragen. Zumindest
chronischer Tinnitus gilt als unheilbar. Therapien wie das Retraining
zielen daher darauf ab, dass sich Betroffene an das Klingeln im Ohr
gewöhnen und ihm so weniger Bedeutung geben.» (Wolf, Christian
2012)
Kurze Stille
Damit ich mir Klang detailliert vorstellen kann, benötige ich absolute Stille. Aussengeräusche lassen bei mir den imaginierten
Klang entweder verschwinden oder in den Hintergrund rücken.
Sind diese Aussengeräusche vorhanden, sind sie immer in Konkurrenz zu inneren Klangereignissen, ausser ich will diese bewusst in die mentale Komposition miteinbeziehen. Die räumliche
Vorstellung leidet ein wenig unter den Aussengeräuschen, der
imaginierte Klang verliert an Tiefe.
«I’m a Barbie Girl»
Radio-Intro
Radiosendung: Der Radiomoderator als <mediale Person, als das
äussere Ich> des Hirns. Er moderiert seine eigene Radiosendung,
wobei wir ihn nur zu Beginn der Sendung kurz hören. Das Thema
Ohrwurm steht im Fokus der Sendung. Interviewfragmente
SOUND
Radio Jingle der Sendung «Brain Cast»: Musikalisches Signet. Big
Band Bläser Formation, TV Show Musik.
Von Computerstimme gesprochen:
«Braincast! Life and direct from my brain to your ears!»
Der Song «I’m a Barbie Girl» von Aqua ist ein häufig zitierter Ohrwurm. Der Loop ist Teil des Refrains, der mir selber schon über
mehrere Tage im Ohr hängenblieb. In der Wiederholung wirkt
der Ausschnitt abstrakt. Das Wort «Girl» brennt sich durch einen
besonders penetranten Frequenzgang ein. Achten Sie darauf, wie
lange der Sample noch in der nachfolgenden ruhigen Sequenz
nachklingt. Das Thema Ohrwurm wird im nächsten Kapitel ‹Radio - Intro› ausführlicher verhandelt.
Atmen
Können Sie sich das Atmen als Klangereignis vorstellen, ohne dass
diese Vorstellung an die eigene Atembewegung gekoppelt ist? Für
mich schwierig, zumal es sich im Stück um das Atmen des Autors
handelt, also um mein eigenes Atmen. Um eine Entkopplung zu
erreichen, muss ich zu meinem eigenen Atmen eine Distanz aufbauen und auf meine Erinnerung zurückgreifen: Aus unzähligen
Sprachaufnahmen von anderen Personen kann ich mir das hier
beschriebene Atmen im Kopf erklingen lassen. Auch die beschriebene Verfremdung erleichtert mir die Vorstellung.
Dürrenmatts ‹Das Hirn› (Dürrenmatt, 1998) verhelfen der Figur,
sich selber ein zweites «Ich» in Form eines Radiomoderators zu
schaffen.
Rauschen
Neben der absoluten Stille gibt es noch eine weitere akustische
Situation, die musikalische Vorstellung möglich macht: Im lauten, fast ohrenbetäubenden Rauschen lassen sich Klanggebilde
im Kopf erstellen. Eine interessante Erfahrung, dass sich im Lärm
wiederum ein Raum auftut.
Jörg Köppl und Raphael Camenisch untersuchten 2012-2014
die individuelle Wahrnehmung während dem Hören von Rauschen.
«Wird uns eine Sequenz von Weissem oder Rosa Rauschen wiederholt vorgespielt, können wir darin Muster erkennen. Allerdings
hören alle etwas anderes. Dieses Phänomen vergegenwärtigt uns, wie
sehr wir in unserer Wahrnehmung eingeschlossen sind. Gleichzeitig
führt es uns modellhaft an den Punkt, von dem aus wir Gemeinsamkeiten und Differenzen der Wahrnehmung verhandeln können.» (audiokunst.ch. 2015)
Mediale Person, als das äussere Ich
Das Hirn tritt gegen ‹aussen› auf, in Form eines zweiten «Ich», in
einer vom Hirn imaginierten Person: dem Radiomoderator.
«Persona bezeichnete ursprünglich eine im antiken griechischen Theater von den Schauspielern verwendete Maske, welche
die Rolle des Schauspielers typisierte. Der Name ist abgeleitet aus
dem Lateinischen (personare = hindurchtönen). Hieraus wiederum
abgeleitet ist der psychologische Begriff der Person. [...] Die Persona
ist die Voraussetzung der Möglichkeit zur Kommunikation mit der
Aussenwelt. Gleichzeitig dient sie auch dem Schutz des ‹individuellen
Ichs› und gibt ihm die nötige Distanz. Jung arbeitete gern mit begrifflichen Gegensatzpaaren. So gesehen stellt Persona das ‹kollektive
Ich› bzw. die ‹äussere Persönlichkeit› dar, während das ‹individuelle
Ich› von Jung als Anima oder Animus bzw. als innere Persönlichkeit
oder ‹Seele› bezeichnet wurde. ‹Seele› stellt damit nach Jung einen
abgegrenzten Funktionskomplex dar im Gegensatz zum Begriff der
Psyche als Gesamtheit aller bewussten Erlebnisqualitäten sowie aller
unbewussten Phänomene. Jung sagt, das Ich sterbe, wenn die Persona
zu stark werde. Es ist daher vom Standpunkt des seelischen Gleichgewichts und der seelischen Stabilität anzustreben, dass sich beide
Ich-Anteile – innerer unbewusster Anteil und äusserer bewusster Anteil – die Waage halten.» (Wikipedia, 2015)
Ohrwurm
Der Ohrwurm bezeichnet eine ungewollte, imaginierte Musik.
Hyman et al ging in der Untersuchung «Going Gaga: Investigating,
Creating, and Manipulating the Song Stuck in My Head» diesem
Phänomen nach:
«Contrary to the belief that only obnoxious songs get stuck, we
found that songs people know and like frequently became intrusive.
[...] Similar to mind wandering, the return of intrusive songs depended on cognitive resources: people reported that intrusive songs
returned during low cognitive load activities, and we found that overloading the cognitive systems with challenging activities increased
intrusive song frequency.
[...] intrusive songs frequently reflect environmental priming and
cuing. Listening to a known song is often enough to start an intrusive
song cycle. But other cues, such as hearing words that remind a person
of song lyrics, may bring the song to mind.[…]» (Hyman et al. 2012)
Gesa Seidel trägt in ihrem Artikel «Musikalische Plaggeister»
aktuelle Forschungsresultate zusammen. So zum Beispiel die Studie von Daniel Müllensiefen, Musikpsychologe am Goldsmiths
College der University of London:
«Er fand heraus, dass Lieder mit Gesang, vor allem in der Muttersprache, prinzipiell ein höheres Ohrwurm-Potenzial als Instrumentalstücke haben. Günstig sind ausserdem eine kurze Tondauer und
kleine Intervallsprünge – sie machen Lieder eingängig. Müllensiefen
und seine Kollegen identifizierten zudem zwei Hauptursachen der
musikalischen Plagegeister: Assoziationen und das kürzliche oder
wiederholte Hören eines Lieds. Oft reicht ein Wort, eine Tonfolge,
eine Situation oder auch eine Emotion, um ein Lied aus dem Gedächtnis abzuspielen. […] Der Quälgeist hat übrigens Verwandte: musikalische Halluzinationen. Die Betroffenen haben beispielsweise den Eindruck, dass draussen eine Band spielt, die es aber gar nicht gibt. Die
Ursache für solche Halluzinationen kann etwa ein Schlaganfall sein,
bei dem der auditive Cortex Schaden genommen hat. ‹Beim Ohrwurm
weiss der Wahrnehmende, dass die Musik nur in seinem Kopf spielt.
Die Halluzination dagegen lässt sich nicht von der Wirklichkeit unterscheiden›, erklärt Müllensiefen.» (wissenschaft.de. 2015)
Das Thema der auditiven Halluzinationen wird im Kapitel
«Radio – Die Kranken» wieder aufgenommen.
Interviewfragmente
Ein zweites «Ich»
Der Autor beginnt, sich die Geschichte vom Hirn, das entkoppelt
vom Restkörper sein soll, vorzustellen. Er übergibt der Figur die
Reflexion über die eigene Identität gleich selber. Ausschnitte aus
Interviewfragen (als lockerer Leitfaden gedacht):
Alltag
– Der dümmste Song, der dir jemals nachgelaufen ist?
– Welcher Song begleitet dich seit Jahren?
DER RADIOMODERATOR
Ok, back, live in the studio, in the brainstudio, we are connected
directly to..
SOUND
Frank Zappa. <Worms from Hell>
SOUND
Grandmaster Flash & the Furious Five, <The Message>
PATRICIA BOSSHARD
[...] C’est un morceau que je n’aime pas du tout ! [...]
DAN SUTER
[...] Das Züüg gaht nöd weg! Es chläbed! [...]
JAMES S. ADAMS
[...] I’ve got spurs that jingle jangle jingle [...]
ISABEL MUNDRY
[...] Das sagt nichts, weil das Entscheidende die Verschlingung mit
der Harmonik ist. [...]
SOUND
Britney Spears, <Hit me baby one more time>
Raed Yassin
[...] It is much better in my head [...]
Bernd Schurer
[...] Ich kenn das auch nur noch in Fragmenten [...] oh Henry oh
Henry [...]
Martin Bezzola
[...] so öppis Hypnotisches [...]
SOUND
Simon Grab, <02-11t10’00’00-d040210t0630>
SOUND
JENS BADURA
Und dass auch die Erzeugung eines bestimmten Melodieverlaufs
zum Beispiel viel zu tun hat mit einer Imagination, wo Einbildung
stattfindet, wo also ein Bild ins Spiel kommt. Ein Klangbild.
CHRISTOPH GRAB
[...] innä drin tönt s’Ganze [...]
DAN SUTER
[...] Guete Morgä [...]
JENS BADURA
[...] in diesem Sinne ist die Imagination, die Vorstellungskraft, der
Bereich in dem Vernunft stattfindet. Die bringt Vernunft in Gang [...]
SOUND
Julius Fucik, <Entry Of The Gladiators>
DAVID CHAZAM
[...] Le son d’une boite vide [...] cling cling... Cling cling.
SOUND
Lalo Schifrin, <Mission Impossible Theme>
–
–
–
–
Was macht diese Songs für dich so anziehend / penetrant?
Welches sind die bestimmenden Elemente eines Stücks, die
hängenbleiben?
Welche Musik treibt sich heute in deinem Kopf rum?
Ist die Musik im Kopf manchmal lauter als die Aussengeräusche?
Erinnerung
– An welche Geräusche erinnerst du dich aus deiner Kindheit?
– Sind es einzelne Geräusche oder sind sie eingebettet in eine
Klangumgebung?
– Sind automatisch andere Sinne damit verbunden?
– Gibt es einen klanglichen Unterschied zu heutigen imaginierten Sounds?
Musikalisches Signet
Ich benutze für das Sendungssignet die Originalmusik der Comedy Show ‹Saturday Night Life› aus dem Jahr 1981. Die Radiosendung wird damit zur Show, die Ernsthaftigkeit wird gleich
zu Beginn in Frage gestellt, oder zumindest mit einem Zwinkern
begonnen.
Grandmaster Flash & the Furious Five, ‹The Message›
«Don’t push me…» Diese Worte reichen bei mir aus, um mir die
Stimme von Melle Mel von The Furious Five klanglich vorzustellen.
Ich kann diesen Text auch nicht mehr einfach durchlesen
ohne Rhythmisierung. Er ist fest gekoppelt mit dem Musikstück.
Auch die Synthesizer Sounds kommen automatisch hinzu.
«Don’t push me cause I’m close to the edge
I’m trying not to lose my head
It’s like a jungle sometimes
It makes me wonder how I keep from goin’ under»
Simon Grab, <02-11t10’00’00-d040210t0630>
«[…] Sometimes, the mind acts like a broken record—repetitively
playing the same song over and over again. Having a song stuck in
your head is a commonly experienced intrusive thought that occurs
frequently for many people.» (Hyman et al. 2012)
Wie eine defekte Schallplatte beschreibt Ira Hyman, Professor für Psychology, den sogenannten Ohrwurm in der Studie
«Going Gaga: Investigating, Creating, and Manipulating the Song
Stuck in My Head».
Was geschieht, wenn man tatsächlich eine defekte Schallplatte mit Endlosschlaufe hört? Ich hatte mir genau diese Frage
gestellt, als am Radio Lora wieder einmal das CD Abspielgerät austickte, und aus einem harmlosen Musikstück ein experimentelles
Stotter-Stück machte.
Das hier angespielte Sample ist ein Ausschnitt aus einer etwa
10-stündigen Aufnahme von Radio LoRa Zürich. Für die Nachtsendung war ein CD Mix vorgesehen. Das CD Abspielgerät hatte
einen Defekt und spielte dieses Fragment mit minimalen rhythmischen Änderungen über die 10 Stunden. Tatsächlich hörte ich
mir für etwa vier Stunden diesen Sound an, ging schlafen, und
stellte am morgen früh gleich wieder die Frequenz ein, um noch
eine Weile dem Zufall zuzuhören, bis dann jemand ins Studio ging
und sich für dieses Versehen entschuldigte. Es lief mir danach für
etwa vier Tage nach. Nach dieser Hirnwäsche deklarierte ich die
Aufnahme als Musikstück.
Das Penetrante an den Ohrwürmern liegt in der Wiederholung der kurzen Versatzstücke. Und es sind nicht immer die Refrains oder die eingängigen Melodien, die im Ohr kleben bleiben.
7
FREYA BAILES
[...] Being able to imagine music is a very conveniant practical way
of regulating our own mood [...]
SOUND
Lionel Richie, <Hello>
RUDOLF EB.ER
[...] Dass Stücke, die Scheisse sind, dass man die nicht bewusst
hören will [...] ins Unbewusste drängen [...] dass sich die Scheisse
dort verkeilt.
SOUND
Simon Grab, <Psychotic Fart>
DAS HIRN
(Singt Psychotic Fart)
Letzte
Runde
8
Die Pflegerin kommt in den Raum, unterbricht die imaginierte
Radiosendung. Das Hirn nervt sich einen Moment lang, gesteht sich
aber auch gleich ein, dass es den Besuch der Pflegerin jedesmal
schätzt, auch wenn sie eigentlich nicht miteinander kommunizieren
können. Sie kommt kurz in den Raum, überprüft die Maschine, und
kündigt schon die schlechte Nachricht an, dass dies nun der letzte
Tag sei. Das Hirn geht davon aus, dass seiner liebsten Pflegerin
gekündigt wurde. Sie muss gleich wieder weiter, zu den anderen
Hirnen, verspricht aber, ihr Mittagessen bei ihm zu verbringen.
SOUND
Simon Grab & Patricia Bosshard, <MRI Soundlibrary>. Tonaufnahme eines MRI Scanners als Maschinengeräusch
SOUND
Türe öffnen, Verfremdung: Langer Hall/Reverb/Filter auf O-Ton
DAS HIRN
[...] immer im falschen Moment kommst du rein. Kannst du vielleicht
mal klopfen oder dich ankündigen in meinen Gedanken? Gleich so
reinplatzen. [...] Finds ja schön, dass du immer wieder kommst.
PFLEGERIN
(Sie kommt leise summend herein – ihr läuft das Stück «Barbie
Girl» von Aqua nach. Kommt direkt zum Hirn)
Bonjour Monsieur SY, alors, avez vous deja fait de la musique
aujourd’hui?
(Sie ahmt die Radiomoderation nach)
Hello, salut tout le monde, vous écoutez «The Braincast», la
musique en direct du cerveau. [...] en fait, vous n’avez voulu tout
simplement que faire de vous meme la musique.
(Geht zur Maschine)
DAS HIRN
(Wie aus kleinem Lautsprecher. Zitiert aus Dürrenmatt, Das Hirn)
«Es kommt ihm vor, als denke in seinem Hirn ein zweites Hirn, ein
Hirn im Hirn, ein Ineinander von Hirnen, ein ICH im ICH.»
SOUND
Schaltergeräusche, vom russischen Analog Synthesizer Polivoks
(Singt Psychotic Fart)
Etwa so erlebe ich den Unterschied zwischen Musik im Kopf und
einem Versuch, das Imaginierte zu veräussern mit der Stimme.
Ähnlich den Beschreibungen meiner InterviewpartnerInnen, ist
die Musik in der Imagination als Ganzes vorhanden, also gleich,
wie wenn ich das Stück auf Lautsprechern abspiele.
Pflegerin kommt in den Raum
SOUND
Simon Grab, <wavetalking>
Ein Brummen ist wahrzunehmen, Sounds der Maschine.
DAS HIRN
Hallo, ... Hallo, ....hörst du mich? [...]
DIE PFLEGERIN
La machine est en bon état. Mais jusque là il y a presque rien qui
sort. Je dois vous laisser aller voire les autres cerveaux qui ont
aussi des petits problèmes, mais je reviens à vous à midi, bien que
nous n’avons plus beaucoup de temps ensemble[...] A plus tard.
DAS HIRN
Was, du gehst schon wieder?
SOUND
Türe zu
Alle Szenen entstanden in der Improvisation. Die Rahmensituation wurde vor der Aufnahme besprochen und die inhaltlichen
Elemente definiert. Die Sprachaufnahmen mit den SprecherInnen
fanden separat statt. Der Dialog, sofern es denn einer ist, entstand
erst in der Montage. Durch die getrennte Aufnahme erreiche ich
eine sofort erkennbare Distanz. Ausserdem wurde das HIRN mit
einer Nahsprechaufnahme gemacht, was eine subjektive Perspektive suggeriert, die Aufnahme mit der PFLEGERIN mit einem
Kunstkopfmikrofon. Mit dem Kunstkopfmikrofon ist eine realitätsnahe akustische Raumabbildung möglich.Nicht miteinander kommunizieren können
Die Situation erinnert stark an Erlebnisse von sogenannten Locked-In Patienten. So schreibt Karl-Heinz Pantke als ehemaliger
Locked-In Patient:
«Ich war zur Statue, zur Salzsäule erstarrt. Ein wacher Geist
fand sich in einem völlig gelähmten Körper gefangen.[…] Worüber
ein Mensch in solch einer Situation nachdenkt? Sicherlich über vieles,
nur nicht über seine Lage. Schlimm ist die Langeweile. Der Locked-In
Patient ist zur totalen Untätigkeit verdammt. Eine der schlimmsten
Strafen. Ich habe versucht, in Gedanken etwas an einer Fachveröffentlichung zu arbeiten. Aber dem sind enge Grenzen gesetzt. […]
Im Moment des Erlebens sind Realität und Halluzination nicht zu
unterscheiden, aber da es mir aufgrund des Locked-In-Syndroms nicht
möglich war, das Bett zu verlassen, kann ich jede Wahrnehmung, die
ausserhalb des Bettes stattfand, auf eine Halluzination zurückführen.
[…] » (Pantke, Karl-Heinz. 2007)
Verfremdung
DER
VERTRAG
Rückblende: Die Maschine liest den Vertrag vor. Der Protagonist
muss den AGBs zustimmen, damit sein Hirn vom Restkörper
getrennt werden kann.
SOUND
Simon Grab, <hb_lay4_scratch3>
Rückblende-Musik. Abrupter Einstieg. Gleich mittendrin. Schnelle
Vinylbewegungen rückwärts, in Wogen. Ein Schlund tut sich auf.
Fragmente von Akkordeon. Digitales Kreischen. Feedbacks. Mehrfache Überlagerung von lärmigen und verzerrten Klängen. Übersättigt. Harter Schnitt.
SOUND
Simon Grab & Patricia Bosshard, <Subambi>, <Appel>
Prozessierte MRI Scanner Sounds
Verschwommene, im Raum stehende Klangfläche. Einzelne detaillierte, hoch- und mittelfrequente, sägezahnige Sounds, die herausstechen. Tieffrequenter Puls, Kick, durchgehend, ein wenig angezerrt. Kompressor Geräusch, ähnlich einem grossen Blasebalg.
DIE MASCHINE
(Weibliche Computerstimme. Im Raum. Über kleinem Lautsprecher,
nahe an Kunstkopfmikrofon)
Sie geben sich hiermit einverstanden, sich der Wissenschaft allumfassend als Körpersubstanz-Spender zu Verfügung zu stellen.
Dieses Programm ist irreversibel.
Nach der Bestätigung der allgemeinen Geschäftsbedingungen und
ihrer Zustimmung zu den durchzuführenden Massnahmen wird
Tür zur Aussenwelt? Oder zur nächsten Traumwelt? Referenz an
Filmszene aus: Lynch, David. Mulholland Drive. 2001. Sample
aus Winkie’s Szene: Tür vom Restaurant nach draussen wird
geöffnet. Der von aussen eindringende O-Ton von Strassenlärm
wird stark verfremdet. Der Effekt betont einmal mehr Lynchs
Spiel mit der Illusion, mit der inneren und äusseren Welt, zwischen Realität und Fiktion.
PFLEGERIN
Die Pflegerin scheint das Gegenüber des Hirns zu sein, gewährleistet den Kontakt zur Aussenwelt.
«[...] dass ein Ich niemals durch sich selbst ein Bewusstsein von
sich entwickeln kann, sondern dazu notwendig der Aufforderung
durch den Anderen bedarf. Aufforderung muss verstanden werden
als Akt intellektuellen Handelns gleich welcher Art, sei es als Gestik,
Imperativ, zwischenmenschliche Atmosphäre oder intellektueller Gegenstand. Verstanden wird Auffoderung als Impuls zur Selbstbestimmung, nicht aber Determinierung.» (Heumann, Lucia Theresia. 2009)
Prozessierte MRI Scanner Sounds
Medizinische Hochtechnologie ist faszinierend. Die erste Begegnung mit einem MRI Scanner fand ungewollt statt:
«Patricia Bosshard and Simon Grab have both been delighted
of the harsh sounds of the MRI scanner, when they ended up in the
magnetic resonance tube at a hospital due to an accident. Bosshard
and Grab, always in the research of the unheard, translate this unusual
acoustic situation into music.»
Aus dem Pressetext von Everest Records zur Veröffentlichung von Grab, Simon, and Patricia Bosshard. «MRI » Track ‹Subambi› und ‹Appel›, 2010.
Wenn dieses Hörspiel in 20 Jahren nochmals gehört wird,
werden die MRI Scanner nicht mehr oder anders klingen. Schon
heute wird intensiv daran gearbeitet, die Lärmartefakte, wie dieser grossartige Sound benannt wird, zu minimieren. (Gehealthcare.com. 2015).
Geschäftsbedingungen
Neurotechnik wird zunehmend von Privatfirmen entwickelt.
Anders als bei staatlichen Institutionen sind diese zwar an Richtlinien gebunden, können aber durch eine Auslagerung gewisser
Entwicklungen in andere Länder diesen Richtlinien entfliehen.
Dasselbe gilt für die Ausübung ethisch heikler Operationen,
die zwar international diskutiert werden, aber legalistisch gelöst
werden können, denn gesetzliche Leitlinien sind nicht von einem
internationalen Gremium vorgegeben, sondern werden von Staat
zu Staat unterschiedlich gehandhabt.
Zur geplanten Kopftransplantation (!) im Jahr 2017 wird in einem Artikel des Magazins New Scientist der für dieses Vorhaben
zuständige Canavero zitiert:
«Another hurdle will be finding a country to approve such a
transplant. Canavero would like to do the experiment in the US, but
ihr Hirn vom Restkörper getrennt, optimiert, und an die Maschine
angeschlossen. Ihr Hirn wird ausschliesslich zu experimentellen
Zwecken im Bereich der Transmission und Rekonstruktion der auditiven Imagination benutzt.
Die Schallwellen der Aussenwelt werden binaural aufgenommen
und als Spektraldaten direkt auf die tonotopische Karte ihres auditiven Kortex übertragen.
Sie haben das Recht auf freie musikalische Komposition. Jederzeit. Lebenslang. Ihre auditive Imagination wird rekonstruiert und
ausgestrahlt.
Ihr Hirn wird permanent von unnützem Wissen und Erinnerungen
gesäubert. Wir priorisieren damit die Prozesse, die die Zuverlässigkeit und Genauigkeit ihres nachfolgenden Zustands garantieren.
Alle nicht-musikalischen Referenzen sowie alle nicht-auditiven Sinne
werden eliminiert. Letale Konsequenzen aufgrund nicht vorhersehbarer medizinischer oder psychologischer Konflikte sind nicht
auszuschliessen.
Dies ist die letzte Möglichkeit, aus dem Programm auszusteigen.
MEDIA
«This is your last chance. After this, there is no turning back»
DIE MASCHINE
Bitte antworten sie nach dem Signalton mit einem deutlichen JA um
weiterzufahren, oder mit NEIN, um abzubrechen.
SOUND
Maschinengeräusche weg. Stille.
DAS HIRN
(Kurzer Perspektivenwechsel. Im Jetzt. Erinnert sich an den
Vertrag, und daran, dass es das Einverständnis für das Experiment
gab.)
Ich habe etwas zugestimmt, einem Vertrag, der mir bestätigt, dass
ich bis ans Ende meines Hirnseins Musik machen kann, komponieren kann. (lacht) Ja!
DIE
TRENNUNG
Rückblende: Das Gedächtnis wird auf die Trennung vorbereitet, und
dessen Erinnerung bis auf die musikalischen Referenzen gelöscht.
Danach wird die Trennung vom Restkörper vollzogen.
SOUND
Kunstkopfmikrofon. Sounds im Raum. Maschinenvorbereitung,
mechanische, hydraulische Geräusche. Maschinenarme kreisen um
den Kopf.
believes it might be easier to get approval somewhere in Europe. ‹The
real stumbling block is the ethics,› he says. […] ‹But if people don’t want
it in the US or Europe, that doesn’t mean it won’t be done somewhere
else.›» (Thomson, Helen. New Scientist. 2015)
Hirn vom Restkörper getrennt, optimiert, und an die Maschine
angeschlossen
Der Künstler Stelarc setzt sich mit dem Verhältnis von Mensch
und Maschine auseinander. Das Konzept «The body is obsolete»
ist häufig zentral in seinen Arbeiten. Paolo Atzori und Kirk Woolford von der Akademie für mediale Künste Köln haben Stelarc
interviewt. Im 1995 erschienen Artikel beschreiben sie zuerst
Stelarc Verhältnis zum Körper:
«Through Stelarc’s work, we reach a second level of existence
where the body becomes the object for physical and technical experiments in order to discover its limitations. When Stelarc speaks of
the ‹obsolete body› he means that the body must overcome centuries
of prejudices and begin to be considered as an extendible evolutionary
structure enhanced with the most disparate technologies, which are
more precise, accurate and powerful[…]»
Im Interview wird Stelarc noch deutlicher, wenn er den obsoleten Körper erklärt:
«For me the body is an impersonal, evolutionary, objective structure. Having spent two thousand years prodding and poking the human psyche without any real discernible changes in our historical and
human outlook, we perhaps need to take a more fundamental physiological and structural approach, and consider the fact that it’s only
through radically redesigning the body that we will end up having
significantly different thoughts and philosophies. I think our philosophies are fundamentally bounded by our physiology; our peculiar kind
of aesthetic orientation in the world; our peculiar five sensory modes
of processing the world; and our particular kinds of technology that
enhance these perceptions. [...]
Perhaps it’s now time to design the body to match it’s machines.
We somehow have to turbo-drive the body-implant and augment the
brain. We have to provide ways of connecting it to the cyber-network.
At the moment this is not easily done, and it’s done indirectly via keyboards and other devices. There’s no way of directly jacking in. Mind
you, I’m not talking here in terms of sci-fi speculation. For me, these
possibilities are already apparent. What do we do when confronted
with the situation where we discover the body is obsolete? We have to
start thinking of strategies for redesigning the body.[…]»
(Atzori, Paolo and Woolford, Kirk. 1995)
Tonotopische Karte ihres auditiven Kortex
Der aktuelle Wissensstand besagt, dass der auditive Kortex die
gehörten Schallwellen nach Frequenzen analysiert und diese in
elektrische Ströme umwandelt. Als Nächstes soll untersucht werden, wie andere Klangmerkmale vom Hirn verarbeitet werden:
«The auditory system receives input from the organ of Corti in
the inner ear. Hair cells are laid out along the length of the basilar
membrane, spiralling along the windings of the cochlea. The nerve
fibres that synapse with the hair cells retain this essentially one- dimensional cochleotopic organisation, all the way up to the auditory
cortex. Because the mechanical properties of the basilar membrane
gradually change along its length, hair cells are tuned to progressively higher frequencies when traversing the cochlea from its apex to its
base. Thus, the inner ear acts as a sound frequency analyser, and sound
information is transmitted centrally along numerous frequency channels in parallel […]. Due to this frequency-place code, cochleotopy is
more commonly referred to as tonotopy […] in the neuroimaging literature. The ability to determine tonotopic maps not only serves to gain
insight in the functional organisation of the auditory system regarding
frequency processing, which may be argued to be one of the most basic
functions it performs. Besides that, it provides a tool to parcellate the
central auditory system into meaningful subdivisions of which the distinct properties can be studied with regard to acoustic features other
than frequency, as well as non-acoustic factors like attention. Multiple tonotopic progressions can be found in various subdivisions of the
auditory nuclei in the brainstem, midbrain, and thalamus, and in the
auditory cortex of the cerebrum […]. Currently, frequency is the only
acoustic parameter that is unequivocally held to be topographically
mapped, although other parameters like sound intensity […], tuning
bandwidth […], and modulation rate[…] have been suggested to form
complementary maps.»
(Saenz, Melissa, and Dave R.M. Langers. 2014)
Von unnützem Wissen und Erinnerungen gesäubert
SOUND
Simon Grab & Patricia Bosshard, <Marteau>, <Ambiencore>
Während in der Psychiatrie im Bereich der gezielten Gedächtnislöschung die medikamentöse Behandlung untersucht wird, prüfen Forscher im Bereich der Biotechnologie mittels Experimenten
an Mäusen, wie die Löschung von bestimmten Neuronen Angstzustände eliminieren kann.
«Research focused on gaining a better understanding of what
memories are has been going on for many years, in this way so has
research in memory erasure. The basis for the recent history for memory erasure has been focused on determining how the brain actively
keeps memories stored and retrieves them. There have been several
instances where researchers found drugs that when applied to certain
areas of the brain, usually the amygdala, have relative success in being
able to erase some memories. As early as 2009 researchers were able
to trace and destroy neurons involved in supporting the specific type of
memory that they were trying to erase. This caused the erasure of the
target memory.» (Wikipedia, 2015)
Kritische Stimmen hinterfragen die Stossrichtung der Hirnforschung:
«While getting rid of horrible memories sounds great, the research needed to fine-tune this process may require subjects to risk the
loss or alteration of other, wanted memories. How much risk should
these research subjects be allowed to take? The answer must take into
account the dangers not only to their health but also to their sense of
personal identity and selfhood.» (MIT Technology Review, 2013)
Die Argumentation der Forschungsindustrie ist meist die
Genesung von kranken Menschen. Hirnschäden sollen sollen
repariert werden, Parkinsonpatienten erhalten ein Stimulationsimplantat, Kriegstraumata sollen durch gezielte Erinnerungslöschung eliminiert werden. Da stellt sich schon die Frage, wie wir
denn menschliches Leben definieren, oder anders gefragt, wer
denn diese Definition vornimmt. Welche Hirnbereiche gehören
zum «ICH», und welche Modifikationen lassen wir zu? Patricia
Scripko, Neurologin und Bioethikerin meint dazu:
«I believe that what is specifically human is held within the higher cortex. If you modify that, then you are not the same human and you
should question whether it is ethical.» (New Scientist. 2015)
Alle nicht-musikalischen Referenzen sowie alle nicht-auditiven
Sinne werden eliminiert
Im Artikel «Pruning of memories by context-based prediction
error» wird die Wichtigkeit des Vergessens betont. Das Vergessen
dient der optimalen Fokussierung auf das Wesentliche.
«Forgetting is often considered to be bad, but selective forgetting
of unreliable information can have the positive side effect of reducing
mental clutter, thereby making it easier to access our most important
memories. Prior studies of forgetting have focused on passive mechanisms (decay, interference) or on effortful inhibition by cognitive
control. Here we report the discovery of an active mechanism for
forgetting that weakens memories selectively and without burdening
the conscious mind. Specifically, we show that the brain automatically generates predictions about which items should appear in familiar
contexts; if these items fail to appear, their memories are weakened.
This process is adaptive, because such memories may have been encoded incorrectly or may represent unstable aspects of the world.
9
[…] The capacity of long-term memory is thought to be virtually
unlimited. However, our memory bank may need to be pruned regularly to ensure that the information most important for behavior can
be stored and accessed efficiently. Using functional magnetic resonance imaging of the human brain, we report the discovery of a context-based mechanism for determining which memories to prune. Specifically, when a previously experienced context is reencountered, the
brain automatically generates predictions about which items should
appear in that context. If an item fails to appear when strongly expected, its representation in memory is weakened, and it is more likely to
be forgotten. We find robust support for this mechanism using multivariate pattern classification and pattern similarity analyses. The
results are explained by a model in which context-based predictions
activate item representations just enough for them to be weakened
during a misprediction. These findings reveal an ongoing and adaptive
process for pruning unreliable memories.»
(Kim et al. 2014)
psychologischer Konflikte sind nicht auszuschliessen
Auch hier nochmals der Verweis auf die ethische Dimension bezüglich der geplanten Kopftransplantation im Jahr 2017 von Canavero. Dr. Hunt Batjer, gewählter Präsident der ‹American Association for Neurological Surgeons› meint:
«I would not allow anyone to do it to me as there are a lot of
things worse than death.»
Im Artikel des Journals ScieneAlert, in dem Batier zitiert
wird, steht weiter:
«From speaking to several medical experts, Hootan has pin-pointed a problem that even the most perfectly performed head transplant
procedure cannot mitigate – we have literally no idea what this will
do to Spiridonov’s mind. There’s no telling what the transplant - and
all the new connections and foreign chemicals that his head and brain
will have to suddenly deal with - will do to Spiridonov’s psyche, but
as Hootan puts it rather chillingly, it ‹could result in a hitherto never
experienced level and quality of insanity›.» (ScienceAlert. 2015)
«This is your last chance. After this, there is no turning back»
Dieses Zitat aus dem Film Matrix (1999) darf natürlich nicht fehlen. Die Figur Neo kann sich entscheiden, von nun an im «anderen, dem realen, Zustand zu leben». Wie geht die Ethik mit dem
Fall um, in dem der Betroffene selber die Entscheidung für diesen
Eingriff trifft? Die Diskussion im Themenfeld zder Beihilfe zum
gewollten Suizid, ist bekannt. Wer selber mit dem freien Willen
entscheiden kann, darf sich beim Suizid helfen lassen. Aber wie
DIE MASCHINE
Ihr Hirn wird nun optimiert und für die Trennung vorbereitet.
Bitte entspannen sie sich.
DIE MASCHINE
Biochemische Behandlung.
Bitte entspannen sie sich.
MEDIA
Plötzliche Innenperspektive, der gesamte Sound wird gefiltert, die
Höhen abgeschnitten. Ferne Stimmen von aussen.
DIE MASCHINE
Es folgt nun die Löschung nicht benötigter Daten.
Erinnerungsmodus deaktivieren.
SOUND
Stille.
DAS HIRN
(Kurzer Perspektivenwechsel. Im Jetzt.)
Ich hab keine Erinnerung mehr an das, was war, als ich einen Körper hatte. Ich habe aber noch eine musikalische Erinnerung vom
dem Zeitpunkt an, wo..., ich...
SOUND
Stille.
DIE MASCHINE
Hirnextraktion einleiten
10
SOUND
Simon Grab & Patricia Bosshard, <Paquets>, <Piano>, <rythmique>
Bunte Welt der Zimmerpflanzen, <kraenker>
Gewaltig, laut, Fräsen, Noise, Maschinen, MRI Scanner Sounds,
brutal.
DAS HIRN
(Schreien)
ERINNERUNGEN
Der Protagonist erinnert sich an den Moment, als er zum ersten
Mal realisierte, dass er nur noch Hirn war und wie er ohne Erfolg
versucht hat, sich an frühere Zeiten zu erinnern.
Mittlerweile hat er herausgefunden, dass er sich über musikalische Referenzen aus seinem früheren Leben ein paar Puzzlesteine
zusammenstellen kann.
Es ist ein Mäandrieren durch unzählige Soundenvironments, auf
der Suche nach Klängen, die ihn in Erinnerung schwelgen lassen. Er
experimentiert mit den gefundenen musikalischen Fragmenten aus
früheren Zeiten und freut sich über die kurzen Kompositionen, die
ihm eine Ahnung von Vergangenheit geben. Ansonsten gibt es für
das Hirn nur die Gegenwart und die musikalische Zukunft.
gehen wir mit dem Beispiel um, bei dem ein Mensch seinen Kopf
transplantieren will?
Der Künstler Stelarc scheint auch hier eine differenzierte
Antwort zu bieten. Seine Arbeit und Haltung wird von Gary Hall
im Artikel «Para-site» beschrieben:
«To say, as Stelarc does, that technology ‹constructs our human
nature› and that there is no natural, metaphysically and biologically
given human body, is not to suggest that the relation between technology and the human is always and everywhere the same. Different
technologies make possible different ways of conceiving this relation
at different times. Nor is Stelarc’s function to render visible the ‹originary technicity› of the human. This would be to reduce his performances to an endless repetition of a past, and a future, that is always
the same. What Stelarc performs with his investigations into how different developments in technology (robotics, the Internet, virtual reality systems, prosthetics, medical instruments and procedures) alter our
conception of the human and of the human body, is the way in which
technology escapes the control of its inventors to produce unseen and
unforseeable changes and possibilities; and thus a future – for the self,
the human, for the body and for technology – which can be neither
programmed nor predicted.»
Gary Hall (2002)
Ihr Hirn wird nun optimiert
Im Blogartikel «Disconnecting Consciousness from the External
Environment» (discovermagazine.com. 2015) wird von der Studie
‹Disrupting posterior cingulate connectivity disconnects consciousness from the external environment› (Herbert et al. 2014)
berichtet. Bei einem Patienten konnte durch elektrische Impulse
auf gewisse Hirnbereiche eine starke Bewusstseinsveränderung
reproduzierbar eingeleitet werden:
«Guillaume Herbert and colleagues describe the case of a 45 year
old man in whom electrical stimulation of a particular spot in the brain
«induced a dramatic alteration of conscious experience in a highly reproducible manner.[…] The man had brain cancer (a diffuse low-grade
glioma of the posterior left hemisphere). During the surgery to remove
the tumour, Herbert et al stimulated various points on his brain to map
out the areas that were functionally most important. This is a standard
procedure to allow surgeons to know which bits they ought to leave intact, where possible. Most of the stimulations didn’t do much, but there
was a particular point, in the white matter beneath the left posterior
cingulate cortex (PCC), where the electrical pulse caused the patient to
become unresponsive – to ‹zone out›, essentially – for a few seconds.»
In der oben zitierten Studie von Herbert et al wird der Patient, nachdem er wieder bei ‹normalem› Bewusstsein ist, nach seiner Empfindung befragt:
«Quite surprisingly, he described himself retrospectively as in a
dream, outside the operating room, and was able to fleetingly report
his subjective experiences (stimulation 1: «I was as in a dream, there
was a sun»; stimulation 2: I was as in a dream, I was on the beach»;
stimulation 3: «I was as in a dream, I was surrounded by a white landscape». No additional sites in the surrounding anatomical space were
found to elicit this manifestation.[…] However, the simple mention of
the event was associated with a strong emotional discharge, including
crying and tremors, and finally the patient always said: «I don’t remember, I don’t want to remember»[…] Disrupting the subcortical connectivity of the left posterior cingulate cortex (PCC) reliably induced
a breakdown in conscious experience.[…] He reported experiencing
no rumination and no negative thought for almost a month after the
surgery. He described himself in a kind of contemplative state, with
a subjective feeling of absolute happiness and timelessness.» (Herbert
et al. 2014)
Plötzliche Innenperspektive, der gesamte Sound wird gefiltert,
die Höhen abgeschnitten. Ferne Stimmen von aussen
Zitat aus David Lynchs Film «Mulholland Drive». Der Traum wird
zur Wirklichkeit, die subjektive Wahrnehmung nimmt überhand, die Illusion wird Realität. (Lynch, David. Mulholland Drive. 2001. Sample aus Winkie’s Szene: Man behind the wall.) Was
hier akustisch beschrieben wird, soll die subjektive akustische
Wahrnehmung des Protagonisten im Moment der biochemischen
Behandlung zeigen.
«I think we are now at a point when the technical aspects are all
feasible». Dazu schreibt Thomson:
«Now he claims the major hurdles, such as fusing the spinal cord
and preventing the body’s immune system from rejecting the head, are
surmountable, and the surgery could be ready as early as 2017. [...]
It involves cooling the recipient’s head and the donor body to extend
the time their cells can survive without oxygen. The tissue around
the neck is dissected and the major blood vessels are linked using tiny
tubes, before the spinal cords of each person are cut. Cleanly severing
the cords is key, says Canavero. […] The recipient’s head is then moved
onto the donor body and the two ends of the spinal cord – which resemble two densely packed bundles of spaghetti – are fused together.
To achieve this, Canavero intends to flush the area with a chemical
called polyethylene glycol, and follow up with several hours of injections of the same stuff. Just like hot water makes dry spaghetti stick
together, polyethylene glycol encourages the fat in cell membranes to
mesh. [...] Canavero intends to use brain-dead organ donors to test the
technique.» (New Scientist. 2015)
Kopftransplantationen wurden schon an Mäusen (Ren, X.-P
et al. 2014) und Affen ausprobiert:
«In 1970, the head of one monkey was placed onto the body of
another at the Case Western Reserve University School of Medicine
in the US. While scientists weren’t able to fuse the spinal cords, which
means the monkey recipient couldn’t move its new head, it was able to
achieve assisted breathing, but it died in a mere nine days following the
procedure.» (ScienceAlert.com. 2015)
Gewaltig, laut, Fräsen, Noise, Maschinen, MRI Scanner Sounds,
brutal.
Neben eigenem Sounddesign und Ausschnitten aus dem Release
«MRI» (Grab / Bosshard, 2010), verwende ich hier wiederum ein
Sample aus dem Film Mulholland Drive von David Lynch, und
zwar aus der grossartigen Szene ‹Club Silencio›, in der am Ende
der Bühnendarbietung die Protagonistin stark zu zittern beginnt.
«It’s all an illusion» sagt der Mann auf der Bühne und verschwindet wie ein Magier im Rauch. (Lynch, David. Mulholland Drive.
2001) Ich lasse damit die Interpretation offen, ob sich diese Hirnextraktion tatsächlich abspielt, oder ob das nur eine Vorstellung
des Protagonisten ist.
In die Tonmischung kommt ein weiteres, denkwürdiges
Sample aus meiner musikalischen Experimentierphase Mitte
der 90er Jahre hinzu. Damals produzierte ich zusammen mit
Claus Reuschenbach unter dem Pseudonym ‹Die Bunte Welt der
Zimmerpflanzen› Radiosendungen im Sendungsformat ‹SO21
Kunstradio› bei Radio LoRa Zürich. Das Sample entstammt einer
Aufnahme mit dem Titel ‹kraenker› (als Weiterführung der vorherigen Sendung, die unter dem Titel ‹krank› lief). Wir befassten
uns mit unseren eigenen Hörgewohnheiten und setzten Lärm als
musikalisches Element ein. Stundenlange Endlosschleifen von
kurzen Melodiefragmenten wurden in Livesendungen manipuliert, zerhackt, verzerrt. Von ZuhörerInnen wurde diese Musik
als ‹dem Wahnsinn nahe› beschrieben, weshalb ich diesen Sample
gerne hier wieder verwende.
Schreien
Zusätzlich zum Schreien des Protagonisten wird noch ein weiteres Schrei-Sample eingesetzt, der sogenannte Wilhelm Schrei:
«The Wilhelm scream is a film and television stock sound effect
that has been used in more than 300 movies, beginning in 1951 for the
film «Distant Drums». The scream is often used when someone is shot,
falls from a great height, or is thrown from an explosion. Most likely
voiced by actor and singer Sheb Wooley, the sound is named after Private Wilhelm, a character in «The Charge at Feather River», a 1953
western in which the character gets shot with an arrow. This was its
first use from the Warner Bros. stock sound library, although «The
Charge at Feather River» is believed to have been the third movie to
use the effect. The effect gained new popularity (its use often becoming
an in-joke) after it was used in «Star Wars», the «Indiana Jones» series,
Disney cartoons and many other blockbuster films as well as many
television programs, video games, and podcasts.» Wikipedia. 2015
Dass er sich über musikalische Referenzen aus seinem früheren
Leben ein paar Puzzlesteine zusammenstellen kann.
Hirnextraktion einleiten
Welche psychologischen Konsequenzen könnte diese Operation
haben?
Die Ankündigung, dass demnächst eine Kopftransplantation stattfinden soll, provozierte einige interessante Reaktionen.
Helen Thomson schreibt im Artikel «6 things you’re dying to ask
about head transplants»:
«Some people who have received face or limb transplants mourn
the loss of their old body part or feel that their self image is conflicted.
Studies show that inputs from our body, such as a heartbeat or rumbling stomach, can influence our will power, emotions and language.
Who knows whether the person who comes out of the operating room
would be the same as the one who went in.» (New Scientist. 2015)
In einem weiteren Artikel zitiert sie Sergio Canavero, der die
Kopftransplantation durchführen will, wie folgt:
Kann Erinnerung überhaupt gelöscht werden? Oder wird Erinnerung auf jeden Fall irgendwo im Hirn eingeschrieben und als
nicht mehr benötigte Information deaktiviert? Die US-amerikanische Militärorganisation DARPA (Defense Advanced Research
Projects Agency) forscht intensiv zum Thema Erinnerung. Das als
«Restoring Active Memory Replay» oder «RAM Replay» betitelte
Programm hat zum Ziel herauszufinden, wie das Hirn Erinnerungen speichert und wiederherstellt. Gemäss DARPA geht es um die
eigenen Soldaten, die von erlebten Situationen möglichst präzise
berichten müssen. Die Forschungsresultate sollen dazu verhelfen,
neue Kenntnisse zu erlangen, wie das Erinnerungsvermögen verbessert werden kann.
Auf der DARPA Webseite wird das Vorhaben beschrieben:
«A new DARPA program aims to investigate the role of neural
‹replay› in the formation and recall of memory, with the goal of help-
DAS HIRN
Dg dg dg dg dg... dig idig idig
Ja... Es ist nicht das Knistern eines, eines, ... Feuers, sondern eines
.... Jetzt hab ich schon zwei Erinnerungen... Ich hab die Erinnerung.... Ältere, jüngere, Kinder und Eltern... Zwischendurch macht
es bchhhhchchchchch... Dg dg dg dg dg... Nehmen wir mal an, es
würde mir etwas in den Sinn kommen, wie zum Beispiel... Darüber
nachzudenken, dass ich einen Anfang hätte.... Schlaginstrumente,
die verschiedene Tonarten von sich geben, verschiedene Klänge,
... Es ist ein helles Geräusch, ... Jemand schlägt mit einem Gegenstand auf einen anderen Gegenstand und... Er ruft etwas, es ist
eine hohe Stimme, es könnte... Junge Frau schreit, im Hintergrund
läuft ein Lied, ... Und sie singt dazu als wärs ne’ Art Karaoke, ziemlich hoch, ... Es stimmt nicht mit der Harmonie überein, aber hat so
ne’ ganz eigene Harmonie, ein ganz eigener Rhythmus, ihre Stimme
ist nicht wirklich ausgebildet, so klingt es, aber sie hat eine grosse
Freude, und jetzt geht ihr die Luft aus.
(Singt) somebody somebody... Aahh das ist doch, das, wart mal,
da ist Wasser, Sand, es rauscht, Meer, Sonne, da sind verschiedene Körper, Menschen, und im Hintergrund läuft (singt) somebody
somebody tsch tsch tsch tsch tsch tschschsch... Ausgelassen...
Sehr freie Stimmung, (lacht) und jetzt höre ich einen dumpfes
(singt) daang... Dangdang... .aber das ist nicht der, das ist nicht das
Ganze, ... aber es ist eine düstere Stimmung... Dang dangdang...
deng deng dengdeng, ... Genau das ist es... Ding deng dang dang
dung dang... (Atmet tief durch)... (Singt) Help, I want somebody
help, I need somebody help, ... (Lacht) jaaa, Help, di diii dii dii dii
di... Das ist doch, das sind doch, das war doch... Das ist doch, das
sind doch, ... Das ist doch die Musik von...den den den, von diesen
diesen diesen, aaahh...
RADIO – DIE
KREATIVEN
ing individuals better remember specific episodic events and learned
skills. The 24-month fundamental research program, Restoring Active
Memory Replay or RAM Replay, is designed to develop novel and rigorous computational methods to help investigators determine not only
which brain components matter in memory formation and recall but
also how much they matter. To ensure real-world relevance, those assessments will be validated through performance on DoD [Department
of Defense]-relevant tasks instead of conventional computer-based behavioral paradigms commonly used to assess memory in laboratory
settings. New knowledge and paradigms for memory assessment and
formation could translate into improved rehabilitation and recovery
for injured warfighters challenged by impaired memory. [...]
Military personnel carry a growing responsibility to recount, report and act upon knowledge gleaned from previous experiences, and
how well those experiences are recalled can make all the difference in
how well these individuals perform in combat and other challenging
situations,» said Dr. Justin Sanchez, DARPA program manager. But
stored memories are not inert, Sanchez noted, and are subject to subtle forces over time. «The timeframe between a given experience and
subsequent reporting or use of the memory can range from hours to
months to years. During this time, physiological, environmental and
behavioral factors can affect the process by which an individual’s representation of the experience is consolidated into memory, potentially
affecting the accessibility and accuracy of the memory and one’s ability to make use of ‹lessons learned› later on.» […]
Human memory is the result of biological processes that culminate in the formation or strengthening of neural connections in the
brain. Multiple mechanisms are involved in memory formation and
recall, including brain networks that govern perception, attention and
emotion. Through a process known as consolidation, representations
of experiences are stored in long-term memory and integrated with
older knowledge and memories.
[...] Of particular interest, there is growing evidence that various
physiological or environmental factors may affect the degree to which
replay strengthens memory circuits—and the accuracy with which
it does so. That suggests the possibility of developing evidence-based
means of harnessing the brain’s own replay system to improve the
strength and fidelity of memory.» (darpa.mil. 2015)
Nun ist die DARPA aber nicht nur an der Wiederherstellung
von Erinnerung interessiert, sondern auch an deren Löschung.
Laut DARPA leiden geschätzte 10 Millionen Menschen, darunter
270’000 Soldaten, unter traumatischen Hirnverletzungen. Sie
unterstützen deshalb mit 70 Mio. Dollar die Entwicklung von
Hirnimplantaten, welche Gefühlsregungen ‹regulieren› können:
«[…] the Defense Advanced Research Projects Agency, or DARPA, awarded two large contracts to Massachusetts General Hospital
and the University of California, San Francisco, to create electrical
brain implants capable of treating seven psychiatric conditions, including addiction, depression, and borderline personality disorder. [...] …
drugs and talk therapy are of limited use, which is why the military
is turning to neurological devices, says Justin Sanchez, manager of the
DARPA program, known as Subnets, for Systems-Based Neurotechnology for Emerging Therapies. [...]
Initial research will be in animals, but DARPA hopes to reach human tests within two or three years.» (technologyreview.com. 2014)
Freut sich über die kurzen Kompositionen, die ihm eine Ahnung
von Vergangenheit geben.
Radiosendung: Ausschnitte aus Interviews: KünstlerInnen erzählen
von ihren kreativen Prozessen, von ihren Vorstellungen und deren
Umsetzung in Kunst. Sie beschreiben ihre subjektive Wahrnehmung,
versuchen das Phänomen <Musik im Kopf> in Worte zu fassen.
Interviewfragmente
SOUND
Braincast Radiojingle
DER RADIOMODERATOR
(Samples aus Interviewfragen. Scratch. Unverständlich)
MEDIA
«But it’s our duty to realise the future with our imagination»
SOUND
Simon Grab, <Hut-Mantel>
SOUND
Pierre Schaeffer, <Solfège de l’objet sonore. Sample>
Musik erlangt erst im Hirn an Bedeutung, indem die Schallwellen
in Bezug gesetzt werden zu Erfahrung und Erwartung, indem
das Hirn das, was es hört, in Verbindung bringt mit dem, was es
vorher gehört hat, und dem, was es wahrscheinlich hören wird.
Als zeitbasierte Kunst hat Musik also im Moment des Hörens oder
Machens immer den Bezug zu Vergangenheit und Zukunft.
«[…] there are always images of past experience and future expectancies exerting influence on what we perceive and imagine at any
given moment.» (Godoy, R. I. et al. 2001).
Der Protagonist macht sich dies zunutze und kann sich über
die Musik seine Vergangenheit erschliessen. So jedenfalls die Behauptung des Autors.
Dg dg dg dg dg... dig idig idig.
1. Anweisung an den Sprecher: Versuche, dich an Geräusche aus
vergangenen Situationen zu erinnern und ahme sie nach. Erschliesse die Situation aus den Geräuschen und erzähle, was aufgrund dieser Geräusche hervorgerufen wird. Lass den Assoziationen freien Lauf und erzähle fortlaufend vom Gedachten. Versuche
dich in einen Zustand zu versetzen, in dem Vergangenheit nicht
vorhanden ist, in dem es nur Gegenwart und Zukunft gibt.
Schlaginstrumente
2. Anweisung an den Sprecher: Reagiere auf die Einspielungen auf
den Kopfhörern. Beschreibe das Gehörte als wäre es deine eigene,
imaginierte Musik. Assoziere dazu mögliche Umgebungen.
Daang... Dangdang..
3. Anweisung an den Sprecher: Stell dir einen Klang vor und stell
ihn in einen Raum. Versuche den Klang in der Vorstellung zu prä-
zisieren bis er für dich rund klingt.
Help, I want somebody help, I need somebody help,
4. Anweisung an den Sprecher: Stell dir einen Popsong vor.
Versetze dich in einen Zustand, in dem du das Lied zwar singen
kannst, es dir aber nicht gelingt, den Song zu kontextualisieren.
Interviewfragmente
Interviewfragen (Leitfaden)
Beschreibung der Klanglichkeit der Musik im Kopf
– Wie würdest du die Klangqualität beschreiben, Im Vergleich
zur ‹äusseren› Musik?
–Klangfarbe?
– Wie breit ist das Frequenzspektrum der imaginierten Musik?
– Ist das Gehörte Mono, Stereo, Surround?
– Ist der Klang gefiltert? Wie?
– Was ist das spezifisch Andere?
Manipulation der imaginierten Musik
– Wie sind deine Möglichkeiten, die imaginierte Musik spontan zu manipulieren?
– Kannst du Soundmanipulationen erfinden und dir mögliche
Resultate vorstellen?
«But it’s our duty to realise the future with our imagination»
Zitat aus dem Film «Bis ans Ende der Welt» (Director’s Cut. 1991)
von Wim Wenders.
Die Figur, Dr. Henry Farber, hat eine Maschine entwickelt,
mit der die visuelle Imagination eines Menschen vom Hirn ausgespielt werden kann. Zudem kann die Maschine die, mit einer
Spezialkamera aufgenommenen Bilder, ins Hirn projizieren.
11
ROLF INGE GODØY
We see ourselves as a continuation of Pierre Schaeffer’s idea [...]
the point of departure of research in music should be the subjective experience. [...]
DER RADIOMODERATOR
(Flüstert) Braincast
RAED YASSIN
I exactly know the sounds I can imagine how they work
ISABEL MUNDRY
[...] ich hör das so wie ich’s hören würde, wenn ich’s dann live höre
[...]
SOUND
Spin of the Protons, <Installation>
CHRISTOPH GRAB
[...] klanglich kein Unterschied, nöd irgendwie low-fi oder beschränkt [...]
BERND SCHURER
[...] wie ein Mikrofon, das eine Kugel ist, so quasi mono im Kopf,
oder kommt von allen Seiten [...]
SOUND
Simon Grab, <synth brutt>
12
PATRICIA BOSSHARD
[...] Ce que j’entends dans la tête est beaucoup plus fin dans la
spatialisation[...] C’est comme si j’avais une grosse boule ronde et
que moi je suis au centre [...]
BERND SCHURER
[...] die gesamte Zeitstruktur komplett zusammenfällt im Kopf, und
damit auch die Raumgeschichte und der Körper [...]
DAVE PHILLIPS
[...] ich chan mich an verschiedene Positionen im Ruum anestelle
und ghöre dänn wie das Zügs interagiert [...]
PATRICIA BOSSHARD
[...] ca peut envahir toute la tête, donc ca change l’espace [...]
SOUND
Simon Grab, <jyi>
JAMES S. ADAMS
[...] I definitely have panning[...] like a doppler effect[...]
Martin Bezzola
[...] ich chan mir e Giige imene trochene Ruum vorstelle, imene
Konzertsaal, imene Badzimmer[...]
BERND SCHURER
[...] sind Begriffe aus der Tontechnik, aus dem Ingenieurwesen
wenig hilfreich[...]
SOUND
Simon Grab, <ach p4>
ROLF INGE GODØY
Rolf Inge Godøy ist der Autor des Buchs ‹Musical Imagery› (2001),
das für mich die wohl wichtigste Literatur für diese Arbeit war.
Die Idee für dieses Buch entstand im Rahmen der ‹International
Conference on Systematic and Comparative Musicology› im Jahr
1999. Das Buch verhandelt das Phänomen der musikalischen Vorstellung aus unterschiedlichen Perspektiven und bietet einen fundierten Überblick zum Thema. (Godøy, R. I. et al. 2001).
Pierre Schaefer’s idea
Godøy spricht im Interview über den Einfluss von Pierre Schaefffers Buch ‹Traité Des Objets Musicaux› (Schaeffer, Pierre. 2002)
auf seine eigene Forschung.
«Pierre Schaeffer hat mit seinem theoretischem Hauptwerk, dem
‹Traité des objets musicaux›, zum ersten Mal ein sprachliches System
entworfen, das es ermöglicht die neuen musikalischen Strukturen
der elektroakustischen Musik zu erfassen und zu kommunizieren. Er
reagierte damit vor allen Dingen auf eine Entwicklung, die er selbst
angestossen hatte: Die ‹musique concrète› erforderte, da sie sich ganz
gezielt rückstandslos von harmonischen Strukturen losgelöst hatte,
zum einen einen neuen theoretischen Unterbau und zum anderen einen
neuen Sprachschatz.
Als begleitendes Material zum Traité veröffentlichte Schaeffer
sein ‹Solfège de l´objet sonore› auf drei Schallplatten. Hier konnte er
durch Experimente mit Klangtransformationen auf Tonband zeigen,
dass es eine überraschende Diskrepanz zwischen der physikalischen
Erscheinung und der wahrgenommenen Qualität von Klängen gibt.
Ausgehend von dieser Feststellung entwickelte er einen Eigenschaftskatalog der Klänge, der sich eben nicht an der physikalischen Erscheinung, sondern direkt am Hören orientierte.» (Wikipedia. 2015)
ISABEL MUNDRY
In der «Tageswoche» wird Isabel Mundry im Zusammenhang mit
ihrem Schaffen als Komponistin zitiert:
«Komponieren ist vermutlich so etwas wie eine Berufung: Ich
gehe als Musik imaginierende Frau durchs Leben. Da ist dauernd etwas los in meinem Kopf. Aber ich pflege das auch, gehe dem nach.
Sonst würde es vielleicht versiegen.» (Tageswoche, 2014)
Die Begabung und das Handwerk dieser Art der Umsetzung
kann krankheitshalber abhanden kommen. Stefanie Stroh zeigt
anhand des Komponisten Maurice Ravel, wie dieses Missverhältnis erlebt werden kann:
«Es kann vorkommen, dass durch Erkrankungen des Gehirns die
Fähigkeit, Musik wahrzunehmen und diese vokal oder instrumental
wiederzugeben, verloren geht. Maurice Ravel konnte nach einer Erkrankung an Amusie im Alter von 58 Jahren fortan nicht mehr seine
musikalische Vorstellung in Notation übersetzen.
Einem Freund gestand er in einem Brief: ‹Ich werde meine
‹Jeanne d’Arc› niemals schreiben; diese Oper ist hier in meinem Kopf;
ich höre sie, aber ich werde sie niemals schreiben. Es ist vorbei; ich
kann meine Musik nicht mehr schreiben.› […] Er äusserte sich verzweifelt: ‹Ich habe noch so viel Musik im Kopf. Ich habe noch nichts
gesagt. Ich habe noch alles zu sagen.›» (Stroh, Stefanie. 2006).
Spin of the Protons, <Installation>
«Spin of the Protons» ist eine Kollaboration zwischen Simon Grab,
Patricia Bosshard (beide Musik) und Nicolas Wintsch (Video).
Das audiovisuelle Stück ‹Installation› wurde an der Ausstellung
«ANATOMIES - DE VÉSALE AU VIRTUEL» gezeigt.
Aus dem Ausstellungskatallog:
«Interactive, contemplative et immersive, l’exposition ANATOMIES propose un voyage au cœur des conceptions et des représentations du corps humain. Vous y découvrirez un florilège d’images,
d’objets et de témoignages entre passé et présent, entre art et science,
entre médecine et société. Une place particulière est faite au médecin
André Vésale (1514–1564), l’un des fondateurs de l’anatomie moderne,
dont nous fêtons le 500e anniversaire. Des ouvrages anciens aux technologies d’imagerie les plus récentes, des préparations anatomiques
aux installations virtuelles, ANATOMIES vous invite à traverser les
multiples miroirs de nos corps intérieurs.« (museedelamain.ch. 2014)
RAED YASSIN
[...] You have kind of utopic sounds for you [...]
SOUND
Simon Grab & Patricia Bosshard, <Step>
RUDOLF EB.ER
[...] Im Kopf herrschen keine physikalischen Gesetze mehr, der
Klang kann eigentlich alles [...]
JÖRG KÖPPL
[...] wänn me jetzt mis Hirni würd aahänke, das würd rächt scheps
töne [...]
JOSÉ I. GARCIA
[...] our brain is like an antenna that is able to take the supraluminic
information [...]
DAVE PHILLIPS
[...] das sind zum Teil Symphonien wo abgönd [...]
DAN SUTER
[...] was isch zersch, d’Vorstellig oder dä Sound? [...]
Es isch eher es Konglomerat us Bewertigä
Für Jörg Köppl ist imaginierte Musik nicht etwas Klingendes oder
Musikalisches. Er spricht von einem «Konglomerat aus Bewertungen».
Nehmen wir den Begriff «Bewertung» als Werteskala von Gefallen und Nicht-Gefallen, sprechen wir von Gefühlen. Das limbische System tritt in Aktion.
Imaginierte Musik scheint bei allen unterschiedlich repräsentiert zu sein und wird individuell bewertet. Stefanie Reinberger schreibt im Artikel «Das musikalische Gehirn» dazu:
«Das limbische System bewertet etwa, ob uns Musik gefällt oder
nicht. So agiert der Gyrus cinguli, wenn eine Melodie als angenehm
empfunden wird. Dissonante, als unangenehm erfahrene Klänge regen
dagegen den Gyrus parahippocampalis an. Auch das Belohnungssystem trägt seinen Teil zum Musikempfinden bei. Es wird – ähnlich
wie beim Sex, Essen oder Drogenkonsum – aktiv und zeichnet für
den einen oder anderen wohligen Schauer verantwortlich. Und das
alles geschieht vor dem Hintergrund persönlicher Vorlieben und Erfahrungen sowie der kulturellen Prägung. Streng genommen ist also
Musik in jedem individuellen Gehirn ein wenig anders repräsentiert.»
(dasgehirn.info. 2012)
Es hät en emotionali Textur druf
BERND SCHURER
[...] ich würde das nicht als eigentliche Musik bezeichnen [...]
JÖRG KÖPPL
[...] es isch eher es Konglomerat us Bewertigä [...]
DAN SUTER
[...] es hät en emotionali Textur druf [...]
JÖRG KÖPPL
[...] das sind wie Farben [...]
SOUND
Simon Grab, <emb subbassloop>
DAN SUTER
[...] sie isch dänn wie iigfärbt durch das wie dich dä Momänt prägt
hät [...]
Dan Suter konstruiert selber Lautsprecher. Um die Klanglichkeit
dieser Lautsprecher zu beschreiben und vergleichen, spricht er
von akustischen Texturen, welche stark von Materialien und dem
akustischen Raum geprägt sind. Im Vergleich dazu gäbe es beim
mentalen Klang zusätzlich eine emotionale Textur.
Marcus Maeder vom Institute for Computer and Sound
Technology ICST Zürich betont in einer Kursausschreibung zum
Thema «Milieux Sonores», wie wichtig es ist, sich bewusst zu sein,
dass wir klangliche Strukturen nicht an sich, sondern als Sinnesund Bedeutungsstrukturen wahrnehmen.
«[…] sie sind durch unsere Perzeption und Kognition geprägt. Wir
klassifizieren laufend und zumeist unbewusst, was wir hören, zum
Beispiel, ob Geräusche auf eine spezifische Art und Weise artikuliert
sind, und welche Referenzen sie in unserer Erinnerung haben. Schaeffer schlägt vor, zu versuchen, diese Prozesse in der Analyse zu artikulieren. Wenn wir also die klangliche Umwelt, ihre klanglichen Milieus
und die Klangobjekte in den Milieus untersuchen, dann wollen wir eine
Morphologie und Typologie der Milieux und Objets Sonores unternehmen: Eine Morphologie, die mehr über die Herkunft und Funktionen
von Klängen aussagen kann, und eine Typologie, die unterschiedliche
Klangkollektionen in Konfrontation zueinander bringt, also die ver13
schiedenen Objets Sonores aufteilt und so sinnvolle Unterscheidungen
zwischen Klangobjekten vornehmen kann.» (Maeder, Marcus. 2013)
Sie isch dänn wie iigfärbt durch das
wie dich dä Momänt prägt hät
JENS BADURA
[...] Wir brauchen irgendeine Art von Trägergemisch [...]
SOUND
Braincast Jingle
RAED YASSIN
[...] sometimes it’s a complete failure [...]
JAMES S. ADAMS
[...] that’s a buffer I put to my imagination [...]
BERND SCHURER
[...] die Möglichkeit einer qualitativen Filterung [...]
SOUND
Simon Grab, <techno>
DAN SUTER
[...] fluberig flaberig, es hät ä so ne Konsistenz, so tönts doch
irgendwie, wie slime sich aafüehlt [...]
BERND SCHURER
[...] die reicht sogar zurück, und in die Zukunft, hmm, naja, wenn du
jetzt weisst was ich [...]
ISABEL MUNDRY
[...] die innere musikalische Vorstellung kann fliegen [...]
Stefanie Reinberger schreibt im Artikel «Das musikalische Gehirn» von den vermuteten Gründen für die emotionale Kopplung
mit Musik:
«Es geht aber um mehr als reines Hörvergnügen. ‹Die Musik
drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist›, sagte einst der französische Schriftsteller Victor
Hugo. Dass Musik eine so emotionale Angelegenheit ist, könnte ganz
in den Ursprüngen der menschlichen Evolution begründet sein, möglicherweise als eine Art vorsprachliche Kommunikation. So vermutet
der Emotionsforscher Jaak Panksepp, Emeritus an der Bowling Green
State University in Ohio, dass frühe Hominiden mit Hilfe melodischer
Rufe in Kontakt zueinander blieben – etwa wenn eine Mutter ausser
Sichtweite ihres Sprösslings nach Nahrung suchte.
Das Gehirn scheint Musik zudem ganz ähnlich zu verarbeiten
wie Sprache – nämlich nach syntaktischen Regeln. Es analysiert
Töne, Intervalle und Akkorde und stellt sie in einen Zusammenhang.
Bereits 2002 erkannte die Neuropsychologin Angela Friederici vom
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in
Leipzig, dass dabei unter anderem das Broca-Areal und der vordere
Teil des Gyrus temporalis superior aktiv sind. Beide sind auch für die
syntaktische Verarbeitung von Sprache von Bedeutung. Und Stefan
Koelsch stellte 2005 fest, dass musikalische Regelverstösse im Denkorgan zu Irritation führen. So machte sich in seinen Experimenten
beispielsweise ein überraschender, als falsch empfundener Schlussakkord durch auffällige Muster im EEG bemerkbar.» (dasgehirn.info.
2012)
DAS MITTAGESSEN
DAS HIRN
Ob ich, gegessen habe?... Was ob ich den Geruch von Älplermakkaroni...? Ob ich mir darunter etwas vorstellen kann? Oder ein
gebratenes Hähnchen?... Was? Gin Tonic?...
Die Pflegerin kommt wie versprochen am Mittag vorbei. Sie prüft
die Maschine, und massiert das Hirn, damit es Körperlichkeit erfahren kann. Sie fragt das Hirn nach dessen Empfinden. Durch die
Massage geraten im Hirn einige Dinge durcheinander. Die Pflegerin
isst ihren Lunch und spricht zum Hirn über Essen und Gerüche. Sie
liest ihm aus Dürrenmatt’s <Das Hirn> vor.
DIE PFLEGERIN
Je vous ai apporter quelque chose, c’est de la nourriture pour le
cerveau, semblable à vous quoi.
SOUND
Türe öffnen.
DAS HIRN
Über einen... Über einen wie mich? ... Interessant.
SOUND
Simon Grab & Patricia Bosshard, <MRI. Soundlibrary>
Tonaufnahme eines MRI Scanners als Maschinengeräusch.
SOUND
Simon Grab, <Dronemix>
PFLEGERIN
Alors monsieur Musique-au-Cerveau. Tout est claire dans la tête?
DAS HIRN
Ja schh sss das ist aber eine grosse,... Wieder einmal unangekündigt in meine Gedanken hineinplatzen, aber trotzdem, mh.
14
DIE PFLEGERIN
Avez-vous deja mangé? Moi j’ai des pates suisses. Sentez-vous juste quelque chose?... Je veux dire: est-ce que à partir des odeurs
pouvez-vous vous imaginer quelque chose, le poulet? Gin Tonic?
Pour fêter la journée! La journée philosophique.
PFLEGERIN
(Prüft die Maschine, betätigt Schalter) Alors ah, ah, oui, ca fait
un petit...digilig tang tig, digilig tang tig... Oui oui, comme si.. Oui.
Un tout petit peu, c’est pas si...bon ca donne quelque chose. Le
son, du bruitage, de la musique, mais quelque chose pas si grand,
mais un tout petit peu... Ca vient du cerveau... Peut-être...ou de la
machine.
DAS HIRN
Kannst du mir sagen, ist das, ... Ist das meine Musik, sind das
meine Klänge die wir hier hören, von der Maschine? Ha, Ist ja noch
interessant. Ich meine dieses dgddgdg giiii diese... diese einfache,
ja doch ziemlich einfache Struktur von dieser, von diesem Klangteppich. Ich meine, kommt das aus meinem...? Woher kommt denn
das? Ist das alles?
MASCHINE
Ein etwas zufällig klingender Melodieverlauf, immer um eine Note
kreisend. Synthetischer Klang.
PFLEGERIN
(Massiert das Hirn, spricht zu ihm)
Voulez-vous une relaxation, un petit massage? ...Comme ceci, le
sentez-vous? ...Là je pense, ...Oui? Je suis tout prêt du coeur. ...Ca
fait du bien? Est-ce que vous sentez aussi les touchers? ...Mes
mains. ...Ca va jusqu’au fin fond là. La sensation, ...c’est comment
d’être touché? Le toucher ca vous dit aussi quelque chose, non, je
pense? .. Sentir sur soi a l’intérieure... je ne sais pas.. chez vous...
SOUND
Simon Grab, <Some waht>
DIE PFLEGERIN
(Liest aus Dürrenmatt, <das Hirn>)
Es trennt die Zahlen von den Impulsen und erfühlt die Rhythmen,
diese kumulieren in einem wilden Trommelkonzert, zuerst von der
Furcht vor der Angst gepeitscht und darauf von der Neugier angetrieben, etwas Neues zu machen, erfühlt es aus den Rhythmen die
Töne, ohne sie zu hören, die Quinten, die Oktaven, die Tonarten, die
Musik, es denkt sie, ohne dass es weiss, dass es denkt, denn es ist
ohne Sprache, so dass es nicht wissen kann, dass es denkt, wenn
es komponiert, es fühlt nur einen Rausch von erfühlten Tönen,
wohinein es eine Ordnung fühlt und ein erstes Gefühl von Freude,
eine Ordnung geschaffen zu haben – war doch eine unendliche Zahlenreihe noch keine Ordnung – und so taumelt denn das Hirn in der
unermesslichen Zeit, die ihm zu Verfügung steht, von der tonalen in
die atonale Musik, komponiert, ohne zu hören, was es komponiert,
doch wie es innehält, fällt es in die Angst zurück, ein Absturz in die
Hölle, die Angst ist immer da, nur wenn es gegen die Angst etwas
denkt, ist sie zu ertragen. Doch zum Gefühl der Angst vor dem
Nichts, kommt etwas Neues.
DAS HIRN
(Mag sich an den Text erinnern, spricht mit)
Ein etwas zufällig klingender Melodieverlauf
Diese Klänge stammen aus einem Sonifikationsversuch von Parvizi und Chafe der Stanford University. Über EEG werden die
Hirnaktivitäten mit mehr als 100 Elektroden gemessen und sonifiziert. Sie fanden heraus, dass im Moment eines Schlaganfalls von
Patienten ein deutlich hörbarer Unterschied erklang, was sich im
Gegensatz dazu visuell nicht bestätigen liess. Bjorn Carey schreibt
dazu im Stanford Report:
«Stanford scientists build a ‹brain stethoscope› to turn seizures
into music: When Chris Chafe and Josef Parvizi began transforming
recordings of brain activity into music, they did so with artistic aspirations. The professors soon realized, though, that the work could lead to
a powerful biofeedback tool for identifying brain patterns associated
with seizures. […] The EEGs Parvizi conducts register brain activity
from more than 100 electrodes placed inside the brain; Chafe selects
certain electrode/neuron pairings and allows them to modulate notes
sung by a female singer. As the electrode captures increased activity, it
changes the pitch and inflection of the singer’s voice.
Before the seizure begins – during the so-called pre-ictal stage –
the peeps and pops from each ‹singer› almost synchronize and fall into
a clear rhythm, as if they’re following a conductor, Chafe said.
In the moments leading up to the seizure event, though, each of
the singers begins to improvise. The notes become progressively louder
and more scattered, as the full seizure event occurs (the ictal state).
The way Chafe has orchestrated his singers, one can hear the electrical
storm originate on one side of the brain and eventually cross over into
the other hemisphere, creating a sort of sing-off between the two sides
of the brain.
After about 30 seconds of full-on chaos, the singers begin to calm,
trailing off into their post-ictal rhythm. Occasionally, one or two will
pipe up erratically, but on the whole, the choir sounds extremely fatigued.» (Carey, Bjorn. 2013)
Voulez-vous une relaxation, un petit massage?
Ironischerweise reagiert ein Hirn, soweit die Wissenschaft dies
nachprüfen kann, nicht auf äussere physische Einflüsse, obwohl
die Wissenschaft ein emotionales und ein motorisches Zentrum
im Hirn verorten kann. Es hat anscheinend kein Körpergefühl.
Der Neurowissenschafter Dan Levitin (Autor von ‹This is your
brain on music›) erzählt dem Musiker David Byrne im Gespräch
über ein Experiment, in dem nachgewiesen wurde, dass das Hirn
von Affen nicht auf Nadelstiche reagiert (Open Culture, 2007).
Est-ce que à partir des odeurs pouvez-vous vous imaginer
quelque chose?
Im Interview mit dem Aromatiker Willi Grab, meinem Vater, frage
ich ihn nach der mentalen Vorstellung von Geruch. Er beschreibt
die vorgestellte Geruchswahrnehmung als vergleichbar mit der
äusseren Wahrnehmung über die Nase. Er kann dabei die Gerüche isoliert wahrnehmen, im Kopf analysieren und in ihre Grundbestandteile zerlegen. Aromatiker haben etwa 3000 Rohstoffe,
die sie kennen, bestehend aus Molekülen und ätherischen Ölen,
was Willi Grab als aktives Vokabular bezeichnet. Hinzu kommen
etwa 10-20’000 Forschungchemikalien, die er zwar mal durchgerochen hat, diese aber nicht mehr aktiv hervorrufen kann. Diese
Forschungchemikalien wurden in Form von präzisen Beschreibungen in einer Datenbank abgelegt. Beim Durchlesen kann Willi
Grab die Gerüche in der Vorstellung hervorrufen. Die Kombination von Rohstoffen, oder die Syntax, um die Sprachanalogie nochmals zu benutzen, lässt sich auch mental durchführen.
Wie bei der Musik sind auch die Gerüche stark an Emotionen
gekoppelt. Er beschreibt, ähnlich wie Dan Suter im Interview,
eine Art unbewusste emotionale Textur, die wiederum andere Assoziationen hervorrufen. So sieht er Parallelen zwischen Musik,
Malerei, und Aromen, und bezeichnet gerade wegen dieser emotionalen Kopplung diese Bereiche als hochkomplex.
Es denkt sie, ohne dass es weiss, dass es denkt, denn es ist ohne
Sprache, so dass es nicht wissen kann, dass es denkt, wenn es
komponiert
Die Pflegerin weiss nicht, ob das Hirn nur noch eine von Gefühlen getriebene Kompositionsmaschine ist, oder ob vor ihr nur ein
Stück menschliches Fleisch ohne Bewusstsein steht. Sie geht davon aus, dass Körperlichkeit weiterhin eine wichtige Rolle spielt,
und dass auch, wenn das Hirn vielleicht keine Sprache mehr versteht, es trotzdem eine gewisse Empathie spüren kann. Die Sprecherin Carine Kapinga hat selber als Pflegerin in Altersheimen gearbeitet. Sie kennt den Umgang mit Demenz-Patienten, kennt das
Gefühl von regungslosen Menschen, die Zuwendung benötigen,
denen die Worte vielleicht gut tun. Vielleicht.
Ob ein Mensch noch ein Bewusstsein hat, wird bei Wachkoma-Patienten studiert. Der Neurowissenschaftler Adrian Owen
von der Western Ontario University in Kanada, kam aufgrund
von Hirnaktivitäten bei Patienten zum Schluss, dass sie noch bei
Bewusstsein waren. Der Neuropsychiater Georg Northoff aus
Ottawa kritisiert Owen. Im Beschrieb zur Radiosendung «Wachkoma – Prognose fürs Erwachen» wird Nothoffs Kritik dargelegt
und seine weiterführende Studie beschrieben:
BEWUSSTSEIN
Das Hirn beginnt zu zweifeln, ob es vielleicht doch nicht nur Hirn
ist, oder ob es vielleicht gar nicht existiert. Und wenn doch, was
denn diese Hirnexistenz bedeutet, ohne Körper, ohne Gegenüber,
angeschlossen an einer Maschine.
SOUND
Simon Grab, <Marimbula livemix 2>
SOUND
Dazu gemischt: Alvin Lucier, Strawberry Fields
DAS HIRN
Bin ich mir meiner selbst bewusst?
Die Erfahrung von Körperlichkeit ohne Körper. Bin ich tatsächlich
nur noch Hirn? Was wäre.. Bin ich auf Drogen? Bin ich krank? Wie
kann ich mir beweisen, dass ich die Existenz bin, die ich denke zu
sein? … Aber wenn ich denke, dann bin ich doch. Ich bin etwas sobald ich irgendwie was … Bin ich tatsächlich nur Hirn? Oder stelle
ich mir das nur vor? Ist mein Körper, mein Hirnkörper noch intakt?
... Bin ich eine Metapher? Bin ich tatsächlich nur Gehirn?...Bin ich
reine Vorstellung? ... Bin ich nur Hirn? Oder stelle ich mir das nur
vor?... Ich, kann ich sagen ich? ... Bin ich noch intakt?... Weil du,
das geht doch gar nicht ... Kann ich mich noch vorstellen?... Wenn
ich ich sage, dann musst du du sagen, und ich muss ne Beziehung
haben zu dir, aber, ... Was ist denn hier Sache?
«Der Neuropsychiater Georg Northoff von der kanadischen Universität in Ottawa zweifelt allerdings daran, ob sich mit Owens Methode allein Bewusstsein sicher nachweisen lässt. Denn es gibt Prozesse
im Gehirn, die automatisch, also ohne Bewusstsein ablaufen.
‹Herr Owen setzt voraus, dass die Prozessierung des Stimulus Bewusstsein voraussetzt. Es kann aber auch sein, dass das ein rein physikalischer Vorgang ist. Die sehen das Bild und das aktiviert einfach im
Gehirn gewisse Strukturen, und das heisst, sie sehen zunächst einmal
nur neuronale Aktivität. Daraus können Sie aber keinerlei Schlüsse
auf irgendwelche Bewusstseinsaktivität ziehen.› Northoff führte daher mehrere Studien durch, in denen er nicht nur testete, ob das Gehirn
von elf Wachkomapatienten überhaupt auf äussere Reize reagiert.
Er prüfte zusätzlich, ob deren Gehirn noch auf selbstbezogene Reize
reagiert, die direkter mit Bewusstsein verbunden sind als die Bewegungen eines Tennisspiels. Das Netzwerk für solche selbstbezogenen
Reize lässt sich im Gehirn klar von den Netzwerken für sonstige
Reizverarbeitung unterscheiden. Northoffs Team befragte die Angehörigen der Patienten nach Dingen, die für diese persönlich wichtig
waren. Dann stellten die Forscher ihnen im Hirnscanner Fragen wie:
‹Waren Sie im Urlaub schon in Mallorca?› ‹Lieben Sie Hitchcock?› oder
‹Ist Ralf Ihr Name?› Sie verglichen die Reaktionen mit denen auf neutrale Reize. Das Ergebnis: ‹Wir haben bei diesen Patienten gefunden,
dass die doch eine gewisse neuronale Aktivierung zeigen. Das heisst,
die zeigen einen Unterschied, wenn sie ihren eigenen Namen hören im
Vergleich zu einem anderen Namen. Je besser sie Selbst und NichtSelbst auseinanderhalten konnten, desto höher der Grad des Bewusstseins.›» (Deutschlandfunk. 2014)
Dazu gemischt: Alvin Lucier, Strawberry Fields
Strawberry Fields, das von Lennon / McCartney komponierte
Stück der Beatles, wird hier in einer stark abgeänderten Form von
Alvin Lucier dargeboten (Lucier, Alvin. 1998). Das Stück erschien
auf der CD «Ghosts and Monsters», herausgegeben vom Leonardo
Music Journal. Im Booklet der CD schreibt Matthias Osterwald
über die Geister und Monster unserer Imagination:
«Ghosts and monsters are products of imagination. Ideas and the
minds that create them throw mighty shadows from the ghostly reign
of the past into a present that they prominently form, while we – in a
paradoxical mix of rapture, fear, powerlessness and self-deception –
commit ourselves to uncontrollable developments that stare at us as
the monsters of the future. Technology plays its role in the process of
civilization both by transforming our relationship towards nature and
by setting rhe framework in which ideas refelct and regulate society
and culture
As we look back on the achievements and catastrophes of the
twentieth century (their comings and goings) - and face both the miracles of extremely fast technological development and the imponderabilities fo the future - it would not be too farfetched to regard present
reality as a great spook ruled by myth and mystification, in which the
ghosts of the past encouter the monsters of the future to which they
are inexorably linked.»
Aus: Leonardo Music Journal. CD Series Volume 8. Ghosts
and Monsters: Technology and Personality in Contemporary Music. CD Booklet Text by Matthias Osterwald, curator. 1998
Bin ich mir meiner selbst bewusst?
Grundlegend für das Szenario des entkoppelten Hirns war immer
auch die Frage nach dem eigenen Bewusstsein des Hirn-Protagonisten. Er soll in diesem Dilemma gefangen sein, soll nicht wissen,
ob er eine Illusion, oder nur noch Hirn ist, ob er sich den eigenen
Zustand als Hirn nur vorstellt, oder ob er Teil der Maschine ist, ob
er ein Konstrukt der Pflegerin ist, oder ob er nur als Metapher sozusagen Mittel zum Zweck ist.
Stanislaw Lem erfand 1964 in «Summa technologiae» den
Begriff der Phantomatik. Markus Skuballa setzte sich in seiner
Seminararbeit an der Universität Suisburg-Essen damit auseinander:
«[…] Mit welchen Mitteln lässt sich eine solche Situation der
phantomatisierten Welt realisieren und wie kann der Phantomatisierte sich in dieser Situation davon überzeugen, dass seine Erlebnisse
lediglich Täuschungen sind? Und ist es überhaupt möglich, in einer
vollkommen phantomatisierten Welt sich der Täuschung bewusst zu
werden?
Die Situation einer phantomatisierten Welt will Lem anhand
einer phantomatischen Maschine realisieren. Diese wird mit dem
Gehirn eines Menschen verkoppelt und schickt eine bestimmte Folge
von Duft-, Tast- und Lichtreizen aus. Die vom Gehirn wiederum erzeugten Reize auf die zugeführten Impulse muss die Maschine ‹im
Bruchteil einer Sekunde an ihre Subsysteme weiterleiten, in denen es
aufgrund der Korrekturwirkung der Rückkoppelungen und aufgrund
der Organisation von Reizströmen durch entsprechend projektierte,
sich selbst organisierende Systeme zu ‹passenden› Reaktionen kommt.
Die Maschine so zu programmieren, dass sie alle möglichen Aktionen
des Phantomatisierten voraussieht, ist nach Lem unmöglich. Die
hauptsächliche Wirkung der Phantomatik als ‹Kunst der Rückkoppelung› beruht darauf, den ehemals passiven Betrachter zum aktiven Teilnehmer zu machen. Das Programm der phantomatischen Maschinen
bildet lediglich den Rahmen für das jeweilige Thema. Durch entspre-
chendes Verhalten des Phantomatisierten werden aus dem ‹Gedächtnisspeicher› der Maschine die jeweils nötigen Fakten plastisch vermittelt. Des Weiteren müssen auch die Gesetze der Schwerkraft,
der Optik usw. genau reproduziert werden. Zusätzlich zu den strikt
deterministischen Zusammenhängen von Ursache und Wirkung muss
die generierte Welt auch Prozessabläufe enthalten, welche eine relative Handlungsfreiheit erlauben, also ‹eine Unabhängigkeit des Redens
und Handelns von Worten und Taten› des Phantomatisierten. Daraus
ergibt sich, dass ‹Miss Universum leichter zu imitieren als Einstein
ist›. Der unmittelbaren Kontrolle der Maschine unterliegen jedoch lediglich die Fakten, welche ins Gehirn gelangen, nicht die im Gehirn
ablaufenden Prozesse. Quantität und Qualität der zum Menschen
gelangenden Informationen sind von der phantomatischen Maschine
abhängig, ausser diesen Informationen erreichen das Gehirn keine
Informationen von aussen. Die Maschine ist zwar alleinige Quelle
von Informationen über die Aussenwelt, aber nicht über die Informationen über den Zustand des Organismus selbst. Durch sie werden nur
die neuralen Mechanismen des Körpers kontrolliert, nicht jedoch die
im Körper ablaufenden biochemischen Vorgänge. Dieses Manko an
der von Lem bisher beschriebenen phantomatischen Maschine liesse
sich in der virtuellen Welt leicht durch z.B. das Treiben von Sport
entlarven. Wenn der Körper keine Ermüdungserscheinungen zeigen
würde, wäre dies ein Zeichen dafür, sich in der künstlichen Welt zu
befinden. Aber auch diese biochemisch-physiologischen Probleme sind
nur eine Frage der technischen Perfektionierung der Maschine. Nach
Lem ist auch die Reizung von Nervenendungen oder die Erhöhung des
Kohlendioxydgehalts der Luft durch eine perfektere phantomatische
Maschine kein Problem.
[...] die Frage nach der Erzeugung von Realitäten, welche, für die
‹in ihnen verweilenden vernünftigen Wesen in keiner Weise von der
normalen Realität unterscheidbar sind, doch anderen Gesetzen unterliegen als diese?› Diese Frage betrifft das Erzeugen von Welten. [...] die
Frage nach der Erzeugung von Illusionen.»
Hierzu bringt Lem folgendes Beispiel. Ein Mensch sitzt auf einer Veranda und beobachtet den Garten vor sich und riecht an einer
Rose, die er in seiner Hand hält. Nun will Lem die Serien von Impulsen, welche durch sämtlichen Nervenbahnen des Menschen laufen,
festhalten. Er schlägt hier eine Aufzeichnung auf eine Art Magnetophonband vor. Um sämtliche Veränderungen festhalten zu können,
welche in den sensorischen Nerven, sprich der peripheren und der
inneren Wahrnehmung, sowie jene in den Hirnnerven auftretenden,
müssen mehrere hunderttausend Aufzeichnungen auf einmal gemacht
werden. Nachdem die Signale gespeichert worden sind, wird der
Mensch in völlige Isolation versetzt. Lem schlägt hier einen dunklen
15
Raum mit einer Wanne mit lauwarmem Wasser vor. Anschliessend
werden an die Augäpfel, in die Ohren, an die Haut usw. des Menschen
in ‹geeigneter Weise› Elektroden angesetzt. Sämtliche Nerven des
Menschen werden mit dem Magnetophonband verbunden und mit den
zuvor aufgezeichneten Impulsen gespeist. Die Schwierigkeit dieses
Verfahrens hängt davon ab, welche Bedeutung die topografische Lokalisation der Reize innerhalb des Nervensystems hat.
Das ‹Aufzeichnen› aller sensorischen Impulse, welche durch Tast, Geruchs-, Gehör-, und Sehnerven an das Gehirn geleitet werden und
das ‹Abspielen› aller aufgezeichneten sensorischen Impulse soll zur
Erzeugung einer virtuellen Welt führen. Für die technische Umsetzung beschreibt Lem ein Beispiel, bei dem für die Aufzeichnung und Abspielen der Impulse des Sehnervs eine Brille – bei Lem als Gegenauge
bezeichnet – benutzt wird. Dieses Gegenauge ist sowohl für die Aufzeichnung als auch für die Wiedergabe der Impulse zuständig.
Das Problem bei dieser Methode ist jedoch, dass die Impulse,
welche in die Nerven eingeführt werden, fixiert und unveränderlich sind. Dies könnte zur Divergenz zwischen gegenwärtigen motorischen Aktivitäten und aufgezeichneten sensorischen Aktivitäten
führen, da die Erlebnisse sich in wahrgenommene und tatsächliche
Aktivität aufspalten würden. Da der Phantomatisierer keinen Einfluss darauf haben kann, was im Inneren des Kopfes oder des Ohres,
als Gleichgewichtsorgan, passiert und die neuronalen Impulse des
Gleichgewichtsorgans auf die Gesamtheit des Allgemeinbefindens bei
verschiedenen Menschen unterschiedlich auswirkt. So stellte sich auch
im Verlauf späterer phantomatischer Experimente heraus, dass es bei
manchen phantomatisierten Menschen während der Durchführung
von virtuellen Situationen eines gewissen Typs zu unangenehmen
Symptomen der Reisekrankheit kam. Ausgelöst wurden diese Symptome, da die Reize, welche aus dem die Sinne des Menschen steuernden
Programm fliessen, mit den Reizen kollidieren, die aus dem Gleichgewichtsorgan kommen.
Die Ursache dieses Problems liegt in der einseitigen Informationsübertragung des angeführten Beispiels. Der so in eine virtuelle
Welt versetzte Mensch ist nur Empfänger nicht aber auch Sender von
Informationen. So beschreibt das vorangegangene Beispiel nach Lem
auch keinen Bereich der Phantomatik.
Die von Lem vorgeschlagene Lösung, des zuvor beschriebenen
Divergenz-Problems, sieht die Schaffung von wechselseitigen Verbindungen zwischen ‹künstlicher Realität› und Empfänger vor. Stanislaw
Lem bezeichnet dies als die ‹Kunst der Rückkoppelung›, ist diese gegeben, kann nach Lem auch von Phantomatik gesprochen werden. Eine
weitere Vorraussetzung um von Phantomatik zu sprechen ist, dass es
aus der generierten fiktiven Welt keine ‹Ausgänge› in die reale Welt
Bin ich eine Metapher?
DIE MASCHINE
(Liest aus Dürrenmatt, <Das Hirn>) Hat es zwar ein immenses
Gedankengebäude errichtet, aber findet in ihm kein echtes Gegenüber, es ist nicht abgetrennt von seinem Denken, sondern seinem
Denken immanent, nur der Spiegel seines Denkens, und so versucht es denn ein von ihm losgelöstes Gegenüber zu denken.
JENS BADURA
[...] Wie können wir uns sicher sein, [...] dass das was wir denken
nicht etwas ist, das uns jemand nur denken lässt, der uns zugleich
denken lässt, dass wir das denken, was wir denken?
DIE PFLEGERIN
Tu veux entendre quelque chose du dehors?
... Je t’ouvre la fenêtre.
SOUND
Fenster auf. Ambiance Wald, Nacht. Forrest Evening... Fenster zu.
JENS BADURA
Dass das, was wir denken, in Handlung und Wirkung sich manifestiert, die erwartbar oder nicht erwartbar sind, und in genau
diesem Zusammenspiel von Erwartung und Nicht-Erwartung, von
Erfahrung, von Entwicklung und so weiter, wir schlussendlich sowas
wie ein Vertrauen darin entwickeln, dass die Annahme, dass wir
denken können und das wir ICH sagen können, eine irgendwie
brauchbare Erwartung ist, ohne dass wir sie als eine Gewissheit
markieren können.
16
RADIO –
DIE KRANKEN
Radiosendung: Von Akustischen Halluzinationen, Ohrwürmern,
Drogenerfahrungen und anderen musikalischen Hirnphänomenen.
Von Schizophrenen, Herzattackierten und anderen Krankheiten.
Interviewfragmente
SOUND
Braincast Jingle
SOUND
SCHIZOPHRENIA AS SOUND: listening to the dynamic brain
Sonification Sounds of schizophrenia
DAN SUTER
[...] häts bi mir im Kopf inne <dehei> gseit [...]
MEDIA
Henry Rollins. <On Ted Nugent and Paul Stanley>.
MIKE HAMERSKI
[...] I have voices in my head [...]
geben darf. Es darf dem Phantomatisierten nicht möglich sein, den
Handlungsbereich selbstständig zu verlassen. [...]» (Skuballa, Markus.
2005)
Bin ich eine Metapher?
«Das Gehirn lässt sich nur in Metaphern darstellen, da es sich allen modernen Untersuchungsverfahren zum Trotz jeglicher eindeutiger Beschreibung vehement entzieht.» (cerebromatik.uni-freiburg.de. 2013)
Hat es zwar ein immenses Gedankengebäude errichtet
Die Maschine reagiert auf die existenziellen Fragen des Hirns, indem sie einen Abschnitt aus Dürrenmatts Hirn vorspricht.
Was geschieht mit unserem Empfinden der Subjektivität,
wenn wir Teile von uns an Maschinen auslagern, wenn Funktionen von technischen Apparaten ausgeführt werden, wenn
wir abhängig sind von denkenden Maschinen? Dass sich unser
Protagonist einverstanden erklärt, sein Hirn vom Restkörper zu
trennen, ist ja zugegebenermassen eine Extremform, damit sich
das Thema Musik im Kopf besser abarbeiten lässt. Im Alltag, in
naher Zukunft, wird ein weiterer Technologieschub uns die Maschine näher an den Körper bringen. Medizinische Implantate
sind heute schon fernsteuerbar, Chips unter der Haut werden als
Bezahlungsmittel geprüft. Biofeedback scheint momentan, 2015,
ein gesellschaftliches Muss zu werden.
Wir werden auch in ferner Zukunft nicht von Maschinen
und Robotern beherrscht, aber wir werden eigene Funktionen an
Maschinen übergeben.
Slavoj Zizek hat, wie so oft, pointierte Ansichten. In seiner
Kritik an Deleuze «Body without organs», die er unter dem Namen
«Organs without bodies» veröffentlichte, geht er auf das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine ein:
«[...] one should therefore focus on the liberating dimension of this
externalization: the more our capacities are transposed onto external
machines, the more we emerge as ‹pure› subjects, since this emptying
equals the rise of substanceless subjectivity. It is only when we will
be able to fully rely on ‹thinking machines› that we will be confronted
with the void of subjectivity. In March 2002, the media reported that
Kevin Warwick from London became the first cyberman: in a hospital
in Oxford, his neuronal system was directly connected to a computer
network; he is thus the first man to whom data will be fed directly,
bypassing the five senses. THIS is the future: the combination of the
human mind with the compute.[...]
We got another taste of this future in May 2002, when it was reported that scientists at New York University had attached a computer
chip able to receive signals directly to a rat’s brain, so that one can
control the rat (determine the direction in which it will run) by means
of a steering mechanism (in the same way one runs a remote-controlled toy car). This is not the first case of the direct link between the
human brain and a computer network: there already are such links
which enable blind people to get elementary visual information about
their surroundings directly fed into their brain, bypassing the apparatus of visual perception (eyes, etc.). What is new in the case of the
rat is that, for the first time, the ‹will› of a living animal agent, its
‹spontaneous› decisions about the movements it will make, are taken
over by an external machine. Of course, the big philosophical question
here is: how did the unfortunate rat ‹experience› its movement which
was effectively decided from outside? Did it continue to ‹experience› it
as something spontaneous (i.e., was it totally unaware that its movements are steered?), or was it aware that ‹something is wrong,› that
another external power is deciding its movements? Even more crucial
is to apply the same reasoning to an identical experiment performed
with humans (which, ethical questions notwithstanding, shouldn’t be
much more complicated, technically speaking, than in the case of the
rat). In the case of the rat, one can argue that one should not apply to
it the human category of ‹experience,› while, in the case of a human
being, one should ask this question. So, again, will a steered human being continue to ‹experience› his movements as something spontaneous?
Will he remain totally unaware that his movements are steered, or
will he become aware that ‹something is wrong,› that another external
power is deciding his movements? And, how, precisely, will this ‹external power› appear - as something ‹inside me,› an unstoppable inner
drive, or as a simple external coercion? [...]
And, the crucial thing one has to bear in mind here is that this
uncanny experience of the human mind directly integrated into a machine is not the vision of a future or of something new, but the insight
into something which is always-already going on, which was here
from the very beginning, since it is co- substantial with the symbolic
order. What changes is that, confroted with the direct materialization
of the machine, its direct integration into the neuronal network, one
can no longer sustain the illusion of the autonomy of personhood. It is
well-known that the patients who need dialysis at first experience a
shattering feeling of helplessness: it is difficult to accept the fact that
one’s very survival hinges on the mechanical device that I see out there
in front of me. Yet, the same goes for all of us: to put it in somewhat
exaggerated terms, we are all in the need of a mental- symbolic apparatus of dialysis.» (lacan.com. 2015)
Interviewfragmente
Interviewfragen (Leitfaden)
– auditive Halluzinationen
–Drogenerfahrungen
–Tinnitus
– auditive Träume
Schizophrenia as sound
Dan Lloyd, Professor für Philosophie und Member of the Neuroscience Program am Trinity College (Connecticut) arbeitet schon
längere Zeit an der Sonifikation von Hirnströmen. Im Klangbeispiel werden die Hirnaktivitäten eines Schizophrenen Patienten
sonifiziert und mit solchen von «gesunden» Menschen verglichen:
«fMRI data converted to musical sound. Brain images are preprocessed into 20 distributed ensembles, ‹Independent Components,› and
each is assigned a tone on a pentatonic scale. The loudness of each note
corresponds to the intensity of activity in the corresponding regions
of the brain. In this video, you can listen to soundtracks of healthy
subjects alternating with schizophrenia patients.» (Lloyd, Dan. 2009).
Dan Lloyd untersucht in seiner Arbeit «Mind as Music», welches er zugleich als wissenschaftliches wie auch künstlerisches
Projekt sieht, die dynamischen Patterns von Hirnaktivitäten mittels Sonifikation:
«[…] if the task of cognitive neuroscience is to interpret the neural
code, then the first step has been semantic, searching for the meanings (functions) of localized elements, prior to exploring neural syntax,
the mutual constraints among elements synchronically and diachronically. While neuroscience has made great strides in discovering the
functions of regions of the brain, less is known about the dynamic
patterns of brain activity over time, in particular, whether regions activate in sequences that could be characterized syntactically.» (Lloyd,
Dan.2011)
Lloyd spricht von Symphonien, die im Kopf jederzeit spielen,
eine Symphonie des Bewusstseins, eine Symphonie des Hirns:
«Inside each of us, at every moment, a symphony plays. It’s the
symphony of consciousness, but at the same time it’s the symphony of
the brain. It plays on millions of instruments over millions of channels. ‹Mind as Music› is a scientific and artistic project aiming to let
us read the score of this symphony, and to listen to it, to the Music of
the Hemispheres.
Scientifically, Mind as Music uses brainscans gathered by functional Magnetic Resonance Imaging (fMRI) to explore the resemblance of fMRI signals to musical forms. In an fMRI scan, each part of
the brain resonates at different frequencies. Although these resonators
can’t be heard, all the concepts of music apply. We can look at harmonies and timbres, at consonance and dissonance, at melodies, and
more. Along the many dimensions of music, we can ask whether the
activity of the brain is more like music than some other contenders: Is
brain activity more like music than it is like language? Is it more music
than noise? Are its musical properties different in different states of
mind, and are they different for healthy brains in contrast with schizophrenia and other mental illnesses? Increasingly, it seems the answers
to these questions is Yes.
Artistically, the Mind as Music project renders brain signals as
audible music, designed to complement and extend visualizations and
animations of the brain in action. Ears and eyes together can track
more of the complexity of brain activity than either sense alone. The
brain is never still, and its patterns of activity form a complex counterpoint in time and space.
Converting this counterpoint into musical sounds harnesses our
ability to hear subtleties in music that might otherwise go unnoticed.
Mind as Music enables researchers to gain insight into this complexity, especially through the clues afforded by the soundtrack to the ever
shifting brain. But more important, the soundtracks of the conscious
mind are uniquely beautiful, reminiscent of minimalist music, but different.
Hearing a mind alive in sound reminds us of the inner world
that we never see (or hear) except through the narrow windows of
language and movement. It demonstrates that we share a common
ground bass of consciousness. Once we hear this resonance from a few
brains, we recognize it as part of our common humanity, a continual
and ubiquitous hum of awareness.
As we look toward others, we might also imagine the harmony
within, and the colossal choir that is humankind.» (musicofthehemispheres.com. 2011)
Henry Rollins. <On Ted Nugent and Paul Stanley>
Henry Rollins erzählt an einer Standup Comedy Show von einem
Besuch am Konzert von Ted Nugent und Paul Stanley. Er singt
dem Publikum vor, wie er das erlebt hat. Man hört ihm an, wie er
sich den gesamten Sound im Kopf vorstellt.
SOUND
Messiaen. <Epode> Chronochromie, 1959–60, conducted by Pierre
Boulez.
SOUND
Girl singing song.
MEDIA
«Complete loss of reality»
SOUND
So stupid … Look at you ... pointless ... Jump now ... Do it ... Don’t
... Touch it ... Yes you won’t ... worthless … So stupid.
RUDOLF EB.ER
[...] ich kenne Halluzination mit Musik, die von irgendwo kommt, wo
keine ist [...] dass ich plötzlich ein enormes Feedback im Kopf hatte,
so ein richtiger Knall [...]
MIKE HAMERSKI
[...] one part of me puts in and says, «you stupid fucking arsehole,
what the fuck are you doing» [...]
MEDIA
«Haven’t seen so many brains out of their heads before [...]
SOUND
Schritte. Fenster auf. Stadt Ambiance.
MEDIA
«You are now looking at the human soul, singing to itself, to its own
god»
Messiaen. ‹Epode. Chronochromie›
Olivier Messiaen war Synästhetiker, assozierte also Farben mit
Klängen. In seiner Komposition ‹Chronochromie› (im Sinne einer
Veränderung der Farbe mit der Zeit) verwendet er systematisch
bestimmte Akkorde, die er bestimmten Farben zuordnet. Dabei
unterscheidet er drei Familien von Farb-Akkorden, die wiederum
drei Instrumentalgruppen zugeordnet werden. Jede der Gruppen
bekommt in der Komposition ausserdem 32 verschiedene Tondauern (chronos!) zugewiesen, wobei jede Tondauer einen Akkord aus
einer spezifischen Klangfamilie besitzt. So entsteht aus den drei
Reihen von Tondauern, kombiniert mit den Farb-Akkorden, ein
ständig und unvorhersehbar wechselndes Klangnetz. (Wikipedia.
2015)
Rosemary Mountain beschreibt im Kapitel «Composers &
Imagery: Myths & Realities», wie Messiaen die klangliche Charakteristik von Vogelgesang in Komposition transformiert:
«Significant works in the field of musique concrète have in fact
explored the converse: transforming recordings of familiar sound
from the environment into abstract configurations to be appreciated
for their sonic characteristics instead of their traditional associations.
Similarly, Messiaen’s ‹Chronochromie›, though built exclusively on the
raw material of bird song, involves such transformations of time, timbre and microtonal adjustments of frequency that the original is barely
discernible, nor is its recognition fundamental to the appreciation of
the work. However, these examples can be seen as acknowledgement
that considerable effort must be expended on the part of the composer
(and sometimes, the listener as well) to rip a sound away from the imagery of its natural source.» (Godøy, R. I. et al. 2001)
Girl singing song.
Das Stück «Girl singing to song in the head» ist ein Ausschnitt aus
einem youtube-Video mit unbekannter Autorin. Sie singt enthusiastisch zu einem im Hintergrund spielenden Lied. Das Mädchen
scheint sich nicht bewussst zu sein, dass das was sie zu singen
scheint – sich vorstellt – und das, was sie tatsächlich singt, nicht
übereinstimmt. Ein Versuch einer Veräusserung, wenn auch in
leicht manischer Weise. Ein typischer Handyfilm eines Mädchens,
die zu einem bekannten Popsong mitsingt, den ich im Übrigen
nicht herauslesen kann. Ihre Art der Übersetzung des Lieds in Gesang und die Tatsache, dass sie diesen Film auch noch veröffentlicht, weist darauf hin, dass das Mädchen wahrscheinlich, selbst
wenn sie sich auf der Aufnahme zuhört, immer noch das originale
Lied ’mithört
«Complete loss of reality»
MEDIA
«No hay banda! [...] it is an illusion [...] listen!»
JAMES S. ADAMS
[...] in dreams a lot of it comes out in terms of being very vivid [...]
MEDIA
«Then I realised what it is»
SOUND
Fenster zu.
SOUND
Simon Grab, <ach hello>
Zitat aus dem Film «Bis ans Ende der Welt» (Director’s Cut. 1991)
von Wim Wenders.
Die Protagonisten haben es geschafft, Bilder aus dem Hirn anzuzeigen. Sie können sich nicht mehr losreissen von den eigenen
Bildlandschaften, wollen immer mehr davon.
Ich kann mir gut vorstellen, dass, wenn die Möglichkeit einer
Ausspielung der mentalen Musik möglich wird, es einige Menschen – mich eingeschlossen – in einen Zustand des Wahnsinns
versetzen könnte.
God, it’s me. They are coming from me. They are in me somewhere. I
am singing›.» (Rangell, Leo. 2006)
Feedback im Kopf hatte, so ein richtiger Knall
Rudolf Eb. er kennt das «Exploding Head Syndrom» (EHS) persönlich. Diese Form von auditiver Halluzination beschreibt er als lauten Knall. Ich selber habe solche «Entladungen» schon erlebt. Ich
würde den Klang ähnlich einem Donnerknall im Kopf beschreiben. Die Intensität und Lautstärke kann ich nicht in der Imagination rekonstruieren, mag mich aber erinnern, dass mich die
Lautstärke dieses Phänomens sehr erstaunt hatte. Zu untersuchen
wäre nun, ob wir uns Lautstärke in diesem Ausmass antrainieren
könnten. Ich bringe in diesem Zusammenhang gerne das Beispiel
von einem Erlebnis nach dem Konzert von Michael Gendreau, am
Festival LUFF in Lausanne, welches vor allem aus sehr starken
Subbässen bestand. Gendreau benutzt architektonische Körper,
also ganze Häuser, als Lautsprecher:
«[…] experimenting with the use of a building as a speaker. He records infrasonic vibrations of a performance space, then in the concert,
he uses the structure’s resonances as an additional instrument in his
site-specific compositions.» (zeromoon.com. 2015). Nach dem Konzert
war das Frequenzspektrum meiner Imagination für etwa zwei Wochen nach unten erweitert.
Aber zurück zum «Exploding Head Syndrom» (EHS). Brian A.
Sharpless findet das Phänomen weitverbreitet, auch bei jüngeren
Menschen.
«Exploding head syndrome is characterized by the perception of
loud noises during sleep-wake or wake-sleep transitions. Although
episodes by themselves are relatively harmless, it is a frightening phenomenon that may result in clinical consequences. At present there
are little systematic data on exploding head syndrome, and prevalence
rates are unknown.» (Sharpless, Brian A. 2015)
Es deutet viel darauf hin, dass die Ursache des Syndroms eine
Art neurale Entladung sein könnte, auch wenn auch diese Theorie
nur spekulativ ist.
Sharpless wird in einem BBC Artikel folgendermassen zitiert:
«‹We think the neurons are all firing at once,› he says, which results in the sensation of an explosion in your head.» (Thomson, Helen.
BBC Future, 2015).
Niels Nielsen, der selber vom EHS betroffen ist, beschreibt
den Klang im selben Artikel:
«This theory makes sense to me. It has always felt electrical in its
nature. The sensation of an explosion is accompanied with a very loud
sound in both my ears, as if you’ve crossed two wires in a circuit and
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zapped them together. […] It feels like an electric shock. You can feel
the current passing through you.
«Haven’t seen so many brains out of their heads before»
Zitat aus dem Film «The Man with two Brains» (1983).
Zur Geschichte:
«On a trip to Vienna, city of the elevator serial killer, the doctor
visits a laboratory and strikes up an odd friendship with something –
or someone – he finds there. The result is that as he grows increasingly
suspicious of his stunning wife, he develops a meaningful – but of necessity platonic – relationship with a bottled brain.» (imdb.com. 2015)
So stupid … Look at you ... pointless ... Jump now ... Do i t... Don’t
... Touch it ... Yes you won’t ... worthless … So stupid.
You are now looking at the human soul
Menschen mit auditiven Halluzinationen beschrieben ihre inneren Stimmen:
«Auditory Hallucinations – An Audio Representation. This is
designed to provide the listener with some understanding of what it
might be like to experience auditory hallucinations. Content in this
presentation is based on things our clients tell us they hear through my
experience as a mental health outreach worker.» (Jarrad Wale. 2011)
Zitat aus dem Film «Bis ans Ende der Welt» (Director’s Cut. 1991)
von Wim Wenders.
No hay banda!
Zitat aus dem Film «Mulholland Drive» von David Lynch. ‹Club Silencio› Szene. Der Mann auf der Bühne schreit ins Publikum, dass
es keine Band gebe, dass alles eine Illusion und alle Musik nur eine
Tonaufnahme sei (Lynch, David. Mulholland Drive. 2001)
Halluzination mit Musik, die von irgendwo kommt, wo keine ist
SOUND
Ulrich Pontes, <Wenn Töne uns übers Ohr hauen>
BERND SCHURER
[...] da passiert’s mir häufig, dass ich einfach beginne, Dinge zu synthetisieren, die gar nicht physikalisch messbar vorhanden sind [...]
SOUND
Simon Grab, <ach>
DAVID CHAZAM
[...] il y a un moment ou je suis dans une espèce de trance [...]
SOUND
Simon Grab, <jyi>
Leo Rangell hatte nach einer Operation auditive Halluzinationen.
Was er zuerst noch als Gesang von nebenan deutet, ist eine Halluzination, welche ihn von nun an begleitet. Rangell publiziert seine
Geschichte:
«He describes awakening from his operation with a range of
semi-hypnotic and hallucinatory experiences, as one might expect following such a major event and with the kind of anaesthetic drugs used.
He soon also realised he was hearing music, which he was convinced
came from a building on a nearby hillside. It took a huge amount of persuading from his closest family and others before he had to admit that
the incessant musical accompaniment heralded not from anywhere
outside himself, but from somewhere inside his own mind, a truth
that he strongly resisted at first. He was from that point onwards to
experience such musical accompaniment for the rest of his life, and
understood that he had become a scientific oddity.
I accepted the song, was happy, and sang along with it. But it still
came from the outside. It was not until the day I left that the thought
hit me. As I was being driven home, I mused for a moment that I would
miss the music. But when finally, far enough away for me to be sure,
we came to the hills of Brentwood, where I lived, and I suddenly realized that the songs had come with me, and were still there, way off
over my right shoulder, I was struck, and wondered, half afraid, ‹My
Then I realised what it is
Zitat aus dem Film «Mulholland Drive» von David Lynch. Sample
aus Winkie’s Szene: Der Protagonist erzählt von seinem Traum,
und dem Moment, in dem er realisierte, wo sich der Traum abspielte. Es stellt sich heraus, dass der Traum die Realität vorweggenommen hat, uns sich die gleiche Traumgeschichte nun abspielt.
JOSÉ I. GARCIA
[...] like a hologramic representation in our brains [...]
MIKE HAMERSKI
[...] I would love to know what the exact chemical composition is to
get to that state of mind [...]
INTERVENTION
Turning Point: Der Autor gibt die ursprüngliche Idee auf, dem Hirn
eine funktionierende Hirnmusikmaschine zu Verfügung zu stellen.
Die Pflegerin weiss, dass das Experiment gescheitert ist. Keine
brauchbare Musik kommt aus der Maschine raus. Die Übersetzung
vom Hirn zur Maschine klappt nicht. Sie singt dem Hirn ein letztes Lied
vor. Die Maschine weist darauf hin, dass die Pflegerin Teil des Hirns
ist.
SOUND
Simon Grab & Patricia Bosshard, <MRI. Soundlibrary>
Tonaufnahme eines MRI Scanners als Maschinengeräusch.
18
DIE PFLEGERIN
(Singt das Lied <Au clair de la lune>. Hall Effekt)
Au clair de la lune, mon ami Pierrot
Prête-moi ta plume, pour écrire un mot.
Ma chandelle est morte, je n’ai plus de feu.
Ouvre-moi ta porte, pour l’amour de Dieu.
Au clair de la lune, mon ami Pierrot
Prête-moi ta plume, pour écrire un mot.
Ma chandelle est morte, je n’ai plus de feu.
Ouvre-moi ta porte, pour l’amour de Dieu.
DIE MASCHINE
(Aus Dürrenmatt, <das Hirn>. Kleiner Lautsprecher im Raum)
Doch wie sich das Hirn in das Wesen tiefer hineinfühlt, fühlt es das
Wesen zweimal, als Mann und Frau. Diese ist dem Tod näher als der
Mann, der ihn im Töten erlebt, als etwas Unmittelbares, als Ereignis,
worin er verstrickt ist, als ein Gegensatz zum Leben, als ein Unfall, der
ihm jederzeit droht und einmal sicher ist. Die Frau dagegen gebiert
Leben, das zum Tode bestimmt ist. Was aus ihrem Schoss kommt, ist
ein Teil von ihr, der sterblich ist wie sie. Der Tod ist für den Mann ein
Problem, nicht für die Frau. Dass er sterblich ist, versetzt den Mann in
Panik. Der Mann rebelliert gegen den Tod, die Frau nimmt ihn hin.
SOUND
Smetana, <String Quartet No. 1 in E Minor (I)>
SOUND
Verfremdetes Atmen. Tinnitus. Hochfrequenter Klang.
MEDIA
«What’s he doing? He’s trying to record his own dreams! Suck out
our dreams and look at them at the television. That’s impossible!
That’s what they said to Galileo.»
Der Autor gibt die ursprüngliche Idee auf, dem Hirn eine funktio-
Au clair de la lune
nierende Hirnmusikmaschine zu Verfügung zu stellen
Die Pflegerin hat aber einmal darüber gelesen, dass im Jahr 1860
Edouard-Léon Scott de Martinville eine Tonaufnahme gemacht
hat, die erst 150 Jahre später hörbar gemacht werden konnte. Auf
dieser Aufnahme befand sich ein Ausschnitt aus dem Kinderlied
«Au clair de la lune». Aus Verzweiflung, weil demnächst das Hirn
entsorgt werden soll, und weil sie mittlerweile auch nicht mehr
sicher ist, ob sie selber existiert, singt sie dem Hirn das Lied vor,
in der Hoffnung, dass später vielleicht jemand den Gesang aus der
Maschine herauslesen kann.
Die Zeitschrift Spiegel berichtete 2008 über den Fund:
«Mit einem grossen Trichter fing der Edouard-Léon Scott de
Martinville die Klänge auf, eine Membran übertrug die Schwingungen dann auf eine Schweineborste, die ihrerseits Muster in eine russgeschwärzte Walze kratzte. Das erste Bild des Schalls war aufgefangen. Ein Klang-Foto, sozusagen. Später ersetzte Scott die Russwalze
durch Papier, doch das Prinzip seiner Maschine blieb unverändert. [...]
Weil Scott ein Mann des geschriebenen, nicht aber des gesprochenen
Worts war – und weil er sich wohl zu sehr an Daguerre orientierte
– war sein Phonoautograf nicht dazu gedacht, den aufgezeichneten
Schall auch wiederzugeben.
Ein Forscherteam, dem unter anderem der US-Radiohistoriker
David Giovannoni und Mitarbeiter der Plattenfirma Archeophone Records angehören, hat sich nun die Klangaufzeichnungen Scotts vorgenommen – und nach rund 150 Jahren doch noch abspielbar gemacht.
Dazu scannten sie alte Schallbilder, die in den Archiven des Pariser
Patentamts und der Französischen Akademie der Wissenschaften
schlummerten. So gelang es ihnen, eine Aufzeichnung aus dem Jahr
1860 hörbar zu machen. Das Tondokument stammt damit aus einer
Zeit, in der Edisons Erfindung noch fast 20 Jahre in der Zukunft lag. Zu
hören ist ein verrauschter Ausschnitt aus dem französischen Kinderlied ‹Au Clair de la Lune›.» (Spiegel Online. 2008)
Die Hirnmusikmaschine wirft mehr Fragen auf, als dass sie Antworten bereit hält. Und das Hirn, ob entkoppelt oder nicht, muss
sich zuerst im Klaren darüber sein, was denn Identität, was das
ICH dann bedeutet, wenn die Möglichkeit besteht, Musik im Kopf
über eine angeschlossene Maschine zu hören. Nicht einmal eine
Kontrollinstanz lässt sich einbauen, nicht einmal das Argument
des freien Willens gilt, seit wir wissen, dass das Hirn kurz vor
einer Entscheidung schon aktiv ist, demnach das ICH, was auch
immer es nun noch bedeutet, nur ausführende Kraft ist.
Slavoj Zizek findet in «No Sex Please, We Are Post-Human»
die besseren Worte, um meine Bedenken zu beschreiben:
«The paradox – or, rather, the antinomy – of the cyberspace reason concerns precisely the fate of the body. [...] We will never turn ourselves into virtual entities freely floating from one to another virtual
universe: our ‹real life› body and its mortality is the ultimate horizon
of our existence, the ultimate, innermost impossibility that underpins
the immersion in all possible multiple virtual universes. [...]
The ongoing decoding of the human body, the prospect of the formulation of each individual’s genome, confronts us in a pressing way
with the radical question of ‹what we are›: am I that, the code that can
be compressed onto a single CD? Are we ‹nobody and nothing,› just an
illusion of self-awareness whose only reality is the complex interacting network of neuronal and other links? [...]
if there is effectively no one out there, behind the screen, what if
the same goes for myself? What if the ‹I,› my self-awareness, is also
merely a superficial ‹screen› behind which there is only a ‹blind› complex neuronal circuit? [...]
How will the awareness of this total self-objectivization affect
our self-experience? The standard answer (the knowledge of our genome will enable us to intervene into our genome and change for the
better our psychic and bodily properties) still begs the crucial question:
if the self-objectivization is complete, who is the ‹I› who intervenes
into ‹its own› genetic code in order to change it? Is this intervention
itself not already objectivized in the totally scanned brain?
The ‹closure› anticipated by the prospect of the total scanning of
the human brain does not reside only in the full correlation between
the scanned neuronal activity in our brain and our subjective experience (so that a scientist will be able to give an impulse to our brain
and then predict to what subjective experience this impulsive will give
rise), but in the much more radical notion of bypassing the very subjective experience: what will be possible to identify through scanning
will be DIRECTLY our subjective experience, so that the scientist will
not even have to ask us what we experience - he will be able to READ
IMMEDIATELY on his screen what we experience. (There is a further
proof which points in the same direction: a couple of milliseconds before a human subject ‹freely› decides in a situation of choice, scanners
can detect the change in the brain’s chemical processes which indicates
that the decision was already taken – even when we make a free decision, our consciousness seems just to register an anterior chemical
process... The psychoanalytic-Schellingian answer to it is to locate
freedom (of choice) at the unconscious level: the true acts of freedom
are choices/decisions which we make while unaware of it - we never
decide (in the present tense); all of a sudden, we just take note of how
we have already decided.) [...]
it will be possible, through neurological implants, to switch from
our ‹common› reality to another computer-generated reality without
all the clumsy machinery of today’s Virtual Reality (the awkward
glasses, gloves...), since the signals of the virtual reality will directly
reach our brain, bypassing our sensory organs:
‹Your neural implants will provide the simulated sensory inputs
of the virtual environment - and your virtual body - directly in your
brain.› (Kurzweil. 1999) [...]
The neuronal implants effectively reduce us to „brains in the vat,«
cutting us off from any direct perception of reality [...] we reach a kind
of omnipotence, being able to change from one to another reality by
the mere power of our thoughts - to transform our bodies, the bodies
of our partners, etc.etc.: ‹With this technology, you will be able to have
almost any kind of experience with just about anyone, real or imagined, at any time.› The question to be asked here is: will this still be
experienced as ‹reality›? Is not, for a human being, ‹reality› ONTOLOGICALLY defined through the minimum of RESISTANCE – real
is that which resists, that which is not totally malleable to the caprices
of our imagination?
As to the obvious counter-question: ‹However, everything cannot
be virtualized – there still has to be the one ‹real reality,› that of the
digital or biogenetic circuitry itself which generates the very multiplicity of virtual universes!›, the answer is provided by the prospect
of ‹downloading› the entire human brain (once it will be possible to
scan it completely) onto an electronic machine more efficient than our
awkward brains. At this crucial moment, a human being will change
its ontological status ‹from hardware to software›: it will no longer
be identified with (stuck to) its material bearer (the brain in the human body). The identity of our Self is a certain neuronal pattern, the
network of waves, which, in principle, can be transferred from one to
another material support.[…]» (Zizek, Slavoj. 2009)
Smetana, <String Quartet No. 1 in E Minor (I)>
Smetana bemerkt im Jahr 1874 zunehmende Hörprobleme, die mit
einem Tinnitus einhergehen. Im String Quartet No. 1 übersetzt er
sein Empfinden in die Komposition, indem er einen hochfrequenten Ton, ähnlich einem Tinnitus, von der Geige spielen lässt. Er
hört je länger je weniger, bis zur absoluten Taubheit.
In einer Programmnotiz auf earsense.org wird die letzte Zeit
von Smetana vor seinem Ableben beschrieben:
«In 1874, at the age of fifty, Smetana begin to notice a variety of
hearing problems including high-pitched notes, rushing sounds, and the
noise of ‹breaking sticks›, collectively known as the disorder tinnitus.
His hearing quickly deteriorated leaving him completely and permanently deaf by the end of the year. On one hand, this devastated Smetana, forcing him to resign all duties as conductor and performer, to completely withdraw from the public arena of music making. On the other
hand, like other great and similarly afflicted composers before and
since, Smetana continued to apply his highly developed and apparently
fully internalized ability to compose music in spite of his inability to
‹hear› it in the traditional sense. His musical output continued unabated in quantity and quality for over ten years until his death in 1884.[…]
Written in 1876, the first quartet reflects the most elaborate narrative as suggested by his title, ‹From My Life› (Z mého života), and fully revealed by Smetana himself in a detailed letter: ‹My intention was
to paint a tone picture of my life. The first movement depicts my youthful leanings toward art, the Romantic atmosphere, the inexpressible
yearning for something I could neither express nor define, and also a
kind of warning of my future misfortune … The long insistent note in
the finale owes its origin to this. It is the fateful ringing in my ears of
the high-pitched tones which in 1874 announced the beginning of my
deafness. I permitted myself this little joke, because it was so disastrous to me.[…]›.» (earsense.org. 2006)
«What’s he doing? He’s trying to record his own dreams! Suck out
our dreams and look at them at the television. That’s impossible!
That’s what they said to Galileo.»
«Bis ans Ende der Welt» (Director’s Cut. 1991) von Wim Wenders
EXPERIMENTE
Rückblende: Die Maschine führt zahlreiche Versuche durch. Erfolglos. Sie schafft es nicht, die Musik aus dem Hirn zu extrahieren. Das Experiment scheitert. Das Hirn soll demnächst entsorgt
werden. Todesurteil.
MEDIA
Pinky & the Brain. <Brainstem>
SOUND
Simon Grab. <Egypt>
MEDIA
Die eine Metapher ist, von dem Gehirn als einem Gebiet zu reden,
einem geographischen Ort, den man erkunden muss, von dem man
Karten anlegt. [...] Ausdrücke, die vielleicht auch ins Kolonisierende
reingehen. [...] Das Gehirn wird verfügbar gemacht. [...] Man hat
das Gefühl, Hirnforscher sind immer noch im Aufbruch [...] Im OP
dann auch eine relativ intime Situation zwischen dem Neurologen,
der das beobachtet, dem Neurochirurgen, der die Elektrode einführt und dem Patienten, der weiss, dass die jetzt sein Hirn gerade
erobern. [...] Wahrscheinlich ist es letztendlich auch ein Zivilisationsschritt.
MEDIA
Monty Phyton. <Brain Doctor>
MEDIA
«And they where doing recordings from the brain of live monkeys
[...] you can insert electrodes in it and record the responses of
individual neurons.»
MEDIA
«To begin with I thought it would be amazing if I could put on a head
piece and think of a symphony and the computer would literally
print out all the parts. Now I think we’re probably about 50 years
away from that, but having worked on the technology I think that
sort of thing is possible. [...] We’re not very far from that.»[...]«If I
had to say what I thought was gonna happen in the next 10-15 years,
I would say that it’s gonna simultaneously get very very scary and
very very interesting and beautiful»
SOUND
IBM 704, <Daisy Bell>
SOUND
Alvin Lucier, <Sitting in a room>
SOUND
Claude-Servais-Matthias Pouillet, <inscribed Waveform>
Wovon sprechen wir, wenn wir vom Hirn als Gebiet reden? Der
Philosoph und Ethiker Oliver Müller über die Hirnforschung als
Expedition ins Unbekannte, über die Zivilisierung des Hirns. Seine Abhandlung entstand im Rahmen der Cerebromatik-Tagung.
Aus dem Projektbeschrieb:
«Im November 2013 trafen fünf Mitglieder des Exzellenzclusters
‹BrainLinks-BrainTools› auf fünf Forscher_innen anderer Disziplinen.
Es war ihre erste Begegnung. In einer eintägigen experimentellen
Beobachtungsstation, inszeniert als öffentliche Filmaufnahme mit
Zuschauern, diskutierten die fünf Dialogpartner über Schnittstellenproblematiken zwischen Organismus und Technik im Gehirn und
zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Das Publikum konnte
die Videoaufzeichnung im Sichtungsraum live verfolgen. Ausgestellt
wurden weiterhin Dokumente, Bild- und Filmmaterial mit Statements
und Interviews der Wissenschaftler zur Metapher des Gehirns, die im
September 2014 gesammelt wurden. Diese Webseite (Design: Pierre
Becker / TaTrung) dokumentiert die Arbeit der Mobilen Akademie
Berlin (Hannah Hurtzig/ Philipp Hochleichter) mit dem Exzellenzclusters ‹BrainLinks-BrainTools›.
Cerebromatik ist wissenschaftliche Zukunftssprache, 1964 erfunden vom polnischen Autor, Futurologen und Wissenschaftstheoretiker
Stanislaw Lem. Er prognostizierte damit eine kognitive Entsprechung
zur Prothetik – die technische Ersetzung, Kontrolle und Manipulation
der neuronalen Hirnstruktur.» (cerebromatik.uni-freiburg.de. 2013)
nanz des Hirnraums zum Vorschein.
«‹I am sitting in a room› (1969) is one of composer Alvin Lucier’s best known works, featuring Lucier recording himself narrating a
text, and then playing the recording back into the room, re-recording
it. The new recording is then played back and re-recorded, and this
process is repeated. Since all rooms have characteristic resonance or
formant frequencies (e.g. different between a large hall and a small
room), the effect is that certain frequencies are emphasized as they
resonate in the room, until eventually the words become unintelligible,
replaced by the pure resonant harmonies and tones of the room itself.
The recited text describes this process in action—it begins ‹I am sitting
in a room, different from the one you are in now. I am recording the
sound of my speaking voice,› and the rationale, concluding, ‹I regard
this activity not so much as a demonstration of a physical fact, but
more as a way to smooth out any irregularities my speech might have,›
referring to his own stuttering.
Full Text: I am sitting in a room different from the one you are
in now. I am recording the sound of my speaking voice and I am going
to play it back into the room again and again until the resonant frequencies of the room reinforce themselves so that any semblance of my
speech, with perhaps the exception of rhythm, is destroyed. What you
will hear, then, are the natural resonant frequencies of the room articulated by speech. I regard this activity not so much as a demonstration
of a physical fact, but more as a way to smooth out any irregularities
my speech might have.» (Wikipedia. 2015)
Monty Phyton. ‹Brain Doctor›
Claude-Servais-Matthias Pouillet, ‹inscribed Waveform›
T.F. Gumby: DOCTOR! DOCTOR! Doctor! Doctor! Where is the
Doctor?
Specialist: Hello!
T.F. Gumby: Are you the brain specialist?
Specialist: Hello!
T.F. Gumby: Are you the brain specialist?
Specialist: No, no, I am not the brain specialist. No, I am not! Yes.
Yes I am.
T.F. Gumby: My brain hurts!
Specialist: Well let’s take a look at it, Mr Gumby.
T.F. Gumby: No, no, no, my brain in my head.
Specialist: It will have to come out.
T.F. Gumby: Out? Of my head?
Specialist: Yes! All the bits of it. Nurse! Nurse! (a nurse enters)
Nurse! Nurse! Nurse, take Mr Gumby to a brain surgeon.
Nurse: Yes doctor.
Specialist: Where’s the ‹Lancet›?
Nurse: He’s brilliant you know.
Specialist: Where’s the bloody ‹Lancet›? My brain hurts too.
Surgeon: (putting on Gumby props) Gloves... glasses... moustache... handkerchief... (Gumby voice) I’m going to operate!!
All: Let’s operate.
T.F. Gumby: (Sits up) Hello!
Surgeon: Ooh! We forgot the anaesthetic!
Operating Gumbys: The anaesthetic! The anaesthetic!
Gumby Anaesthetist (Terry Jones): I’ve come to anaesthetize you!!
Simon Grab: Ok, das war jetzt nicht wirklich notwendig.
Rekonstruierter Klang einer aufgezeichneten Wellenform von
Pouillet:
«Édouard-Léon Scott de Martinville was the first person to record
sound vibrations from the atmosphere via a membrane. However, others before him had recorded the vibrations of sounding bodies at their
point of origin by attaching a stylus directly to a string or bell or tuning
fork. Nineteenth century acousticians associated this approach with
Jean-Marie-Constant Duhamel, who had drawn widespread attention
to it through a series of experiments published in 1840. But Scott himself seems to have been unaware of Duhamel’s work when he invented
the phonautograph. Instead, he refers back in his early writings to the
work of Guillaume Wertheim (1842) and to the electromagnetic «tour»
of Pouillet.
[...] In 1850, Pouillet published a book called Notions générales de
physique et de météorologie à l’usage de la jeunesse. In it, he describes
a method for determining the numerical frequencies corresponding to
the notes of the musical scale. Step one: procure a tuning fork for each
19
note in the octave and attach a stylus to one of the prongs. Step two: set
up an electromotor that causes a wheel with an inked circumference
to revolve at a constant rate. Step three: set the first tuning fork into
vibration and hold it up to the circumference of the wheel to record its
vibrations by scraping away the ink. Step four: count the number of vibrations the fork recorded in one second. Step five: repeat with the other tuning forks. Pouillet reports his results as 528, 594, 660, 704, 792,
880, 990, and 1056 simple vibrations (i.e., double the value in Hz).
He also published an image of a sample waveform. This could
be a facsimile of an actual recording Pouillet had made in the way he
described. If so, it’s arguably a ‹record› of the vibrations of a tuning
fork made before the invention of the phonautograph. It dates, though
just barely, from the first half of the nineteenth century.» (FirstSounds.
org. 2015)
Eine Metapher ist, von dem Gehirn als einem Gebiet zu reden[
And they where doing recordings from the brain of live monkeys
Der Neurowissenschafter Dan Levitin (Autor von «This is your
brain on music») im Gespräch mit dem Musiker David Byrne
(Open Culture, 2007).
It’s gonna simultaneously get very very scary and very very
interesting and beautiful
«Music of the Mind» nennt sich das Projekt des Musikers Finn Peter, der mit EEG Technologie experimentiert:
«Music Of The Mind is a unique project, combining performance
theater & scientific experimentation, using brain-computer interfaces to create brain music. The brain emits tiny electrical signals with
every thought or mental process we have, and the specially designed
headsets worn by the players in Finn Peters’ group can read these signals and translate them into musical tones via a computer. This technology allows the computer to translate the musician’s brainwaves
into sounds and tones.» (Synthopia.com. 2010)
IBM 704, ’Daisy Bell’
Das Lied wird wohl überall dort auftauchen, wo neuartige Audioaufnahmen entstehen:
«In 1962 physicist John Larry Kelly, Jr created one of the most
famous moments in the history of Bell Labs by using an IBM 704 computer to synthesize speech. Kelly’s voice recorder synthesizer vocoder
recreated the song Daisy Bell, with musical accompaniment from Max
Mathews.« (Wikipedia. 2015)
Alvin Lucier, ’Sitting in a room
Die Hirnmusikmaschine hat zum Ziel, die mentale Musik unmittelbar auszuspielen. Wenn das Hirn sich selber ohne Verzögerung
hören würde, so hätte dies voraussichtlich ein enormes Feedback
zur Folge. Würde das Hirn das Experiment von Alvin Lucier ’Sitting in a room’ mit Kopfhörern durchführen, käme die Eigenreso-
DIE MASCHINE
Using functional Magnetic Resonance Imaging and computational
models, researchers have succeeded in decoding and reconstructing people’s dynamic visual experience. «This is a major leap
toward reconstructing internal imagery. We are opening a window
into the movies in our minds.
SOUND
Edouard-Leon Scott de Martinville, <Au clair de la lune>
DIE MASCHINE
Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex.
«Potentially, the technique could be used to develop an implantable
prosthetic device to aid speaking, and for some patients that would
be wonderful. The next step is to test whether we can decode a
word when a person imagines it. That might sound spooky, but this
could really help patients. Perhaps in 10 years it will be as common
as grandmother getting a new hip,»
SOUND
Volta Laboratory, «T-r-r- T-r-r-»
«There are more things in heaven and earth Horatio, than are
dreamed of in our philosophy —T-r-r— I am a Graphophone and my
mother was a Phonograph.»
DIE MASCHINE
To check for artifacts in the set-up, the experiment was also carried out with a watermelon phantom.
20
DIE MASCHINE
The current study shows that it is possible to detect perceived
music from the single trial E-E-G signal.
SOUND
Charles Batchelor. Metropolitan Elevated Railroad
We are opening a window into the movies in our minds
Jack Gallant, Neurowissenschaftler an der UC Berkeley, listet
häufig gestellte Fragen auf seiner eigenen Webseite auf. Auf die
Frage, ob in Zukunft mit fortgeschrittener Technologie die Möglichkeit besteht, Träume, Erinnerung und visuelle Vorstellung zu
dekodieren, antwortet Gallant:
«Neuroscientists generally assume that all mental processes have
a concrete neurobiological basis. Under this assumption, as long as we
have good measurements of brain activity and good computational
models of the brain, it should be possible in principle to decode the visual content of mental processes like dreams, memory, and imagery.
However, current computational models of visual processing have
been developed to account for visual perception of natural scenes. The
accuracy of these models for decoding subjective states such as dreaming and imagination will depend on how similar those processes are to
normal visual perception. This is an active topic of research in our lab
and in many other labs.» (gallantlab.org. 2014)
Im Artikel «Scientists Use Brain Imaging to Reveal the Movies in Our Mind» von Yasmin Anwar wird Gallant’s Forschungsergebnis im Bereich der visuellen Rekonstruktion vorgestellt:
«With a cutting-edge blend of brain imaging and computer simulation, scientists at the University of California, Berkeley, are bringing these futuristic scenarios within reach. Using functional Magnetic
Resonance Imaging (fMRI) and computational models, UC Berkeley
researchers have succeeded in decoding and reconstructing people’s
dynamic visual experiences – in this case, watching Hollywood movie
trailers.
As yet, the technology can only reconstruct movie clips people
have already viewed. However, the breakthrough paves the way for
reproducing the movies inside our heads that no one else sees, such as
dreams and memories, according to researchers.
‹This is a major leap toward reconstructing internal imagery,›
said Professor Jack Gallant, a UC Berkeley neuroscientist and coauthor of the study published online today (Sept. 22 2011) in the journal
Current Biology. ‹We are opening a window into the movies in our
minds.›
Eventually, practical applications of the technology could include
a better understanding of what goes on in the minds of people who
cannot communicate verbally, such as stroke victims, coma patients
and people with neurodegenerative diseases.
It may also lay the groundwork for brain-machine interface so
that people with cerebral palsy or paralysis, for example, can guide
computers with their minds.
However, researchers point out that the technology is decades
from allowing users to read others’ thoughts[…]» (newscenter.berkeley.edu. 2011)
The next step is to test whether we can decode a word when a
person imagines it.
DIE MASCHINE
«Recent multi-voxel pattern classification studies have shown, that
in early visual cortex patterns of brain activity generated during
mental imagery, are similar to patterns of activity generated during
perception.»
SOUND
Rudolf Eb.er et al. <Wellenfeld>
Die Studie «Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex» wird in der Zeitung «The Guardian» am Tag der Veröffentlichung präsentiert:
«The scientists ran tests on patients who were already in hospital
for an operation to treat intractable epilepsy. In that procedure, patients have the top of their skull removed and a net of electrodes laid
across the surface of their brain. Doctors use the electrodes to identify
the precise trigger point of the patient’s fit, before removing the tissue.
Sometimes, patients wait for days before they have enough seizures to
locate the source of the problem.
Scientist Brian Pasley enrolled 15 patients to take part. He played
each a series of words for five to 10 minutes while recording their
brain activity from the electrode nets. He then created computer programs that could recognise sounds encoded in the brain waves.
The brain seems to break sounds down into their constituent
acoustic frequencies. The most important range for speech is 1-8,000
Hertz. Pasley compared the technique to a pianist who can hear a piece
in their mind just by knowing which keys are played. He next played
a collection of new words to the patients to see if the algorithms could
pick out and repeat recognisable words. Among them were words such
as ‹Waldo›, ‹structure›, ‹doubt› and ‹property›.
The scientists got their best results when they recorded activity
in the superior temporal gyrus, part of the brain that sits to one side,
above the ear.
‹I didn’t think it could possibly work, but Brian did it,› said
Knight. «His model can reproduce the sound the patient heard and you
can actually recognise the word, though not at a perfect level.» (The
Guardian. 2012)
Volta Laboratory, «T-r-r— T-r-r—
«After «Mary Had a Little Lamb,» this is perhaps the most widely
quoted test recording in the early history of recorded sound, but for
many years nobody had been able to listen to it. It was made at the
Volta Laboratory in Washington DC on or shortly before September
25, 1881—cut into the groove of an Edison demonstration model tinfoil phonograph that had been filled with wax, and originally intended
for playback with a jet of compressed air. It was deposited with the
Smithsonian Institution a month later in a sealed box that was finally
opened to great fanfare in 1937. There is some skepticism today about
newspaper reports that claim the recording was played back at that
time, but René Rondeau wrote in ‹Tinfoil Phonographs› (2001) that
«the sound impressions in the wax-filled grooves are still very clear
and there is no doubt this recording could be played again with modern
equipment.» (FirstSounds.org. 2015)
it is possible to detect perceived music
Abstract der Studie «Name that tune: Decoding music from the
listening brain»:
«In the current study we use electroencephalography (EEG) to
detect heard music from the brain signal, hypothesizing that the time
structure in music makes it especially suitable for decoding perception
from EEG signals. While excluding music with vocals, we classified
the perception of seven different musical fragments of about three seconds, both individually and cross-participants, using only time domain
information (the event-related potential, ERP). The best individual
results are 70% correct in a seven-class problem while using single trials, and when using multiple trials we achieve 100% correct after six
presentations of the stimulus. When classifying across participants, a
maximum rate of 53% was reached, supporting a general representation of each musical fragment over participants. While for some music
stimuli the amplitude envelope correlated well with the ERP, this was
not true for all stimuli. Aspects of the stimulus that may contribute to
the differences between the EEG responses to the pieces of music are
discussed.» (Schaefer, R.S. et al. 2010)
Charles Batchelor. Metropolitan Elevated Railroad
Charles Batchelor’s Phonautogram, mit den ersten amerikanischen Fieldrecordings:
«Metropolitan Elevated Railroad from 40 feet away (1878
Phonautogram)
In 1878, when Thomas Edison was hired to study the objectionable noise produced by the Metropolitan Elevated Railroad in New
York City, he turned to the phonautograph, adapting one of his tinfoil
phonographs to draw a ‹readable› lateral waveform. Edison’s colleague Charles Batchelor made this particular phonautogram as part
of that project in September. We believe the excerpt presented here
begins and ends with test shouts, with three specimens of actual train
noise in between-the earliest American sounds yet reproduced. Note
that pitch fluctuations are due at least in part to the irregular recording speed.» (FirstSounds.org. 2015)
patterns of brain activity generated during mental imagery, are
similar to patterns of activity generated during perception.
Abstract der Studie ’A voxel-wise encoding model for early visual
areas decodes mental images of remembered scenes’:
«Recent multi-voxel pattern classification (MVPC) studies have
shown that in early visual cortex patterns of brain activity generated
during mental imagery are similar to patterns of activity generated
during perception. This finding implies that low-level visual features
(e.g., space, spatial frequency, and orientation) are encoded during
mental imagery. However, the specific hypothesis that low-level visual
features are encoded during mental imagery is difficult to directly test
using MVPC. The difficulty is especially acute when considering the
representation of complex, multi-object scenes that can evoke multiple
sources of variation that are distinct from low- level visual features.
Therefore, we used a voxel-wise modeling and decoding approach to
directly test the hypothesis that low-level visual features are encoded in activity generated during mental imagery of complex scenes.
Using fMRI measurements of cortical activity evoked by viewing
photographs, we constructed voxel- wise encoding models of tuning to
low-level visual features. We also measured activity as subjects imagined previously memorized works of art. We then used the encoding
models to determine if putative low-level visual features encoded in
this activity could pick out the imagined artwork from among thousands of other randomly selected images. We show that mental images can be accurately identified in this way; moreover, mental image
identification accuracy depends upon the degree of tuning to low-level
visual features in the voxels select- ed for decoding. These results directly confirm the hypothesis that low-level visual features are encoded during mental imagery of complex scenes. Our work also points
to novel forms of brain–machine interaction: we pro- vide a proof-ofconcept demonstration of an internet image search guided by mental
imagery.» (Naselaris, T. et al. 2015
Rudolf Eb.er et al. <Wellenfeld>
Stefan Paulus schreibt in seiner Rezension über die Performance
«Wellenfeld» von Rudolf Eb.er, Joke Lanz, GX Jupitter-Larsen.
Mike Dando im Jahr 2012 in Bristol, UK:
«[…] Ursache der akustisch verstärkten und dadurch hörbar gemachten Spannungsschwankungen der jeweiligen Gehirnaktivitäten
sind physiologische Vorgänge einzelner Gehirnzellen, welche sich
anhand ihrer spezifischen räumlichen Anordnung im Gehirn willentlich durch die Protagonisten potenzieren lassen, so dass sich über die
Kopfhaut Potentialänderungen ableiten lassen. Die willentliche Manipulation von Gehirnwellen kann durch Imagination, visuelle oder
akustische Reizüberflutung oder Reizdeprivation verstärkt werden.
Im psychogeographischen Relief, das durch das EEG grafisch dar-
DIE MASCHINE
«Human adaptive capacity relies in part on the ability to simulate
external world in one’s imagination. The imagery representations
may be associated with activation of the modality-specific sensory
cortex that is similar to the real perceptions.»
SOUND
Frank Lambert. <Talking Clock>
SOUND
Harry Dacre. Daisy Bell
SOUND
Alvin Lucier, Music for solo performer
FREYA BAILES
In a way your radio play seems very futuristic and perhaps a bit
outhere, it’s just a logical extension of what’s been done currently,
I think.
SOUND
Sven König. <sCrAmBlEd?HaCkZ!>
SOUND
Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex «waldo,»
«structure,» «doubt,» «property,»
JOSÉ I. GARCIA
And one day we’ll be able to build up an apparatus and we’ll see all
this performances occurring in the supraluminic world [...]
MEDIA
Documentary Film: Invention Factory: How Will Mind Overcome
Matter? «We really want to know what’s happening at the cellular
level. The best way to do that is to have very tiny devices that can
go inside the brain.» [...] «We build microelectronic brain implants
that are specifically designed for nerve stimulation and recording.
We want to have the least invasive process in implanting [...] part of
the game is knowing exactly what neuron needs to be targeted, and
only stimulating the area that you need.« [...] «listen to the cells,
hear the cells, understand the cells and be able to speak back to
the brain.» [...] that’s the bases of mind control [...] that is nature
showing us something that’s possible.
A lot of people thought this was Sci-Fi, this is all possible«
DIE MASCHINE
Trr— Trr— There are more things in heaven and earth Horatio,
than are dreamed of in our philosophy —Trr— I am a neurograph,
my mother was a Graphophone and my grandmother was a Phonograph.
gerstellt werden kann bzw. das durch ‹Wellenfeld› gezeichnet wird,
ist das Ausmass der individuellen Erzeugung eines Wellenfelds nur
schwer auszumachen. Die Sounds der Gehirnwellenaktivitäten morphen, mykorrhizieren, überlagern sich zu gemeinschaftlichen Fäden
und Strömen bis, die akustisch verstärkten und so wahrnehmbaren Vibrationen, Hörflächen entstehen lassen, die auf bestimmte Symptome
von Bewusstseinszuständen hinweisen.
In der empirischen Forschung zu Bewusstseinszuständen deuten Gehirnströme im Alpha-Bereich von 8 Hz-12 Hz Zustände leichter Entspannung und im Bereich von 21-38 Hz Zustände von Horror,
Stress oder Angst an. Der Theta-Bereich von 3 Hz–8 Hz zeigt meditative Zustände an. Die niedrigste Frequenz im Delta-Zustand bis 0,4
Hz weist auf hypnagoge Zustände in Form von Trance oder Hypnose
hin. Der Gamma-Bereich der sich zwischen 40 Hz und 80 Hz bewegt
ist allerdings wegen seiner niedrigen Amplitude und aufgrund unzureichender Messinstrumente noch wenig erforscht. Vermutet werden
in diesem Bereich Zustände konzentrierter und intensivster Anstrengungen als auch die Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen, die
Art der Wahrnehmung sowie Wahrnehmungsinhalte. Mystische oder
transzendente Erfahrungen in Form von Verlust des Ich-Gefühls oder
Verschmelzungserlebnissen werden mit diesem Bereich in Verbindung
gebracht. Folglich könnten bestimmte Amplituden innerhalb jener Frequenzbereiche mit spezifischen mentalen Zuständen korrelieren.
Der Sound von ‹Wellenfeld› lässt sich mit dem beschreiben was
Deleuze und Guattarie in ‹Anti-Ödipus› das molekulare Unbewusste
nennen – die Verbindung von Wunsch und Maschine und das Eindringen mit einem organlosen Körper in einen glatten Raum, welcher
die individuelle Personalität defundiert. Die Protagonisten bilden
sozusagen eine mit ihrer eigenen Montage verschmolzene Identität,
die verstreute und nicht-lokalisierbare Fragmente absondert, die
sich wiederum auf andere aufsetzen und Ströme assoziierter Felder
ableiten, ‹die aus der Entfernung transversale Konnexionen, inklusive
Disjunktionen, polyvoke Konjunktionen induzieren und derart in einer
verallgemeinerten Schizogenese, deren Elemente die Spaltungsströme
sind, Entnahmen, Abtrennungen und Reste mit Individualitätsübertragungen produzieren›» (Deleuze/Guattarie, Anti-Ödipus, S. 370).»
(Kulturterrorismus.de. 2014)
The imagery representations may be associated with activation
of the modality-specific sensory cortex that is similar to the real
Alvin Lucier, <Music for solo performer>
«[…] the direct transmission of EEG data to loudspeakers that excite
percussion instruments via sympathetic vibration is an illusion, an intended theatrical effect. Between data detection and sonic result lies
a whole chain of decisions, operations and technical devices that may
constitute the technique of sonification. The decision to deliberately
conceal this chain of operations is of no little importance in creating
of an image of sonification.
[...] The iconic image of a soloist performing motionlessly and
relying only on brain waves to control percussion instruments is an
artistic creation by the composer, not the technical reality of the piece.
If ‹Music for Solo Performer› makes reference to sonification, it does
so by establishing a framework of aesthetic reception beyond mere
sensual perception. Therefore, in this case sonification needs to be understood as a result of artistic production, not as its means.« (Straebel,
Volker, and Wilm Thoben. 2014
Sven König. ‹sCrAmBlEd?HaCkZ!›
«Up to the invention of recording and reproduction techniques music
was elusive. Music was only remembered as an idea (melody, harmony
and mood) and existed, if not even only as collective memories like
most folk music, at most in the form of scores.
When it became possible to technically record music and play it
back theoretically an infinite number of times exactly the same way, it
became concrete. Recorded music is not remembered by its bare idea
but by its whole mediality – the memory of music that one got to know
on the radio or through listening to records and CDs hearing exactly he same rendition many times is much less ephemeral than music
heard only once at a concert. As tangible as music became after the
emergence of reproduction media, as tangible became the memories
of music.
New music is always created from memory, through the association, recontextualization and reinterpretation of known ideas. In that
respect, there is no difference between the elusive idea of music of the
pre-recording era and the concrete memory of music - so there is no
qualitative difference between playing a new melody on an instrument
like a guitar or creating new music out of samples. Because of this, and
because any means of reproduction is at the same time also a means of
production sampling became musical practise long ago.» (König, Sven.
sCrAmBlEd?HaCkZ!. 2006)
perceptions
Abstract der Studie «Poor supplementary motor area activation
differentiates auditory verbal hallucination from imagining the
hallucination»:
«Neuronal underpinnings of auditory verbal hallucination remain poorly understood. One suggested mechanism is brain activation
that is similar to verbal imagery but occurs without the proper activation of the neu- ronal systems that are required to tag the origins
of verbal imagery in one’s mind. Such neuronal systems involve the
supplementary motor area. The supplementary motor area has been
associated with awareness of intention to make a hand movement,
but whether this region is related to the sense of ownership of one’s
verbal thought remains poorly known. We hypothesized that the supplementary motor area is related to the distinction between one’s own
mental processing (auditory verbal imagery) and similar processing
that is attributed to non-self author (auditory verbal hallucination).
To test this hypothesis, we asked patients to signal the onset and offset of their auditory verbal hallucinations during functional magnetic
resonance imaging. During non-hallucination periods, we asked the
same patients to imagine the hallucination they had previously experienced. In addition, healthy control subjects signaled the onset and
offset of self-paced imagery of similar voices. Both hallucinations and
the imagery of hallucinations were associated with similar activation
strengths of the fronto-temporal language-related circuitries, but the
supplementary motor area was activated more strongly during the imagery than during hallucination. These findings suggest that auditory
verbal hallucination resembles verbal imagery in language processing,
but without the involvement of the supplementary motor area, which
may subserve the sense of ownership of one’s own verbal imagery.»
(Raij, T et al. 2012)
Frank Lambert. <Talking Clock>
«The earliest surviving sound recording (reproducible both at the time
and currently) may be the lead cylinder recording for an experimental
talking clock, 1878, made by Frank Lambert (1851–1937), but the evidence for its early date remains contentious. [Wichert, Cramer and
Koenigsberg] The device and its recording are currently on display at
the National Watch and Clock Museum in Columbia, Pennsylvania.»
(Beck, Benjamin. 2015)
Harry Dacre. Daisy Bell
«‹Daisy Bell (Bicycle Built for Two)› is a popular song, written in 1892
by Harry Dacre, with the well-known chorus ‹Daisy, Daisy / Give
me your answer, do. / I’m half crazy / all for the love of you›, ending
with the words ‹a bicycle built for two›. Sung by Edward M. Favor.
Recorded by the Edison Phonograph Company on brown wax cylinder
in 1894. It is the earliest song sung using computer speech synthesis, as
later referenced in the film 2001: A Space Odyssey.» (Wikipedia. 2015)
Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex
Das Abstract zur Studie «Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex»:
21
«How the human auditory system extracts perceptually relevant
acoustic features of speech is unknown. To address this question,
we used intracranial recordings from nonprimary auditory cortex
in the human superior temporal gyrus to determine what acoustic
information in speech sounds can be reconstructed from population
neural activity. We found that slow and intermediate temporal fluctuations, such as those corresponding to syllable rate, were accurately
reconstructed using a linear model based on the auditory spectrogram.
However, reconstruction of fast temporal fluctuations, such as syllable onsets and offsets, required a nonlinear sound representation
based on temporal modulation energy. Reconstruction accuracy was
highest within the range of spectro-temporal fluctuations that have
been found to be critical for speech intelligibility. The decoded speech
representations allowed readout and identification of individual words
directly from brain activity during single trial sound presentations.
These findings reveal neural encoding mechanisms of speech acoustic
parameters in higher order human auditory cortex.» (Paisley, BN et
al, 2012)
Invention Factory: How Will Mind Overcome Matter?
Ausschnitt aus dem dokumentarischen Beitrag «Invention Factory: How Will Mind Overcome Matter?»:‬‬‬‬‬‬‬‬‬
«In this episode of ‹Invention Factory›, we explore how scientists
are harnessing the power of the mind to achieve what once seemed
impossible. From microelectronic brain implants that allow us to control machines with our thoughts, to training the brain to push the body
to new limits – we’ll test the limits of human potential and see what
we are truly capable of through science and technology.» (GE General
Electric. 2015)
that’s the bases of mind control [...] that is nature showing us
something that’s possible
Kommentar des Musikers und Freundes ‪Khanzaï Sana‬ (Burkina
Faso):‬‬‬‬‬‬‬‬‬
«On ne sait plus quoi inventer pour mériter son salaire. On se
passe d’utiliser la radiographie ou le scanner ou autres appareils pour
ce genre de travaux...Et on fait honte à la création en ayant plus de
censure morale. Voici le futur que certains projettent pour le reste de
l’humanité. C’est la modernité!!?» (Grab. 2015)
<Trr— Trr— There are more things in heaven and earth Horatio>
Ein leicht abgeändertes Zitat der oben erwähnten Tonaufnahme
aus dem Volta Laboratory 1881, erweitert auf die Hirnmusikmaschine: «I am a neurograph»
RADIO DIE KOMPOSITION
Radiosendung: Ist mentale Musik überhaupt Musik? Komposition als
etwas Geistiges. Das Spezifische, das Eigentümliche, das Utopische. Interviewfragmente
SOUND
Edgard Varèse, <Amériques>
SOUND
Bernd Alois Zimmermann, <Musique pour les soupers du Roi Ubu>
RAED YASSIN
[...] Kind of a utopic world where you can still do some kind of interesting pieces [...] sometimes I hear stuff, and when it’s executed
it’s a disaster [...] for me the most important idea is how to plant
the seed of an artwork or a music work inside the audience imagination.
DAVID CHAZAM
[...] pour créer de la musique j’ai besoin de m’imaginer autre chose, d’aller dans une autre direction. [...]
22
JAMES S. ADAMS
[...] Is it music if it’s just one person or within one person? [...]
SOUND
Simon Grab, <Walchetest>
BERND SCHURER
[...] Da sehe ich eine Verwandtschaft zum Schreiben von Code. Der
Prozess ist bei mir auch sehr fragmentarisch. Im Prinzip wird der
Klang beschrieben, ob das jetzt verbal ist oder irgendwie in einer
anderen Form von Vorstellungskraft. [...]
JAMES S. ADAMS
[...] When I hear something or I have a concept in my mind [...]
sometimes it can be sabotaged [...]
MARTIN BEZZOLA
[...] es isch guet möglich, dass das was usechunnt völlig noimed
andersch isch [...]
BERND SCHURER
[...] Ich hab klangliche Vorstellungen, die ich als Phänomene bezeichnen würde oder Erscheinung, die ich nicht in Übereinstimmung
bringen kann mit den Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen in
einem Kontext einer Computermusik Programmiersprache [...]
PATRICIA BOSSHARD
[...] Si je pouvais transcrire tout ce qui est dans mon cerveau il y
aurait beaucoup de choses [...]
CHRISTOPH GRAB
[...] s mentale üebe isch ein Teil für eus wo total wichtig isch [...]
dass mer eus vorstelled ohni Instrument dass mer improvisiered
Der Text stammt aus Shakespeare’s «Hamlet» (1.5.167–8),
Hamlet to Horatio «There are more things in heaven and earth Horatio, than are dreamed of in our philosophy».
Interviewfragmente
SOUND
Aqua, <Barbie Girl> Intro
SOUND
Simon Grab, <notfriday>
DAN SUTER
[...] muesch ä Synapseautobahn baue zwüsched emene
emotionale Zentrum und emene sehr technische Zentrum [...]
ISABEL MUNDRY
[...] ich könnte mich niemals sofort hinsetzen und das
aufschreiben [...]
DAVE PHILLIPS
[...] dä kläglichi Versuech mit singe in äs Taperekorderli oder mit
Notation das festzhalte, und das funktioniert eigentlich nie [...]
SOUND
Beethoven, <5. Sinfonie>
ISABEL MUNDRY
[...] dass die Schrift selbst in den Dialog mit der Vorstellung tritt
[...]
SOUND
Grandmaster Flash & the Furious Five, <The Message>
RUDOLF EB.ER
[...] das wären ja Kollisionen von Planeten, das wäre ziemlich
pervers, abscheulich, es könnte alles zusammen kommen, vom
Mikrokosmos zum Makrokosmos, vom Scharren von irgendwelchen kleinen Insekten, zum Furzen vom Herrgott. [...]
Interviewfragen (Leitfaden)
Komposition, Übersetzung, Improvisation
– Wie gehst du vor, wenn du im Kopf komponierst? Sind es
ganze Stücke?
– Komponierst du manchmal bewusst nur mental, ohne Intention für Umsetzung?
– Spielt dein Körper mit? Erfährst du eine Art Subvokalisation
des Klangs?
– Gibt es mentale Musik, die sich nicht übersetzen lässt?
– Welche Übersetzungsprobleme tauchen auf?
– Gelingt dir eine adäquate Umsetzung?
– Was würde sich in deiner Musik verändern, wenn du die
Musik im Kopf direkt ausspielen könntest? Welche musikalischen Perspektiven eröffnen sich damit?
– Hast du während der Improvisation kurze klangliche Vorstellungen bevor du etwas spielst?
– Was genau treibt dich an, wenn du musikalische Entscheidungen im Moment triffst?
– Lässt sich mentale Musik als Musik definieren?
Edgard Varèse, <Amériques>
«Varèse used the sirens for structural importance, as representations
of a continuum pitch beyond twelve-tone equal temperament. Varèse
intended the title Amériques to symbolize ‹discoveries – new worlds
on earth, in the sky, or in the minds of men.›» (Wikipedia. 2015)
Bernd Alois Zimmermann, ‚Musique pour les soupers du Roi Ubu
Zimmermann nennt seine Stücke ‹pluralistic compositions›. Die
Kompositionen sind aus kleinen musikalischen Elementen zusammengebaut, die ihm durch den Kopf gehen.
«This approach incorporates techniques of montage and collage
whereby spontaneous ideas and the momentary content of consciousness contribute to the emergence of a new arrangement together with
various resources stored in memory» (Godøy, R. I., and H. Jorgensen.
2012)
improvisiered
In den Interviews wollte ich auch in Erfahrung bringen, wie MusikerInnen die musikalische Imagination während der Improvisation wahrnehmen. Improvisation scheint mir das exemplarische
Moment zu sein, wo Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ideal im Jetzt zusammenkommen und analysiert wird, musikalische
Entscheidungen im Spiel aber nicht bewusst zustande kommen.
Christoph Grab, Patricia Bosshard und Raed Yassin bestätigen dies
und betonen, dass bewusste Entscheide musikalisch meist scheitern.
Auch in der Hirnforschung wird dies aufgezeigt. Christian
Wolf schreibt im Artikel «Im Kopf des Künstlers»:
«Beispielsweise zeigte 2008 eine Studie von Charles Limb von
der Johns-Hopkins-Universität und Allan Braun von den National
Institutes of Health: der dorsolaterale präfrontale Cortex fuhr seine
Aktivität herunter, wenn Jazzmusiker mit einem speziellen Keyboard
im Hirnscanner improvisierten. Diese Region ist normalerweise dann
besonders im Spiel, wenn es um Kontrolle geht, etwa wenn man sich
selbst beim Sprechen zensiert. Limb und Braun glauben, dass bei der
Improvisation genau die Impulse abgeschaltet werden, die ansonsten
den freien Fluss der Ideen bremsen könnten.» (dasgehirn.info. 2013)
DAS ENDE
Alle verabschieden sich, alle haben noch etwas zu sagen. Wer stellt
wen ab? Es herrscht Unklarheit, wer denn nun befugt, mächtig,
willens ist, diese endgültige Entscheidung zu treffen.
DIE PFLEGERIN
On se dit au revoir, ou on se dit adieu? À une autre fois? ou… Moi je
dois tout éteindre ... Ou c’est le cerveau qui éteint? Ou la machine
qui éteint le cerveau?
DAS HIRN
Du verabschiedest dich von mir? Also eigentlich müsste ja ich mich
von dir verabschieden, aber, feel free to do so! Ähm, war schön,
tschüssi. ... Du hast mich inspiriert, du, meine eigene Vorstellung.
DER RADIOMODERATOR
Shall I stop now?
DAS HIRN
Ich verabschiede mich. Nein ich verabschiede mich. Du verabschiedest dich? Na gut, dann verabschiede du dich.
DAS HIRN
Wie kann ich existieren, wenn ich nicht selber entscheiden kann,
wann ich sterben möchte?
DAS HIRN
Ist es wirklich so, wenn du mich abstellst, du Maschine, bin ich
dann... Ich meine, sterbe ich dann überhaupt? Oder ist es nicht
umgekehrt?
DAS HIRN
Und jetzt möchte ich dazu noch sagen, ist der Moment gekommen,
wo die Maschine einfach, ... Sprich du mal.
DIE MASCHINE
Wenn Metapher heisst, es handelt sich um eine Übertragung, wo
etwas Unsagbares in einer Weise so gesagt wird, dass wir hinreichend Schubkraft haben, um assoziativ in ein Gemeintes hineinleuchten zu können, dann mag es das schon geben, aber wie
gesagt, es hängt davon ab, was man hier mit Musik genau benennt.
DAS HIRN
Ok, also, wenn jetzt alle gesprochen haben, dann möchte ich noch
bemerken...
DIE PFLEGERIN
Bye
Ist der Moment gekommen, wo die Maschine einfach, ... Sprich
du mal.
Wir kommen zum Ende, und damit zu einem Versuch der
Auflösung, was denn nun möglich oder wirklich ist. Stanislaw
Lem meint 1998 in seinem Artikel «Der Verstand als Steuermann»,
dass auch in den folgenden 50 bis 100 Jahren die Technologie fehlen würde, um Gedanken lesen zu können, denn dazu müsste das
Gehirn nachgebaut werden. Eine elektronische Entsprechung
müsste also die Aktivitäten von Milliarden von Neuronen und den
dazugehörigen Dendriten- und Axonenverbindungen nachbilden
können, und selbst dann wüssten wir nicht, ob diese Maschine ein
adäquates Modell für das Hirn darstellen würde. Lem bezeichnet
denn auch gleich die Idee vom entkoppelten Hirn als Unmöglichkeit:
«[...] Die von ihren Körpern getrennten und in irgendeiner Nährflüssigkeit schwimmende Gehirne, die zum Denken fähig sein sollen,
auch wenn sie nicht sinnlich mit ihrem Körper und durch die Sinne des
Körpers mit der Welt verbunden sind, sind Märchen. Wenn Gehirne
eine derart totale ‹sensorische Deprivation› erfahren und die Verbindung mit dem Rückenmark und durch das Geflecht des Plexus solaris
(‹Bauchhirn›) mit dem Körper getrennt wird, so werden sie in einen
typischen Koma-Zustand fallen, woraus man sie höchstens vielleicht
durch chemisch-elektrische Reize reissen kann, die ihnen ‹Bewusstseinsbrüche› in Form von merkwürdigen Träumen erzeugen. Aber
diese makabre, phantastische Vision, die man in einem (schlechten)
Science Fiction Roman finden kann, hat weder etwas mit dem billigen,
da fiktiven Dämonismus der Gehirne gemeinsam, die zwangsweise
auf dieselbe Weise der Gedankenkontrolle und der elektronischen
‹Steuerung› unterworfen sind, noch mit dem umgekehrten Weg, sie
‹im Kurzschluss› mit den Systemen der ausserkörperlichen Umgebung
zu steuern. Dies könnte man nur auf eine so primitive und grobe Weise
realisieren, dass es der Mühe nicht wert wäre.
Ich meine allerdings nicht, dass Menschen nicht versuchen
werden, auf diesem Weg von Gehirnen zu Gehirnen vorzudringen,
weil sie dazu neigen, verschiedene mehr oder weniger verrückte
Dinge zu tun. Die Ergebnisse solcher Versuchungen können allerdings
weder wirklich lohnend noch sozial gefährlich sein.[...]
Die Absicht meiner Überlegungen ist, dass eine scharfe Abgrenzung zwischen den technisch und technobiotisch möglichen Errungenschaften und den irrealen Ideen für immer schwierig bleiben wird,
weil sich die ‹graue Zone› zwischen beiden nur mit grosser Mühe feststellen lässt, zumal in einer Epoche so schneller Fortschritte wie der
unseren. Noch kein Lebender trägt im Brustkorb ein Schweineherz,
aber diese Errungenschaft scheint bereits möglich zu sein und kann als
Eingriff, durch den das Leben einer Sau für die Rettung des menschlichen Lebens geopfert wird, auch legalisiert werden (wir schweigen
zynisch über Schinken und Wurst aus dem Schweineleichnam).[...]
Weil die Menschen, wie man weiss, jedoch anderen Menschen
schreckliche und auch mörderische Dinge antun, sollte man trotz aller Vorbehalte annehmen, dass es zu Experimenten mit dem und am
menschlichen Gehirn kommen wird. Zu denen, die durch Leichtsinnigkeit gesündigt haben, gehöre auch ich selbst (siehe meine ‹Dialoge›,
die vor mehr als dreissig Jahren geschrieben wurdem). Mich hat jedoch damals nicht so sehr die moralische und neurotechnische Seite
jener Eingriffe beschäftigt, die ich in den ‹Dialogen› beschrieben habe,
sondern die Konsequenzen philosophischer Natur als den Folgen eines
schrecklichen Eindringens in das, was endgültig über die persönliche
Identität und Einzigartigkeit eines jeden lebenden Menschen entscheidet.[...]
Da wir jedoch bereits einen Teil der ausschliesslich menschlichen
geistigen Arbeiten an eine Technologie, die sich dem Menschen entfremdet hat, übertragen haben, [...] hat man oberflächlich den Eindruck
gewonnen, dass uns das Wasser schon bis zu den Knien reicht, zum
menschlichen Verstand ein gerader Weg führt und wir die Hürden
ziemlich einfach beseitigen werden. So ist es nicht, denn das Gehirn
stellt ein so komplexes und geschlossenes System dar, dass man es
sogar verletzen kann und wegen des grossen neuronalen Parallelismus
keine daraus entstehenden Folgen bemerken wird. Diesen Parallelismus verdanken wir der anthropogenischen Evolution. Die technische
Invasion in das Gehirn ist meiner Meinung nach das schwierigste aller schwierigen Probleme, wenn wir optimistisch oder vielleicht eher
pessimistisch annehmen dürfen, dass uns eine nicht geringfügige Cerebromatik als Ergebnis der Eingriffe in bereits ausgereifte Gehirne und
nicht als eine Variante der zukünftigen genetisch-eugenischen Arbeit
bevorsteht.» (Lem, Stanislaw. 1998)
Es hängt davon ab, was man hier mit Musik genau benennt
Mentale Musik gehört zur Gattung Musik, wenn sie phänomenologisch betrachtet wird. Die Schwierigkeit sie zu beschreiben
hängt aber meines Erachtens vielmehr mit der Musik selber
zusammen, denn Musik selber ist schon hochkomplex und vielfältig. «Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann
und worüber zu schweigen unmöglich ist», sagte einst der französische Schriftsteller Victor Hugo. Stefanie Reinberger begründet
die Komplexität mit der Tatsache, dass Gefühle involviert sind, die
evolutionsgeschichtlich begründet sind:
«Dass Musik eine so emotionale Angelegenheit ist, könnte ganz
in den Ursprüngen der menschlichen Evolution begründet sein, mögli-
cherweise als eine Art vorsprachliche Kommunikation. So vermutet
der Emotionsforscher Jaak Panksepp, Emeritus an der Bowling Green
State University in Ohio, dass frühe Hominiden mit Hilfe melodischer
Rufe in Kontakt zueinander blieben – etwa wenn eine Mutter ausser
Sichtweite ihres Sprösslings nach Nahrung suchte.» (Reinberger, Stefanie. 2015)
23
EPILOG
Ausklang. Die Pflegerin ist weg, die Maschine verstummt. Das Hirn
weiss nun und akzeptiert, dass es sich diese Geschichte nicht
ausgedacht hat, sondern dass es selber von einem anderen Hirn
gedacht ist. Das Hirn verstummt, und mit ihm verschwindet der
Atem des Autors. Was bleibt ist Musik. Alleine. Einsam. Die Musik
klingt aus. Stille.
SOUND
Tinnitus. hochfrequenter Ton. Atmen.
SOUND
Simon Grab, <Eintritt>
DAS HIRN
(Singt)
Daisy, Daisy, give me your answer do.
I’m half crazy all for the love of you.
It won’t be a stylish marriage.
I can’t afford a carriage.
But you’ll look sweet upon the seat.
Of a bicycle built for two.
24
DAS HIRN
(Aus Dürrenmatt, <Das Hirn>. Stimme vom Hirn klingt aus dem
Lautsprecher der Maschine)
[...]gibt es nicht vielmehr nur ein Hirn, das eine Welt träumt als
Abwehr gegen die Angst, eine erträumte Welt, in der einer aus dem
gleichen Grunde schreibt, aus dem heraus ihn ein Hirn träumt?
Aber auch das Hirn steht vor den gleichen Fragen und Antinomien.
Vor dem gleichen Entweder-Oder. Was ist wirklich? Ist alles vom
Hirn gedacht wirklich? Fällt nicht alles auf das Hirn zurück, das
mich denkt, als sein Gedanke? Und wird nicht das Hirn identisch mit
dem dimensionslosen Punkt, worin nicht nur alle Materie und Energie des Weltalls, sondern auch dessen Zeit und Raum zusammengezwängt sind und damit die Möglichkeit des Lebens? Es ist entweder
möglich oder wirklich, und nur nicht zu entscheiden, ob es möglich
oder wirklich ist. Und so ist alles, was mich umgibt, möglich oder
wirklich.
DER AUTOR
Atem Stop.
SOUND
Alleine. Am Ausklingen
SOUND
Stille
Stille
Sie hörten:
Hirnmusik
Ein Hörspiel von Simon Grab
Es spielten mit:
Das Hirn: Kurt Grünenfelder,
Sprecher und Schauspieler, Rikon
Die Pflegerin: Carine Kapinga,
Schauspielerin und Tänzerin, Zürich
Der Radiomoderator und Autor:
Simon Grab, Klangkünstler, Zürich
Die Maschine: Computer und diverse analoge Synthesizer
Als sich selber waren zu hören:
Jens Badura, Philosoph, Zürich
Patricia Bosshard, Komponistin und Violonistin, Lausanne / Paris
Dan Suter, Tonmeister, Zürich
James S. Adams, Lärm-Musiker, Washington DC
Isabel Mundry, Komponistin, Zürich
Raed Yassin, Improvisator und Künstler, Beirut
Bernd Schurer, Komponist und Computermusiker, Berlin / Zürich
Martin Bezzola, Klanggestalter, Zürich
Christoph Grab, Jazz-Musiker, Zürich
Jörg Köppl, Klangkünstler, Zürich
David Chazam, Pop-Experimentator, Brüssel
Rolf Inge Godøy, Musikwissenschaftler, Oslo
Freya Bailes, Musikwissenschaftlerin, Hall UK
Rudolf Eb.er, Lärm-Musiker, Tokyio
Dave Phillips, Performance-Künstler, Zürich
José I. Garcia, Chemiker und Naturheilpraktiker, Genf
Mike Hamerski, Musiker, Warsaw
Willi Grab, Aromatiker, Orpund / unterwegs
NACHWORT
Simon Grab hält die Aufnahme an und reflektiert über das fertiggestellte Werk. Er hört sich in Gedanken nochmals ein paar Ausschnitte des Hörspiels an, bis sich plötzlich der Radiomoderator aus der
Geschichte heraus löst und mit ihm ein Interview führt.
DER RADIOMODERATOR
(Auf dem linken Ohr)
SIMON GRAB
(Auf dem rechten Ohr)
DER RADIOMODERATOR
Du bist nun mit deiner Diplomarbeit fertig. Wie fühlt sich das an,
über dem Berg zu sein?
SIMON GRAB
(lacht) Eigentlich sind wir ja mit diesem Interview noch mittendrin,
aber ja, eine gewisse Erleichterung ist schon da. Ob <über dem
Berg> nun die richtige Metapher ist? ... Ich bin eher über dem Hirn,
als über dem Berg.
Form
DER RADIOMODERATOR
Deine Arbeit <Hirnmusik> besteht aus einem Hörspiel und einem
Hörspielskript, das mit Kommentaren, Reflexionen, Literaturverweisen und ausführlichen Zitaten versehen ist. Und du bietest
noch zusätzliches Audiomaterial an, wo man die Interviews
oder den Hörspiel Soundtrack hören kann. Du fügst zudem noch
Musik-Mixes an, um die eigenen Hörgewohnheiten zu testen.
Warum diese Vielfalt? Hättest du dich nicht auf das Hörspiel beschränken können?
SIMON GRAB
Die Form der gesamten Arbeit hat die Funktion, die inhaltliche
Auseinandersetzung mit dem Thema <Musik im Kopf> produktiv
zu machen. Und zwar für mich im Prozess des Erschaffens dieser
Arbeit – oder beim Erklimmen des Berges, um die Metapher noch
ein wenig warm zu halten – und für diejenige Person, die sich
die gesamte Arbeit anschaut und anhört.
Ziel dieser Arbeit ist, zum Phänomen <Musik im Kopf> neue
Zugänge zu schaffen, sich der eigenen Wahrnehmung bewusst oder
bewusster zu werden, Denkanstösse für neue Ideen und Perspektiven zu generieren, quasi <a door of perception’> ohne Drogen –
oder mit Drogen, aber das habe ich nicht getestet.
Ich komme ja selber aus der Musik und Klangkunst, und bin auch
überzeugt, dass sich diverse Diskurse im künstlerischen Werk
einbrennen lassen. Aber Kunst ist am Schluss Kunst. Sie folgt ihren
eigenen Kriterien. Die Einschränkung auf das Hörspiel würde
dem Thema nicht gerecht. Ob meine gesamte Arbeit dem Thema
gerecht wird, vermag ich selbst nicht zu sagen, das überlasse ich
gerne Anderen. Aber diese Zugänge zum Thema erschliessen sich
jedenfalls nicht nur aus dem Hörspiel. Das Hörspiel ist nur eine
Lesart, ist meine persönliche Umsetzung. Und genau um diese Lesarten geht es mir bei dieser vielfältigen Form. So kann jemand nur
das Hörspielskript lesen, und sich so das Hörspiel im Kopf anhören.
Über die Kommentare wird meine Position und meine Haltung sichtbar. Oder zum Teil erkläre ich darin, wie und warum ich gewisse
(Auf dem linken Ohr)
MATERIALIEN
Interviews
Jens Badura, Philosoph, Zürich
Patricia Bosshard, Komponistin und Violonistin, Lausanne / Paris
Dan Suter, Tonmeister, Zürich
James S. Adams, Lärm-Musiker, Washington DC
Isabel Mundry, Komponistin, Zürich
Raed Yassin, Improvisator und Künstler, Beirut
Bernd Schurer, Komponist und Computermusiker, Berlin / Zürich
Martin Bezzola, Klanggestalter, Zürich
Christoph Grab, Jazz-Musiker, Zürich
Jörg Köppl, Klangkünstler, Zürich
David Chazam, Pop-Experimentator, Brüssel
Rolf Inge Godøy, Musikwissenschaftler, Oslo
Freya Bailes, Musikwissenschaftlerin, Hall UK
Rudolf Eb.er, Lärm-Musiker, Tokyio
Dave Phillips, Performance-Künstler, Zürich
José I. Garcia, Chemiker und Naturheilpraktiker, Genf
Mike Hamerski, Musiker, Warsaw
Willi Grab, Aromatiker, Orpund / unterwegs
Simon Grab, Klangkünstler, Zürich
Texte
Hörspielskript
Gemeinsame Diplompublikation aller abschliessenden
Studierenden
Diplompublikation Simon Grab und Vera Buck, mit einem Text
von Olaf Knellessen, Psychoanalytiker, Zürich
Musik
Hirnmusik – das Hörspiel
Hirnmusik – Soundtrack Simon Grab
Hirnwäsche – Ohrwurm Mix
Hirnwäsche – ‚02-11t10’00’00-d040210t0630’
Hirnwäsche – Barbie Girl
Stille – 56 Minuten Stille für die eigene auditive Imagination
(Auf dem rechten Ohr)
IMPRESSUM
Diplomarbeit von Simon Grab
Master of Arts in Transdisziplinarität
Zürcher Hochschule der Künste
HÖRSPIEL
Idee, Produktion: Simon Grab
Aufnahme & Mischung: Simon Grab, ganzerplatz Tonstudio
Musik & Sounddesign: Simon Grab
Mentorat: Barbara Liebster
PUBLIKATION
Text & Bild: Simon Grab
Grafik: Annegreth Schärli, gut&schön
MATERIALIEN
Interviews & Mixes: Simon Grab
Danke!
Carine Kapinga, Daara & Alika, Kurt Grünenfelder, Barbara
Liebster, Annegreth Schärli, Renata Hanselmann, allen
Interview-PartnerInnen, Olaf Knellessen, dem Kernteam des
Studiengangs Delphine Chapuis Schmitz, Sønke Gau, Katja Gläss,
Patrick Müller, Basil Rogger, Irene Vögeli, und allen Transen
weltweit!
© 2015 Simon Grab
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Elemente eingebaut habe. Und ich verweise darin auf die aktuelle
wissenschaftliche Forschung und deren gesellschaftliche Relevanz.
Ich lasse
auch bewusst lange Zitate stehen, damit die Sprachlichkeit der
jeweiligen Disziplin durchscheint. Der Leser oder die Leserin
soll in diese Welten eintauchen können, und auch wieder, den Assoziationen ähnlich, plötzlich in anderen Gefilden stehen. Jemand
hat die Lektüre als Hirnwäsche bezeichnet, worauf ich fast den Titel
geändert hätte.
Und dann noch die hinzugefügten Materialien, die geben dem
Ganzen noch eine zusätzliche Tiefe. Die Interviews kann ich
übrigens sehr empfehlen, das war richtig spannend, mit all den
unterschiedlichen Leuten zu sprechen.
Aber zurück zur Gesamtform: in allen <Unterformen> ergeben
sich eigene oder eigenständige Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Lesarten. Die Gesamtform ist
dann nicht nur die Summe aller Teile sondern ergibt etwas Zusätzliches, etwas Neues. Ich vergleiche bei solchen Arbeiten das,
was am Entstehen ist, meist mit einem Monster, einem unsäglichen
Vieh, einem lebendigen Wesen, so einem Cronenberg-Unding
das man bearbeiten und kneten muss, bis sich seine eigene Identität herausschält.
DER RADIOMODERATOR
Wann bezeichnest du eine Arbeit als fertig? Wann ist sie für dich
gelungen?
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SIMON GRAB
Ach, fertig ist eine Arbeit nie. Es reicht aber manchmal, einen gewissen Stand zu akzeptieren und auszuformulieren. In diesem
Fall würde ich die aktuelle Form als erste standfeste Kontaktaufnahme bezeichnen, denn wie zu erwarten war, weiss man am
Schluss vor allem, dass man noch nicht viel weiss.
Eine Arbeit ist für mich dann gelungen, wenn sie in sich solide
steht und trotzdem über sich hinauszeigt. Sie soll an verschiedenen Stellen Öffnungen enthalten, unsaubere Bereiche aufweisen,
anecken, Interpretationen zulassen, eigene Positionen hinterfragen, und hoffentlich Kritik hervorrufen. Wer dazu nur Ja und
Amen sagen kann, soll besser in die Kirche gehen. Und wer
nur Nein dazu sagt, dem wünsche ich auch weiterhin ein schönes
Leben.
Rezeption
DER RADIOMODERATOR
Wie wichtig ist dir die Rezeption der Leute, die deine Arbeit lesen
und/oder hören?
SIMON GRAB
Im Prozess, während dem Entwickeln des Stoffs, gibt es bei mir
gewisse Zwischenphasen, wo ich gerne überprüfen möchte, ob die
Intention, die dahinter steckt, auch wirklich rübe kommt.
Das sind so Momente, wo ich dermassen tief im Schlammassel
stecke und keinen Überblick mehr habe, dass eine externe Reaktion mir weiterhilft. Das ist jetzt nicht in einem negativen Sinn
gemeint, im Gegenteil, das sind meist sehr produktive, aber eben
auch sehr wuslige Phasen. Ich frage dann bewusst Leute, die
schon einen Bezug zum Thema haben, die aus einer fachlichen
Richtung kommen, die sehr gezielt Kritik üben können. Und ich frage Leute, die keinen blassen Schimmer haben, wovon ich spreche.
Diesen Dialog schätze ich, muss ihn aber sehr punktuell einsetzen.
Zuviel darüber sprechen möchte ich während dem Arbeitsprozess nicht, da es den Flow unterbrechen kann. Manchmal ist es für
mich auch besser, mühsamst irgendwo unten durch zu kriechen,
oder mal in einer Sackgasse zu landen, um dann auf Umwegen ans
Ziel zu kommen.
Manchmal bin ich aber auch froh, jemanden zur Seite zu haben,
der oder die mich über den ganzen Prozess begleitet, mir in regelmässigen Abständen beratend zur Seite steht. Für diese Arbeit
konnte ich auf die Hilfe von Barbara Liebster zählen, die selber
Hörspielautorin ist. Sowas kann schon hilfreich sein und wirkt angenehm strukturierend.
Und sobald ich aber mit einer gewissen Form der Arbeit zufrieden bin und diese veröffentliche, kümmere ich mich nicht mehr
aktiv darum, wie etwas ankommt. Natürlich behalte ich meine
Offenheit für konstruktive Kritik und Diskussionen, und freue mich
über Feedbacks, aber wenn jemand mal ein Stück oder eine Arbeit nicht versteht, oder nichts damit anfangen kann, ist mir das
eigentlich scheissegal.
Natürlich wurde mir über diese Arbeit auch wieder bewusst, jetzt
in Bezug auf das Hörspiel, dass eine eindeutige Übersetzung von
der Produktion zur Rezeption nie möglich ist, da das Gehörte immer
auch einer individuellen Interpretation unterliegt, denn Schallwellen
werden erst im Hirn zu bedeutvollem Klang verarbeitet.
Was dann den Begriff der Autorenschaft wiederum radikal
hinterfragt.
Autorenschaft
DER RADIOMODERATOR
Muss der Begriff der Autorenschaft auf ein Neues diskutiert werden?
SIMON GRAB
Ja, klar, immer und immer wieder! Für mich gibt’s aber eine klare
Unterscheidung zwischen einer juristisch-ökonomischen Diskussion, die meines Erachtens knallhart von den Künstlerinnen und
Künstlern geführt, respektive angeführt werden muss, und
einer eher philosophisch-künstlerischen Auseinandersetzung mit
dem Begriff des Originals.
Ich bin Ende 80er, anfangs 90er in Nischenkulturen sozialisiert
worden. Ob die drei Akkorde deines neuen Punksongs schon
jemand zuvor benutzt hatte, war nun mal nicht relevant. Und mit
dem Aufkommen der erschwinglichen Sampler wurde auch Fremdmaterial Teil des Originals. Die Remix-Kultur brachte eine enorme
Entkrampfung der erstarrten Urheberrechtsdiskussion und der
festgefahrenen Musikstile.
Ich selber versuche mit soviel Respekt wie möglich mit Fremdmaterial umzugehen. Das heisst im besten Fall, dass ich den
Urheber oder die Urheberin persönlich anfrage, oder zumindest
deklariere, wenn die Erkenntlichkeit des Samples relevant für
das Stück ist. Deklarieren heisst dann auch ökonomisch teilen. Und
dann gibt’s aber auch Fremdmaterial, das ich quasi als Rohstoff
verwende, das dann meist dermassen dekontextualisiert und verfremdet wird, dass ich das auch mal einfach benutze. Und, wie
im Fall der benutzten Fremdtexte in dieser Arbeit, berufe ich mich
auf das Zitatrecht und gebe entsprechend die Autoren und Quellen
an.
Aber eben, die legalistische Seite muss einfach pragmatisch
gelöst werden. Und, nein, Kunst ist nicht gratis, und eigentlich mag
ich mich nicht um so Zeugs kümmern.
Was viel interessanter ist in Bezug auf meine Hirnmusik-Arbeit
ist der Umgang mit dem Begriff Original aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen. Wo und wie entsteht das Werk, die musikalische Idee? Woraus besteht das Original? Wo gibt’s Übersetzungsleistungen und welche Konsequenzen hat dies für das Original?
Wenn ich als Musiker sage, dass ich mir eine neue musikalische
Idee im Kopf generieren kann, stellt der Musikwissenschaftler
mich, meine Idee und meine Herangehensweise in einen kulturellen
Kontext und verweist auf den Zeitgeist, der Philosoph betont,
dass die Vorstellung schon ein Abbild ist, der Neurologe zeigt mir
Hirnaktivitätsbilder, aufgrund derer man nicht mehr nur von
Musik sprechen kann, die Psychologen erinnern daran, dass die
Erinnerung den Originalbegriff durchaus zu verwässern weiss, und
der Psychoanalytiker verwirft schon die Hände, wenn ich nur
<ich> sage. Und zu guter Letzt widersprechen mir andere Musiker
und Komponistinnen und sagen, dass die Musik erst im Dialog
mit der Schrift entsteht, oder im Spiel mit dem Instrument oder
dem Bearbeiten des Klangmaterials.
Transdisziplinarität
DER RADIOMODERATOR
Du gehst in deiner Arbeit auf diese Disziplinen ein?
SIMON GRAB
Ja, denn das Thema Musik im Kopf lässt sich nur unzureichend monodisziplinär verhandeln. Natürlich liegt mein Fokus auf der
Perspektive der Musikschaffenden, und die Motivation ist auch die
eigene musikalische Auseinandersetzung mit imaginierter Musik.
Aber wie gesagt, sobald ich von <Imagination> spreche, geschweige
denn von <Hirn>, stehe ich in einem Diskurs der per se schon
transdisziplinär aufgestellt ist.
Für die Arbeit habe ich dann gewisse Schwerpunkte gesetzt. So
interessiere ich mich mehr für eine phänomenologische Sicht.
Die Musikpsychologie, ein Teilgebiet der Systematischen Musikwissenschaft, ist am Nächsten an meinen Fragestellungen dran
und weist auch eine ordentliche Liste von Forschungsresultaten und
Publikationen auf, obwohl <Musical Imagery>, wie das Forschungsgebiet auf englisch heisst, noch relativ jung ist.
Die Entscheidung, das Hörspiel als Ort der Verhandlung auszuwählen, wurde durch eine neurowissenschaftliche Studie ausgelöst, die besagte, dass es dem Forscherteam gelungen sei, Audio
aus dem Hirn zu rekonstruieren. Das warf bei mir dermassen
viele Fragen auf, dass ich mich zu interessieren begann, was denn
heutzutage alles schon möglich ist. Die Hirnforschung hat ja eigentlich eine hochaktuelle, gesellschaftliche Relevanz, denn es findet
momentan ein regelrechtes Wettrüsten statt. Da werden Unmengen
an Geldbeträgen reingepumpt, ohne dass eine öffentliche Diskussion stattfindet, wie die ethischen Leitlinien definiert werden
sollen. Die Kunst kann hier einen Beitrag leisten indem sie Fragen
stellt und Positionen offenlegt.
Als weitere Disziplin war noch die Philosophie beteiligt, die vor
allem aufgrund des fiktiven Szenarios mit dem entkoppelten Hirn
Fragen zu beantworten hatte.
Und ich tauschte mich noch mit einem Psychoanalytiker, einem
Aromatiker, einem Chemiker und Naturheilpraktiker, und mit
anderen Künstlerinnen und Künstlern aus. Sie alle befassen sich in
der einen oder anderen Form professionell mit Vorstellungskraft.
Augenhöhe
DER RADIOMODERATOR
Wie zeigt sich die transdisziplinäre Konstellation in deiner Arbeit?
SIMON GRAB
Ich bringe die Menschen und Figuren, die Disziplinen und Perspektiven im Hörspiel zusammen. Ich lasse sie sozusagen in der Montage
aufeinander los. Im realen Leben habe ich in Gesprächen und Interviews mit den einzelnen Menschen gesprochen, mich ausgetauscht, immer mit dem Fokus, auf vielschichtige Weise mehr zum
Thema musikalische Imagination herauszufinden. Die Offenheit
war gross, der Umgang äusserst freundlich und interessiert, der
Austausch geschah auf Augenhöhe, denn die Fragestellungen waren
immer übersetzbar und produktiv für die jeweilige andere Disziplin.
In der Umsetzung des Hörspiels war dann ich der MC, The
Master of Ceremony, das Hörspiel entstand alleine auf meinem
Mist, ist also keine kollaborative Arbeit. Diese Entscheidung war für
mich aber klar, da ich in der Produktion an mir selber testen wollte,
wie nahe an der eigenen Vorstellung ich das Hörspiel realisieren
konnte.
Die einzige Disziplin mit der ich leider nie direkten Kontakt hatte,
war die Neurowissenschaft. Die waren irgendwie alle zu beschäftigt, riefen nicht zurück, oder hielten meine Mailanfragen als nicht
wichtig genug für eine Antwort. Das braucht noch ein wenig Zeit bis
das Eis geschmolzen ist.
Da der Output der neurowissenschaftlichen Forschung meist
zugänglich ist, konnte ich mir diesen Bereich über die Literatur
erschliessen. Ich bin aber überzeugt, dass der persönliche Austausch fruchtbar wäre. Nicht nur für mich.
DER RADIOMODERATOR
Wem hat was gebracht in diesem Austausch?
SIMON GRAB
Das Projekt war von Anfang an so angelegt, dass vor allem ich am
Schluss profitieren würde. Die inhaltliche Auseinandersetzung
war aber für alle spannend. In den Gesprächen entstanden immer
auch wieder neue Bezüge. Was die anderen daraus machen, wird
sich zeigen – während den Interviews mit den Musikpsychologen
realisierte ich irgendwann, dass meine Nachforschungen durchaus
relevante und vor allem neue Erkenntnisse enthalten. Den Grund
vermute ich in meiner eigenen Nähe zum Thema und im Zugang zu
einer Musikszene, die sich vertieft mit Klangphänomenen auseinandersetzt. Ich dachte da zum ersten mal, hei, du machst ja tatsächlich Hirnforschung, einfach auf meine eigene Art. Wie sich
meine Arbeit mit regulären Forschungsarbeiten verbinden lässt,
wird bei einer Fortsetzung zwingendermassen ein Thema sein.
Musik im Kopf
DER RADIOMODERATOR
Welche Einsichten hast du in Bezug auf das Thema Musik im Kopf?
SIMON GRAB
Ich bin mit meinen eigenen Experimenten weiter gekommen. Viele
Musikstücke die im Hörspiel vorkommen, entstanden zuerst als
Idee im Kopf. Ich versuchte sie zuerst zu formen und modulieren,
bevor ich an mein Klanginstrumentarium sass. Das alles in Worte
zu fassen, fand ich für mich unbrauchbar. Das liegt schon an der
Komplexität der Musik selber, nicht nur an der imaginierten Musik.
Einige Stücke konnte ich gut aus der Vorstellung übersetzen, andere missrieten, klangen aber danach trotzdem grossartig. Entweder
war dann die musikalische Idee schlecht, oder die Umsetzung nicht
adäquat. Ein Zugeständnis ans eigene Scheitern ist bei mir meist
fruchtbarer als ein ewiges Hinterfragen und Zweifeln. Ein Fokussieren auf jeden einzelnen Schritt im Prozess, von der Imagination, zur
Übersetzung, zum fertigen Stück, kann auch mal ermüdend sein,
kann einem vom Flow abhalten.
Das Hörspiel hat sich als Testumgebung für die Umsetzung von
Vorstellung bewährt. Ich hatte ein Augenmerk auf die Verwandlung
27
der Geschichte während der Produktion. Dramaturgisch ging die
Idee auf. Der Aufbau der Geschichte verlief recht präzise entlang
der Idee. Auch der klangliche Bogen übers ganze Stück hatte ich
mir etwa so vorgestellt.
Veränderungen gab es vor allem auf inhaltlicher Ebene. Ich hatte
dermassen viel gutes Material aus den Interviews, dass ich die
Radiosendungen im Hörspiel anders gestalten wollte. In meiner Vorstellung war die Sendung viel musikalischer, viel irrer, mit mehr
assoziativ zusammengemischten Samples und viel mehr Ausschnitten aus anderen Medien.
In den Materialien gibts das Stück <Stille> auf dem 56 Minuten
lang nichts zu hören ist. Es dient dazu, sich diese Zeit zu nehmen,
um eine eigene Variante des Hörspiels zu denken, oder um der
auditiven Imagination freien Lauf zu lassen. Es funktioniert am Besten mit Schallschutz-Kopfhörern!
Das Spezifische der mentalen Musik in Worte zu fassen ist
schwieriger als ich dachte. Zusammenfassend, auch aus den Statements der Interviewten, würde ich die Eigenheiten der geistigen
Komposition als etwas beschreiben, das eine Aufhebung der
Zeit- und Raumstruktur erfahren kann, das ein sonderbares Morphing von eigenen zu schon einmal gehörten Klängen vollziehen
kann, eine emotionale Textur besitzt, bei der ich ausser Stande bin,
diese in Worte zu fassen. Es gibt meines Erachtens eine eigenartige
Buffer-Funktion, mit der kurze Fragmente stehen bleiben können,
oder verzögert erscheinen, eine ausgeklügelte Filterung, die sämtliche Musik in ihre Einzelteile zerlegen kann, und diese neu anordnen,
neu mischen, im Klang verändern kann und so weiter. Und, hinzu
kommt ein Gefühl, dass die Vorstellung nicht die eigentliche Musik
an sich ist, sondern dass diese noch tiefer im Hirn steckt, und intellektuell nicht erfassbar ist.
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Die Hirnmusikmaschine
DER RADIOMODERATOR
Kann die Neurotechnik weiterhelfen?
SIMON GRAB
Nein, kann sie nicht. Oder noch nicht. Zum Glück! Aber die Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer Hirnmusikmaschine ist
sehr produktiv.
Verwertung
DER RADIOMODERATOR
Wie geht’s weiter mit dem Hirnmusik Projekt?
SIMON GRAB
Das Hörspiel wird sicher ausgestrahlt. Zusagen habe ich aus Bern,
Brüssel und Berlin. Dann versuche ich das Stück an Hörfestivals
zu platzieren. Ich kann mir gut vorstellen, daraus eine Performance
zu entwickeln. Und ein Release auf Vinyl ist geplant, ist aber noch
nicht spruchreif.
Die Idee der Hirnmusikmaschine beflügelt so manches, es
könnte gut auch neue Verbindungen geben, eine Installation, transdisziplinäre Roundtables, Braincasts, also eine Sendungsreihe, ...
Schluss
DER RADIOMODERATOR
Danke fürs Gespräch! Ich wünsche weiterhin gutes Gelingen.
SIMON GRAB
Danke für die interessanten Fragen! Und danke dass du kurz aus
der Geschichte gesprungen bist für das Interview. Gehst du nun
wieder selber rein?
DER RADIOMODERATOR
Nein, du musst mich wegdenken.
SIMON GRAB
Das kannst du nicht selber?
DER RADIOMODERATOR
Doch, aber nur wenn du dir das vorstellst. Und wenn du willst, kann
ich dich dann auch gleich wegdenken.
SIMON GRAB
Ok, mach ich, ...bereit?
DER RADIOMODERATOR
Ja
SIMON GRAB UND DER RADIOMODERATOR
1,2,3, ... tak.
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Diplomarbeit von Simon Grab
Master of Arts in Transdisziplinarität
Zürcher Hochschule der Künste
2015