Hirnmusik Skript - Simon Grab
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Hirnmusik Skript - Simon Grab
Hirnmusik Ein Hörspiel von Simon Grab 1 2 In einem weltweit erstmaligen Experiment stellt der Musiker SY-the-Brain seinen Körper der Wissenschaft zur Verfügung. Das Hirn des Komponisten wird vom Restkörper abgetrennt und an die Hirnmusikmaschine angeschlossen. Seine imaginierte Musik wird von nun an mittels Neurotechnik direkt ausgestrahlt. Inhalt Vorwort 04 Prolog 06 Radio-Intro 06 Letzte Runde 08 Der Vertrag 08 Die Trennung 09 Erinnerungen 10 Radio – die Kreativen 11 Das Mittagessen 14 Bewusstsein 15 Radio – die Kranken 16 Intervention 18 Experimente 19 Radio – die Komposition 22 Das Ende 23 Epilog 24 Nachwort 25 Literaturliste 30 3 Vorwort SOUND Aussenaufnahme Dachterrasse, oberhalb des Ateliers des Studiengangs Master of Arts in Transdisziplinarität an der Zürcher Hochschule der Künste. Stimmen von Studierenden. Vorbeigehende Schritte im Kies. Baumaschinen in der Nähe. Zug. JENS BADURA Was also jetzt vorgestellt wird hier, ist das Eintreten einer Erwartung. Und das Eintreten einer Erwartung ist jetzt an den unterschiedlichen Stellen natürlich mit unterschiedlichen Erwartungen auch unterschiedlich konfiguriert, in der Vorstellung. Wichtig scheint mir aber eben diese Differenz zwischen Vorstellung und Erwartung, weil ich glaube, hinter dem Ganzen steckt ja doch auch – also seitens des Autors, der jetzt hier – nicht der Autor innerhalb dieses Hörspiels – sondern auch der Autor, der du als Hörspielmacher bist – scheint mir ganz zentral eine Erwartung zu sein, nämlich die Erwartung, etwas deutlich werden zu lassen zum Thema «Wie kann man sich Komposition als etwas Geistiges vorstellen?» Eine Auslegeordnung zu schaffen, im Rahmen derer man genau diese Frage verhandeln kann, scheint mir die Intention dieses ganzen Projekts zu sein, und diese Erwartung ist natürlich ein stückweit immer in die verschiedenen Akteure mit eingetragen, die dann die Verhandlung de facto innerhalb der Konstellation, die das Hörspiel abbildet, realisieren. 4 Vorwort Haben Sie auch schon mal einen dämlichen Popsong für Stunden mit sich im Kopf herumgetragen? Dieser Ohrwurm geht nicht einfach so weg, nein, die Musik im Kopf bleibt. Diese «Hirnmusik», wie ich sie nenne, lässt sich auch bewusst hervorrufen. Interessant für uns Klanggestalter und Musizierende: sie lässt sich durch reine Vorstellungskraft nach Lust und Laune kreieren, und durch blosses Denken transformieren. Wir können in Gedanken akustisch in einen einzelnen Ton hinein zoomen, einzelne Instrumente und Klänge extrahieren, weglassen, hinzufügen, modulieren und die Lautstärke anpassen. Für Musiker und Komponistinnen tagtägliches Brot, müssen sie doch im Prozess der Kreation originäre Ideen umsetzen, die sie unter anderem im Kopf haben. Wie hören sich imaginierte Klangereignisse an? Welches Potential steckt in diesen mentalen Kompositionen? Welche musikalischen Perspektiven eröffnen sich damit? Lässt sich die Musik im Kopf anzapfen, um sie im Lautsprecher hören zu können? Die mentale Spielerei ist zugleich Motivation für den Autor, sich mit dem Thema vertieft auseinanderzusetzen. Die vorliegende Arbeit «Hirnmusik» befasst sich mit dem Phänomen der «Musik im Kopf». Sie geht der Frage nach, wie gewollt und ungewollt imaginierte Musik wahrgenommen wird, und wie sich Komponistinnen, Klangkünstler und Musiker Kraft der eigenen Vorstellung diese mentalen Klangbilder für ihr eigenes Musikschaffen zunutze machen. Es wird zudem die Frage gestellt, wie man sich Komposition als etwas Geistiges vorstellen kann, und ob zukünftige Neurotechnik eine Übersetzung dieser Hirnmusik in Schallwellen möglich macht. Das Thema wird dabei aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, und mittels unterschiedlicher Methoden fassbar gemacht. In qualitativen Interviews geben Musikschaffende Einblick in ihre persönliche Wahrnehmung von Musik im Kopf. Die ausgewählte Literatur aus den Disziplinen Musikwissenschaft, Philosophie, Neurowissenschaft und Psychologie soll das Anliegen der Arbeit untermauern und Aussagen aus den Interviews kontextualisieren. «Hirnmusik» nimmt insbesondere Bezug zum Forschungsbereich «Auditory / Musical Imagery», indem die inneren Hörbilder und das Phänomen der Musik im Kopf aus unterschiedlichen Disziplinen untersucht werden. Künstlerische Arbeiten und Ausschnitte aus anderen Medien verweisen auf die gesellschaftliche Dimension des Themas. Und mit Musik- und Klangexperimenten geht der Autor der eigenen Wahrnehmung nach. Die Arbeit «Hirnmusik» kann in unterschiedlicher Form gehört und gelesen werden. Im Zentrum steht das Hörspiel, das sich idealerweise auf guten Kopfhörern oder Lautsprechern geniessen lässt. Das vorliegende Hörspielskript dient als Anleitung für die eigene innere, akustische Imagination der Lesenden, oder als Begleittext zum Gehörten, angereichert mit zahlreichen Kommentaren, Reflexionen und Referenzen. Die bearbeiteten Interviews liegen als Audiodateien bei. Sie lassen sich gezielt einzeln oder als mehrstündiger Hörmarathon zu Gemüte führen. Master of Arts in Transdisziplinarität «Neues entsteht an den Rändern oder an den Schnittstellen und Reibungsflächen zwischen traditionellen Disziplinen – sei dies in den Künsten, den Wissenschaften oder in einer alltäglichen Lebenspraxis. Der Master Transdisziplinarität widmet sich diesen Schnitt- und Nahtstellen und nimmt vor dem Hintergrund einer Kunsthochschule eine Scharnierfunktion zwischen unterschiedlichsten Disziplinen in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft wahr. Transdisziplinarität erscheint als eine Form der Zusammenarbeit, die innovative Perspektiven, Fragestellungen und Lösungen eröffnet.« Aus der Beschreibung des Master Studiengangs Transdisziplinarität. (www.zhdk.ch. 2015) Autorschafltiche Perspektive Mein direkter Bezug zum Thema liegt in meinem eigenen künstlerischen Schaffen. Mich interessiert die Kreation von äusseren und inneren Klangphänomenen aller Art. Mit meiner langjährigen Hör- und Praxiserfahrung als Klangkünstler und nach vielen Experimenten mit Lärmmusik hat sich mein Gehör, respektive mein Gehirn, insofern sensibilisiert, dass ich zum Beispiel Lärmquellen schnell als musikalische Klangkörper erfassen kann und diese somit in erweiterteren Kategorien höre, als andere Menschen mit weniger «musikalischer» Lärmerfahrung. Dieser jahrelange auditive Lernprozess bildet sich unter anderem auch in der Präzision ab, wie Musik in meinem Kopf klingt. Wie beim Lernen einer Sprache wird das Vokabular vergrössert und die Grammatik verfestigt. Insbesondere ein seit 2009 laufendes Musikprojekt namens MRI hat mich auf aktuelle Forschungsfragen der Neurowissenschaft aufmerksam gemacht. Im Projekt MRI befasse ich mich, zusammen mit der Musikerin Patricia Bosshard, mit dem Magnetresonanztomographen als Musikinstrument. «Patricia Bosshard und Simon Grab benutzen in ihrem Projekt MRI ausschliesslich aufwändig produzierte Tonaufnahmen eines Magnetresonanztomographen. In der Tradition der Musique Concrète werden die rohen Töne in ihrer Radikalität belassen. Die eigentliche Transformation geschieht in der Schichtung dieser reichhaltigen Klänge. Grab und Bosshard komponieren damit ein grossartiges, dichtes Klanguniversum, welches stilistisch von minimalem Ambient bis hin zu derbem Noise reicht – eine Musik, die in die tiefsten Schichten des Hirns vordringt und die Moleküle zum Tanzen bringt.» (Everest Records. 2010) Für die Tonaufnahmen legten wir uns selbst in die Röhre und lauschten der Maschine, die durch starke Magnetfelder unsere Protonen auszurichten vermag. Die Vorstellung, dass im Moment des Scans ein eigentliches Eindringen in das Innere des Hirns geschieht, löste lange Diskussionen um Möglichkeiten und Grenzen der Hirnforschung aus. Aus einer kritischen Perspektive, aber auch als interessierter Nutzer neuer Technologie, beobachte ich seither die neusten Errungenschaften im Bereich Brain-Computer Interface. Was mich endgültig dazu brachte, mich vertiefter mit der Materie auseinanderzusetzen, war die neurowissenschaftliche Publikation des Artikels ’Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex’ (Pasley et al. 2012). Forscher konnten im Hirn gehörte Sprache rekonstruieren und hörbar machen. Da ich mich zuvor nicht wirklich mit neurowissenschaftlichen Details auseinandergesetzt hatte, war ich einerseits etwas schockiert ob meinem Nichtwissen, wie fortgeschritten dieser Forschungsbereich tatsächlich ist, und anderseits fasziniert ob der Tatsache, dass sich da etwas zu realisieren scheint, worauf bisher nur Science Fiction Zugriff hatte. Nach weiteren Nachforschungen kam ich zum Schluss, dass es wohl nicht mehr lange geht, bis komplexere Klangphänomene wie Musik rekonstruierbar sein werden. Denn die Erkenntnisse aus der Hirnforschung sind vielversprechend, werfen aber zugleich viele Fragen auf. Was medial zu hören ist, klingt zuerst mal nach Superlative und Frankenstein, und richtet sich wohl eher an die Sponsoren. Beim nüchternen Hinschauen sind die Resultate nur halb so spektakulär, zeigen aber in eine Richtung, die mich zu folgender Behauptung treibt: Menschen werden in naher Zukunft imaginierte Musik mittels Neurotechnik hörbar machen können. Etwas salopper gesagt: das angezapfte Hirn spielt die Musik im Kopf direkt in den Lautsprecher. Natürlich hält sich meine Technologiegläubigkeit in Grenzen und ich lehne mich mit der Behauptung sehr weit aus dem Fenster. Je weiter die Hirnforschung kommt, desto komplexer scheint das Hirn. In kleinen Schritten werden Erfolge gefeiert, die Lichtjahre entfernt sind vom Gedanken lesen. Ich stelle deshalb die ‚nahe Zukunft’ auch nicht in ein definiertes Zeitverhältnis. Ich stürze mich viel lieber in die Fiktion, mit Bezügen zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, untermauert mit Aussagen von Komponistinnen und Musikern, und gespickt mit philosophischen Reflexionen. Hörspielperspektive «I believe in intuition and inspiration. Imagination is more important than knowledge. For knowledge is limited, whereas imagination embraces the entire world, stimulating progress, giving birth to evolution. It is, strictly speaking, a real factor in scientific research.» (Einstein. 1931) Für Hirngespinste ist die Kunst da! Ich definiere meine Arbeit als Hörspiel, um grösstmögliche gestalterische Freiheiten zu geniessen, wobei eine Bezeichnung wie ’Hybrid zwischen Hörspiel und Radiofeature’ durchaus seine Berechtigung hätte. Hörspielgeschichtlich steht das Stück in der Tradition des ’Neuen Hörspiels’ (Schöning. 1969). Im radiophonen Stück verflechte ich Dokumentarisches mit Fiktionalem. So stehen prägnante Aussagen aus Interviews als O-Ton neben fiktiven Szenarien in der Zukunft. In der Montage werden reflexive Momente und Experimente verwoben. Reale und imaginierte Arbeitsumgebungen von Forschenden vermischen sich. Literarische Zitate, Samples aus Musik und Film werden parallel in das Feature montiert. Wie kann man sich Komposition als etwas Geistiges vorstellen? Um einer Antwort näherzukommen, ob Komposition als etwas Geistiges überhaupt vorstellbar ist und auch zu etwas taugt, müssen wir die Unterschiede zwischen äusserer physikalischer Musik und imaginierter Musik herausschälen. Mentale Musik ist ein Klangphänomen, das ich in den üblichen musikalischen Parametern wie Klangfarbe, Tonhöhe, Dauer, Tempo, Lautstärke, inklusive Raumakustik hören und beschreiben kann. Im Unterschied zur äusseren Musik, die durchs Ohr zuerst als pure Schallwelle ankommt und erst im Hirn ihre Bedeutung als Musik erhält, muss imaginierte Musik im Kopf aktiv erstellt werden. Was ist das spezifisch Andere? Was ist gleich? Was heisst geistige Komposition? Lässt sich das Phänomen in Worte fassen? Sprechen wir dabei von einer Metapher? Ist Musik im Kopf tatsächlich Musik? Eine Auslegeordnung Das Phänomen Musik im Kopf wird an den Begriffen Imagination, Übersetzung und Darstellung geschärft. In der im Hörspiel geschaffenen Auslegeordnung beziehen Personen und Figuren aus unterschiedlicher Sicht und Disziplin Position zum Thema. In der Montage und Gegenüberstellung entsteht ein fiktiver Dialog zwischen den Akteuren. Fiktion wird als reale Möglichkeit verhandelt, reale Wahrnehmung wirkt in der Beschreibung fiktiv. Das Mäandrieren zwischen diesen Polen und das Vermischen oder Verwischen derselben soll die Auseinandersetzung mit dem Thema produktiv machen und in Schwingung versetzen, damit am Schluss neuartige Musik herauskommt. Imagination Die Auseinandersetzung mit Imagination bedingt eine Reflexion über das Gehirn und unser Verständnis von Identität. Sich etwas vorstellen, also etwas vor sich hinstellen, bedeutet eine Distanznahme vom Ich zu etwas Anderem. Imagination heisst Verbildlichung, es wird also ein Bild, ein Objekt aus Etwas gemacht, heisst also, dass schon die Vorstellung eine Übersetzung von etwas Anderem ist. Dieses Andere lässt sich als ein Konstrukt beschreiben, das dem Geist oder der Seele entstammt, oder dem Unbewussten, wobei dieses Konstrukt sich auf ein existierendes Objekt aus der physikalischen Welt bezieht, an ein Objekt aus der Vergangenheit erinnert, ein neu kreiertes Objekt ist, oder ein existierendes Objekt kopiert (Godøy, R. I. et al. 2001). Diese Formen von Imagination werden in diesem Hörstück verhandelt. Mein Hauptinteresse gilt der Form, die der Vorstellung eigen ist, die also in der physikalischen Welt (noch) nicht repräsentiert ist. Die Akteure im Hörspiel versuchen ihre Wahrnehmung zu beschreiben, versuchen das Spezifische der Imagination in Worte oder Klang zu fassen. Übersetzung In diesen erwähnten Eigenheiten der imaginierten Musik sehe ich ein Potential für neue musikalische Zugänge. Ich befasse mich deshalb mit der Frage, wie sich solche imaginierten Klangereignisse in hörbare Schallwellen umsetzen lassen könnten. Die bisher bekannten Methoden: Melodien im Kopf können wir singen, Harmonieabfolgen instrumental spielen, in Gedanken komponierte Orchesterwerke lassen sich auf Papier notieren und anschliessend interpretieren. Technische Errungenschaften wie Tonaufnahmegeräte, elektronische Instrumente und Computersoftware erleichtern den Kompositionsprozess, und bringen zugleich auch neue Musik zu Tage. Musique Concrète, Elektroakustische Musik bis hin zu aktueller Computermusik beziehen einen Teil ihrer Innovationskraft aus technologischen Fortschritten. Frank Zappa sagte im Interview mit John Diliberto vom Magazin Emusician über sein Synclavier (eines der ersten programmierbaren Sampler-Instrumente): «Forget about the orchestra. It’s beyond the orchestra. Because what this enables me to do is the same thing a painter gets to do. You get to deal with the material in a real and instantaneous way. You go boop and it’s there. You don’t sit down and write it outpainstakingly over a period of years and have the part copied and hope that some orchestra will have enough time to devote to a rehearsal so they come within the vicinity of what your original idea is. There is no doubt about it that if you can play on this thing and hear what you’re playing, you have total control of your idea.» (Emusician, 1986) Auch der Zürcher HipHop-Produzent Maloon TheBoom bestätigt eine Vereinfachung der Ideenumsetzung durch die Musiksoftware Fruity Loops: «I think FruityLoops has a very easy way to work, I don’t have to think about what I have to press or where to put things, I can just flow the sounds directly from my head.» (thefindmag.com. 2014) Dass der musikhandwerkliche Prozess vom Gedanken bis zur schallgewordenen Umsetzung erst die kompositorische Essenz zum Vorschein bringen kann, bestreite ich hier nicht. KomponistInnen mit geübter Vorstellungskraft bezeichnen ihre fertigen Kompositionen als sehr nahe an der ursprünglichen Vorstellung. (Grab. 2015) Trotzdem stelle ich die Frage nach den Möglichkeiten einer direkteren Übersetzung von Imagination in Schallwellen, denn schliesslich weiss ich jetzt, was aus den Labors der Neurotechnologen versprochen wird. Einer der Akteure im Hörspiel ist die Maschine. Eine Hirnmusikmaschine. Sie ist imstande, imaginierte Musik eines Hirns in Schallwellen zu übersetzen. Dabei geht es mir nicht um das Zelebrieren des Geniemythos, bei dem der grosse Komponist das gesamte Werk schon perfekt im Kopf hat und die absolute Musik nur noch auszuspielen braucht. Im Gegenteil: musikalische Ideen im Kopf sind in meiner Wahrnehmung häufig erst nur als Fragmente vorhanden, ungewollte Wiederholungen erschweren den Kompositionsfluss. Klangmüll, aussermusikalische Elemente und Referenzen aus der Erinnerung mischen sich dazwischen, als wollten sie immerfort darauf hinweisen, dass es das Original nicht gibt. In polyphone Klänge oder gesamte Orchester können wir in Gedanken akustisch hineinzoomen, einzelne Instrumente extrahieren, weglassen, hinzufügen und die Lautstärke anpassen. Diese Unterschiede zu äusseren musikalischen Möglichkeiten gilt es, wie schon erwähnt, herauszuschälen und auf ihr Potential zu prüfen. Meine Behauptung, dass eine solche Hirnmusikmaschine in naher Zukunft mittels Neurotechnik realisierbar sei, lässt sich hier nicht sinnvoll beweisen. Die neurowissenschaftliche Forschung bietet wohl auch in Zukunft keine direkten Lösungsansätze für eine Hirnmusikmaschine, aber sie ist in vielfältigen Teilbereichen tätig, deren Forschungsresultate mir genügend Anlass geben, ein solches Szenario im Hörspiel zu schaffen, um damit eine Diskussion in Gang zu bringen. Aktuelle Grossprojekte der Hirnforschung deuten auf einen Wissensschub durch die Verbindung von riesigen Datenmengen von Forschungsresultaten hin. Ein Ziel ist die Kartierung des Gehirns, und somit das Verfügbarmachen von neuen Wissenskombinationen. Der Bioethiker und Neuroinformatiker Markus Christen schreibt dazu: «In der Geschichte der Menschheit haben wahrscheinlich nie zuvor derart viele Wissenschaftler das Gehirn studiert. Diese Beobachtung bezieht sich nicht nur auf grundlegende biologische Forschung und Neurologie, auch verwandte Bereiche experimentieren mit Theorien und Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft. […] Diese vielfältigen Forschungsaktivitäten generieren riesige Mengen von Daten und wissenschaftlichen Arbeiten auf allen Ebenen der neuronalen Organisation: Genexpression in Neuronen, neuronale Verbindungen, mit bildgebenden Verfahren erfasste Gehirnaktivitätsmuster, menschliches und tierisches Verhalten, um nur einige Aspekte zu nennen. […] Da es nicht möglich ist, die individuellen Verbindungsmuster von Nervenzellen im menschlichen Gehirn auf dieselbe Art und Weise zu ‹entschlüsseln› wie wir heute das Genom einer Person sequenzieren können, werden Neurowissenschaftler Werkzeuge brauchen, die ihnen sagen, wonach sie im realen Gehirn suchen müssen. Simulationen und Landkarten könnten sowohl zu ‹Integratoren› von Wissen oder zu ‹Linsen› werden, durch welche die Wissenschafter schauen, um die Komplexität des Gehirns zu erfassen. Das ist in der Tat eine faszinierende Idee, und einer der wenigen gangbaren Wege, den Graben zwischen erhobenen Gehirn-Daten und realen Anwendungen der Neurowissenschaft zu überbrücken.» (SWI Swissinfo.ch. 2015) Darstellung Das Sprunghafte, das Abrupte, das Assoziative, das ineinander Verweben von Gedanken und Klang, all dies schlägt sich in der formalen Umsetzung des Hörspiels nieder und verweist auf die Art und Weise, wie solche Fragmente in meiner Imagination repräsentiert sind. Das produzierte Hörspiel ist nur eine Variante der Klangrealisation, mit der Intention, Sie als Hörer oder Hörerin möglichst präzise an meiner Wahrnehmung und meiner Klangidee teilhaben zu lassen. Eine unterschiedliche Montage, eine andere klangliche Ästhetik ist immer denkbar und möglich. Eine eindeutige Übersetzung von der Produktion zur Rezeption ist aber auch insofern nie möglich, als das Gehörte immer auch einer individuellen Interpretation unterliegt, denn Schallwellen werden erst im Hirn zu bedeutvollem Klang verarbeitet. Muss damit der Begriff der Autorschaft auf ein Neues diskutiert werden? Auch beim Durchlesen des Hörspielskripts werden Sie selber zur Hörspielmacherin oder zum Hörspielmacher. Geben Sie den Personen und Figuren in Ihrer Vorstellung eine Stimme, dem beschriebenen Sound eine Klangfarbe und einen akustischen Raum. Versuchen Sie die Tonhöhe einer Stimme zu ändern, oder die Lautstärke eines imaginierten Elements anzupassen. Hören Sie auch auf die eigenen Assoziationen, die in die Geschichte unaufgefordert reinspringen, und achten Sie darauf, in welchen Momenten Sie eine Gefühlsäusserung wahrnehmen, oder welche klanglichen Elemente persönliche Erinnerungen hervorrufen. Akteure Es spielen mit: Das Hirn: Kurt Grünenfelder, Sprecher und Schauspieler, Rikon Die Pflegerin: Carine Kapinga, Schauspielerin und Tänzerin, Zürich Der Radiomoderator und Autor: Simon Grab, Klangkünstler, Zürich Die Maschine: Computer und diverse analoge Synthesizer Als sich selber sind zudem zu hören: Jens Badura, Philosoph, Zürich Patricia Bosshard, Komponistin und Violonistin, Lausanne / Paris Dan Suter, Tonmeister, Zürich James S. Adams, Lärm-Musiker, Washington DC Isabel Mundry, Komponistin, Zürich Raed Yassin, Improvisator und Künstler, Beirut Bernd Schurer, Komponist und Computermusiker, Berlin / Zürich Martin Bezzola, Klanggestalter, Zürich Christoph Grab, Jazz-Musiker, Zürich Jörg Köppl, Klangkünstler, Zürich David Chazam, Pop Experimentator, Brüssel Rolf Inge Godøy, Musikwissenschaftler, Oslo Freya Bailes, Musikwissenschaftlerin, Hall UK Rudolf Eber, Lärm-Musiker, Tokyio Dave Phillips, Performance-Künstler, Zürich José Garcia, Chemiker und Naturheilpraktiker, Genf Mike Hamerski, Musiker, Warsaw Willi Grab, Aromatiker, Orpund / unterwegs «Hirnmusik» ist die Diplomarbeit des Autors Simon Grab im Studienbereich Master of Arts in Transdisziplinarität an der Zürcher Hochschule der Künste 2015. Simon Grab ist Mitbegründer des Tonstudios ganzerplatz. Er produziert als Komponist und Klanggestalter Musik und Ton für Spiel- und Dokumentarfilme, Theater und Radio. In Live Performances und Installationen nutzt Grab mit seinem Sound den Raum als akustische Spielwiese. Er fühlt sich dort zuhause, wo Neues entsteht und Grenzen verwischt werden. 5 Prolog Der Autor, das «Über-Ich» des Hörspiels, stellt sich die Geschichte vor. Sie beginnt mit einer regelrechten Hirnwäsche, mit einem Ohrwurm aus der Popwelt. Abrupt wird der Song unterbrochen. Zu hören sind nur der Atem des Autors. Und sein Tinnitus. SOUND Kurze Stille SOUND Harter Schnitt. Refrain Fragment von Aqua «I’m a Barbie Girl» DER AUTOR (Atmen) SOUND Simon Grab, <eintritt>. Verfremdung des Atmens durch ein Mundstück eines Blasinstruments, mit viel Hall. Dazu ein orgelähnlicher elektronischer Clusterklang der asynchron, aber auch langsam pulsiert. SOUND Simon Grab, <egypt> 6 SOUND Tinnitus, ein hochfrequenter Ton ca 11kHz, langsamer fade in. Mit weiteren leicht verschobenen und auf rechts und links verteilten Frequenzen modulieren. DAS HIRN (Aus Dürrenmatt <Das Hirn>. Stimme aus kleinem Lautsprecher) Ein zweites «Ich». Aber woraus besteht es? Womit denkt sein «Ich»? Es hat Atome, die aus einer Wolke von Atomen und Molekülen bestehen, und Moleküle, die aus Atomen bestehen, sein «Ich» muss aus einer komplizierten Anordnung von Atomen und Molekülen bestehen, sein «Ich» muss etwas Räumliches sein, ein überaus komplizierteres Gebilde als alles, was es bis jetzt gedacht hat. SOUND Transformation in Radio Rauschen, Frequenzbandsuche Über-Ich Der Autor begibt sich selber ins Hörspiel, wird zur Figur. Die Geschichte wird von ihm modelliert und überwacht. Die Akteure werden von ihm entworfen, entstammen also seiner Vorstellung. Sie sind Veräusserungen seiner eigenen Identität. «Das Über-Ich kann im Freud’schen Strukturmodell der Psyche vereinfacht als die moralische Instanz oder auch das Gewissen angesehen werden und stellt den Gegenspieler für die elementaren Lusttriebe des Es dar. Freud sprach von dieser Instanz als einer Zensur. Es wird in der frühen Kindheit (bis zum 6. Lebensjahr) gebildet und enthält die (moralischen) Normen und verinnerlichten Wertvorstellungen der kulturellen Umgebung, in der das Individuum aufwächst (insbesondere die der Eltern). Das Über-Ich entsteht durch Angleichen der eigenen Person an andere, mit denen sich dieser Mensch identifiziert. Dieser Prozess wird fachsprachlich als Introjektion bezeichnet. Wenn ein Mensch zu denken beginnt, geschieht dies bereits unter dem Einfluss des Über-Ichs und der darin enthaltenen grundsätzlichen Wertvorstellungen. Da er diese als seine ureigenen empfindet und er seine persönliche Identität aus ihnen bezieht, kann er sich durch rationales Denken nur sehr bedingt von ihnen distanzieren oder emanzipieren. Das Über-Ich fungiert in der menschlichen Psyche nach Freud als eine Kontrollinstanz, deren Ziel es ist, durch Selbstbeobachtung das eigene Verhalten in Übereinstimmung mit dem Idealbild zu bringen.» (Wikipedia. 2015) Tinnitus Kaum setze ich mich an einen ruhigen Ort, meldet sich mein seit Jahren treuer Begleiter, der Tinnitus. Er tritt bei mir konstant als hoher Pfeifton in Erscheinung. Er ist jeweils stärker in Stresssituationen und in Momenten von starken Rückenbeschwerden. Durch Entspannung und Konzentration bringe ich die Lautstärke des Tinnitus auf ein akzeptierbares Minimum, oder vergesse hinzuhören. Ausserdem kann ich den Ton mit weiteren Frequenzen modulieren. Ich glaube, ihn als zwei einzelne Monoklänge in jeweils einem Ohr wahrzunehmen. Der Ursprung des Tinnitus ist nach wie vor ungeklärt. Dr. Christian Wolf fasst den Wissensstand folgendermassen zusammen: «Der Auslöser von Tinnitus ist häufig ein Defekt wie zerstörte Haarzellen im Innenohr. Die eigentliche Ursache suchen Forscher mittlerweile aber im Gehirn. Einer weit verbreiteten Theorie zufolge entsteht Tinnitus durch Umbauvorgänge im Gehirn: Die noch intakten Frequenzen im normalen Hörbereich werden in der Hörrinde überrepräsentiert – das Klingeln entsteht. Möglicherweise sind neben der Hörrinde noch andere Hirnareale an dem Entstehen des nervtötenden Geräuschs beteiligt. Limbische Regionen etwa könnten zur negativen emotionalen Färbung des Klingelns im Ohr beitragen. Zumindest chronischer Tinnitus gilt als unheilbar. Therapien wie das Retraining zielen daher darauf ab, dass sich Betroffene an das Klingeln im Ohr gewöhnen und ihm so weniger Bedeutung geben.» (Wolf, Christian 2012) Kurze Stille Damit ich mir Klang detailliert vorstellen kann, benötige ich absolute Stille. Aussengeräusche lassen bei mir den imaginierten Klang entweder verschwinden oder in den Hintergrund rücken. Sind diese Aussengeräusche vorhanden, sind sie immer in Konkurrenz zu inneren Klangereignissen, ausser ich will diese bewusst in die mentale Komposition miteinbeziehen. Die räumliche Vorstellung leidet ein wenig unter den Aussengeräuschen, der imaginierte Klang verliert an Tiefe. «I’m a Barbie Girl» Radio-Intro Radiosendung: Der Radiomoderator als <mediale Person, als das äussere Ich> des Hirns. Er moderiert seine eigene Radiosendung, wobei wir ihn nur zu Beginn der Sendung kurz hören. Das Thema Ohrwurm steht im Fokus der Sendung. Interviewfragmente SOUND Radio Jingle der Sendung «Brain Cast»: Musikalisches Signet. Big Band Bläser Formation, TV Show Musik. Von Computerstimme gesprochen: «Braincast! Life and direct from my brain to your ears!» Der Song «I’m a Barbie Girl» von Aqua ist ein häufig zitierter Ohrwurm. Der Loop ist Teil des Refrains, der mir selber schon über mehrere Tage im Ohr hängenblieb. In der Wiederholung wirkt der Ausschnitt abstrakt. Das Wort «Girl» brennt sich durch einen besonders penetranten Frequenzgang ein. Achten Sie darauf, wie lange der Sample noch in der nachfolgenden ruhigen Sequenz nachklingt. Das Thema Ohrwurm wird im nächsten Kapitel ‹Radio - Intro› ausführlicher verhandelt. Atmen Können Sie sich das Atmen als Klangereignis vorstellen, ohne dass diese Vorstellung an die eigene Atembewegung gekoppelt ist? Für mich schwierig, zumal es sich im Stück um das Atmen des Autors handelt, also um mein eigenes Atmen. Um eine Entkopplung zu erreichen, muss ich zu meinem eigenen Atmen eine Distanz aufbauen und auf meine Erinnerung zurückgreifen: Aus unzähligen Sprachaufnahmen von anderen Personen kann ich mir das hier beschriebene Atmen im Kopf erklingen lassen. Auch die beschriebene Verfremdung erleichtert mir die Vorstellung. Dürrenmatts ‹Das Hirn› (Dürrenmatt, 1998) verhelfen der Figur, sich selber ein zweites «Ich» in Form eines Radiomoderators zu schaffen. Rauschen Neben der absoluten Stille gibt es noch eine weitere akustische Situation, die musikalische Vorstellung möglich macht: Im lauten, fast ohrenbetäubenden Rauschen lassen sich Klanggebilde im Kopf erstellen. Eine interessante Erfahrung, dass sich im Lärm wiederum ein Raum auftut. Jörg Köppl und Raphael Camenisch untersuchten 2012-2014 die individuelle Wahrnehmung während dem Hören von Rauschen. «Wird uns eine Sequenz von Weissem oder Rosa Rauschen wiederholt vorgespielt, können wir darin Muster erkennen. Allerdings hören alle etwas anderes. Dieses Phänomen vergegenwärtigt uns, wie sehr wir in unserer Wahrnehmung eingeschlossen sind. Gleichzeitig führt es uns modellhaft an den Punkt, von dem aus wir Gemeinsamkeiten und Differenzen der Wahrnehmung verhandeln können.» (audiokunst.ch. 2015) Mediale Person, als das äussere Ich Das Hirn tritt gegen ‹aussen› auf, in Form eines zweiten «Ich», in einer vom Hirn imaginierten Person: dem Radiomoderator. «Persona bezeichnete ursprünglich eine im antiken griechischen Theater von den Schauspielern verwendete Maske, welche die Rolle des Schauspielers typisierte. Der Name ist abgeleitet aus dem Lateinischen (personare = hindurchtönen). Hieraus wiederum abgeleitet ist der psychologische Begriff der Person. [...] Die Persona ist die Voraussetzung der Möglichkeit zur Kommunikation mit der Aussenwelt. Gleichzeitig dient sie auch dem Schutz des ‹individuellen Ichs› und gibt ihm die nötige Distanz. Jung arbeitete gern mit begrifflichen Gegensatzpaaren. So gesehen stellt Persona das ‹kollektive Ich› bzw. die ‹äussere Persönlichkeit› dar, während das ‹individuelle Ich› von Jung als Anima oder Animus bzw. als innere Persönlichkeit oder ‹Seele› bezeichnet wurde. ‹Seele› stellt damit nach Jung einen abgegrenzten Funktionskomplex dar im Gegensatz zum Begriff der Psyche als Gesamtheit aller bewussten Erlebnisqualitäten sowie aller unbewussten Phänomene. Jung sagt, das Ich sterbe, wenn die Persona zu stark werde. Es ist daher vom Standpunkt des seelischen Gleichgewichts und der seelischen Stabilität anzustreben, dass sich beide Ich-Anteile – innerer unbewusster Anteil und äusserer bewusster Anteil – die Waage halten.» (Wikipedia, 2015) Ohrwurm Der Ohrwurm bezeichnet eine ungewollte, imaginierte Musik. Hyman et al ging in der Untersuchung «Going Gaga: Investigating, Creating, and Manipulating the Song Stuck in My Head» diesem Phänomen nach: «Contrary to the belief that only obnoxious songs get stuck, we found that songs people know and like frequently became intrusive. [...] Similar to mind wandering, the return of intrusive songs depended on cognitive resources: people reported that intrusive songs returned during low cognitive load activities, and we found that overloading the cognitive systems with challenging activities increased intrusive song frequency. [...] intrusive songs frequently reflect environmental priming and cuing. Listening to a known song is often enough to start an intrusive song cycle. But other cues, such as hearing words that remind a person of song lyrics, may bring the song to mind.[…]» (Hyman et al. 2012) Gesa Seidel trägt in ihrem Artikel «Musikalische Plaggeister» aktuelle Forschungsresultate zusammen. So zum Beispiel die Studie von Daniel Müllensiefen, Musikpsychologe am Goldsmiths College der University of London: «Er fand heraus, dass Lieder mit Gesang, vor allem in der Muttersprache, prinzipiell ein höheres Ohrwurm-Potenzial als Instrumentalstücke haben. Günstig sind ausserdem eine kurze Tondauer und kleine Intervallsprünge – sie machen Lieder eingängig. Müllensiefen und seine Kollegen identifizierten zudem zwei Hauptursachen der musikalischen Plagegeister: Assoziationen und das kürzliche oder wiederholte Hören eines Lieds. Oft reicht ein Wort, eine Tonfolge, eine Situation oder auch eine Emotion, um ein Lied aus dem Gedächtnis abzuspielen. […] Der Quälgeist hat übrigens Verwandte: musikalische Halluzinationen. Die Betroffenen haben beispielsweise den Eindruck, dass draussen eine Band spielt, die es aber gar nicht gibt. Die Ursache für solche Halluzinationen kann etwa ein Schlaganfall sein, bei dem der auditive Cortex Schaden genommen hat. ‹Beim Ohrwurm weiss der Wahrnehmende, dass die Musik nur in seinem Kopf spielt. Die Halluzination dagegen lässt sich nicht von der Wirklichkeit unterscheiden›, erklärt Müllensiefen.» (wissenschaft.de. 2015) Das Thema der auditiven Halluzinationen wird im Kapitel «Radio – Die Kranken» wieder aufgenommen. Interviewfragmente Ein zweites «Ich» Der Autor beginnt, sich die Geschichte vom Hirn, das entkoppelt vom Restkörper sein soll, vorzustellen. Er übergibt der Figur die Reflexion über die eigene Identität gleich selber. Ausschnitte aus Interviewfragen (als lockerer Leitfaden gedacht): Alltag – Der dümmste Song, der dir jemals nachgelaufen ist? – Welcher Song begleitet dich seit Jahren? DER RADIOMODERATOR Ok, back, live in the studio, in the brainstudio, we are connected directly to.. SOUND Frank Zappa. <Worms from Hell> SOUND Grandmaster Flash & the Furious Five, <The Message> PATRICIA BOSSHARD [...] C’est un morceau que je n’aime pas du tout ! [...] DAN SUTER [...] Das Züüg gaht nöd weg! Es chläbed! [...] JAMES S. ADAMS [...] I’ve got spurs that jingle jangle jingle [...] ISABEL MUNDRY [...] Das sagt nichts, weil das Entscheidende die Verschlingung mit der Harmonik ist. [...] SOUND Britney Spears, <Hit me baby one more time> Raed Yassin [...] It is much better in my head [...] Bernd Schurer [...] Ich kenn das auch nur noch in Fragmenten [...] oh Henry oh Henry [...] Martin Bezzola [...] so öppis Hypnotisches [...] SOUND Simon Grab, <02-11t10’00’00-d040210t0630> SOUND JENS BADURA Und dass auch die Erzeugung eines bestimmten Melodieverlaufs zum Beispiel viel zu tun hat mit einer Imagination, wo Einbildung stattfindet, wo also ein Bild ins Spiel kommt. Ein Klangbild. CHRISTOPH GRAB [...] innä drin tönt s’Ganze [...] DAN SUTER [...] Guete Morgä [...] JENS BADURA [...] in diesem Sinne ist die Imagination, die Vorstellungskraft, der Bereich in dem Vernunft stattfindet. Die bringt Vernunft in Gang [...] SOUND Julius Fucik, <Entry Of The Gladiators> DAVID CHAZAM [...] Le son d’une boite vide [...] cling cling... Cling cling. SOUND Lalo Schifrin, <Mission Impossible Theme> – – – – Was macht diese Songs für dich so anziehend / penetrant? Welches sind die bestimmenden Elemente eines Stücks, die hängenbleiben? Welche Musik treibt sich heute in deinem Kopf rum? Ist die Musik im Kopf manchmal lauter als die Aussengeräusche? Erinnerung – An welche Geräusche erinnerst du dich aus deiner Kindheit? – Sind es einzelne Geräusche oder sind sie eingebettet in eine Klangumgebung? – Sind automatisch andere Sinne damit verbunden? – Gibt es einen klanglichen Unterschied zu heutigen imaginierten Sounds? Musikalisches Signet Ich benutze für das Sendungssignet die Originalmusik der Comedy Show ‹Saturday Night Life› aus dem Jahr 1981. Die Radiosendung wird damit zur Show, die Ernsthaftigkeit wird gleich zu Beginn in Frage gestellt, oder zumindest mit einem Zwinkern begonnen. Grandmaster Flash & the Furious Five, ‹The Message› «Don’t push me…» Diese Worte reichen bei mir aus, um mir die Stimme von Melle Mel von The Furious Five klanglich vorzustellen. Ich kann diesen Text auch nicht mehr einfach durchlesen ohne Rhythmisierung. Er ist fest gekoppelt mit dem Musikstück. Auch die Synthesizer Sounds kommen automatisch hinzu. «Don’t push me cause I’m close to the edge I’m trying not to lose my head It’s like a jungle sometimes It makes me wonder how I keep from goin’ under» Simon Grab, <02-11t10’00’00-d040210t0630> «[…] Sometimes, the mind acts like a broken record—repetitively playing the same song over and over again. Having a song stuck in your head is a commonly experienced intrusive thought that occurs frequently for many people.» (Hyman et al. 2012) Wie eine defekte Schallplatte beschreibt Ira Hyman, Professor für Psychology, den sogenannten Ohrwurm in der Studie «Going Gaga: Investigating, Creating, and Manipulating the Song Stuck in My Head». Was geschieht, wenn man tatsächlich eine defekte Schallplatte mit Endlosschlaufe hört? Ich hatte mir genau diese Frage gestellt, als am Radio Lora wieder einmal das CD Abspielgerät austickte, und aus einem harmlosen Musikstück ein experimentelles Stotter-Stück machte. Das hier angespielte Sample ist ein Ausschnitt aus einer etwa 10-stündigen Aufnahme von Radio LoRa Zürich. Für die Nachtsendung war ein CD Mix vorgesehen. Das CD Abspielgerät hatte einen Defekt und spielte dieses Fragment mit minimalen rhythmischen Änderungen über die 10 Stunden. Tatsächlich hörte ich mir für etwa vier Stunden diesen Sound an, ging schlafen, und stellte am morgen früh gleich wieder die Frequenz ein, um noch eine Weile dem Zufall zuzuhören, bis dann jemand ins Studio ging und sich für dieses Versehen entschuldigte. Es lief mir danach für etwa vier Tage nach. Nach dieser Hirnwäsche deklarierte ich die Aufnahme als Musikstück. Das Penetrante an den Ohrwürmern liegt in der Wiederholung der kurzen Versatzstücke. Und es sind nicht immer die Refrains oder die eingängigen Melodien, die im Ohr kleben bleiben. 7 FREYA BAILES [...] Being able to imagine music is a very conveniant practical way of regulating our own mood [...] SOUND Lionel Richie, <Hello> RUDOLF EB.ER [...] Dass Stücke, die Scheisse sind, dass man die nicht bewusst hören will [...] ins Unbewusste drängen [...] dass sich die Scheisse dort verkeilt. SOUND Simon Grab, <Psychotic Fart> DAS HIRN (Singt Psychotic Fart) Letzte Runde 8 Die Pflegerin kommt in den Raum, unterbricht die imaginierte Radiosendung. Das Hirn nervt sich einen Moment lang, gesteht sich aber auch gleich ein, dass es den Besuch der Pflegerin jedesmal schätzt, auch wenn sie eigentlich nicht miteinander kommunizieren können. Sie kommt kurz in den Raum, überprüft die Maschine, und kündigt schon die schlechte Nachricht an, dass dies nun der letzte Tag sei. Das Hirn geht davon aus, dass seiner liebsten Pflegerin gekündigt wurde. Sie muss gleich wieder weiter, zu den anderen Hirnen, verspricht aber, ihr Mittagessen bei ihm zu verbringen. SOUND Simon Grab & Patricia Bosshard, <MRI Soundlibrary>. Tonaufnahme eines MRI Scanners als Maschinengeräusch SOUND Türe öffnen, Verfremdung: Langer Hall/Reverb/Filter auf O-Ton DAS HIRN [...] immer im falschen Moment kommst du rein. Kannst du vielleicht mal klopfen oder dich ankündigen in meinen Gedanken? Gleich so reinplatzen. [...] Finds ja schön, dass du immer wieder kommst. PFLEGERIN (Sie kommt leise summend herein – ihr läuft das Stück «Barbie Girl» von Aqua nach. Kommt direkt zum Hirn) Bonjour Monsieur SY, alors, avez vous deja fait de la musique aujourd’hui? (Sie ahmt die Radiomoderation nach) Hello, salut tout le monde, vous écoutez «The Braincast», la musique en direct du cerveau. [...] en fait, vous n’avez voulu tout simplement que faire de vous meme la musique. (Geht zur Maschine) DAS HIRN (Wie aus kleinem Lautsprecher. Zitiert aus Dürrenmatt, Das Hirn) «Es kommt ihm vor, als denke in seinem Hirn ein zweites Hirn, ein Hirn im Hirn, ein Ineinander von Hirnen, ein ICH im ICH.» SOUND Schaltergeräusche, vom russischen Analog Synthesizer Polivoks (Singt Psychotic Fart) Etwa so erlebe ich den Unterschied zwischen Musik im Kopf und einem Versuch, das Imaginierte zu veräussern mit der Stimme. Ähnlich den Beschreibungen meiner InterviewpartnerInnen, ist die Musik in der Imagination als Ganzes vorhanden, also gleich, wie wenn ich das Stück auf Lautsprechern abspiele. Pflegerin kommt in den Raum SOUND Simon Grab, <wavetalking> Ein Brummen ist wahrzunehmen, Sounds der Maschine. DAS HIRN Hallo, ... Hallo, ....hörst du mich? [...] DIE PFLEGERIN La machine est en bon état. Mais jusque là il y a presque rien qui sort. Je dois vous laisser aller voire les autres cerveaux qui ont aussi des petits problèmes, mais je reviens à vous à midi, bien que nous n’avons plus beaucoup de temps ensemble[...] A plus tard. DAS HIRN Was, du gehst schon wieder? SOUND Türe zu Alle Szenen entstanden in der Improvisation. Die Rahmensituation wurde vor der Aufnahme besprochen und die inhaltlichen Elemente definiert. Die Sprachaufnahmen mit den SprecherInnen fanden separat statt. Der Dialog, sofern es denn einer ist, entstand erst in der Montage. Durch die getrennte Aufnahme erreiche ich eine sofort erkennbare Distanz. Ausserdem wurde das HIRN mit einer Nahsprechaufnahme gemacht, was eine subjektive Perspektive suggeriert, die Aufnahme mit der PFLEGERIN mit einem Kunstkopfmikrofon. Mit dem Kunstkopfmikrofon ist eine realitätsnahe akustische Raumabbildung möglich.Nicht miteinander kommunizieren können Die Situation erinnert stark an Erlebnisse von sogenannten Locked-In Patienten. So schreibt Karl-Heinz Pantke als ehemaliger Locked-In Patient: «Ich war zur Statue, zur Salzsäule erstarrt. Ein wacher Geist fand sich in einem völlig gelähmten Körper gefangen.[…] Worüber ein Mensch in solch einer Situation nachdenkt? Sicherlich über vieles, nur nicht über seine Lage. Schlimm ist die Langeweile. Der Locked-In Patient ist zur totalen Untätigkeit verdammt. Eine der schlimmsten Strafen. Ich habe versucht, in Gedanken etwas an einer Fachveröffentlichung zu arbeiten. Aber dem sind enge Grenzen gesetzt. […] Im Moment des Erlebens sind Realität und Halluzination nicht zu unterscheiden, aber da es mir aufgrund des Locked-In-Syndroms nicht möglich war, das Bett zu verlassen, kann ich jede Wahrnehmung, die ausserhalb des Bettes stattfand, auf eine Halluzination zurückführen. […] » (Pantke, Karl-Heinz. 2007) Verfremdung DER VERTRAG Rückblende: Die Maschine liest den Vertrag vor. Der Protagonist muss den AGBs zustimmen, damit sein Hirn vom Restkörper getrennt werden kann. SOUND Simon Grab, <hb_lay4_scratch3> Rückblende-Musik. Abrupter Einstieg. Gleich mittendrin. Schnelle Vinylbewegungen rückwärts, in Wogen. Ein Schlund tut sich auf. Fragmente von Akkordeon. Digitales Kreischen. Feedbacks. Mehrfache Überlagerung von lärmigen und verzerrten Klängen. Übersättigt. Harter Schnitt. SOUND Simon Grab & Patricia Bosshard, <Subambi>, <Appel> Prozessierte MRI Scanner Sounds Verschwommene, im Raum stehende Klangfläche. Einzelne detaillierte, hoch- und mittelfrequente, sägezahnige Sounds, die herausstechen. Tieffrequenter Puls, Kick, durchgehend, ein wenig angezerrt. Kompressor Geräusch, ähnlich einem grossen Blasebalg. DIE MASCHINE (Weibliche Computerstimme. Im Raum. Über kleinem Lautsprecher, nahe an Kunstkopfmikrofon) Sie geben sich hiermit einverstanden, sich der Wissenschaft allumfassend als Körpersubstanz-Spender zu Verfügung zu stellen. Dieses Programm ist irreversibel. Nach der Bestätigung der allgemeinen Geschäftsbedingungen und ihrer Zustimmung zu den durchzuführenden Massnahmen wird Tür zur Aussenwelt? Oder zur nächsten Traumwelt? Referenz an Filmszene aus: Lynch, David. Mulholland Drive. 2001. Sample aus Winkie’s Szene: Tür vom Restaurant nach draussen wird geöffnet. Der von aussen eindringende O-Ton von Strassenlärm wird stark verfremdet. Der Effekt betont einmal mehr Lynchs Spiel mit der Illusion, mit der inneren und äusseren Welt, zwischen Realität und Fiktion. PFLEGERIN Die Pflegerin scheint das Gegenüber des Hirns zu sein, gewährleistet den Kontakt zur Aussenwelt. «[...] dass ein Ich niemals durch sich selbst ein Bewusstsein von sich entwickeln kann, sondern dazu notwendig der Aufforderung durch den Anderen bedarf. Aufforderung muss verstanden werden als Akt intellektuellen Handelns gleich welcher Art, sei es als Gestik, Imperativ, zwischenmenschliche Atmosphäre oder intellektueller Gegenstand. Verstanden wird Auffoderung als Impuls zur Selbstbestimmung, nicht aber Determinierung.» (Heumann, Lucia Theresia. 2009) Prozessierte MRI Scanner Sounds Medizinische Hochtechnologie ist faszinierend. Die erste Begegnung mit einem MRI Scanner fand ungewollt statt: «Patricia Bosshard and Simon Grab have both been delighted of the harsh sounds of the MRI scanner, when they ended up in the magnetic resonance tube at a hospital due to an accident. Bosshard and Grab, always in the research of the unheard, translate this unusual acoustic situation into music.» Aus dem Pressetext von Everest Records zur Veröffentlichung von Grab, Simon, and Patricia Bosshard. «MRI » Track ‹Subambi› und ‹Appel›, 2010. Wenn dieses Hörspiel in 20 Jahren nochmals gehört wird, werden die MRI Scanner nicht mehr oder anders klingen. Schon heute wird intensiv daran gearbeitet, die Lärmartefakte, wie dieser grossartige Sound benannt wird, zu minimieren. (Gehealthcare.com. 2015). Geschäftsbedingungen Neurotechnik wird zunehmend von Privatfirmen entwickelt. Anders als bei staatlichen Institutionen sind diese zwar an Richtlinien gebunden, können aber durch eine Auslagerung gewisser Entwicklungen in andere Länder diesen Richtlinien entfliehen. Dasselbe gilt für die Ausübung ethisch heikler Operationen, die zwar international diskutiert werden, aber legalistisch gelöst werden können, denn gesetzliche Leitlinien sind nicht von einem internationalen Gremium vorgegeben, sondern werden von Staat zu Staat unterschiedlich gehandhabt. Zur geplanten Kopftransplantation (!) im Jahr 2017 wird in einem Artikel des Magazins New Scientist der für dieses Vorhaben zuständige Canavero zitiert: «Another hurdle will be finding a country to approve such a transplant. Canavero would like to do the experiment in the US, but ihr Hirn vom Restkörper getrennt, optimiert, und an die Maschine angeschlossen. Ihr Hirn wird ausschliesslich zu experimentellen Zwecken im Bereich der Transmission und Rekonstruktion der auditiven Imagination benutzt. Die Schallwellen der Aussenwelt werden binaural aufgenommen und als Spektraldaten direkt auf die tonotopische Karte ihres auditiven Kortex übertragen. Sie haben das Recht auf freie musikalische Komposition. Jederzeit. Lebenslang. Ihre auditive Imagination wird rekonstruiert und ausgestrahlt. Ihr Hirn wird permanent von unnützem Wissen und Erinnerungen gesäubert. Wir priorisieren damit die Prozesse, die die Zuverlässigkeit und Genauigkeit ihres nachfolgenden Zustands garantieren. Alle nicht-musikalischen Referenzen sowie alle nicht-auditiven Sinne werden eliminiert. Letale Konsequenzen aufgrund nicht vorhersehbarer medizinischer oder psychologischer Konflikte sind nicht auszuschliessen. Dies ist die letzte Möglichkeit, aus dem Programm auszusteigen. MEDIA «This is your last chance. After this, there is no turning back» DIE MASCHINE Bitte antworten sie nach dem Signalton mit einem deutlichen JA um weiterzufahren, oder mit NEIN, um abzubrechen. SOUND Maschinengeräusche weg. Stille. DAS HIRN (Kurzer Perspektivenwechsel. Im Jetzt. Erinnert sich an den Vertrag, und daran, dass es das Einverständnis für das Experiment gab.) Ich habe etwas zugestimmt, einem Vertrag, der mir bestätigt, dass ich bis ans Ende meines Hirnseins Musik machen kann, komponieren kann. (lacht) Ja! DIE TRENNUNG Rückblende: Das Gedächtnis wird auf die Trennung vorbereitet, und dessen Erinnerung bis auf die musikalischen Referenzen gelöscht. Danach wird die Trennung vom Restkörper vollzogen. SOUND Kunstkopfmikrofon. Sounds im Raum. Maschinenvorbereitung, mechanische, hydraulische Geräusche. Maschinenarme kreisen um den Kopf. believes it might be easier to get approval somewhere in Europe. ‹The real stumbling block is the ethics,› he says. […] ‹But if people don’t want it in the US or Europe, that doesn’t mean it won’t be done somewhere else.›» (Thomson, Helen. New Scientist. 2015) Hirn vom Restkörper getrennt, optimiert, und an die Maschine angeschlossen Der Künstler Stelarc setzt sich mit dem Verhältnis von Mensch und Maschine auseinander. Das Konzept «The body is obsolete» ist häufig zentral in seinen Arbeiten. Paolo Atzori und Kirk Woolford von der Akademie für mediale Künste Köln haben Stelarc interviewt. Im 1995 erschienen Artikel beschreiben sie zuerst Stelarc Verhältnis zum Körper: «Through Stelarc’s work, we reach a second level of existence where the body becomes the object for physical and technical experiments in order to discover its limitations. When Stelarc speaks of the ‹obsolete body› he means that the body must overcome centuries of prejudices and begin to be considered as an extendible evolutionary structure enhanced with the most disparate technologies, which are more precise, accurate and powerful[…]» Im Interview wird Stelarc noch deutlicher, wenn er den obsoleten Körper erklärt: «For me the body is an impersonal, evolutionary, objective structure. Having spent two thousand years prodding and poking the human psyche without any real discernible changes in our historical and human outlook, we perhaps need to take a more fundamental physiological and structural approach, and consider the fact that it’s only through radically redesigning the body that we will end up having significantly different thoughts and philosophies. I think our philosophies are fundamentally bounded by our physiology; our peculiar kind of aesthetic orientation in the world; our peculiar five sensory modes of processing the world; and our particular kinds of technology that enhance these perceptions. [...] Perhaps it’s now time to design the body to match it’s machines. We somehow have to turbo-drive the body-implant and augment the brain. We have to provide ways of connecting it to the cyber-network. At the moment this is not easily done, and it’s done indirectly via keyboards and other devices. There’s no way of directly jacking in. Mind you, I’m not talking here in terms of sci-fi speculation. For me, these possibilities are already apparent. What do we do when confronted with the situation where we discover the body is obsolete? We have to start thinking of strategies for redesigning the body.[…]» (Atzori, Paolo and Woolford, Kirk. 1995) Tonotopische Karte ihres auditiven Kortex Der aktuelle Wissensstand besagt, dass der auditive Kortex die gehörten Schallwellen nach Frequenzen analysiert und diese in elektrische Ströme umwandelt. Als Nächstes soll untersucht werden, wie andere Klangmerkmale vom Hirn verarbeitet werden: «The auditory system receives input from the organ of Corti in the inner ear. Hair cells are laid out along the length of the basilar membrane, spiralling along the windings of the cochlea. The nerve fibres that synapse with the hair cells retain this essentially one- dimensional cochleotopic organisation, all the way up to the auditory cortex. Because the mechanical properties of the basilar membrane gradually change along its length, hair cells are tuned to progressively higher frequencies when traversing the cochlea from its apex to its base. Thus, the inner ear acts as a sound frequency analyser, and sound information is transmitted centrally along numerous frequency channels in parallel […]. Due to this frequency-place code, cochleotopy is more commonly referred to as tonotopy […] in the neuroimaging literature. The ability to determine tonotopic maps not only serves to gain insight in the functional organisation of the auditory system regarding frequency processing, which may be argued to be one of the most basic functions it performs. Besides that, it provides a tool to parcellate the central auditory system into meaningful subdivisions of which the distinct properties can be studied with regard to acoustic features other than frequency, as well as non-acoustic factors like attention. Multiple tonotopic progressions can be found in various subdivisions of the auditory nuclei in the brainstem, midbrain, and thalamus, and in the auditory cortex of the cerebrum […]. Currently, frequency is the only acoustic parameter that is unequivocally held to be topographically mapped, although other parameters like sound intensity […], tuning bandwidth […], and modulation rate[…] have been suggested to form complementary maps.» (Saenz, Melissa, and Dave R.M. Langers. 2014) Von unnützem Wissen und Erinnerungen gesäubert SOUND Simon Grab & Patricia Bosshard, <Marteau>, <Ambiencore> Während in der Psychiatrie im Bereich der gezielten Gedächtnislöschung die medikamentöse Behandlung untersucht wird, prüfen Forscher im Bereich der Biotechnologie mittels Experimenten an Mäusen, wie die Löschung von bestimmten Neuronen Angstzustände eliminieren kann. «Research focused on gaining a better understanding of what memories are has been going on for many years, in this way so has research in memory erasure. The basis for the recent history for memory erasure has been focused on determining how the brain actively keeps memories stored and retrieves them. There have been several instances where researchers found drugs that when applied to certain areas of the brain, usually the amygdala, have relative success in being able to erase some memories. As early as 2009 researchers were able to trace and destroy neurons involved in supporting the specific type of memory that they were trying to erase. This caused the erasure of the target memory.» (Wikipedia, 2015) Kritische Stimmen hinterfragen die Stossrichtung der Hirnforschung: «While getting rid of horrible memories sounds great, the research needed to fine-tune this process may require subjects to risk the loss or alteration of other, wanted memories. How much risk should these research subjects be allowed to take? The answer must take into account the dangers not only to their health but also to their sense of personal identity and selfhood.» (MIT Technology Review, 2013) Die Argumentation der Forschungsindustrie ist meist die Genesung von kranken Menschen. Hirnschäden sollen sollen repariert werden, Parkinsonpatienten erhalten ein Stimulationsimplantat, Kriegstraumata sollen durch gezielte Erinnerungslöschung eliminiert werden. Da stellt sich schon die Frage, wie wir denn menschliches Leben definieren, oder anders gefragt, wer denn diese Definition vornimmt. Welche Hirnbereiche gehören zum «ICH», und welche Modifikationen lassen wir zu? Patricia Scripko, Neurologin und Bioethikerin meint dazu: «I believe that what is specifically human is held within the higher cortex. If you modify that, then you are not the same human and you should question whether it is ethical.» (New Scientist. 2015) Alle nicht-musikalischen Referenzen sowie alle nicht-auditiven Sinne werden eliminiert Im Artikel «Pruning of memories by context-based prediction error» wird die Wichtigkeit des Vergessens betont. Das Vergessen dient der optimalen Fokussierung auf das Wesentliche. «Forgetting is often considered to be bad, but selective forgetting of unreliable information can have the positive side effect of reducing mental clutter, thereby making it easier to access our most important memories. Prior studies of forgetting have focused on passive mechanisms (decay, interference) or on effortful inhibition by cognitive control. Here we report the discovery of an active mechanism for forgetting that weakens memories selectively and without burdening the conscious mind. Specifically, we show that the brain automatically generates predictions about which items should appear in familiar contexts; if these items fail to appear, their memories are weakened. This process is adaptive, because such memories may have been encoded incorrectly or may represent unstable aspects of the world. 9 […] The capacity of long-term memory is thought to be virtually unlimited. However, our memory bank may need to be pruned regularly to ensure that the information most important for behavior can be stored and accessed efficiently. Using functional magnetic resonance imaging of the human brain, we report the discovery of a context-based mechanism for determining which memories to prune. Specifically, when a previously experienced context is reencountered, the brain automatically generates predictions about which items should appear in that context. If an item fails to appear when strongly expected, its representation in memory is weakened, and it is more likely to be forgotten. We find robust support for this mechanism using multivariate pattern classification and pattern similarity analyses. The results are explained by a model in which context-based predictions activate item representations just enough for them to be weakened during a misprediction. These findings reveal an ongoing and adaptive process for pruning unreliable memories.» (Kim et al. 2014) psychologischer Konflikte sind nicht auszuschliessen Auch hier nochmals der Verweis auf die ethische Dimension bezüglich der geplanten Kopftransplantation im Jahr 2017 von Canavero. Dr. Hunt Batjer, gewählter Präsident der ‹American Association for Neurological Surgeons› meint: «I would not allow anyone to do it to me as there are a lot of things worse than death.» Im Artikel des Journals ScieneAlert, in dem Batier zitiert wird, steht weiter: «From speaking to several medical experts, Hootan has pin-pointed a problem that even the most perfectly performed head transplant procedure cannot mitigate – we have literally no idea what this will do to Spiridonov’s mind. There’s no telling what the transplant - and all the new connections and foreign chemicals that his head and brain will have to suddenly deal with - will do to Spiridonov’s psyche, but as Hootan puts it rather chillingly, it ‹could result in a hitherto never experienced level and quality of insanity›.» (ScienceAlert. 2015) «This is your last chance. After this, there is no turning back» Dieses Zitat aus dem Film Matrix (1999) darf natürlich nicht fehlen. Die Figur Neo kann sich entscheiden, von nun an im «anderen, dem realen, Zustand zu leben». Wie geht die Ethik mit dem Fall um, in dem der Betroffene selber die Entscheidung für diesen Eingriff trifft? Die Diskussion im Themenfeld zder Beihilfe zum gewollten Suizid, ist bekannt. Wer selber mit dem freien Willen entscheiden kann, darf sich beim Suizid helfen lassen. Aber wie DIE MASCHINE Ihr Hirn wird nun optimiert und für die Trennung vorbereitet. Bitte entspannen sie sich. DIE MASCHINE Biochemische Behandlung. Bitte entspannen sie sich. MEDIA Plötzliche Innenperspektive, der gesamte Sound wird gefiltert, die Höhen abgeschnitten. Ferne Stimmen von aussen. DIE MASCHINE Es folgt nun die Löschung nicht benötigter Daten. Erinnerungsmodus deaktivieren. SOUND Stille. DAS HIRN (Kurzer Perspektivenwechsel. Im Jetzt.) Ich hab keine Erinnerung mehr an das, was war, als ich einen Körper hatte. Ich habe aber noch eine musikalische Erinnerung vom dem Zeitpunkt an, wo..., ich... SOUND Stille. DIE MASCHINE Hirnextraktion einleiten 10 SOUND Simon Grab & Patricia Bosshard, <Paquets>, <Piano>, <rythmique> Bunte Welt der Zimmerpflanzen, <kraenker> Gewaltig, laut, Fräsen, Noise, Maschinen, MRI Scanner Sounds, brutal. DAS HIRN (Schreien) ERINNERUNGEN Der Protagonist erinnert sich an den Moment, als er zum ersten Mal realisierte, dass er nur noch Hirn war und wie er ohne Erfolg versucht hat, sich an frühere Zeiten zu erinnern. Mittlerweile hat er herausgefunden, dass er sich über musikalische Referenzen aus seinem früheren Leben ein paar Puzzlesteine zusammenstellen kann. Es ist ein Mäandrieren durch unzählige Soundenvironments, auf der Suche nach Klängen, die ihn in Erinnerung schwelgen lassen. Er experimentiert mit den gefundenen musikalischen Fragmenten aus früheren Zeiten und freut sich über die kurzen Kompositionen, die ihm eine Ahnung von Vergangenheit geben. Ansonsten gibt es für das Hirn nur die Gegenwart und die musikalische Zukunft. gehen wir mit dem Beispiel um, bei dem ein Mensch seinen Kopf transplantieren will? Der Künstler Stelarc scheint auch hier eine differenzierte Antwort zu bieten. Seine Arbeit und Haltung wird von Gary Hall im Artikel «Para-site» beschrieben: «To say, as Stelarc does, that technology ‹constructs our human nature› and that there is no natural, metaphysically and biologically given human body, is not to suggest that the relation between technology and the human is always and everywhere the same. Different technologies make possible different ways of conceiving this relation at different times. Nor is Stelarc’s function to render visible the ‹originary technicity› of the human. This would be to reduce his performances to an endless repetition of a past, and a future, that is always the same. What Stelarc performs with his investigations into how different developments in technology (robotics, the Internet, virtual reality systems, prosthetics, medical instruments and procedures) alter our conception of the human and of the human body, is the way in which technology escapes the control of its inventors to produce unseen and unforseeable changes and possibilities; and thus a future – for the self, the human, for the body and for technology – which can be neither programmed nor predicted.» Gary Hall (2002) Ihr Hirn wird nun optimiert Im Blogartikel «Disconnecting Consciousness from the External Environment» (discovermagazine.com. 2015) wird von der Studie ‹Disrupting posterior cingulate connectivity disconnects consciousness from the external environment› (Herbert et al. 2014) berichtet. Bei einem Patienten konnte durch elektrische Impulse auf gewisse Hirnbereiche eine starke Bewusstseinsveränderung reproduzierbar eingeleitet werden: «Guillaume Herbert and colleagues describe the case of a 45 year old man in whom electrical stimulation of a particular spot in the brain «induced a dramatic alteration of conscious experience in a highly reproducible manner.[…] The man had brain cancer (a diffuse low-grade glioma of the posterior left hemisphere). During the surgery to remove the tumour, Herbert et al stimulated various points on his brain to map out the areas that were functionally most important. This is a standard procedure to allow surgeons to know which bits they ought to leave intact, where possible. Most of the stimulations didn’t do much, but there was a particular point, in the white matter beneath the left posterior cingulate cortex (PCC), where the electrical pulse caused the patient to become unresponsive – to ‹zone out›, essentially – for a few seconds.» In der oben zitierten Studie von Herbert et al wird der Patient, nachdem er wieder bei ‹normalem› Bewusstsein ist, nach seiner Empfindung befragt: «Quite surprisingly, he described himself retrospectively as in a dream, outside the operating room, and was able to fleetingly report his subjective experiences (stimulation 1: «I was as in a dream, there was a sun»; stimulation 2: I was as in a dream, I was on the beach»; stimulation 3: «I was as in a dream, I was surrounded by a white landscape». No additional sites in the surrounding anatomical space were found to elicit this manifestation.[…] However, the simple mention of the event was associated with a strong emotional discharge, including crying and tremors, and finally the patient always said: «I don’t remember, I don’t want to remember»[…] Disrupting the subcortical connectivity of the left posterior cingulate cortex (PCC) reliably induced a breakdown in conscious experience.[…] He reported experiencing no rumination and no negative thought for almost a month after the surgery. He described himself in a kind of contemplative state, with a subjective feeling of absolute happiness and timelessness.» (Herbert et al. 2014) Plötzliche Innenperspektive, der gesamte Sound wird gefiltert, die Höhen abgeschnitten. Ferne Stimmen von aussen Zitat aus David Lynchs Film «Mulholland Drive». Der Traum wird zur Wirklichkeit, die subjektive Wahrnehmung nimmt überhand, die Illusion wird Realität. (Lynch, David. Mulholland Drive. 2001. Sample aus Winkie’s Szene: Man behind the wall.) Was hier akustisch beschrieben wird, soll die subjektive akustische Wahrnehmung des Protagonisten im Moment der biochemischen Behandlung zeigen. «I think we are now at a point when the technical aspects are all feasible». Dazu schreibt Thomson: «Now he claims the major hurdles, such as fusing the spinal cord and preventing the body’s immune system from rejecting the head, are surmountable, and the surgery could be ready as early as 2017. [...] It involves cooling the recipient’s head and the donor body to extend the time their cells can survive without oxygen. The tissue around the neck is dissected and the major blood vessels are linked using tiny tubes, before the spinal cords of each person are cut. Cleanly severing the cords is key, says Canavero. […] The recipient’s head is then moved onto the donor body and the two ends of the spinal cord – which resemble two densely packed bundles of spaghetti – are fused together. To achieve this, Canavero intends to flush the area with a chemical called polyethylene glycol, and follow up with several hours of injections of the same stuff. Just like hot water makes dry spaghetti stick together, polyethylene glycol encourages the fat in cell membranes to mesh. [...] Canavero intends to use brain-dead organ donors to test the technique.» (New Scientist. 2015) Kopftransplantationen wurden schon an Mäusen (Ren, X.-P et al. 2014) und Affen ausprobiert: «In 1970, the head of one monkey was placed onto the body of another at the Case Western Reserve University School of Medicine in the US. While scientists weren’t able to fuse the spinal cords, which means the monkey recipient couldn’t move its new head, it was able to achieve assisted breathing, but it died in a mere nine days following the procedure.» (ScienceAlert.com. 2015) Gewaltig, laut, Fräsen, Noise, Maschinen, MRI Scanner Sounds, brutal. Neben eigenem Sounddesign und Ausschnitten aus dem Release «MRI» (Grab / Bosshard, 2010), verwende ich hier wiederum ein Sample aus dem Film Mulholland Drive von David Lynch, und zwar aus der grossartigen Szene ‹Club Silencio›, in der am Ende der Bühnendarbietung die Protagonistin stark zu zittern beginnt. «It’s all an illusion» sagt der Mann auf der Bühne und verschwindet wie ein Magier im Rauch. (Lynch, David. Mulholland Drive. 2001) Ich lasse damit die Interpretation offen, ob sich diese Hirnextraktion tatsächlich abspielt, oder ob das nur eine Vorstellung des Protagonisten ist. In die Tonmischung kommt ein weiteres, denkwürdiges Sample aus meiner musikalischen Experimentierphase Mitte der 90er Jahre hinzu. Damals produzierte ich zusammen mit Claus Reuschenbach unter dem Pseudonym ‹Die Bunte Welt der Zimmerpflanzen› Radiosendungen im Sendungsformat ‹SO21 Kunstradio› bei Radio LoRa Zürich. Das Sample entstammt einer Aufnahme mit dem Titel ‹kraenker› (als Weiterführung der vorherigen Sendung, die unter dem Titel ‹krank› lief). Wir befassten uns mit unseren eigenen Hörgewohnheiten und setzten Lärm als musikalisches Element ein. Stundenlange Endlosschleifen von kurzen Melodiefragmenten wurden in Livesendungen manipuliert, zerhackt, verzerrt. Von ZuhörerInnen wurde diese Musik als ‹dem Wahnsinn nahe› beschrieben, weshalb ich diesen Sample gerne hier wieder verwende. Schreien Zusätzlich zum Schreien des Protagonisten wird noch ein weiteres Schrei-Sample eingesetzt, der sogenannte Wilhelm Schrei: «The Wilhelm scream is a film and television stock sound effect that has been used in more than 300 movies, beginning in 1951 for the film «Distant Drums». The scream is often used when someone is shot, falls from a great height, or is thrown from an explosion. Most likely voiced by actor and singer Sheb Wooley, the sound is named after Private Wilhelm, a character in «The Charge at Feather River», a 1953 western in which the character gets shot with an arrow. This was its first use from the Warner Bros. stock sound library, although «The Charge at Feather River» is believed to have been the third movie to use the effect. The effect gained new popularity (its use often becoming an in-joke) after it was used in «Star Wars», the «Indiana Jones» series, Disney cartoons and many other blockbuster films as well as many television programs, video games, and podcasts.» Wikipedia. 2015 Dass er sich über musikalische Referenzen aus seinem früheren Leben ein paar Puzzlesteine zusammenstellen kann. Hirnextraktion einleiten Welche psychologischen Konsequenzen könnte diese Operation haben? Die Ankündigung, dass demnächst eine Kopftransplantation stattfinden soll, provozierte einige interessante Reaktionen. Helen Thomson schreibt im Artikel «6 things you’re dying to ask about head transplants»: «Some people who have received face or limb transplants mourn the loss of their old body part or feel that their self image is conflicted. Studies show that inputs from our body, such as a heartbeat or rumbling stomach, can influence our will power, emotions and language. Who knows whether the person who comes out of the operating room would be the same as the one who went in.» (New Scientist. 2015) In einem weiteren Artikel zitiert sie Sergio Canavero, der die Kopftransplantation durchführen will, wie folgt: Kann Erinnerung überhaupt gelöscht werden? Oder wird Erinnerung auf jeden Fall irgendwo im Hirn eingeschrieben und als nicht mehr benötigte Information deaktiviert? Die US-amerikanische Militärorganisation DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) forscht intensiv zum Thema Erinnerung. Das als «Restoring Active Memory Replay» oder «RAM Replay» betitelte Programm hat zum Ziel herauszufinden, wie das Hirn Erinnerungen speichert und wiederherstellt. Gemäss DARPA geht es um die eigenen Soldaten, die von erlebten Situationen möglichst präzise berichten müssen. Die Forschungsresultate sollen dazu verhelfen, neue Kenntnisse zu erlangen, wie das Erinnerungsvermögen verbessert werden kann. Auf der DARPA Webseite wird das Vorhaben beschrieben: «A new DARPA program aims to investigate the role of neural ‹replay› in the formation and recall of memory, with the goal of help- DAS HIRN Dg dg dg dg dg... dig idig idig Ja... Es ist nicht das Knistern eines, eines, ... Feuers, sondern eines .... Jetzt hab ich schon zwei Erinnerungen... Ich hab die Erinnerung.... Ältere, jüngere, Kinder und Eltern... Zwischendurch macht es bchhhhchchchchch... Dg dg dg dg dg... Nehmen wir mal an, es würde mir etwas in den Sinn kommen, wie zum Beispiel... Darüber nachzudenken, dass ich einen Anfang hätte.... Schlaginstrumente, die verschiedene Tonarten von sich geben, verschiedene Klänge, ... Es ist ein helles Geräusch, ... Jemand schlägt mit einem Gegenstand auf einen anderen Gegenstand und... Er ruft etwas, es ist eine hohe Stimme, es könnte... Junge Frau schreit, im Hintergrund läuft ein Lied, ... Und sie singt dazu als wärs ne’ Art Karaoke, ziemlich hoch, ... Es stimmt nicht mit der Harmonie überein, aber hat so ne’ ganz eigene Harmonie, ein ganz eigener Rhythmus, ihre Stimme ist nicht wirklich ausgebildet, so klingt es, aber sie hat eine grosse Freude, und jetzt geht ihr die Luft aus. (Singt) somebody somebody... Aahh das ist doch, das, wart mal, da ist Wasser, Sand, es rauscht, Meer, Sonne, da sind verschiedene Körper, Menschen, und im Hintergrund läuft (singt) somebody somebody tsch tsch tsch tsch tsch tschschsch... Ausgelassen... Sehr freie Stimmung, (lacht) und jetzt höre ich einen dumpfes (singt) daang... Dangdang... .aber das ist nicht der, das ist nicht das Ganze, ... aber es ist eine düstere Stimmung... Dang dangdang... deng deng dengdeng, ... Genau das ist es... Ding deng dang dang dung dang... (Atmet tief durch)... (Singt) Help, I want somebody help, I need somebody help, ... (Lacht) jaaa, Help, di diii dii dii dii di... Das ist doch, das sind doch, das war doch... Das ist doch, das sind doch, ... Das ist doch die Musik von...den den den, von diesen diesen diesen, aaahh... RADIO – DIE KREATIVEN ing individuals better remember specific episodic events and learned skills. The 24-month fundamental research program, Restoring Active Memory Replay or RAM Replay, is designed to develop novel and rigorous computational methods to help investigators determine not only which brain components matter in memory formation and recall but also how much they matter. To ensure real-world relevance, those assessments will be validated through performance on DoD [Department of Defense]-relevant tasks instead of conventional computer-based behavioral paradigms commonly used to assess memory in laboratory settings. New knowledge and paradigms for memory assessment and formation could translate into improved rehabilitation and recovery for injured warfighters challenged by impaired memory. [...] Military personnel carry a growing responsibility to recount, report and act upon knowledge gleaned from previous experiences, and how well those experiences are recalled can make all the difference in how well these individuals perform in combat and other challenging situations,» said Dr. Justin Sanchez, DARPA program manager. But stored memories are not inert, Sanchez noted, and are subject to subtle forces over time. «The timeframe between a given experience and subsequent reporting or use of the memory can range from hours to months to years. During this time, physiological, environmental and behavioral factors can affect the process by which an individual’s representation of the experience is consolidated into memory, potentially affecting the accessibility and accuracy of the memory and one’s ability to make use of ‹lessons learned› later on.» […] Human memory is the result of biological processes that culminate in the formation or strengthening of neural connections in the brain. Multiple mechanisms are involved in memory formation and recall, including brain networks that govern perception, attention and emotion. Through a process known as consolidation, representations of experiences are stored in long-term memory and integrated with older knowledge and memories. [...] Of particular interest, there is growing evidence that various physiological or environmental factors may affect the degree to which replay strengthens memory circuits—and the accuracy with which it does so. That suggests the possibility of developing evidence-based means of harnessing the brain’s own replay system to improve the strength and fidelity of memory.» (darpa.mil. 2015) Nun ist die DARPA aber nicht nur an der Wiederherstellung von Erinnerung interessiert, sondern auch an deren Löschung. Laut DARPA leiden geschätzte 10 Millionen Menschen, darunter 270’000 Soldaten, unter traumatischen Hirnverletzungen. Sie unterstützen deshalb mit 70 Mio. Dollar die Entwicklung von Hirnimplantaten, welche Gefühlsregungen ‹regulieren› können: «[…] the Defense Advanced Research Projects Agency, or DARPA, awarded two large contracts to Massachusetts General Hospital and the University of California, San Francisco, to create electrical brain implants capable of treating seven psychiatric conditions, including addiction, depression, and borderline personality disorder. [...] … drugs and talk therapy are of limited use, which is why the military is turning to neurological devices, says Justin Sanchez, manager of the DARPA program, known as Subnets, for Systems-Based Neurotechnology for Emerging Therapies. [...] Initial research will be in animals, but DARPA hopes to reach human tests within two or three years.» (technologyreview.com. 2014) Freut sich über die kurzen Kompositionen, die ihm eine Ahnung von Vergangenheit geben. Radiosendung: Ausschnitte aus Interviews: KünstlerInnen erzählen von ihren kreativen Prozessen, von ihren Vorstellungen und deren Umsetzung in Kunst. Sie beschreiben ihre subjektive Wahrnehmung, versuchen das Phänomen <Musik im Kopf> in Worte zu fassen. Interviewfragmente SOUND Braincast Radiojingle DER RADIOMODERATOR (Samples aus Interviewfragen. Scratch. Unverständlich) MEDIA «But it’s our duty to realise the future with our imagination» SOUND Simon Grab, <Hut-Mantel> SOUND Pierre Schaeffer, <Solfège de l’objet sonore. Sample> Musik erlangt erst im Hirn an Bedeutung, indem die Schallwellen in Bezug gesetzt werden zu Erfahrung und Erwartung, indem das Hirn das, was es hört, in Verbindung bringt mit dem, was es vorher gehört hat, und dem, was es wahrscheinlich hören wird. Als zeitbasierte Kunst hat Musik also im Moment des Hörens oder Machens immer den Bezug zu Vergangenheit und Zukunft. «[…] there are always images of past experience and future expectancies exerting influence on what we perceive and imagine at any given moment.» (Godoy, R. I. et al. 2001). Der Protagonist macht sich dies zunutze und kann sich über die Musik seine Vergangenheit erschliessen. So jedenfalls die Behauptung des Autors. Dg dg dg dg dg... dig idig idig. 1. Anweisung an den Sprecher: Versuche, dich an Geräusche aus vergangenen Situationen zu erinnern und ahme sie nach. Erschliesse die Situation aus den Geräuschen und erzähle, was aufgrund dieser Geräusche hervorgerufen wird. Lass den Assoziationen freien Lauf und erzähle fortlaufend vom Gedachten. Versuche dich in einen Zustand zu versetzen, in dem Vergangenheit nicht vorhanden ist, in dem es nur Gegenwart und Zukunft gibt. Schlaginstrumente 2. Anweisung an den Sprecher: Reagiere auf die Einspielungen auf den Kopfhörern. Beschreibe das Gehörte als wäre es deine eigene, imaginierte Musik. Assoziere dazu mögliche Umgebungen. Daang... Dangdang.. 3. Anweisung an den Sprecher: Stell dir einen Klang vor und stell ihn in einen Raum. Versuche den Klang in der Vorstellung zu prä- zisieren bis er für dich rund klingt. Help, I want somebody help, I need somebody help, 4. Anweisung an den Sprecher: Stell dir einen Popsong vor. Versetze dich in einen Zustand, in dem du das Lied zwar singen kannst, es dir aber nicht gelingt, den Song zu kontextualisieren. Interviewfragmente Interviewfragen (Leitfaden) Beschreibung der Klanglichkeit der Musik im Kopf – Wie würdest du die Klangqualität beschreiben, Im Vergleich zur ‹äusseren› Musik? –Klangfarbe? – Wie breit ist das Frequenzspektrum der imaginierten Musik? – Ist das Gehörte Mono, Stereo, Surround? – Ist der Klang gefiltert? Wie? – Was ist das spezifisch Andere? Manipulation der imaginierten Musik – Wie sind deine Möglichkeiten, die imaginierte Musik spontan zu manipulieren? – Kannst du Soundmanipulationen erfinden und dir mögliche Resultate vorstellen? «But it’s our duty to realise the future with our imagination» Zitat aus dem Film «Bis ans Ende der Welt» (Director’s Cut. 1991) von Wim Wenders. Die Figur, Dr. Henry Farber, hat eine Maschine entwickelt, mit der die visuelle Imagination eines Menschen vom Hirn ausgespielt werden kann. Zudem kann die Maschine die, mit einer Spezialkamera aufgenommenen Bilder, ins Hirn projizieren. 11 ROLF INGE GODØY We see ourselves as a continuation of Pierre Schaeffer’s idea [...] the point of departure of research in music should be the subjective experience. [...] DER RADIOMODERATOR (Flüstert) Braincast RAED YASSIN I exactly know the sounds I can imagine how they work ISABEL MUNDRY [...] ich hör das so wie ich’s hören würde, wenn ich’s dann live höre [...] SOUND Spin of the Protons, <Installation> CHRISTOPH GRAB [...] klanglich kein Unterschied, nöd irgendwie low-fi oder beschränkt [...] BERND SCHURER [...] wie ein Mikrofon, das eine Kugel ist, so quasi mono im Kopf, oder kommt von allen Seiten [...] SOUND Simon Grab, <synth brutt> 12 PATRICIA BOSSHARD [...] Ce que j’entends dans la tête est beaucoup plus fin dans la spatialisation[...] C’est comme si j’avais une grosse boule ronde et que moi je suis au centre [...] BERND SCHURER [...] die gesamte Zeitstruktur komplett zusammenfällt im Kopf, und damit auch die Raumgeschichte und der Körper [...] DAVE PHILLIPS [...] ich chan mich an verschiedene Positionen im Ruum anestelle und ghöre dänn wie das Zügs interagiert [...] PATRICIA BOSSHARD [...] ca peut envahir toute la tête, donc ca change l’espace [...] SOUND Simon Grab, <jyi> JAMES S. ADAMS [...] I definitely have panning[...] like a doppler effect[...] Martin Bezzola [...] ich chan mir e Giige imene trochene Ruum vorstelle, imene Konzertsaal, imene Badzimmer[...] BERND SCHURER [...] sind Begriffe aus der Tontechnik, aus dem Ingenieurwesen wenig hilfreich[...] SOUND Simon Grab, <ach p4> ROLF INGE GODØY Rolf Inge Godøy ist der Autor des Buchs ‹Musical Imagery› (2001), das für mich die wohl wichtigste Literatur für diese Arbeit war. Die Idee für dieses Buch entstand im Rahmen der ‹International Conference on Systematic and Comparative Musicology› im Jahr 1999. Das Buch verhandelt das Phänomen der musikalischen Vorstellung aus unterschiedlichen Perspektiven und bietet einen fundierten Überblick zum Thema. (Godøy, R. I. et al. 2001). Pierre Schaefer’s idea Godøy spricht im Interview über den Einfluss von Pierre Schaefffers Buch ‹Traité Des Objets Musicaux› (Schaeffer, Pierre. 2002) auf seine eigene Forschung. «Pierre Schaeffer hat mit seinem theoretischem Hauptwerk, dem ‹Traité des objets musicaux›, zum ersten Mal ein sprachliches System entworfen, das es ermöglicht die neuen musikalischen Strukturen der elektroakustischen Musik zu erfassen und zu kommunizieren. Er reagierte damit vor allen Dingen auf eine Entwicklung, die er selbst angestossen hatte: Die ‹musique concrète› erforderte, da sie sich ganz gezielt rückstandslos von harmonischen Strukturen losgelöst hatte, zum einen einen neuen theoretischen Unterbau und zum anderen einen neuen Sprachschatz. Als begleitendes Material zum Traité veröffentlichte Schaeffer sein ‹Solfège de l´objet sonore› auf drei Schallplatten. Hier konnte er durch Experimente mit Klangtransformationen auf Tonband zeigen, dass es eine überraschende Diskrepanz zwischen der physikalischen Erscheinung und der wahrgenommenen Qualität von Klängen gibt. Ausgehend von dieser Feststellung entwickelte er einen Eigenschaftskatalog der Klänge, der sich eben nicht an der physikalischen Erscheinung, sondern direkt am Hören orientierte.» (Wikipedia. 2015) ISABEL MUNDRY In der «Tageswoche» wird Isabel Mundry im Zusammenhang mit ihrem Schaffen als Komponistin zitiert: «Komponieren ist vermutlich so etwas wie eine Berufung: Ich gehe als Musik imaginierende Frau durchs Leben. Da ist dauernd etwas los in meinem Kopf. Aber ich pflege das auch, gehe dem nach. Sonst würde es vielleicht versiegen.» (Tageswoche, 2014) Die Begabung und das Handwerk dieser Art der Umsetzung kann krankheitshalber abhanden kommen. Stefanie Stroh zeigt anhand des Komponisten Maurice Ravel, wie dieses Missverhältnis erlebt werden kann: «Es kann vorkommen, dass durch Erkrankungen des Gehirns die Fähigkeit, Musik wahrzunehmen und diese vokal oder instrumental wiederzugeben, verloren geht. Maurice Ravel konnte nach einer Erkrankung an Amusie im Alter von 58 Jahren fortan nicht mehr seine musikalische Vorstellung in Notation übersetzen. Einem Freund gestand er in einem Brief: ‹Ich werde meine ‹Jeanne d’Arc› niemals schreiben; diese Oper ist hier in meinem Kopf; ich höre sie, aber ich werde sie niemals schreiben. Es ist vorbei; ich kann meine Musik nicht mehr schreiben.› […] Er äusserte sich verzweifelt: ‹Ich habe noch so viel Musik im Kopf. Ich habe noch nichts gesagt. Ich habe noch alles zu sagen.›» (Stroh, Stefanie. 2006). Spin of the Protons, <Installation> «Spin of the Protons» ist eine Kollaboration zwischen Simon Grab, Patricia Bosshard (beide Musik) und Nicolas Wintsch (Video). Das audiovisuelle Stück ‹Installation› wurde an der Ausstellung «ANATOMIES - DE VÉSALE AU VIRTUEL» gezeigt. Aus dem Ausstellungskatallog: «Interactive, contemplative et immersive, l’exposition ANATOMIES propose un voyage au cœur des conceptions et des représentations du corps humain. Vous y découvrirez un florilège d’images, d’objets et de témoignages entre passé et présent, entre art et science, entre médecine et société. Une place particulière est faite au médecin André Vésale (1514–1564), l’un des fondateurs de l’anatomie moderne, dont nous fêtons le 500e anniversaire. Des ouvrages anciens aux technologies d’imagerie les plus récentes, des préparations anatomiques aux installations virtuelles, ANATOMIES vous invite à traverser les multiples miroirs de nos corps intérieurs.« (museedelamain.ch. 2014) RAED YASSIN [...] You have kind of utopic sounds for you [...] SOUND Simon Grab & Patricia Bosshard, <Step> RUDOLF EB.ER [...] Im Kopf herrschen keine physikalischen Gesetze mehr, der Klang kann eigentlich alles [...] JÖRG KÖPPL [...] wänn me jetzt mis Hirni würd aahänke, das würd rächt scheps töne [...] JOSÉ I. GARCIA [...] our brain is like an antenna that is able to take the supraluminic information [...] DAVE PHILLIPS [...] das sind zum Teil Symphonien wo abgönd [...] DAN SUTER [...] was isch zersch, d’Vorstellig oder dä Sound? [...] Es isch eher es Konglomerat us Bewertigä Für Jörg Köppl ist imaginierte Musik nicht etwas Klingendes oder Musikalisches. Er spricht von einem «Konglomerat aus Bewertungen». Nehmen wir den Begriff «Bewertung» als Werteskala von Gefallen und Nicht-Gefallen, sprechen wir von Gefühlen. Das limbische System tritt in Aktion. Imaginierte Musik scheint bei allen unterschiedlich repräsentiert zu sein und wird individuell bewertet. Stefanie Reinberger schreibt im Artikel «Das musikalische Gehirn» dazu: «Das limbische System bewertet etwa, ob uns Musik gefällt oder nicht. So agiert der Gyrus cinguli, wenn eine Melodie als angenehm empfunden wird. Dissonante, als unangenehm erfahrene Klänge regen dagegen den Gyrus parahippocampalis an. Auch das Belohnungssystem trägt seinen Teil zum Musikempfinden bei. Es wird – ähnlich wie beim Sex, Essen oder Drogenkonsum – aktiv und zeichnet für den einen oder anderen wohligen Schauer verantwortlich. Und das alles geschieht vor dem Hintergrund persönlicher Vorlieben und Erfahrungen sowie der kulturellen Prägung. Streng genommen ist also Musik in jedem individuellen Gehirn ein wenig anders repräsentiert.» (dasgehirn.info. 2012) Es hät en emotionali Textur druf BERND SCHURER [...] ich würde das nicht als eigentliche Musik bezeichnen [...] JÖRG KÖPPL [...] es isch eher es Konglomerat us Bewertigä [...] DAN SUTER [...] es hät en emotionali Textur druf [...] JÖRG KÖPPL [...] das sind wie Farben [...] SOUND Simon Grab, <emb subbassloop> DAN SUTER [...] sie isch dänn wie iigfärbt durch das wie dich dä Momänt prägt hät [...] Dan Suter konstruiert selber Lautsprecher. Um die Klanglichkeit dieser Lautsprecher zu beschreiben und vergleichen, spricht er von akustischen Texturen, welche stark von Materialien und dem akustischen Raum geprägt sind. Im Vergleich dazu gäbe es beim mentalen Klang zusätzlich eine emotionale Textur. Marcus Maeder vom Institute for Computer and Sound Technology ICST Zürich betont in einer Kursausschreibung zum Thema «Milieux Sonores», wie wichtig es ist, sich bewusst zu sein, dass wir klangliche Strukturen nicht an sich, sondern als Sinnesund Bedeutungsstrukturen wahrnehmen. «[…] sie sind durch unsere Perzeption und Kognition geprägt. Wir klassifizieren laufend und zumeist unbewusst, was wir hören, zum Beispiel, ob Geräusche auf eine spezifische Art und Weise artikuliert sind, und welche Referenzen sie in unserer Erinnerung haben. Schaeffer schlägt vor, zu versuchen, diese Prozesse in der Analyse zu artikulieren. Wenn wir also die klangliche Umwelt, ihre klanglichen Milieus und die Klangobjekte in den Milieus untersuchen, dann wollen wir eine Morphologie und Typologie der Milieux und Objets Sonores unternehmen: Eine Morphologie, die mehr über die Herkunft und Funktionen von Klängen aussagen kann, und eine Typologie, die unterschiedliche Klangkollektionen in Konfrontation zueinander bringt, also die ver13 schiedenen Objets Sonores aufteilt und so sinnvolle Unterscheidungen zwischen Klangobjekten vornehmen kann.» (Maeder, Marcus. 2013) Sie isch dänn wie iigfärbt durch das wie dich dä Momänt prägt hät JENS BADURA [...] Wir brauchen irgendeine Art von Trägergemisch [...] SOUND Braincast Jingle RAED YASSIN [...] sometimes it’s a complete failure [...] JAMES S. ADAMS [...] that’s a buffer I put to my imagination [...] BERND SCHURER [...] die Möglichkeit einer qualitativen Filterung [...] SOUND Simon Grab, <techno> DAN SUTER [...] fluberig flaberig, es hät ä so ne Konsistenz, so tönts doch irgendwie, wie slime sich aafüehlt [...] BERND SCHURER [...] die reicht sogar zurück, und in die Zukunft, hmm, naja, wenn du jetzt weisst was ich [...] ISABEL MUNDRY [...] die innere musikalische Vorstellung kann fliegen [...] Stefanie Reinberger schreibt im Artikel «Das musikalische Gehirn» von den vermuteten Gründen für die emotionale Kopplung mit Musik: «Es geht aber um mehr als reines Hörvergnügen. ‹Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist›, sagte einst der französische Schriftsteller Victor Hugo. Dass Musik eine so emotionale Angelegenheit ist, könnte ganz in den Ursprüngen der menschlichen Evolution begründet sein, möglicherweise als eine Art vorsprachliche Kommunikation. So vermutet der Emotionsforscher Jaak Panksepp, Emeritus an der Bowling Green State University in Ohio, dass frühe Hominiden mit Hilfe melodischer Rufe in Kontakt zueinander blieben – etwa wenn eine Mutter ausser Sichtweite ihres Sprösslings nach Nahrung suchte. Das Gehirn scheint Musik zudem ganz ähnlich zu verarbeiten wie Sprache – nämlich nach syntaktischen Regeln. Es analysiert Töne, Intervalle und Akkorde und stellt sie in einen Zusammenhang. Bereits 2002 erkannte die Neuropsychologin Angela Friederici vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, dass dabei unter anderem das Broca-Areal und der vordere Teil des Gyrus temporalis superior aktiv sind. Beide sind auch für die syntaktische Verarbeitung von Sprache von Bedeutung. Und Stefan Koelsch stellte 2005 fest, dass musikalische Regelverstösse im Denkorgan zu Irritation führen. So machte sich in seinen Experimenten beispielsweise ein überraschender, als falsch empfundener Schlussakkord durch auffällige Muster im EEG bemerkbar.» (dasgehirn.info. 2012) DAS MITTAGESSEN DAS HIRN Ob ich, gegessen habe?... Was ob ich den Geruch von Älplermakkaroni...? Ob ich mir darunter etwas vorstellen kann? Oder ein gebratenes Hähnchen?... Was? Gin Tonic?... Die Pflegerin kommt wie versprochen am Mittag vorbei. Sie prüft die Maschine, und massiert das Hirn, damit es Körperlichkeit erfahren kann. Sie fragt das Hirn nach dessen Empfinden. Durch die Massage geraten im Hirn einige Dinge durcheinander. Die Pflegerin isst ihren Lunch und spricht zum Hirn über Essen und Gerüche. Sie liest ihm aus Dürrenmatt’s <Das Hirn> vor. DIE PFLEGERIN Je vous ai apporter quelque chose, c’est de la nourriture pour le cerveau, semblable à vous quoi. SOUND Türe öffnen. DAS HIRN Über einen... Über einen wie mich? ... Interessant. SOUND Simon Grab & Patricia Bosshard, <MRI. Soundlibrary> Tonaufnahme eines MRI Scanners als Maschinengeräusch. SOUND Simon Grab, <Dronemix> PFLEGERIN Alors monsieur Musique-au-Cerveau. Tout est claire dans la tête? DAS HIRN Ja schh sss das ist aber eine grosse,... Wieder einmal unangekündigt in meine Gedanken hineinplatzen, aber trotzdem, mh. 14 DIE PFLEGERIN Avez-vous deja mangé? Moi j’ai des pates suisses. Sentez-vous juste quelque chose?... Je veux dire: est-ce que à partir des odeurs pouvez-vous vous imaginer quelque chose, le poulet? Gin Tonic? Pour fêter la journée! La journée philosophique. PFLEGERIN (Prüft die Maschine, betätigt Schalter) Alors ah, ah, oui, ca fait un petit...digilig tang tig, digilig tang tig... Oui oui, comme si.. Oui. Un tout petit peu, c’est pas si...bon ca donne quelque chose. Le son, du bruitage, de la musique, mais quelque chose pas si grand, mais un tout petit peu... Ca vient du cerveau... Peut-être...ou de la machine. DAS HIRN Kannst du mir sagen, ist das, ... Ist das meine Musik, sind das meine Klänge die wir hier hören, von der Maschine? Ha, Ist ja noch interessant. Ich meine dieses dgddgdg giiii diese... diese einfache, ja doch ziemlich einfache Struktur von dieser, von diesem Klangteppich. Ich meine, kommt das aus meinem...? Woher kommt denn das? Ist das alles? MASCHINE Ein etwas zufällig klingender Melodieverlauf, immer um eine Note kreisend. Synthetischer Klang. PFLEGERIN (Massiert das Hirn, spricht zu ihm) Voulez-vous une relaxation, un petit massage? ...Comme ceci, le sentez-vous? ...Là je pense, ...Oui? Je suis tout prêt du coeur. ...Ca fait du bien? Est-ce que vous sentez aussi les touchers? ...Mes mains. ...Ca va jusqu’au fin fond là. La sensation, ...c’est comment d’être touché? Le toucher ca vous dit aussi quelque chose, non, je pense? .. Sentir sur soi a l’intérieure... je ne sais pas.. chez vous... SOUND Simon Grab, <Some waht> DIE PFLEGERIN (Liest aus Dürrenmatt, <das Hirn>) Es trennt die Zahlen von den Impulsen und erfühlt die Rhythmen, diese kumulieren in einem wilden Trommelkonzert, zuerst von der Furcht vor der Angst gepeitscht und darauf von der Neugier angetrieben, etwas Neues zu machen, erfühlt es aus den Rhythmen die Töne, ohne sie zu hören, die Quinten, die Oktaven, die Tonarten, die Musik, es denkt sie, ohne dass es weiss, dass es denkt, denn es ist ohne Sprache, so dass es nicht wissen kann, dass es denkt, wenn es komponiert, es fühlt nur einen Rausch von erfühlten Tönen, wohinein es eine Ordnung fühlt und ein erstes Gefühl von Freude, eine Ordnung geschaffen zu haben – war doch eine unendliche Zahlenreihe noch keine Ordnung – und so taumelt denn das Hirn in der unermesslichen Zeit, die ihm zu Verfügung steht, von der tonalen in die atonale Musik, komponiert, ohne zu hören, was es komponiert, doch wie es innehält, fällt es in die Angst zurück, ein Absturz in die Hölle, die Angst ist immer da, nur wenn es gegen die Angst etwas denkt, ist sie zu ertragen. Doch zum Gefühl der Angst vor dem Nichts, kommt etwas Neues. DAS HIRN (Mag sich an den Text erinnern, spricht mit) Ein etwas zufällig klingender Melodieverlauf Diese Klänge stammen aus einem Sonifikationsversuch von Parvizi und Chafe der Stanford University. Über EEG werden die Hirnaktivitäten mit mehr als 100 Elektroden gemessen und sonifiziert. Sie fanden heraus, dass im Moment eines Schlaganfalls von Patienten ein deutlich hörbarer Unterschied erklang, was sich im Gegensatz dazu visuell nicht bestätigen liess. Bjorn Carey schreibt dazu im Stanford Report: «Stanford scientists build a ‹brain stethoscope› to turn seizures into music: When Chris Chafe and Josef Parvizi began transforming recordings of brain activity into music, they did so with artistic aspirations. The professors soon realized, though, that the work could lead to a powerful biofeedback tool for identifying brain patterns associated with seizures. […] The EEGs Parvizi conducts register brain activity from more than 100 electrodes placed inside the brain; Chafe selects certain electrode/neuron pairings and allows them to modulate notes sung by a female singer. As the electrode captures increased activity, it changes the pitch and inflection of the singer’s voice. Before the seizure begins – during the so-called pre-ictal stage – the peeps and pops from each ‹singer› almost synchronize and fall into a clear rhythm, as if they’re following a conductor, Chafe said. In the moments leading up to the seizure event, though, each of the singers begins to improvise. The notes become progressively louder and more scattered, as the full seizure event occurs (the ictal state). The way Chafe has orchestrated his singers, one can hear the electrical storm originate on one side of the brain and eventually cross over into the other hemisphere, creating a sort of sing-off between the two sides of the brain. After about 30 seconds of full-on chaos, the singers begin to calm, trailing off into their post-ictal rhythm. Occasionally, one or two will pipe up erratically, but on the whole, the choir sounds extremely fatigued.» (Carey, Bjorn. 2013) Voulez-vous une relaxation, un petit massage? Ironischerweise reagiert ein Hirn, soweit die Wissenschaft dies nachprüfen kann, nicht auf äussere physische Einflüsse, obwohl die Wissenschaft ein emotionales und ein motorisches Zentrum im Hirn verorten kann. Es hat anscheinend kein Körpergefühl. Der Neurowissenschafter Dan Levitin (Autor von ‹This is your brain on music›) erzählt dem Musiker David Byrne im Gespräch über ein Experiment, in dem nachgewiesen wurde, dass das Hirn von Affen nicht auf Nadelstiche reagiert (Open Culture, 2007). Est-ce que à partir des odeurs pouvez-vous vous imaginer quelque chose? Im Interview mit dem Aromatiker Willi Grab, meinem Vater, frage ich ihn nach der mentalen Vorstellung von Geruch. Er beschreibt die vorgestellte Geruchswahrnehmung als vergleichbar mit der äusseren Wahrnehmung über die Nase. Er kann dabei die Gerüche isoliert wahrnehmen, im Kopf analysieren und in ihre Grundbestandteile zerlegen. Aromatiker haben etwa 3000 Rohstoffe, die sie kennen, bestehend aus Molekülen und ätherischen Ölen, was Willi Grab als aktives Vokabular bezeichnet. Hinzu kommen etwa 10-20’000 Forschungchemikalien, die er zwar mal durchgerochen hat, diese aber nicht mehr aktiv hervorrufen kann. Diese Forschungchemikalien wurden in Form von präzisen Beschreibungen in einer Datenbank abgelegt. Beim Durchlesen kann Willi Grab die Gerüche in der Vorstellung hervorrufen. Die Kombination von Rohstoffen, oder die Syntax, um die Sprachanalogie nochmals zu benutzen, lässt sich auch mental durchführen. Wie bei der Musik sind auch die Gerüche stark an Emotionen gekoppelt. Er beschreibt, ähnlich wie Dan Suter im Interview, eine Art unbewusste emotionale Textur, die wiederum andere Assoziationen hervorrufen. So sieht er Parallelen zwischen Musik, Malerei, und Aromen, und bezeichnet gerade wegen dieser emotionalen Kopplung diese Bereiche als hochkomplex. Es denkt sie, ohne dass es weiss, dass es denkt, denn es ist ohne Sprache, so dass es nicht wissen kann, dass es denkt, wenn es komponiert Die Pflegerin weiss nicht, ob das Hirn nur noch eine von Gefühlen getriebene Kompositionsmaschine ist, oder ob vor ihr nur ein Stück menschliches Fleisch ohne Bewusstsein steht. Sie geht davon aus, dass Körperlichkeit weiterhin eine wichtige Rolle spielt, und dass auch, wenn das Hirn vielleicht keine Sprache mehr versteht, es trotzdem eine gewisse Empathie spüren kann. Die Sprecherin Carine Kapinga hat selber als Pflegerin in Altersheimen gearbeitet. Sie kennt den Umgang mit Demenz-Patienten, kennt das Gefühl von regungslosen Menschen, die Zuwendung benötigen, denen die Worte vielleicht gut tun. Vielleicht. Ob ein Mensch noch ein Bewusstsein hat, wird bei Wachkoma-Patienten studiert. Der Neurowissenschaftler Adrian Owen von der Western Ontario University in Kanada, kam aufgrund von Hirnaktivitäten bei Patienten zum Schluss, dass sie noch bei Bewusstsein waren. Der Neuropsychiater Georg Northoff aus Ottawa kritisiert Owen. Im Beschrieb zur Radiosendung «Wachkoma – Prognose fürs Erwachen» wird Nothoffs Kritik dargelegt und seine weiterführende Studie beschrieben: BEWUSSTSEIN Das Hirn beginnt zu zweifeln, ob es vielleicht doch nicht nur Hirn ist, oder ob es vielleicht gar nicht existiert. Und wenn doch, was denn diese Hirnexistenz bedeutet, ohne Körper, ohne Gegenüber, angeschlossen an einer Maschine. SOUND Simon Grab, <Marimbula livemix 2> SOUND Dazu gemischt: Alvin Lucier, Strawberry Fields DAS HIRN Bin ich mir meiner selbst bewusst? Die Erfahrung von Körperlichkeit ohne Körper. Bin ich tatsächlich nur noch Hirn? Was wäre.. Bin ich auf Drogen? Bin ich krank? Wie kann ich mir beweisen, dass ich die Existenz bin, die ich denke zu sein? … Aber wenn ich denke, dann bin ich doch. Ich bin etwas sobald ich irgendwie was … Bin ich tatsächlich nur Hirn? Oder stelle ich mir das nur vor? Ist mein Körper, mein Hirnkörper noch intakt? ... Bin ich eine Metapher? Bin ich tatsächlich nur Gehirn?...Bin ich reine Vorstellung? ... Bin ich nur Hirn? Oder stelle ich mir das nur vor?... Ich, kann ich sagen ich? ... Bin ich noch intakt?... Weil du, das geht doch gar nicht ... Kann ich mich noch vorstellen?... Wenn ich ich sage, dann musst du du sagen, und ich muss ne Beziehung haben zu dir, aber, ... Was ist denn hier Sache? «Der Neuropsychiater Georg Northoff von der kanadischen Universität in Ottawa zweifelt allerdings daran, ob sich mit Owens Methode allein Bewusstsein sicher nachweisen lässt. Denn es gibt Prozesse im Gehirn, die automatisch, also ohne Bewusstsein ablaufen. ‹Herr Owen setzt voraus, dass die Prozessierung des Stimulus Bewusstsein voraussetzt. Es kann aber auch sein, dass das ein rein physikalischer Vorgang ist. Die sehen das Bild und das aktiviert einfach im Gehirn gewisse Strukturen, und das heisst, sie sehen zunächst einmal nur neuronale Aktivität. Daraus können Sie aber keinerlei Schlüsse auf irgendwelche Bewusstseinsaktivität ziehen.› Northoff führte daher mehrere Studien durch, in denen er nicht nur testete, ob das Gehirn von elf Wachkomapatienten überhaupt auf äussere Reize reagiert. Er prüfte zusätzlich, ob deren Gehirn noch auf selbstbezogene Reize reagiert, die direkter mit Bewusstsein verbunden sind als die Bewegungen eines Tennisspiels. Das Netzwerk für solche selbstbezogenen Reize lässt sich im Gehirn klar von den Netzwerken für sonstige Reizverarbeitung unterscheiden. Northoffs Team befragte die Angehörigen der Patienten nach Dingen, die für diese persönlich wichtig waren. Dann stellten die Forscher ihnen im Hirnscanner Fragen wie: ‹Waren Sie im Urlaub schon in Mallorca?› ‹Lieben Sie Hitchcock?› oder ‹Ist Ralf Ihr Name?› Sie verglichen die Reaktionen mit denen auf neutrale Reize. Das Ergebnis: ‹Wir haben bei diesen Patienten gefunden, dass die doch eine gewisse neuronale Aktivierung zeigen. Das heisst, die zeigen einen Unterschied, wenn sie ihren eigenen Namen hören im Vergleich zu einem anderen Namen. Je besser sie Selbst und NichtSelbst auseinanderhalten konnten, desto höher der Grad des Bewusstseins.›» (Deutschlandfunk. 2014) Dazu gemischt: Alvin Lucier, Strawberry Fields Strawberry Fields, das von Lennon / McCartney komponierte Stück der Beatles, wird hier in einer stark abgeänderten Form von Alvin Lucier dargeboten (Lucier, Alvin. 1998). Das Stück erschien auf der CD «Ghosts and Monsters», herausgegeben vom Leonardo Music Journal. Im Booklet der CD schreibt Matthias Osterwald über die Geister und Monster unserer Imagination: «Ghosts and monsters are products of imagination. Ideas and the minds that create them throw mighty shadows from the ghostly reign of the past into a present that they prominently form, while we – in a paradoxical mix of rapture, fear, powerlessness and self-deception – commit ourselves to uncontrollable developments that stare at us as the monsters of the future. Technology plays its role in the process of civilization both by transforming our relationship towards nature and by setting rhe framework in which ideas refelct and regulate society and culture As we look back on the achievements and catastrophes of the twentieth century (their comings and goings) - and face both the miracles of extremely fast technological development and the imponderabilities fo the future - it would not be too farfetched to regard present reality as a great spook ruled by myth and mystification, in which the ghosts of the past encouter the monsters of the future to which they are inexorably linked.» Aus: Leonardo Music Journal. CD Series Volume 8. Ghosts and Monsters: Technology and Personality in Contemporary Music. CD Booklet Text by Matthias Osterwald, curator. 1998 Bin ich mir meiner selbst bewusst? Grundlegend für das Szenario des entkoppelten Hirns war immer auch die Frage nach dem eigenen Bewusstsein des Hirn-Protagonisten. Er soll in diesem Dilemma gefangen sein, soll nicht wissen, ob er eine Illusion, oder nur noch Hirn ist, ob er sich den eigenen Zustand als Hirn nur vorstellt, oder ob er Teil der Maschine ist, ob er ein Konstrukt der Pflegerin ist, oder ob er nur als Metapher sozusagen Mittel zum Zweck ist. Stanislaw Lem erfand 1964 in «Summa technologiae» den Begriff der Phantomatik. Markus Skuballa setzte sich in seiner Seminararbeit an der Universität Suisburg-Essen damit auseinander: «[…] Mit welchen Mitteln lässt sich eine solche Situation der phantomatisierten Welt realisieren und wie kann der Phantomatisierte sich in dieser Situation davon überzeugen, dass seine Erlebnisse lediglich Täuschungen sind? Und ist es überhaupt möglich, in einer vollkommen phantomatisierten Welt sich der Täuschung bewusst zu werden? Die Situation einer phantomatisierten Welt will Lem anhand einer phantomatischen Maschine realisieren. Diese wird mit dem Gehirn eines Menschen verkoppelt und schickt eine bestimmte Folge von Duft-, Tast- und Lichtreizen aus. Die vom Gehirn wiederum erzeugten Reize auf die zugeführten Impulse muss die Maschine ‹im Bruchteil einer Sekunde an ihre Subsysteme weiterleiten, in denen es aufgrund der Korrekturwirkung der Rückkoppelungen und aufgrund der Organisation von Reizströmen durch entsprechend projektierte, sich selbst organisierende Systeme zu ‹passenden› Reaktionen kommt. Die Maschine so zu programmieren, dass sie alle möglichen Aktionen des Phantomatisierten voraussieht, ist nach Lem unmöglich. Die hauptsächliche Wirkung der Phantomatik als ‹Kunst der Rückkoppelung› beruht darauf, den ehemals passiven Betrachter zum aktiven Teilnehmer zu machen. Das Programm der phantomatischen Maschinen bildet lediglich den Rahmen für das jeweilige Thema. Durch entspre- chendes Verhalten des Phantomatisierten werden aus dem ‹Gedächtnisspeicher› der Maschine die jeweils nötigen Fakten plastisch vermittelt. Des Weiteren müssen auch die Gesetze der Schwerkraft, der Optik usw. genau reproduziert werden. Zusätzlich zu den strikt deterministischen Zusammenhängen von Ursache und Wirkung muss die generierte Welt auch Prozessabläufe enthalten, welche eine relative Handlungsfreiheit erlauben, also ‹eine Unabhängigkeit des Redens und Handelns von Worten und Taten› des Phantomatisierten. Daraus ergibt sich, dass ‹Miss Universum leichter zu imitieren als Einstein ist›. Der unmittelbaren Kontrolle der Maschine unterliegen jedoch lediglich die Fakten, welche ins Gehirn gelangen, nicht die im Gehirn ablaufenden Prozesse. Quantität und Qualität der zum Menschen gelangenden Informationen sind von der phantomatischen Maschine abhängig, ausser diesen Informationen erreichen das Gehirn keine Informationen von aussen. Die Maschine ist zwar alleinige Quelle von Informationen über die Aussenwelt, aber nicht über die Informationen über den Zustand des Organismus selbst. Durch sie werden nur die neuralen Mechanismen des Körpers kontrolliert, nicht jedoch die im Körper ablaufenden biochemischen Vorgänge. Dieses Manko an der von Lem bisher beschriebenen phantomatischen Maschine liesse sich in der virtuellen Welt leicht durch z.B. das Treiben von Sport entlarven. Wenn der Körper keine Ermüdungserscheinungen zeigen würde, wäre dies ein Zeichen dafür, sich in der künstlichen Welt zu befinden. Aber auch diese biochemisch-physiologischen Probleme sind nur eine Frage der technischen Perfektionierung der Maschine. Nach Lem ist auch die Reizung von Nervenendungen oder die Erhöhung des Kohlendioxydgehalts der Luft durch eine perfektere phantomatische Maschine kein Problem. [...] die Frage nach der Erzeugung von Realitäten, welche, für die ‹in ihnen verweilenden vernünftigen Wesen in keiner Weise von der normalen Realität unterscheidbar sind, doch anderen Gesetzen unterliegen als diese?› Diese Frage betrifft das Erzeugen von Welten. [...] die Frage nach der Erzeugung von Illusionen.» Hierzu bringt Lem folgendes Beispiel. Ein Mensch sitzt auf einer Veranda und beobachtet den Garten vor sich und riecht an einer Rose, die er in seiner Hand hält. Nun will Lem die Serien von Impulsen, welche durch sämtlichen Nervenbahnen des Menschen laufen, festhalten. Er schlägt hier eine Aufzeichnung auf eine Art Magnetophonband vor. Um sämtliche Veränderungen festhalten zu können, welche in den sensorischen Nerven, sprich der peripheren und der inneren Wahrnehmung, sowie jene in den Hirnnerven auftretenden, müssen mehrere hunderttausend Aufzeichnungen auf einmal gemacht werden. Nachdem die Signale gespeichert worden sind, wird der Mensch in völlige Isolation versetzt. Lem schlägt hier einen dunklen 15 Raum mit einer Wanne mit lauwarmem Wasser vor. Anschliessend werden an die Augäpfel, in die Ohren, an die Haut usw. des Menschen in ‹geeigneter Weise› Elektroden angesetzt. Sämtliche Nerven des Menschen werden mit dem Magnetophonband verbunden und mit den zuvor aufgezeichneten Impulsen gespeist. Die Schwierigkeit dieses Verfahrens hängt davon ab, welche Bedeutung die topografische Lokalisation der Reize innerhalb des Nervensystems hat. Das ‹Aufzeichnen› aller sensorischen Impulse, welche durch Tast, Geruchs-, Gehör-, und Sehnerven an das Gehirn geleitet werden und das ‹Abspielen› aller aufgezeichneten sensorischen Impulse soll zur Erzeugung einer virtuellen Welt führen. Für die technische Umsetzung beschreibt Lem ein Beispiel, bei dem für die Aufzeichnung und Abspielen der Impulse des Sehnervs eine Brille – bei Lem als Gegenauge bezeichnet – benutzt wird. Dieses Gegenauge ist sowohl für die Aufzeichnung als auch für die Wiedergabe der Impulse zuständig. Das Problem bei dieser Methode ist jedoch, dass die Impulse, welche in die Nerven eingeführt werden, fixiert und unveränderlich sind. Dies könnte zur Divergenz zwischen gegenwärtigen motorischen Aktivitäten und aufgezeichneten sensorischen Aktivitäten führen, da die Erlebnisse sich in wahrgenommene und tatsächliche Aktivität aufspalten würden. Da der Phantomatisierer keinen Einfluss darauf haben kann, was im Inneren des Kopfes oder des Ohres, als Gleichgewichtsorgan, passiert und die neuronalen Impulse des Gleichgewichtsorgans auf die Gesamtheit des Allgemeinbefindens bei verschiedenen Menschen unterschiedlich auswirkt. So stellte sich auch im Verlauf späterer phantomatischer Experimente heraus, dass es bei manchen phantomatisierten Menschen während der Durchführung von virtuellen Situationen eines gewissen Typs zu unangenehmen Symptomen der Reisekrankheit kam. Ausgelöst wurden diese Symptome, da die Reize, welche aus dem die Sinne des Menschen steuernden Programm fliessen, mit den Reizen kollidieren, die aus dem Gleichgewichtsorgan kommen. Die Ursache dieses Problems liegt in der einseitigen Informationsübertragung des angeführten Beispiels. Der so in eine virtuelle Welt versetzte Mensch ist nur Empfänger nicht aber auch Sender von Informationen. So beschreibt das vorangegangene Beispiel nach Lem auch keinen Bereich der Phantomatik. Die von Lem vorgeschlagene Lösung, des zuvor beschriebenen Divergenz-Problems, sieht die Schaffung von wechselseitigen Verbindungen zwischen ‹künstlicher Realität› und Empfänger vor. Stanislaw Lem bezeichnet dies als die ‹Kunst der Rückkoppelung›, ist diese gegeben, kann nach Lem auch von Phantomatik gesprochen werden. Eine weitere Vorraussetzung um von Phantomatik zu sprechen ist, dass es aus der generierten fiktiven Welt keine ‹Ausgänge› in die reale Welt Bin ich eine Metapher? DIE MASCHINE (Liest aus Dürrenmatt, <Das Hirn>) Hat es zwar ein immenses Gedankengebäude errichtet, aber findet in ihm kein echtes Gegenüber, es ist nicht abgetrennt von seinem Denken, sondern seinem Denken immanent, nur der Spiegel seines Denkens, und so versucht es denn ein von ihm losgelöstes Gegenüber zu denken. JENS BADURA [...] Wie können wir uns sicher sein, [...] dass das was wir denken nicht etwas ist, das uns jemand nur denken lässt, der uns zugleich denken lässt, dass wir das denken, was wir denken? DIE PFLEGERIN Tu veux entendre quelque chose du dehors? ... Je t’ouvre la fenêtre. SOUND Fenster auf. Ambiance Wald, Nacht. Forrest Evening... Fenster zu. JENS BADURA Dass das, was wir denken, in Handlung und Wirkung sich manifestiert, die erwartbar oder nicht erwartbar sind, und in genau diesem Zusammenspiel von Erwartung und Nicht-Erwartung, von Erfahrung, von Entwicklung und so weiter, wir schlussendlich sowas wie ein Vertrauen darin entwickeln, dass die Annahme, dass wir denken können und das wir ICH sagen können, eine irgendwie brauchbare Erwartung ist, ohne dass wir sie als eine Gewissheit markieren können. 16 RADIO – DIE KRANKEN Radiosendung: Von Akustischen Halluzinationen, Ohrwürmern, Drogenerfahrungen und anderen musikalischen Hirnphänomenen. Von Schizophrenen, Herzattackierten und anderen Krankheiten. Interviewfragmente SOUND Braincast Jingle SOUND SCHIZOPHRENIA AS SOUND: listening to the dynamic brain Sonification Sounds of schizophrenia DAN SUTER [...] häts bi mir im Kopf inne <dehei> gseit [...] MEDIA Henry Rollins. <On Ted Nugent and Paul Stanley>. MIKE HAMERSKI [...] I have voices in my head [...] geben darf. Es darf dem Phantomatisierten nicht möglich sein, den Handlungsbereich selbstständig zu verlassen. [...]» (Skuballa, Markus. 2005) Bin ich eine Metapher? «Das Gehirn lässt sich nur in Metaphern darstellen, da es sich allen modernen Untersuchungsverfahren zum Trotz jeglicher eindeutiger Beschreibung vehement entzieht.» (cerebromatik.uni-freiburg.de. 2013) Hat es zwar ein immenses Gedankengebäude errichtet Die Maschine reagiert auf die existenziellen Fragen des Hirns, indem sie einen Abschnitt aus Dürrenmatts Hirn vorspricht. Was geschieht mit unserem Empfinden der Subjektivität, wenn wir Teile von uns an Maschinen auslagern, wenn Funktionen von technischen Apparaten ausgeführt werden, wenn wir abhängig sind von denkenden Maschinen? Dass sich unser Protagonist einverstanden erklärt, sein Hirn vom Restkörper zu trennen, ist ja zugegebenermassen eine Extremform, damit sich das Thema Musik im Kopf besser abarbeiten lässt. Im Alltag, in naher Zukunft, wird ein weiterer Technologieschub uns die Maschine näher an den Körper bringen. Medizinische Implantate sind heute schon fernsteuerbar, Chips unter der Haut werden als Bezahlungsmittel geprüft. Biofeedback scheint momentan, 2015, ein gesellschaftliches Muss zu werden. Wir werden auch in ferner Zukunft nicht von Maschinen und Robotern beherrscht, aber wir werden eigene Funktionen an Maschinen übergeben. Slavoj Zizek hat, wie so oft, pointierte Ansichten. In seiner Kritik an Deleuze «Body without organs», die er unter dem Namen «Organs without bodies» veröffentlichte, geht er auf das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine ein: «[...] one should therefore focus on the liberating dimension of this externalization: the more our capacities are transposed onto external machines, the more we emerge as ‹pure› subjects, since this emptying equals the rise of substanceless subjectivity. It is only when we will be able to fully rely on ‹thinking machines› that we will be confronted with the void of subjectivity. In March 2002, the media reported that Kevin Warwick from London became the first cyberman: in a hospital in Oxford, his neuronal system was directly connected to a computer network; he is thus the first man to whom data will be fed directly, bypassing the five senses. THIS is the future: the combination of the human mind with the compute.[...] We got another taste of this future in May 2002, when it was reported that scientists at New York University had attached a computer chip able to receive signals directly to a rat’s brain, so that one can control the rat (determine the direction in which it will run) by means of a steering mechanism (in the same way one runs a remote-controlled toy car). This is not the first case of the direct link between the human brain and a computer network: there already are such links which enable blind people to get elementary visual information about their surroundings directly fed into their brain, bypassing the apparatus of visual perception (eyes, etc.). What is new in the case of the rat is that, for the first time, the ‹will› of a living animal agent, its ‹spontaneous› decisions about the movements it will make, are taken over by an external machine. Of course, the big philosophical question here is: how did the unfortunate rat ‹experience› its movement which was effectively decided from outside? Did it continue to ‹experience› it as something spontaneous (i.e., was it totally unaware that its movements are steered?), or was it aware that ‹something is wrong,› that another external power is deciding its movements? Even more crucial is to apply the same reasoning to an identical experiment performed with humans (which, ethical questions notwithstanding, shouldn’t be much more complicated, technically speaking, than in the case of the rat). In the case of the rat, one can argue that one should not apply to it the human category of ‹experience,› while, in the case of a human being, one should ask this question. So, again, will a steered human being continue to ‹experience› his movements as something spontaneous? Will he remain totally unaware that his movements are steered, or will he become aware that ‹something is wrong,› that another external power is deciding his movements? And, how, precisely, will this ‹external power› appear - as something ‹inside me,› an unstoppable inner drive, or as a simple external coercion? [...] And, the crucial thing one has to bear in mind here is that this uncanny experience of the human mind directly integrated into a machine is not the vision of a future or of something new, but the insight into something which is always-already going on, which was here from the very beginning, since it is co- substantial with the symbolic order. What changes is that, confroted with the direct materialization of the machine, its direct integration into the neuronal network, one can no longer sustain the illusion of the autonomy of personhood. It is well-known that the patients who need dialysis at first experience a shattering feeling of helplessness: it is difficult to accept the fact that one’s very survival hinges on the mechanical device that I see out there in front of me. Yet, the same goes for all of us: to put it in somewhat exaggerated terms, we are all in the need of a mental- symbolic apparatus of dialysis.» (lacan.com. 2015) Interviewfragmente Interviewfragen (Leitfaden) – auditive Halluzinationen –Drogenerfahrungen –Tinnitus – auditive Träume Schizophrenia as sound Dan Lloyd, Professor für Philosophie und Member of the Neuroscience Program am Trinity College (Connecticut) arbeitet schon längere Zeit an der Sonifikation von Hirnströmen. Im Klangbeispiel werden die Hirnaktivitäten eines Schizophrenen Patienten sonifiziert und mit solchen von «gesunden» Menschen verglichen: «fMRI data converted to musical sound. Brain images are preprocessed into 20 distributed ensembles, ‹Independent Components,› and each is assigned a tone on a pentatonic scale. The loudness of each note corresponds to the intensity of activity in the corresponding regions of the brain. In this video, you can listen to soundtracks of healthy subjects alternating with schizophrenia patients.» (Lloyd, Dan. 2009). Dan Lloyd untersucht in seiner Arbeit «Mind as Music», welches er zugleich als wissenschaftliches wie auch künstlerisches Projekt sieht, die dynamischen Patterns von Hirnaktivitäten mittels Sonifikation: «[…] if the task of cognitive neuroscience is to interpret the neural code, then the first step has been semantic, searching for the meanings (functions) of localized elements, prior to exploring neural syntax, the mutual constraints among elements synchronically and diachronically. While neuroscience has made great strides in discovering the functions of regions of the brain, less is known about the dynamic patterns of brain activity over time, in particular, whether regions activate in sequences that could be characterized syntactically.» (Lloyd, Dan.2011) Lloyd spricht von Symphonien, die im Kopf jederzeit spielen, eine Symphonie des Bewusstseins, eine Symphonie des Hirns: «Inside each of us, at every moment, a symphony plays. It’s the symphony of consciousness, but at the same time it’s the symphony of the brain. It plays on millions of instruments over millions of channels. ‹Mind as Music› is a scientific and artistic project aiming to let us read the score of this symphony, and to listen to it, to the Music of the Hemispheres. Scientifically, Mind as Music uses brainscans gathered by functional Magnetic Resonance Imaging (fMRI) to explore the resemblance of fMRI signals to musical forms. In an fMRI scan, each part of the brain resonates at different frequencies. Although these resonators can’t be heard, all the concepts of music apply. We can look at harmonies and timbres, at consonance and dissonance, at melodies, and more. Along the many dimensions of music, we can ask whether the activity of the brain is more like music than some other contenders: Is brain activity more like music than it is like language? Is it more music than noise? Are its musical properties different in different states of mind, and are they different for healthy brains in contrast with schizophrenia and other mental illnesses? Increasingly, it seems the answers to these questions is Yes. Artistically, the Mind as Music project renders brain signals as audible music, designed to complement and extend visualizations and animations of the brain in action. Ears and eyes together can track more of the complexity of brain activity than either sense alone. The brain is never still, and its patterns of activity form a complex counterpoint in time and space. Converting this counterpoint into musical sounds harnesses our ability to hear subtleties in music that might otherwise go unnoticed. Mind as Music enables researchers to gain insight into this complexity, especially through the clues afforded by the soundtrack to the ever shifting brain. But more important, the soundtracks of the conscious mind are uniquely beautiful, reminiscent of minimalist music, but different. Hearing a mind alive in sound reminds us of the inner world that we never see (or hear) except through the narrow windows of language and movement. It demonstrates that we share a common ground bass of consciousness. Once we hear this resonance from a few brains, we recognize it as part of our common humanity, a continual and ubiquitous hum of awareness. As we look toward others, we might also imagine the harmony within, and the colossal choir that is humankind.» (musicofthehemispheres.com. 2011) Henry Rollins. <On Ted Nugent and Paul Stanley> Henry Rollins erzählt an einer Standup Comedy Show von einem Besuch am Konzert von Ted Nugent und Paul Stanley. Er singt dem Publikum vor, wie er das erlebt hat. Man hört ihm an, wie er sich den gesamten Sound im Kopf vorstellt. SOUND Messiaen. <Epode> Chronochromie, 1959–60, conducted by Pierre Boulez. SOUND Girl singing song. MEDIA «Complete loss of reality» SOUND So stupid … Look at you ... pointless ... Jump now ... Do it ... Don’t ... Touch it ... Yes you won’t ... worthless … So stupid. RUDOLF EB.ER [...] ich kenne Halluzination mit Musik, die von irgendwo kommt, wo keine ist [...] dass ich plötzlich ein enormes Feedback im Kopf hatte, so ein richtiger Knall [...] MIKE HAMERSKI [...] one part of me puts in and says, «you stupid fucking arsehole, what the fuck are you doing» [...] MEDIA «Haven’t seen so many brains out of their heads before [...] SOUND Schritte. Fenster auf. Stadt Ambiance. MEDIA «You are now looking at the human soul, singing to itself, to its own god» Messiaen. ‹Epode. Chronochromie› Olivier Messiaen war Synästhetiker, assozierte also Farben mit Klängen. In seiner Komposition ‹Chronochromie› (im Sinne einer Veränderung der Farbe mit der Zeit) verwendet er systematisch bestimmte Akkorde, die er bestimmten Farben zuordnet. Dabei unterscheidet er drei Familien von Farb-Akkorden, die wiederum drei Instrumentalgruppen zugeordnet werden. Jede der Gruppen bekommt in der Komposition ausserdem 32 verschiedene Tondauern (chronos!) zugewiesen, wobei jede Tondauer einen Akkord aus einer spezifischen Klangfamilie besitzt. So entsteht aus den drei Reihen von Tondauern, kombiniert mit den Farb-Akkorden, ein ständig und unvorhersehbar wechselndes Klangnetz. (Wikipedia. 2015) Rosemary Mountain beschreibt im Kapitel «Composers & Imagery: Myths & Realities», wie Messiaen die klangliche Charakteristik von Vogelgesang in Komposition transformiert: «Significant works in the field of musique concrète have in fact explored the converse: transforming recordings of familiar sound from the environment into abstract configurations to be appreciated for their sonic characteristics instead of their traditional associations. Similarly, Messiaen’s ‹Chronochromie›, though built exclusively on the raw material of bird song, involves such transformations of time, timbre and microtonal adjustments of frequency that the original is barely discernible, nor is its recognition fundamental to the appreciation of the work. However, these examples can be seen as acknowledgement that considerable effort must be expended on the part of the composer (and sometimes, the listener as well) to rip a sound away from the imagery of its natural source.» (Godøy, R. I. et al. 2001) Girl singing song. Das Stück «Girl singing to song in the head» ist ein Ausschnitt aus einem youtube-Video mit unbekannter Autorin. Sie singt enthusiastisch zu einem im Hintergrund spielenden Lied. Das Mädchen scheint sich nicht bewussst zu sein, dass das was sie zu singen scheint – sich vorstellt – und das, was sie tatsächlich singt, nicht übereinstimmt. Ein Versuch einer Veräusserung, wenn auch in leicht manischer Weise. Ein typischer Handyfilm eines Mädchens, die zu einem bekannten Popsong mitsingt, den ich im Übrigen nicht herauslesen kann. Ihre Art der Übersetzung des Lieds in Gesang und die Tatsache, dass sie diesen Film auch noch veröffentlicht, weist darauf hin, dass das Mädchen wahrscheinlich, selbst wenn sie sich auf der Aufnahme zuhört, immer noch das originale Lied ’mithört «Complete loss of reality» MEDIA «No hay banda! [...] it is an illusion [...] listen!» JAMES S. ADAMS [...] in dreams a lot of it comes out in terms of being very vivid [...] MEDIA «Then I realised what it is» SOUND Fenster zu. SOUND Simon Grab, <ach hello> Zitat aus dem Film «Bis ans Ende der Welt» (Director’s Cut. 1991) von Wim Wenders. Die Protagonisten haben es geschafft, Bilder aus dem Hirn anzuzeigen. Sie können sich nicht mehr losreissen von den eigenen Bildlandschaften, wollen immer mehr davon. Ich kann mir gut vorstellen, dass, wenn die Möglichkeit einer Ausspielung der mentalen Musik möglich wird, es einige Menschen – mich eingeschlossen – in einen Zustand des Wahnsinns versetzen könnte. God, it’s me. They are coming from me. They are in me somewhere. I am singing›.» (Rangell, Leo. 2006) Feedback im Kopf hatte, so ein richtiger Knall Rudolf Eb. er kennt das «Exploding Head Syndrom» (EHS) persönlich. Diese Form von auditiver Halluzination beschreibt er als lauten Knall. Ich selber habe solche «Entladungen» schon erlebt. Ich würde den Klang ähnlich einem Donnerknall im Kopf beschreiben. Die Intensität und Lautstärke kann ich nicht in der Imagination rekonstruieren, mag mich aber erinnern, dass mich die Lautstärke dieses Phänomens sehr erstaunt hatte. Zu untersuchen wäre nun, ob wir uns Lautstärke in diesem Ausmass antrainieren könnten. Ich bringe in diesem Zusammenhang gerne das Beispiel von einem Erlebnis nach dem Konzert von Michael Gendreau, am Festival LUFF in Lausanne, welches vor allem aus sehr starken Subbässen bestand. Gendreau benutzt architektonische Körper, also ganze Häuser, als Lautsprecher: «[…] experimenting with the use of a building as a speaker. He records infrasonic vibrations of a performance space, then in the concert, he uses the structure’s resonances as an additional instrument in his site-specific compositions.» (zeromoon.com. 2015). Nach dem Konzert war das Frequenzspektrum meiner Imagination für etwa zwei Wochen nach unten erweitert. Aber zurück zum «Exploding Head Syndrom» (EHS). Brian A. Sharpless findet das Phänomen weitverbreitet, auch bei jüngeren Menschen. «Exploding head syndrome is characterized by the perception of loud noises during sleep-wake or wake-sleep transitions. Although episodes by themselves are relatively harmless, it is a frightening phenomenon that may result in clinical consequences. At present there are little systematic data on exploding head syndrome, and prevalence rates are unknown.» (Sharpless, Brian A. 2015) Es deutet viel darauf hin, dass die Ursache des Syndroms eine Art neurale Entladung sein könnte, auch wenn auch diese Theorie nur spekulativ ist. Sharpless wird in einem BBC Artikel folgendermassen zitiert: «‹We think the neurons are all firing at once,› he says, which results in the sensation of an explosion in your head.» (Thomson, Helen. BBC Future, 2015). Niels Nielsen, der selber vom EHS betroffen ist, beschreibt den Klang im selben Artikel: «This theory makes sense to me. It has always felt electrical in its nature. The sensation of an explosion is accompanied with a very loud sound in both my ears, as if you’ve crossed two wires in a circuit and 17 zapped them together. […] It feels like an electric shock. You can feel the current passing through you. «Haven’t seen so many brains out of their heads before» Zitat aus dem Film «The Man with two Brains» (1983). Zur Geschichte: «On a trip to Vienna, city of the elevator serial killer, the doctor visits a laboratory and strikes up an odd friendship with something – or someone – he finds there. The result is that as he grows increasingly suspicious of his stunning wife, he develops a meaningful – but of necessity platonic – relationship with a bottled brain.» (imdb.com. 2015) So stupid … Look at you ... pointless ... Jump now ... Do i t... Don’t ... Touch it ... Yes you won’t ... worthless … So stupid. You are now looking at the human soul Menschen mit auditiven Halluzinationen beschrieben ihre inneren Stimmen: «Auditory Hallucinations – An Audio Representation. This is designed to provide the listener with some understanding of what it might be like to experience auditory hallucinations. Content in this presentation is based on things our clients tell us they hear through my experience as a mental health outreach worker.» (Jarrad Wale. 2011) Zitat aus dem Film «Bis ans Ende der Welt» (Director’s Cut. 1991) von Wim Wenders. No hay banda! Zitat aus dem Film «Mulholland Drive» von David Lynch. ‹Club Silencio› Szene. Der Mann auf der Bühne schreit ins Publikum, dass es keine Band gebe, dass alles eine Illusion und alle Musik nur eine Tonaufnahme sei (Lynch, David. Mulholland Drive. 2001) Halluzination mit Musik, die von irgendwo kommt, wo keine ist SOUND Ulrich Pontes, <Wenn Töne uns übers Ohr hauen> BERND SCHURER [...] da passiert’s mir häufig, dass ich einfach beginne, Dinge zu synthetisieren, die gar nicht physikalisch messbar vorhanden sind [...] SOUND Simon Grab, <ach> DAVID CHAZAM [...] il y a un moment ou je suis dans une espèce de trance [...] SOUND Simon Grab, <jyi> Leo Rangell hatte nach einer Operation auditive Halluzinationen. Was er zuerst noch als Gesang von nebenan deutet, ist eine Halluzination, welche ihn von nun an begleitet. Rangell publiziert seine Geschichte: «He describes awakening from his operation with a range of semi-hypnotic and hallucinatory experiences, as one might expect following such a major event and with the kind of anaesthetic drugs used. He soon also realised he was hearing music, which he was convinced came from a building on a nearby hillside. It took a huge amount of persuading from his closest family and others before he had to admit that the incessant musical accompaniment heralded not from anywhere outside himself, but from somewhere inside his own mind, a truth that he strongly resisted at first. He was from that point onwards to experience such musical accompaniment for the rest of his life, and understood that he had become a scientific oddity. I accepted the song, was happy, and sang along with it. But it still came from the outside. It was not until the day I left that the thought hit me. As I was being driven home, I mused for a moment that I would miss the music. But when finally, far enough away for me to be sure, we came to the hills of Brentwood, where I lived, and I suddenly realized that the songs had come with me, and were still there, way off over my right shoulder, I was struck, and wondered, half afraid, ‹My Then I realised what it is Zitat aus dem Film «Mulholland Drive» von David Lynch. Sample aus Winkie’s Szene: Der Protagonist erzählt von seinem Traum, und dem Moment, in dem er realisierte, wo sich der Traum abspielte. Es stellt sich heraus, dass der Traum die Realität vorweggenommen hat, uns sich die gleiche Traumgeschichte nun abspielt. JOSÉ I. GARCIA [...] like a hologramic representation in our brains [...] MIKE HAMERSKI [...] I would love to know what the exact chemical composition is to get to that state of mind [...] INTERVENTION Turning Point: Der Autor gibt die ursprüngliche Idee auf, dem Hirn eine funktionierende Hirnmusikmaschine zu Verfügung zu stellen. Die Pflegerin weiss, dass das Experiment gescheitert ist. Keine brauchbare Musik kommt aus der Maschine raus. Die Übersetzung vom Hirn zur Maschine klappt nicht. Sie singt dem Hirn ein letztes Lied vor. Die Maschine weist darauf hin, dass die Pflegerin Teil des Hirns ist. SOUND Simon Grab & Patricia Bosshard, <MRI. Soundlibrary> Tonaufnahme eines MRI Scanners als Maschinengeräusch. 18 DIE PFLEGERIN (Singt das Lied <Au clair de la lune>. Hall Effekt) Au clair de la lune, mon ami Pierrot Prête-moi ta plume, pour écrire un mot. Ma chandelle est morte, je n’ai plus de feu. Ouvre-moi ta porte, pour l’amour de Dieu. Au clair de la lune, mon ami Pierrot Prête-moi ta plume, pour écrire un mot. Ma chandelle est morte, je n’ai plus de feu. Ouvre-moi ta porte, pour l’amour de Dieu. DIE MASCHINE (Aus Dürrenmatt, <das Hirn>. Kleiner Lautsprecher im Raum) Doch wie sich das Hirn in das Wesen tiefer hineinfühlt, fühlt es das Wesen zweimal, als Mann und Frau. Diese ist dem Tod näher als der Mann, der ihn im Töten erlebt, als etwas Unmittelbares, als Ereignis, worin er verstrickt ist, als ein Gegensatz zum Leben, als ein Unfall, der ihm jederzeit droht und einmal sicher ist. Die Frau dagegen gebiert Leben, das zum Tode bestimmt ist. Was aus ihrem Schoss kommt, ist ein Teil von ihr, der sterblich ist wie sie. Der Tod ist für den Mann ein Problem, nicht für die Frau. Dass er sterblich ist, versetzt den Mann in Panik. Der Mann rebelliert gegen den Tod, die Frau nimmt ihn hin. SOUND Smetana, <String Quartet No. 1 in E Minor (I)> SOUND Verfremdetes Atmen. Tinnitus. Hochfrequenter Klang. MEDIA «What’s he doing? He’s trying to record his own dreams! Suck out our dreams and look at them at the television. That’s impossible! That’s what they said to Galileo.» Der Autor gibt die ursprüngliche Idee auf, dem Hirn eine funktio- Au clair de la lune nierende Hirnmusikmaschine zu Verfügung zu stellen Die Pflegerin hat aber einmal darüber gelesen, dass im Jahr 1860 Edouard-Léon Scott de Martinville eine Tonaufnahme gemacht hat, die erst 150 Jahre später hörbar gemacht werden konnte. Auf dieser Aufnahme befand sich ein Ausschnitt aus dem Kinderlied «Au clair de la lune». Aus Verzweiflung, weil demnächst das Hirn entsorgt werden soll, und weil sie mittlerweile auch nicht mehr sicher ist, ob sie selber existiert, singt sie dem Hirn das Lied vor, in der Hoffnung, dass später vielleicht jemand den Gesang aus der Maschine herauslesen kann. Die Zeitschrift Spiegel berichtete 2008 über den Fund: «Mit einem grossen Trichter fing der Edouard-Léon Scott de Martinville die Klänge auf, eine Membran übertrug die Schwingungen dann auf eine Schweineborste, die ihrerseits Muster in eine russgeschwärzte Walze kratzte. Das erste Bild des Schalls war aufgefangen. Ein Klang-Foto, sozusagen. Später ersetzte Scott die Russwalze durch Papier, doch das Prinzip seiner Maschine blieb unverändert. [...] Weil Scott ein Mann des geschriebenen, nicht aber des gesprochenen Worts war – und weil er sich wohl zu sehr an Daguerre orientierte – war sein Phonoautograf nicht dazu gedacht, den aufgezeichneten Schall auch wiederzugeben. Ein Forscherteam, dem unter anderem der US-Radiohistoriker David Giovannoni und Mitarbeiter der Plattenfirma Archeophone Records angehören, hat sich nun die Klangaufzeichnungen Scotts vorgenommen – und nach rund 150 Jahren doch noch abspielbar gemacht. Dazu scannten sie alte Schallbilder, die in den Archiven des Pariser Patentamts und der Französischen Akademie der Wissenschaften schlummerten. So gelang es ihnen, eine Aufzeichnung aus dem Jahr 1860 hörbar zu machen. Das Tondokument stammt damit aus einer Zeit, in der Edisons Erfindung noch fast 20 Jahre in der Zukunft lag. Zu hören ist ein verrauschter Ausschnitt aus dem französischen Kinderlied ‹Au Clair de la Lune›.» (Spiegel Online. 2008) Die Hirnmusikmaschine wirft mehr Fragen auf, als dass sie Antworten bereit hält. Und das Hirn, ob entkoppelt oder nicht, muss sich zuerst im Klaren darüber sein, was denn Identität, was das ICH dann bedeutet, wenn die Möglichkeit besteht, Musik im Kopf über eine angeschlossene Maschine zu hören. Nicht einmal eine Kontrollinstanz lässt sich einbauen, nicht einmal das Argument des freien Willens gilt, seit wir wissen, dass das Hirn kurz vor einer Entscheidung schon aktiv ist, demnach das ICH, was auch immer es nun noch bedeutet, nur ausführende Kraft ist. Slavoj Zizek findet in «No Sex Please, We Are Post-Human» die besseren Worte, um meine Bedenken zu beschreiben: «The paradox – or, rather, the antinomy – of the cyberspace reason concerns precisely the fate of the body. [...] We will never turn ourselves into virtual entities freely floating from one to another virtual universe: our ‹real life› body and its mortality is the ultimate horizon of our existence, the ultimate, innermost impossibility that underpins the immersion in all possible multiple virtual universes. [...] The ongoing decoding of the human body, the prospect of the formulation of each individual’s genome, confronts us in a pressing way with the radical question of ‹what we are›: am I that, the code that can be compressed onto a single CD? Are we ‹nobody and nothing,› just an illusion of self-awareness whose only reality is the complex interacting network of neuronal and other links? [...] if there is effectively no one out there, behind the screen, what if the same goes for myself? What if the ‹I,› my self-awareness, is also merely a superficial ‹screen› behind which there is only a ‹blind› complex neuronal circuit? [...] How will the awareness of this total self-objectivization affect our self-experience? The standard answer (the knowledge of our genome will enable us to intervene into our genome and change for the better our psychic and bodily properties) still begs the crucial question: if the self-objectivization is complete, who is the ‹I› who intervenes into ‹its own› genetic code in order to change it? Is this intervention itself not already objectivized in the totally scanned brain? The ‹closure› anticipated by the prospect of the total scanning of the human brain does not reside only in the full correlation between the scanned neuronal activity in our brain and our subjective experience (so that a scientist will be able to give an impulse to our brain and then predict to what subjective experience this impulsive will give rise), but in the much more radical notion of bypassing the very subjective experience: what will be possible to identify through scanning will be DIRECTLY our subjective experience, so that the scientist will not even have to ask us what we experience - he will be able to READ IMMEDIATELY on his screen what we experience. (There is a further proof which points in the same direction: a couple of milliseconds before a human subject ‹freely› decides in a situation of choice, scanners can detect the change in the brain’s chemical processes which indicates that the decision was already taken – even when we make a free decision, our consciousness seems just to register an anterior chemical process... The psychoanalytic-Schellingian answer to it is to locate freedom (of choice) at the unconscious level: the true acts of freedom are choices/decisions which we make while unaware of it - we never decide (in the present tense); all of a sudden, we just take note of how we have already decided.) [...] it will be possible, through neurological implants, to switch from our ‹common› reality to another computer-generated reality without all the clumsy machinery of today’s Virtual Reality (the awkward glasses, gloves...), since the signals of the virtual reality will directly reach our brain, bypassing our sensory organs: ‹Your neural implants will provide the simulated sensory inputs of the virtual environment - and your virtual body - directly in your brain.› (Kurzweil. 1999) [...] The neuronal implants effectively reduce us to „brains in the vat,« cutting us off from any direct perception of reality [...] we reach a kind of omnipotence, being able to change from one to another reality by the mere power of our thoughts - to transform our bodies, the bodies of our partners, etc.etc.: ‹With this technology, you will be able to have almost any kind of experience with just about anyone, real or imagined, at any time.› The question to be asked here is: will this still be experienced as ‹reality›? Is not, for a human being, ‹reality› ONTOLOGICALLY defined through the minimum of RESISTANCE – real is that which resists, that which is not totally malleable to the caprices of our imagination? As to the obvious counter-question: ‹However, everything cannot be virtualized – there still has to be the one ‹real reality,› that of the digital or biogenetic circuitry itself which generates the very multiplicity of virtual universes!›, the answer is provided by the prospect of ‹downloading› the entire human brain (once it will be possible to scan it completely) onto an electronic machine more efficient than our awkward brains. At this crucial moment, a human being will change its ontological status ‹from hardware to software›: it will no longer be identified with (stuck to) its material bearer (the brain in the human body). The identity of our Self is a certain neuronal pattern, the network of waves, which, in principle, can be transferred from one to another material support.[…]» (Zizek, Slavoj. 2009) Smetana, <String Quartet No. 1 in E Minor (I)> Smetana bemerkt im Jahr 1874 zunehmende Hörprobleme, die mit einem Tinnitus einhergehen. Im String Quartet No. 1 übersetzt er sein Empfinden in die Komposition, indem er einen hochfrequenten Ton, ähnlich einem Tinnitus, von der Geige spielen lässt. Er hört je länger je weniger, bis zur absoluten Taubheit. In einer Programmnotiz auf earsense.org wird die letzte Zeit von Smetana vor seinem Ableben beschrieben: «In 1874, at the age of fifty, Smetana begin to notice a variety of hearing problems including high-pitched notes, rushing sounds, and the noise of ‹breaking sticks›, collectively known as the disorder tinnitus. His hearing quickly deteriorated leaving him completely and permanently deaf by the end of the year. On one hand, this devastated Smetana, forcing him to resign all duties as conductor and performer, to completely withdraw from the public arena of music making. On the other hand, like other great and similarly afflicted composers before and since, Smetana continued to apply his highly developed and apparently fully internalized ability to compose music in spite of his inability to ‹hear› it in the traditional sense. His musical output continued unabated in quantity and quality for over ten years until his death in 1884.[…] Written in 1876, the first quartet reflects the most elaborate narrative as suggested by his title, ‹From My Life› (Z mého života), and fully revealed by Smetana himself in a detailed letter: ‹My intention was to paint a tone picture of my life. The first movement depicts my youthful leanings toward art, the Romantic atmosphere, the inexpressible yearning for something I could neither express nor define, and also a kind of warning of my future misfortune … The long insistent note in the finale owes its origin to this. It is the fateful ringing in my ears of the high-pitched tones which in 1874 announced the beginning of my deafness. I permitted myself this little joke, because it was so disastrous to me.[…]›.» (earsense.org. 2006) «What’s he doing? He’s trying to record his own dreams! Suck out our dreams and look at them at the television. That’s impossible! That’s what they said to Galileo.» «Bis ans Ende der Welt» (Director’s Cut. 1991) von Wim Wenders EXPERIMENTE Rückblende: Die Maschine führt zahlreiche Versuche durch. Erfolglos. Sie schafft es nicht, die Musik aus dem Hirn zu extrahieren. Das Experiment scheitert. Das Hirn soll demnächst entsorgt werden. Todesurteil. MEDIA Pinky & the Brain. <Brainstem> SOUND Simon Grab. <Egypt> MEDIA Die eine Metapher ist, von dem Gehirn als einem Gebiet zu reden, einem geographischen Ort, den man erkunden muss, von dem man Karten anlegt. [...] Ausdrücke, die vielleicht auch ins Kolonisierende reingehen. [...] Das Gehirn wird verfügbar gemacht. [...] Man hat das Gefühl, Hirnforscher sind immer noch im Aufbruch [...] Im OP dann auch eine relativ intime Situation zwischen dem Neurologen, der das beobachtet, dem Neurochirurgen, der die Elektrode einführt und dem Patienten, der weiss, dass die jetzt sein Hirn gerade erobern. [...] Wahrscheinlich ist es letztendlich auch ein Zivilisationsschritt. MEDIA Monty Phyton. <Brain Doctor> MEDIA «And they where doing recordings from the brain of live monkeys [...] you can insert electrodes in it and record the responses of individual neurons.» MEDIA «To begin with I thought it would be amazing if I could put on a head piece and think of a symphony and the computer would literally print out all the parts. Now I think we’re probably about 50 years away from that, but having worked on the technology I think that sort of thing is possible. [...] We’re not very far from that.»[...]«If I had to say what I thought was gonna happen in the next 10-15 years, I would say that it’s gonna simultaneously get very very scary and very very interesting and beautiful» SOUND IBM 704, <Daisy Bell> SOUND Alvin Lucier, <Sitting in a room> SOUND Claude-Servais-Matthias Pouillet, <inscribed Waveform> Wovon sprechen wir, wenn wir vom Hirn als Gebiet reden? Der Philosoph und Ethiker Oliver Müller über die Hirnforschung als Expedition ins Unbekannte, über die Zivilisierung des Hirns. Seine Abhandlung entstand im Rahmen der Cerebromatik-Tagung. Aus dem Projektbeschrieb: «Im November 2013 trafen fünf Mitglieder des Exzellenzclusters ‹BrainLinks-BrainTools› auf fünf Forscher_innen anderer Disziplinen. Es war ihre erste Begegnung. In einer eintägigen experimentellen Beobachtungsstation, inszeniert als öffentliche Filmaufnahme mit Zuschauern, diskutierten die fünf Dialogpartner über Schnittstellenproblematiken zwischen Organismus und Technik im Gehirn und zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Das Publikum konnte die Videoaufzeichnung im Sichtungsraum live verfolgen. Ausgestellt wurden weiterhin Dokumente, Bild- und Filmmaterial mit Statements und Interviews der Wissenschaftler zur Metapher des Gehirns, die im September 2014 gesammelt wurden. Diese Webseite (Design: Pierre Becker / TaTrung) dokumentiert die Arbeit der Mobilen Akademie Berlin (Hannah Hurtzig/ Philipp Hochleichter) mit dem Exzellenzclusters ‹BrainLinks-BrainTools›. Cerebromatik ist wissenschaftliche Zukunftssprache, 1964 erfunden vom polnischen Autor, Futurologen und Wissenschaftstheoretiker Stanislaw Lem. Er prognostizierte damit eine kognitive Entsprechung zur Prothetik – die technische Ersetzung, Kontrolle und Manipulation der neuronalen Hirnstruktur.» (cerebromatik.uni-freiburg.de. 2013) nanz des Hirnraums zum Vorschein. «‹I am sitting in a room› (1969) is one of composer Alvin Lucier’s best known works, featuring Lucier recording himself narrating a text, and then playing the recording back into the room, re-recording it. The new recording is then played back and re-recorded, and this process is repeated. Since all rooms have characteristic resonance or formant frequencies (e.g. different between a large hall and a small room), the effect is that certain frequencies are emphasized as they resonate in the room, until eventually the words become unintelligible, replaced by the pure resonant harmonies and tones of the room itself. The recited text describes this process in action—it begins ‹I am sitting in a room, different from the one you are in now. I am recording the sound of my speaking voice,› and the rationale, concluding, ‹I regard this activity not so much as a demonstration of a physical fact, but more as a way to smooth out any irregularities my speech might have,› referring to his own stuttering. Full Text: I am sitting in a room different from the one you are in now. I am recording the sound of my speaking voice and I am going to play it back into the room again and again until the resonant frequencies of the room reinforce themselves so that any semblance of my speech, with perhaps the exception of rhythm, is destroyed. What you will hear, then, are the natural resonant frequencies of the room articulated by speech. I regard this activity not so much as a demonstration of a physical fact, but more as a way to smooth out any irregularities my speech might have.» (Wikipedia. 2015) Monty Phyton. ‹Brain Doctor› Claude-Servais-Matthias Pouillet, ‹inscribed Waveform› T.F. Gumby: DOCTOR! DOCTOR! Doctor! Doctor! Where is the Doctor? Specialist: Hello! T.F. Gumby: Are you the brain specialist? Specialist: Hello! T.F. Gumby: Are you the brain specialist? Specialist: No, no, I am not the brain specialist. No, I am not! Yes. Yes I am. T.F. Gumby: My brain hurts! Specialist: Well let’s take a look at it, Mr Gumby. T.F. Gumby: No, no, no, my brain in my head. Specialist: It will have to come out. T.F. Gumby: Out? Of my head? Specialist: Yes! All the bits of it. Nurse! Nurse! (a nurse enters) Nurse! Nurse! Nurse, take Mr Gumby to a brain surgeon. Nurse: Yes doctor. Specialist: Where’s the ‹Lancet›? Nurse: He’s brilliant you know. Specialist: Where’s the bloody ‹Lancet›? My brain hurts too. Surgeon: (putting on Gumby props) Gloves... glasses... moustache... handkerchief... (Gumby voice) I’m going to operate!! All: Let’s operate. T.F. Gumby: (Sits up) Hello! Surgeon: Ooh! We forgot the anaesthetic! Operating Gumbys: The anaesthetic! The anaesthetic! Gumby Anaesthetist (Terry Jones): I’ve come to anaesthetize you!! Simon Grab: Ok, das war jetzt nicht wirklich notwendig. Rekonstruierter Klang einer aufgezeichneten Wellenform von Pouillet: «Édouard-Léon Scott de Martinville was the first person to record sound vibrations from the atmosphere via a membrane. However, others before him had recorded the vibrations of sounding bodies at their point of origin by attaching a stylus directly to a string or bell or tuning fork. Nineteenth century acousticians associated this approach with Jean-Marie-Constant Duhamel, who had drawn widespread attention to it through a series of experiments published in 1840. But Scott himself seems to have been unaware of Duhamel’s work when he invented the phonautograph. Instead, he refers back in his early writings to the work of Guillaume Wertheim (1842) and to the electromagnetic «tour» of Pouillet. [...] In 1850, Pouillet published a book called Notions générales de physique et de météorologie à l’usage de la jeunesse. In it, he describes a method for determining the numerical frequencies corresponding to the notes of the musical scale. Step one: procure a tuning fork for each 19 note in the octave and attach a stylus to one of the prongs. Step two: set up an electromotor that causes a wheel with an inked circumference to revolve at a constant rate. Step three: set the first tuning fork into vibration and hold it up to the circumference of the wheel to record its vibrations by scraping away the ink. Step four: count the number of vibrations the fork recorded in one second. Step five: repeat with the other tuning forks. Pouillet reports his results as 528, 594, 660, 704, 792, 880, 990, and 1056 simple vibrations (i.e., double the value in Hz). He also published an image of a sample waveform. This could be a facsimile of an actual recording Pouillet had made in the way he described. If so, it’s arguably a ‹record› of the vibrations of a tuning fork made before the invention of the phonautograph. It dates, though just barely, from the first half of the nineteenth century.» (FirstSounds. org. 2015) Eine Metapher ist, von dem Gehirn als einem Gebiet zu reden[ And they where doing recordings from the brain of live monkeys Der Neurowissenschafter Dan Levitin (Autor von «This is your brain on music») im Gespräch mit dem Musiker David Byrne (Open Culture, 2007). It’s gonna simultaneously get very very scary and very very interesting and beautiful «Music of the Mind» nennt sich das Projekt des Musikers Finn Peter, der mit EEG Technologie experimentiert: «Music Of The Mind is a unique project, combining performance theater & scientific experimentation, using brain-computer interfaces to create brain music. The brain emits tiny electrical signals with every thought or mental process we have, and the specially designed headsets worn by the players in Finn Peters’ group can read these signals and translate them into musical tones via a computer. This technology allows the computer to translate the musician’s brainwaves into sounds and tones.» (Synthopia.com. 2010) IBM 704, ’Daisy Bell’ Das Lied wird wohl überall dort auftauchen, wo neuartige Audioaufnahmen entstehen: «In 1962 physicist John Larry Kelly, Jr created one of the most famous moments in the history of Bell Labs by using an IBM 704 computer to synthesize speech. Kelly’s voice recorder synthesizer vocoder recreated the song Daisy Bell, with musical accompaniment from Max Mathews.« (Wikipedia. 2015) Alvin Lucier, ’Sitting in a room Die Hirnmusikmaschine hat zum Ziel, die mentale Musik unmittelbar auszuspielen. Wenn das Hirn sich selber ohne Verzögerung hören würde, so hätte dies voraussichtlich ein enormes Feedback zur Folge. Würde das Hirn das Experiment von Alvin Lucier ’Sitting in a room’ mit Kopfhörern durchführen, käme die Eigenreso- DIE MASCHINE Using functional Magnetic Resonance Imaging and computational models, researchers have succeeded in decoding and reconstructing people’s dynamic visual experience. «This is a major leap toward reconstructing internal imagery. We are opening a window into the movies in our minds. SOUND Edouard-Leon Scott de Martinville, <Au clair de la lune> DIE MASCHINE Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex. «Potentially, the technique could be used to develop an implantable prosthetic device to aid speaking, and for some patients that would be wonderful. The next step is to test whether we can decode a word when a person imagines it. That might sound spooky, but this could really help patients. Perhaps in 10 years it will be as common as grandmother getting a new hip,» SOUND Volta Laboratory, «T-r-r- T-r-r-» «There are more things in heaven and earth Horatio, than are dreamed of in our philosophy —T-r-r— I am a Graphophone and my mother was a Phonograph.» DIE MASCHINE To check for artifacts in the set-up, the experiment was also carried out with a watermelon phantom. 20 DIE MASCHINE The current study shows that it is possible to detect perceived music from the single trial E-E-G signal. SOUND Charles Batchelor. Metropolitan Elevated Railroad We are opening a window into the movies in our minds Jack Gallant, Neurowissenschaftler an der UC Berkeley, listet häufig gestellte Fragen auf seiner eigenen Webseite auf. Auf die Frage, ob in Zukunft mit fortgeschrittener Technologie die Möglichkeit besteht, Träume, Erinnerung und visuelle Vorstellung zu dekodieren, antwortet Gallant: «Neuroscientists generally assume that all mental processes have a concrete neurobiological basis. Under this assumption, as long as we have good measurements of brain activity and good computational models of the brain, it should be possible in principle to decode the visual content of mental processes like dreams, memory, and imagery. However, current computational models of visual processing have been developed to account for visual perception of natural scenes. The accuracy of these models for decoding subjective states such as dreaming and imagination will depend on how similar those processes are to normal visual perception. This is an active topic of research in our lab and in many other labs.» (gallantlab.org. 2014) Im Artikel «Scientists Use Brain Imaging to Reveal the Movies in Our Mind» von Yasmin Anwar wird Gallant’s Forschungsergebnis im Bereich der visuellen Rekonstruktion vorgestellt: «With a cutting-edge blend of brain imaging and computer simulation, scientists at the University of California, Berkeley, are bringing these futuristic scenarios within reach. Using functional Magnetic Resonance Imaging (fMRI) and computational models, UC Berkeley researchers have succeeded in decoding and reconstructing people’s dynamic visual experiences – in this case, watching Hollywood movie trailers. As yet, the technology can only reconstruct movie clips people have already viewed. However, the breakthrough paves the way for reproducing the movies inside our heads that no one else sees, such as dreams and memories, according to researchers. ‹This is a major leap toward reconstructing internal imagery,› said Professor Jack Gallant, a UC Berkeley neuroscientist and coauthor of the study published online today (Sept. 22 2011) in the journal Current Biology. ‹We are opening a window into the movies in our minds.› Eventually, practical applications of the technology could include a better understanding of what goes on in the minds of people who cannot communicate verbally, such as stroke victims, coma patients and people with neurodegenerative diseases. It may also lay the groundwork for brain-machine interface so that people with cerebral palsy or paralysis, for example, can guide computers with their minds. However, researchers point out that the technology is decades from allowing users to read others’ thoughts[…]» (newscenter.berkeley.edu. 2011) The next step is to test whether we can decode a word when a person imagines it. DIE MASCHINE «Recent multi-voxel pattern classification studies have shown, that in early visual cortex patterns of brain activity generated during mental imagery, are similar to patterns of activity generated during perception.» SOUND Rudolf Eb.er et al. <Wellenfeld> Die Studie «Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex» wird in der Zeitung «The Guardian» am Tag der Veröffentlichung präsentiert: «The scientists ran tests on patients who were already in hospital for an operation to treat intractable epilepsy. In that procedure, patients have the top of their skull removed and a net of electrodes laid across the surface of their brain. Doctors use the electrodes to identify the precise trigger point of the patient’s fit, before removing the tissue. Sometimes, patients wait for days before they have enough seizures to locate the source of the problem. Scientist Brian Pasley enrolled 15 patients to take part. He played each a series of words for five to 10 minutes while recording their brain activity from the electrode nets. He then created computer programs that could recognise sounds encoded in the brain waves. The brain seems to break sounds down into their constituent acoustic frequencies. The most important range for speech is 1-8,000 Hertz. Pasley compared the technique to a pianist who can hear a piece in their mind just by knowing which keys are played. He next played a collection of new words to the patients to see if the algorithms could pick out and repeat recognisable words. Among them were words such as ‹Waldo›, ‹structure›, ‹doubt› and ‹property›. The scientists got their best results when they recorded activity in the superior temporal gyrus, part of the brain that sits to one side, above the ear. ‹I didn’t think it could possibly work, but Brian did it,› said Knight. «His model can reproduce the sound the patient heard and you can actually recognise the word, though not at a perfect level.» (The Guardian. 2012) Volta Laboratory, «T-r-r— T-r-r— «After «Mary Had a Little Lamb,» this is perhaps the most widely quoted test recording in the early history of recorded sound, but for many years nobody had been able to listen to it. It was made at the Volta Laboratory in Washington DC on or shortly before September 25, 1881—cut into the groove of an Edison demonstration model tinfoil phonograph that had been filled with wax, and originally intended for playback with a jet of compressed air. It was deposited with the Smithsonian Institution a month later in a sealed box that was finally opened to great fanfare in 1937. There is some skepticism today about newspaper reports that claim the recording was played back at that time, but René Rondeau wrote in ‹Tinfoil Phonographs› (2001) that «the sound impressions in the wax-filled grooves are still very clear and there is no doubt this recording could be played again with modern equipment.» (FirstSounds.org. 2015) it is possible to detect perceived music Abstract der Studie «Name that tune: Decoding music from the listening brain»: «In the current study we use electroencephalography (EEG) to detect heard music from the brain signal, hypothesizing that the time structure in music makes it especially suitable for decoding perception from EEG signals. While excluding music with vocals, we classified the perception of seven different musical fragments of about three seconds, both individually and cross-participants, using only time domain information (the event-related potential, ERP). The best individual results are 70% correct in a seven-class problem while using single trials, and when using multiple trials we achieve 100% correct after six presentations of the stimulus. When classifying across participants, a maximum rate of 53% was reached, supporting a general representation of each musical fragment over participants. While for some music stimuli the amplitude envelope correlated well with the ERP, this was not true for all stimuli. Aspects of the stimulus that may contribute to the differences between the EEG responses to the pieces of music are discussed.» (Schaefer, R.S. et al. 2010) Charles Batchelor. Metropolitan Elevated Railroad Charles Batchelor’s Phonautogram, mit den ersten amerikanischen Fieldrecordings: «Metropolitan Elevated Railroad from 40 feet away (1878 Phonautogram) In 1878, when Thomas Edison was hired to study the objectionable noise produced by the Metropolitan Elevated Railroad in New York City, he turned to the phonautograph, adapting one of his tinfoil phonographs to draw a ‹readable› lateral waveform. Edison’s colleague Charles Batchelor made this particular phonautogram as part of that project in September. We believe the excerpt presented here begins and ends with test shouts, with three specimens of actual train noise in between-the earliest American sounds yet reproduced. Note that pitch fluctuations are due at least in part to the irregular recording speed.» (FirstSounds.org. 2015) patterns of brain activity generated during mental imagery, are similar to patterns of activity generated during perception. Abstract der Studie ’A voxel-wise encoding model for early visual areas decodes mental images of remembered scenes’: «Recent multi-voxel pattern classification (MVPC) studies have shown that in early visual cortex patterns of brain activity generated during mental imagery are similar to patterns of activity generated during perception. This finding implies that low-level visual features (e.g., space, spatial frequency, and orientation) are encoded during mental imagery. However, the specific hypothesis that low-level visual features are encoded during mental imagery is difficult to directly test using MVPC. The difficulty is especially acute when considering the representation of complex, multi-object scenes that can evoke multiple sources of variation that are distinct from low- level visual features. Therefore, we used a voxel-wise modeling and decoding approach to directly test the hypothesis that low-level visual features are encoded in activity generated during mental imagery of complex scenes. Using fMRI measurements of cortical activity evoked by viewing photographs, we constructed voxel- wise encoding models of tuning to low-level visual features. We also measured activity as subjects imagined previously memorized works of art. We then used the encoding models to determine if putative low-level visual features encoded in this activity could pick out the imagined artwork from among thousands of other randomly selected images. We show that mental images can be accurately identified in this way; moreover, mental image identification accuracy depends upon the degree of tuning to low-level visual features in the voxels select- ed for decoding. These results directly confirm the hypothesis that low-level visual features are encoded during mental imagery of complex scenes. Our work also points to novel forms of brain–machine interaction: we pro- vide a proof-ofconcept demonstration of an internet image search guided by mental imagery.» (Naselaris, T. et al. 2015 Rudolf Eb.er et al. <Wellenfeld> Stefan Paulus schreibt in seiner Rezension über die Performance «Wellenfeld» von Rudolf Eb.er, Joke Lanz, GX Jupitter-Larsen. Mike Dando im Jahr 2012 in Bristol, UK: «[…] Ursache der akustisch verstärkten und dadurch hörbar gemachten Spannungsschwankungen der jeweiligen Gehirnaktivitäten sind physiologische Vorgänge einzelner Gehirnzellen, welche sich anhand ihrer spezifischen räumlichen Anordnung im Gehirn willentlich durch die Protagonisten potenzieren lassen, so dass sich über die Kopfhaut Potentialänderungen ableiten lassen. Die willentliche Manipulation von Gehirnwellen kann durch Imagination, visuelle oder akustische Reizüberflutung oder Reizdeprivation verstärkt werden. Im psychogeographischen Relief, das durch das EEG grafisch dar- DIE MASCHINE «Human adaptive capacity relies in part on the ability to simulate external world in one’s imagination. The imagery representations may be associated with activation of the modality-specific sensory cortex that is similar to the real perceptions.» SOUND Frank Lambert. <Talking Clock> SOUND Harry Dacre. Daisy Bell SOUND Alvin Lucier, Music for solo performer FREYA BAILES In a way your radio play seems very futuristic and perhaps a bit outhere, it’s just a logical extension of what’s been done currently, I think. SOUND Sven König. <sCrAmBlEd?HaCkZ!> SOUND Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex «waldo,» «structure,» «doubt,» «property,» JOSÉ I. GARCIA And one day we’ll be able to build up an apparatus and we’ll see all this performances occurring in the supraluminic world [...] MEDIA Documentary Film: Invention Factory: How Will Mind Overcome Matter? «We really want to know what’s happening at the cellular level. The best way to do that is to have very tiny devices that can go inside the brain.» [...] «We build microelectronic brain implants that are specifically designed for nerve stimulation and recording. We want to have the least invasive process in implanting [...] part of the game is knowing exactly what neuron needs to be targeted, and only stimulating the area that you need.« [...] «listen to the cells, hear the cells, understand the cells and be able to speak back to the brain.» [...] that’s the bases of mind control [...] that is nature showing us something that’s possible. A lot of people thought this was Sci-Fi, this is all possible« DIE MASCHINE Trr— Trr— There are more things in heaven and earth Horatio, than are dreamed of in our philosophy —Trr— I am a neurograph, my mother was a Graphophone and my grandmother was a Phonograph. gerstellt werden kann bzw. das durch ‹Wellenfeld› gezeichnet wird, ist das Ausmass der individuellen Erzeugung eines Wellenfelds nur schwer auszumachen. Die Sounds der Gehirnwellenaktivitäten morphen, mykorrhizieren, überlagern sich zu gemeinschaftlichen Fäden und Strömen bis, die akustisch verstärkten und so wahrnehmbaren Vibrationen, Hörflächen entstehen lassen, die auf bestimmte Symptome von Bewusstseinszuständen hinweisen. In der empirischen Forschung zu Bewusstseinszuständen deuten Gehirnströme im Alpha-Bereich von 8 Hz-12 Hz Zustände leichter Entspannung und im Bereich von 21-38 Hz Zustände von Horror, Stress oder Angst an. Der Theta-Bereich von 3 Hz–8 Hz zeigt meditative Zustände an. Die niedrigste Frequenz im Delta-Zustand bis 0,4 Hz weist auf hypnagoge Zustände in Form von Trance oder Hypnose hin. Der Gamma-Bereich der sich zwischen 40 Hz und 80 Hz bewegt ist allerdings wegen seiner niedrigen Amplitude und aufgrund unzureichender Messinstrumente noch wenig erforscht. Vermutet werden in diesem Bereich Zustände konzentrierter und intensivster Anstrengungen als auch die Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen, die Art der Wahrnehmung sowie Wahrnehmungsinhalte. Mystische oder transzendente Erfahrungen in Form von Verlust des Ich-Gefühls oder Verschmelzungserlebnissen werden mit diesem Bereich in Verbindung gebracht. Folglich könnten bestimmte Amplituden innerhalb jener Frequenzbereiche mit spezifischen mentalen Zuständen korrelieren. Der Sound von ‹Wellenfeld› lässt sich mit dem beschreiben was Deleuze und Guattarie in ‹Anti-Ödipus› das molekulare Unbewusste nennen – die Verbindung von Wunsch und Maschine und das Eindringen mit einem organlosen Körper in einen glatten Raum, welcher die individuelle Personalität defundiert. Die Protagonisten bilden sozusagen eine mit ihrer eigenen Montage verschmolzene Identität, die verstreute und nicht-lokalisierbare Fragmente absondert, die sich wiederum auf andere aufsetzen und Ströme assoziierter Felder ableiten, ‹die aus der Entfernung transversale Konnexionen, inklusive Disjunktionen, polyvoke Konjunktionen induzieren und derart in einer verallgemeinerten Schizogenese, deren Elemente die Spaltungsströme sind, Entnahmen, Abtrennungen und Reste mit Individualitätsübertragungen produzieren›» (Deleuze/Guattarie, Anti-Ödipus, S. 370).» (Kulturterrorismus.de. 2014) The imagery representations may be associated with activation of the modality-specific sensory cortex that is similar to the real Alvin Lucier, <Music for solo performer> «[…] the direct transmission of EEG data to loudspeakers that excite percussion instruments via sympathetic vibration is an illusion, an intended theatrical effect. Between data detection and sonic result lies a whole chain of decisions, operations and technical devices that may constitute the technique of sonification. The decision to deliberately conceal this chain of operations is of no little importance in creating of an image of sonification. [...] The iconic image of a soloist performing motionlessly and relying only on brain waves to control percussion instruments is an artistic creation by the composer, not the technical reality of the piece. If ‹Music for Solo Performer› makes reference to sonification, it does so by establishing a framework of aesthetic reception beyond mere sensual perception. Therefore, in this case sonification needs to be understood as a result of artistic production, not as its means.« (Straebel, Volker, and Wilm Thoben. 2014 Sven König. ‹sCrAmBlEd?HaCkZ!› «Up to the invention of recording and reproduction techniques music was elusive. Music was only remembered as an idea (melody, harmony and mood) and existed, if not even only as collective memories like most folk music, at most in the form of scores. When it became possible to technically record music and play it back theoretically an infinite number of times exactly the same way, it became concrete. Recorded music is not remembered by its bare idea but by its whole mediality – the memory of music that one got to know on the radio or through listening to records and CDs hearing exactly he same rendition many times is much less ephemeral than music heard only once at a concert. As tangible as music became after the emergence of reproduction media, as tangible became the memories of music. New music is always created from memory, through the association, recontextualization and reinterpretation of known ideas. In that respect, there is no difference between the elusive idea of music of the pre-recording era and the concrete memory of music - so there is no qualitative difference between playing a new melody on an instrument like a guitar or creating new music out of samples. Because of this, and because any means of reproduction is at the same time also a means of production sampling became musical practise long ago.» (König, Sven. sCrAmBlEd?HaCkZ!. 2006) perceptions Abstract der Studie «Poor supplementary motor area activation differentiates auditory verbal hallucination from imagining the hallucination»: «Neuronal underpinnings of auditory verbal hallucination remain poorly understood. One suggested mechanism is brain activation that is similar to verbal imagery but occurs without the proper activation of the neu- ronal systems that are required to tag the origins of verbal imagery in one’s mind. Such neuronal systems involve the supplementary motor area. The supplementary motor area has been associated with awareness of intention to make a hand movement, but whether this region is related to the sense of ownership of one’s verbal thought remains poorly known. We hypothesized that the supplementary motor area is related to the distinction between one’s own mental processing (auditory verbal imagery) and similar processing that is attributed to non-self author (auditory verbal hallucination). To test this hypothesis, we asked patients to signal the onset and offset of their auditory verbal hallucinations during functional magnetic resonance imaging. During non-hallucination periods, we asked the same patients to imagine the hallucination they had previously experienced. In addition, healthy control subjects signaled the onset and offset of self-paced imagery of similar voices. Both hallucinations and the imagery of hallucinations were associated with similar activation strengths of the fronto-temporal language-related circuitries, but the supplementary motor area was activated more strongly during the imagery than during hallucination. These findings suggest that auditory verbal hallucination resembles verbal imagery in language processing, but without the involvement of the supplementary motor area, which may subserve the sense of ownership of one’s own verbal imagery.» (Raij, T et al. 2012) Frank Lambert. <Talking Clock> «The earliest surviving sound recording (reproducible both at the time and currently) may be the lead cylinder recording for an experimental talking clock, 1878, made by Frank Lambert (1851–1937), but the evidence for its early date remains contentious. [Wichert, Cramer and Koenigsberg] The device and its recording are currently on display at the National Watch and Clock Museum in Columbia, Pennsylvania.» (Beck, Benjamin. 2015) Harry Dacre. Daisy Bell «‹Daisy Bell (Bicycle Built for Two)› is a popular song, written in 1892 by Harry Dacre, with the well-known chorus ‹Daisy, Daisy / Give me your answer, do. / I’m half crazy / all for the love of you›, ending with the words ‹a bicycle built for two›. Sung by Edward M. Favor. Recorded by the Edison Phonograph Company on brown wax cylinder in 1894. It is the earliest song sung using computer speech synthesis, as later referenced in the film 2001: A Space Odyssey.» (Wikipedia. 2015) Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex Das Abstract zur Studie «Reconstructing Speech from Human Auditory Cortex»: 21 «How the human auditory system extracts perceptually relevant acoustic features of speech is unknown. To address this question, we used intracranial recordings from nonprimary auditory cortex in the human superior temporal gyrus to determine what acoustic information in speech sounds can be reconstructed from population neural activity. We found that slow and intermediate temporal fluctuations, such as those corresponding to syllable rate, were accurately reconstructed using a linear model based on the auditory spectrogram. However, reconstruction of fast temporal fluctuations, such as syllable onsets and offsets, required a nonlinear sound representation based on temporal modulation energy. Reconstruction accuracy was highest within the range of spectro-temporal fluctuations that have been found to be critical for speech intelligibility. The decoded speech representations allowed readout and identification of individual words directly from brain activity during single trial sound presentations. These findings reveal neural encoding mechanisms of speech acoustic parameters in higher order human auditory cortex.» (Paisley, BN et al, 2012) Invention Factory: How Will Mind Overcome Matter? Ausschnitt aus dem dokumentarischen Beitrag «Invention Factory: How Will Mind Overcome Matter?»: «In this episode of ‹Invention Factory›, we explore how scientists are harnessing the power of the mind to achieve what once seemed impossible. From microelectronic brain implants that allow us to control machines with our thoughts, to training the brain to push the body to new limits – we’ll test the limits of human potential and see what we are truly capable of through science and technology.» (GE General Electric. 2015) that’s the bases of mind control [...] that is nature showing us something that’s possible Kommentar des Musikers und Freundes Khanzaï Sana (Burkina Faso): «On ne sait plus quoi inventer pour mériter son salaire. On se passe d’utiliser la radiographie ou le scanner ou autres appareils pour ce genre de travaux...Et on fait honte à la création en ayant plus de censure morale. Voici le futur que certains projettent pour le reste de l’humanité. C’est la modernité!!?» (Grab. 2015) <Trr— Trr— There are more things in heaven and earth Horatio> Ein leicht abgeändertes Zitat der oben erwähnten Tonaufnahme aus dem Volta Laboratory 1881, erweitert auf die Hirnmusikmaschine: «I am a neurograph» RADIO DIE KOMPOSITION Radiosendung: Ist mentale Musik überhaupt Musik? Komposition als etwas Geistiges. Das Spezifische, das Eigentümliche, das Utopische. Interviewfragmente SOUND Edgard Varèse, <Amériques> SOUND Bernd Alois Zimmermann, <Musique pour les soupers du Roi Ubu> RAED YASSIN [...] Kind of a utopic world where you can still do some kind of interesting pieces [...] sometimes I hear stuff, and when it’s executed it’s a disaster [...] for me the most important idea is how to plant the seed of an artwork or a music work inside the audience imagination. DAVID CHAZAM [...] pour créer de la musique j’ai besoin de m’imaginer autre chose, d’aller dans une autre direction. [...] 22 JAMES S. ADAMS [...] Is it music if it’s just one person or within one person? [...] SOUND Simon Grab, <Walchetest> BERND SCHURER [...] Da sehe ich eine Verwandtschaft zum Schreiben von Code. Der Prozess ist bei mir auch sehr fragmentarisch. Im Prinzip wird der Klang beschrieben, ob das jetzt verbal ist oder irgendwie in einer anderen Form von Vorstellungskraft. [...] JAMES S. ADAMS [...] When I hear something or I have a concept in my mind [...] sometimes it can be sabotaged [...] MARTIN BEZZOLA [...] es isch guet möglich, dass das was usechunnt völlig noimed andersch isch [...] BERND SCHURER [...] Ich hab klangliche Vorstellungen, die ich als Phänomene bezeichnen würde oder Erscheinung, die ich nicht in Übereinstimmung bringen kann mit den Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen in einem Kontext einer Computermusik Programmiersprache [...] PATRICIA BOSSHARD [...] Si je pouvais transcrire tout ce qui est dans mon cerveau il y aurait beaucoup de choses [...] CHRISTOPH GRAB [...] s mentale üebe isch ein Teil für eus wo total wichtig isch [...] dass mer eus vorstelled ohni Instrument dass mer improvisiered Der Text stammt aus Shakespeare’s «Hamlet» (1.5.167–8), Hamlet to Horatio «There are more things in heaven and earth Horatio, than are dreamed of in our philosophy». Interviewfragmente SOUND Aqua, <Barbie Girl> Intro SOUND Simon Grab, <notfriday> DAN SUTER [...] muesch ä Synapseautobahn baue zwüsched emene emotionale Zentrum und emene sehr technische Zentrum [...] ISABEL MUNDRY [...] ich könnte mich niemals sofort hinsetzen und das aufschreiben [...] DAVE PHILLIPS [...] dä kläglichi Versuech mit singe in äs Taperekorderli oder mit Notation das festzhalte, und das funktioniert eigentlich nie [...] SOUND Beethoven, <5. Sinfonie> ISABEL MUNDRY [...] dass die Schrift selbst in den Dialog mit der Vorstellung tritt [...] SOUND Grandmaster Flash & the Furious Five, <The Message> RUDOLF EB.ER [...] das wären ja Kollisionen von Planeten, das wäre ziemlich pervers, abscheulich, es könnte alles zusammen kommen, vom Mikrokosmos zum Makrokosmos, vom Scharren von irgendwelchen kleinen Insekten, zum Furzen vom Herrgott. [...] Interviewfragen (Leitfaden) Komposition, Übersetzung, Improvisation – Wie gehst du vor, wenn du im Kopf komponierst? Sind es ganze Stücke? – Komponierst du manchmal bewusst nur mental, ohne Intention für Umsetzung? – Spielt dein Körper mit? Erfährst du eine Art Subvokalisation des Klangs? – Gibt es mentale Musik, die sich nicht übersetzen lässt? – Welche Übersetzungsprobleme tauchen auf? – Gelingt dir eine adäquate Umsetzung? – Was würde sich in deiner Musik verändern, wenn du die Musik im Kopf direkt ausspielen könntest? Welche musikalischen Perspektiven eröffnen sich damit? – Hast du während der Improvisation kurze klangliche Vorstellungen bevor du etwas spielst? – Was genau treibt dich an, wenn du musikalische Entscheidungen im Moment triffst? – Lässt sich mentale Musik als Musik definieren? Edgard Varèse, <Amériques> «Varèse used the sirens for structural importance, as representations of a continuum pitch beyond twelve-tone equal temperament. Varèse intended the title Amériques to symbolize ‹discoveries – new worlds on earth, in the sky, or in the minds of men.›» (Wikipedia. 2015) Bernd Alois Zimmermann, ‚Musique pour les soupers du Roi Ubu Zimmermann nennt seine Stücke ‹pluralistic compositions›. Die Kompositionen sind aus kleinen musikalischen Elementen zusammengebaut, die ihm durch den Kopf gehen. «This approach incorporates techniques of montage and collage whereby spontaneous ideas and the momentary content of consciousness contribute to the emergence of a new arrangement together with various resources stored in memory» (Godøy, R. I., and H. Jorgensen. 2012) improvisiered In den Interviews wollte ich auch in Erfahrung bringen, wie MusikerInnen die musikalische Imagination während der Improvisation wahrnehmen. Improvisation scheint mir das exemplarische Moment zu sein, wo Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ideal im Jetzt zusammenkommen und analysiert wird, musikalische Entscheidungen im Spiel aber nicht bewusst zustande kommen. Christoph Grab, Patricia Bosshard und Raed Yassin bestätigen dies und betonen, dass bewusste Entscheide musikalisch meist scheitern. Auch in der Hirnforschung wird dies aufgezeigt. Christian Wolf schreibt im Artikel «Im Kopf des Künstlers»: «Beispielsweise zeigte 2008 eine Studie von Charles Limb von der Johns-Hopkins-Universität und Allan Braun von den National Institutes of Health: der dorsolaterale präfrontale Cortex fuhr seine Aktivität herunter, wenn Jazzmusiker mit einem speziellen Keyboard im Hirnscanner improvisierten. Diese Region ist normalerweise dann besonders im Spiel, wenn es um Kontrolle geht, etwa wenn man sich selbst beim Sprechen zensiert. Limb und Braun glauben, dass bei der Improvisation genau die Impulse abgeschaltet werden, die ansonsten den freien Fluss der Ideen bremsen könnten.» (dasgehirn.info. 2013) DAS ENDE Alle verabschieden sich, alle haben noch etwas zu sagen. Wer stellt wen ab? Es herrscht Unklarheit, wer denn nun befugt, mächtig, willens ist, diese endgültige Entscheidung zu treffen. DIE PFLEGERIN On se dit au revoir, ou on se dit adieu? À une autre fois? ou… Moi je dois tout éteindre ... Ou c’est le cerveau qui éteint? Ou la machine qui éteint le cerveau? DAS HIRN Du verabschiedest dich von mir? Also eigentlich müsste ja ich mich von dir verabschieden, aber, feel free to do so! Ähm, war schön, tschüssi. ... Du hast mich inspiriert, du, meine eigene Vorstellung. DER RADIOMODERATOR Shall I stop now? DAS HIRN Ich verabschiede mich. Nein ich verabschiede mich. Du verabschiedest dich? Na gut, dann verabschiede du dich. DAS HIRN Wie kann ich existieren, wenn ich nicht selber entscheiden kann, wann ich sterben möchte? DAS HIRN Ist es wirklich so, wenn du mich abstellst, du Maschine, bin ich dann... Ich meine, sterbe ich dann überhaupt? Oder ist es nicht umgekehrt? DAS HIRN Und jetzt möchte ich dazu noch sagen, ist der Moment gekommen, wo die Maschine einfach, ... Sprich du mal. DIE MASCHINE Wenn Metapher heisst, es handelt sich um eine Übertragung, wo etwas Unsagbares in einer Weise so gesagt wird, dass wir hinreichend Schubkraft haben, um assoziativ in ein Gemeintes hineinleuchten zu können, dann mag es das schon geben, aber wie gesagt, es hängt davon ab, was man hier mit Musik genau benennt. DAS HIRN Ok, also, wenn jetzt alle gesprochen haben, dann möchte ich noch bemerken... DIE PFLEGERIN Bye Ist der Moment gekommen, wo die Maschine einfach, ... Sprich du mal. Wir kommen zum Ende, und damit zu einem Versuch der Auflösung, was denn nun möglich oder wirklich ist. Stanislaw Lem meint 1998 in seinem Artikel «Der Verstand als Steuermann», dass auch in den folgenden 50 bis 100 Jahren die Technologie fehlen würde, um Gedanken lesen zu können, denn dazu müsste das Gehirn nachgebaut werden. Eine elektronische Entsprechung müsste also die Aktivitäten von Milliarden von Neuronen und den dazugehörigen Dendriten- und Axonenverbindungen nachbilden können, und selbst dann wüssten wir nicht, ob diese Maschine ein adäquates Modell für das Hirn darstellen würde. Lem bezeichnet denn auch gleich die Idee vom entkoppelten Hirn als Unmöglichkeit: «[...] Die von ihren Körpern getrennten und in irgendeiner Nährflüssigkeit schwimmende Gehirne, die zum Denken fähig sein sollen, auch wenn sie nicht sinnlich mit ihrem Körper und durch die Sinne des Körpers mit der Welt verbunden sind, sind Märchen. Wenn Gehirne eine derart totale ‹sensorische Deprivation› erfahren und die Verbindung mit dem Rückenmark und durch das Geflecht des Plexus solaris (‹Bauchhirn›) mit dem Körper getrennt wird, so werden sie in einen typischen Koma-Zustand fallen, woraus man sie höchstens vielleicht durch chemisch-elektrische Reize reissen kann, die ihnen ‹Bewusstseinsbrüche› in Form von merkwürdigen Träumen erzeugen. Aber diese makabre, phantastische Vision, die man in einem (schlechten) Science Fiction Roman finden kann, hat weder etwas mit dem billigen, da fiktiven Dämonismus der Gehirne gemeinsam, die zwangsweise auf dieselbe Weise der Gedankenkontrolle und der elektronischen ‹Steuerung› unterworfen sind, noch mit dem umgekehrten Weg, sie ‹im Kurzschluss› mit den Systemen der ausserkörperlichen Umgebung zu steuern. Dies könnte man nur auf eine so primitive und grobe Weise realisieren, dass es der Mühe nicht wert wäre. Ich meine allerdings nicht, dass Menschen nicht versuchen werden, auf diesem Weg von Gehirnen zu Gehirnen vorzudringen, weil sie dazu neigen, verschiedene mehr oder weniger verrückte Dinge zu tun. Die Ergebnisse solcher Versuchungen können allerdings weder wirklich lohnend noch sozial gefährlich sein.[...] Die Absicht meiner Überlegungen ist, dass eine scharfe Abgrenzung zwischen den technisch und technobiotisch möglichen Errungenschaften und den irrealen Ideen für immer schwierig bleiben wird, weil sich die ‹graue Zone› zwischen beiden nur mit grosser Mühe feststellen lässt, zumal in einer Epoche so schneller Fortschritte wie der unseren. Noch kein Lebender trägt im Brustkorb ein Schweineherz, aber diese Errungenschaft scheint bereits möglich zu sein und kann als Eingriff, durch den das Leben einer Sau für die Rettung des menschlichen Lebens geopfert wird, auch legalisiert werden (wir schweigen zynisch über Schinken und Wurst aus dem Schweineleichnam).[...] Weil die Menschen, wie man weiss, jedoch anderen Menschen schreckliche und auch mörderische Dinge antun, sollte man trotz aller Vorbehalte annehmen, dass es zu Experimenten mit dem und am menschlichen Gehirn kommen wird. Zu denen, die durch Leichtsinnigkeit gesündigt haben, gehöre auch ich selbst (siehe meine ‹Dialoge›, die vor mehr als dreissig Jahren geschrieben wurdem). Mich hat jedoch damals nicht so sehr die moralische und neurotechnische Seite jener Eingriffe beschäftigt, die ich in den ‹Dialogen› beschrieben habe, sondern die Konsequenzen philosophischer Natur als den Folgen eines schrecklichen Eindringens in das, was endgültig über die persönliche Identität und Einzigartigkeit eines jeden lebenden Menschen entscheidet.[...] Da wir jedoch bereits einen Teil der ausschliesslich menschlichen geistigen Arbeiten an eine Technologie, die sich dem Menschen entfremdet hat, übertragen haben, [...] hat man oberflächlich den Eindruck gewonnen, dass uns das Wasser schon bis zu den Knien reicht, zum menschlichen Verstand ein gerader Weg führt und wir die Hürden ziemlich einfach beseitigen werden. So ist es nicht, denn das Gehirn stellt ein so komplexes und geschlossenes System dar, dass man es sogar verletzen kann und wegen des grossen neuronalen Parallelismus keine daraus entstehenden Folgen bemerken wird. Diesen Parallelismus verdanken wir der anthropogenischen Evolution. Die technische Invasion in das Gehirn ist meiner Meinung nach das schwierigste aller schwierigen Probleme, wenn wir optimistisch oder vielleicht eher pessimistisch annehmen dürfen, dass uns eine nicht geringfügige Cerebromatik als Ergebnis der Eingriffe in bereits ausgereifte Gehirne und nicht als eine Variante der zukünftigen genetisch-eugenischen Arbeit bevorsteht.» (Lem, Stanislaw. 1998) Es hängt davon ab, was man hier mit Musik genau benennt Mentale Musik gehört zur Gattung Musik, wenn sie phänomenologisch betrachtet wird. Die Schwierigkeit sie zu beschreiben hängt aber meines Erachtens vielmehr mit der Musik selber zusammen, denn Musik selber ist schon hochkomplex und vielfältig. «Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist», sagte einst der französische Schriftsteller Victor Hugo. Stefanie Reinberger begründet die Komplexität mit der Tatsache, dass Gefühle involviert sind, die evolutionsgeschichtlich begründet sind: «Dass Musik eine so emotionale Angelegenheit ist, könnte ganz in den Ursprüngen der menschlichen Evolution begründet sein, mögli- cherweise als eine Art vorsprachliche Kommunikation. So vermutet der Emotionsforscher Jaak Panksepp, Emeritus an der Bowling Green State University in Ohio, dass frühe Hominiden mit Hilfe melodischer Rufe in Kontakt zueinander blieben – etwa wenn eine Mutter ausser Sichtweite ihres Sprösslings nach Nahrung suchte.» (Reinberger, Stefanie. 2015) 23 EPILOG Ausklang. Die Pflegerin ist weg, die Maschine verstummt. Das Hirn weiss nun und akzeptiert, dass es sich diese Geschichte nicht ausgedacht hat, sondern dass es selber von einem anderen Hirn gedacht ist. Das Hirn verstummt, und mit ihm verschwindet der Atem des Autors. Was bleibt ist Musik. Alleine. Einsam. Die Musik klingt aus. Stille. SOUND Tinnitus. hochfrequenter Ton. Atmen. SOUND Simon Grab, <Eintritt> DAS HIRN (Singt) Daisy, Daisy, give me your answer do. I’m half crazy all for the love of you. It won’t be a stylish marriage. I can’t afford a carriage. But you’ll look sweet upon the seat. Of a bicycle built for two. 24 DAS HIRN (Aus Dürrenmatt, <Das Hirn>. Stimme vom Hirn klingt aus dem Lautsprecher der Maschine) [...]gibt es nicht vielmehr nur ein Hirn, das eine Welt träumt als Abwehr gegen die Angst, eine erträumte Welt, in der einer aus dem gleichen Grunde schreibt, aus dem heraus ihn ein Hirn träumt? Aber auch das Hirn steht vor den gleichen Fragen und Antinomien. Vor dem gleichen Entweder-Oder. Was ist wirklich? Ist alles vom Hirn gedacht wirklich? Fällt nicht alles auf das Hirn zurück, das mich denkt, als sein Gedanke? Und wird nicht das Hirn identisch mit dem dimensionslosen Punkt, worin nicht nur alle Materie und Energie des Weltalls, sondern auch dessen Zeit und Raum zusammengezwängt sind und damit die Möglichkeit des Lebens? Es ist entweder möglich oder wirklich, und nur nicht zu entscheiden, ob es möglich oder wirklich ist. Und so ist alles, was mich umgibt, möglich oder wirklich. DER AUTOR Atem Stop. SOUND Alleine. Am Ausklingen SOUND Stille Stille Sie hörten: Hirnmusik Ein Hörspiel von Simon Grab Es spielten mit: Das Hirn: Kurt Grünenfelder, Sprecher und Schauspieler, Rikon Die Pflegerin: Carine Kapinga, Schauspielerin und Tänzerin, Zürich Der Radiomoderator und Autor: Simon Grab, Klangkünstler, Zürich Die Maschine: Computer und diverse analoge Synthesizer Als sich selber waren zu hören: Jens Badura, Philosoph, Zürich Patricia Bosshard, Komponistin und Violonistin, Lausanne / Paris Dan Suter, Tonmeister, Zürich James S. Adams, Lärm-Musiker, Washington DC Isabel Mundry, Komponistin, Zürich Raed Yassin, Improvisator und Künstler, Beirut Bernd Schurer, Komponist und Computermusiker, Berlin / Zürich Martin Bezzola, Klanggestalter, Zürich Christoph Grab, Jazz-Musiker, Zürich Jörg Köppl, Klangkünstler, Zürich David Chazam, Pop-Experimentator, Brüssel Rolf Inge Godøy, Musikwissenschaftler, Oslo Freya Bailes, Musikwissenschaftlerin, Hall UK Rudolf Eb.er, Lärm-Musiker, Tokyio Dave Phillips, Performance-Künstler, Zürich José I. Garcia, Chemiker und Naturheilpraktiker, Genf Mike Hamerski, Musiker, Warsaw Willi Grab, Aromatiker, Orpund / unterwegs NACHWORT Simon Grab hält die Aufnahme an und reflektiert über das fertiggestellte Werk. Er hört sich in Gedanken nochmals ein paar Ausschnitte des Hörspiels an, bis sich plötzlich der Radiomoderator aus der Geschichte heraus löst und mit ihm ein Interview führt. DER RADIOMODERATOR (Auf dem linken Ohr) SIMON GRAB (Auf dem rechten Ohr) DER RADIOMODERATOR Du bist nun mit deiner Diplomarbeit fertig. Wie fühlt sich das an, über dem Berg zu sein? SIMON GRAB (lacht) Eigentlich sind wir ja mit diesem Interview noch mittendrin, aber ja, eine gewisse Erleichterung ist schon da. Ob <über dem Berg> nun die richtige Metapher ist? ... Ich bin eher über dem Hirn, als über dem Berg. Form DER RADIOMODERATOR Deine Arbeit <Hirnmusik> besteht aus einem Hörspiel und einem Hörspielskript, das mit Kommentaren, Reflexionen, Literaturverweisen und ausführlichen Zitaten versehen ist. Und du bietest noch zusätzliches Audiomaterial an, wo man die Interviews oder den Hörspiel Soundtrack hören kann. Du fügst zudem noch Musik-Mixes an, um die eigenen Hörgewohnheiten zu testen. Warum diese Vielfalt? Hättest du dich nicht auf das Hörspiel beschränken können? SIMON GRAB Die Form der gesamten Arbeit hat die Funktion, die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema <Musik im Kopf> produktiv zu machen. Und zwar für mich im Prozess des Erschaffens dieser Arbeit – oder beim Erklimmen des Berges, um die Metapher noch ein wenig warm zu halten – und für diejenige Person, die sich die gesamte Arbeit anschaut und anhört. Ziel dieser Arbeit ist, zum Phänomen <Musik im Kopf> neue Zugänge zu schaffen, sich der eigenen Wahrnehmung bewusst oder bewusster zu werden, Denkanstösse für neue Ideen und Perspektiven zu generieren, quasi <a door of perception’> ohne Drogen – oder mit Drogen, aber das habe ich nicht getestet. Ich komme ja selber aus der Musik und Klangkunst, und bin auch überzeugt, dass sich diverse Diskurse im künstlerischen Werk einbrennen lassen. Aber Kunst ist am Schluss Kunst. Sie folgt ihren eigenen Kriterien. Die Einschränkung auf das Hörspiel würde dem Thema nicht gerecht. Ob meine gesamte Arbeit dem Thema gerecht wird, vermag ich selbst nicht zu sagen, das überlasse ich gerne Anderen. Aber diese Zugänge zum Thema erschliessen sich jedenfalls nicht nur aus dem Hörspiel. Das Hörspiel ist nur eine Lesart, ist meine persönliche Umsetzung. Und genau um diese Lesarten geht es mir bei dieser vielfältigen Form. So kann jemand nur das Hörspielskript lesen, und sich so das Hörspiel im Kopf anhören. Über die Kommentare wird meine Position und meine Haltung sichtbar. Oder zum Teil erkläre ich darin, wie und warum ich gewisse (Auf dem linken Ohr) MATERIALIEN Interviews Jens Badura, Philosoph, Zürich Patricia Bosshard, Komponistin und Violonistin, Lausanne / Paris Dan Suter, Tonmeister, Zürich James S. Adams, Lärm-Musiker, Washington DC Isabel Mundry, Komponistin, Zürich Raed Yassin, Improvisator und Künstler, Beirut Bernd Schurer, Komponist und Computermusiker, Berlin / Zürich Martin Bezzola, Klanggestalter, Zürich Christoph Grab, Jazz-Musiker, Zürich Jörg Köppl, Klangkünstler, Zürich David Chazam, Pop-Experimentator, Brüssel Rolf Inge Godøy, Musikwissenschaftler, Oslo Freya Bailes, Musikwissenschaftlerin, Hall UK Rudolf Eb.er, Lärm-Musiker, Tokyio Dave Phillips, Performance-Künstler, Zürich José I. Garcia, Chemiker und Naturheilpraktiker, Genf Mike Hamerski, Musiker, Warsaw Willi Grab, Aromatiker, Orpund / unterwegs Simon Grab, Klangkünstler, Zürich Texte Hörspielskript Gemeinsame Diplompublikation aller abschliessenden Studierenden Diplompublikation Simon Grab und Vera Buck, mit einem Text von Olaf Knellessen, Psychoanalytiker, Zürich Musik Hirnmusik – das Hörspiel Hirnmusik – Soundtrack Simon Grab Hirnwäsche – Ohrwurm Mix Hirnwäsche – ‚02-11t10’00’00-d040210t0630’ Hirnwäsche – Barbie Girl Stille – 56 Minuten Stille für die eigene auditive Imagination (Auf dem rechten Ohr) IMPRESSUM Diplomarbeit von Simon Grab Master of Arts in Transdisziplinarität Zürcher Hochschule der Künste HÖRSPIEL Idee, Produktion: Simon Grab Aufnahme & Mischung: Simon Grab, ganzerplatz Tonstudio Musik & Sounddesign: Simon Grab Mentorat: Barbara Liebster PUBLIKATION Text & Bild: Simon Grab Grafik: Annegreth Schärli, gut&schön MATERIALIEN Interviews & Mixes: Simon Grab Danke! Carine Kapinga, Daara & Alika, Kurt Grünenfelder, Barbara Liebster, Annegreth Schärli, Renata Hanselmann, allen Interview-PartnerInnen, Olaf Knellessen, dem Kernteam des Studiengangs Delphine Chapuis Schmitz, Sønke Gau, Katja Gläss, Patrick Müller, Basil Rogger, Irene Vögeli, und allen Transen weltweit! © 2015 Simon Grab 25 Elemente eingebaut habe. Und ich verweise darin auf die aktuelle wissenschaftliche Forschung und deren gesellschaftliche Relevanz. Ich lasse auch bewusst lange Zitate stehen, damit die Sprachlichkeit der jeweiligen Disziplin durchscheint. Der Leser oder die Leserin soll in diese Welten eintauchen können, und auch wieder, den Assoziationen ähnlich, plötzlich in anderen Gefilden stehen. Jemand hat die Lektüre als Hirnwäsche bezeichnet, worauf ich fast den Titel geändert hätte. Und dann noch die hinzugefügten Materialien, die geben dem Ganzen noch eine zusätzliche Tiefe. Die Interviews kann ich übrigens sehr empfehlen, das war richtig spannend, mit all den unterschiedlichen Leuten zu sprechen. Aber zurück zur Gesamtform: in allen <Unterformen> ergeben sich eigene oder eigenständige Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Lesarten. Die Gesamtform ist dann nicht nur die Summe aller Teile sondern ergibt etwas Zusätzliches, etwas Neues. Ich vergleiche bei solchen Arbeiten das, was am Entstehen ist, meist mit einem Monster, einem unsäglichen Vieh, einem lebendigen Wesen, so einem Cronenberg-Unding das man bearbeiten und kneten muss, bis sich seine eigene Identität herausschält. DER RADIOMODERATOR Wann bezeichnest du eine Arbeit als fertig? Wann ist sie für dich gelungen? 26 SIMON GRAB Ach, fertig ist eine Arbeit nie. Es reicht aber manchmal, einen gewissen Stand zu akzeptieren und auszuformulieren. In diesem Fall würde ich die aktuelle Form als erste standfeste Kontaktaufnahme bezeichnen, denn wie zu erwarten war, weiss man am Schluss vor allem, dass man noch nicht viel weiss. Eine Arbeit ist für mich dann gelungen, wenn sie in sich solide steht und trotzdem über sich hinauszeigt. Sie soll an verschiedenen Stellen Öffnungen enthalten, unsaubere Bereiche aufweisen, anecken, Interpretationen zulassen, eigene Positionen hinterfragen, und hoffentlich Kritik hervorrufen. Wer dazu nur Ja und Amen sagen kann, soll besser in die Kirche gehen. Und wer nur Nein dazu sagt, dem wünsche ich auch weiterhin ein schönes Leben. Rezeption DER RADIOMODERATOR Wie wichtig ist dir die Rezeption der Leute, die deine Arbeit lesen und/oder hören? SIMON GRAB Im Prozess, während dem Entwickeln des Stoffs, gibt es bei mir gewisse Zwischenphasen, wo ich gerne überprüfen möchte, ob die Intention, die dahinter steckt, auch wirklich rübe kommt. Das sind so Momente, wo ich dermassen tief im Schlammassel stecke und keinen Überblick mehr habe, dass eine externe Reaktion mir weiterhilft. Das ist jetzt nicht in einem negativen Sinn gemeint, im Gegenteil, das sind meist sehr produktive, aber eben auch sehr wuslige Phasen. Ich frage dann bewusst Leute, die schon einen Bezug zum Thema haben, die aus einer fachlichen Richtung kommen, die sehr gezielt Kritik üben können. Und ich frage Leute, die keinen blassen Schimmer haben, wovon ich spreche. Diesen Dialog schätze ich, muss ihn aber sehr punktuell einsetzen. Zuviel darüber sprechen möchte ich während dem Arbeitsprozess nicht, da es den Flow unterbrechen kann. Manchmal ist es für mich auch besser, mühsamst irgendwo unten durch zu kriechen, oder mal in einer Sackgasse zu landen, um dann auf Umwegen ans Ziel zu kommen. Manchmal bin ich aber auch froh, jemanden zur Seite zu haben, der oder die mich über den ganzen Prozess begleitet, mir in regelmässigen Abständen beratend zur Seite steht. Für diese Arbeit konnte ich auf die Hilfe von Barbara Liebster zählen, die selber Hörspielautorin ist. Sowas kann schon hilfreich sein und wirkt angenehm strukturierend. Und sobald ich aber mit einer gewissen Form der Arbeit zufrieden bin und diese veröffentliche, kümmere ich mich nicht mehr aktiv darum, wie etwas ankommt. Natürlich behalte ich meine Offenheit für konstruktive Kritik und Diskussionen, und freue mich über Feedbacks, aber wenn jemand mal ein Stück oder eine Arbeit nicht versteht, oder nichts damit anfangen kann, ist mir das eigentlich scheissegal. Natürlich wurde mir über diese Arbeit auch wieder bewusst, jetzt in Bezug auf das Hörspiel, dass eine eindeutige Übersetzung von der Produktion zur Rezeption nie möglich ist, da das Gehörte immer auch einer individuellen Interpretation unterliegt, denn Schallwellen werden erst im Hirn zu bedeutvollem Klang verarbeitet. Was dann den Begriff der Autorenschaft wiederum radikal hinterfragt. Autorenschaft DER RADIOMODERATOR Muss der Begriff der Autorenschaft auf ein Neues diskutiert werden? SIMON GRAB Ja, klar, immer und immer wieder! Für mich gibt’s aber eine klare Unterscheidung zwischen einer juristisch-ökonomischen Diskussion, die meines Erachtens knallhart von den Künstlerinnen und Künstlern geführt, respektive angeführt werden muss, und einer eher philosophisch-künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Begriff des Originals. Ich bin Ende 80er, anfangs 90er in Nischenkulturen sozialisiert worden. Ob die drei Akkorde deines neuen Punksongs schon jemand zuvor benutzt hatte, war nun mal nicht relevant. Und mit dem Aufkommen der erschwinglichen Sampler wurde auch Fremdmaterial Teil des Originals. Die Remix-Kultur brachte eine enorme Entkrampfung der erstarrten Urheberrechtsdiskussion und der festgefahrenen Musikstile. Ich selber versuche mit soviel Respekt wie möglich mit Fremdmaterial umzugehen. Das heisst im besten Fall, dass ich den Urheber oder die Urheberin persönlich anfrage, oder zumindest deklariere, wenn die Erkenntlichkeit des Samples relevant für das Stück ist. Deklarieren heisst dann auch ökonomisch teilen. Und dann gibt’s aber auch Fremdmaterial, das ich quasi als Rohstoff verwende, das dann meist dermassen dekontextualisiert und verfremdet wird, dass ich das auch mal einfach benutze. Und, wie im Fall der benutzten Fremdtexte in dieser Arbeit, berufe ich mich auf das Zitatrecht und gebe entsprechend die Autoren und Quellen an. Aber eben, die legalistische Seite muss einfach pragmatisch gelöst werden. Und, nein, Kunst ist nicht gratis, und eigentlich mag ich mich nicht um so Zeugs kümmern. Was viel interessanter ist in Bezug auf meine Hirnmusik-Arbeit ist der Umgang mit dem Begriff Original aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen. Wo und wie entsteht das Werk, die musikalische Idee? Woraus besteht das Original? Wo gibt’s Übersetzungsleistungen und welche Konsequenzen hat dies für das Original? Wenn ich als Musiker sage, dass ich mir eine neue musikalische Idee im Kopf generieren kann, stellt der Musikwissenschaftler mich, meine Idee und meine Herangehensweise in einen kulturellen Kontext und verweist auf den Zeitgeist, der Philosoph betont, dass die Vorstellung schon ein Abbild ist, der Neurologe zeigt mir Hirnaktivitätsbilder, aufgrund derer man nicht mehr nur von Musik sprechen kann, die Psychologen erinnern daran, dass die Erinnerung den Originalbegriff durchaus zu verwässern weiss, und der Psychoanalytiker verwirft schon die Hände, wenn ich nur <ich> sage. Und zu guter Letzt widersprechen mir andere Musiker und Komponistinnen und sagen, dass die Musik erst im Dialog mit der Schrift entsteht, oder im Spiel mit dem Instrument oder dem Bearbeiten des Klangmaterials. Transdisziplinarität DER RADIOMODERATOR Du gehst in deiner Arbeit auf diese Disziplinen ein? SIMON GRAB Ja, denn das Thema Musik im Kopf lässt sich nur unzureichend monodisziplinär verhandeln. Natürlich liegt mein Fokus auf der Perspektive der Musikschaffenden, und die Motivation ist auch die eigene musikalische Auseinandersetzung mit imaginierter Musik. Aber wie gesagt, sobald ich von <Imagination> spreche, geschweige denn von <Hirn>, stehe ich in einem Diskurs der per se schon transdisziplinär aufgestellt ist. Für die Arbeit habe ich dann gewisse Schwerpunkte gesetzt. So interessiere ich mich mehr für eine phänomenologische Sicht. Die Musikpsychologie, ein Teilgebiet der Systematischen Musikwissenschaft, ist am Nächsten an meinen Fragestellungen dran und weist auch eine ordentliche Liste von Forschungsresultaten und Publikationen auf, obwohl <Musical Imagery>, wie das Forschungsgebiet auf englisch heisst, noch relativ jung ist. Die Entscheidung, das Hörspiel als Ort der Verhandlung auszuwählen, wurde durch eine neurowissenschaftliche Studie ausgelöst, die besagte, dass es dem Forscherteam gelungen sei, Audio aus dem Hirn zu rekonstruieren. Das warf bei mir dermassen viele Fragen auf, dass ich mich zu interessieren begann, was denn heutzutage alles schon möglich ist. Die Hirnforschung hat ja eigentlich eine hochaktuelle, gesellschaftliche Relevanz, denn es findet momentan ein regelrechtes Wettrüsten statt. Da werden Unmengen an Geldbeträgen reingepumpt, ohne dass eine öffentliche Diskussion stattfindet, wie die ethischen Leitlinien definiert werden sollen. Die Kunst kann hier einen Beitrag leisten indem sie Fragen stellt und Positionen offenlegt. Als weitere Disziplin war noch die Philosophie beteiligt, die vor allem aufgrund des fiktiven Szenarios mit dem entkoppelten Hirn Fragen zu beantworten hatte. Und ich tauschte mich noch mit einem Psychoanalytiker, einem Aromatiker, einem Chemiker und Naturheilpraktiker, und mit anderen Künstlerinnen und Künstlern aus. Sie alle befassen sich in der einen oder anderen Form professionell mit Vorstellungskraft. Augenhöhe DER RADIOMODERATOR Wie zeigt sich die transdisziplinäre Konstellation in deiner Arbeit? SIMON GRAB Ich bringe die Menschen und Figuren, die Disziplinen und Perspektiven im Hörspiel zusammen. Ich lasse sie sozusagen in der Montage aufeinander los. Im realen Leben habe ich in Gesprächen und Interviews mit den einzelnen Menschen gesprochen, mich ausgetauscht, immer mit dem Fokus, auf vielschichtige Weise mehr zum Thema musikalische Imagination herauszufinden. Die Offenheit war gross, der Umgang äusserst freundlich und interessiert, der Austausch geschah auf Augenhöhe, denn die Fragestellungen waren immer übersetzbar und produktiv für die jeweilige andere Disziplin. In der Umsetzung des Hörspiels war dann ich der MC, The Master of Ceremony, das Hörspiel entstand alleine auf meinem Mist, ist also keine kollaborative Arbeit. Diese Entscheidung war für mich aber klar, da ich in der Produktion an mir selber testen wollte, wie nahe an der eigenen Vorstellung ich das Hörspiel realisieren konnte. Die einzige Disziplin mit der ich leider nie direkten Kontakt hatte, war die Neurowissenschaft. Die waren irgendwie alle zu beschäftigt, riefen nicht zurück, oder hielten meine Mailanfragen als nicht wichtig genug für eine Antwort. Das braucht noch ein wenig Zeit bis das Eis geschmolzen ist. Da der Output der neurowissenschaftlichen Forschung meist zugänglich ist, konnte ich mir diesen Bereich über die Literatur erschliessen. Ich bin aber überzeugt, dass der persönliche Austausch fruchtbar wäre. Nicht nur für mich. DER RADIOMODERATOR Wem hat was gebracht in diesem Austausch? SIMON GRAB Das Projekt war von Anfang an so angelegt, dass vor allem ich am Schluss profitieren würde. Die inhaltliche Auseinandersetzung war aber für alle spannend. In den Gesprächen entstanden immer auch wieder neue Bezüge. Was die anderen daraus machen, wird sich zeigen – während den Interviews mit den Musikpsychologen realisierte ich irgendwann, dass meine Nachforschungen durchaus relevante und vor allem neue Erkenntnisse enthalten. Den Grund vermute ich in meiner eigenen Nähe zum Thema und im Zugang zu einer Musikszene, die sich vertieft mit Klangphänomenen auseinandersetzt. Ich dachte da zum ersten mal, hei, du machst ja tatsächlich Hirnforschung, einfach auf meine eigene Art. Wie sich meine Arbeit mit regulären Forschungsarbeiten verbinden lässt, wird bei einer Fortsetzung zwingendermassen ein Thema sein. Musik im Kopf DER RADIOMODERATOR Welche Einsichten hast du in Bezug auf das Thema Musik im Kopf? SIMON GRAB Ich bin mit meinen eigenen Experimenten weiter gekommen. Viele Musikstücke die im Hörspiel vorkommen, entstanden zuerst als Idee im Kopf. Ich versuchte sie zuerst zu formen und modulieren, bevor ich an mein Klanginstrumentarium sass. Das alles in Worte zu fassen, fand ich für mich unbrauchbar. Das liegt schon an der Komplexität der Musik selber, nicht nur an der imaginierten Musik. Einige Stücke konnte ich gut aus der Vorstellung übersetzen, andere missrieten, klangen aber danach trotzdem grossartig. Entweder war dann die musikalische Idee schlecht, oder die Umsetzung nicht adäquat. Ein Zugeständnis ans eigene Scheitern ist bei mir meist fruchtbarer als ein ewiges Hinterfragen und Zweifeln. Ein Fokussieren auf jeden einzelnen Schritt im Prozess, von der Imagination, zur Übersetzung, zum fertigen Stück, kann auch mal ermüdend sein, kann einem vom Flow abhalten. Das Hörspiel hat sich als Testumgebung für die Umsetzung von Vorstellung bewährt. Ich hatte ein Augenmerk auf die Verwandlung 27 der Geschichte während der Produktion. Dramaturgisch ging die Idee auf. Der Aufbau der Geschichte verlief recht präzise entlang der Idee. Auch der klangliche Bogen übers ganze Stück hatte ich mir etwa so vorgestellt. Veränderungen gab es vor allem auf inhaltlicher Ebene. Ich hatte dermassen viel gutes Material aus den Interviews, dass ich die Radiosendungen im Hörspiel anders gestalten wollte. In meiner Vorstellung war die Sendung viel musikalischer, viel irrer, mit mehr assoziativ zusammengemischten Samples und viel mehr Ausschnitten aus anderen Medien. In den Materialien gibts das Stück <Stille> auf dem 56 Minuten lang nichts zu hören ist. Es dient dazu, sich diese Zeit zu nehmen, um eine eigene Variante des Hörspiels zu denken, oder um der auditiven Imagination freien Lauf zu lassen. Es funktioniert am Besten mit Schallschutz-Kopfhörern! Das Spezifische der mentalen Musik in Worte zu fassen ist schwieriger als ich dachte. Zusammenfassend, auch aus den Statements der Interviewten, würde ich die Eigenheiten der geistigen Komposition als etwas beschreiben, das eine Aufhebung der Zeit- und Raumstruktur erfahren kann, das ein sonderbares Morphing von eigenen zu schon einmal gehörten Klängen vollziehen kann, eine emotionale Textur besitzt, bei der ich ausser Stande bin, diese in Worte zu fassen. Es gibt meines Erachtens eine eigenartige Buffer-Funktion, mit der kurze Fragmente stehen bleiben können, oder verzögert erscheinen, eine ausgeklügelte Filterung, die sämtliche Musik in ihre Einzelteile zerlegen kann, und diese neu anordnen, neu mischen, im Klang verändern kann und so weiter. Und, hinzu kommt ein Gefühl, dass die Vorstellung nicht die eigentliche Musik an sich ist, sondern dass diese noch tiefer im Hirn steckt, und intellektuell nicht erfassbar ist. 28 Die Hirnmusikmaschine DER RADIOMODERATOR Kann die Neurotechnik weiterhelfen? SIMON GRAB Nein, kann sie nicht. Oder noch nicht. Zum Glück! Aber die Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer Hirnmusikmaschine ist sehr produktiv. Verwertung DER RADIOMODERATOR Wie geht’s weiter mit dem Hirnmusik Projekt? SIMON GRAB Das Hörspiel wird sicher ausgestrahlt. Zusagen habe ich aus Bern, Brüssel und Berlin. Dann versuche ich das Stück an Hörfestivals zu platzieren. Ich kann mir gut vorstellen, daraus eine Performance zu entwickeln. Und ein Release auf Vinyl ist geplant, ist aber noch nicht spruchreif. Die Idee der Hirnmusikmaschine beflügelt so manches, es könnte gut auch neue Verbindungen geben, eine Installation, transdisziplinäre Roundtables, Braincasts, also eine Sendungsreihe, ... Schluss DER RADIOMODERATOR Danke fürs Gespräch! Ich wünsche weiterhin gutes Gelingen. SIMON GRAB Danke für die interessanten Fragen! Und danke dass du kurz aus der Geschichte gesprungen bist für das Interview. Gehst du nun wieder selber rein? DER RADIOMODERATOR Nein, du musst mich wegdenken. SIMON GRAB Das kannst du nicht selber? DER RADIOMODERATOR Doch, aber nur wenn du dir das vorstellst. Und wenn du willst, kann ich dich dann auch gleich wegdenken. SIMON GRAB Ok, mach ich, ...bereit? DER RADIOMODERATOR Ja SIMON GRAB UND DER RADIOMODERATOR 1,2,3, ... tak. 29 Literaturliste Anwar, Yasmin, Media Relations | September 22, and 2011. «Scientists Use Brain Imaging to Reveal the Movies in Our Mind.» Accessed May 18, 2015. http://newscenter.berkeley. edu/2011/09/22/brain-movies/. Atzori, Paolo, and Kirk Woolford. «Extended-Body: Interview with Stelarc,» 1995. http://web.stanford.edu/dept/HPS/stelarc/a29-extended_body.html. Auditory Hallucinations - An Audio Representation, 2011. https://www.youtube.com/watch?v=0vvU-Ajwbok&feature=youtube_gdata_player. BEC Crew. «Human Head Transplants Could Be a Reality in Just Two Years.» ScienceAlert. 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