Spezialöle für Extrudergetriebe: Die Chemie muss

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Spezialöle für Extrudergetriebe: Die Chemie muss
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■ EXTRUSION
Die Chemie
muss stimmen
Spezialöle für Extrudergetriebe.
Die Anforderungen, die an Extrudergetriebe gestellt werden, erhöhen sich
laufend. In diesem Zusammenhang
kommt dem Getriebeöl eine immer
größere Bedeutung zu. Mit synthetischen Ölspezialitäten können Verlustleistung und Verschleiß des Getriebes
verringert werden. Das Ergebnis sind
Kosteneinsparungen und eine höhere
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Betriebssicherheit der Anlage.
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n der Extrusion und Compoundierung wird der Ausstoß der Extruder
stetig maximiert. Gleichzeitig sind die
Betreiber bestrebt, die Investitionen für
Verfahrenstechnik und Betrieb zu minimieren. Die technische Weiterentwicklung der Schnecken und Antriebe haben
die Durchsatzleistungen der Extruder in
den letzten Jahren verdoppelt. Damit ändern sich auch die Anforderungen an den
kompletten Antriebsstrang. Einerseits
werden die Getriebe immer kompakter
und kostengünstiger ausgelegt. Andererseits sind die Drehmomente, die Temperaturen und die Traglasten in Extrudergetrieben bei verbesserten Wirkungsgraden gestiegen.
Durch die kompaktere Bauweise verringern sich die Ölmengen im Getriebe.
Dennoch muss in jeder Betriebssituation des Getriebes ein bestmöglicher
Schmierfilmaufbau garantiert sein. Waren früher die Getriebe für den tatsächlichen Betrieb überdimensioniert, so lau-
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fen die neuen Extrudergetriebegenerationen häufig pausenlos unter Volllast.
Mineralöle erreichen unter diesen Bedingungen die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.
Bei der Konstruktion so genannter
High-Torque- und High-Speed-Extru-
dergetriebe ist die Auswahl des richtigen
Getriebeöls daher ein wesentlicher Einflussfaktor im Hinblick auf die Wertschöpfung und die langfristige Betriebssicherheit geworden. Synthetische Getriebeölspezialitäten bieten hierbei viele
Vorteile.
Reibungskoeffizient
Bild 1. Reibungskoeffizienten verschiedener Basisöle (links), ermittelt mit dem Zweischeibenprüfstand (rechts). Prüfbedingungen: Hertzsche Pressung: 1000 N/mm2, Schlupf: 20 %, Öltemperatur:
90°C, ISO VG 150
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Reibungskoeffizient
Verlustleistung
Bild 2. Polyglykolöl weist im FZG-Test (Forschungsstelle Zahnräder und
Getriebe, TU München) deutlich niedrigere Reibungskoeffizienten auf
Besonderheiten bei
Extrudergetrieben
Extrudergetriebe werden besonders an
der letzten Getriebestufe und an den Axiallagern durch hohe Drehmomente und
axiale Rückdruckkräfte belastet. Doppelschneckenextruder haben durch die
geringen Achsabstände der Schnecken
zusätzlich einen geringeren Konstruktionsbauraum. Dadurch wird die Auslegung der letzten Getriebestufe und das
Bild 3. Durch den Einsatz von Polyglykolöl kann die Verlustleistung eines
Extrudergetriebes deutlich reduziert werden
Kräftesplitting auf die einzelnen
Schnecken konstruktiv limitiert. Synthetische Getriebeöle bieten bereits bei der
Entwicklung dieser Getriebe die Möglichkeit, dem Verschleiß konstruktiv
vorzubeugen.
Bei hohem axialen Schneckendruck
wirken am Axiallager hohe Kräfte, die bei
Doppelschneckenextrudern mit hintereinander geschalteten Tandemlagern aufgefangen werden. Diese Lager werden
über eine Umlaufschmierung durch das
Getriebeöl geschmiert. Die Viskositätslage des Schmieröls ist anhand der zu erwartenden Betriebsbedingungen an der
letzten Getriebestufe und an der Rückdrucklagerung zu bestimmen. Die gängigsten Viskositätslagen für Extrudergetriebe sind ISO VG 220, ISO VG 320 und
ISO VG 460. Beim Kaltanfahren müssen
sowohl die Förderbarkeit des Öls als auch
die Schmierfilmbildung garantiert sein.
Synthetische Öle bieten hierbei ausreiV
chende Reserven.
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Energieeinsparung
Bild 4. Die Reibungsreduzierung beim
Einsatz von Syntheseölen führt zu niedrigen Betriebstemperaturen. Prüfbedingungen: Verzahnung
A, Laststufe 10, Umfangsgeschwindigkeit 8,3 m/s
Auswahl synthetischer
Getriebeöle
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Mineralöle sind Gemische aus Kohlenwasserstoffen mit unterschiedlichen Molekülstrukturen. Diese Strukturen beeinflussen die physikalischen Kennwerte.
Deshalb gibt es auch innerhalb der Gruppe der Mineralöle unterschiedliche Leistungsmerkmale. Syntheseöle werden auf
Basis von Polyglykol, Polyalphaolefin
oder Ester synthetisch hergestellt. Zu den
tribologischen Vorteilen der Syntheseöle
gegenüber den Mineralölen gehören
■ die hohe thermische und oxidative Stabilität,
■ die geringere Änderung der Viskosität
über das Temperaturprofil,
■ die niedrigeren Reibwerte an der Verzahnung,
■ der hohe Verschleißschutz in Lagern
und Verzahnung,
■ das gute Lasttragevermögen in Lagern
und Verzahnung und
■ die geringe Rückstandsbildung.
Die Vielfalt der synthetischen Grundöle
und ein komplexes Know-how der chemischen Additivierung bieten die Mög-
lichkeit, Syntheseöle mit technischen Vorteilen für spezielle Anforderungen zu entwickeln. Hierbei ist wichtig, dass die Chemie der Öle bei der Getriebeauslegung
bereits berücksichtigt wird.
Wirkungsgradsteigerung
Durch die Verwendung von Getriebeölen auf Basis von Polyalphaolefin,
Ester und Polyglykol kann der Wirkungsgrad im Getriebe erheblich verbessert werden. In tribologischen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass
synthetische Öle unter identischen Betriebsbedingungen deutlich niedrigere
Reibungskoeffizienten aufweisen als Mineralöle. Den niedrigsten Reibungskoeffizient erreichten dabei die Polyglykolöle
(Bild 1).
Aufgrund dieser Reibwerte konnten in
Wirkungsgraduntersuchungen die Verlustleistungen beim Einsatz der verschiedenen Öle ermittelt werden. Die Auswertung zeigt eine deutliche Reduzierung der
Verlustleistung mit synthetischen Spezialölen (Bild 2 und Bild 3). Während die
Verlustleistung der Mineralöle bei etwa
Ölwechselintervalle
Bild 5. Synthetische
Getriebeöle erreichen deutlich höhere
Standzeiten als
Mineralöle
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2 % liegt, beträgt der Wert bei den Polyalphaolefinen und Esterölen nur 1,6 bis
1,7 %. Die niedrigste Verlustleistung wird
mit 1,45 % bei Polyglykolölen erreicht.
Diese scheinbar geringe Verbesserung
führt zu einer messbaren Abnahme der
Leistungsaufnahme. Beispielhaft hat ein
mit Polyglykolöl geschmiertes Extrudergetriebe bei einer Leistung von 150 kW
und einer jährlichen Betriebsdauer von
6000 Stunden eine Verlustleistung von
etwa 13 500 kWh/a. Im Vergleich hierzu beträgt bei einem mineralölbetriebenen Getriebe die Verlustleistung etwa
18 000 kWh/a. Diese Differenz stellt für
den Betreiber ein, über den Maschinenpark betratchtet, beträchtliches Einsparpotenzial bei den Energiekosten dar.
Lebensdauerverlängerung
Darüber hinaus führt die geringere
Reibleistung der synthetischen Getriebeöle dazu, dass weniger Reibungswärme
entsteht (Bild 4). Die Temperaturbelastung im Schmierfilm an der eingreifenden Verzahnung wird hierdurch verringert. Gleichzeitig haben die synthetischen
Ölprodukte eine höhere thermische Stabilität. Aus diesen beiden Gründen verläuft die Ölalterung langsamer als bei Mineralölen.Vorhandene Ölkühlungen werden ebenfalls geringer beansprucht. Gebrauchtölanalysen bieten eine zusätzliche
Sicherheit bei der Bestimmung des Ölwechselintervalls.
In der Praxis liegt das Ölwechselintervall von Mineralölen bei maximal
10 000 Betriebsstunden, bezogen auf ein
Standard-Extrudergetriebe mit einer Betriebstemperatur von 70°C. Synthetische
Getriebeöle können dagegen Standzeiten von bis zu 40 000 Betriebsstunden
erreichen, in Einzelfällen liegen die Wer10 Carl Hanser Verlag, München
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te sogar noch höher (Bild 5). Dadurch
entfallen zahlreiche Ölwechsel und der
damit verbundene Aufwand. Abhängig
von den Wartungsintervallen der Gesamtanlage kann dies auch eine höhere
Verfügbarkeit der Extrusionsanlage bedeuten.
Verschleißreduzierung
Wenn sich die Temperatur im Getriebe
verändert, dann ändern sich auch die Ölviskosität und die Bedingungen für einen kontinuierlichen Schmierfilmaufbau. Diese Temperaturabhängigkeit der
Viskosität wird mit dem Viskositätsindex beschrieben. Je höher der Viskositätsindex, desto geringer ist die Veränderung der Viskosität über das Temperaturspektrum des Getriebes. Langfristig
bietet ein hoher Viskositätsindex also einen niedrigeren Verschleiß. Der Viskositätsindex der Mineralöle liegt zwischen
80 und 100. Polyalphaolefine und
Esteröle weisen dagegen Werte zwischen
130 und 175 auf. Bei Polyglykolölen erreicht der Viskositätsindex Spitzenwerte
von bis zu 270.
i
thetische Kohlenwasserstoffe (Polyalphaolefine) sind mit diesen Dichtungstypen
üblicherweise verträglich. Inzwischen hat
intensive Grundlagenforschung mit den
Radialwellendichtringherstellern dazu
geführt, dass auch Ester- und Polyglykolöle freigegeben werden. Die Verträglichkeit wird sowohl statisch als auch dynamisch geprüft, damit ein abgestimmtes System aus Schmierstoff und Elastomerdichtung angeboten werden kann.
Die Entscheidung für einen Wechsel von
Mineralölen auf synthetische Öle ist somit wesentlich erleichtert worden. Im
Zweifel können individuelle Untersu-
chungen des Ölherstellers für den Kunden Sicherheit bieten.
Verhältnis von Kosten
und Nutzen
Die reinen Einkaufskosten pro Liter für
synthetische Getriebeöle, besonders für
Spezialitäten, sind zwar höher als für Mineralöle. Über die gesamte Lebensdauer
einer Anlage betrachtet sind jedoch die
Betriebskosten aufgrund der beschriebenen technischen Vorteile der synthetischen Spezialöle gegenüber den Mineralölen wesentlich niedriger. Detaillierte V
Hersteller
Klüber Lubrication München KG
Geisenhausenerstr. 7
D-81379 München
Tel. +49 (0) 89/78 76-0
Fax +49 (0) 89/78 76-333.
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Mineralöle, die dauerhaft in Grenzbereichen gefahren werden, bilden feste
Alterungsrückstände, die den Verschleiß
erhöhen. Synthetische Öle zeichnen sich
dagegen durch eine niedrigere Rückstandsbildung aus. Dadurch wird die
Betriebssicherheit der Anlage erhöht
(Bild 6).
Chemische Beständigkeit
Die chemische Verträglichkeit synthetischer Öle mit Radialwellendichtringen,
Schaugläsern und Innenanstrichen ist
Voraussetzung, um Leckagen zu vermeiden. Häufig sind die synthetischen Getriebeöle, die durch die Getriebehersteller freigegeben sind, auf ihre Wechselwirkungen mit den entsprechenden Kunststoffen und Lacken abgeprüft.
In Extrudergetrieben sind hauptsächlich Radialwellendichtringe aus den Elastomeren NBR oder FKM eingebaut. SynKunststoffe 12/2004
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sis zur Schmierung von Großgetrieben“, Referat, Klüber Lubrication München KG.
N.N.: Firmeninterne Dokumente, Klüber Lubrication
München KG.
Praxiserfahrung
Bild 6. Lebensdauererhöhung durch Syntheseöle an einem Getriebe mit einer Leistungsaufnahme
von 750 kW bei 1500 min –1
Links: defektes Getriebe mit Grübchenbildung und Zahnbruch nach 6000 Stunden mit Mineralöl,
Ölsumpftemperatur 70°C.
Rechts: funktionstüchtiges Getriebe nach 9500 Stunden mit Polyglykolöl, Ölsumpftemperatur 55°C
Kosten-Nutzen-Rechnungen können gemeinsam mit dem Schmierstoffanbieter
erstellt werden.
wand für Wartung und Instandhaltung.
Dadurch können Kosten eingespart und
die Betriebssicherheit der Anlage erhöht
werden. ■
Fazit
LITERATUR
N.N.: Mineralöle und Syntheseöle, Klassifikation,
Auswahl, Anwendung, Klüber Lubrication München
KG, 07/2000.
N.N.: Tagungsband Antriebstechnisches Kolloquium
ATK, Aachen 2003.
Siebert, H.; Mann, U.: „Getriebeöle auf Polyglykolba-
SUMMARY PLAST EUROPE
The Chemistry has
to be Right
SPECIALTY OILS FOR EXTRUDER GEARS. Synthetic oils offer substantial advantages over mineral oils for use in extruder gears. They reduce wear and increase the efficiency. This leads to longer intervals between oil changes and less outlay on maintenance and repairs. The result is cost
savings and greater plant stability.
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Beim Einsatz in Extrudergetrieben zeigen
synthetische Öle deutliche Vorteile gegenüber Mineralölen. Sie reduzieren den
Verschleiß und erhöhen den Wirkungsgrad. Dies führt zu längeren Ölwechselintervallen sowie einem reduzierten Auf-
DER AUTOR
DIPL.-ING. (FH) SEBASTIAN HOMBORG, geb.
1969, ist bei dem Spezialschmierstoffhersteller Klüber Lubrication München KG verantwortlich für das
weltweite Produktmanagement in der Gummi- und
Kunststoffindustrie.
sebastian.homborg@klueber.com
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