Till Brönner - bei Another Dimension

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Till Brönner - bei Another Dimension
Till Brönner
“The Good Life”
VÖ: 02.09.2016 durch RCA/ Sony Music
Music for peaceful moments
Die sanften Provokationen sind meist die nachhaltigsten. Der Berliner Trompeter Till Brönner ist nicht eben als
Provokateur bekannt, und doch ist sein neues Album The Good Life nicht weniger als eine handfeste
Herausforderung. Dabei war es anfangs gar nicht so gedacht. Jedes Album erzählt seine eigene Geschichte. Am
besten läuft es dann, wenn aus einem geplanten Plot am Ende eine ganz andere Story wird. Bei The Good Life war
das im besten Sinne der Fall. Man kann das Album natürlich genau als das nehmen, was es an und für sich ist: eine
wunderbar entspannte Neubewertung bewährter Songklassiker, ohne diese auf Teufel komm raus nach »modern« zu
bürsten. Viel spannender wird es aber, wenn man das Album als vorläufigen Höhepunkt einer ungewöhnlichen
Laufbahn versteht.
Der heute 45 Jahre alte Trompeter feierte erste Triumphe als Solist in der RIAS Big Band, in der er sich auf ein
weitgestecktes Repertoire einlassen musste und lernte, in einem perfekt aufeinander abgestimmten Ensemble zu
grooven wie die Hölle und in jedem einzelnen Ton genau das zu geben, was der jeweilige Song braucht. Sein erstes
Album Generations of Jazz spielte er 1994 unter anderem mit den Altmeistern Ray Brown und Jeff Hamilton ein, für
einen deutschen Debütanten zur damaligen Zeit eine Sensation. Seitdem hat er viele künstlerische Stadien und
Phasen durchschritten, sich als Produzent u.a. für Hildegard Knef und Thomas Quasthoff einen Namen gemacht und
nicht zuletzt seine Stimme entdeckt.
Till Brönner darf sich zu Recht als erfolgreichster deutscher Jazzmusiker bezeichnen. Doch er ist weit mehr als nur ein
Protagonist der nationalen oder europäischen Szene. Immer wieder zieht es ihn ins Mutterland des Jazz. Am
International Jazz Day 2016 gelang ihm als Musiker, wovon die meisten deutschen Politiker nur träumen können,
nämlich ein Auftritt im Weißen Haus. An der Seite von Jazz-Legenden wie Ray Brown, Dave Brubeck oder James
Moody hat er zudem unmittelbar Tuchfühlung mit der Jazzgeschichte aufgenommen.
Natürlich hat Brönner auch zu allen Zeiten polarisiert. Seine Konzepte sind gerade im inneren Kreis der
Jazzgemeinde nicht nur auf Gegenliebe gestoßen. Und doch geht er unbeirrt seinen Weg und findet stets seine
eigenen Mittel, um die Jazz Community herauszufordern. Und damit kommen wir in der Gegenwart an, bei The Good
Life. Denn was er sich hier traut, ist kühn. Er entschied sich für eine Reihe von Songs, die in ihren Vokal-Fassungen
Geschichte geschrieben haben. Es ging ihm um eine bestimmte Stimmung, einen heiteren, unbeschwerten Groove,
freundlich und doch nachdenklich, sanft und doch zu keinem Zeitpunkt seicht. Erst im fortgeschrittenen Stadium der
Arbeit stellte sich heraus, dass viele der Songs auch von Frank Sinatra gesungen worden sind. Nichts schwebte
Brönner jedoch weniger vor als ein Sinatra-Tribut. Aber gerade weil sie dies nach wie vor in keinem der Songs sind,
wird aus seinen Neuinterpretationen ein riesiges Hörvergnügen.
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Noch bemerkenswerter ist Brönners Umgang mit Stimme und Instrument. Galt er bislang als Trompeter, der
gelegentlich sang, tritt er uns auf The Good Life plötzlich als Sänger mit zwei Stimmen entgegen. “Hätte ich mir bei
der Performance die ganze Zeit Gedanken gemacht, welch virtuoser und technischer Unterschied zwischen den
beiden Ressourcen bestand, hätte ich die Trompete nicht so spielen können, wie ich das tue. Und beim Singen wäre
mir der Kloß im Hals zum Verhängnis geworden. Meine einzige Chance bestand darin, im Kopf Stimme und Trompete
überhaupt nicht mehr zu trennen.” Wie schon seine letzte Platte nahm er auch die neue in Los Angeles im
ehemaligen Ocean Way Studio auf. Dass Frank Sinatra hier sein berühmtes My Way eingesungen hat, ist ein weiterer
Zufall. “Der überwiegende Teil der Musiker lebt da drüben. Das war einfacher. Außerdem kann ich nur empfehlen,
diese Art von Musik unter der Sonne Kaliforniens aufzunehmen. Wenn man sieht, wie Jeff Hamilton und John Clayton
dort interagieren, merkt man, dass das West-Coast-Flair kein Mythos ist. Die Leute kommen mit einer ganz anderen
Entspanntheit im Studio an. Da wird viel öfter eine Zigarre geraucht als hier.”
Apropos Jeff Hamilton: 22 Jahre nach Generations of Jazz begegnen sich die beiden Musiker erstmals wieder auf
einer Platte. Für Brönner war das sowohl die Vollendung eines Kreises als auch eine späte Begegnung mit sich selbst
am Anfang seiner Laufbahn. Die Arbeit mit dem West-Coast-Drummer hatte ihn einst initial geprägt, seither ist er sich
ebenso selbst treu geblieben, wie er auch ständig neue Horizonte sucht. Bassist John Clayton hat bereits Anfang der
1970er Jahre mit Count Basie und Henry Mancini gearbeitet. An der Gitarre ist Anthony Wilson zu hören. Pianist Larry
Goldings, der auch in avantgardistischen Kontexten zu hören ist, macht das Line-up komplett. Er ist in dieser
Konstellation fast ein Outsider, doch gerade deshalb entschied sich Brönner für ihn. Er gibt der Produktion einen
ironisch intellektuellen Kontrapunkt, dessen Augenzwinkern sie weit über Jazz-Kreise hinaus interessant macht.
Der erfahrene Produzent Ruud Jacobs hat die Produktion von der Außenperspektive abgesichert. Viele seiner Platten
hat Brönner bislang selbst produziert, doch diesmal entschied er sich ganz bewusst für einen externen Produzenten.
“Ich habe angefangen, meine Produktionen aus der Hand zu geben, weil mich diese Selbstbetrachtung im Spiegel
nach einer Weile nervt.”
Auf The Good Life gelingt Till Brönner das Kunststück, mit einer Reihe altbewährter Jazz- und Song-Standards eine
ganz neue Geschichte zu erzählen. Dass ihm das so leicht und verschmitzt, in manchen Augenblicken sogar
erfrischend kaltschnäuzig von der Hand geht, liegt nicht zuletzt daran, dass er sich in seiner Beschäftigung mit der
Tradition nicht die Bohne um die Tradition schert. Er hat sich selbst nicht allzu ernst genommen und schon gar nicht
mit der Frage beschäftigt, mit wem er sich zu messen hätte. He does it his way.
Weitere Infos unter:
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