ZU ACHILLES TATIUS

Transcription

ZU ACHILLES TATIUS
ZU ACHILLES TATIUS
Aus den Gedankenkreisen des Platonischen 'Phaedrus' und
'Symposion', denen sich Xenophons 'Symposion' und der Abschnitt
bei Plato De legg. VIII c. 5 p. 835 E - c. 8 p. 842 A hinzugesellen, hat sich, durch die erotische Poesie jeder Gattung,
vornehmlich aber durch die Liebestragödie des Euripides 1 ge- ,
fördert, allmählich eine popnlärphilosophische oder vielmehr
dilettantische Art der Betrachtung entwickelt, die es sich im
Gegensatz zu Platons erhabenem Erosbilde zur Aufgabe machte,
die Natur der Liebe nach ihrer sinnlichen Seite, nach ihren
Wirkungen in der Göttersage, in der Geschichte berühmter
Persönlichkeiten, im täglichen Leben der Menschen, ja sogar im
Thierleben gründlich zu erforschen 2. Akademiker, Peripatetiker,
Stoiker, Epikureer u. a. haben das Liebesproblem in zahlreichen,
in der Regel in dialogischer Form abgefassten, zumeist TI€pi lpw;-.
TOe; oder EpWTlKOe; oder EPWTlKf) TEXVl'] betitelten Schriften erörtert (vgl. die Zusammenstellung solcher Schriften bei A. W.
Winckelmann: Plutarchi El·oticus. Turici 1836 S. 96 ff.) B, mit
denen die Tl'actate TIEpi KUnOUe; (vgl. Athen. XIII c. 11 p. 561 a
Stob. H. 65 f. M.) und rrEpi rUIl0\) oder ähnlichen Titels (vgl.
L. Schmidt: Die Ethik der alten Griechen II S. 187 ff.; P. Wendland: Quaestiones Musonianae Berol. 1886 S. 56 und besonders
das mir erst nach Einsendung dieser Abhandlung bekannt gewordene Buch von K.Praechter: Hierokles der Stoiker. Leipzig
1901 S. 121 ff.) in engem Zusammenhange stehen. Hauptsächlich
im dreizehnten Buche des Athenaeus, dem ausführlichsten der unll
t (, CfKT]V1KOC; avaTopeugelc; q.>1~6CfOq.>O«;, vgl. Sext. Emp. adv.
gr. p. G66 B.; Athen. IV c. 48 p. 158 e XIII c. 11 p. 561 a.
2 vgl. E. Rohde: Der griechische Roman 1 S. 55 ff.
a Natürlich bedarf dieses Verzeichniss nach den Ergebnissen der
neneren Forschung mehrfach der Berichtigung. Vgl. u. a. R. Hirzel:
Der Dialog. 131 f. 110.283. 345 f. 373.399. - Der bei Winckelmann
aa. zuletzt erwähnte Capito ist identisch mit dem Verfasser des
Epigramms A. P. V 67.
56
Wilhelm
erhaltenen Liebesdialoge, in Plutarohs 'EPWTlKOC;; 1, bei Maximlls
Tyrius 01'.24-27 2, in Luoians "EpWT€C;;8, bei Stobaeus H. 63-79 4
und auch bei Clemens RomallU~ Hom. 5, 10·-19 Reoogn. X 20 ff.
nnd Clemens AlexRlldrinus Protl'. c.2 p. 27 ff. P. 5 Paed. II o. 10
-12 p. 220 ff. P. lassen sich die Spuren diesel' erot.illohen Litte'
ratnr verfolgen. Als eine Entartung dieser Gattung ist die schlüpf·
rige Sohriftstellerei 6 zu bezeichnen, die in gegenseiti/{er Befruchtung mit der erotischen Komödie und Elegie der hellenistischen
Zeit jene Liebeslehre behandelte, die uns beispielsweise in Luoians
Hetärengespräohen, im erotischen Roman, in der Liebesepistel (so
besonders bei Aristaenetus \, im erotisohen Epigramm und in deI'
J'ömischen Elegie begegnet 7, wo sie durch Ovid in der Ars.amatoria ihre reichste Ausbildung gefunden hat.
Eines der beliebten Z:llT~l-lata jener 'Pllilosophie'8 scheint
nun die aus den sodalen Verhältnissen Athens seit der zweiten
Hälfte des fünften JahrllUn!Ierts begreifliche Frage gewesen zu
sein, welche der heiden Liebesarten (EpWT€C;;), die Weiberliebe
oder die Knabenliebe, den Vorzug verdiene.
Der von den
Dichtem seit Hesiod Theog. 590 ff. so oft wiederholte Satz
(vgl. ua. Eur. Hipp. 616 ff.; Aristoph. Tbesm.786 ff.), dass das
Weib ein 'Uebel' sei, war zu einem von weiten Kreisen angenommenen Dogma geworden. Die sklavische Stellung der Frau
1 Verfasser dieser Schrift ist nach E. Graf: Commentat. Ribb.
S. 70 Plutarch der Sohn.
2 Vgl. Hobein : De Maximo Tyrio quaest. philo1. selectae. Got·
tingae. 1895. S. 69.
B Dem Lucian neuerdings wieder abgesprochen von W. Lauer:
Luoianus num auctor dialogi "Epw1:€t; existimandus sit. Beilage zum
Programm des Kgl. Friedrieh· Wilhelms-GYIDn!l.siums zu Köln 1899.
4, Stobaeus citire ich, soweit er nicht in der Ausgabe von Wachsmuth und Hense vorliegt, nach Meinel,e.
S Vgl. WendUng: De peplo Aristotelico. Strassb. 1891 S. 32 ff.
70 ff.
Nach W. Christ: Phi1. Studd. zu Clemens Alexandrinus
München 1900 S. 28
Abh. d. k. bayer. Ak. d. Wiss. 1. Kl. XXI.
Bd. III. Abt. S. 4b2) geht der ganze Abschnitt Prot!'. c. 2-4 auf das
Werk des Apollodor über die Götter zurüok.
6
Ribbeok: Geseh. d. röm. Diohtung 1 II 21).).
7 VgL Leo: Plautinische Forschungen S. 127 ff. und V. Hoe:zer:
De poesi amatoria a comiois Atticis exculta, ab elegiacis imitatione
Marpurgi Catt. 1899 S. 7!:\ lf.
expressa. p. I. diss.
a Vgl. Lucian ao. C. 31 p. 431 (qllAOO'O<pEiv l'J'IT€P TuvmKwv);
Ach. Tat. I 12, 1 (tlIlE1t; Il€V oliv TQ{l'rQ € <p IA 00' 0 <p 0 OllE v 'ltEpl 1:00
9EOU so, "EpWTOt;).
Zu Achilles Tatius
mit ihren auf Emancipation 1 gerichteten Bestrebungen uud das
, ausgebreitete Hetärenwesen dienten dazu, diesen Glauben zn befestigen. Die Knabenliebe galt naoh dem Beispiel massgebender
Männer längst als ein zum VoHgenusse des Lebens unentbehrliches
Elemellt 2• Mit besonderem Behagen ist. das Feld der Knabenliebe und der Weiberliebe von dem Peripatetiker Klearchos von
Soloi in seinen v~n Athenaeus häufig cHirten epwTII<:a II und, wie
es soheint, auoh von seinem Zunftgenoilsen Hieronymos von
Rhodos 4 behandelt worden. Wohl die meisten der Verfasser der
oben bezeichneten Scbriften über die Liebe hnben zu dem 'Problem' in irgend einer Weise Stellung genommen, ohne dass man
bei der klaffenden Lücke der Ueberliefenmg über den Standpunkt der einzelnen Auskunft zu geben vermöchte. Nach den
strengen Grundsätzen ernstdenkender Stoiker wie des MUllonius
Rufus und unter fleissiger Benutzung der älteren, namentlich
der peripatetischen Schriften Uber die Liebe, wird die Controverse im 'EPWTlKOC; des Plutarcb zu Gunsten der Ehe entschieden 6. Dagegen werden die '\Veiber, insbesondere die als das
'Ueber Kar' EEoXtlv angesehenen llX/lETal, bei Athenaeus XliI
c. 7 p. 558 e ff. durch zahlreiche Zeugnisse aus der Komödie
herabgewürdigt. An den grössten l\riegen 6 und am Sturz ganzer
Vgl. J. Bruns: Frauenemancipation in At.hen. Kiel 1900.
Plato, welcher die Knabeuliebe in seinen früheren Dialogen
derartig verhet'rlieht hatte, dass er der Sinnlichkeit derselben entschiedene Zugelltlindnisse machte (so auch in den kleineretl Dialogen
wie Lysill und Charmides i vgL J. Bruns: N. Jal1rb. f. dns klalls, Alterthum 1900 S. 36), hat sie in deu 'Gesetzen' gänzlich verworfen. ~
Ueber denmuthmasslichen Standpunld des Aristoteles vgl. Hirzel ao.
I 283. - In der TrOAITe(a des Zenon von Kiiion war die Männerliebe,
wenn auch nicht die grobsinnJiche, empfohlen; vgJ. Susemihl: Gesch.
d. griech. Litt. in der Alexllndrinerzeit I 56.
B VgJ. zB. Athen. XIII c. 16 p.
c. 56 p. 589d; c. 70 p. 597 a;
c. 83 p. 605d u. Ö.
4 Vgl. Stlsemihl ao. I t50.
5 Deber Musonills als Quelle des Plut. im 'EPWTtKOC; vgl. Wendland ao. p. 54 ff. und dazu Wendland und Kern: Heitl'. zur Gesch. d.
griech. Phil. u. Rel. S. 68 ff. - Gern möohte man glauben, dass Plutarch in der erwähnten Sohrift gegen ältere 'EPWTlKO( polemisied. Au
engere Beziehungen zwisohen dem plutarchisohen 'EPWTIKOC; nnd den
des Lucian glaubt Hirzel. Aber die 110. II 282 Anm. 1 angefül1r1en Aehnlichkeiten gehören offenbar zum GfJmeingut de.!! uachplatonischen erotischen Dialogs.
6 AehnIich PhHo an den bei Wendland und Kern Beitt-. S.31) f.
eitiertell Stellen. Derselbe Gedanke schon bei Arilltoph. Thesm. 785 fi'.
1
2
58
Wilhelm
Häns'er tragen sie die Schuld (c. 10 'p. 560 b-f). Gegen die
Stoiker, welche der Knabenliebe unter dem Deckmantel der
Seelenliebe huldigen ("gI. Plut. Ernt. c. 5 p. 752 A und Lucian
"EpwrE~ c. 23 p. 423), wendet sich der Grammatiker Myrtilos
ebenda c. 15 p. 563 d und redet bis c. 20 p. 566 e von Knabenliebe und lfännerschönheit, während er c. 87 p. 608 a ff. an einem
Katalog schöner Frauen den Nachweis fUhrt,
oubev ~crTtV
o<p€lalJ,u!Jv ourw<; EU<PPUVTlKOV w<; TUVcnKO~ KanO~. In Lueians
"EPWTE~, wo das epikureische Gepräge ebenso deutlich bemerkbaI' ist wie das kynisch-stoische 1, vertheidigt der Korinther
CharikJes die Weiberliebe, der Athener Kallikratidas die Knabenliebe im eaJen Sinne. Der Beifall des Schiedsrichters Lykinos
Lueianus) gehört' dem Kallikratidas.
In der Poesie bat die JloOcra 1TmblKn nehen dem Motiv der
Weiberliebe von jeher ihr Ansehen behauptet. Durch den <Chrysippos'\! des Euripides, der nicht grnndsätzlich der Feind des
weiblichen Geschlechts (vgl. besonders Aristoph. Tbesm. 544 ff.)
gcwesen sein kann, für den ihn seine Zeitgenossen hielten 8, war
der Cunflict zwisohen heiden Liehesarten auf die Bühne gekommen. Aus der neueren Komödie mit ihren häufigen, den
Ausfällen des Aristophanes in seinen drei Weiberlwmödien an
B eftigJreit nicht nachshilhenden Verwünschungen des weiblichen
Geschlechts und des TUJlElV (vgl. Antiphanes fr. 292 K. Anaxandrides fr. 52 Eubulos fr. 116 f. Aristophon fr. 5 Alexis
fr. 262 Menandros fr. 154. 404. 484)4 sei der MUJOTUVll~ des
Menandros (fr. 325) hervorgehoben. Von Antiphanes (fr. 181)
und Diphilos (fr. 58) wel'den im Widerspruch mit dem Zeugniss
des Plut. Quaest. conv. VII 8, 3 p. 712 C, nach welchem die
Knabenliebe für die vea KWJ.l4'bia keinen Stoff abgab, Stücke des
Titels TIa.tbEPUcrT~<; und TIatb€pacrrai genannt. Die "EpwrE~ li
Ko.l.ot cl es J;~legil{ers Phanoklcs schienen VOn der Knabenliebe
abzumahnen 5. Aur das Vorbild des Hesiod, nur dass sie von
männlichen Geliebten' handelten, weisen die 'HOlm des Sosikrates
von Phanagoria und der TUVUlKWV KaraloT0C; des Nikainetos.
on
Vgl. Praeobter ao. S. 148 f.
Tragg. Graec. fr. reo. A. Nauck ll S. 632.
a Vgl. Bloch: Neue Jabrb. f. d. klass. Alt. 1901 8.32.
4 Aehnlicbes in der imitirendcn römi8chen Komödie: vgl, Ribbeck
I 78 f.
:; Vgl. Suaemihl 8.0. I 191.
1
Il
1\0.
Zu Aobilles Tatius
,
59
Auoh von den Diohtern wird die Frage, ob der apPllv oder der
lpWl;; der begehrenswerthere sei, versohieden beantwortet.
Als orrou npoCJfj TO KUUOc.;, d'UPlb~~IOl;; bekennt sioh der sinnlicbe Liebhaber in dem Fragment des ungenannten Diohters bei
PInt. Erot. c. 21 p. 767 Al. Selenkos, der Sohn des Gesohichtscbreibers Mnesiptolemos, welcher letztere am Hofe Antioöhos
des Grossen lebte,
in zwei von Athenaeus X V o. 53
p. 697 d oitierton Asklepiadeien seiner \lapa <'tCJllaTa die Knabenliebe gegenüber dem TaIlEtV. Sohwankenden Sinnes ißt deI' Epigrammatiker Meleagros von Gadara (A. P. V 208 XII 41. 86)VOl' Straton von Sardes, dem talentvollen, aber lasoiven Sänger
der Knabenliebe, findet das Weib natürlich keine Gnll.de (A. P.
XII 7), vielmehr ist ihm das rratboqnlelv wie dem Kallihatidas
bei Lucian. ao. o. 33 p. 483 bis c. 36 p. 437 ein eUPlllla, welohes
der vernünftige Mensch wie jeden andern KulturfortschJitt vor
.dem unvernünftigen Thiere voraushabe: vgl. A. P. XIT 245.
Der unbelmnnte Verfasser des Epigramms A. P. XII 17 kommt
zu dem Ergebniss: oCJov bUVaTllmpOl;; apCJllv ellluT~Plll;;, TOCJCJOV
Xili rro9oc.; ö~lhepol;;, während Eratolltbenell Scholastikos 2 A. P.
V 277 und M. Argental'ius A. P. V 116 im Sinne des Charili.lell
bei Luoian ao. c. 25 p. 426 und c. 27 p. 427 (vgl. Musonius
bei Stob. H. 69,23) für das Weib eine Lanze brechen. Mit de.:
Weiberliebe will sich auch Agathias Ä. P. V 278 begnügen,
aber A. P. V 302 verwirft er alle I..iebesarten und findet das
Heil einzig in dem oynillohen Verfahren, welohes Diogenes von
Sinope naoh Galan De 10e. affect. VI5 Bd. VITI 419 K. angewendet haben soll. - Unter den diesbezüglichen Aeusserungen
römischer Diohter S ist der AU8spruch des Ovid a. a. IT 683 f.
bemerkenswerth:
e~Auc.;
Nauck 1'0. Adllllp. 355.
Susemibl ao. I 225.'
8 Deber das Verhältniss des Catull zur Knabenliebe vgl. Harneck!'r:
Jabrb. f. PbiL 1886 8. 273 ff., über das des Tibull: Bat. Viadr. 1896
S. 48 ff. Die. Erzeugnisse der Knabenmulle beider Dichter
und dasselbe gilt von den betreffenden Dichtungen des Horaz und Vergil können, weil sie sich als reine Nachahmung grieohisoher Muster ausweisen, den Glauben an eine ihnen zu Grunde liegende Realität nicht
erwecken. Bei Properz spielt die Knabenliebe so gut wie gar keine
Rolle; vgl. Birt: Rh. Mus. XXXVIII p.215. Schon in der griechischen
lXoOcra rralölKJi wird vieles auf blasser Nachahmung älterer Vorbilder
ohne den Hintergrund des Selbllterlebten bernhen. Der erotische
Dichter glaubt sein Lesepublikum nioht vollständig zu befriedigen,
wenn er dall Motiv der Knabenliebe übergeht.
1
II
60
Wilhelm
Odi conoubitus, qui non utrumque resolvunt
(Hoo est, eur pueri tangar amore minus).
Grieobisobe EIJigrammenpoesien wie die oben angeführten hat
Martial gelesen und verwerthet: vgl. zB. Mart. IX 25 A. P.
Xli 175.
Mart. XI 43 A. P. V 116, Lueian. ao. c. 27 p.428.
Der Sittenprediger Juvenal, der' 12 das unnatürliche Treiben der
Männer verdammt, möchte in seinem Ij./OTO<;,; Tuvcm:wv 1I 6, 34 ff. 1
die Verbindung mit einem puer delioatus immer noch für gerathener balten als mit einem der sittenlosen Weiber seiner Zeit.
'iJe mehr das weibliohe Geschlecht der allgemeinen Corruption
verfle1 2 und je gewagter infolge dessen die ebeliche Verbindung
zu sein schien, um so mehr scheint man sich mit der Frage nach
den Vortheilen der Männerliebe odelder Weiberliebe beschäftigt
zu haben. Der letzte, der sie ausführlicher bespricht, ist Achilles
Tatius, der Romanschriftsteller. Es handelt sich um die Excurse
18, 1-9 una 11
3-38 (Hereher), welohe nach dieser Skizze
ihres Zusammenhangs mit der vorhergehenden Schriftstellerei in
Prosa und Poesie ein Iitterarhistorisohes Interesse beanspruchen
dUrfen, zumal sie den Niederschlag alles dessen enthalten, was
über diesen Punkt, gedacht und geschrieben worden ist. Eine
kurze Inhaltsübersicht wird nicht überflüssig sein.
Kleinias, der Vetter des Romanhelden Kleitophon, ergeht
sich, um seinen Geliebten Charikles von einer Heirath abzubalten, welche dieser nach dem Wunsche seines Vaters mit
einem reichen, aber hässlichen Mädchen eingehen soll, in einer
Schmährede gegen das Weibergesohleoht: durch das Weib (Pandora) ist alles Uebel auf die Welt gekommen. Der Genuss, den es
gewährt, ist wie der Sh'enengesang, den man mit dem Leben bezahlt (I 8, 1. 2). ScllOn aus den geräuschvollen Zurüstungen
zur Hocllzeit lässt sich auf die Grösse des Uebels schliessen
(§ 3). Wie viel Stoff' lJaben die W'eiber (ßripllyle, Philomele,
Stheneboia, Ael'ope, Pl'okne, Chryseis, Briseis, das Weib des
Kandaulell, Helena, Penelope, Phaidra, Klytaimnestra) der Tragljdie
gegeben (§ 4-7)! Entbehrt das Weib noch dazu der Sohönheit,
so ist das UnglUck doppelt (§ 8) 3. Endlich macht das Heirathen
die Jugendblüthe des ManneR vor der Zeit verwelken (§ 9).
1 Vgl. v. 457 ff, 474 ff. mit Lucian. ao, o. 38 p. 440 bis 0, 42
p. 445. Es ist die Spraohe des stoischen Aretalogen,
\\ fiKlO"Tll "fap €V "fuv(XlElv OA.6KA.YjPOC; dpern lpUE'l'a1,
Lucian. ao.
o. 50 p. 454.
B Vg1. I 7, ,t
Zu Aohilles Tatius
61
Der andere AbBohnitt (II 35, 8 ff.) iBt ein diatribeartiger
. Dialog zwisohen dem erwähnten Kleitophon und dem Aegypter
MenelaoB, dem Lobredner der Knabenliebe. Dessen Behauptung, .
die SchönlHlit der Knaben sei bpl~tJrepov eis; nbov~v (§ 3), wird'
von jenem mit dem Einwand bestritten, dass det' Schöne dem
I,iebhabel' nur allzuoft mitten im Genusse entfliehe, BO dasB der
GenusB unbefriedigt bleibe, wie der Durst des Tantalus (§ 4.5).
Dagegen ist. nach Menelaos der wabre Genuss eben derjenige,
der, je küt'zere Zeit er währt, das Verlangen um so regel' erhält
(36, 1). Darum ist auch die Rose scllöner als alle andern
Blumen, weil ihre Schönheit rasch entfliellt. Es
nämlich
zwei Arten von Schönheit, die llimmlische [der Knaben] und die
gemeine [der Weiber] (§ 2). Jene Rtrebt bald zum Himmel empor,
diese verwellÜ am Leibe. Zeuge jener ist Ganymedes, der wegen
seiner Schönheit von den Göttern in den Himmel entfUhrt und
Zens' Mundschenk wnrde (§ 3). Abel' noch kein Weib :..-.. <lenn
anch mit Weibern hat Zeus Gemeinschaft gehabt - ist um ihrer
Schönheit willen in den Himmel gekommen, weder Alkmene
noch Danae noch Sem eIe, und Hebe musste ihr ,Ehrenamt an
Ganymedes abtreten (§ 4). Rtatt dessen findet Kleitophon, dass
die Schönheit der Weiber <leswegen die himmlische sei, weil sie
nicht so schnell vergehe. Denn das Unvergängliche ist denr
Göttlichen verwandt, was sich aber ändert und vergeht, ist
sterblich und gemf'in (37, I). Hat doch die Schönheit der Weiber
(Eul'opa, Antiope, Danae) den Zeus selber vom Himmel herabgezogen (§ 2). Der Raub des Ganymedes war eine Vergewaltigung, bedauerlich und unschön zugleich (~3), Bemele aber
ist nicht durch einen Raubvogel, sondern nach Art des Heraides
durcll Fener in den Himmel entführt worden; aus der Verbindung
des Zeus und der Danae giug [der unter die Sterne versetzte J
Ferseus hervor; Allnuene aber begnügte sich mit der Ehrung1
dass Zeus um ihretwillen dreimal die Sonne nicht scheinen liess
(§ 4). Uebrigeus bieten die Umarmungen und Küslle der Weiber
ein ungleich grösseres Vergnügen als die der Knaben (§ 5-10).
}<'ür die letzteren nimmt Menelaos <las Schlusswort: die Rede,
die O'X~".l(n(X und selbst die Scllönheit der Weiber beruhen auf
nichts als auf kiinstlicher Verfli.\schung (38, 1. 2). Die Schönheit der Knaben aber ist durchaus natürlich l§ 3); <leI' liebenden
Umarmung gebt die Umarmung bcim Ringkampf voraus, dessen
man flich nicht, zu schämen braucht und der sich zu einem Kampfe
um die Lust gestaltet (§ 4). Die Imsse der Knaben sind nattlr-
62
Wilhelm
lieh, und daa Behagen, welches sie eindössen, ist ein unersätt·
liohes (§ 5).
Die Weise unlleres Sophisten ist die, dass er, an eigener
Erfindung unfruohtbar, das Material mit Fleiss aus andern Sohriftstellern, Prosaikern und Diohtern, zusammensucht, mit Vorliebe
das PU,ante entlehnt, das Entlehnte mehr oder weniger yertuscht 1
und es in kurzen, locker verbundenen Sätzen 2 zusammenfügt.
Seine Abhängigkeit von der vorausliegenden erotisohen Litteratur
geht BO weit, dass er selbst die Gemeinplätze, all dellen diese
Gattung überreich ist, nicht verschmäht.
Dahin gehört die Unterscheidung der 'AcppoblTfJ oupavla
und mlvbfJf.!o;;:;: ygl. Plato Symp. c. 8 p. 180 D Xen. Symp.
8, 9 f. Plut. Erot. c. 19 p. 764 BAthell. XIII c. 25 p. 569 d
Lucian D. mer. 7, 1 p. 295. Nach Sokrates bei XenOph(/ll RO.
soll die Liebe zum Körper von der gemeinen, die Liebe zur Seele
und zur Tugend yon der himmlischen Aphrodite stammen. Begreiflioher Weise fanden die sophistischen Vertheidiger des rralbOCPIAEIV die Seele und die Tngend nnr bei den Knaben. Sie
konnten sich auf die Stelle in der sophistischen Rede des Pau·'
sanias bei Plat,o ao. o. 9 p. 181 C berufen, wo der Sprössling
der himmlischen Aphrodite (mit sophistisohem Gedankensprunge) 8
schleohthin der Knabeneros - Ö TWV rraibwv lpwe;; - genannt
wird. Demnach sieht Kallikl'atidas bei Lucian "EPWTE;;:; e. 37
p. 438 in der Knabenliebe den "Epwe;; oupavlO;;:; (vgl. Plat. Symp.
c. 11 p. 185 B. o. 12 p. 187 D), während ihm die Weiberliobe
als der "Epwe;; VtllTlo;;:; ersoheint. Sein Gesinnungsgenosse Protogenes bei Plutarch ao. 0. 4 bedient sich dafür der Ausdruoks·
weisen "EpwC;; dAtj9lvo;;:; (p. 750 C) oder lVtl(HOC;; (p. 751 A) und
"Epw<,; 6fjA1J;;:; Kal voGa\; (p. 7~O F). Selbstverständlioh vertritt
Menelaos bei AohilIes in seiner sophistischen Argumentation dieselbe Anflohanullg. Auoh er unterscheidet (11 36,2) ein KaAAOe;;
OUPUVlOV und rruvbtjp,ov. Jenes, natürlich nur den Knaben, wie
dem unsterblich gewordenen Gan,ymedes, eigenthümliohe K<XAAO';
suoht sioh des sterblichen Leibes wie einer lästigen Fessel zu
entledigeo, um bald in seine himmlische Heimat zurückzukehren.
Bekanntlich ist das nach Plato die Aufgabe des Philosophen:
1 Das zeigt besonders die Weise, wie er den Heliodor benutzt;
vgl. Neimke: Quaest. Heliod. HaI. Sax. 1889 S. 22 ff.
2 Nach dem rhetorischen Recept für die Stilart der d<pD.eul.
Vgl. W. Sohmid bei Wissowa: RealencycL I Sp. 246.
B Vgl. G. F. Rettig: Plat. Symp. Balle 1876 II S. 132.
Zu Achilies Tatius
63
vgI. Phaedl·. c. 80 p. 250 C. Phaedo o. 9 p. 64 E. o. 10 p. 65
, C - auf diese Stelle mag das Ll'] TEl bei Ach. p. 85, 2 zurüokgehen
c. 12 p. 67 D. c. 33 p. 82 D. K Platonisch ist, wie man
leioht bemerkt, auch der folgende Satz (Ach. p. 85, 3), dass· d~s
Gemeine, di. für Menelaos das Weibliche, der Erde und dem
Leibe anhafte. Es aehwebt das vielge~rauchte Bild vou der flügellahmen Seele vor (Phaedr. c. 28 p. 248 0), die unvermögend
ZlIr Gottheit emporzudringen und ihrer Schwingen beraubt zur
Erde sinkt (~PPlITTa.t KIXrUJ Ach. p. 85, 3). Desgleichen zeigt
sich der Einfluss Platos in dem ebenfalls l'echt sophistisch gehaltenen Gegenbeweise des Kleitophon, dass das weibliche KllAAOI;;
den grösseren Anspruoh auf Unsterblichkeit habe. Hier (p. 85.
20) ist das K t V0 U IJ. E V 0 v €V <pflop4 (vgI. Phaedr. c. 24 p,
245 C TO • • . UTt' UAAOU K 1 v 0 U I.l E V 0 V • • • Ttuukuv ~XEI
twill;; und ehd. p. 245 E Ttav I<XP lJwlJ.U, 4J IJ.EV ~EwflEV TO KIVEllJe a I, a\jJuxov) identisoh mit deI' !'asoh vergänglichen Knabensohönheit, deren Abnahme mit der Zeit des Bartwuchses beginnt
(vgI. A. P. Xli 4. 195. Lucian. M. c. 10 p.407. o. 26 p. 426).
Niemandem wird es einfallen, aus der Berührung mit solchen abgenutzten Sätzen Platos auf besondere Vertrautheit unseres Achilles
mit der platonischen Philosophie schliessen zu wollen. Nichts
liegt diesem Sophisten ferner als philosophische Speculation (Was er in seinem Bemühen attisch zu sclmJ.iben aus den Sohriften
Platos, dieses Hauptvertreters der attisohen Prosa, entnommen
hat, das sind im wesentlichen nur dessen Worte und R.edewendungen 2. Aber selbst unter diesen werden ihm gar manehe nicht
direct aus Plato, sondern. vielmehr erst durch Vermittlung seiner
sophistischen Vorläufer zugeflossen sein. Andere Uebereinstimmungen mögen, von offenkundigen Gemeinplätzen abgesehen, darauf zurückzuführen sein, dass Achilles, wie sioh zeigen wird,
auch die verlorene ll, ihm zeitlich näher liegende Littenttur tiber
Liebe, Schönheit u. dgl. verwerthet hat, für welche die erotischen
Dialoge Platos, vor allem der vielgelesene 'phaedrus' und das
1 Vg1. Wyttenbaoh in Jacobs' Ausg. des Ach. ProH. p. XIV Anm.
dagegen F. Passow: Vermischte Schriften S. 90 und A. Stravoskiadis: Achilles Tatius, ein Naohahmer des Plato,Aristoteles, Plutarch
und Aelian. Erlang. Diss. At.hen 181;9 S. 7 f. (eine minderwerthige.Arbeit).
2 Vgl. H. Sexauer: Der Sprachgebrauch des Ach. Tat. Heidelb.
Diss. Karlllruhe 1899 S. 76.
8 Vgl. Norden: Die antike Kunstprosa. I 439 Anm. 4.
Wilhelm
(Symposion' ohlle Zweifel eine ergiebige Quelle gewesen sind.
Möglicher Weise sind die eben besprochenen Stellen hierher zu
rechnen 1.
Die Verteidiger der Knabenliebe empfinden den Unterschied
zwischen dem Knaben und dem Weibe nach eine1' öfter' vorkommenden Wendung nicht anders als den Gegensatz von Natur
und Kunst; a.reAOUl1TEPCt:1 reaibEt; yuVatKWV (Ach. p. 84, 11) i
vgl. Strato A. P. XII 7. In dioser Hinsicht liefert ihnen den
BauptankJagegrund gegen das weibliche Geschlecht die schon in
der Komödie (Aristophanes fr. 320 Antiphanes fr. 148 Eubulos
fr. 98 AJexis fr. 1:18 Plaut. Most. 258 ff. u. ö.) so bitter verspottete und von den Moralphilosophen, wie zR von Nikostratos
in der Schrift reEpl TUIlOU bei Stob. H. 74, 62 (vgl. Juv. Ir 6,
461 ff. und Clem. Al. Paed. II 10 p. 232 P.2) mit allem Nachdruck verUltheilte TEXVll KOlJflwnKll. Gegen diese Sucht der
Weibel" die natürlichen Mängel durch kosmetische Mittel zu verdecken ziehen Protogenes bei Plut. ao. c. 4 p. 751 A, Kallikratidas bei Lucian. ao. c. 3~1 p. 440, Menelaos bei Acllilles p. 87,
14 ff. mit gleicher Leidenschaftlichkeit zu Felde. Sieht man
solche Weiber sich am Morgen vom Lager erheben
so eifert
so findet man sie hässlicher als
Kallikratidas bei Lucian RO.
1 Wenige Beispiele statt vieler mögen das Gesagte illustrieren.
So soll gleich die Scene am
p. 40, 8 ff. nach der im Eingang
des Phaedrus c. 5 p. 2öO B ausgeführt sein. Aber wie oft kehrt dieser
den Spott des Plut. Erot. c. 1 p. 749 A herausfordernde Gemeinplatz
in der erotischen Erzählung wieder! Vgl. Lucian. YEpw..e<; c. 18 p.418.
ltohde ao. S.512 Anrn. 1. - Ach. p. 49, 13 schliesst der Bat,.;: .. aO .. a
dKOU<m<; j.lli6E. Aehnlich PIat. De legg. Vll c. 14 p. 810 A TOO T 0
aUTO 1TpÜJTOV j.uiv6aVE. VgL aber auch Lucian. 80. c. 37 p. 438 AO'
riLou .....a TOtaUTa j.Iera.j.Iav6avwv.
So hat mau ,.;u KIiAAo<;
•.. bptj.lUTepov d<; ilboVfl'1' (Ach. p. 84,12) auf den wiederholten Gebrauch des Adjectivs 0 p I j.I U<; bei Flato hingewiesen, dagegen die
passende Parallele bei PInt. RO. c. 19 p. 764 C CEpw<; . . . ilotwv Kai
bplj.lUTEpO<;) übersehen.
Ebensoweuig ist Ach. p. 141, 10 TaOTa j.lEV
ouv €1TalLe 07TOUOf,j eine Nachahmung von Plat. Phaedr. c. 9 p. 234
D OOKÜJ rap 001 7TaiLEIV Kai ouxl €117TOUoaKEvat; vgl. Plat. Symp.
c. 19 p. 197 E Xen. Symp. 1, 1. 4, 28 Plut. Erot. 0.3. p. 750 A Luoian
aO. c. 1 p. 397, Hirzel ao. I ÖG5.
Andere Beispiele werden
vorkommen: - Natürlich soll hiermit nichi.
werden,
d8.lls Achilles die landläufige~ Sohriften Platos gelesen hat. Nur soll
man auch die zahlreichen Mittelglieder, die zwischen Plato ul!d Achilles
liegen, nicht vergessen.
2 Wohl nach Musonius.
Zu Achiltes Tatius
65
jene Tiere, die des Morgens zu erblioken eine üble Vorbedeutung
ist. Statt des Affen, der hier gedacht ist (vgl. Lucian Pseudo!.
c. 17 p. 175. A. P. V 76), bedient sioh Achilles p. 87, 19 f.
des Vergleichs mit der ihrer fremden Federn entblössten Ihähe
(vgl. A. P. XI 69). Und nun gar das Flechten und Färben der
Haare (Ach. p. 87, 18)!
Lucian ao. e. 40 p. 441; Clem.
AI. Paed. II 10 p. 232 P.; Musonius TIEpl KOUpa~ bei Stob. 290,
15 ff.
; Prop. II 18 b Rothst. Am Weibe beruht eben alles auf
Verstellung (Ach. p. 87, 14 f.), KCLt Ta piJ/-1CLTCL (vgl. Anaxilas
bei Athen. XIII e. 6 p. 558 d Eurip. bei Stob. il. 73, 31 Me~
nandr08 ebd. 73, 43 Prop. II 9, 31 f.) KCLt Ta. OXnf.1CLTCL (zum
Ausdruck vgl. Athen. VIII 13 p. 335 d; Clem. Al. Protr. c. 4
p. 53 P.; A. P. V 129). Wie anders die schlichte und echte
Schönheit der Knaben: OVK & P b EU E T CL t (E TI 6: p b W v Lucian.
ao. c. 45 p. 448) /lupWV oO'eppCLi~ OUbE bOA Ep CL t <;; Kai IX A1.0 T P { CL t <;; oO'f.1n1C; (Ach. p. 87, 21 f.)l Hier gemahnt die Wahl
des Adjectivs bOA€PO~ (vgl. b 6 A Wv p. 87, 19) an das
gl'amm des aus einem TIatbo/-1avf]~ zu einem ellAUl-lavf]~ gewol'denen
Rufinus A. P. V 19 (AvTI bE /-101 TIa{bwv UMAOU XPoo~ tlP€lJ'E
lU\jJOU XpWf.1CLTa KCLt epUKOU<;; tlVeO~ ETI€tO'oblOV), während das
IX A A 0 T P ( 0 t ~ oO'/1at~ an Lueian ao. c. 38 p. 440 (&. A A6 T P tOt KOO'/101) und Plat. Phaedr. c.16 p. 239 D (&.HOTp(Ot~.,
XPW/lCLO't Kai K6lJ'/lot~) erinnert. Angenehmer (fl b t ov Ach. p.
87, 23) als alle Salben der Weiber duftet der ehrellvolle, auf
dem Ringplatz (vgL Plut. ao. c. 4 p. 751 A Lucian ao. c. 45
p. 448) vergossene Scbweiss der Knaben (Ach. RO.) - ein Ge~
meinplatz aus Xen. Symp. 2, 3 (EAa{ou be ToD EV lUf.1VaO'{ot~
Ö(j/l~ Kat TIapoulJ'a bi w v ~ /1upOU luvatH, Kai IXTIOuO'a -rrOe€1VO'
TEpn), nur dass au Stelle des SalbölgenlOhs der Ringer naell
Vorbildern wie Plal. Phaedr. c. 16 p. 239 C (TIOVWV /lEV&Vbpetwv Kat \ b p WT Wv tllPwV tl1TElpOV) und Lur.ian ao. c. 45
p. 448 (0'1 TE TWV Eva:rWV1WV TIOVWV 6TIOlJ'TCLAal:OVT€<; \.0 p w TE~) der Schweiss gesetzt ist: vgl. A. P. XII 123 und St1'llto
ebd. 192.
Auf Xenophon (Symp. 8, 29) geht mittelbar oder unmittelbar auch der Gedanke zurücl" dass keines der irdischell Weiber,
mit dellen Zens verkehrte, wegen seiner Schönheit unsterblich geworden ist (Ach. 85, 9). Dafür haben wir in der von Xenophon
unterlassenen Aufzählung solcher Liebschaften des Zeus - Alkmene, Danae, Semeie (p. 85, 10 ff.) - Europa, Antiope, Danae
(p. 8&, 24 ff.) - wieder einen Gemeinplatz, der in den Schriften
n
Rhein. Mus. f. Philol. N. F. LVII.
I;)
66
Wilhelm
über Liebe und Scllönheit (vg1. Athen. XIII. c. 20 p. 566 .d
[Lucian.] Oharid. c. 7 p. 622 1 Olem. Rom. Recogn. X c. 22
Hom. 5, 13 f. Clem. AL Protr. c. 2 p. 28 P.) nicht minder häufig
war, als in der erotischen Poesie (vgl. Ov. Met. VI 103 if.
Nonnos Dion. VII 117 ff. XVI 238 if.). Vielleicht entnahm ihn
Achilles demselben ßtßAlov ~pwnKov, welches er an !ler Stelle
benützt hat, wo Kleitophon die Behauptung des Menelaos, dass
alle sterblichen Frauen, denen Zeus in Liebe nahte, statt ßer Unsterblichkeit nur üblen Lohn davongetragt'n hätten (p. 85, 10 if.),
zu entkräften sucht (p. 86, 3 if.). Seine nicht besonders geschickt
benutzte Vorlage besagte, dass Zeus seine irdischen Geliebten,
wie Alkmene und Danae, in der Weise ehrte, dass er den von
ihnen geborenen Söhnen die Unsterblichkeit verlieh, dem Herakles
(vgL eiern. Al. Protr. c. 2 p. 28 P.), indem er ihn durch Feuer
in den Himmel entführte, dem Perseus, i n dem er ihn u n t er
die S tel' n e ver set z t e: vgL die Parallele in der Liebesepistel des Apion bei Clem. Rom. Hom. 5, 17 ZEUr;; •.. Ka-
(}Topa Kat TloAubEUKllV Kai <EA€VIlV /\~'oq. XO:P1ZoIlEVOr;; E:rrolllO'€V
aaTEpUr;;' KaI TlepO'Ea llla. AO:VaIlV' Ko:l •.. 'HPUKAEU bta.
)AAKjl~VllV, duroh welohe die kurze Frage des Kleitophon El be.
Auvullr;; TlIV AapvuKO: l€Aqe;, TIWe; TOV Tl EpO'€ 0: O'lWTIqC; (Ach.
p. 86, 6 f.); erst völlig verständlich wird. Uebrigens ist auch
diese schon von Xenophon Symp. 8, 29 f. angedeutete Reihe unsterblioh gewordener Männer (Kastor und PoIydeukesJ Herakles,
Ganymedes, Perseus ua.) bekanntermassen ein ganz vulgärer 10CDS
communis; es geuüge, auf Oic. De n. d. III 18, 45 eIern. Al. Protr.
o. 2 p. 26 P. und die vollständigste Aufzählung dieser Art bei
Hygin Fab. 224 2 zu verweisen. Die in dem Verzeichniss der
Liebsohaften deo Zeus wiederholt (zR. auoh eIern Rom. Hom. 5,
14) erwähnte Semeie soll von Zeus, nachdem seiD Blitz sie tödlich versengt hatte, in den Himmel erhoben worden sein: I:EJl€A'IlV
'oE de; oupo:vov a.V~lUTEV •.. TIUp (Ach. p. 86, 3 f.).
Diese Erweiterung der ursprünglichen Sage, welche nur die Ver1 Die Parenthese Kat '1 CJ. p jUV1Ul:l K E KOt VWVTl K E V b Z EU I;
(Ach. p. 85, 10) scheint dem gleichfalls parenthetisch eingefügten Satz
des Charidemus c. 7 p. 622 00 '1 a p dv8pW1tWV TE oob€Ot 1t~l1V El 1111
'rot.; KtI~otl; (sc. Z EÜ <; WJA. (A n) naohgebildet zu sein. - Vgl. ebd.
avtlTGTEtv ~KEt(Jf1. und dVllTllTWV betaE sc. E(, oupavov mit
Ach. p. Bö, 22 d v ti T II T €.V de;o iJ p a v 0 v (Xen. Symp. 8, 30 ~TW
M lpTjl-.ll ... KatrllVUJA.JibTjv ... tmo tUDe; Eie; ~OAUJA.1tOV dVEVEX9flvllt),
2 Natürlich schöpft Hygin wie Cicero aus griechischer Quelle.
Zu Acbillell Ta.tius
61
br!lnnung zn kennen scheint (Üv. Met. III 308 f. Hygin Fab.
179 Ach. p. 85, 12), ist dem Achilles wohl aus Nonuos, mit
dem er sich auch sonst berÜhrt" 1 geläufig gewesen: vgJ. besonders
Dion. VIII 407 ff.: ZEile; ••• qJAOlEPTtV LEIiEAllV M€.Tavu<JT!OV
E1 c; rroAov UO'TpWV 0 Ö pa v 0 V OiKOV ExouO'av &. v f] 'f IX 'f E •. '
Wo die Knabenliebe gepriesen wird, sei es von der llouO'u
1fctlbU<ll oder von ihren Lobrednern im erotischen Dialog, da
wÜ·d auch des schönen, von seinem Liebbäber Zens geraubten
Ganymedes nicht vergessen: vgL Theogn.. 1345 ff. Ibykos fr. SO
B. Plat. Pbaedr. c. 36 p. 255 C Xeu. Symp. 8, 30 Lncian
"EPWTEc; c. 14p. 413 Cbarid. c. 7 p. 622 A. P. XII 65. 133.
220. 221 uö. Martialis V 55 XI 43 UÖ. Achilles lässt beide
Sprecher auf die Sage Bezug nehmen, und zwar hat er sich im
Ausdruck wiederbolt an Lucian D. d. 5 angescblossen: vgl.
Ach. p. 85,14 (O'UV01Kf,l) Lucian ao. c.2 p.213 (O'UV01KEi).
Ach. p. 85, 26 Lncian ao. c. 5 p. 215 (01 v 0 X0 Ei.;.
T w) 2.
Für das Motiv der Eifersucht der Here wegen des
Ganymedes, welches Lucian verarbeitet hat und welches sich
auch bei Nonnos ao. XXV 445 ff. findet, hat AchilIes keine
die UeberlieVerwendung gehabt. Zwar ist "HPll (p. 85,
fernng, aber die strenge, bis aufs Einzelne sich erstreckende
Corresponsion zwischen der Rede des l{leitophon und der voraus'" "'-'"
gebenden des Menelaos (man beachte besonders das in den
beiden sich entsprechenden Sätzen p. 85, 16 und p. 85, 28 nachdrucksvoll ans Ende gestellte 'fuv~) macht die Aenderung "Hßn
(Hercher) 8 durchaus nothwendig, Dagegen dUrfte das überlieferte
TupavvoulJeVlfl (= einem, der vergewaltigt wird) mit Rücksicht
auf eine Stelle wie Lucian "Epwn:c;; c. 20 p. 420 (Kai Tic; apa
trpWTOe; (Up9aAlJoic; TC> appev dbEV Wc; 6f\AU, buolv MTEpOV ~
TU P IX VVlKW C;; ßw.O'UIJ€VOc; TI rrtll1ae; rraVoup'fWC;;j) vor der
Lesart ~<JTClUPWIlEVI.!J (p.
1) den Vorzug verdienen: b M.
UVaP1faO'TOc; lEVOIJEVOc; (zur Ausdrucksweise vgJ. Plat. Phaedr.
c. 4 p. 229 (1 und Luciau Oharon c. 17 p. 513) Ußpil:ETal Kai
€OlKE TupaVVOW1EVlfl' Ka\ TC> 6eaIJu ~l1TlV a1l1X10'TOV, IJEtPUKlOV
Et ovuxwv Kpe/.HlIlEvOV. Hier bat sich Acbilles gleich dem Nonnos Dion. XXV 429 ff. an eines deI' zahlreichen Kunstwerke der
1 Vgl. Rohde ao. S. 474 Anm. 2.
\', Schon 11 9 berührt sich Achilles mit diesem Göttergespräch
c,2 p. 214. Dieser Liebesscberz stammt aus der Liebeslehre: vgl. Ov.
aa. I 575 f.; A. P. V. 171; Aristaeoetus I 25.
B Vgl. dagegen Ach. Tat. überset.zt von F. Ast. Leipz. 1802 S.103.
68
Wilholm
Malerei oder Plastik erinnert, welclle den Ganymedesmythus be·
handelten.
Zum Beweise, dass Ganymedes um seiner Sohönheit willen
in den Himmel erhoben wurde, beruft sich Achilles p. 85, 7 f.
auf dasselbe Zeugniss der Ilias (Y 234 f.) wie A t h e n a eu f!
XIII o. 20 p. 56ü d. Auoh für die Sohönheit des Aganlemnon
werden von beiden Sohriftstellern (Athen. XIn o. 20 p. 566 c
Ach. p. 46, 28) Verse aus der Ilias (r 169 f. und B 478) angeführt. loh erkläre mir diese U ebereinstimmung, die gewiss
nicht auf Zufall beruht, aus gemeinsamer Benutzung einer jener
populärphilosopllisohen Sohriften 1H:p\ KaAAOU\;, wo diese Homerverse naoh dem bei den Populitrschriftstellernbeliebten Brauoh,
ihre Darstellung mit Diohterblumen zu sohmücken, citiert gewesen
sind 1. Nooh beaohtenswerther ist eine andere Berührung zwischen Aohilles und AthenaeUll. Zur Begründung des Satzes, dass
das Weib ein KUKOV sei (Athen. XIII o. 8 f. p. 559 f.; Aoh. I
8, 2 r.), das über einzelne wie über viele das grösste Unglüok
gebraoht habe, erwähnen beide das Beispiel der Chryseis, welohe
die Pest im Grieohenheere vor Troja verschuldete, der Briseis,
welche die Ursaohe der Il~Vl\; 'AX1AAEWt;; war, der Helena, die
den trojanisohen Krieg ent.zündete (Athen. XIII o. 10 p. 560 b
Aoh. I 8, 5. 6), der Phaedra, die das Haus des Theseus verödete (Athen. ao. o. 10 p. MO c Aoh. p..16, 23), der Klytämnestra, die den Agamemnon tötete (Athen. ao. o. 10 p. 560 d
Aoh. p. 46, 24; vgI. Athen. ao. o. 3 p. 556 0). Bei Aohilles
findet sich ausaerdem das Beispiel der Eriphyle, Philomele, Stheneboia, Aerope, Prokne (ao. § 4), des Weibes des Kandaulell (§ 5),
der Penelope (§ 6). Mag es sicb hier auoh um eine traditionelle
Reihe von Beispielen handeln, die zum Theil wohl bis auf den
yuvalKwv KUTaAoYOt;; des Resiod zurückreioht, in zahlreichen
Tragöilien 2 behandelt ist und in der Komödie (vgl. Athen~ XIII
1 In dem ganzen Absohnitt des Athenaeus von XIII c. 18 p. 564 f.
bis o. 20 p. 566 e scheint mir der Extract solcher Litteratur 'lrEpl KdA<
Aoue;
e. 11 p. 561 a) vorzuliegen.
II VgI. Nauck ao. S. 963 s. v. ' AEPOn:l1, 'EAEvTj, 'Epl<pUAl1, KAuTatfJvf]crTpa, ITl1V€Aon:l1, re€VeßolO., lj)albpa. <P1A0I-U1Al1 und ITpoKVl1 (vgl.
Ach. V 3. 5) kamen in den Stüoken des Titels Tl1P€uC; vor (vg!. Nauok
8. v.), Xput1l1iC; und Bptt1l')IC; im XpUlJl')e; des Sophokles. Dass die
10VOl und <PtAOJ.tl'jAl1 des Sophooles ein und dasselbe Stück gewesen
seien, vermutbet Welcker: Die griechischen Trag. p. 269 ff. Ob die
Geschichte des WejbtJs des Kandaules (Her. I 8
in einer Tragödie
Zu Achilles Tatius
69
o. 8 p. 559 C), in der Liebeslehre (Ov. 11.. a. II 373-408), in
tier römisohen Satire (Juv. 11 6, 643 ff.), in der spätgrieohisohen
Epigrammenpoesie (1\. P. IX 166) wiederkehrt, so ist dooh zwi,sollen Achilles und Athenaeus eine engere Beziehung unverkennbar. Nun ist es ja an sich durohaus nioht unwahrscheinlioh, dass
der Sophist Aohilles das Sophistenmabl des Athenaeus gelesen bat,
bei dem er auoh das seltene, vom Komiker Alexis (Athen. XIII
o. 23 p. 568 11.) gebrauchte Wort 'itPWTO'itElPO<; (Ach. p. 86, 11.
87, 12) finden konnte, aber soh'on, weil die Beispielreihe des
Achilles ausführlicher ist, möchte man eher glauben, dass heide
Autoren auch hier einer gemeinsamen Quelle, vermutblioh einer
nicht näher nachweisbaren Schrift'it€pl YUIlOU, gefolgt sind 1.
Dafür sprechen ausser Parallelen, wie sie Praeohter 11.0.
S. 146 anführt (vgl. namentlich Bieron. adv. Iov. 317 c mit den
Beispielen der Pasiphae, ClytMmnestra, Eriphyle und dazu F.
Bock: Aristoteles Theophrastus Seneoa De matrimonio Lips. 1898
S. 46. 66), die Berührungspunkte zwischen Achilles und S t ob a eu s in den aus der Littenl.tur 'lt'€pl yaJ,lou und ähnlichen
Schriften excerpirten Abschnitten seines florilegium über das
rUf.l€lV (ti7 ff.). Einige derselben, betreffend das Schminken,
Haarfleohten und die Verstellungskunst des Weibes in der Rede,
sind bereits oben vermerkt worden. Dazu kommt, dass beide "
Schriftsteller (Aoh. p. 46, 1 f. Stob. 73, 49) dieselben hesiodeisehen Verse O. et D. 57 f. (vgl. Eur. Ripp. bei Stob. ebd. 23
A. P. IX 165 Ach. p. 46, 21) anführen. Sie werden in den
Schriften 'itEpl rUllou und verwandten Inhalts, die für die Sammlung
des Stobaeus noch so manohes andere Dichterwort hergegeben
haben (vgl. zB. Stob. 73, 30 Lucian "EpWT€<;; o. 38 p. 439. Stob. 71, 6 PInt. Erot. c. 8 p. 753 A), mehr als einmal oitiert
gewesen sein. Im Anklange an das bald darauf bei Stobaeus
73, 51 begegnende Citat aus den 'E'it{yov01 des Sopbokles w
rrav (J'i! TOAIlTt(J'(X(J'lX 2 KlXl'itEplX TUVlXl oder an eine ähnliohe
St.eHe eines verlorenen Dramas heisst es Ach. p. 46, 24 ff.: w
behandelt war, weiss ioh nioht. Man darf wohl annehmen, dass AohiIles
verschiedene dieser Dramen gelesen hat.
1 Aus einer solchen Sohrift scheint Athenaeus von XIII c. 10
p. 560 b bis 560 f geschöpft zn haben. Aus Schriften TCEpl TdllOU dörften
sich auch die Citate von xm o. 6 p. 557 e bis c. 9 p. 560 a
wenn
auch möglicher Weise erst dnrch Vermittlung eines älteren Sammel, werkes - herleiten.
2 Vgl. Soph. O. C. 761 Aristoph. Nnb. 375.
70
Wilhelm
rr &. v
T
K(lV
JA~
y U V a 'i' K € ;;;' KUV qnAW(f1 rpOVEUOU(fl'
Auch die oft wiederholte, von
Kleinias bei Ach. p. 45, 30 f. (Ti yap ~biK11(fa;;;, lva rr € b 11 e ~;;; j)
und p. 47, 5 (JlTl'lTW 1101 b 0 UA0;;; Y€Vt;l) bezeichnete Auffassung,
dass die Ehe 1 eine Fes seI sei (Plut. Erot. c.. 7 p. 753 A),
durch die man zum SkI ave n wird, zumal wenn die Frau Uber
GI ü c 11: s g i1 te r verfügt, findet ihre Belege bei Stobaeus ;
Euripides und Menandros ebd. 70, 4. 5. 72, 11. Die Klage deB
jungen Charikles bei Acb. p. 45, 25 f., der nach einem der Komödie geläufigen und auch von Plutarch im 'EPWTlKOC;; libernommenen Vorwurf mit einem reichen Weibe verbeirathet werden soll
(hb ibo /l al 6 bU(fTUX~~ TOt<;; EK€lV11<;; XP~/lo.<11V! lva y~/lW rr w A0 UJl € V 0 ;;;), erinnert an Menandros bei Stob. 70, 5 (ai/T()v
blbw(fl v) und an das Bekenntniss des Demaenetus bei Plaut. As.
87 (Argentum accepi, dote imperium v end i d i). Zu dem Motiv
der reichen
die obendrein noch hässlich ist (Ach. 1 7, 4,
8, 8), vgL Philippides bei Stob. 69, 8. Hiernach glaube icb,
dass sich Achilles in der Declamation des I{leinias I 8, 1- 9 in
der Hauptsache an eine der Schriften rr€pl yalJ.OU angelehnt hat,
wo das Ehekapitel unter Berufung auf zahlreiche DichtersteIlen
besprochen war 2.
- wie etwa im 'EPWTlKO<;; des Plutarch
Auf eine solche Schrift deutet auch I 8, 3; hier werden die
lärmendeil, dem Tumult des Krieges vergleichbaren Bräuche VOI'
der Hochzeit (zu blKA.ibwv KTurrOe; vgl. A. P. VII 711 euptTpwV
tt
T 0 A JA W (f a 1
rplAW(fl,
rpOVEUOU(flV.
1 Reiches Stellenmaterial bei Lasaulx: Studien d. griech. Alterthums S. 374 ff.
2 Bei der Lectüre der Untersuchungen Elters über Geschichte und
Ursprung der griechischen Florilegien (A. Elter: De gnomologiorum
graecorum historia atque
de J ustini monarchia, de Aristobulo
Judaeo, 9 Programme der Universit.ät Bonn 1893-1895/96 in fortlaufender Paginierung; Corollarium Eusebianum, ebenda 1894/95; De gnom.
graec. historia atque origine commantationis ab Eltero conscriptae ramenta, abenda 1897) kann man leicht auf die Vermuthung kommen,
dass sich auch Achilles, wie so viele Schriftsteller, eines der seit Chrysippos überaus häufigen Sammelwerke nach Art des florilegium des
Stobaeus bedient habe. Doch habe ioh sonst keine Spuren gefunden,
die auf Benützung eines solchen Werkes durch Achilles schliessen lassen
könnten. Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, dass der 1Aufputz
der Darstellung mit DichtersteIlen und dichterischen Redewendungen
echt sophistisoh ist. Gar manche dieser Anklänge verdankt Achilles
seiner eigenen, keinesfalls zu unterschätzenden Belesenheit in der poetischen Litteratur.
Zu AchiUes Tatius
71
,
H esych s. v. KTurnwv
' ) verspottet: 'A TUXTJ~
'
. . . 1[(J.TUrOV.
0,
'/lEAAwv ra/lElv' ETIl TIOAE/lOV, ÖOKW /lOl, TIEIJTIETttl (Ach. p. 4(-),
10 f.)
man hört einen Spreoher, der die Ehe mit ähnlichen
Empfindungen des Aergers bekämpft, wie sie bei PInt. ao. c. 11
p. 755 B. C dem Peisias, dem Liebhaber des schönen Baechon, bei
der Nachricht von dessen unter Aufbietung des ganzen lauten
Rochzeitsapparats vollzogenem Raube durch die heirathslustige
Ismenodorll. (c. 10 p. 755
;;,;ugeschrieben werden. Am Schlusse
des Ahschuitts (Ach. I 8, 9) wird dem HeiratllSOll.lldidaten folgende Ermahnung gegeben: /lTJbE TO ave 0 ~ TI P 0 K(J. t po D
Tij~ ~ßTJ~ aTIOAEl1lJ~' npo~ "(np T01<; aAAOl~ Kat 'roüT' ll1Tt ToD
yallou TO aT\.JXTJilet· Il a P a I. VEt n'lv &KIl~V. M~, bEOllttl, Xapl.·
KAEII;;, Il~TiW 1l0l Ilupavef,l~' il~ TIapablfl~ E'UIJOPlpOV TpUTQ<1at
p0 b 0 v UIlOPlp4J T € w P T lfI. Die Worte sind bezeichnend für
die Arbeitsweise des Aohil,les, weil sie uns zeigen, wie er sich
selbst auf kurze Strecken a~ mehrere Muster anscbliesst und das
Vorgefundene derartig in einander zu verweben weiss, dass sein
Roman in der Tbat (einem aus allerlei bunten Lappen zusammen·
gestückelten Teppich' gleicht. Zu Grunde liegt der Gedanke, den
Rein älterer Zeitgenosse und Landsmann Palladas in dem schon
oben citierten, ohne Zweifel nach älterem Vorbild gedichteten Epigl·ammA. P. IX 165 mit den Worten ausdrüokt: "Avbpa rap"
€KKai€l (sc. lUV~) Tal<; lpPOVTI<11V nbe: Il a P a {v Et, Kat Tijpat;;
TIPOTiETEt;; Tij VE6TfJTl lpEPEl. Gleichzeitig aber schwebt dem
Achilles Lucian "EpWTEt;; c. 21 p. 421 vor Augen, wo der Vertheidiger der WeiberIiebe geltend macht, dass vielmehr die unsinnige Männerliebe, die selbst vor Entmannung nicht zurücksohreokt, des Mannes Jugendblüthe vor der Zeit verzehre (TO b'
EV vE6TllTL TIapUilElvav ave 0 ~ d~ Tijpat;; aUTou~ Il a P a I. v El
Ti P 6 W p 0 v). Dazu kommt der Vergleioh des Geliebten mit der
R 0 se nach Epigrammen wie A. P. XII 58 (Rbianos) und ehd.
234 (Strato) und endlich das von Liebenden und Verheiratheten
nicht minder oft gebrauchte (Praechter ao. S. 134 f.) Bild vom
La nd ma n n und seiuem Ac k e r (vgI. u. a. Xen. Symp. 8,25).
Wie an der eben besprochenen Stelle, so suoht Achilles
auoh n 36, 1 dadurch den Sohein der Selbständigkeit zu eI'wecken,
dass er der Ausfühnng seines Gewährsmannes (Lucian "EpWTEt;;
o. 25 p. 425) widerspricht 1. In seineT Beweisführung TIaLbtKflt;;
XPl1O'EWt;; TIOAU T~V TUVaLKtlaV dllE1VW (Lucian ao.) geht Chari1
Vgl. Stravoskiadis
20.
S. 9.
72
Wilhelm
kIes von der Behauptung aus, dass der Genuss allemal dann um
so reizvoller sei, je länger er anhalte: rr(iO"av arroXauO"lv ~yoOM(n
TEprrvoTEpav €lVa.l T~V X P 0 VIW TE P 0. VI, Dafür setzt Menelaos ao. vom Standpunkt des Knabeuliebhabers aus das Wesen
des Genusses in die Flüchtigkeit und kurze Zeitdauer desselben:
rr06EtVOV yap li€i TO aKOp€O"TOV. Tö /lEv yap et~ Xp i1 0" t V
X P 0 VIW T € P 0 V T4J KOPlI! /lapo.{V€l TO T€prrVOV, TO bE aprra.Z:Oj.lEVOV (vgl. p. 84, 17) Ka.lv6v EO"TI Kai lluA'Aov avOel'
yap
2
Y€Yl1po.Kulav fXEI TtlV ~oov~v . • • Man erkennt (vgL namentlich die Worte Erd TtlV Uj.lETEpav •.. ~bov~v im Munde des
Gegners bei Lucian ao. und dazu Praechter ao. S. 149; BerI.
phi!. Wochenschr. 1896 Sp. 870 Anm. 1) den Ausfluss philosophischer Erörterungen über das K€<paXa.lOv Tfi~ ~bovfit;;, wie sie
zwisohen Epikureern und Stoikern gang und gäbe waren. Der
Liebhaber, dem sich der schamhafte Geliebte durch fortgesetzte
Flucht entzieht (Ach. p. 84, 13 ff.) und so die Qualen des Tantalus 3 bereitet, von denen der cynische Theomnest bei Lucian
ao. c. 53 p. 456 nicl1ts wissen will, ist bereits bei Plat. Phaedr.
c. 17. 18 p. 240 f. (vgI. Xen. Symp. 8,23) vorgezeichnet 4.
Von der Lectüre der Schrift "EPWTEt;; ist Achilles ferner
Il 37, [) beeinflusst, wo
nach seiner lüsternen Ausfiihrung
p. 86, 14 fr. zu sohliessen, in den 'Ver!,en des efiAU~ lpw<;
gründlich bewanderte (p. 87, 11 fr.) Kleitopholl mit Anwendung
der von Lucian ao. wiederholt gebrauchten Redeformel el bE
bEl (c. 27 p. 428, c. 49 p. 453 5) eine nur miissige Erfahrung
ou
1 ÖtEllt 'fap l'toovti 'Ir lt P a 'Ir T a (j 0. q> El ci VE t n:plv t) yvwO"Eli\V(U
'lrE1ra.UIlEvl'J. An diese Worte
Aoh. p. 84, 13 'lrw<; OP1lllJTEPOV (sc.
TO KdAi\O<; 1TClI(1{V), EtTE 'Ir IX paK UIV a v jlOVOV l XETa.l ..., nur dass der
Rhetor die Ausdrucksweise des Demosthenes 4, 24 Ta tEVIKa ..• n:apIXKU IV IXV Ta hrl Tav Tfj<; 'lroi\EW<; n:oi\Ellov ... n:ltnUxol jldi\i\ov 0 lX E T (l. 1 n:i\EOVTa. vorgezogen hat.
2 Der Ausdruck wohl veranlasst durch Lucian ao. o. 25 p. 42G
Tuvti Il€V oav aITo n:apElevou jleXPI llAIKla<; jlE(1l'J<;, n:plv t) TEAEW<; Tl'jV
€O"Xa.TllV pUTlou TOO 'f iJ p W<; €1TI0PUIlEIV, Eua.'(Kai\ov avopdow ollli\fllllX.
H Sprichwörtlich (vgl. Ach. p. 148,
wie die Sirenen (Ach.
p. 46, 5. A. P. V 1(1).
4 An den von Hercher verdächtigten Worten KUTaAE1'rrE1 '(ap OlIV WVTa (sc. 6 ITUI<; TOV €pltO"Tljv) ist nichts zu beanstanden; vgI. Lucian
ao: /) IIV fj v On:W.lE:VEIV.
" d oe bEI <p 1 A. 0 (1 6 q> WV n: lt t 0" i mO"TEuEIV. Dafür Ach. p. 56,
I) 'Ir IX 'ib E<; (J 0 q> Wv.
°
Zu Aohilles Tatius
73
in der Weiberliehe affeotirt. Eine ähnliohe urroKpICl'lf,; zeigt Theo, mnest bei Luoian 1$0., indem er die Entsoheidung der Frage naoh
den Vorzügen der Männer- und Weiberliebe ablehnt (c.4 p.401
f.), obgleich er, an Lieuesgenüssen aller Art fOrmlioh überaättigt
(0. 2 p. 398 f.), zu dieaem Sohiedsl'ichteramt wie keiner geeignet
ist. Reoht unerfahren stellt sich auoh Cbarikles c. 25 p. 426:
IX b' EO"Ti. TOUTWV aq){lVeCl'TEpa, TOte;; Tt ETt E1paK 0 Cl' 1v U!llV
Eibeval Ttaplrll.ll (vgl. Menelaos bei Ach. p. 86, 13 f. €ip~ouai
1.1°1, KUV IJETptWC;; EXW 1T € t p IX C;;).
In brennenden Farben wird die Wollust, welche die Hetäre
bei Umarmung und Kuss empfindet und einflösst, vou Kleitophon
p.86, 14-87, 8 (\Tgl. dagegen Lucian ao. o. 26 p. 426 TUValKi.
OE UIlW. p. 427) ausgemalt. Zu EXEl p. 86, 17 muss aus TUValKI
p. 86, 14 (diese Losart empfiehlt sicb statt des überlieferten
'(uvalEi wegen Lucian ao. c. 26 p. 426 TUValKt OE und Ach.
p. 87, 14 TUValKt IlEv) TUV~ als Subject gedaoht werden: EX€l
{TUV~] TO Cl'w/la sc. des Liebenden. p. 86, 18 ist rrEp1ßaAA-elV (Jas
eigentliche Wort vom Umwerfen des Oberkleides) mit dem doppelten Aoonsativ oonstruiert wie das Medium bei Her. I 163 und
illcnbantem quodammodo amicit vodas synonyme a/lq>lt~vvUJ.u
luptate (wie mit einer Hülle). p. 86, 19 bedarf das handschriftliche EHitE1, zu dessen transitivem Gebrauch Pol. VIII 6, i
und Lucian 0.0. c. 53 p. 456 (xetAT) TtpoCl' ET T i Cl' a C;; XEiAECl't) zu vergleichen ist, keiner Aenderung. Nicht das Weib,
sondern, wie
die Hetäre ist eil, deren aus der Liebeslehre
(vgl. Ov. a. a. ur 793 ff.) gelaufige Künste (TAWTTilElv, KvilElV,
Ttepl1..CXI1ßavEw A. P. V 129) in dieser ausgelassenen Ergiessung
(vgl. u. a. A. P. V 128) bezeichrlet werden. Sie beruht, wie der
Kenner der erotischen Litteratnr leicht bemerkt, bis ins Einzelne
TtEp1ßaAA-ElV, bclKVEIV TU q>lAi}/-lCl.Ta, aVOiTElV TU (jn1..ij/-lCXTa,
uCl'9/laivElV usw.; vgl. besonders Lucian D. m. 5, 3 p. 290. 5,4
p. 292
' auf blosser Nachahmung. Dieselbe sinnliohe Glut erkünsteln die Poesien des Paulus Silentiarius, an dessen Epigramm
A. P. V 272 (€XW O'To/lan O'TOlla Kai. TtEpl OE1Pl1V .•• ß 6Cl' K0 /l al) Ach. p. 86, 22 f. (Ttepi. TO TOU q>lAOOVTOC;; 0' T 6 /l a
ß 0 0' KETa I) anklingt. Diese Kunst des Küssens, die nicht
bloss die Lippen, sondern auoh die Herzeu aufs innigste vereinigt wissen will (vgl. Plato A. P. V 78 Xen. 3ymp. 4, 26
A. P. V 14. 171 Favorinus bei Stob.fl. 65, 8 Longos I 18
Ach. II 7. 8. IV 8 Al'istaenetus II 7 Rotbstein zu Prop. I
13, 17) und zwischen künstlichen und natürlichen Küssen
74
Wilhelm
(Ach. II 38, 5), zwiscllen {j)tA~flaTCt blbaKTa und &MbaKTa
oder &rraibeuTa (Longos I 17 Adl. TI 37, 10), zwischen qnMJ.lUTU /luKpa, EM\jJoepa und p. a Ae a Ka (Paul. Sil. A. P. V
244, I Ach. p. 86, 15) so woltl zu unterscheiden versteht, mag
einen bervonagenden Thei! dm' in der hellenistischen Elegie verarbeiteten Liebeslehre gebildet haben, welcher AchilIes auch sonst,
besonders aber I 9. 10 und II 4 gefolgt ist. Es sind die Abschnitte, in denen Kleinias und Satyros in der Rolle der ~PWTO'
bIM.crKaAOI dem verliebten Kleitophon die Mittel und Wege, die
Geliebte zu gewinnen, in der Weise des aus verwandten Quellen
'schöpfenden Ovid an die Hand geben: vgl. Aoh. p. 48, 16 ff.
Ov. a. a. 1I 345 f.
Ach. p. 48, 19 f. Ov. a. a. I 471 f. II
183 f. (Tib. I 4, 17. A. P. IX 221). - Ach. p. 48, ::l4 ff. Ov.
a. a. I 613 f. - Ach. p. 49, 3 ff. Ov. a. a. I 609 f. - Ach.
p. 50, 1 ff. Ov. a. a. I 673 ff. - Ach. p. 60, 16 ff. Ov. a. a. I
229 ff. 1Il 762. - Ach. p. 61, 1 ff. Ov. I 351 f. II 251 ff. Ach. p. 61, 10 fl'. Ov. a. a. II 229. 233 ff. (Am. I 9).
Ach.
p. 61, 24. Ov. a. a. I 707 ff. - Uebrigens ist auch der in der
knappen Form des &epeAE~ ausgesprochene Gedanke Ach. p. 87
8 ff. rraibwv .•. 'AeppobtTfj ..• &Pl~, ~bovfj~ b' oubEv (vgl.
Luoian ao. c. 25 p. 426) kein anderer als der ausführlicher ausgesponnene bei Ovid. a. a. II 675- 684 (vgl. Charit. JI 8 p. 40,
12 f. H.). Gegeniiber Lucian ao. c. 53 p. 456 f., wo Theomnest
die ganze KA1J.lo.E der ~bov~ des rra.tbepa(jT~~ von der 0411~
(o<peo.Allo~ rap oM~ ~pwnKljJ Tpaup.an, vgL Plat. Phaedr. c. 36
p. 255 C. 1) Philemon Cl'. 138 Plutaroh TI'ep\ EPWTO~ bei Stob.
66, 7 Musaßus 92-98 Ach. I 4, 4. 9, 4. V 13, 4) und den
rrpwTo. ell~J.laTu (vgl. A. P. XII 209) bis zur EPWTO~ &KJ.I~ nach
dem 1\1. uster der Liebeslehre (vgl. Ov. a. a. II 715 ff.), aber sie
an Raffinement überbietend enthiillt, wird das sinnliche Vergnügen
der Knabenliebe von Menelaos II 38, 4. 5 mit löblicher Zurückhaltung vorgeführt. Doch zeigt § 4 am Schluss deutlich, dass
er sich die crullrrAoK~ in der PaJaestra nicht etwa wie Anacharsis
im gleichnamigen Dialog des Lucian 1 p. 883 f. denkt, sondern
dass er das Ziel des Genusses vielmehr in der Ausschreitung des
Paidotriben bei 8trato A. P. XII 222 erblickt. An Strato und
andere Verb'eter der Iloucra 1talblK~ erinnert auch der von der
SUssigkeit des Knabenkusses IHl.lldelnde Schluss (p. 87, 32 ff.)
mit dem trivialen Bilde, welches das Vergnügen des Kusses mit
dem Genusse des Nektars vergleicht: A. P. V 305 XII 133
Lucian D. d. 5, 3.
Zu Achilles Tatius
75
Plato (Phaedr., Phaedo, Symp.) und Xenophon (Symp.)
direot und indireot verwerthet -, verlorene populärphilosophisohe
Litteratlu reEp! epWTO<;;, reEp! KII),Aou<;; und reEp! rap.ou, Luc.ian
(besonders "EPWTElj;l) und Plutaroh (Erot. 2), dio Lieboslehre der
hellenistisohen
und allerlei erotische Epigrammenpoesien
(BO von Strato), das sind im Wesentlichen die Muster, nach denen
Achilles - in Wahrheit ein gesohickter Musivkünstler - diese
beiden Einlagen seines Romans zusammengearbeitet hat. Solche
Nachweisungen in mögliohster Vollständigkeit darzubieten wird
für einen künftigen Erklärer dieses Autors trotz Jacobs' fleJssigern, aber bei weitem nioht erschöpfendem Commentar eine Hauptaufgabe bilden.
Ratibor.
Friedrich Wilhelm.
Vgl.
Rohde ao. S. 481.
Einen Anhang zu dieser Schrift. bilden die für unecht gehaltenen, wie es soheint, von Aoh. 11 12 ff. (vgl. Stravoskiadis ao. S. 23)
1
l\
benutzten 'Epw't'uml bll')Ttll1E1<;.