Erst verfeindet, dann vereint
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Erst verfeindet, dann vereint
22 Publisher 5·2000 Fokus Typografie Erst verfeindet, dann vereint OpenType nennt sich ein von Microsoft und Adobe gemeinsam begründeter Standard für Vektorschriften. Ganze vier Jahre nach der Übereinkunft ist nun mit Windows 2000 zum ersten Mal ein Betriebssystem mit der OpenType-Technologie ausgestattet. n MATTHIAS SCHÜSSLER Geht es um die Da die Schrift auf dem Computer, wird Branche ihrem Ruf nicht gerecht. kann von «Schnelllebigkeit» nicht Rede sein. Bereits im Juni 1996 hatte. Lassen sich nämlich Schriften in Internetseiten einbinden, stellt sich sofort die Frage des Urheberrechts: Kein Schriftenhaus würde sich mit einer Web-Font-Lösung einverstanden Type Open Version 2 bezeichnet. Ein OpenType-Font kann entweder Type1oder TrueType-Daten enthalten – oder auch beides. Der Benutzer soll sich jedoch nicht darum kümmern müssen, nach welchem Standard die Schrift beschrieben ist. Diese Pflicht obliegt dem Rasterizer – also der Software-Routine, welche aus den Vektorinformationen ein Bitmap-Bild für die Darstellung am Bildschirm erzeugt. Wenn im System ein Type1-Rasterizer, beispielsweise Adobe-Type-Manager (ATM), installiert ist, dann übernimmt dieser die Anzeige der Postscript-Fontressource. Fehlt ATM, dann konvertiert sie der TrueType-Rasterizer vor der Darstellung am Bildschirm in einen TrueType-Umriss. Schriften «funktionieren» Sind hinter den Kulissen die Zuständigkeiten erst einmal geklärt, hat das für den Benutzer viele Vorteile: Schriften «funktionieren», gleichgültig, ob sie für den Mac oder für Windows entwickelt wurden. Und auch ein Win- Web-Font-Einbettung mit WEFT Unter Windows 2000 sind die Systemschriften als OpenType-Fonts – erkennbar am Ikönchen mit dem O – vorhanden. haben sich Adobe und Microsoft gefunden und in einem Abkommen den so genannten «Schriftenkrieg» beigelegt. Ein neuer Standard wurde ins Leben gerufen, der Inkompatibilitäten bei den digitalen Fonts ein für allemal beseitigen sollte. Doch bislang war von «OpenType», dem gemeinsamen Nachfolger von TrueType und Type1, weit und breit nichts zu sehen. Dies hat sich jedoch mit Windows 2000 geändert. Im Nachfolger von NT 4 hat Microsoft die neue Fonttechnologie zum ersten Mal in ein Betriebssystem eingebaut. Wer einen Blick ins Fontsverzeichnis wirft, stellt fest, dass die Systemschriften Arial, Taoma, Times New Roman, Verdana und Wingdings nun als OpenType-Fonts vorliegen – erkennbar durch ein Ikönchen mit einem zweifarbigen O. Friedensverhandlungen Auch Adobe bekennt sich inzwischen zu OpenType. Nicht mit viel Getöse – man muss die Dokumentationen zu InDesign und dem neuen Adobe TypeManager Deluxe 4.1 mit der Lupe nach diesem Stichwort absuchen. Dabei ist die Sache mit den digitalen Fonts für das Desktop-Publishing zentral – und auch im Web wird gepflegte Typografie zunehmend wichtig (so darf man zumindest weiterhin hoffen). Es war auch das boomende Internet mit seinen spezifischen Bedürfnissen gewesen, das Microsoft und Adobe zum OpenType-Abkommen motiviert erklären, bei der ein Webdesigner die verwendeten Fonts einfach auf den Server lädt. Dort stünden sie zur freien Verfügung für jedermann – zumindest, wenn er sich fürs gleiche Betriebssystem entschieden hat, wie der Webdesigner. Denn plattformunabhängig sind weder TrueType- noch Type1-Schriften, auch wenn beide Formate sowohl für den Mac als auch für Windows zur Verfügung stehen. Um auf einer anderen Plattform verwendet zu werden, müssen die Fonts konvertiert werden. (Ein Utility dazu gibts im PublisherDownloadbereich.) OpenType-Dateien funktionieren dagegen sowohl auf dem Mac wie unter Windows. Somit gab es diverse Anforderungen, die ein neuer Schriftenstandard zu erfüllen hatte. Laut der Pressemeldung von Adobe und Microsoft standen folgende Punkte im Zentrum: n Multiplattform-Unterstützung n Bessere Unterstützung von internationalen Zeichensätzen n Schutz der digitalen Schriften auch bei Onlineverwendung n Geringere Dateigrössen n Bessere Unterstützung von typografischen Merkmalen wie Ligaturen, alternative Darstellungen eines Zeichens etc. Kuckuckseier Technisch gesehen ist OpenType eine Erweiterung des TrueType-Standards und wird gelegentlich auch als True- Microsoft stellt auf ihrer Homepage gratis ein Tool zur Verfügung, mit dem sich Schriften in die Homepage einbinden lassen. Das Werkzeug nennt sich WEFT («Web Embedding Fonts Tool»). Es erzeugt so genannte Fontobjekte, die Internet Explorer verwendet, um die Webseiten mit den richtigen Schriften darzustellen. Netscape kann, wen wunderts?, nichts mit den Fontobjekten anfangen. Das Arbeiten mit WEFT ist eine komplizierte Angelegenheit. Wir beschreiben daher in Kürze, wie es funktioniert. Wers genau wissen möchte, findet WEFT unter www.microsoft.com/typography/ web/embedding/weft2/default.htm in vorbildlicher Weise dokumentiert. WEFT listet die verwendeten Schriften auf und der Webdesigner darf bestimmen, welcher Font wie eingebettet wird. Wenn Sie in WEFT ein neues Projekt starten, erscheint ein Assistent, dem Sie als erstes den Speicherort Ihrer Site angeben müssen. Dann analysiert das Programm sämtliche HTML-Seiten auf die verwendeten Schriften. Es untersucht dabei sowohl die Font-Tags als auch die StyleSheets. Anschliessend präsentiert es die gefundenen Schriften und der Benutzer kann das Subsetting bestimmen. Subsetting bedeutet, dass von einer Schrift nicht alle Zeichen ins Fontobjekt übertragen werden, sondern nur die tatsächlich verwendeten. Dies reduziert die Dateigrösse des Objekts und beschleunigt den Download. Nun können Sie festlegen, in welchem Verzeichnis die Fontobjekte gespeichert werden. Schliesslich erzeugt das Programm die Objekte und modifiziert die HTML-Seiten so, dass Internet Explorer auf die komprimierten und verschlüsselten Fontdateien Zugriff hat. Bei der Verschlüsselung werden URL-Angaben in die Fontobjekte integriert. Der Browser verwendet die Objekte nur, wenn die URL in den Objekten mit der Internetadresse der aufrufenden Seite übereinstimmen. Ändert sich der Root-Pfad, müssen die Objekte neu erzeugt werden. Restriktiv wie die Lösung ist, dürfen die Fonts ausschliesslich zur Anzeige der Webseiten verwendet werden. Download WEFT: www.microsoft.com/typography/ downloads/weft2022c.exe, 934 kB Fokus Publisher 5·2000 Adobe Type Manager Deluxe 4.1 Neuauflage Viel zu verbessern gabs an Adobes Schriftenverwaltungsprogramm nicht. Die Version 4.1 bringt nur wenig Neues. n MATTHIAS SCHÜSSLER Obwohl Das Hilfsprogramm «Zeichentabelle» ist unter Windows 2000 eine unermessliche Schatzgrube, wenns um die Suche nach Sonder- oder Akzentzeichen oder andere Zeichensysteme geht. Dank Unicode sind sogar hebräische Texte leicht zu setzen. dows frisch aus der Box kann Type1Schriften anzeigen, ohne auf ATM angeweisen zu sein. Dies dürfte eine Menge Probleme beseitigen. Es ist also nicht abwegig, wenn Microsoft und Adobe von der «Beilegung des Fontkriegs» sprechen. Andererseits konnte Historisches Das TrueType-Format wurde ursprünglich von Apple entwickelt. Die Firma wollte sich durch die Eigenentwicklung die Lizenzgebühren sparen, die sie bei Verwendung des Type1-Formats an Adobe hätte zahlen müssen. Als Microsoft skalierbare Vektorschriften in Windows integrieren wollte, lizenzierte die Firma TrueType von Apple. TrueType hielt 1991 mit System 7 Einzug auf dem Mac. Ein Jahr später zog Microsoft mit Windows 3.1 nach. Eine verbesserte Version (der Rasterizer 1.5) erschien mit Windows NT 3.1. Seit dann hat es laut Microsoft nur wenige Änderungen an der SchriftenEngine gegeben. Die Version 1.66 des Rasterizers kam in Windows Windows 95 und NT 3.51 zum Einsatz und konnte die Kanten der Zeichen durch die Verwendung von Graustufen glätten. Vor der Einführung der TrueType-Schriften unter MacOS und Windows gaben sich die meisten Computerbenützer mit Bitmap-Schriften zufrieden, deren Konturen bei grosser Skalierung nur als pixelige Treppchen auf dem Bildschirm und im Ausdruck erschienen. Profis hatten allerdings auch damals schon die Möglichkeit, hochwertige Vektorschriften zu verwenden. 1989 erschien Adobes Type Manager für den Mac und trug Wesentliches zum Erfolg des Desktop-Publishing bei. Windows NT ja auch schon in der Version 4 mit Postscript-Schriften umgehen: Zieht man die Dateien in den Schriftenordner, werden sie automatisch ins TrueType-Format konvertiert. So richtig profitieren wird die Windows-Gemeinschaft erst, wenn die OpenType-Technologie auch in den «Mainstream»-Versionen des Betriebssystems Einzug gehalten haben wird. Ob die OpenType-Technologie im neuen Windows Millennium, dem Nachfolger von Windows 98, enthalten ist, war bei Redaktionsschluss leider noch nicht bekannt. die Version 4 der Deluxe Edition schon seit 1996 auf dem Markt ist, fühlt sich Adobe nicht bemüssigt, neue Funktionen einzubauen. Ob wir hier Zeuge einer in der Softwarebranche fast einmaligen Begebenheit werden – wie es sich Type Manager auf dem Gipfel der Perfektion bequem macht? Wenn auch keine neuen Befehle im Programm zu finden sind, ist das entscheidende neue Feature die Unterstützung von OpenType-Fonts. Damit können die praktischen, plattformunabhängigen Schriften auch auf Betriebssystemen benutzt werden, die den Support nicht aktuelle Projekt relevanten Fonts aktiviert, braucht man sich nicht ob des überladenen Schriftmenüs zu grämen. Und man wird keine «verbotene» Schrift verwenden. Die Schriftsätze lassen sich exportieren und auf einem anderen System wieder einlesen – auf diese Weise profitiert auch der Arbeitskollege von der wohl organisierten Schriftenverwaltung. Gertenschlank oder kugelrund Eine weitere wichtige Aufgabe von ATM Deluxe ist die Erstellung von Multiple-Master-Schriftschnitten. Fonts mit dieser Technologie lassen sich in Stärke Bewährte Funktionen, erprobtes Screendesign: Mit ATM Deluxe 4.1 erfindet Adobe das Rad nicht neu. Mac OS X bringt OpenType Auf dem Mac wird OpenType voraussichtlich mit Mac OS X Einzug halten. Bis es soweit ist, haben Mac-Benützer die Möglichkeit, die neuen Fonts mit dem Type Manager zu verwenden – genauso wie Windows-95-, -98- und Windows-NT4-Anwender. OpenType ist ein echter Kompromiss – offenbar wollte weder Adobe noch Microsoft von ihrer Technologie abrücken. Laut Microsoft soll das so bleiben: OpenType wird auch in Zukunft sowohl TrueType- als auch Type1-Schriften unterstützen. Der Schriftenkrieg ging unentschieden aus. n Links zum Thema: The User-Friendly PostScript Ressource: www.ncf.carleton.ca/~cj434/ Microsoft: www.microsoft.com/typography Hier finden Sie auch das nützliche Windows-Tool «Open Type Font Shell Extension». Es erweitert den Eigenschaftendialog von Schriftdateien um viele informative Reiter. Eine Menge Infos über Fonts: Microsofts «Open Type Font Shell Extension». wie Windows 2000 bereits eingebaut haben. Ausserdem prangt ein grosser, gelber Kleber auf der Schachtel, der Win-2000-Bereitschaft verspricht. Allerdings hatte auch die Vorgängerversion schon ordentlich unter dem neuen Windows funktioniert. und Breite in mehreren hundert Abstufungen fein regulieren. Im entsprechenden ATM-Menü können viele solche Multiple-Master-Schriftschnitte erstellt Unerlässlich für DTPler In Ermangelung neuer Funktion seien hier noch einmal die äusserst nützlichen Dienste beschrieben, die der Type Manager auf einer DTP-Workstation zu leisten vermag: ATM unterstützt typografische Gestalter beim Sichten und Verwalten von Schriften. Das Programm kann Fonts anzeigen, auch wenn sie nicht im System installiert sind. Ordnung statt Chaos Schriften lassen sich in Sätzen organisieren. Diese Sätze erscheinen als Ordnersymbole in der Baumansicht. Bewährt hat sich eine Sortierung nach Projekten: So lassen sich alle Fonts, die für einen Auftrag notwendig sind, per Mausklick auf das Ordnersymbol aktivieren. Die gleiche Schriftart lässt sich in beliebig viele Sätze übernehmen, sodass auch bei vielen Projekten mit unterschiedlichen typografischen Anforderungen stets Übersicht herrscht: Arbeitet man diszipliniert mit den Schriftsätzen und hat nur die fürs Als Zugabe enthält die DeluxeVersion des ATM 15 dekorative PostScript-Schriften. und als virtuelle Fonts abgespeichert werden. Auf diese Weise können Multiple-Master-Schriften auch in Programmen verwendet werden, welche diese Technologie nicht direkt unterstützten. n Vollversion: 135 Franken, Update 55 Franken, Infos: 0800 55 51 51 oder www.adobe.ch. 23