Achtung vor Chiquita-Bananen in den Migros-Gestellen
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Achtung vor Chiquita-Bananen in den Migros-Gestellen
Mai 2007 No. 5 / 2007 Multinationale Firmen unterstützen Paramilitärs Achtung vor Chiquita-Bananen in den Migros-Gestellen... Von Bruno Rütsche Über 50% der Bananen in den Gestellen von Migros tragen das Label Chiquita. Dieser Bananenmulti hat zwischen 1997 und 2004 mindestens 1,7 Mio. US$ an die paramilitärischen Verbände Kolumbiens AUC bezahlt. Zudem wurden über den Hafen der kolumbianischen Tochterfirma Banadex S.A. 3000 Kalaschnikow Gewehre und 5 Mio. Schuss Munition an die AUC geliefert. Für Migros kein Grund, die Handelspartnerschaft mit Chiquita zu hinterfragen. Mitte März 07 einigte sich Chiquita in einem Vergleich mit dem US-Justizministerium zur Zahlung von 25 Mio. US$ Strafgeld, da sie die paramilitärischen Verbände Kolumbiens AUC unterstützt hat. Die AUC waren nach den Anschlägen auf die Zwillingstürme in New York auf die Terrorliste gesetzt worden, womit Chiquita gegen die US-Antiterrorgesetze verstossen hatte. Mit diesem Vergleich wurde international bekannt – und fand auch in den Medien Beachtung – was in Kolumbien längst eine Binsenwahrheit war...1 Die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ask schreibt Migros2 Da Migros ein wichtiger Handelspartner von Chiquita ist, wollte die ask in einem Brief von Migros wissen, wie sie sich zu einem Handelspartner wie Chiquita stellt, welcher nachweislich terroristische Organisationen unterstützt hat. Die ask wollte auch wissen, was Migros konkret in Bezug auf Chiquita unternommen hat und wie sie die KundInnen über diese Sachverhalte zu informieren gedenkt. Am 24. April 07 antwortete Migros auf den Brief. In dem Antwortschreiben heisst es u.a.: „Solange keine Beweise vorliegen, dass das Unternehmen Chiquita aktiv eine als terroristisch eingestufte paramilitärische Organisation in krimineller Absicht unterstützt hat, sehen wir keinen Grund die Zusammenarbeit mit Chiquita in Frage zu stellen.“ Weiter argumentierte Migros, dass sie seit geraumer Zeit keine Bananen mehr aus Kolumbien beziehe und Chiquita sich aus dem Produktionsgebiet Kolumbien zurückgezogen habe. Darum bestehe für Migros kein Handlungsbedarf. 1 Bereits am Ständigen Völkertribunal vom April 2006 wurden Beweise für die Waffenlieferungen über den Hafen der Chiquita-Tochter Banadex in Carepa vorgelegt. Zudem hatte der Para-Chef Carlos Castaño in einem Interview vom 30. Juni 2002 in der Zeitung El Tiempo die Waffenlieferung als einen der grössten Erfolge der AUC bezeichnet. Obwohl dieser Sachverhalt spätestens seit diesem Zeitpunkt bekannt war und Panama und Nicaragua eine Untersuchung durch die Organisation Amerikanischer Staaten OAS verlangten, ging die Zusammenarbeit zwischen Chiquita und den kolumbianischen Paramilitärs noch über Jahre weiter. Dies mit dem Wissen und der Zustimmung der obersten Firmenleitung von Chiquita in Cincinnati USA. 2 Der Briefwechsel zwischen ask und Migros ist auf der homepage der ask, wo auch Fotos der Strassenaktion zu Chiquita sind: http://www.askonline.ch/aktuell.htm Die ask ist mit den Antworten in keiner Weise zufrieden. In einem Brief vom 5. Mai 07 führt die ask an, dass die Zusammenarbeit von Chiquita mit terroristischen Gruppen – den AUC – erwiesen ist. Weiter argumentiert die ask: „Das Vergehen von Chiquita beschränkt sich nicht auf die kolumbianische Tochterfirma Banadex S.A. Die Firmenleitung in Cincinnati (USA) war spätestens seit dem Jahr 2000 über die Zahlungen informiert und hat diese zugelassen. Es handelt sich also nicht um ein Vergehen lokaler Funktionäre einer Tochtergruppe, sondern scheint Teil der Geschäftsstrategie zu sein. Für die Zahlungen an die Paramilitärs ist Chiquita als Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen.“ Die ask macht auch auf die Rechte der Opfer aufmerksam: „Wir klagen kriminelle Geschäftspraktiken an, die Tausende von Opfern gefordert haben. Und noch mehr geht es uns darum, dass die Rechte der Opfer nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und die Garantie der Nicht-Wiederholung zur Sprache kommen und eingefordert werden. Chiquita hat bis heute mit keinem Wort die Opfer ihrer Geschäftspolitik erwähnt. Der Vergleich mit der US-Justiz betrifft allein das Vergehen gegen die Terrorbekämpfungsgesetze der USA. Von den Opfern in Kolumbien war bisher nicht die Rede. Solange den Rechten der Opfer nicht nachgekommen wird, erachten wir Chiquita als ethisch, rechtlich und moralisch unhaltbaren Geschäftspartner.“ Und schlussendlich fordert die ask Migros auf, keine Bananen mehr von Chiquita zu beziehen und vollumfänglich auf Max Havelaar zertifizierte Bananen umzusteigen. Strassenaktion zu Chiquita Auf die Antwort von Migros sind wir gespannt. Um schon mal die KonsumentInnen zu informieren, führten wir Strassenaktionen in Luzern und Bern durch, an denen wir mit dem Blickfang einer grossen halbgeschälten ChiquitaBanane, aus der eine Kalaschnikow ragt, Flugblätter mit den wichtigsten Informationen verteilten. Chiquita ist nicht der einzige Bananenmulti, der direkt in Menschenrechtsverletzungen und die Unterstützung von paramilitärischen Verbänden in Kolumbien verwickelt ist. Salvatore Mancuso, militärischer Chef der AUC, erläuterte am 7. Mai 07 in einem ausführlichen Interview, dass alle Bananenfirmen die Paramilitärs unterstützten. Nach Aussagen von Mancuso wurde Ende 1997 ein Pakt zwischen den Bananenproduzenten und den Paramilitärs geschlossen. „Dieser Pakt wurde mit Chiquita Brands Inc., Dole, Banacol, Uniban, Proban und Del Monte geschlossen. Sie zahlten uns einen Cent (US$) pro exportierte Bananenschachtel. Die Firma Dole war mit der Eintreibung dieses Geldes und der Durchführung dieser Operation beauftragt, wovon alle Firmen absolut Kenntnis hatten und die sie als Beitrag an die CONVIVIR 3 Papagayo4 bezeichneten.“5 Urabá – eine Geschichte der Gewalt Anfangs der 60er Jahre begann die damalige United Fruit Compagny – heute Chiquita Brands International – die Bananenproduktion in Urabá. In Kolumbien selber war United Fruit schon seit den 20er Jahren präsent und erreichte traurige Berühmtheit mit der blutigen Niederschlagung eines Streiks im Jahr 1928.6 In Urabá änderte sie ihre Praxis und war nicht mehr direkt in der Produktion der krummen Früchte tätig, sondern in der Kreditvergabe und der Kommerzialisierung. Gewerkschaftsrechte gab es für die Bananenarbeiter keine. Erst 1984 erreichten die Bananenarbeiter die Zulassung der Gewerkschaften und praktisch über Nacht schrieben sich rund 20'000 Bananenarbeiter in den Gewerkschaften ein. Damit begann die Unterdrückung und Verfolgung der GewerkschaftlerInnen. Die Zahl der politischen Morde schnellte in die Höhe und Urabá verzeichnete über Jahre die höchsten Mordraten Kolumbiens. Dies verschärfte sich noch, als 1988 zum ersten Mal in Kolumbien die Bürgermeister und lokalen Behörden vom Volk gewählt werden konnten. Jetzt kam es nicht nur zu selektiven Morden, sondern zu gezielten Massakern. Trotzdem gewann 1988 die linke Sammelpartei Union Patriotica UP die Bürgermeisterämter in den wichtigsten Gemeinden Urabás. Doch bereits war der Genozid7 gegen die UP in vollem Gange und die gewählten Bürgermeister wurden ermordet, unter falschen Anschuldigungen inhaftiert und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt oder mussten fliehen, um ihr Leben zu retten. 1995 begann der Plan Retorno, die definitive „Rückeroberung“ Urabás. Die traditionelle lokale Politikerklasse und der Bananenproduzentenverband AUGURA bediente sich dabei der Macht der paramilitärischen Verbände, der Armee8 und der ländlichen Sicherheitskooperativen CONVIVIR. Drei Namen sind mit dieser mit äusserster Brutalität geführten „Rückeroberung“ eng verbunden: Alvaro Uribe Vélez, von 1995-97 Gouverneur des Dep. Antioquia und heute Präsident Kolumbiens; Oberstleutnant Rito Alejo del Río, Kommandant der 17. Armeebrigade in Carepa und Carlos Castaño, damals Chef der Paramilitärs. Alvaro Uribe legalisierte über 60 CONVIVIR und General Rito Alejo del Río arbeitete eng mit den paramilitärischen Gruppen von Carlos Castaño zusammen. Die in AUGURA organisierten Bananenproduzenten unterstützten den Plan Retorno. Auf der website von AUGURA 9 heisst es dazu: „Mitte der 90er Jahre beginnt der Verband der Bananenproduzenten mit der Unterstützung der Streitkräfte das Programm ‚Rückkehr’. (...) Dieser Plan dauerte drei Jahre und schloss mit der 3 Die legale Grundlage zum Aufbau der sog. Ländlichen Sicherheitskooperativen CONVIVIR – bewaffnete Gruppen von Zivilen – war 1994 von Präsident Gaviria geschaffen worden. Viele dieser Convivir wurden von damals bereits bekannten Paramilitärs und Drogenhändlern gegründet. Siehe auch Monatsbericht April 2007: http://www.askonline.ch/monatsbericht.html 4 Alvaro Uribe erteilte der Convivir Papagayo die Betriebsbewilligung. An sie gingen zuerst die Zahlungen von Chiquita. Papagayo ist in Urabá breit bekannt und gefürchtet, weil sie eine Sicherheitsfirma ist, welche den Paramilitärs als Fassade dient. Papagayo verfügt über eine gültige, „legale“ Operationslizenz und erhält nach Aussagen ihres Direktors noch heute 3 Cents (US$) pro Schachtel Bananen. Quelle: Caja de Herramientas, „Verdad y reparación colectiva. Y los empresarios qué ? « ; semanariovirtual@viva.org.co, www.viva.org.co 5 El Tiempo, 13. Mai 2007, « Todas las bananeras nos pagaban : Mancuso », Interview von Natalia Springer ; http://www.eltiempo.com/tiempoimpreso/edicionimpresa/opinion/2007-05-14/ARTICULO-WEBNOTA_INTERIOR-3555434.html 6 Die Zahl der damals getöteten Arbeiter – schätzungsweise rund 3000 – ist bis heute nicht bekannt. Gabriel García Márquez hat in seinem mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Buch „Hundert Jahre Einsamkeit“ diesem Massaker ein Denkmal gesetzt. 7 Die linke Sammelpartei Union Patriotica wurde physisch liquidiert: Zwei Präsidentschaftskandidaten, mehrere Senatoren und Kongressabgeordnete und unzählige Bürgermeister, Gemeinderäte und Mitglieder der Partei wurden systematisch ermordet, insgesamt um die 4000 Personen. Überlebende haben bei dem Interamerikanischen Menschenrechtshof Klage wegen Genozid eingereicht. Der Klage wurde stattgegeben. 8 Urabá war eines der am stärksten militarisierten Gebiete und wies gleichzeitig eine der höchsten politischen Mordraten auf. Insbesondere ist die 17. Armeebrigade mit Sitz in Carepa der Bildung, Förderung, Unterstützung und Zusammenarbeit mit paramilitärischen Verbänden angeschuldigt. 9 www.augura.com.co sog. ‚Zivilen und Friedlichen Einnahme’ von Urabá und mit der definitiven Rückkehr der Bananenunternehmer.“ Bis heute schweigt AUGURA zu den Zahlungen der Bananenunternehmer an die Paramilitärs. Fakten zum Bananenhandel Weltweit werden auf rund 4,5 Mio. Hektaren Süssbananen angebaut. Die wichtigsten Exportländer der gelben Frucht sind Ecuador, Philippinen, Costa Rica und Kolumbien. Sie kommen für rund 76% aller Exporte auf. Die Europäische Union EU ist mit rund 4,5 Mio. Tonnen Jahresverbrauch der grösste Markt für Bananen. Die Bananenimporte aus der Schweiz kommen u.a. aus Costa Rica (28%), Ecuador (27%), Panama (13%) und Kolumbien (12%). - Chiquita hat in Nordamerika einen Marktanteil von 25%, in Europa 20% und 10% in Japan. Der Anteil von Chiquita am internationalen Bananenhandel beträgt rund 25%. In der Schweiz bezieht Migros über die Hälfte ihrer Bananen von Chiquita, Volg sogar über 90%. Urabá und die Bananenproduktion in Kolumbien In Kolumbien werden auf rund 44'000 Hektaren Bananen für den Export angebaut, davon liegen rund 32'000 Ha in Urabá, der Rest im Dep. Magdalena. Kolumbien exportiert jährlich ca. 1,6 Mrd. Tonnen Süssbananen in einem Wert von rund 400 Mio. US$/Jahr. Dies entspricht rund 4,7% des gesamten Exporterlöses Kolumbiens. In Urabá wird auf rund 344 Betrieben mit einer Fläche zwischen 20–170 Ha Bananen angebaut mit rund 20'000 Direktbeschäftigten. Die Bananenproduzenten sind im Verband AUGURA zusammen geschlossen. AUGURA ist wiederholt der Unterstützung paramilitärischer Verbände angeklagt worden. AUGURA beteiligte sich aktiv am Plan Retorno. Dieser Plan fällt auch mit der Ankündigung der Paramilitärs zusammen, Urabá unter ihre Kontrolle zu bringen. . Chiquita: „Genuss mit Mehrwert?“ Von Delf Bucher «Genuss mit Mehrwert», jubilierte das Migros-Magazin bei der Markteinführung der Chiquita im November 2005. Damals wurde neben dem alten Logos der „Miss Chiquita“ das Rotaugenfrosch-Label der Rainforest Alliance RFA auf die gelbe Schale aufgeklebt. Und der orange Riese, mit einem Umsatz von 90 Millionen Franken grösster helvetischer Bananenhändler, bietet seither die Bananen mit dem Öko-Frosch-Siegel prominent in seinen Frischwaren-Abteilungen an. Der neu geordnete Bananen-Dschungel ist selbst bei der entwicklungspolitischen Organisation „Erklärung von Bern“ (EvB) gross. In ihrer neuen Publikation „Bananorama“ tut sich die EvB schwer, eine Position zu Chiquita zu finden. Auch die Waffenlieferung an die kolumbianischen Paramilitärs finden in die Broschüre keine Erwähnung. Auch andere Fakten sprechen immer noch dafür, sich nicht von den Liebreizen der scheinbar ökologisch und sozial aufgeschminkten „Miss Chiquita“ betören zu lassen. Hier eine kleine Auswahl der Gründe, die gegen eine echte Wende in der Chiquita-Plantagenwirtschaft sprechen: Chiquita akzeptierte wohl 2001 am Sitz der ILO in Genf einen Vertrag mit Colsiba, dem Dachverband der lateinamerikanischen Bananengewerkschaften. Seither ist es aber immer wieder zu Verletzungen der Gewerkschaftsrechte gekommen. In Costa Rica lebt auch die paternalistische Form der Solidarismo-Gewerkschaften fort. In Honduras werden systematisch jene Plantagen geschlossen, in denen die Bananen-Gewerkschaften aktiv sind – aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Ökologisch betreibt Chiquita und Migros Etikettenschwindel. Der Rotaugenfrosch, der nun als zweiter Aufkleber neben „Miss Chiquita“ auf den Bananen prangt, könnte nie in einer Bananenfarm überleben. Trotz dosiertem Einsatz von Chemie verwandeln sich die agroindustriellen Monokulturen nicht in Biotope für seltene Amphibien. So werden auf den von der RFA zertifizierten Chiquita-Plantagen immer noch 40 Kilo Spritzmittel pro Hektare verwendet. Nach einer Studie der Universität Augsburg befinden sich teilweise hochgiftige Pestizide darunter. Wenn sich auch die EvB um eine Debatte drückt, stehen die entwicklungspolitischen AktivistInnen weltweit vor einer strategisch bedeutenden Frage, die ganz rasch einer Antwort bedarf. Können Multis mit ihrem Streben nach Profitmaximierung überhaupt unser Partner sein? Sollen wir nun Chiquita für die largen Standards der Rainforest-Alliance Beifall zollen, nur weil die Giftdusche ein wenig schwächer dosiert wird? Oder sollte nicht die gesamte Praxis eines Konzerns durchleuchtet werden. Im Falle von Chiquita z.B. ihr Umgang mit Gewerkschaften und die Zusammenarbeit und Unterstützung paramilitärischer Organisationen in Kolumbien?