Erkenntnisse zum und am Khan Tengri
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Erkenntnisse zum und am Khan Tengri
Erkenntnisse zum und am Khan Tengri (7010m) Klaus Gündisch und Klaus Simonis Juli 2011 nach Bischkek, Kirgisistan, meine geplante Ausbildung um eine am 17. Juli die Expedition zum Khan hatten schon längst ihren Flug für den 14. gebucht, als mir der DAV mitteilte, dass ich Woche vorziehen und somit nun doch noch Tengri starten könnte. Die Suche nach einem geeigneten Flug war gar nicht so einfach, denn für den 17. Juli 2011 waren alle Flüge nach Bischkek ausgebucht. Also entschied ich mich letztendlich für einen Flug nach Almaty – in der Hoffnung dass die Grenzübergänge zwischen Kasachstan und Kirgisistan bis dahin wieder passierbar sind. Ich freute mich auf die Reise nach Zentralasien und auf diesen extremen Berg, der als ziemlich schwierig beschrieben wird. Ich fing an zu trainieren, kaufte die nötige und noch fehlende Expeditionsausrüstung (Schuhe, Zelt, Handschuhe, Schlafsack und Trockennahrung für zwei Wochen) und besorgte das Visum für Kasachstan und Kirgisistan. Gleichzeitig musste ich mich aber auch für die Ausbildungswoche des DAV vorbereiten, denn hier hatte ich großen Nachholbedarf in theoretischem Wissen. Die Zeit verstrich viel zu schnell. Die Woche vom 10. bis zum 16 Juli verbrachte ich auf der Wiesbadener Hütte, um meine Ausbildung zum Fachübungsleiter nun endlich abzuschließen. Die Ausbildung war anstrengend und das Wetter schlecht. Am Samstagnachmittag war ich wieder zurück in München. Dreckige Wäsche musste eilig gewaschen werden, denn am Sonntag um 13:00 Uhr ging bereits mein Flug nach Almaty. Das war ein kurzer Aufenthalt in der Zivilisation. Damit mein Gepäck die erlaubten 20 kg nicht überschritt, musste ich die dicken Bergschuhe und die warme Hose anziehen. Gefroren hat es mich wirklich nicht … und ein „Exot“ war ich auf dem Flughafen auch.J Der Abschied ist mir schwer gefallen. Eine SMS an meinen Sohn Chris, ein letztes Gespräch mit Petra. Mein Herz wollte nicht weg! Es ist nicht so wie manche denken: „Hat der es schön, einen Monat Urlaub“. Dieses „Schöne“ fiel mir zumindest am Anfang nicht leicht. Immer wieder stellte ich mir die Frage: Warum und Was bringt das alles? Vielleicht ist es auch mein letztes längeres Unternehmen alleine. Ich dachte an meine Eltern – verstehen tun sie mich nicht mehr. Und: Verletze ich Menschen in meiner nahen Umgebung mit meinen Entscheidungen? Während meine Gedanken zwischen Sinn und Unsinn dieser Unternehmung umherschweiften landeten wir in Almaty. Es war 03:15 Uhr und meine Stimmung auf dem Nullpunkt. Glücklicherweise hatte ich keine weitere Gelegenheit an meiner Unternehmung zu zweifeln, denn gleich im Anschluss ergab sich eine Fahrmöglichkeit nach Bischkek (237Km), denn es war dieser der einzige Grenzübergang den man 1 passieren konnte. Von Bischkek nahm ich einen Kleinbus bis nach Cholpon Ata (285 Km) und von dort einen ins Alpinistenlager Karkara (204 Km), wo ich am Abend eintraf. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so einwandfrei funktionieren würde, ohne die Landessprache zu verstehen und zu sprechen. Das Alpinistenlager liegt auf 2240 m in einer grünen, bewaldeten, schönen Umgebung. Das Wetter war allerdings nicht sehr überzeugend: jeden Nachmittag regnete es! Ich machte es mir in einem der vielen aufgestellten Zelte gemütlich und schlief nach der langen Fahrt schnell ein. Im Zeltlager war nicht viel los und es folgten zwei langweilige Tage. Am dritten Tag, den 21. Juli gegen 8:00 Uhr, landete endlich der Hubschrauber (MI 17), der die Gipfelaspiranten und Besucher ins Basislager fliegen sollte. Unser Abflug verzögerte sich jedoch aus unerfindlichen Gründen immer wieder. 2 Schließlich kamen wir dann am frühen Nachmittag endlich im Base Camp Inylchek Süd auf 4000m an. Der Flug mit dem alten Transporthubschrauber war ein Abenteuer für sich. Vollgestopft mit 26 Leuten, jede Menge Gepäck und Nahrung für das Base Camp, dachte ich erst, so beladen kann er gar nicht abheben … aber er hat es auf fast 4400m geschafft (mit einem Rad berührte er einmal den Grat!). Aus der Vogelperspektive konnte ich zum ersten Mal die grandiose Bergwelt des Tien Shan bewundern. Beim Anblick der gewaltigen Dimension dieser schneebedeckten Berge und der Gletscher aus diesem abenteuerlichen Hubschrauber wusste ich: Es hat sich gelohnt! Unser Ziel war der Khan Tengri – auch „Himmelsherrscher“ genannt – viele Bergsteiger bezeichnen ihn als einen der schönsten Berge der Welt. 3 Das Base Camp ist Ausgangspunkt für die Gipfelbesteigungen der Marmorpyramide: Khan Tengri (7010m) und die abweisende Mauer des Pik Pobjeda (7439m). Klaus & Klaus empfingen mich mit großem Hallo im Basecamp. Ich war froh endlich nicht mehr alleine zu sein. Nach einem kurzen Aufenthalt beschloss ich mit ihnen ins Camp 1 (4300m) zu gehen. Es war ein langer Marsch auf dem Gletscher. Klaus & Klaus hatten dort schon ein Zelt aufgestellt. Wegen starkem Schneefall mussten sie dann wieder ins Base Camp zurückkehren. Nach 3 Stunden erreichten wir Camp 1. Das „Bulgarenzelt“ war leer und ich übernachtete darin – meine erste Nacht auf dem Gletscher! 22. Juli (Freitag) Gegen 3:00 Uhr nachts kam schon Bewegung ins Camp. Fast alle wollten ins Camp 2 (5300m) aufsteigen, darunter auch Klaus & Klaus. Warum zu dieser Uhrzeit? Zwischen Camp 1 und Camp 2 führt der Aufstieg ca. 300 Höhenmeter unter der Tschapajew-Ostwand entlang. Diese Wand ist 1500 m hoch und mit einem stark überwächteten Hängegletscher gekrönt. Spätestens um 8:00 Uhr morgens sollte man hier durch sein, sonst drohen nach Sonnenaufgang Lawinen (jedes Jahr gibt es hier Tote – auch nachts) Diese gefährliche Stelle wird „Flaschenhals“ genannt – ich werde sie „Mausefalle“ nennen J Ich war müde und blieb in Camp 1. Über Funk erfuhr ich, das Klaus & Klaus Camp 2 erreicht hatten (wir mussten uns alle 4 Stunden bei Dima aus dem Base Camp melden). Ich zog in das viel gemütlichere Zelt von Klaus & Klaus um und ruhte mich den ganzen Tag aus. Gegen 17:00 Uhr, nachdem die Sonne hinter den hohen Bergen verschwand und es mit einem Schlag verdammt kalt wurde, kroch ich in den Schlafsack. Am Abend fing es an zu schneien. 23. Juli (Samstag) Es schneite die ganze Nacht. Ab und zu musste ich den Schnee vom Zeltrand entfernen. Um 4:00 Uhr hatte ich eigentlich vor ins Camp 2 aufzusteigen. Doch 4 in der Nacht ist es nicht richtig kalt geworden und ich hatte große Bedenken. Die Gefahr von Schnee- und Eislawinen in der „Mausefalle“ war mir zu groß und ich fasste den Entschluss noch einen Tag in Camp 1 zu verbringen. Über Funk habe ich dann erfahren, dass Klaus & Klaus auch nicht ins Camp 3 aufsteigen. Die richtige Entscheidung, wie sich später herausstellte. Achim, ein Bergsteiger mit Ambitionen auf den Gipfel des Pobjeda, den wir im Basislager kennenlernten, hatte es ca. 2 Wochen danach genau bei solchen Verhältnissen erwischt … er hat Glück gehabt, es hätte auch schlimm für ihn ausgehen können. 24. Juli (Sonntag) Um 3:00 Uhr nachts hieß es raus aus dem warmen Schlafsack kriechen, packen und in Richtung Camp 2 starten. Ich kam gut vorwärts, so gut es eben ging mit 20 Kg auf dem Rücken. Das Wetter war diesmal auch optimal, richtig kalt. Jetzt sah ich zum ersten Mal die riesigen Seracs und Gletscherspalten – die „Mausefalle“ war wirklich zum Fürchten … Um 8:00 Uhr erreichte ich Camp 2 (5300 m). Klaus & Klaus steckten noch in ihren warmen Schlafsäcken (draußen waren bestimmt -15°C). Wir frühstückten gemeinsam. Ich fühlte mich gut und entschied mich spontan mit Klaus & Klaus weiter ins Camp 3 aufzusteigen (5900m). Jens, Tim und Marianne, die ich dort kennenlernte, hatten den gleichen Weg. Am späten Vormittag gingen wir los. Jens und Tim nahmen mir ein wenig Gepäck ab – sie hatten nicht so viel weil sie gleich wieder ins Camp 2 absteigen wollten. Wir kamen nur mühsam voran. Die Luft wurde immer dünner und der Schnee immer mehr. Danke an Klaus, Jens und Tim, die fleißig gespurt haben. Jetzt verstand ich warum etliche das Camp 3 nie erreicht haben. 5 Irgendwie, irgendwann erreichte ich Camp 3. Die Sonne war noch nicht hinterm Berg verschwunden und so konnten wir in aller Ruhe Schnee schmelzen und essen. Bald danach verzog ich mich ins Zelt - Klaus & Klaus in die Schneehöhle. 6 25. Juli (Montag) Wieder musste ich sehr früh meinen warmen Schlafsack verlassen (um 4:00 Uhr). Es war eisig kalt. Wir wollten ins Base Camp zurückgehen und das bedeutete der „Mausefalle“ zu entkommen ohne dass diese zuschnappte. Die Zelte und das Essen ließen wir in Camp 3 zurück. Am frühen Nachmittag erreichten wir ohne Schwierigkeiten das Base Camp. Wir nutzten die Gelegenheit zum Duschen, was so viel hieß wie warmes Wasser mit einer Kelle über sich zu kippen. Trotzdem hat es gut getan und wir waren dankbar für diese Möglichkeit uns mit warmem Wasser zu waschen. Danach versammelten wir uns im Essenszelt und ließen uns das leckere Essen schmecken, tranken Wodka und diskutierten über Gott und die Welt mit den anderen Bergsteigern. 26. Juli (Dienstag) Heute war ein Ruhetag im Base Camp geplant. Langweilig war es dennoch nicht. Denn es war wieder „Hubschraubertag“. Aus Camp 3 ging ein Notruf ein. Der Notarzt des Base Camps und ein Bergführer mussten mit dem Hubschrauber Richtung Camp 3 fliegen um einen höhenkranken Bergsteiger zu retten. Neugierig verfolgten wir ob die alte Maschine auf über 6000 m hochkommt … tatsächlich hat sie es geschafft, ist sogar 2mal hochgeflogen und … der Pilot hatte auch reichlich - für meine Begriffe - Wodka „getankt“. 27. Juli (Mittwoch) Nein, heute müssen wir nicht wieder mitten in der Nacht aus dem warmen Schlafsack in die Kälte. Nach dem Mittagessen machten wir uns auf den Weg ins Camp 1 und haben dort die Nacht verbracht. 28. Juli (Donnerstag) Dafür heute wieder: die „Mausefalle“ muss durchquert werden. Wir sind bis ins Camp 3 hochgestiegen und haben die Zelte aufgebaut – ich war danach fix und 7 fertig! Um 17:00 Uhr verkrochen wir uns bereits in die Schlafsäcke. Es wurde eine bitterkalte Nacht. 29. Juli (Freitag) Gegen 3:30 Uhr Aufbruch zum Gipfel. Meine Finger waren schon beim Anziehen der Schuhe und Steigeisen gefroren. Es war mindestens -15°C und die Sterne funkelten millionenfach wie Diamanten im schwarzen Samt. Die Kälte und die Höhe machten es mir nicht einfach vorwärtszukommen. Zehn Schritte gehen, verschnaufen, wieder zehn Schritte gehen, verschnaufen … im hellen Schein meiner Stirnlampe mühte ich mich vorwärts. In der Morgendämmerung, kurz nach dem Sattel auf ca. 6100 m, blieb ich stehen und beschloss nicht mehr weiterzugehen. Ich kehrte zurück zu Camp 3. Aus dem Sattel konnte ich beobachten wie die ersten Sonnenstrahlen die hohen, schneebedeckten Gipfel sanft berührten und die Nacht beiseiteschob … ein ergreifender Augenblick! Einen schöneren Sonnenaufgang habe ich noch nie erlebt! Meine Entscheidung nicht weiterzugehen kam spontan. Welches der wirkliche Grund war weiß ich nicht. Wahrscheinlich waren es mehrere: Angst vor gefrorenen Zehen, Angst nicht mehr klar denken zu können und die dünne Luft. In dieser Verfassung hätte ich den Gipfel nie erreicht! Klaus und Klaus sind bis auf ca. 6500 m weitergegangen, dann aber auch ins Camp 3 zurückgekehrt. Auch sie sind an ihre Grenzen gestoßen. 30. Juli (Samstag) In der Nacht hatte es ein wenig geschneit. Um 4:30 Uhr mussten wir schon wieder unser warmes „Nest“ verlassen. Die Zelte mussten abgebaut werden und 8 das wieder bei frostigen Temperaturen. Der Rucksack wurde diesmal richtig schwer (22 kg). Dann ging es in Richtung Base Camp (das letzte mal durch die Mausefalle). In Camp 1 haben wir auch das letzte Zelt abgebaut und erreichten am frühen Nachmittag das Basislager. Am Nachmittag gönnten wir uns ein Bier (oder 2 oder 3?) in einer gemütlichen Runde mit Achim, Tamara (eine junge, ambitionierte Südtiroler Bergsteigerin, die schon am Lhotse stand), Jens, Marianne und Tim. 9 Klaus war der Meinung, wir sind gesund zurückgekehrt und hätten damit alles richtig gemacht. So war es! Darauf tranken wir noch einen. 31. Juli (Sonntag) Abschied von dem beeindruckenden, rauen, spektakulären, ästhetisch schönen Himmelsherrscher Khan Tengri: Irgendwann kam der Hubschrauber und flog mit uns nach Karkara. Dort wurden wir in einen Kleinbus Richtung Bischkek verfrachtet. Die nächsten Tage verbrachten wir am riesigen Issyk-Kul See, der in einer Höhe von 1600 m liegt. Seine Länge beträgt 180 km und seine Breite 60 km. Er ist nach dem Titicaca-See in Südamerika der zweitgrösste Hochgebirgssee der Welt. Hier erholten wir uns von den Strapazen. 5. August (Freitag) Ich musste nach Almaty fahren, da mein Flug schon am 6. August um 4:30 Uhr morgens ging. Klaus & Klaus hatten noch einen Tag zur Verfügung. In Kiew nutzte ich meine 10 Stunden Aufenthalt zur Stadtbesichtigung. 10 Um 19:00 Uhr Landung in München – Petra wartete auf mich J Der Kreis hat sich geschlossen J Mittlerweile sind die Qualen und Strapazen im ewigen Eis vergessen und die anfängliche Überzeugung „nie wieder Höhenbergsteigen“ weicht bereits dem „eigentlich war es schön“ und „wir fahren wieder hin um es noch einmal zu versuchen“. Ich bin um einige wichtige Erfahrungen reicher und würde das nächste Mal so einiges anders machen. Es war schön die Hilfsbereitschaft der anderen Bergsteiger zu erleben, die ich im Basislager kennen gelernt und mit welchen wir uns oft ausgetauscht haben. Danke Klaus S. und Klaus G. – ihr seid zwei echte Freunde, immer hilfsbereit (auch Fremden gegenüber). Gut das es euch gibt! Bleibt wie ihr seid …! 11 Ein dickes Lob an Dima Grekov, der Base Camp Chef – er hat das Herz am richtigen Fleck und nicht nur Dollarzeichen in den Augen! Die Betreuung und das Essen im Camp waren hervorragend (das schreibt ein Vegetarier). Das Küchenpersonal hat mit den bescheidenen Vorräten wahre Wunder vollbracht. Viele Hüttenwirte aus dem Alpenraum könnten wirklich dazulernen … Und nicht zuletzt ein Lob an die Reiseagentur Ak-Sai Travel. Über sie habe ich den Hubschrauberflug und die Betreuung im Base Camp gebucht. Die Menschen mit denen ich zu tun hatte waren immer freundlich und zuvorkommend. Hans Werner 12