Schimmelbefall gehört zu den am meisten gefürchteten
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Schimmelbefall gehört zu den am meisten gefürchteten
Sicherer Umgang mit Schimmel und Staub KEK fördert Fortbildungsveranstaltung am Institut für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut in Ludwigsburg Anna Haberditzl Schimmel an Büchern und Archivalien: ein Thema, das selbst im digitalen 21. Jahrhundert noch die Gemüter bewegt – wie wäre es sonst zu erklären, dass ein Fortbildungsseminar mit 100 Plätzen hierzu innerhalb weniger Tage ausgebucht ist? Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Archiven und Bibliotheken ganz Deutschlands folgten am 6./7. November 2012 einer Einladung des Landesarchivs Baden-Württemberg und der KEK (Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts) nach Ludwigsburg, wo das Institut für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut, das selbst seit vielen Jahren im Rahmen des Landesrestaurierungsprogramms seinem Fortbildungsauftrag nachkommt, ein hochkarätig besetztes und abwechslungsreiches Programm zusammengestellt hatte. Prof. Dr. Robert K r e t z s c h m a r, Präsident des Landesarchivs und zugleich KEKBeiratsmitglied, stellte in seiner Begrüßung die Ziele der vom Staatsminister für Kultur und Medien sowie von der Kulturstiftung der Länder ins Leben gerufenen Koordinierungsstelle vor. Dieses Seminar sei ein gutes Beispielprojekt für die von der KEK angestrebte spartenübergreifende Vernetzung von Bestandserhaltungsaktivitäten. So würden nicht nur einzelne Restaurierungen gefördert, sondern gerade in diesem Jahr liege ein Schwerpunkt auch auf der Wissensverbreitung, mithilfe derer Archive und Bibliotheken ihre Träger für Investitionen zur Bestandserhaltung besser gewinnen können. Das Programm des zweitägigen Seminars folgte einer Dramaturgie vom Allgemeinen zum Besonderen und von der Theorie zur Praxis. Als Einstieg gab Dr. Ulrich H o h o f f, Leiter der UB Augsburg, einen Überblick über die Wechselwirkung zwischen Büchern und Staub – kulturgeschichtlich gesehen. Das Publikum erlebte anhand von oft humorvollen Zitaten aus Literatur und Kunst ein Panorama von Bibliotheken und Lesern im Staub und lernte historische Beispiele für mehr oder minder wirkungsvolle Hilfsmittel gegen den bis heute allgegenwärtigen Begleiter kennen. Der Rest des ersten Tages stand im Zeichen der mikrobiologischen und arbeitsmedizinischen Grundlagen. Mit dem Landesgesundheitsamt BW verbindet das Institut für Erhaltung eine zwölfjährige Zusammenarbeit, die auch über die Grenzen von Baden-Württemberg hinaus Wirkung zeigte: So diente die im Jahr 2000 erstellte Checkliste zur Biostoffverordnung als Anregung für die auf Bundesebene formulierte TRBA 240 „Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit mikrobiell kontaminiertem Archivgut“ (2003, aktualisiert 2010). Eine aufwändige gemeinsame Studie zu Belastung und Beanspruchung von Beschäftigten in Archiven und Bibliotheken durch Schimmelpilze und Milben wurde 2006 veröffentlicht (auf der Homepage des LABW einzusehen). In bisher zwei großen Fortbildungsveranstaltungen sind die Erkenntnisse innerhalb des Landes bereits vermittelt worden. Daher lag es nahe, auch für ein überregional angekündigtes Seminar den Sachverstand des Landesgesundheitsamts wieder heranzuziehen. Haberditzl, 12.12.12 1 Dr. Guido F i s c h e r erläuterte die Wachstumsbedingungen von Schimmelpilzen und resultierende mögliche Gesundheitsgefährdungen. Die Gefahr einer Infektionskrankheit (z.B. Aspergillose) besteht nur für Personen mit geschwächtem Immunsystem. Mykotoxine (sowohl durch aktive als auch durch abgetötete Pilze gebildete Giftstoffe) finden sich in Bioaerosolen und im Hausstaub und werden durch die Atmung oder mit der Nahrung aufgenommen. Ihre Konzentrationen sind aber im allgemeinen zu niedrig für eine toxische Wirkung. Allerdings sollte bei Sanierungs- oder Räumungsarbeiten in völlig verschimmelten Kellern eine persönliche Schutzausrüstung benutzt werden. Die häufigste gesundheitliche Beeinträchtigung ist auf die allergene Wirkung der Schimmelpilze zurückzuführen, die ebenfalls unabhängig von der Keimfähigkeit der Sporen besteht. Hier stellt sich allerdings ein Diagnoseproblem, denn die üblichen vom Allergologen verwendeten Testextrakte sind zu unspezifisch für Schimmelpilze, die in Innenräumen zu finden sind. Daher können nach Einschätzung des Mikrobiologen einschlägige gesundheitliche Beschwerden bis heute nicht eindeutig in Zusammenhang mit Schimmelpilzen gebracht werden. Dies hat zur Folge, dass das Landesgesundheitsamt vor einer übereilten Ausstellung von Attesten für vermeintliche Schimmelpilzallergie warnt. Abgesehen von der fachlichen Unsicherheit kann ein solches Attest Auswirkungen auf den Arbeitsplatz haben. Eine Risikobewertung ist für die einzelne Person leider nur semi-quantitativ, also nicht zahlenmäßig, möglich. Fischer empfahl, vor allen Dingen auf Hygiene am Arbeitsplatz zu achten, um damit eine unspezifische Belastung mit Schimmelpilzen zu minimieren. Der anschließende Vortrag „Schimmelpilze in der Arbeitswelt“ von Dr. Peter Michael B i t t i g h o f e r, Abteilungsdirektor am Landesgesundheitsamt BW, entführte die Zuhörer in ihnen weniger vertraute Arbeitsbereiche von der Futtermittelherstellung über die Kompostieranlage oder die Gärtnerei bis zur Wertstoffdeponie. Anhand von zahlreichen Beispielen wurde verdeutlicht, dass die Exposition gegenüber Schimmelpilzen bei verschiedenen landwirtschaftlichen Tätigkeiten um Größenordnungen höher ist als im Archiv – hier sind Berufskrankheiten wie Holzarbeiter-, Obstbauern- oder Winzerlunge unbekannt. Zusätzlich ins Programm genommen wurde ein aktueller Beitrag aus der Restaurierungsforschung: Die frischgebackene Diplom-Restauratorin Lisa M a s e n präsentierte ihre Diplomarbeit an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart über „Trockenreinigung zur Dekontamination von Lederoberflächen mit Schimmelpilzbefall“. Die sehr praxisnahe Untersuchung bestätigte die Effizienz von Trockenreinigungsmaßnahmen, insbesondere mit Latexschwamm, zur Reduktion von mikrobieller Kontamination an Leder. ATP/AMP-Messgeräte (sog. Lumitester) eigneten sich gut zum Nachweis der Dekontamination. Am zweiten Seminartag erläuterte Dr. Michael V o g e l, Leiter der Abteilung Bestandserhaltung an der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden und gleichzeitig Leiter der Landesstelle für Bestandserhaltung, den Umgang mit mikrobiologisch kontaminierten Bänden in der SLUB. Der Vortrag enthielt sowohl die Darstellung des Klimagesamtkonzepts für die Bibliothek (mehrere Standorte mit unterschiedlichen räumlichen Bedingungen) und des Bestandserhaltungsmanagements (Schimmelvorsorge und –bekämpfung als Querschnitts- und Leitungsaufgabe), eine Fülle von praktischen Hinweisen zu Reinigung und Verpackung sowie Informationen zur Notfallvorsorge. Der Fachbegriff „Schimmel-Geschäftsgang“ war für die meisten Teilnehmer ein Novum. Haberditzl, 12.12.12 2 Den letzten, reich bebilderten Plenarvortrag unter dem programmatischen Titel „Schimmel oder ‚nur‘ Staub – Trockenreinigung von Archivgut“ hielt Dipl.-Rest. Barbara K u n z e vom Archivzentrum Hubertusburg des Sächsischen Staatsarchivs. Das Publikum lernte anhand gut ausgewählter Beispiele unterschiedliche Verschmutzungen, mechanische Schäden und insbesondere Schimmelschäden an Archivgut kennen und differenzieren. Als Gegenmaßnahme konzentriert sich das Sächsische Staatsarchiv auf die Trockenreinigung, deren verschiedene Methoden (Abkehren, Abradieren, Absaugen und Abblasen) anschaulich erläutert wurden. Eine Aufstellung des Arbeitsaufwands machte deutlich, dass dieser Arbeitsgang im Verhältnis zur klassischen Vollrestaurierung etwa mit Nassbehandlung und Anfasern nicht viel Zeit in Anspruch nimmt. Erhebliche Bearbeitungszeiten entsprechen hier den größeren Bearbeitungsmengen. Das Fazit der Referentin lautete, dass der entscheidende Schritt die Reduktion von Schmutz und Staub ist und weniger der Nachweis von (aktivem) Schimmel im Einzelfall. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Ergebnissen der vorgestellten Diplomarbeit und auch der Beiträge aus dem Landesgesundheitsamt: Da Schimmelpilze unabhängig von ihrer Keimfähigkeit sowohl toxische als auch allergische Beschwerden verursachen können (andere Staubpartikel wie etwa Milben ebenfalls), ist die Trockenreinigung unter Zuhilfenahme geeigneter Schutzmaßnahmen die wirkungsvollste Dekontamination. In der Diskussion zeigten sich manche Zuhörer zwar über die fehlende Quantifizierbarkeit eines Gesundheitsrisikos durch Schimmelpilze enttäuscht, akzeptierten aber die vorgestellten Arbeitsgänge und insbesondere die Bedeutung der Prävention. Dankbar aufgenommen wurden Empfehlungen zur Einbeziehung der Betriebsärzte bei der Betreuung der Mitarbeiter. Als weiteren Höhepunkt des Seminars empfanden viele Teilnehmer den ausführlichen praktischen Teil, in dem Fragen zur Schimmelerkennung, zum Arbeitsschutz, zu Sofortmaßnahmen, Feuchtemessung und Trockenreinigung in kleinen Gruppen an OriginalArchivalien und Büchern diskutiert werden konnten. Die Praxis-Workshops wurden von Restauratorinnen und Restauratoren des Instituts für Erhaltung (Cornelia B a n d o w, Kerstin F o r s t m e y e r, Andreas K i e f f e r und Andrea R e n d l e r) betreut. Die Resonanz auf das Seminar war sehr gut; vom Aufnahmevermögen der Teilnehmer waren alle Institutsangehörigen überrascht, als die Gäste nach der Abschlussbesprechung ohne Mittagspause noch weitere zwei Stunden durch die Werkstätten der Verfilmung und Restaurierung geführt werden wollten – und durchhielten. Haberditzl, 12.12.12 3