Arztbesuch in der Arbeitszeit? Zu dem Thema
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Arztbesuch in der Arbeitszeit? Zu dem Thema
Arztbesuch in der Arbeitszeit? Zu dem Thema „Arztbesuch in der Arbeitszeit“ gibt es immer wieder Fragen, deshalb möchte ich heute einmal ausführlich das Thema beleuchten. Geregelt ist die Arbeitsbefreiung im § 29 Abs.1 Buchstabe f des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst - Länder kurz TV-L. Dort heißt es: § 29 Arbeitsbefreiung Nur die nachstehend aufgeführten Anlässe gelten als Fälle nach § 616 BGB, in denen Beschäftigte unter Fortzahlung des Entgelts in dem angegebenen Ausmaß von der Arbeit freigestellt werden: - f - ärztliche Behandlung von Beschäftigten, wenn diese während der Arbeitszeit erfolgen muss Es besteht Nachweispflicht über: - erforderliche nachgewiesene Abwesenheitszeit einschließlich erforderlicher Wegezeiten Alles klar? Dafür gibt es ja auch die Kommentierung Rehm, Moll usw.: Die Tarifvertragsparteien haben niederschriftlich festgelegt, dass die ärztliche Behandlung auch die ärztliche Untersuchung und die ärztliche verordnete Behandlung erfasst. Ärztliche Behandlung ist jede ärztliche Versorgung des Arbeitnehmers durch einen Arzt oder Zahnarzt. Es kann sich um einen Kassen-oder Privatarzt, aber auch um einen Amts-, Betriebs-, Versorgungs- oder Vertrauensarzt handeln. Zur ärztlichen Behandlung gehören nicht nur Therapien durch den Arzt selbst, sondern auch bereits die Untersuchung (Diagnose) sowie – auf Grund ärztlicher Versorgung – die Behandlung durch einen Dritten (z.B. durch einen Angehörigen der Heilhilfsberufe). Diese Auffassung kommt auch in der Niederschrift der Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, wonach die ärztliche Behandlung auch die ärztliche Untersuchung und die ärztlich verordnete Behandlung umfasst. Um ärztlich verordnete Behandlungen handelt es sich auch bei den im Rahmen einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme durchgeführten Anwendungen (so Arbeitgeberbesprechung der BAT-Kommission am 8.10.1996). Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitnehmer sich bemühen muss, den Arzttermin außerhalb seiner Arbeitszeit zu erhalten; er muss hierzu gegebenenfalls auch alle Möglichkeiten seiner Gleitzeitgestaltung nutzen (BAG vom 16.12.1993 – 6 AZR 236/93 – ZTR 1994, 246 = NZA 1994, 854). Nur wenn dies nicht zum Erfolg führt, hat er Anspruch auf Freistellung für die erforderliche nachgewiesene Abwesenheitszeit. Der Nachweis ist durch eine schriftliche Bescheinigung des Arztes oder in sonst glaubhafter Weise zu führen. Beispiel Der Arbeitnehmer arbeitet in einer Verwaltung, in der eine Gleitzeitregelung gilt, wonach die Kernarbeitszeit auf die Zeit von 9:00 Uhr bis 15:00 Uhr beschränkt ist. Der Arbeitnehmer hat um 14:30 Uhr einen Arzttermin. Er verlässt hierzu um 14:00 Uhr seine Dienststelle und kehrt nach Beendigung des Arzttermins (15:30 Uhr) an seinen Arbeitsplatz zurück, wo er um 16:00 Uhr eintrifft. Dem Arbeitnehmer ist Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen für die Zeit von 14:00 Uhr bis 15:00 Uhr (Ende der Kernarbeitszeit) zu erteilen. Zur Frage, wann ein Arztbesuch notwendig i. S. einer entsprechenden Tarifvorschrift ist, hat das BAG ausgeführt, dies sei dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer den Arzt aus medizinischen Gründen während der Arbeitszeit aufsuchen müsse. Notwendig sei der Arztbesuch aber auch dann, wenn der Arzt den Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zur Untersuchung oder Behandlung in seine Praxis bestelle und der Arbeitnehmer auf die Termingestaltung keinen Einfluss nehmen könne (BAG vom 29.2.1984 – 5 AZR 92/82 – AP Nr.22 zu §1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; ebenso vom 27.6.1990 – 5 AZR 3654/89 – ZTR 1900, 480 = NZA 1990, 894): Es dürften keine Bedenken bestehen, wie bisher schon nach der früheren Regelung die Anpassung, Wiederherstellung oder Erneuerung von Körperersatzstücken sowie die Beschaffung von Zahnersatz als ärztliche Behandlung anzusehen. Auch die Dialysebehandlungen sind ärztliche Behandlungen, wobei die Heimdialyse nicht anders bewertet werden sollte (Ressort-Tarif-Ausschuss des Bundes am 18.1.1980). Auch hier gilt naturgemäß die Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Termine nach Möglichkeit außerhalb der Arbeitszeit zu wählen. Ob Hormonbehandlungen oder künstliche Befruchtungen zu den ärztlichen Behandlungen i. S. der Tarifvorschrift gerechnet werden können, ist schon deshalb höchst zweifelhaft, weil § 29 Abs. 1 Buchstabe f TV-L erkennbar nur Behandlungen von relativ kurzer Dauer im Auge hat (Arbeitgeberbesprechung der BAT-Kommission am 22.6.1988 zur Vorgängerregelung). Ein Anspruch kann nur entstehen, wenn der Arbeitnehmer nicht bereits aus anderen Gründen von der Arbeitsleistung freigestellt ist, z.B. bei ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit oder wegen Urlaubs. Soweit das Zitat: Bei Beachtung des o.g. Grundsatzes Arztbesuche außerhalb der Arbeitszeit zu terminieren kann es keine Probleme mit den Dienstvorgesetzen geben. Ebenso bei Arztterminen die vor oder nach der Kernarbeitszeit liegen. Hier bietet Ihnen die Dienstvereinbarung über die Regelung der gleitenden Arbeitszeit vom 1.1.2010 genügend Möglichkeiten des Arbeitszeitausgleichs. Für Arztbesuche die dennoch in der Arbeitszeit stattfinden müssen, bietet der oben angeführte Kommentar-Auszug eine Hilfestellung. Darüber hinaus ist ein offenes Wort mit dem Vorgesetzten, die beste Möglichkeit, Missverständnisse gar nicht erst entstehen zulassen. Jörg Häfke 20.09.2010