bild unfall wok wm 2007

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bild unfall wok wm 2007
Nr. 81
Februar 2012
P r e i s 2 EUR O
posıtıonen
z u P o l i t i k , W i r ts c h a f t u n d G e s e ll s c h a f t
Unter der Lupe Dr. Maximilian Zimmerer im Interview über Lebensversicherungen.
unter strom Wird das Elektroauto zum Verkehrsmittel der Zukunft?
unterstützend Kreditversicherer machen Warengeschäfte möglich.
lecker! frühstück!
Das RTL-„Dschungelcamp“ ist vom einstigen TV-Skandal zum etablierten Quotenhit
geworden. Bis zu neun Millionen Zuschauer verfolgten die Sendung, in der die
Kandidaten mitunter auch mal eine Handvoll Mehlwürmer essen oder eine atemberaubende
Dschungelprüfung bestehen müssen. Dass solche Sendungen – wie etwa auch
Stefan Raabs „Wok-WM“ – Gefahren bergen, die versichert werden müssen, wissen
nur wenige. Ein Blick hinter die Kulissen.
C 44755
einblick
rolf-peter hoenen
Präsident des GDV
Themen
dieser
ausgabe
Aktuell
3
titeL
4
Ich bin ein Star, sichert mich ab!
Ohne Versicherungen wären TV-Shows wie
das RTL-„Dschungelcamp“ kaum möglich.
HINTERGRUND
10
Wir liefern
Kreditversicherer springen ein, wenn bei
Unternehmen ein Zahlungsausfall entsteht.
NACHGEFRAGT – DAS INTERVIEW
12
Dr. Maximilian Zimmerer, Allianz
Lebensversicherungs-AG:
„Niemand braucht sich
Sorgen zu machen!“
HINTERGRUND
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Die leise Revolution
Ihnen gehört die Zukunft – aber müssen
Elektroautos gesondert versichert werden?
Gegenpositionen
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Absoluter Nonsens!
service
19
letzte seite
20
Die Kaufkraft der Deutschen
IMpressum 2 positionen
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Dschungelcamp, Schlag den Raab, Deutschland
sucht den Superstar – das sind aktuelle Quotenrenner des deutschen Fernsehens. Manche dieser
Shows entwickeln sich zu wahren Kultsendungen.
Was das mit Versicherungen zu tun hat? Eine
Menge: Die unterhaltsame Titelgeschichte zeigt,
wie Kandidaten und Mitwirkende abgesichert
werden.
Im Interview äußert sich Dr. Maximilian Zimmerer, Vorstandschef der Allianz Leben und bald
Finanzchef des Allianz-Konzerns, zur Stabilität
der Lebensversicherung und zur hohen Kompetenz der Asset-Manager, die trotz der Turbulenzen
an den Kapitalmärkten weiterhin sehr attraktive
Renditen erwirtschaften. Außerdem spricht er
über die geforderte Änderung der Beteiligung an
Bewertungsreserven und warum dies wieder mehr
Gerechtigkeit innerhalb der Versichertengemeinschaft herstellen würde.
Ein Hintergrundbericht zeigt, dass Kreditversicherer mehr als nur eine Art Krisenversicherung sind.
Kreditversicherer prüfen Risiken und Bonität der
Geschäftspartner ihrer Kunden – und zwar kontinuierlich über die gesamte Dauer der Kundenbeziehung. So können Unternehmen abschätzen,
wie stabil die finanzielle Lage ihrer Kunden oder
einer Branche ist.
Elektroautos sind im deutschen Straßenverkehr
noch selten, und doch gelten sie als die Zukunft
der Automobilbranche. Der zweite Hintergrundbericht zeigt, wie sich die Versicherungsindustrie
schon jetzt auf das Elektroautozeitalter einstellt
und wie eine völlig neuartige Fahrzeugklasse ohne
Erfahrungswerte versichert wird.
In einem Rundumschlag auf stern.de wurden einmal mehr bestimmte Versicherungen als schlicht
überflüssig dargestellt. Die private Unfallversicherung, ein wichtiges Instrument zur Absicherung
bei Unfällen mit schweren Folgen, sei ein „Nonsensprodukt“ heißt es dort beispielsweise. Viele
Bürger sehen das anders – aus gutem Grund, wie
die Gegenpositionen zeigen.
Sie haben sicher bemerkt, dass auch diese Ausgabe
einen „Umschlag“ trägt. Wir möchten allen, die
über die Weihnachtstage keine Zeit dazu gefunden
haben, die Gelegenheit geben, uns ihre Meinung
zu unserem Magazin mitzuteilen. Wir freuen uns
auf Ihr Feedback.
Ihr Rolf-Peter Hoenen
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F oto s : D o minik B u t zmann, F ran c is L at r e ill e
Die private Unfallversiche­
rung, ein wichtiges
Instrument zur Absicherung
bei Unfällen mit schweren
Folgen, sei ein „Nonsens­
produkt“, hieß es vor Kurzem
bei stern.de. Doch viele
Bürger sehen das anders –
aus gutem Grund.
die schÖnste versicherungssache der welt
das mammutbaby
Der Rentierzüchter Jurij Chudi glaubte im Mai 2007 seinen Augen nicht:
Am Ufer des Flusses Juribei auf der sibirischen Halbinsel Jamal, am
Nordrand des Uralgebirges, sah er plötzlich ein Mammutbaby vor sich,
das vor rund 40 000 Jahren gestorben ist. Jamal gilt als prähistorische
Schatzkammer. In manchen Gegenden reicht der Permafrost-Boden bis
in eine Tiefe von 1500 Metern. Entdecken konnte Chudi das Tier, weil der
Permafrost-Boden, in dem es jahrtausendelang eingeschlossen war,
wegen des Klimawandels zunehmend auftaut. Mithilfe eines Helikopters
bargen Wissenschaftler das Mammutkalb – Chudi nannte es „Ljuba“,
nach seiner Frau.
Ljuba wiegt 50 kg, ist 85 Zentimeter hoch und 1, 30 Meter lang. Auf dem
Körper befinden sich Fellreste, auch die Augen sind intakt geblieben,
sogar die Wimpern des Tieres sind deutlich zu erkennen. Wissenschaftler
der Jikei-Universität in Tokio untersuchten es und fanden in seinem
Bauch Milch vom Muttertier und im Darm Fäkalien. Zurzeit befindet sich
Ljuba auf Welttournee und wird in Museen ausgestellt. Dabei ist das Tier
für eine Million Euro versichert.
kurz gemeldet
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Kurz PositionierT
keine „Kavaliersdelikte“
was sagt man dazu?
Regelverstöße im Straßenverkehr können schwerwiegende Folgen
haben. Das Sanktionssystem sollte überarbeitet werden.
Drei Stimmen zur Debatte um die Schuldenkrise in Europa:
Die Missachtung von Verkehrsregeln ist Ursache vieler Verkehrsunfälle.
Deshalb werden Verkehrsverstöße bestraft. Welche Regelverstöße zu
schlimmen Unfällen führen und ob die „Strafen“ für die Vergehen im
Straßenverkehr angemessen sind, hat die Unfallforschung der Versicherer (UDV) in einem interdisziplinären Forschungsprojekt zum Zusammenhang von Unfallgeschehen und Sanktionierung von Regelmissachtungen untersucht. Fazit der Untersuchung: Der Gesetzgeber sollte sich
auf die wesentlichen Unfallursachen konzentrieren. Regelverstöße, die
im Falle eines Unfalls zu schweren Folgen führen können, dürfen nicht
länger als „Kavaliersdelikte“ gelten: Zu schnelles Fahren stellt zum
Beispiel eine ähnlich große Gefährdung dar wie Alkohol am Steuer.
„Es ist im Interesse Deutschlands, dabei zu
helfen, dass die Belastungen für Italien und
andere hochverschuldete Euro-Staaten bei
der Schuldenfinanzierung niedriger ausfallen
als derzeit. Wenn diese starke Bewegung in
Richtung Disziplin und Stabilität nicht
anerkannt wird, wird es einen machtvollen
Rückschlag in den Ländern geben, denen
enorme Anstrengungen auferlegt werden.”
Rote Ampel! Na und?
„Das ist nicht die Lösung. Man darf nicht dauernd neues Geld ins System schütten, sondern
muss an die Strukturen ran. Italien muss weiter
sparen. Mit dem Druck nun nachzulassen hieße,
das Gesamtprojekt zu gefährden.”
Repräsentative Befragung zum „Verkehrsklima 2010“ der Unfallforschung der Versicherer.
Das Ergebnis der Untersuchung „Verkehrsklima 2010“ der Unfallforschung
der Versicherer (UDV) besteht in einem Widerspruch: Deutschlands
Autofahrer fühlen sich danach erstaunlicherweise sicher im Stadtverkehr
und auf Landstraßen, wo nachweislich die meisten Unfälle passieren.
Hier besteht also eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Verkehrsteilnehmer und der Unfallstatistik: Unsichere Straßen werden als
sicher empfunden, auf Autobahnen – den sichersten Straßen – fühlt
sich dagegen nur gut die Hälfte (57 Prozent) sicher oder sehr sicher. Immerhin die Hälfte aller Fußgänger hält sich strikt an das Rotlicht. Aber
fünf von 100 Fußgängern scheren sich nicht um das Ampelrot. Ähnlich
sieht es bei den Radfahrern aus. Abenteuerlich: Auch viele Autofahrer
geben an, gelegentlich eine rote Ampel zu ignorieren.
Mario Monti, Italiens Regierungschef,
am 17. Januar auf Spiegel Online.
Rainer Brüderle, FDP-Fraktionschef,
am 18. Januar auf einer Pressekonferenz in Berlin.
„Die Banken parken derzeit so viel Geld wie
noch nie bei der EZB. Unter uns nennen wir
das Angst-Indikator. Dieser Angst-Indikator ist
heute höher als 2008. Das zeigt: Irgendetwas
stimmt nicht. Das Vertrauen ist verschwunden.”
Jürgen Fitschen, designierter Chef der Deutschen Bank,
am 19. Januar in der Bild-Zeitung.
positionen 3
titel
ich bin ein
star, sichert
mich ab!
Wenn Promis in das Dschungelcamp ziehen,
Teenager Deutschlands Superstar werden oder
junge Männer Stefan Raab schlagen wollen,
dann sorgt das für hohe Quoten. Doch solche
TV-Formate müssen besonders abgesichert
sein. Versicherungsunternehmen begleiten die
Produktionen bereits von der Planung an.
Balance-Akt Für Dschungelcamp-Teilnehmer ist das
Einsammeln von Sternen überlebenswichtig – schließlich
erhalten sie dafür ihre Essensrationen. Dass sie dabei kalkulierten
Gefahren ausgesetzt werden, gehört zum Konzept der
Sendung – auch wenn das bedeutet, in schwindelerregender
Höhe auf einer reifenbreiten Hängebrücke Motorrad zu fahren.
4 positionen
titel
Dschungelprüfungen 2012 Micaela Schäfer (links) fiel in der Sendung vor allem dadurch auf, dass sie oben ohne durch das Camp stolzierte. Hier „badet“ sie
d
er eine muss Känguruhoden
schlucken, der andere taucht in
ein Becken voller Asseln, Kaker­
laken und anderer Insekten, der
Dritte fängt Wasserschlangen:
Wenn einer der halbwegs prominenten Teil­
nehmer zur Dschungelprüfung antreten muss,
ekelt sich nicht nur der Kandidat, sondern auch
das Millionenpublikum vor den deutschen
Fernsehgeräten. Zum sechsten Mal hat der
Fernsehsender RTL im Januar 2012 wieder
knapp ein Dutzend ehemalige Spitzensportler,
Schauspieler und TV-Sternchen von gestern im
Rahmen der Sendung Ich bin ein Star – Holt
mich hier raus! in den australischen Dschungel
gelockt, wo sie zu ekelhaften Dschungelprüfun­
gen antreten und den Lagerkoller über sich er­
gehen lassen mussten. Die Zuschauer konnten
telefonisch abstimmen, wer das Camp vorzeitig
verlassen musste. Regel: Wer übrig bleibt, wird
Dschungelkönig. In diesem Jahr krönte RTL
eine Dschungelkönigin: Das alternde „Busen­
wunder“ (Bild-Zeitung) Brigitte Nielsen lag in
der Zuschauergunst ganz vorn.
Mit Nielsen saßen beispielsweise der Ex-Fuß­
ballstar Ailton, Erotikmodel Micaela Schäfer
oder die ehemalige ZDF-Fernsehgarten-Mo­
6 positionen
deratorin Ramona Leiß im Camp. Viele der
Dschungelbewohner ver­suchen, durch die Teil­
nahme am Dschungel­camp zurück ins Rampen­
licht zu gelangen. Andere brauchen schlichtweg
Geld; für die Teilnahme sollen die Kandidaten
laut einem Bericht der Bild-Zeitung zwischen
30.000 und 60.000 Euro verdient haben – ge­
staffelt nach dem Bekanntheitsgrad des jewei­
ligen Promis. Dafür waren sie alle bereit, sich
vor einem Millionenpublikum vorführen zu
lassen. Und genau das wollen Zuschauer jeden
Alters und aus allen Bildungsschichten offen­
bar sehr gern sehen. Je mehr sich die Kandi­
daten im Camp inszenieren, desto höher ist die
TV-Quote. Bei der aktuellen Staffel im Januar
sahen durchschnittlich etwa sieben Millionen
Zuschauer das Dschungelcamp. Das entspricht
einem Marktanteil von knapp 30 Prozent.
Damit die Einschaltquoten so hoch bleiben,
muss ein Fernsehsender wie RTL darauf achten,
dass die TV-Show reibungslos abläuft. Deshalb
wollen die Sender und Produktionsfirmen sol­
che Fernsehformate von vornherein gut ab­
sichern. Dabei holen sie von Anfang an Ver­
sicherungsunternehmen ins Boot, um die
aufwendigen, mitunter gefährlichen TV-For­
mate mit speziellen Policen abzusichern. „Jede
Sendung oder Show ist in Deutschland versi­
chert, weil jeder Sender, jede Produktionsfirma
oder jeder, der dort ein wirtschaftliches Risiko
trägt, nicht auf den Kosten sitzen bleiben will“,
sagt Hendrik Bockelmann von der Deutschen
FilmversicherungsGemeinschaft (DFG).
Dabei werden nicht nur das technische Equip­
ment und der Veranstaltungsort sorgfältig
überprüft, sondern auch die Kandidaten und
Moderatoren so gut wie möglich geschützt.
„Wir nehmen das Thema Sicherheit bei TVShows sehr ernst“, sagt Anke Eickmeyer, Spre­
cherin von RTL. „Die Versicherungspakete
enthalten Leistungen bei Invalidität und für
medizinische Maßnahmen, Krankenhausta­
gegelder oder Rehabilitation. Auch Renten­
zahlungen haben wir bereits als Versiche­
rungsleistung vertraglich abgesichert.“ Weil
sich Shows, Dokumentationen und Spielfil­
me aber stark unterscheiden und mit unter­
schiedlichen Risiken behaftet sind, „wird der
Versicherungsumfang in Art und Umfang im­
mer individuell angepasst“.
Das ZDF unterscheidet beim Versicherungs­
schutz Eigen- und Auftragsproduktionen. Bei
Auftragsarbeiten müsse sich grundsätzlich
der Produzent um die Regelung von Versiche­
F OTO S – S e i t e 4 / 5 : S t e fa n M e n n e / R T L ; S e i t e 6 / 7 : R T L (2 ) , U llst e i n B i l d e r d i e n st (1 )
das erste Mal in einem Meer von Mehlwürmern. Ex-DSDS-Kandidat Daniel Lopes (rechts) versucht, an einer rabiaten Echse vorbeizukommen.
Ende einer Ära Fast 30 Jahre ging alles glatt: Doch in der 192. Wetten, dass..?-Sendung verletzte sich Kandidat Samuel Koch bei einer Wette so schwer, dass die
Show abgebrochen wurde. Thomas Gottschalk, hier mit Ko-Moderatorin Michelle Hunziker in einer früheren Sendung, gab daraufhin die Moderation ab.
rungsfragen kümmern, sagt Peter Gruhne
aus der Pressestelle. Bei Eigenproduktionen
wie Wetten, dass..? ist dies Sache des Senders.
„Hier greift natürlich die Haftpflichtversicherung des ZDF. Beim Unfallschutz gilt grundsätzlich, dass alle festangestellten Mitarbeiter
durch den Arbeitgeber versichert sind“, ergänzt
Gruhne. Außerdem sorgt eine Zusatzversicherung für einen erhöhten Unfallversicherungsschutz, der „spezielle, etwa durch Außendrehs,
betriebsbedingte Risiken“ abdeckt. Nicht fest
angestellte Mitarbeiter versichern sich selber
oder sind durch den jeweiligen Arbeitgeber
geschützt.
Anders sieht es bei den Wettkandidaten oder
den auftretenden Künstlern aus. „Sie müssen
sich grundsätzlich um ihren Versicherungsschutz selbst kümmern und gegebenenfalls
vorher abklären, ob ein eventuell erhöhtes
Risiko von der Versicherung auch mitgetragen wird“, erklärt Peter Gruhne. Setzen Wettkandidaten bei Wetten, dass..? oder Stuntmen
im Fernsehgarten Autos oder Motorräder ein,
müssen auch diese speziellen Risiken eigens
abgesichert werden. Auch in diesem Fall liegt
es an den Auftretenden, sich um einen entsprechenden Versicherungsschutz zu kümmern.
Für Wettkandidaten bei „Wetten,
dass ..?“ besitzt das ZDF eine
Gruppenunfallversicherung,
beim Unfall Samuel Kochs am
4. Dezember 2010 leistete
sie eine Sofortzahlung.
Eine Ausnahme gilt hier allerdings. Für Wettkandidaten hat das ZDF eine Gruppenunfallversicherung, beim Unfall von Samuel Koch
leistete sie eine Sofortzahlung. „Die weitere
medizinische Betreuung war dann Sache der
Krankenversicherung von Herrn Koch“, sagt
Peter Gruhne. Der Schauspielstudent Samuel
Koch trat am 4. Dezember 2010 als Wettkandidat an. Er wollte mit speziellen Sprungfedern
an den Füßen über fünf verschieden große, ihm
entgegenfahrende Autos springen. Beim vierten
Wagen stürzte er und blieb regungslos liegen,
seitdem ist er an Armen und Beinen gelähmt.
Das ZDF hat auf Samuel Kochs Unfall reagiert.
Riskante und gefährliche Wetten werden nun
nicht mehr angenommen.
Die Gesundheit der Kandidaten ist auch beim
Dschungelcamp sehr wichtig. Müsste die Show
etwa durch eine Krankheit aller Campinsassen
vorzeitig abgebrochen werden, wäre das für den
Sender eine Katastrophe. „Der Worst Case für
so ein Format ist sicherlich eine Magen-DarmGrippe oder eine Lebensmittelvergiftung der
Kandidaten“, sagt Ralph Hopfengärtner, Filmversicherungsspezialist beim Versicherungsmakler Aon. „Sie können die Leute nicht einfach
auf den Pritschen liegen lassen und filmen. Die
Fernsehsender haben ja eine Fürsorgepflicht.“
Wenn ein Kandidat krankheitsbedingt ausfällt,
ist das noch kein großes Problem. Im Gegenteil,
der Sender könne den Ausstieg nutzen, um in
einem eigenen Einspielfilm genau zu erklären,
warum die eine Person jetzt nicht mehr weitermachen könne, meint Hopfengärtner. Aber
wenn alle Kandidaten einen Virus haben, dann
kann die Show nicht weitergehen.
Abgebrochen werden muss das Dschungelcamp
dagegen wohl nicht, wenn sich Moderator Dirk
wok-WM Im Jahr 2003 versprach Stefan Raab bei Wetten, dass..?, in einer Wok-Schüssel eine Bobbahn hinunterzufahren, wenn er seine Wette verlöre. Raab gewann
Bach einen Fuß bricht oder seine Kollegin Son­
ja Zietlow mit einer Angina ans Bett gefesselt
ist. Der Sender könnte dann mit nur einem
Moderator weitermachen oder einen Ersatz
nach Australien einfliegen. „Der neue Modera­
tor bekommt natürlich eine Extragage und
muss untergebracht werden. Diese Zusatzkos­
ten könnte aber eine Personenausfallversiche­
rung begleichen“, sagt Hendrik Bockelmann
von der DFG. Eine solche Police greift bei Un­
fall, Krankheit und Tod der wichtigsten Perso­
nen vieler TV-Shows – der Moderatoren.
Andere TV-Formate sind viel stärker auf Mo­
deratoren zugeschnitten als das Dschungelcamp – mit drastischeren Folgen bei deren
Ausfall. Dies ist bzw. war etwa bei Schlag den
Raab oder Wetten, dass ..? der Fall. „Wenn Ste­
fan Raab ausfällt, gibt es samstags keine Sen­
dung. Bei Thomas Gottschalk war es genauso“,
sagt Hendrik Bockelmann. Dann findet die
Show nicht statt, eine Personenausfallversiche­
rung könnte die für die Sendung aufgewandten
Kosten erstatten. Beim ZDF seien solche „Aus­
fallversicherungen aber eher die Ausnahme“,
sagt Peter Gruhne. Denn das ZDF könne in ei­
nem solchen Fall ein Ersatzprogramm senden.
Nur bei Außenveranstaltungen gibt es beim
8 positionen
GDV Position
Das Beispiel „Wetten dass ..?“
hat gezeigt: Jede umfangreiche
TV-Show muss ordentlich versichert
werden. Neben dem Equipment
und dem Veranstaltungsort gilt es
vor allem, die Moderatoren
und Kandidaten abzusichern.
ZDF Ausfallversicherungen, wenn zum Bei­
spiel Wetten, dass ..? im Sommer von Mallorca
gesendet wird und die Gefahr besteht, dass die
Show wegen extrem schlechten Wetters abge­
sagt werden muss.
Eine solche Personenausfallversicherung ist der
Hauptbereich der gebündelten Filmversiche­
rung, weil aus diesem Risiko erfahrungsgemäß
die höchsten Einzelschäden anfallen. 30 bis 40
Prozent einer Filmversicherungsprämie seien
diesem Bereich zuzuordnen, schätzt Ralph
Hopfengärtner. Dazu zählen auch die Mehr­
kos­ten, die entstehen, wenn sich der Hauptdar­
steller eines Filmes verletzt und der Dreh ver­
schoben werden muss. Im schlimmsten Fall
greift so eine Versicherung beim Tod des Prot­
agonisten. Dann stellt sich die Frage, ob der
Film ohne ihn noch fertiggestellt werden kann
ob er umgeschrieben oder gar aufgegeben wer­
den muss.
Als Heath Ledger im Januar 2008 überraschend
an einer Überdosis Beruhigungsmittel starb,
stand der Film Das Kabinett des Dr. Parnassus
kurz vor dem Aus. Denn viele Szenen mit
Ledger waren noch nicht gedreht. Letztendlich
konnte der Film gerettet werden, denn die
Schauspielerkollegen Johnny Depp, Colin Far­
rell und Jude Law sprangen ein und spielten
Ledgers Part zu Ende.
Einen Todesfall unter seinen Moderatoren hatte
ProSieben im Dezember 2010 glücklicherweise
nicht zu beklagen. Aber besorgt dürften die Ver­
antwortlichen des Senders schon gewesen sein,
als sich Stefan Raab ein paar Tage vor der nächs­
ten Ausgabe von Schlag den Raab beim Skifah­
ren das rechte Handgelenk brach. Doch aus der
Not machte der Sender eine Tugend: Die Show
wurde nicht abgesagt, sondern für einmal in
Schlag den Raab mit links umgetauft. Die bis
zu 15 Spiele zwischen Raab und einem Kandi­
F OTO s : G e tt y I m ag e s , I m ago
zwar die Wette, stieg aber dennoch in den Wok. So entstand aus dieser Idee die mittlerweile jährlich stattfindende Wok-WM auf ProSieben.
ganz schön brenzlig Auch mit der TV total Stock Car Crash Challenge kombiniert Stefan Raab Unterhaltung mit Live-Action. In der Gelsenkirchener VeltinsArena (hier im Oktober 2011 vor mehr als 50.000 Zuschauern) lässt er prominente Kandidaten halsbrecherisch anmutende Autorennen fahren – Crashs inklusive.
daten durften nur mit der schwächeren Hand
ausgeführt werden. „Die Produktionsfirma hat
kreativ und clever reagiert. Ein tolles Beispiel
für gelungenes Schadenmanagement“, erinnert
sich Ralph Hopfengärtner von Aon.
Ein gutes Schadenmanagement beginnt aber
bereits bei der Prävention. Damit den Promi­
nenten im Dschungel bloß nichts passieren
kann, lässt RTL das Camp von einer Sicher­
heitsfirma rund um die Uhr bewachen. Und
bevor die Kandidaten in das Lager einziehen,
kontrollieren es die Wachen gründlich und
entfernen sämtliche unerwünschten Dschun­
geltiere, sagt Anke Eickmeyer von RTL. So soll
sichergestellt werden, dass beispielsweise kein
Bewohner von einer Schlange gebissen wer­
den kann.
Diese uniformierten Wachen begleiten die
Kandidaten auch auf dem Weg ins Lager und
zu den einzelnen Dschungelprüfungen, zu de­
nen die Fernsehzuschauer immer einen Kan­
didaten abkommandieren können. Planen
schützen Camp und Kameras gegen Feuchtig­
keit. Im Dschungelcamp steht für die Promi­
nenten auch rund um die Uhr ein Psychologe
bereit. Dass der eine oder andere Kandidat ihn
schon mal aufsuchen muss, ist nicht überra­
schend angesichts der Gruppendynamik, die
sehr schnell entstehen kann, wenn elf Kandi­
daten mehr als zwei Wochen lang Tag für Tag
vierundzwanzig Stunden in einem kleinen La­
ger miteinander verbringen müssen. Denn
leicht kann eine Kandidatin von den anderen
Camp­bewohnern als Zicke abgestempelt wer­
den, wenn sie sich beispielsweise weigert, be­
stimmte Aufgaben zu übernehmen.
Genau solche gruppendynamischen Prozesse
wollen die Zuschauer an den Fernsehschirmen
aber offensichtlich erleben, denn sie machen
das Dschungelcamp aus. Auch andere Formate
gewinnen dadurch ihren Reiz. Kein Wunder,
dass es auch bei den Liveshows von Deutschland sucht den Superstar psychologische Be­
treuung für die Kandidaten gibt. Schließlich
muss mancher junge Künstler schon mal sehr
kritische Sprüche von Jurymitglied Dieter
Bohlen einstecken. Außerdem gilt es hier auch,
das Lampenfieber zu bekämpfen. Zusätzlich
zum Psychologen gibt es auch einen speziellen
Coach, der die jungen Sänger auf die Shows
vorbereitet. Und wenn ein Kandidat noch zur
Schule geht, dann steht ihm ein Medienpäd­
agoge zur Seite. Schließlich verpasst er den re­
gulären Unterricht an seiner Schule.
Einen eigenen Psychologen haben die Mode­
ratoren von TV-Shows in der Regel nicht. Sie
werden aber medizinisch durchgecheckt, bevor
die Sender eine Personenausfallversicherung
abschließen. „Ärzte überprüfen, ob die Person
in der Lage ist, eine Show durchzustehen“, sagt
Ralph Hopfengärtner von Aon. Ähnlich wird
das bei Schauspielern vor den Dreharbeiten
gehandhabt.
Auch im Dschungellager gibt es eine medizini­
sche Versorgung. „24 Stunden ist ein Arzt im
Camp, der im Notfall helfen kann“, erzählt An­
ke Eickmeyer. Zudem sei die wichtigste medi­
zinische Ausrüstung vor Ort. So könne man die
Kandidaten etwa bei einem Spinnenbiss sofort
erstversorgen und dann in ein Krankenhaus
bringen. Vor den Kakerlaken, Asseln und ande­
ren Insekten hingegen müssen die Kandidaten
laut Anke Eickmeyer keine Angst haben: „Sie
werden größtenteils von einem lokalen Züch­
ter rechtzeitig zu den Dschungelprüfungen ge­
liefert und sind medizinisch unbedenklich.“
Mauritius Much und Alex Stefanidis
sind freie Journalisten in München.
Ansprechpartner: Katrin Rüter,
Tel. 030 /20 20 - 51 19, k.rueter@gdv.de
Hintergrund
Wir
liefern
Insgesamt haben die deutschen Kreditversicherer 2011 Geschäfte
im Wert von rund 340 Milliarden Euro abgesichert. Auf die Kritik
in der letzten Krise, sie würden ihren Deckungsschutz zu schnell
zurückfahren, haben sie prompt reagiert.
10 positionen
F oto : G e t t y i m ag e s
M
ehrere Hundert Mal griffen die Mitarbeiter von Euler Hermes Wilfried Dannheiser, der für das Rechnungswesen bei der Biesterfeld
am 11. März 2011 zum Telefonhörer, um ihre Kunden anzu- AG zuständig ist. Nach dem Insolvenzverfahren und der Zahlung des
rufen. Die Radio- und Fernsehnachrichten hatten gerade Kreditversicherers bleibt das Hamburger Unternehmen mit 650 Mitarüber den verheerenden Tsunami vor der Küste Japans berichtet und beitern wohl auf weniger als 10.000 Euro sitzen. „So konnten wir unsedarüber, dass die Welle auch ein Atomkraftwerk überschwemmte. Fir- ren Verlust wesentlich reduzieren“, sagt Dannheiser.
men, die nach Japan lieferten, mussten wissen, wie riskant Geschäfte Aber in ebenjenen Krisenjahren kamen die deutschen Kreditversicherer
mit japanischen Firmen nun waren und ob ihre japanischen Kunden ins Gerede: Der Gesamtverband „Textil + Mode“ behauptete sogar, die
auch weiter zahlen könnten.
Kreditversicherer drehten der Wirtschaft den Hahn ab und zerstörten
Per Knopfdruck konnte das Hamburger Unternehmen sämtliche systematisch bestehende Lieferketten. Tatsächlich seien viele EntscheiRisiken in Japan seinen Versicherungsnehmern zuordnen und sie zügig dungen nicht gut kommuniziert worden, sagt Ralf Meurer. Mitunter
informieren. „In Japan haben wir so gut wie alle Deckungen aufrecht- haben die Kreditversicherer eine Deckung mit einem Fax gekündigt.
erhalten können“, sagt Ralf Meurer, Vorstandsvorsitzender der Euler „Ich war selbst auf Kundenveranstaltungen und habe die Verärgerung
Hermes Kreditversicherungs-AG und seit Dezember neuer Vorsitzen- darüber mitbekommen.“
der der Kommission Kreditversicherung im GDV. So können deutsche Die Kreditversicherer hätten sich gewandelt, so Meurer: Mittlerweile
Unternehmen auch weiterhin Geschäfte mit Japan machen. „Denn griffen sie öfter zum Hörer, um in direktem Kontakt die Lage zu bespreauch wir haben natürlich ein Interesse
chen. Außerdem können sich die UnterGDV Position
daran, dass Geschäfte nicht platzen“,
nehmen auch jederzeit online über ihre
erklärt Meurer.
Kunden informieren. Und die Branche hat
Kreditversicherer geben Deckungen heute
Kreditversicherer werden oft nur als eisogar eine neue Art der Deckung eingeverlässlicher über einen längeren Zeitraum.
ne Art Krisenversicherung wahrgenomführt: Verschlechtert sich die Situation
Dafür haben sie Warnfristen eingeführt,
men. Sie seien aber viel mehr, sagt Meueines Risikos massiv und ist der Kreditverihre Risikomodelle verbessert und auch den
rer. Kreditversicherer prüfen Risiken
sicherer gezwungen, die Deckung sofort
Austausch mit den Kunden intensiviert.
und Bonität der Geschäftspartner ihrer
aufzuheben, kann der Deckungsschutz bis
Kunden – und zwar kontinuierlich über
zu 30 Tage aufrechterhalten werden, sodie gesamte Dauer der Kundenbeziehung. „Letztendlich kaufen unsere fern der Kunde dies vertraglich vereinbart hat. Solche Vorwarnungen
Versicherungsnehmer eine transparente Information über die Bonität weiß auch Wilfried Dannheiser von der Biesterfeld AG zu schätzen: „In
ihrer Kunden.“ So wüssten Unternehmen, wie stabil die finanzielle Lage solchen Fällen stellen wir auf Vorauskasse um, oder wir verringern die
ihrer Kunden oder einer Branche ist.
Liefermengen, sodass nicht so viel auf einmal auf dem Spiel steht.“ ZahlDas Rating von Firmen und ihrer Bonität ist eine heikle Angelegenheit. reiche Unternehmen würden sich – ausgerüstet mit diesem Wissen –
Aber Rating-Agenturen, die oft kritisiert werden, sind Kreditversicherer auch nach neuen Absatzmärkten umsehen, so Meurer.
keinesfalls. Größter Unterschied: „Wenn wir uns irren, zahlen wir“, sagt Durch ihre Kontakte zu den Unternehmen können die fünf großen
Meurer. Und schließlich hätten die Versicherer in der Beurteilung von deutschen Kreditversicherer die wirtschaftliche Lage ganzer Branchen
Zahlungsausfällen eine äußerst geringe Fehlerquote.
einschätzen. So hat allein Euler Hermes Daten von mehr als 40 MillioTrotzdem: Vor allem in den Jahren 2008 und 2009 – nach der Lehman- nen Unternehmen. Und für deutsche Unternehmen seien KreditversiPleite – mussten die Kreditversicherer oft einspringen. Auch bei der cherer oftmals wichtiger als Banken: „In absoluten Zahlen sind LiefeHamburger Biesterfeld AG. Im Frühjahr 2008 verließen Lkws das Un- rantenkredite schon immer höher als alle Bankkredite, die Banken
ternehmen mit dem Ziel Krefeld. Ihre Ladung: mehrere Tonnen Kunst- deutschen Unternehmen zur Verfügung stellen“, sagt Meurer.
stoffgranulat im Wert von 84.000 Euro, aus dem die Krefelder Kunststoffteile pressen wollten. Bezahlt haben sie nicht. „Wir haben dann Marcel Roth ist Journalist in Berlin und Magdeburg.
Klage eingereicht und erfahren, dass unser Kunde insolvent war“, sagt Ansprechpartner: Katrin Rüter, Tel. 030/20 20-51 19, k.rueter@gdv.de
keine sackgasse Kreditversicherungen
sorgen unter anderem dafür, dass der Warenfluss zwischen Unternehmen in Gang bleibt.
nachgefragt
„Niemand braucht sich
Sorgen zu machen“
In Deutschland existieren rund 94 Millionen Lebensversicherungsverträge.
Grund genug, um einmal bei Dr. Maximilian Zimmerer, dem Vorsitzenden des
Hauptausschusses Lebensversicherung im GDV, nachzufragen, wie sich die
europäische Schuldenkrise und ein anhaltendes Niedrigzinsniveau darauf auswirken.
Herr Dr. Zimmerer, die Lebensversicherung
ist das beliebteste Vorsorgeprodukt der
Deutschen, es hat sich seit über 100 Jahren
bewährt. Trotzdem gerät es immer wieder in
den Fokus der Medien. Warum eigentlich?
Also, ganz offen gesprochen: Ich bin eher der
Meinung, die Medien befassen sich viel zu selten
mit dem Thema Lebensversicherung.
Zu selten? Wie kommen Sie darauf?
Nehmen Sie als Beispiel nur die Zeitschriften,
die jeden Monat immer wieder neu über Fonds
schreiben. Davon existieren gleich mehrere in
Deutschland. Es gibt aber keine Publikumszeitschrift, die sich intensiv und kontinuierlich mit
Lebensversicherungen beschäftigt. In den vergangenen zehn Jahren haben wir drei große
Finanzkrisen erlebt. Im Zentrum der Diskussion
standen dabei aber immer die Banken und ihre
Investments, nicht die Lebensversicherungen. Im
Moment sind die Lebensversicherungen völlig
aus dem Fokus geraten, und mir wäre es lieber,
die Menschen würden sich aufgrund des wichtigen Themas Altervorsorge mehr mit dem Thema
auseinandersetzen.
Worauf führen Sie Ihre Erkenntnis zurück?
Die Erklärung ist einfach: Lebensversicherungen
bedeuten Stabilität. Und über stabile Verhältnisse
zu berichten ist für die meisten Kommentatoren
langweilig. Das Auf und Ab der Märkte erscheint
ihnen viel spannender.
Wenn vom Auf und Ab der Kurse an den Fi­
nanzmärkten geschrieben wird, schrillen den­
noch immer wieder die Alarmglocken. Jeder
fragt sich: Was ist eigentlich mit meiner Le­
bensversicherung, mit meiner Altervorsorge?
12 positionen
Die Besorgnis, die Sie beschreiben, habe ich
bisher in der Diskussion nicht wahrgenommen.
Wir haben auch keine vermehrten Kundenanfragen, die darauf hinweisen würden. Über seine
Lebensversicherung braucht sich wirklich niemand Sorgen zu machen.
Das klingt immer so beruhigend: Man müsse
sich keine Sorgen machen.
Ja, und das Schöne ist: Es stimmt auch noch!
Nehmen Sie nur die Überschussbeteiligung der
Lebensversicherungen. Obwohl die letzten Jahre
an den Märkten mehr als turbulent waren und die
Zinsen dramatisch gefallen sind, blieb die Überschussbeteiligung der Lebensversicherungen
erstaunlich stabil, es gab nur sehr leichte Absenkungen. Die Lebensversicherungsunternehmen
sind nun mal langfristige Anleger, und kurzfristige
Schwankungen stören uns nicht.
In Zeiten der aktuellen Staatsschuldenkrise
geht es in erster Linie um die Risikotragfähig­
keit der Lebensversicherungsunternehmen,
das heißt, es geht um die Frage: Sind die Versi­
cherer in der Lage, die gesetzlich festgeschrie­
benen Verpflichtungen aus bestehenden Ver­
sicherungsverträgen jederzeit zu erfüllen?
Sie haben vorhin gesagt, dass sich die Lebensversicherung in den letzten 100 Jahren bewährt hat.
Das ist wahr und richtig. Ich bin daher sehr zuversichtlich, dass dies auch für die Zukunft gelten
wird. Die aktuelle Staatsschuldenkrise birgt sicher
Herausforderungen, andererseits haben gerade
die vergangenen zehn Jahre deutlich bewiesen,
dass die Lebensversicherer mit großen Turbulenzen an den Kapitalmärkten umgehen und sehr
attraktive Renditen erwirtschaften können.
Besitzen Sie denn selbst eine Lebensver­
sicherung?
Eine? Gemeinsam mit meiner Frau haben wir
neun.
Wie definiert sich eigentlich die sogenannte
Risikotragfähigkeit der Lebensversicherungs­
unternehmen?
Darunter versteht man die Fähigkeit, dass wir
unsere sehr langfristigen Verpflichtungen aus
den bestehenden Versicherungsverträgen zu
jeder Zeit erfüllen können. Das ist die allgemeine Definition. Was bedeutet das? Nehmen wir
mal folgendes Szenario an: Ein 20-jähriger Kunde
schließt eine Rentenversicherung ab. Nehmen
wir außerdem an, er wird 90 Jahre alt. Das heißt,
der abgeschlossene Vertrag läuft über 70 Jahre.
Und in diesen 70 Jahren müssen wir unsere zugesagten Garantien, also den Rechnungszins,
jedes Jahr auch darstellen. Wir stellen für den
Kunden sicher, dass er, wenn er mit 67 in Rente
geht, für 23 Jahre ein lebenslanges Einkommen
erhält. Und zwar in der garantierten Höhe plus
Überschussbeteiligung.
Woher wissen Sie, wie alt Ihr 20-jähriger
Kunde wirklich wird?
Das wissen wir im Einzelfall natürlich nicht. Was
wir aber sicher wissen, ist wissenschaftlich erwiesen: Jede Generation wird im Durchschnitt älter
als die vorherige. Das müssen wir als Versicherer
in unserer Kalkulation der Rentenversicherung
berücksichtigen. Außerdem legen wir das Geld
unserer Kunden vorsichtig und langfristig mit
dem Ziel an, zu jedem Zeitpunkt unsere Garantien und eine angemessene Überschussbeteiligung darstellen zu können.
>
In verschiedenen Zeitungsartikeln war neulich zu lesen, die Versicherungsbranche
dringe bei der Bundesregierung auf eine
Änderung der bestehenden Regelungen im
Versicherungsvertragsgesetz, kurz VVG. Aus
welchem Grund suchen Sie das Gespräch mit
der Bundesregierung?
Hier existieren verschiedene Regeln, bei denen
wir eine Überarbeitung anregen. Lassen Sie mich
auf die wichtigste eingehen: Seit 2008 beteiligen wir laut Versicherungsvertragsgesetz unsere Kunden an den sogenannten Bewertungsreserven. Was ist darunter zu verstehen? Wenn
Sie etwa eine Immobilie erwerben, die mit der
Zeit an Wert gewinnt, entstehen sogenannte
Bewertungsreserven, das heißt, der Marktwert
der Anlage liegt höher als der ursprüngliche Anschaffungswert. An solchen Reserven, also an der
Wertsteigerung, beteiligen wir unsere Kunden
seit 2008, wenn ihr Vertrag fällig wird.
In Ordnung. Aber welche Nachteile birgt denn
diese aktuelle Gesetzeslage konkret für Versicherungen und Versicherte?
Ganz einfach: Solche Bewertungsreserven entstehen auch, wenn die Zinsen am Markt fallen.
Beispiel: Wenn ich einen zehnjährigen Pfandbrief
mit einer jährlichen Verzinsung von vier Prozent
erworben habe, steigt dessen Wert, wenn die
Marktzinsen fallen. Die höhere Verzinsung des
Pfandbriefs im Vergleich zum aktuellen Marktzins
drückt sich in einem höheren Kurs des Pfandbriefs aus. Wenn ich Kunden bei Fälligkeit ihrer
Verträge nun an diesen Kursreserven beteiligen
soll, muss ich den Pfandbrief verkaufen. Bei Kauf
14 positionen
eines neuen Pfandbriefs erziele ich jedoch nur
noch eine jährliche Verzinsung von drei Prozent,
einen Prozentpunkt weniger. Diese Differenz fehlt
mir, um die garantierten Zinsen und die Überschussbeteiligung für die anderen Kunden zu erwirtschaften. All unsere Kunden profitieren durch
die laufende Überschussbeteiligung davon, dass
wir Pfandbriefe zu einem Coupon von vier Prozent eingekauft haben. Warum sollten Kunden,
deren Verträge fällig werden, gegenüber Kunden,
deren Verträge noch Jahre oder gar Jahrzehnte
laufen, bevorzugt werden, indem sie zusätzlich
am zeitweiligen Kursgewinn beteiligt werden?
Dies erscheint mir nicht gerechtfertigt.
Welche Rolle spielt dabei das anhaltende
Niedrigzinsniveau?
Bizarr wird es, wenn, wie aktuell zu sehen, die Renditen von Bundesanleihen auf zwei Prozent sinken. Dadurch entstehen vorübergehend natürlich
hohe Bewertungsreserven, die aber bis zur Rückzahlung der Bundesanleihe zum Kurs von 100
wieder verschwinden. Wenn ich diese zwischenzeitlichen Reserven durch einen Verkauf realisieren muss, fehlen mir im Extremfall sogar die Zinsen, um die Garantieverpflichtungen der Lebensversicherungen zu erfüllen. Denn im Durchschnitt
aller Versicherungsverträge liegt die garantierte
Mindestverzinsung bei etwa drei Prozent, also
einen Prozentpunkt höher als der gegenwärtige
Zins der zehnjährigen Bundesanleihen.
Das bedeutet, dass die gegenwärtige Regelung alle benachteiligt – außer jenen Versicherungsnehmern, deren Verträge zurzeit
zufällig auslaufen?
So könnte man das durchaus ausdrücken, ja.
Aber das Gesetz wurde doch erst im Jahr
2008 geändert. Hat man die Folgen der Reform damals nicht vorausgesehen?
Diese Änderung im VVG geht auf ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005
zurück. Dabei ging es um Bewertungsreserven
auf Aktien, die durch die Börsenhausse in den
90er-Jahren entstanden waren. Daran sollten
die Kunden stärker beteiligt werden. Nicht berücksichtigt wurde damals jedoch, dass die Versicherer ihr Kapital nur noch zu einem kleinen
Teil in Aktien anlegen. In der aktuellen Niedrigzinsphase zeigt sich, dass eine Beteiligung an
den Bewertungsreserven bei festverzinslichen
Anlagen einer sinnvollen Begrenzung bedarf.
Wie sähe denn das Zukunftsszenario aus,
sollte sich nichts an den bestehenden Regeln
ändern?
Bei dauerhaft niedrigen Zinsen müssten wir solche Scheinreserven auflösen und wären dann
gezwungen, das Geld zu deutlich niedrigeren
Zinsen neu anzulegen. Dies wirkt sich dann nicht
nur auf die Überschussbeteiligung aus, sondern
gefährdet auch die Erwirtschaftung der Garantiezinsen.
Existiert also dringender Handlungsbedarf?
Eindeutig. Zumal der Gerechtigkeitsaspekt nicht
unterschätzt werden sollte. Wieso soll ein Kunde,
dessen Vertrag ausläuft und der bereits von den
höheren Zinsen in der Vergangenheit profitiert
hat, noch einmal einen Zuschlag erhalten, der
zulasten aller anderen Kunden und deren Überschussbeteiligung geht?
A l l e F oto s : F r a n k Baue r
nachgefragt
Zur Person
Dr. Maximilian Zimmerer, 53, ist Vorstandsvorsitzender der Allianz Lebensversicherungs-AG. Er hat in
Düsseldorf Rechtswissenschaften studiert und dort
auch promoviert. Seine Karriere startete er 1988 im
Alter von nur 30 Jahren im Fachbereich Industriebeteiligungen der Allianz AG. 1994 stieg er auf zum Fachbereichsleiter Darlehen, sechs Jahre später wurde er in
den Vorstand der Allianz Lebensversicherungs-AG
berufen, seit 2006 sitzt er diesem Vorstand vor. Von
2010 bis Ende 2011 war er Vorstandsvorsitzender der
Allianz Private Krankenversicherungs-AG. Maximilian
Zimmerer ist Mitglied im Vorstand der Allianz
Deutschland AG. Mitte des Jahres wird er Nachfolger
von Dr. Paul Achleitner als Finanzchef des Allianzkonzerns. Maximilian Zimmerer ist Mitglied des GDVPräsidiums und Vorsitzender des Hauptausschusses
Lebensversicherung / Pensionsfonds.
Die sichersten Papiere wie etwa die deutsche
Bundesanleihe werfen nur noch knapp zwei
Prozent ab. Der durchschnittliche Garantiezins im Kapitalanlagebestand der deutschen
Versicherer beträgt zurzeit etwa 3,4 Prozent,
die durchschnittliche Gesamtverzinsung noch
rund vier Prozent, Tendenz fallend. Bedeutet
das nicht in der logischen Schlussfolgerung,
dass Ihre Anlagemanager in Zukunft mehr
Risiko eingehen müssen, um mehr Ertrag zu
erwirtschaften?
Es stimmt, die Zinsen für Bundesanleihen sind
auf historische Tiefstände gefallen. Dafür gibt es
ungewöhnlich hohe Zinsaufschläge für Anleihen
anderer Euro-Staaten, aber auch von Pfandbriefen und Unternehmensanleihen. Schuld ist die
hohe Verunsicherung an den Kapitalmärkten
wegen der Schuldenkrise. In diesem Umfeld ist es
daher wichtig, sein Anlagekapital breit zu streuen,
aber auch Marktanomalitäten auszunutzen und
damit Renditevorteile zu erzielen. Französische
Staatsanleihen rentieren zum Beispiel einen Prozentpunkt höher als deutsche.
Das Aktiengeschäft dürfte als Anlagemodell
wegfallen, denn von 2013 an müssen laut Solvency II Aktieninvestments mit hohem Eigenkapital unterlegt werden, richtig?
Durch das neue Aufsichtsmodell Solvency II wird
tatsächlich die Anlage in Aktien deutlich erschwert. Trotzdem halten wir eine Aktien-Bei­
mischung in einem langfristig ausgerichteten
Portfolio für sinnvoll.
Norbert Heinen, Vorstand der Wüstenrot &
Württembergische, hat gesagt: „Wenn man
für zehnjährige Bundesanleihen wie jetzt 1,8
Prozent bekommt, kann man nicht vier Prozent gutschreiben.“ Steht eine marktweite
Absenkung der Überschussbeteiligung an?
Jedes Unternehmen muss dies selbst entscheiden, und zwar vor dem Hintergrund seiner Anlagestruktur und seiner Reservesituation. Aber
natürlich ist der Wiederanlagezins ein wichtiges
Kriterium für die jährliche Entscheidung über die
Überschussbeteiligung.
Warum gelten die Versicherungen zurzeit als
krisenfester als zum Beispiel die Banken?
Als Versicherer legen wir vorsichtig an und streuen unsere Kapitalanlagen breit. Wir sind nicht auf
die Erzielung kurzfristiger Handelsgewinne aus,
sondern sehen uns als verlässliche, langfristige
und stabile Kapitalanleger. Die Versicherungsunternehmen besitzen zum Beispiel nur wenig
Griechenland-Anleihen.
Worin unterscheiden sich diese beiden Geschäftsfelder noch?
Wir bewegen uns zwar am selben Kapitalmarkt,
unsere Geschäftsmodelle sind allerdings völlig
unterschiedlich. Zunächst: Eine Bank leiht und
verleiht Geld. Lebensversicherer leihen sich kein
Geld und müssen sich am Kapitalmarkt auch
nicht refinanzieren. Wir legen die Beiträge unserer Kunden mit größter Sorgfalt langfristig an und
können die Auszahlungen an unsere Kunden
durch die laufenden Beitragszahlungen decken.
Liquiditätsengpässe können bei uns daher nicht
entstehen. Zudem verfügen Lebensversicherer
über viele Sicherheitspuffer wie zum Beispiel die
eben angesprochenen Bewertungsreserven in
den Kapitalanlagen oder den Rückstellungen für
Beitragsrückerstattung.
Das sind gewichtige Argumente. Aber können
Sie uns dennoch prägnant erklären, warum
jeder Deutsche auch in diesen stürmischen
Zeiten mit einer Lebensversicherung fürs
Alter vorsorgen sollte?
Die gesetzliche Rentenversicherung basiert auf
einem Umlageverfahren: Die Jungen zahlen für
die Alten. Wenn die Jungen aufgrund des Geburtenrückgangs immer weniger werden, die Menschen aber immer länger leben, dann ergibt sich
eine Finanzierungslücke, die jährlich größer wird.
Die letzten beiden Rentenreformen haben das
System der gesetzlichen Rentenversorgung zwar
zukunftsfest gemacht, allerdings musste hierfür
das Absicherungsniveau schrittweise gesenkt
werden. Die entstandene Lücke bleibt also nicht
nur bestehen, sie vergrößert sich. Mit der besonders geförderten Riester- und Basisrente hat der
Gesetzgeber einen Anreiz gegeben, diese Lücke
über eine zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge zu schließen. Und wegen des Zinseszins­
effektes sollte damit so früh wie möglich begonnen werden.
Allen Marktturbulenzen zum Trotz?
Die letzten Jahre haben eines deutlich gezeigt:
Sicherheit und Stabilität in der Altersvorsorge
sind wichtig. Nur eine private Rentenversicherung kann den Kunden ein lebenslanges Einkommen garantieren.
Interview: Alex Stefanidis ist freier Journalist in
Berlin und München.
positionen 15
Hintergrund
Die leise
Revolution
Elektroautos sind im deutschen Straßenverkehr noch selten, und doch gelten sie
als die Zukunft der Automobilbranche. Die Versicherungsindustrie muss sich schon
jetzt auf das Elektroautozeitalter einstellen. Doch wie versichert man eine völlig
neuartige Fahrzeugklasse ohne Erfahrungswerte?
16 positionen
F oto : d pa / p i c t u r e a l l i a n c e
D
ie Kanzlerin persönlich hat das Ziel im Mai letzten Jahres vorge- eher defensives Fahren erwarten. Elektroautos sind vor allem im Stadtgeben: Eine Million Elektroautos sollen bis 2020 auf deutschen verkehr unterwegs, wo es häufiger kleine Unfälle, aber seltener schwere
Straßen fahren. Die bisherigen Zahlen sind ernüchternd: Unter Schäden gibt.
den 3,17 Millionen Pkw-Neuzulassungen 2011 in Deutschland waren Und welche Risiken birgt die Technologie, insbesondere die Hochvoltnur 2.154 Elektro- und 12.622 Hybridfahrzeuge. Und die Elektroautos batterie des Motors? Besteht etwa eine Stromschlaggefahr für Unfallwurden meist von Unternehmen angemeldet, gerade mal rund 150 Fahr- helfer oder Hobbymechaniker? Aber auch kleine Probleme sind noch
zeuge kauften Privatpersonen. Ob das Elektroauto wirklich ein Erfolg ungeklärt: Wer haftet zum Beispiel für Ladekabelschäden? Diese und
wird, entscheidet nicht Angela Merkel, sondern der deutsche Autofahrer. ähnliche Fragen wurden Ende November in Berlin bei einem SymposiDr. Martin Stadler von der Allianz und Dr. Jürgen Redlich vom GDV wa- um der Unfallforschung der Versicherer (UDV) gestellt. In drei Workren von ihren ersten Testfahrten mit Elektrofahrzeugen positiv überrascht: shops diskutierten mehr als 100 Experten über Themen der Betriebs­
„Es war schon faszinierend, der Wagen
sicherheit, der Unfallsicherheit und der
ist sehr leise, es gibt kein herkömmliUnfallrettung, ihre Empfehlungen werGDV Position
ches Schalten mehr – das ist schon ein
den Anfang 2012 in einem TagungsElektrofahrzeuge bringen völlig neuartige Risiken,
anderes Fahrgefühl, ein bisschen wie in
band veröffentlicht.
der Straßenbahn“, erinnert sich Martin beispielsweise durch ein Hochspannungsbordnetz
Die Zeit drängt: Opel, Mitsu­bishi, Peu­
mit der potenziellen Gefahr tödlicher StromStadler an eine Fahrt mit dem Opel Amge­ot, Citroën und Smart bringen gerade
schläge. Elektrofahrzeuge müssen im Betrieb und
pera vor eineinhalb Jahren. Unerwartet
serienfähige Fahrzeuge auf den Markt.
viel Fahrspaß hatte auch Jürgen Redlich,
Und das Elektroauto verlangt durchaus
bei einem Unfall genauso sicher sein wie
beim GDV Leiter des Bereichs Kfzeinige Novellierungen beim Versicheherkömmliche Autos mit Verbrennungsmotor.
Technik: „Man versucht anfangs zu tes­
rungsrecht und Haftungsrecht, wie
ten, wie kraftvoll so ein Elektromotor
Martin Stadler von der Allianz auf der
ist, und ich war überrascht, wie gut das Auto beschleunigt hat. Die Bedie- UDV-Tagung aufzeigte. Die gute Nachricht: Die Fahrzeughalter sind
nung war völlig unkompliziert, die Fahrgeräusche sind angenehm leise.“ durch bestehende rechtliche Bestimmung weitgehend abgesichert. Die
Eine Schwachstelle hat Redlich aber doch bemerkt: „Wenn man herzhaft Fahrzeughersteller dagegen müssen noch einige Gefahrenquellen be­
an der Ampel losfährt, sind gleich ein bis zwei Prozent der Batterieladung heben, etwa die kaum hörbaren Fahrgeräusche und das Risiko von Stromweg“, so der GDV-Experte. „Danach bin ich sehr verhalten gefahren.“
schlägen für Unfallhelfer.
Zu verbrauchsarmem Fahren erzieht das ohnehin viel gepriesene Elektro- Die erste Typklassenbestimmung sei für Elektroautofans aber erfreulich
auto offenbar auch. Für die Versicherungsfachmänner Redlich und Stadler verlaufen, findet Martin Stadler: „Der Opel Ampera, mit das erste richsind solche Testfahrten nicht nur unterhaltsam, sondern wichtig und auf- tig ernst zu nehmende Elektroserienauto, hat eine in meinen Augen sehr
schlussreich für ihre Arbeit. Die große Allianz etwa versichert derzeit nur moderate Einstufung bekommen. Ich hatte Schlimmeres erwartet.“
rund 300 Stück. Doch wie stuft man als Versicherung ein Elektrofahrzeug Offenbar bewahrheitet sich, was bei Hybridmobilen bereits festgestellt
ein, wenn es keine nennenswerten Erfahrungswerte gibt?
wurde: Hybridfahrer sind weder schlimme Vollgasraser noch ÖkoViele Fragen sind noch ungeklärt: Verursachen Elektroautofahrer über- Schleicher, sondern: ganz normale Verkehrsteilnehmer.
oder unterdurchschnittlich viele Unfälle? Beides scheint plausibel: Die
kaum merklichen Fahrgeräusche könnten eine Gefahr für Fußgänger Marc Baumann ist freier Journalist in München.
und Radfahrer sein, andererseits würde man bei Käufern von E-Autos Ansprechpartner: Katrin Rüter, Tel. 030/20 20-51 19, k.rueter@gdv.de
Unter Strom Mehr als 70 Kilometer legt
der Opel Ampera zurück, ohne einen Tropfen
Benzin zu verbrauchen. Komplett aufladen
lässt er sich an jeder haushaltsüblichen 230Volt-Steckdose – und das innerhalb von vier
Stunden, versichert der Autohersteller.
gegenpositionen
absoluter nonsens!
Versicherungsprodukte zu beurteilen gehört zum kritischen
Journalismus. Im Mittelpunkt sollte dabei aber nicht
die Meinung Einzelner, sondern die informative und objektive
Aufklärung der Bürger stehen.
M
an mag darüber streiten, ob eine Lebensversicherung für Risiken abdecken, in unterschiedlichen Lebenssituationen Schutz
Haustiere Sinn macht. Für Tierliebhaber, die eine solche bieten und sich sinnvoll ergänzen können.
Police für ihren Liebling abgeschlossen haben, wird es Die Berufsunfähigkeitsversicherung federt den Erwerbsausfall ab,
wohl so sein. Warum auch nicht? Es gibt Physiotherapie, Haute unabhängig davon, ob die Berufsunfähigkeit durch Krankheit oder
Couture und sogar Gourmetrestaurants für Vierbeiner. Wer soll Unfall verursacht wurde. Die Kernleistung der Unfallversicherer ist
über Sinn oder Unsinn dieser Angebote entscheiden, wenn nicht die die Invaliditätsleistung, eine Kapitalsumme, die im VersicherungsHunde- oder Katzenbesitzer?
fall unabhängig von der verbleibenden Berufsfähigkeit gezahlt wird.
Auf stern.de erklärten nun Verbraucherschützer zahlreiche Ver­ So kann sie zum Beispiel für den Umbau der Wohnung, für besonsicherungsprodukte für überflüssig. Doch viele Versicherte sehen dere Rehabilitationsmaßnahmen oder als Ersatz für verloren gegandas offenbar anders – und in aller Regel darf wohl bei mündigen gene Lebensqualität genutzt werden.
Bürgern davon ausgegangen werden, dass
Gegen die Unfallversicherung wird angesie sich aus gutem Grund für eine beführt, dass nur ein geringer Anteil der Fälle
stimmte Police, für einen bestimmten
von Berufsunfähigkeit auf Unfälle zurückzu„Ein absolutes
Schutz entschieden haben. Auch die Sterbe­
führen sei. Gerade in den jungen AltersgrupNonsensprodukt. “
Welche
geldversicherung erklärt Elke Weidenbach
pen liegt dieser Anteil aber sehr viel höher. So
von der Verbraucherzentrale NRW für
Versicherungen Sie brauchen sind gut 30 Prozent der Berufsunfähigkeitsüberflüssig: „Das lohnt sich nur, wenn man
fälle in der Altersgruppe bis 40 Jahren Folge
– und welche nicht.
unmittelbar nach Abschluss der Versicheeines Unfalls. Bei den unter 30-Jährigen ist
rung stirbt.“ Fragt sich nur: für wen? Mit
Unfall die Hauptursache für Berufsunfähig4. Oktober 2011 auf Stern.de
der Sterbegeldversicherung will der Versikeit. Ein zusätzlicher Schutz über die Berufscherte wohl nicht in erster Linie für sich
unfähigkeitsversicherung hinaus – etwa mit
und seine Erben sparen. Er will zu Lebzeiten für sich ein angemes- der Unfallrente – ist also für jüngere Berufstätige durchaus sinnvoll.
senes Begräbnis sicherstellen und dieses selbst bestimmen. Und das Auch für Ältere bietet die Unfallversicherung Vorteile: Die Seniorenleis­tet die Sterbegeldversicherung – kein Sparkonto. Auch der Un- Unfallversicherungen bieten nach einem Unfall Hilfs- und Pflegeleis­
fallversicherung geht es an den Kragen: „Ein absolutes Nonsens­ tungen und ermöglichen es den Betroffenen so, in der eigenen Wohprodukt“, wird Manfred Poweleit vom Map-Report zitiert.
nung zu bleiben. Sie sind für viele alleinstehende ältere Menschen, die
Rund neun Millionen Menschen kommen pro Jahr in Deutsch- nach einem Unfall ganz auf sich gestellt sind, eine unschätzbare Hilfe
land bei Unfällen zu Schaden. Die meisten gehen zum Glück und werden aus gutem Grund stark nachgefragt. Sind all die Versicheglimpflich aus. Aber durch einen Unfall kann sich das Leben der rungskunden also unmündig und unvernünftig? Aufklärung der VerBetroffenen dramatisch verändern: Zukunftspläne müssen geän- braucher ist wichtig. Dazu gehört auch das Beurteilen von Produkten.
dert, neue Perspektiven gefunden werden. In 80 Prozent der Fälle Aber das Urteil sollte objektiv und vorurteilsfrei sein.
von Invalidität als Folge eines Unfalls zahlt allein die private Un- Oder, um mit den Worten von Johannes B. Kerner zu sprechen:
fallversicherung.
„Manchmal wünschte ich mir etwas mehr Bildung – und etwas
Poweleit empfiehlt statt der Unfall- die Berufsunfähigkeitsversiche- weniger Meinung.“
rung und stellt beide Produkte als Alternativen „entweder – oder“
dar. Dieser Vergleich ist falsch. Er verkennt, dass beide Versiche- Ansprechpartner: Katrin Rüter, Tel. 030/20 20-51 19,
rungsprodukte – mit einigen Überschneidungen – verschiedene E-Mail: k.rueter@gdv.de
18 positionen
service
Wieso ist das so?
Ausweichmanöver vor Wildtieren sind in
der Teilkaskoversicherung nicht generell
versichert. Der Hintergrund: Durch das Aus­
weichen passieren oft schlimmere Unfälle
als durch einen Zusammenstoß mit dem
Tier. Auch Pkw-Insassen und andere Ver­
kehrsteilnehmer werden durch das Aus­
weichmanöver stärker gefährdet. Aus die­
sen Gründen gilt als Faustregel: Bei Klein­
tieren lieber nicht ausweichen und an die
eigene Sicherheit denken.
Wer einem kleinen Wildtier ausweicht und
das Auto dabei zu Schrott fährt, riskiert eine
anteilige Kürzung der Leistung aus der Teil­
kaskoversicherung. Ein Ausweichmanöver ist
prinzipiell nur bei einem größeren Tier ge­
boten, Hasen oder Füchse zählen nicht dazu.
Eine Vollkaskoversicherung dagegen leistet
Ersatz für Unfallschäden, auch wenn der Wild­
schaden nicht nachgewiesen werden kann.
Ansprechpartner: Katrin Rüter, Tel.
030/20 20-51 19, E-Mail: k.rueter@gdv.de
„Ein Auto-Unfall, Was tun?“
Klicken sie hier!
Kurz erklärt
Kühlen Kopf bewahren: Rechte und Pflichten eines
Autofahrers nach einem Verkehrsunfall
www.gdv.de
Stichwort:
Unterversicherung
Jedes Jahr registriert die Polizei
rund zwei Millionen Verkehrsun­
fälle in Deutschland. Die meisten
davon gehen mit einem Sach­
schaden relativ glimpflich aus.
Doch bei fast jedem fünften Un­
fall werden Menschen verletzt.
Was ist nach einem Unfall zu tun?
Welche Rechte und welche Pflich­
ten haben Autofahrer nach einem
Verkehrsunfall? Antworten auf
diese Fragen gibt die Broschüre
Ein Auto-Unfall, was tun?, die jetzt
in neuer Auflage vorliegt.
Die Broschüre kann in Einzelexemplaren beim Informati­
onszentrum „Zukunft klipp und klar“ der deutschen Ver­
sicherer unter 0800 / 742 43 75 kostenlos bestellt werden.
Unter www.gdv.de steht sie auch zum Download bereit.
Mit einem neuen Webauftritt ist der Ge­
samtverband der Deutschen Versiche­
rungswirtschaft e. V. ins Jahr 2012 gestartet.
www.gdv.de bietet zeitgemäße, nutzer
orientierte Informationen aus Verband und
Versicherungswirtschaft. Die neue Funktion
„Top-Themen“ informiert über das gesamte
GDV-Themenspektrum.
In der Hausratversicherung spricht man
von Unterversicherung, wenn der versicher­
te Hausrat (= Versicherungswert) insgesamt
mehr wert ist als die im Vertrag vereinbarte
Versicherungssumme. In einem solchen Fall
wird der Schaden nur anteilig ersetzt – im
Verhältnis Versicherungssumme zum tat­
sächlichen Versicherungswert. Um eine
Unterversicherung zu vermeiden, wird im
Vertrag zur Hausratversicherung die Ver­
sicherungssumme zumeist berechnet: Ein
vereinbarter Betrag pro Quadratmeter
Wohnfläche (z. B. 650 Euro) wird mit der
Wohnfläche der versicherten Wohnung
multipliziert. Ist die Versicherungssumme
so festgelegt, verzichtet der Versicherer im
Fall eines Schadens in der Regel darauf, auf
eine Unterversicherung hin zu prüfen.
Zahlt die Teilkasko nicht bei
Ausweichmanövern vor kleinen Tieren?
Terminkalender
Die Ereignisse der nächsten Wochen
I l lu s t r ati on : M a r c h e r o l d
18. April 2012: GDV-Pressekolloquium in Berlin
positionen 19
brandenburgische universitätsdruckerei und verlagsgesellschaft mbH
karl-liebknecht-str. 24–25, 14467 golm
Post vertriebsstück C44755, Entgelt bezahlt
die deutschlandkarte
Auf Shopping-Tour
Schleswig-Holstein
19.969
Mecklenburg-Vorpommern
16.456
Hamburg
21.320
Bremen
18.019
Berlin
17.808
Niedersachsen
19.169
Sachsen-Anhalt
16.421
Brandenburg
17.606
Nordrhein-Westfalen
19.921
Hessen
21.187
Sachsen
16.457
Thüringen
16.509
Rheinland-Pfalz
19.649
Saarland
18.593
Bayern
21.326
Baden-Württemberg
21.000
Die Kaufkraft der Deutschen
betrug im Jahr 2011 mehr als
1.610 Milliarden Euro.
„Bad news is good news“ – so scheint das
Credo aller Nachrichtensendungen von
der Tagesschau bis zum RTL Nachtjournal zu
lauten. Schließlich fesseln Katastrophen
und Krisen die Fernsehzuschauer an ihren
Sessel – das ist gut für die Quote. Aber es
gibt auch gute Nachrichten! Zum Beispiel
diese: Laut einer Prognose der Gesellschaft
für Konsumforschung (GfK) ist die Kaufkraft
der Deutschen im Jahr 2011 um 499 Euro
pro Kopf gegenüber 2010 angestiegen.
Der durchschnittliche Bundesbürger besitzt
somit eine Kaufkraft von 19.684 Euro pro
Jahr, die er für Miete, Lebenshaltungskosten
oder Konsumgüter ausgeben kann. Die
Gesamtsumme der Kaufkraft in Deutschland
liegt für 2011 bei 1.610 Milliarden Euro.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Bürger
in Bayern, Hamburg, Hessen und BadenWürttemberg verfügen mit mehr als
21.000 Euro im Schnitt über die stärkste
Kaufkraft, in Mecklenburg-Vorpommern
und Sachsen-Anhalt mit knapp 16.500 Euro
über die schwächste..
Prognose für die Kaufkraft (in Euro) je Einwohner für das Jahr 2011 in den jeweiligen
Bundesländern.
Quelle: GfK Kaufkraft 2011, GfK GeoMarketing
Impressum
HERAUSGEBER
Druck und vertrieb
Autoren
Gesamtverband der Deutschen Versicherungs­wirtschaft
Brandenburgische Universitätsdruckerei
und Verlagsgesellschaft, Potsdam mbH
Marc Baumann, Mauritius Much, Marcel Roth,
Alexandros Stefanidis
Verantwortlich
Ulrike Pott
Konzeption und Realisation
Titelbild
Getty Images
Magazin Verlagsgesellschaft Süddeutsche Zeitung mbH
REDAKTION
Objektleitung
Angela Kesselring
Katrin Rüter de Escobar, Una Großmann (GDV),
Alexandros Stefanidis, Thomas Kartsolis (Grafik)
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Gesamtverband der
Deutschen Versicherungswirtschaft
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Wilhelmstraße 43 / 43 G, 10117 Berlin
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