- Fachbereich Philosophie und
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NR. 11, WINTER 2005 kultinger NEWSLETTER DES INSTITUTS FÜR KULTUR- UND MEDIENMANAGEMENT Editorial Einen Moment bitte, Sie werden gleich vermittelt. Hier werden Sie geholfen. Während das Fräulein vom Amt die Kunst der Vermittlung mit eleganter Handarbeit und Grandezza in der Stimme beherrscht, ist die Vermittlung der Kunst alles andere als geordnete Stöpselei. Wie aber kann man die Verbindungen entwirren? Welche Mittel der Kulturvermittlung stehen uns zur Verfügung? Mit ausgewählten Themen haben wir versucht, einige Entwicklungen der Kulturvermittlung zu beschreiben und zu hinterfragen. Wie gelangt die Kultur zum Konsumenten? Was wird für das Publikum von morgen getan? Brauchen wir eine zentrale Schaltstelle für Kulturvermittlung? Wie wird dies in anderen Ländern wie Bulgarien und den Vereinigten Staaten behandelt? Wie steht es um den Standort Deutschland? Was erfüllen die öffentlich-rechtlichen Sender ihrem Bildungsauftrag? Wie wird die ästhetische Bildung in den Schulen praktiziert? Wie gewinnt man Menschen in ihren Mittagspausen für die Kunst? Geholfen haben uns auch verschiedene „Köpfe” aus allen Bereichen der Kultur, indem Sie uns ihre Meinungen zur Kulturvermittlung sagten. Kulturmanager müssen helfen, Kultur für alle zugänglich zu machen – Brücken zu schlagen und Verbindungen herzustellen. Wir sind also in gewisser Weise alle Fräuleins vom Amt. Lassen Sie sich verbinden! NING WANG Keine Zeit fürs Singen Die Wächterin Kultur im Kopf EIN NACHRUF AUF DEN KUNSTUNTERRICHT WIE CHRISTINA WEISS FÜR KULTUR WIRBT ZEHN VERMITTLER UND IHRE REZEPTE K U L T U R V E R M I T T L U N G „Singen wir heute wieder den schönen Kanon?“ ÄSTHETISCHE BILDUNG IM KINDESALTER – EIN EWIGER MANGEL K leine Engel sind das nicht. Der Lärm im Klassenzimmer erinnert an die Dezibelmacht eines Kleinstadtbahnh ofs. In einer zweiten Klasse des Evangelischen Schulzentrums Leipzig bricht sich die gute Laune auf Klanghölzern, Xy l ofon und Trommeln Bahn. „Es macht Spaß“, lacht die achtjährige Anne und haut drauf los. So einfach ist das. Auf diese einfache Weise Spaß an der Musik zu wecken, ist alles andere als der Regelfall. Nicht umsonst b a n gen Kulture i nr i c ht u n gen bundesweit um ihr Nachwuchspublikum. Pä d a gogische Angebote seitens der Theater oder Museen gibt es seit l a ngem, aber die Fundamente für das Interesse der Kinder werden im Kindergarten und in den Schulen gelegt. Gerade erst wies eine Studie der Eichstätter Universität nach, dass in der Ausbildung von Erzieherinnen für das Singen vor und mit Kindern erhebliche Defizite bestehen:„Die Bedeutung des Singens für Kinder wird deutlich unt e rschätzt“, sagt Inititator und Musikpädago ge P rofessor Peter Brünger. Offensichtlich werde dies in der Ausbildung von Erz i e h erinnen nicht ausreichend thematisiert. „Hinzu ko m mt, dass das im Studium vermittelte Re p e rtoire an Kinderliedern mangelhaft ist, dass Ke n ntnisse im spez i e llen Umgang mit Kinderstimmen nicht we iterge geben werden und Fortbildungsangebote zum Singen mit Kindern ke i n e breite Akzeptanz finden.“ Es gibt zwar Kindergä rten mit besonderem musischem oder künstlerischem Prof i l , aber in einer durchschnittlichen Kita „haben wir doch fürs Singen oder Malen fast gar keine Zeit mehr“, sagt eine Berliner Erzieherin, die ihren Namen lieber nicht preisgeben will. Ist die Lage beim Kunstunterricht nicht ganz so prekär, fallen doch in den Grundund Hauptschulen der Bundesrepublik Deutschland bis zu 80 Prozent der Musikstunden aus oder werden fachfremd erteilt. In allen Bundesländern werde der Musikunterricht als „Spielball und ve rf ü g b a re Masse“ge n u t z t , um Unterrichtsstunden in Fächer wie Informatik oder Medienerziehung zu verlagern, kritisiert Johannes Bähr, stellve rt retender Vorsitzender des Arbeitskreises für Schulmusik und allgemeine Musikpädagogik (AfS). Ohnehin gibt es meist nur eine Stunde Musik pro Wo c h e. Da haben es Pädagogen schwer, Lehrpläne und Schülerinteressen auszubalancieren. Den Schülern fehlten die Möglichkeiten, sich ku l t u rell auszudrücken, m e i nt auch der Berliner AfS-Vorsitzende Andreas Engel. „Das können ja auch rappende Hauptschüler sein.” Genau die würde Heinz Winkler, Leiter der Le i s t i kow-Oberschule in Berlin-Zehlend o rf, liebend gern betreuen lassen. „Aber das furchtbar Traurige an der Sache ist, dass uns einfach die Kapazitäten fehlen. Viele Schulen würden gern mehr für die ästhetische Bildung tun, wenn sie genügend Fachkräfte hätten. Und wir als Hauptschule haben einfach das Problem, dass die ohnehin umworbenen Musiklehrer nicht zu uns kommen wollen.“ Dabei sei das Int e resse der Schüler durc haus groß, meint Winkler: „Sie präsentieren zum Beispiel mit Freude im Krankenhaus Waldfriede ihre Kunstwerke, dafür beko mmen wir dann Plätze für unsere Schülerpraktika.“ Und als jüngst ein Afrikaner dafür gewonnen werden konnte, Trommelunt e rricht zu erteilen, seien die Schüler gleichfalls begeistert gewesen: „Die warten doch eigentlich nur darauf, aus der Re s e rve gelockt zu werden.“ Die rigide Sparpolitik des rot-roten Senats und das Schulgesetz, das den Dire k torien keine Personalhoheiten ge s c hweige denn einen Honoraretat gestatte, all dies müsse dringend geändert we r- Schülern fehlt oft die Möglichkeit, sich kulturell auszudrücken 2 Mathe und Deutsch sind wichtiger als Musik den, fo rd e rt der Schulleiter. Dass ästhetische Bildung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Persönlichkeitsent w i c klung junger Menschen hat, ist fast schon eine Binsenweisheit gewo rden. Für Furo re sorgte denn auch eine im Jahr 2000 vo rgestellte Studie des Frankfurter Musikpädago gen Hans Günter Bastian, der in einem Modellversuch über sechs Jahre an vier Berliner Grundschulen nachwies, dass der U m gang mit Musik positive Auswirkungen auf die intellektuellen und sozialen Fä h i gkeiten der Kindern hat und dass sogar die Lern- und Leistungsmotivation durch das Singen und Musizieren ansteigt. Der Musikunterrichtin der Schule baue sogar Angstpotenziale ab und tra ge damit zu einer Ve r r i n gerung der Gewaltbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft bei. Und mehr noch: Bundesinnenminister Otto Schily ließ sich einst s o gar zu der Behauptung hinreißen, wer Musikschulen schließe, gefä h rde die innere Sicherheit. Verbessert hat sich seither nichts. Das G e ge nteil ist der Fall. Wä h rend Ute Falk, S p recherin des Senatsve rwaltung für Jugend, Bildung und Sport , darauf hinweist, dass die ästhetische Bildung in der „Eigenve rant wo rtung der Schulen“ liege, fällt in Berlin weiterhin Musik- und Kunstunterricht aus. Bedenkt man überdies die Abwicklung der musikpädagogisch äußerst engagierten Berliner Symphoniker, so scheint e s, als habe künstlerische Erziehung in den Schulen keine Lo b by mehr. „Sie wird auch von den Eltern nicht ernstgenommen“, sagt Sigrid Baumgart von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Mathe und Deutsch sind wicht i g, und bei letzterem nicht mal Literatur, sondern die Rechtschreibung! Wir sehen uns einem völlig reduzierten Bildungsideal gegenüber.“ Es brauche sich dann niemand zu wundern, wenn die Wirtschaft aufschreie, weil sie Flexibilität, e i gene Denkstrukturen und Präsentationsvermögen ford e re. Wo soll es herkommen? Für die achtjährige Anne aus Leipzig stellt sich die Frage nicht. Sie weiß es: „Singen wir heute wieder den schönen Kanon?“ CHRISTIAN SCHMIDT K U L T U R V E R M I T T L U N G Wagner schon im Kindergarten? KULTURSTAATSMINISTERIN CHRISTINA WEISS ÜBER DIE ART UND WEISE, BRÜCKEN ZU BAUEN Frau Dr. Weiss – was bedeutet für Sie Kulturvermittlung? Kulturvermittlung ist für mich die Art und Weise, Brücken zu bauen zwischen Künstlern und ihrem Publikum. Nimmt man den Kulturbegriff ganz weit, dann versteht sich darunter das Regelwerk des Miteinanders in einer Gesellschaft. Wir müssen uns klar darüber sein, in welcher Kultur wir leben, wie wir miteinander umgehen, wie wir unser Gemeinschaftsleben organisieren. Das Verständnis für Kultur entwickelt schon sich im Kindesalter – wo sehen Sie hier Ihre Aufgabe? Wir haben zu appellieren: an Eltern, an Lehrer, an Schulen, an alle, die mit Kindern zu tun haben. Ich setze derzeit weniger auf die direkte Zusammenarbeit mit den Schulen sondern darauf, außerhalb der Schulen Angebote zu entwickeln. Wir brauchen ein Gegengewicht zu dem, was das etwas unglückselige Halbtagsschulensystem in Deutschland ohnehin kaum leisten kann. Deshalb sind fast alle Kulturinstitutionen aufgerufen, spezielle Angebote für Kinder zu unterbreiten. Und manche tun es auch, auf sehr vielfältige und wunderbare Art und Weise. Wir brauchen aber ein besseres Marketing, das die Kinder direkt erreicht. Künstlerische Erziehung muss vor der Einschulung beginnen. Ist es nicht etwas hoch gegriffen, von Vorschulkindern zu erwarten, dass Sie Wagners Nibelungen verstehen? Darum geht es nicht. Für ein Kind ist es noch nicht die Frage, ob es im Nachbarschaftskulturzentrum ein Theaterstück erlebt oder in die große Oper geht. Für das Kind ist zunächst einmal wichtig zu merken, daß es mit der Kultur in Berührung kommt. Erst später erwacht dann auch das Interesse für die Oper oder das Theater. Wo und wie haben Sie ganz direkten Einfluss auf die ästhetische Erziehung? Einige Häuser obliegen dem Bund direkt. Zum Beispiel die Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder das Jüdische Museum. Da kann ich ganz direkt Einfluss nehmen. Dort fördern und entwickeln wir gerade Modellangebote. Könnten Sie dafür ein Beispiel geben? Wir haben die Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz aufgefordert, spezielle Varianten für die Arbeit mit Kindern zu entwickeln, die bei entsprechender Qualität andere Museen beeinflussen könnten. Aber ich bin immer überrascht, was es für faszinierende Angebote in der Provinz gibt. Ich war vor nicht allzu langer Zeit im Aachener Ludwigmuseum und habe dort einen Tag lang verschiedene Kinderkurse erlebt. Zum Beispiel zum Thema Kunsterfahrung. Die Kinder wurden aufgefordert, Wörter aufzulisten, die ihnen zum einem Kunstwerk einfallen. Dann wurden die Wörter ausgetauscht, und jeder musste mit den fremden Wörtern einen Text schreiben. Ich sehe mich durchaus in einer Wächterrolle. Wenn in den Ländern solche Programme nicht mehr finanziert werden, dann ist unser Widerspruch gefordert. Mehr kann ich nicht tun. Die Kulturhoheit der Länder verbietet ein gesetzliches Durchgreifen. Aber diese Appellfunktion ist nicht zu unterschätzen. Ein anderer Aspekt von Kulturvermittlung ist der interkulturelle Kontext. Mit der EUOsterweiterung gewinnt er aktuell zunehmend an Bedeutung. Welche Pläne haben Sie hinsichtlich der neuen Beitrittsländer? Europa definiert sich wieder als Kulturraum. Wenn man sich früher auf Europa bezogen hat, meinte man meist nur den westlichen Teil. Da fehlte aber die Mitte. Wir haben deshalb vom ersten Moment an gesagt, daß die EU - Erweiterung durch einen sehr intensiven Kulturaustausch begleitet werden muss. Wir wollen Programme auch nicht einfach austauschen, sondern gemeinsam entwickeln. Das betrifft alle Künste. Wir beginnen im Jahr 2005 diesen Austausch mit Polen. Damit es aber keine Politveranstaltungen werden, haben wir die Programmhoheit in die Kulturstiftung des Bundes verlagert, in der ein Gremium aus deutschen und polnischen Fachleuten sitzt, das zusammen plant. Trotzdem noch ein kurzer Blick nach Westen. Haben wir verglichen mit ame- Kulturstaatsministerin Dr. Christina Weiss rikanischen Kulturinstitutionen Nachholbedarf im Bereich Development und Marketing? Ich glaube, der Vergleich ist im Prinzip ein Fehler. Amerikanische Kultureinrichtungen leben fast ausschließlich von privatem Geld. Es wird inzwischen immer lauter beklagt, daß sie auf fatale Weise von ihren Geldgebern abhängig sind. Früher konnte man eher einen Finanzier ablehnen, wenn man die geforderten Auflagen nicht erfüllen konnte. Heute ist das anders. Das System in Amerika ist so aufgebaut, daß der Staat auf direkte Steuereinnahmen verzichtet. Die Leute bestimmen selbst, was sie mit ihren Spenden machen. Bei uns ist der Staat für die Grundversorgung verantwortlich, und das sollte auch so bleiben. Allerdings sollten sich die Kultureinrichtungen hier auch als Dienstleistungsunternehmen für das Publikum sehen. Dazu gehört auch, Partner aus der Wirtschaft zu finden. Die notwendige Lobby läßt sich über Sponsoren, Mäzene und gesellschaftliche Gruppen ungeheuer erweitern. Diese Lobby, wenn sie aus der Wirtschaft kommt, macht viel Eindruck auf die Politik. Es gibt vielleicht immer noch zu wenige Museumsdirektoren und Theaterintendanten, die das wissen. Man sieht es wirklich von Jahr zu Jahr wieder. Die gefragteste Berufsgruppe werden in einigen Jahren diejenigen sein, die als kaufmännische Geschäftsführer in diesen Institutionen arbeiten. Die Zukunft des Kulturmanagements – das ist das, was wir tagtäglich lernen: Konzepte entwickeln, neue Wege finden, Gelder akquirieren um weiterhin erfolgreich Kultur zu vermitteln... Es ist ungeheuer wichtig, daß eine Institution zwei unterschiedliche „Köpfe“ hat: Der eine sollte gefälligst kreativ Pläne machen und der andere soll sich kreativ mit Einnahmemöglichkeiten, Personalführung und Marketing beschäftigen. Da haben wir noch großen Nachholbedarf. Eine letzte Frage: Was würden Sie uns – angehenden Kulturmanagern – für unseren Einstieg ins Berufsleben mit auf den Weg geben? Nichts ausschließen und bereit sein, immer wieder zu wechseln. Offenheit und Beweglichkeit. Ich glaube das ist als innere Einstellung ganz wichtig. Außerdem Begeisterungsfähigkeit. Ich glaube, man darf – erst recht in diesen Zeiten – nur einen Beruf anstreben, den man wirklich mit Leidenschaft machen will. Frau Dr. Weiss, wir danken Ihnen für das Interview. CLAUDIA GELLRICH, SILKE KRUMMEL, JOHANNA LEHMANN, CHRISTIAN SCHMIDT, NING WANG 3 K U L T U R V E R M I T T L U N G Zwölf Uhr mittags in der Kunsthalle VIERMAL IM MONAT VERBRINGEN HAMBURGER IHRE LUNCHTIME IM MUSEUM V iermal im Monat steht die Hamburger Kunsthalle vor der Erstürmung. Immer mittwochs, wenn es vom Michel zwölf geschlagen hat, herrscht im Foyer ein sonderbares, buntes Gewimmel. Seit fünf Jahren geht das nun schon so. Und während andere in der Umgebung zum Mittagessen Platz nehmen, wird hier ein geradezu unbändiger Kunsthunger bedient. Kleine Führungen sollen Appetit auf mehr machen. Es sind vor allem Rentner gekommen, die sich zu kennen scheinen und einander vertraut begrüßen. Mittendrin auch ein paar Studenten. Sie wandeln mit geübtem Blick durch die Rotunde, den Eingangsbereich und Museumsshop. Später stoßen einige Hausfrauen hinzu. Auf den letzten Drücker tauchen schließlich noch Geschäftsmänner auf – elegant im Anzug, aber sehr zurückhaltend. Diesmal soll es um eine Lithographie von Cézanne gehen. Die Referentin wird von den Kunsthungrigen regelrecht eingekreist und kann sich der vielen Fragen kaum erwehren. Der Weg zu Cézanne führt einmal quer durch das ganze Gebäude, kreuzt das Liebermann Café und geht noch zweimal um die Ecke. Verfehlen kann man es nicht, die Traube Info-Box Die Hamburger Kunsthalle bietet u.a. innovative, sehr beliebte und wirklich gut besuchte Programme an: den „Goldenen Freitag“ extra für Rentner, denen jeden Freitag im Monat ermäßigter Eintritt zusammen mit Kaffee und Kuchen im Café Liebermann oder im Bistro geboten wird. Oder „Mund auf, Augen auf! untitled breakfast“ - ein Programm für Jugendliche, die zu einem Preis von 20 Euro jeden Sonntag von 10 bis 14 Uhr im Bistro der Galerie der Gegenwart ausgiebig brunchen sowie drei Führungen mitmachen können. Und die Programme „Donnerstags 19 Uhr“, „Kinderzeit“, „kunst meets kommilitonen“ und, und, und.... Kontakt: Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall, 20095 Hamburg www.hamburger-kunsthalle.de 4 Die Schar der Enthusiasten lauscht gebannt von Menschen ist zu markant. Im Vorbeigehen rauscht noch kurz die Galerie der klassischen Moderne vorbei, in der zur Zeit Neuerwerbungen von Pia Stadtbäumer aus der Reihe „Kunst in Hamburg. Heute“ zu betrachten sind. Aber wahrscheinlich spielt das für die meisten Besucher keine Rolle, sie scheinen allesamt Stammpublikum zu sein und die Kunsthalle genau zu kennen. Im Kupferstichkabinett angekommen, sind die wenigen Hocker längst besetzt. Nachzügler werden mitleidig beäugt, sie müssen stehen. Es wird still. Einige Zuhörer zücken den Notizblock und schreiben eifrig mit. Ein kurzer Abriss zur Geschichte und das Handwerk der Lithographie eröffnet den kunstvollen Mittag. Und das hört sich so an: Alles folgt dem Prinzip des Flachsdrucks, der vor allem der Vervielfältigung von Graphiken diente. Die Zeichnungen werden spiegelverkehrt auf einen bestimmten Stein übertragen. Der Stein wird mit Farbe beschichtet und schließlich wieder auf Papier gepresst. Bei farbigen Lithographien wird das Verfahren entsprechend der Anzahl der Farben wiederholt. Diese schwierige Aufgabe, dass spiegelverkehrte Abbilden der Graphik auf Stein, dann das Beschichten und schließlich wieder das Drucken, wurde größtenteils nicht von den Künstlern selber durchgeführt, sondern von ausge- bildeten Druckern. Auch Cézanne hat die Aufgabe der Herstellung von Lithographien einem Drucker überlassen. Einige der Zuhörer nicken sich gegenseitig wissend zu. Dann dreht sich alles um das Meisterwerk selbst: Cézannes Lithographie „Die vier Badenden oder die großen Badenden“ von1897. Die Referentin erzählt, dass Cézanne bei dieser Lithographie ein farblich stark ausgeprägtes (Leinwand-) Bild von 1875 übernimmt, „Die Badenden bei der Rast“ (besser: beim Schlafen). Das Vorbild ist im Besitz der Barnes Foundation, die so gut wie keine Ausleihen und Abbildungen in Katalogen zulässt. Hierzu zückt die Referentin einen älteren Katalog, um das Originalbild zu zeigen. Die Hälse der Zuhörer recken sich, aber eigentlich können nur die ersten Reihen einen Blick erhaschen. Die hinteren kommen zu kurz. Die Runde erfährt, dass der Badende ein immer wiederkehrendes Motiv in den Bildern Cézannes ist. Die aufrechte Person mit den Händen in den Hüften wurde inspiriert von einer Photographie, die auf der Rückseite einer Zeichnung von Cézanne gefunden wurde, und heute im Museum of Modern Art in New York aufbewahrt wird, wie auch das Bild „Der große Badende“, welches wiederum davon inspiriert wurde. Bei dieser Lithographie hat er zusätzlich mit drei Farben gearbeitet, jeweils um die ver- K U L T U R V E R M I T T L U N G Sexy Oper WIE ARD UND ZDF DEN KULTURBEGRIFF LUSTVOLL VERWANDELN W schiedenen Konturen besser herauszuheben und die Bedeutung und Tiefe des eigentlichen Bildes anzudeuten. Bei solch geballter Informationsflut hat man leicht Angst, den Faden zu verlieren. Aber nirgendwo leidet die Konzentration, die Gruppe lauscht gebannt wie einer Verheißung. Ein paar Minuten später ist der Zauber vorüber, ein kleiner Applaus noch, ein anerkennendes Kopfnicken auch und die Schar der Enthusiasten strömt auseinander. Man verabschiedet sich mit einer neuen Verabredung. Das Konzept der Hamburger Kunsthalle, Besucher und Interessierte mit den „12 Uhr mittwochs“-Appetizern ins Museum zu locken, eine Möglichkeit zu bieten, um ein bedeutendes Kunstwerk kurz und knapp zu einem bemerkenswerten niedrigen Preis aber dennoch intensiv kennen zu lernen, ist nicht nur einfallsreich und in dieser Art einzigartig, sondern auch sehr erfolgreich. Über den anhaltenden Ansturm ist man im Museum noch immer überrascht. Kunstvermittlung in nur 20 Minuten, um den Besuchern einen ersten zeit- und kostengünstigen Einstieg zu gewähren, die Hemmschwelle eines weiterbildenden Museumsbesuchs so weit wie möglich herab zu setzen, scheint in der heutigen, „zeitknappen“ Zeit ein wirklich zu empfehlendes Konzept zu sein. JOHANNA LEHMANN enn es in einem Beitrag des Kulturreport (ARD) über die russische Opernsängerin Anna Netrebko heißt: „Die Antwort auf MTV und Viva. So sexy war Oper noch nie”, das Kulturmagazin Aspekte (ZDF) brisanten Fragen wie „Wann entscheidet sich, ob aus der Begegnung zweier Menschen eine längere Beziehung wird?” nachgeht oder Pablo Picassos Werk „Garçon à la pipe“ als Tabakwerbung interpretiert wird, stellt sich die Frage, ob ARD und ZDF den Kulturauftrag noch ernst nehmen oder doch schon eher auf dem kulturellen Boulevard angekommen sind. Auch die an sich mutige, tägliche Kulturzeit von 3sat nimmt sich vor, was bedroht oder hip, anspruchsvoll und möglichst auch zeitgeistig ist und unterlegt ihre Clips mit elektronischen Bässen, damit auch jeder merkt, dass Kultur durchaus flott sein kann. Zunächst wird über ein neues Buch verhandelt, das sich auf die Abschaffung des Gottesbegriffes bezieht, dann folgt ein zackiger Kommentar, der verkündet, dass die staatlichen Sinfonieorchester mit ihren konservativen Programmen selber schuld seien, wenn sie weggespart werden. Der anschließende Bericht über die ethnischen Säuberungen im Sudan wirkt dann neben dem neuesten Klatsch vom Filmfestival in Cannes wie ein Event einer experimentellen osteuropäischen Theatergruppe. Was sperrig ist und sein muss, wird massentauglich gemacht. Und was schon Unterhaltung ist, wird noch weiter popularisiert. Es hat den Anschein, als würde Hochkultur dem Bildungsniveau eines Abiturienten angepasst – als Prise Restkultur im bunten Elend der Quizshows und Reality-Soaps. Als würde man dem eigenen Gegenstand misstrauen, konzentriert man sich immer häufiger auf die vermeintlich interessanteren Themen aus Politik und Wissenschaft. Da müssen Moderatoren, die von Astronomie und Physik so viel verstehen wie Albert Die Antwort auf VIVA? Die Sängerin Anna Netrebko Einstein vom Stepptanz, über die politische Dimension der Raumfahrt debattieren, als seien sie gerade von einer Konferenz mit Nobelpreisträgern zurückgekommen. Es ist wohl eine Tatsache, dass zur Zeit ein Abbau von Kulturprogrammen betrieben wird. Der Rest tarnt sich als Kessel Buntes. Gerade die öffentlich-rechtlichen Anstalten rücken von traditionellen Kultursendungen ab, die nicht auf Anhieb die Quotenvorgaben erreichen. Doch was bei den Privaten vertraglich festgelegt ist – ein bisschen Alexander Kluge zwischen der Suche nach Millionären oder Superstars –, obliegt bei den gebührenfinanzierten Sendern den Programmdirektoren. Mit Verweisen auf die Zwänge des Mediums, die Quoten, den Etat, die Schwierigkeiten, überhaupt noch derartige Randgruppen zu bedienen, werden Kulturformate massentauglich zurechtgestutzt. Dabei ist es gerade der Mut zur Qualität, mit dem sich die ÖffentlichRechtlichen langfristig behaupten könnten. Dazu gehört, die Intelligenz und Neugier der Zuschauer nicht zu unterschätzen und Offenheit für neue Formate nicht mit Beliebigkeit der Inhalte zu verwechseln. Wenn sich das Fernsehen in einigen Jahren in hunderte digitale Kanäle auflöst und nichts anderes mehr ist als ein Internet der bewegten Bilder, selbst und gerade dann wird man anspruchsvolle Kultursendungen brauchen. Allerdings nur, wenn es diese noch gibt. JANA WUTTKE 5 K U L T U R V E R M I T T L U N G Alles muss raus! SOMMERSCHLUSSVERKAUF DER KULTURPOLITIK IN BULGARIEN M an stelle sich vor, das Pergamonmuseum würde an Walt Disney verkauft und keiner erfährt davon. In Sofia sind derartige Gedankenspiele keineswegs dem Reich der Phantasie zuzuordnen. Ginge es nach dem Willen des bulgarischen Kulturministers Bojidar Abrashev wäre die Nationalgalerie in Sofia ebenso sang- und klanglos in ein Entertainmentkomplex mit Swimingpool umgewandelt worden. Das 1884 erbaute Gebäude für ausländische Kunst gegenüber der berühmten Alexander-NevskiKathedrale birgt etwa 3000 Kunstwerke von der griechischen Antike bis zur Neuzeit. Doch der Übergang vom wertvollen Kulturerbe zur Top-Immobilie in Citylage ist fließend – und letztlich auch eine Frage des Preises. In diesem Fall kostete das staatliche Einverständnis zum Verkauf an eine türkische Hottelkette 150.000 Dollar. Erst als sich der Maler Svetlin Roussev in einem Brief an die bulgarischen Tageszeitungen wandte, gelangte die Korruptionsaffäre an die Öffentlichkeit. Viele andere Geschäfte des Kulturministeriums werden hingegen im Verborgenen abgewickelt. So wurde 2003 der einzige Botanische Garten des Landes verkauft – ebenfalls an ein Hotelkette. Korruption ist nur eine Folge einer langjährigen maroden staatlichen Kulturpolitik. Die derzeitige kulturelle Infrastruktur basiert auf einem Modell aus dem 20. Jahrhundert, das auch im sozialistischen Bulgarien nicht grundlegend verändert wurde: Der Staat ist Eigentümer einer festgelegten Anzahl nationaler Kulturinstitutionen, deren Verwaltung aus seinen Mitteln finanziert wird. Nichtstaatliche Organisationen und private Initiativen können in die Förderung nicht aufgenommen werden. „Unabhängig von der finanziellen Lage ist das grundlegende Problem Bulgariens der fehlende Wille, die Kulturpolitik zu reformieren“, sagt Dessi Gawrilova, Leiterin des privaten Kulturzentrums Das Rote Haus in Sofia. Viktor Paskov, Schriftsteller und Leiter des bulgarischen Kulturinstitutes in Berlin, formuliert es noch härter: „Der Staat ist ein bloßer Verwalter der Kultur, der ohne Geld, eigene Ideen oder Kompetenz agiert. Nach außen scheinbar harmlos ist es genau diese kurzsichtige Politik, die die gesamtgesellschaftliche Stagnation im Kulturbereich fortschreibt.“ Ein kleiner Schritt, Eigeninitiativen zu honorieren, ist die Einrichtung eines Nationalen Kulturfonds sowie die Ausschreibung eines Förderwettbewerbs, der Die Kluft zwischen Ambition und Verfall ist allgegenwärtig 6 von den Kunstzentren des Kulturministeriums ins Leben gerufen wurde. Für die Fondsmittel können sich zwar sowohl staatliche als auch private Institutionen bewerben, dennoch geht sämtliche Förderung privater Programme bei der Anmietung staatlicher Häuser wieder verloren. Eine nachhaltige Infrastruktur kann in Form dieser kurzfristigen und sehr geringen Finanzhilfen von bis zu 200 Leva (etwa 100 Euro) nicht gewährleistet werden. Der Kulturanteil am Staatshaushalt beträgt 1,6 Prozent, und auch darauf können die Kreativen nicht wirklich bauen. Denn das wenige Geld versickert nicht selten in undurchsichtigen Kanälen. „Die junge bulgarische Kunst- und Kulturszene ist damit fast vollständig auf die Hilfe von Stift u n gen angewiesen“, erklärt Gawrilova. Neben der open society foundation, der Europäischen Kulturstiftung oder der Schweizer S t i ftung pro helvetia ist das Soros-Zentrum für Kulturpolitik wie in vielen anderen osteuropäischen Ländern einer der Hauptsponsoren für Kultur und verteilt insgesamt mehr als 500 000 Dollar jährlich für kulturelle Projekte. Die Stiftung des amerikanischen Finanziers George Soros ist bei einigen Künstlern umstritten – ihr werden mafiöse Strukturen und blinder Import westlicher Kunstkonzepte unterstellt. Tatsache ist, dass die Gelder der ausländischen Stiftungen, einen Macht- und Verteilungskampf entfacht haben. Zu sozialistischen Zeiten waren alle Künstler automatisch in Verbänden organisiert, der Staat garantierte ihr Auskommen oder kaufte Auf der Jagd nach der Kultur – ein Trophäensammler auf dem Balkan ihre Werke an. Heute, nach dem Wegfall der staatlichen Subventionen und angesichts eines Verlustes der realen Kaufkraft von 70 Prozent, leben viele Künstler am Existenzminimum. Nur wenige können auf hergebrachte Strukturen zurückgreifen oder im Ausland ausstellen. Ein weiteres Problem ist die zunehmende Vergreisung der Kunst- und Kulturszene durch die Abwanderung der Jungen. „Es existieren eine Vielzahl privater Zirkel, die vor sich hin dümpeln, die Anzahl innovativer oder experimenteller Kulturprojekte ist eher gering“, erklärt Gaw r i l ova. Sobald Geld vorhanden ist, scheint alles machbar; ohne Mittel verfällt selbst K U L T U R V E R M I T T L U N G Es war einmal in Amerika FROM: HUMMEL, CLARA [MAILTO:CLARA@GMX.DE] SENT: TUESDAY, MARCH 23, 2004 6:31 AM Liebe Uli, nach sechs Tagen New York kommt endlich ein Lebenszeichen von mir. Außerdem gibt´s hier den versprochenen kurzen Zwischenbericht von unserer Exkursion: Es ist fantastisch! das, woran allen gelegen ist. Die Kluft zwischen Ambition und Verfall, die im kulturellen Leben allgegenwärtig ist, kann als Symbol für das gesamte Land verstanden werden. Neben den sichtbaren Re s u l t aten der Kommerzialisierung in Form von Casinos, Banken, Cafés und großen Einkaufszentren verfallen genau jene öffentliche Bereiche, die (noch) nicht nach marktwirtschaftlichen Prinzipien funktionieren. Dazu gehören Theater, Galerien und Schulen. Der nach außen getragene und hart ersparte Luxus neuer Handys, Autos und Kleidung basiert auf dem Mythos einer westlichen Hochglanzwelt, die bei den meisten Bulgaren in einem schizophrenen Gegensatz zu den realen Lebensumständen steht. Erst vor den unzähligen Werbeplakaten stimmen Umgebung und Eigendarstellung überein. Anstatt diesen Kontrast zum Thema zu machen, bemühen sich viele Künstler, ihn zu kaschieren. Es gibt selten Ironie, obwohl sie auf der Straße liegt. So gelten die Projekte des Multimediakünstlers Ventsislav Zankov, der sich mit Selbstinszenierungen in den Medien befasst, oder das Avantgarde-Theater von Javor Gardev, als mutig, sind aber relativ erfolglos. Unterhaltung und Ablenkung sind gefragt. Bevor man sich wieder kulturellen Inhalten widmen kann, gilt es die Korruption und Schattenwirtschaft einzuschränken und der Kultur eine finanzielle wie politische Unabhängigkeit zuzubilligen. Als Reaktion auf das Geschacher mit der Nationalgalerie wurde eine Assistentin des Ministeriums entlassen. Der mit Bestechungsvorwürfen konfrontierte Kulturminister ist immer noch im Amt. JANA WUTTKE In den vergangenen Tagen haben wir den amerikanischen Kulturmanageralltag selbst erlebt: ein „meeting“ nach dem anderen mit Managern von ganz unterschiedlichen Kulturinstitutionen. Heute standen Wall Street Correspondances, Guggenheim New York, JP Morgan Chase und last but not least die MET auf dem Programm. Apropos MET: Ein schneller Blick auf die riesigen Chagalls im Foyer, und schon rauscht Hilary Lee freundlich lächelnd heran. Es ist 15 Uhr. Sie begrüßt uns mit einem heiteren How are You?, erkundigt sich wie es uns gefällt und möchte wissen, was wir bislang erlebt haben. Hilary wirkt auf Anhieb sympathisch, trägt ein rotes Kostüm, ihr Haar ist kurz. Zierlich ist sie, aber voller Power und Selbstvertrauen. Sie schwebt durch die Hallen und erzählt uns zunächst etwas über die Geschichte des Opernhauses. Hilary verkörpert wirklich exemplarisch, wie unkompliziert und kreativ viele Amerikaner ihr Leben in die Hand nehmen. Immer geht es um den Traum, die Idee, das Projekt. Sie haben eine Vision, und wenn sie sich als richtig herausstellt, wird sie umgesetzt. Punkt. So einfach ist das. Nicht selten wird erst anschließend das dafür notwendige Geld besorgt – also ganz anders als bei uns in Deutschland. Natürlich ist das eine sehr vereinfachte Darstellung, aber im Grunde läuft es hier so. Woran das liegt? Hilary erklärt uns, dass amerikanische Kulturinstitutionen sehr viel stärker in Deutschland darauf angewiesen sind, selbst Geld zu akquirieren. Der Staat hält sich meist vornehm heraus. Da die Häuser auf eigenen Füßen stehen müssen, haben sie im Vergleich zu Deutschland riesige Marketingund Developmentabteilungen. Zehn oder mehr Mitarbeiter sind absolut normal. Neben Fundraising kümmert man sich dort um Audience development. Denn: wer das Publikum von morgen entdecken will, muss sich etwas einfallen lassen. Und genau da kommt Hilary Lee zum Zug. Das Motto der MET lautet „Growing up with Opera“. Es geht gezielt darum, Schul- und Kindergartenkinder für das Musiktheater empfänglich zu machen. Die Hemmschwelle soll fallen, die Oper als Lebenselixier und nicht als Luxus empfunden werden. Weiter erklärt sie uns, dass die Lehrer von Musik- und Theaterpädagogen der MET in speziellen Seminaren gecoacht werden. Ziel ist es, die Kunst- und Musikerziehung an den Schulen zu unterstützen und zu ergänzen. Hier lässt sich lernen, wie man Musik komponiert, Texte schreibt, Theater spielt oder singt. Außerdem wird ihnen beigebracht, was sonst noch zu einer Oper gehört: von der Anfertigung der Kostüme bis hin zum Entwurf von Bühnenbildern. Es ist wenig verwunderlich, dass dieser Aufwand getrieben wird, denn es geht nicht nur um Bildung, sondern auch um zahlungskräftiges Publikum von morgen. Montag geht´s dann weiter nach Las Vegas, von dort aus melde ich mich wieder. Ich hoffe, es geht Dir gut in Good Old Germany! Alles Liebe, Deine Clara CLAUDIA GELLRICH 7 K U L T U R V E R M I T T L U N G Die Kulturköpfe VON WEISSEN SCHIMMELN, FELDFRÜCHTEN UND LUSTIGEN G’STANZEL: ZEHN PROMINENTE VERSUCHE, DEN BEGRIFF DER KULTURVERMITTLUNG ZU ÜBERSETZEN DR. GERHARD STADELMAIER, THEATERCHEF DER F.A.Z.: Von: ”Stadelmaier, Gerhard“ Datum: Tue, 1. Jun 2004 10:57:02 Europe/Berlin An: ’silke krummel‘ Betreff: AW: interviewanfrage Sehr geehrte Frau Krummel, tut mir leid, aber es trifft wirklich nicht nur Sie: Derartige Zwei-Minuten-Auftritte mache ich grundsätzlich nicht. Was ich zu „Kulturvermittlung“ (ein Wort, mit dem ich sowieso nichts anfangen kann) zu sagen hätte, wenn ich denn etwas dazu sagen wollte, würde ich ausschließlich in der F.A.Z. sagen beziehungsweise schreiben. Beste Grüße Ihres sehr ergebenen Dr. Gerhard Stadelmaier ALICE STRÖVER, VORSITZENDE DES KULTURAUSSCHUSSES DES BERLINER ABGEORDNETENHAUSES (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In meinem direkten Umfeld heißt es zuerst den Kollegen innerhalb des Parlamentes deutlich zu machen, welche Bedeutung Kultur- und zwar im weitesten Sinne für das Stadtleben hat und die Vermittlung dessen ist schon mal ein ganz wichtiger Ansatz, das heißt zu sagen, dass Kultur zum Leben gehört. Ich finde Politiker sollten eigentlich – auch mit der Art wie sie die Dinge kommunizieren – Kulturvermittler sein. Wo auch immer sie gehen und stehen sollten sie darauf hinweisen, was Kultur zur Bereicherung des Lebens beitragen kann. Konkret heißt das, dass ich das Kulturleben einsaugen muss, damit ich im Einzelfall auch weiß, worüber entschieden wird. Es gibt Kulturpolitiker/innen, die wissen nicht wovon sie sprechen, weil sie einfach das Kulturleben selbst gar nicht in das, worüber sie entscheiden, einbeziehen. Aber nur wenn ich weiß, was Kunst und Kultur konkret bedeuten, kann ich darüber Entscheidungen treffen. Das sehe ich als Prinzip meines Handelns. 8 PROF. OTTOMEYER, GENERALDIREKTOR DES DEUTSCHEN HISTORISCHEN MUSEUMS: Unser wesentliches Anliegen ist die Ve rmittlung von Ke n ntnissen von Geschicht e und Ku l t u rgeschichte. Und man sollte öfter in ein Lexikon schauen, wo unt e r “Kultur” der Anbau von Feldfrüchten bezeichnet wird und im übert ragenen Sinne ist somit Kultur eige ntlich ein Handeln bz w. eine Arbeit für spätere Zeiten. Wir haben einen Vorteil, den man fast nicht kaufen kann und das ist die Lage. Und wir wissen aus Besucherbefragungen anlässlich unsere r Ausstellung „Holocaust“, dass über 30 Pro ze nt unserer Besucher nur in das Museum kommen, weil sie vo r b e ikommen. Und die anderen über 30 Prozent kommen aus Berlin und Brandenburg und wiederum erstaunliche über 30 Pro ze nt aus dem internationalen Ausland. Und so glücklich wir sind, so sehr bedauere ich eben Museen, die sich auf Standorte haben abdrängen lassen, die nicht besucht werden. Museen wa ren immer mitten in der Stadt und wir sollten uns nicht von Stadtplanern überreden zu lassen, das Museum im Grünen zu akzeptieren. PROF. SEBASTIAN TURNER, GESCHÄFTSFÜHRENDER GESELLSCHAFTER SCHOLZ & FRIENDS BERLIN Kultur ist Vermittlung. Kulturvermittlung ist also ein weißer Schimmel. Wenn man Kulturmarketing meint, müssten sich all jene verkauft fühlen, die ihr Publikum nicht so überzeugen, dass sie dafür einen angemessenen Gegenwert verlangen können.Kulturvermittler ist ein Beruf, der uns verdächtig sein sollte. DR. MATTHIAS VON HÜLSEN, MITBEGRÜNDER DES SCHLESWIGHOLSTEIN-MUSIKFESTIVALS UND GRÜNDER DER FESTSPIELE MECKLENBURG-VORPOMMERN: Kultur ist die in Form gegossene Art des Umgangs der Menschen miteinander, zum Ausdruck gebracht in den Kulturformen des täglichen Lebens. Kulturvermittlung findet vor allem durch Lehrer und Pädagogen statt. Die Künste sind die höchste Sublimierungsform der Kultur – sie vermitteln sich selbst. Kunstvermittlung bedeutet also für mich, die Vermittlung einer ästhetischen Botschaft. Und das ist die Aufgabe der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. K U L T U R V E R M I T T L U N G CARL HEGEMANN, CHEFDRAMATURG AN DER VOLKSBÜHNE BERLIN: HANSI HINTERSEER, VOLKSMUSIK-STAR: Bei Auftritten habe ich nicht nur meine Hits im Gepäck, sondern auch echte Volksmusik und lustige G’stanzel aus meiner Heimat Kitzbühel. Ich habe das Glück, meine Liebe zur Natur und unseren Bergen, von denen ich ein absoluter Fan bin, Menschen nahe bringen zu dürfen. Ich scheine etwas an mir zu haben, was die Menschen mögen, und auch mir macht es einen Riesenspaß, auf der Bühne zu stehen. Aber vor allem freut mich, dass ich mit meinen Liedern die Herzen der Menschen erwische. PROF. ANDREAS SCHULZ, DIREKTOR DES GEWANDHAUSES ZU LEIPZIG: Jedes Konzerthaus betreibt Kulturvermittlung auf allen Ebenen, kommentiert oder unkommentiert und für unterschiedliche Altersstufen. Kulturvermittlung beschränkt sich ja nicht nur auf Jugendliche oder Kinder allein – auch mancher Erwachsene kann noch für die Schönheiten klassischer Musik gewonnen werden. Wir müssen – unabhängig vom Alter – Schwellenängste vor der Institution oder den vermeintlich konservativen Ritualen abbauen. Wer es nicht gewohnt ist, in ein Konzerthaus zu gehen, benötigt eine Initialerfahrung, die prägend ist und nachwirkt. Dazu gehören zum Beispiel die kostenlosen Innenstadtkonzerte des Gewandhausorchesters im Sommer. Die Volksbühne befasst sich mit historisch speziellen Formen der Kultur als solchen und reflektiert sie. Sie befasst sich mit allen Fragen, die den Menschen beschäftigen. Es geht hierbei nicht um das allgemeine Verhältnis von Natur und Kultur, sondern um die Ambivalenz und Ambiguität der Kultur. Die Auseinandersetzung mit Kultur ist ein weiterer Schritt nach der Auseinandersetzung mit der Natur. Kultur kann in einem Theater gut reflektiert werden. Die Volksbühne macht eine Widerspiegelung des täglichen Lebens, und somit eine Reflektion möglich. Das was im tägliche Leben passiert wird im Theater dargestellt und somit reflektierbar für die Menschen gemacht. Dinge, die nicht automatisch und von alleine wahrgenommen werden, werden einem im Theater vor Augen geführt und man bekommt die Chance, sich mit ihnen kritisch auseinander zu setzen. Das wichtige und vermittelnde Moment im Theater ist der Akt der Begegnung, das Erlebnis mit dem Realen. Kunst ist schließlich die nachdenklich machende Auseinandersetzung mit dem Leben. PROF. DR. PETER RAUE, KULTUR-ANWALT UND VORSITZENDER DES VEREINS FREUNDE DER NATIONALGALERIE: Kultur kann man nicht vermitteln. Kultur ist mehr als das Re c ht (und vielleicht die Pflicht), ein Buch zu lesen, zu wissen, wer wo geschrieben hat „Habe nun ach, Philosophie / Juristerei und Medizin ... d u rchaus studiert“, und Bach von Moza rt u nterscheiden zu können. Was dort vermittelt we rden kann, ist das Angebot an Kunst, dessen Rezeption (ich spreche nicht von Genuss), den Leser, Hörer, Betra c hter reicher, glücklicher und immer neugieriger auf eben jene Kunst, die er liest oder hört oder sieht , zu machen. Erstreckt sich diese Neugier auf die Dauer einer Existenz, so wird das Erlebte zur „Kultur“, die der Mensch in sich trägt und we i t e rg i b t. Dass in Berlin auch Museen mit höchstkarät i ger Kunst (G e m ä l d egalerie mit D ü rer und Caravaggio, Rembrandt und Tizian) oft gähnend leer sind, liegt wohl dara n , dass nicht ve r m i ttelt wird, was dort zu sehen ist. Es ist falsch, die Kunst für so heilig zu halten, dass man für sie nicht werben dürft e. Kunstvermittlung heißt, dem Menschen die Kunst so nahe zu bringen, dass er sie niemals wieder loslassen will. GERT SCOBEL, REDAKTIONSLEITER VON „DELTA“ UND MODERATOR DER 3SAT - KULTURZEIT: Ich verstehe den Bildungsauftra g, den das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat in zweierlei Weise: der Bildungsauftrag bedeutet, dass man Inhalt der Bildung sozusagen Bildungsobjekte in das Medium Fernsehen bringt. Der andere Teil hat damit zu tun, die Urteilskraft der Zuschauer/Innen zu bilden. Dies ist ein völlig anderer Pro zess, der wenig damit zu t u n hat ein bestimmtes Objekt ins Fernsehen zu bringen, sondern ein Pro zess ist, die die Urteilskraft der Zuschauer/Innen förd e rt. Die Programme müssen so gestaltet werden, dass sie die Urteilskraft der Zuschauer fördert, d. h., dass wir sie nicht auf Dauer unt e rfordern d ü rfen. Wenn ich anfa n ge mich zu ent s c h u ldigen, nur weil ich im Kulturbereich arbeite oder weil ich Kultur mache, dann schaffe ich das Problem. Auch in der Ökonomie sind Probleme aufgetaucht, die man mit Mitteln des ökonomischen Denkens nicht mehr in den Griff bekommt. Man bra u c ht einen e rweiterten Horizont, um mit diesen Problemen zure c ht zu kommen – und dies ist exakt der Punkt, wo die Kultur ihren Platz hat. Die Arbeit bei der Vermittlung besteht , diesen Platz zu finden. 9 P R O J E K T E Kongress 6. BERLINER FORUM FÜR KULTURUND MEDIENMANAGEMENT Das Publikum von morgen scheint ein Mysterium zu sein. Wurden leere Theatersäle bis vor einiger Zeit mancherorts fast als eine Art Gütesiegel für die ausgezeichnete künstlerische Qualität behandelt, fühlten sich Bildungsbürger in Museen von zu viel und zuviel fragendem Publikum eher belästigt, hat sich Blatt inzwischen dramatisch gewendet. Museen, Theater und Opernhäuser stehen genauso wie die Kultursendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor einem doppelten Dilemma. Einerseits lassen sinkende Kulturetats die Frage nach Sinn und Zweck des eigenen Hauses aufkommen. Andererseits sind die Macher mit einer neuen Form von Publikum konfrontiert, das einem performativen Begriff von Kultur folgt, wie Referent Dr. Wolfgang Hagen von DeutschlandRadio Berlin beschreibt. Wer sich heute online eine Karte für die neue Inszenierung von Lars von Triers „Epidemic“ im Hebbel am Ufer (HAU) reserviert, hat keine Probleme damit, sich am nächsten Tag genauso selbstverständlich im Kino einen Blockbuster wie „Day after Tomorrow“ anzusehen. Angebote für die eigene Freizeitgestaltung sind unbegrenzt, Aufmerksamkeit, Zeit und Budget des Konsumenten dagegen sehr wohl. Der Wettbewerb unter den Anbietern ist dramatisch gestiegen. Damit traditionelle Kulturinstitutionen nicht zwischen Quote und Aktzeptanzschwund zerrieben werden, müssen sie sich in Zukunft vor allem eine Frage stellen: die nach dem Besucher, dem unbekannten Wesen. Wieder einmal wurde mit großem Erfolg das Forum für Kultur- und Medienmanagement von den Studenten des IKM organisiert. Dieses Jahr übrigens zum sechsten Mal. Fortsetzung folgt. SILKE KRUMMEL 10 Ein Intendant im Außendienst DEUTSCHLANDRADIO WIRBT IM HOHEN NORDEN UM HÖRER M anchmal unterscheidet sich auch ein Int e n d a nt n i c ht von jedem a n d e ren Mitarbeiter im Au ß e ndienst. Er muss in entlegene Wi n kel reisen, um sein Produkt a n z u p reisen – sei es nun ein Staubsauger oder ein Radiosender. Die Tür des schwarzen Mercedes mit Kölner Kennzeichen öffnet sich vor einem Musikcafe, wo im ersten Stock eine Pressekonferenz abgehalten we rden soll. Ernst Elitz, Int e n d a nt des DeutschlandRadio, überquert mit ernstem Gesicht die Straße, lächelt s ofort beim Eint reten und gibt jedem Journalisten die Hand. Der Kreis Gre i fswalder Lokaljournalisten ist überschaubar – man kennt sich hier. Warum eine Hörspielnacht in Gre i fswald? Ernst Elitz bemüht sich um Argumente: die ge l u n gene Kooperation mit dem WolfgangKoeppen- Literaturhaus, das studentische, ku l t u rell intere s s i e rtePublikum. Der Int e nd a nt hält Greifswald für einen geeigneten Ort, um das Jubiläum der Welle zu feiern. Schließlich soll es sich um einen „deutschdeutschen Integrationssender“ handeln. Trotz der mage ren Quoten in MecklenburgVorpommern und der teilweise recht s c hwachen Fre q u e n zen ist sein Optimismus n i c ht zu brechen. Plötzlich schaltet sich die Hörspielchefin ein, e rzählt von neuen Formaten, dem t reuen Stammpublikum und den zunehmend jünge ren Höre r, die sich für öffe ntliche Hörspielaufführungen begeistern. Sie erwä h nt lobend die Gre i fswalder Studenten, die mit einer Pe rfo rmance die Hörspielnacht e röffnen. Pa u s e. Wieder ve re i n zelte Blicke und Schwe i ge n . Nur der Pressesprecher der Universität ka n n ein sto l zes Zucken mit den Mundwinke l n n i c ht verberge n . Der Intendant lächelt. Int e g ration ist harte Arbeit. Re d e s toff gä b e es genug: die geplante Gebührenerhöhung 2 0 0 5, die Konkurrenz zu den Landes- rundfunkanstalten, der aktuelle Stand der Frequenzverga b e. Zwei Journalisten beißen stattdessen herz h a ft in ihr Brö t c h e n . Im Koeppen-Haus ist es jetzt brechend voll. Das von sechs Studenten des IKM erarbeitete und realisierte Konzept der Hörspielnacht geht auf: Junge Leute stehen gedrängt in den beiden Räumen des Untergeschosses. Die Leiterin des Literaturhauses bahnt sich zielstrebig den Weg durch die Menge und stürzt sich auf den Intendanten. Das Haus sei seit Wochen ausverkauft, erzählt sie stolz, das Doppelte an Karten hätte man absetzen können. Mit dem Mikrofon in der Hand begleitet sie ihn ins Obergeschoss und stichelt gegen die ansässige Presse: „Bei Günter Grass haben sie den Mund auch nicht aufbekommen...“ An den Stühlen hängen Hans AlbersMasken, an der Decke plakativ skandinavische Nationalflaggen. Das frische Tannengrün erinnert an Weihnachten. Die Performance „Nacht im Norden“ beginnt mit einem besonderen Hörspiel aus der Region: dem Seewetterbericht. Auf der Bühne steht unschlüssig ein Matrose mit einem Plastikeimer über dem Kopf und dreht an den Reglern eines uralten Radios. Hinter der kleinen Szene verbirgt sich eine bewusst störanfällige Versuchsanordnung – zwei Sender mit geringer Reichweite strahlen vorproduziertes Material aus, darunter auch ein in Liverpool aufgenommener Shanty. Er gelangt über Mikrofon in einen Mixer, bis dem technisch verzerrten Material Musik eines Akkordeons entgegengesetzt wird. „Das ist gekauft“, resümiert anerkennend die Hörspielchefin. Vor einem begeisterten Publikum findet auch der Intendant wieder zu rhetorischer Leichtigkeit zurück und entlässt das Publikum in die lange Hörspielnacht. KULT Der geklonte Hans Albers läßt grüßen – Hörspielnacht in Greifswald P R O J E K T E Iris Berben im Abendrot DER KULTURSOMMER IM JÜDISCHEN MUSEUM Chill - out im Jüdischen Museum S chön war der Sommer nun wirklich nicht, immer und immer wieder machte uns Petrus einen Strich durch die Rechnung und schickte fast täglich einen Regenguss mit Donner und Gewitter auf die Stadt hernieder. Die Nerven von OpenAir-Veranstaltern liegen blank. Davon war im Jüdischen Museum nichts zu spüre n . Das Team des Instituts für Kulturund Medienmanage m e nt ließ sich vom schlechten Wetter nicht beeindrucken, denn Flexibilität ist alles. So wurd e n Fre i l u ftve ranstaltungen des zweiten Kultursommers im Handumdrehen ins Innere verlegt. Au c h als Iris Berben aus der Au to b i o g raphie von A l exander Granach lesen sollte, grollte der Himmel. Doch schnell zog man um, was sich als Glücksfall erweisen sollte und dem Ausdruck der Stimme von Iris Berben bekam. Auf der Bühne des halbdunklen Saals saß die Schauspielerin fast in Au ge n h ö h e mit dem Publikum. Die Zu h ö rer waren so still und ko n ze ntriert, dass man jedes einzelne Wort von Frau Berben wahrnehmen konnte, als würde sie nur einem selbst vorlesen. Die Halbdunkelheit lud ein, die Au ge n zu schließen, die Gedanken schwe i fen zu lassen und in die Welten des Alexander Granach abzu tauchen... Ostgalizien, die fruchtbare Erd e , die Kinder, Uk rainer, Juden und Polen. Der Duft von nasser Erd e , wie sie nach einem Regenguß in der Luft hängt, drang von den Fenstern in den Saal. In der Jugend von Granach gab es einen Spaziergarten, der deshalb so heißt, weil man dort mit der Dame des Herzens lustwandelte. Und während Iris Berben schon weiterlas, erinnert man sich selbst zurück an den letzten Sommer, der warm war und herrlich und in dem die Tradition der Kultursommer im Jüdischen Museum begründet wurde. In eine ähnliche Stimmungve r s e t z t sah man sich auch nach dem Abend mit Iris Berben, h e rvorge r u fen durch ihre Art des Vorlesens. Schließlich klarte der Himmel dann doch noch auf und ein wunderbare s Abendrot s p a n nte sich über den LibeskindBau. Bis zum 13. September wurde im Jüdischen Museum ein facettenreicher Kultursommer offeriert – gleich was das Wetter dazu meinte. NING WANG Die Stimmung steigt PRIMA KLIMA: DER KULTURINDEX KLETTERT UM FÜNF PUNKTE D ie Stimmung im Berliner Kulturbetrieb wird besser. Zu diesem Ergebnis kam die Frühjahrserhebung des Kulturindex 2004. Der Index lag bei 41 Punkten und hat sich damit gegenüber dem Herbst um fünf Punkte verbessert. Trotz schwieriger Rahmen- und Marktbedingungen sieht die Kulturwirtschaft allgemein positiver in die Zukunft. Der Index wurde erhoben, als die MoMA - Ausstellung eröffnet wurde. Konkret interessierte dabei, in welcher Weise die Schau die Berliner Kulturlandschaft beeinflussen würde. 83 Prozent der Befragten antworteten mit einem klaren Nein. Ihrer Ansicht nach hätte die Großausstellung keinerlei Einfluss auf ihre Kulturarbeit. Auswirkungen des New Yorker Gastspiels registrierten lediglich Museen und Galerien. So gaben 23 Prozent der Museen und 57 Prozent der Galerien an, dass sie einen positiven Impuls verspüren. Dieser Effekt machte sich aber vor allem in den Besucherzahlen und in der Medienwirksamkeit bemerkbar, nicht aber im Umsatz. Das Stimmungsbarometer für die wirtschaftliche Lage der Kulturbetriebe folgt einer Idee aus New York und Chicago. Eine Gruppe von Studenten des Institutes für Kultur- und Medienmanagement (IKM) hat in Zusammenarbeit mit der Industrieund Handelskammer Berlin (IHK) dieses Modell nun auch auf Berlin übertragen. Der Kulturindex funktioniert nach dem Prinzip des Geschäftsklima-Index und versteht sich als Vergleichsgröße für unternehmerische Entscheidungen sowie als Argumentationsgrundlage für die Kultur in den Medien und der Politik. NING WANG Arts and Media Administration FAQ ZUM MASTERSTUDIENGANG „ARTS AND MEDIA ADM INISTRATION“ AN DER FREIEN UNIVERSITÄT BERLIN Der Masterstudiengang „Arts and Media Administration“ an der Freien Universität Berlin – ist der Studiengang des Instituts für Kultur-und Medienmanagement, das zum Wintersemester von der HfM „Hanns Eisler“ an die FU Berlin gewechselt – ist aus dem Diplomstudiengang „Kultur –und Medienmanagement“ hervorgegangen – ist ein anwendungsorientierter Masterstudiengang – h at unverändert zum Ziel, Qualifiz i erung und Orientierung im Kulturund Medienbereich zu ermöglichen. – zeichnet sich unverändert durch einen Theorie-Praxis-Verbund aus, d.h. Theorieseminare werden ergänzt durch die Arbeit in Praxisprojekten. – kann nur noch postgradual absolviert werden. Voraussetzung ist ein Magister, Diplom, Staatsexamen bzw. (Neu!) Bachelor in einem geistes-, sozial-, wirtschafts- oder rechtswissenschaftlichen Fach. Künstlerische Fächer sind nicht mehr zugelassen. – ist gebührenpflichtig mit 500,- Euro pro Semester – hat unverändert ein zweistufiges Bewerbungsverfahren: schriftliche Bewerbung, Auswahl von 70 Bewerbern zu einem Auswahlgespräch, danach Auswahl und Immatrikulation von 25 Studenten – immatrikuliert unverändert einmal pro Jahr, jeweils zum Wintersemester – Bewerbungsschluß ist der letzte Freitag im Juni, neu: Die Unterlagen müssen an diesem Tag vollständig im Zulassungsbüro vorliegen. Sprechstunden: Dagmar Boeck: Dienstags 8.30 bis 10 Uhr, donnerstags 17.30 bis 18.30 Uhr, KL 25/335 oder telefonisch 030. 838 525 72. 11 P R O J E K T E Kunst = Kapital? DIE GENERATION GOLF UND DER GALERIENMARKT E ppendorfer Landstraße, Hamburg, 8 Uh r: Marek K., Unternehmensberater, 32 Jahre alt, Single und kaufkräftig, macht sich auf den Weg von Hamburg nach Berlin. Sein Ziel: die Berliner GalerienSzene. Objekt der Begierde: ein Stück Kunst für die eigenen vier Wände. Interessant soll es sein, junge Kunst aus Berlin. Ob Fotografie oder Malerei, das weiß er noch nicht. Die Wohnung soll durch das Kunstwerk individueller wirken. Natürlich hofft der Berater auch auf den steigenden Wert des Künstlers. Trotz Wirtschaftsflaute gibt es sie tatsächlich: eine junge, nachwachsende kaufkräftige Generation Kunstinteressierter. Die Generation Golf, ein Stück Hoffnung für den gebeutelten Berliner Galerienmarkt? Berlin Friedrichstraße, 11 Uhr: Dr. Harald M. betritt das Kulturkaufhaus Dussmann in der Friedrichstraße. 42 Jahre alt, Familienvater, sucht er nicht nach neuen Einspielungen in der Klassik-Abteilung, sondern durchquert zielstrebig das Erdgeschoss, um zum Kunstsupermarkt zu gelangen. Dort hat er bereits vor einiger Zeit – damals noch zufällig – drei Bilder für seine Arztpraxis ergattert. Für 140 Euro ist im Kunstsupermarkt ein Hauch von „PostImpressionismus“ zu haben. Eine echte Alternative zu den gerahmten MatissePostern von Ikea. Dr. Harald M. meint sogar, dass die Werke der dort ausstellenden Künstler “einem echten van Gogh oder Cézanne doch täuschend ähnlich sehen”. Ebenfalls am Kunstsupermarkt schätzt der Arzt, dass er hier die zahlreichen Bilder in Ruhe durchsehen kann, ohne von einem eifrigen Galeristen umgarnt zu werden. Er läuft noch nicht einmal Gefahr, sein „Unwissen“ preisgeben zu müssen. Der in Frankreich initiierte Kunstsupermarkt bietet seit zehn Jahren Kunst für jedermann auf temporären Verkaufsflächen feil. Kunst als Einstiegsdroge? In Frankreich jedenfalls geht die Rechnung auf: viele einmal gewonnene Käufer werden zu Wiederholungstätern. So auch Dr. Harald M. Tucholskystraße, 14 Uhr: Marek K. legt seine erste Pause im „Strandbad Mitte“ ein. Groß ist sie, die Berliner Galerienlandschaft, und für „Nicht-Eingeweihte“ unübersichtlich. Auguststraße, Linienstraße und die „neue Kunstmitte Nord“ rund um die Brunnenstraße hat er bereits abgeklappert. Interesse an Kunst kann man ihm unterstellen, auch besucht er hin und wieder eine Ausstellung, doch die Galerienszene ist ihm immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Daher hat sich der Herr Berater einen Berater an Bord geholt. Jemanden, der die Galerienszene vor Ort besser kennt als er und ihn begleitet. Bei einem Latte Macchiato und dem Aussagen wie, „dass man sich schon fragt, wie es manche Künstler geschafft haben, ihre monochromen Bilder für 100.000 Euro an den Mann zu bringen...“ werden die bisherigen Besuche kurz rekapituliert. Schon nach diesen ersten drei Stunden ist klar, welche Richtung Marek K. bevorzugt. Daraufhin optimiert er seine weitere Route. Die in Frage kommenden Galerien, ihre Programme und Künstler lässt er sich kurz erklären und weiter geht’s. Berlin-Schöneberg, 16 Uhr: Christian S., 28 Jahre, Journalist, Kabarettist und Student in einem, fährt seinen Rechner hoch. e-bay heißt sein Ziel. Dort sucht er nach einem Künstler namens Oleg Larazev, den er vor kurzem kennen gelernt hat und von dem er weiß, dass er als Newcomer ausschließlich von einer Internet-Galerie vertreten wird. Gesucht, gefunden und geboten: 8 Stunden und 44 Minuten spä- Kunstherbsttalk im Marie - Elisabeth - Lüders Haus ter ist Christian S. stolzer Besitzer des Larazev Pastells „Maltchek“ („Der Junge“) im ersteigerten Wert von 1 Euro plus Packungs- und Versandkosten in Höhe von 8,70 Euro. Das hier skizzierte unterschiedliche Käuferverhalten, die Motive und Kaufprozesse sind Bestandteil einer Analyse der Berliner Kunstmarktstudie, die in diesem Jahr erstmalig im Rahmen des Kunstherbstes präsentiert wurde. Die Studie gibt Aufschluss über die Situation des Berliner Kunstmarktes, liefert Antworten auf Fragen zum Marktpotential und der Kundenstruktur von Galerien und Auktionshäusern. Und sie bietet vor allem den hiesigen Akteuren des Kunstmarktes eine Handlungs- und Argumentationsbasis für ihre zukünftigen Aktivitäten. Denn eine derart breitgefächerte Studie, die in einer quantitativen Erhebung 300 Berliner Galerien zum künstlerischen Programm, zu Marketing-Aktivitäten, der finanziellen Situation, zur Kundenstruktur und dem Käuferverhalten, bis hin zur Selbsteinschätzung und Prognose befragt hatte und diese Ergebnisse mit qualitativen Experten-Interviews abrundet hat, gab es bislang nicht. Zum vierten Mal in Folge wurde der Kunstherbst vom Institut für Kultur- und Medienmanagement in Kooperation mit Partner für Berlin und der Gesellschaft für Hauptstadtmarketing veranstaltet. Er bündelt alle Aktivitäten zur zeitgenössischen Kunst, die im Herbst in Berlin stattfinden, unter einer Dachmarke. Neben den inzwischen traditionellen Eigenveranstaltungen wie den „talks“ oder den “parcours” wurden die Ergebnisse der „Kunstmarktstudie Berlin“ am 23. September der Öffentlichkeit präsentiert. SYLVIA MÜLLER 13 P O R T R A I T Es siegte die Stärke und krönet zum Lohn VOM IKM IN DIE TRAUMFABRIK: ALEXANDER BUSCHE UND RONNY UNGANZ BEFLÜGELN DIE BERLINER OPER Ronny Unganz Alexander Busche Z wei haben es geschafft, sind abgesprungen und dort gelandet, wo andere immer noch die Traumfabrik vermuten: in den Berliner Opernhäusern. Der eine, Alexander Busche, ist seit Ende vergangenen Jahres Pressereferent an der Deutschen Oper Berlin, der andere, Ronny Unganz, wurde Assistent des Geschäftsführenden Direktors Georg Vierthaler an der Staatsoper Unter den Linden. Beide sind Absolventen des Instituts für Kultur- und Medienmanagement, beide haben sich für dasselbe Metier entschieden, aber völlig unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Zunächst besuchen wir Alexander Busche. Strahlend und perfekt gestylt, im grauen Nadelstreifenanzug, empfängt er in seinem Büro im Intendanzgebäude der Deutschen Oper. Schon nach den ersten Minuten wird klar: Er fühlt sich hier wohl. Etwas anderes als die Bühne wäre für ihn nie in Frage gekommen. 1978 in Detmold geboren, gab er sich seit frühester Kindheit seinen künstlerischen Neigungen hin. Ihn faszinierte einfach alles: Geigen- und Klavierunterricht, Gesang und Tanz in verschiedenen Facetten, Theaterspielen sowieso. Eigentlich verspürte Alexander Busche den Wunsch, Musicalsänger zu werden, hielt sich aber letztlich nicht für talentiert genug. Andere Optionen mussten her. Und Geduld obendrein. Nachdem er sich vergeblich in München um einen Studienplatz im Fach Regie beworben hatte, wechselte er schließlich nach Berlin, um Publizistik, Theaterwissenschaft und Musikwissenschaft an der FU zu studieren und fühlte sich dabei konstant unterfordert. Also ergänzte er die ersten Semester mit diversen Praktika bei Zeitungen und Radiosendern. Das Rüstzeug besorgte er sich im „Communications Department“ des Metropolitan Museum in New York: „Hier habe ich alles gelernt, was ich für meine jetzige Arbeit an der Deutschen Oper brauche. Außerdem habe ich jede Menge interessanter Eindrücke gewonnen, die meinen Horizont enorm erweitert 14 haben. Das kann ich nur jedem empfehlen.“ Alexander Busche gilt als besonders ehrgeizig. Schon nach dem sechsten Semester hatte er seine Magisterarbeit geschrieben und brach auf zu neuen Ufern. Er bewarb sich an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ sowohl für „Musiktheater-Regie“ als auch für „Kulturund Medienmanagement“. An beiden Instituten angenommen, studierte er guten Mutes bis Herbst 2003, als er seine Regielaufbahn frühzeitig für beendet erklärte. Ein ordentlicher Abschluss gelang ihm hingegen beim IKM mit einer Diplomarbeit über die „Marke Las Vegas“. Ob diese Studie den Geschäftsführenden Direktor der Deutschen Oper, Peter Sauerbaum, beeindruckt hatte, ist nicht überliefert. Doch Sauerbaum war vom Talent Busches nach einem sechswöchigen Praktikum so sehr begeistert, dass er ihn gleich behielt. Wir fahren in die Lindenoper zu Ronny Unganz. Schon äußerlich scheint er das ga n ze Gege nteil von Alexander Busche zu sein. Völlig locker und entspannt, in Jeans und Hemd gekleidet, hat er als Treffpunkt die Cafeteria der Oper vo rgeschlagen. O bwohl man sich der besonderen Atmosphäre dieses Hauses nur schwer entziehen ka n n , scheint es ihn kalt zu lassen. Ronny Unga n z ist aus anderem Holz. Seine Affinität zum Musiktheater wurde ihm praktisch in die Wiegege l e g t : 1 974 in Dresden als Sohn eines Künstlerpaares geboren, wuchs er mit T h e ater und Oper auf. Dies würde den Schluss nahe legen, dass er sich selber auf der Bühne hätte sehen wollen als in der Ve rwaltung. Weit ge fehlt. Ronny Unga n z , der sich selbst als „künstlerisch nicht begabt aber interessiert“ beschreibt, vers p ü rte eine Sehnsucht n i e. Ursprünglich wollte er nach seinem Abitur gern Geschichte studieren. Da er aber ein „sehr sicherheitsliebender Mensch“ ist, entschied er sich stattdessen für ein grundsolides VWL-Studium an der HU in Berlin. Obwohl ihm das Studium Spaß machte, wurde ihm doch relativ schnell klar, dass für ihn eine Karriere in der Wirtschaft nicht in Frage kommt. Denn er wollte „tun, was ihn glücklich macht“ und suchte nach Alternativen. So kam es, dass er 1998 ein Praktikum am Deutschen Theater in Berlin absolvierte, wo ihm Prof. Klaus Siebenhaar begegnete und vom Aufbaustudiengang „Kultur- und Medienmanagement“ hörte. Er bewarb sich, wurde genommen und ging nach zwei Jahren mit Diplom. Ähnlich wie bei Alexander Busche führte auch sein Weg an die Oper über ein Praktikum. Diesmal hieß der Mentor Georg Vierthaler, und der ist nicht nur Geschäftsführender Direktor der Lindenoper, sondern auch einer der erfolgreichsten Berliner Bühnenmanager überhaupt. Vierthaler erkannte das Talent, stellte ihn ein und machte ihn im Januar 2002 zu seinem Assistenten. Leidenschaft und die Liebe zur Oper verbindet die beiden Berufseinsteiger. Obwohl Ronny Unganz ebenso entspannt wie rational wirkt, wenn er über seinen Job redet, merkt man ihm doch die Begeisterung an, mit der er seiner Arbeit an der Staatoper nachgeht. Doch der „Verwaltungsjob“ an einer Oper ist nicht wie jeder andere. Ronny Unganz beschreibt gern den Reiz, an der Lindenoper mit großartigen Menschen im Team arbeiten zu können. Er sieht sich als Teil des lebendigen und sich ständig erneuernden Gesamtkunstwerkes Oper. Ihm ist wichtig, dass das Musiktheater eine Geschichte neu erzählt und nicht in einem selbstreferentiellen Zustand verharrt. „Sich auf die Durchführung eines schönen Abends zu beschränken, ohne Inhalte zu zeigen, reicht nicht aus.“ Alexander Busche hingegen liebt an seinem Job die Möglichkeit, mit Presse und Publikum kommunizieren zu können, wobei er auch hier wieder auf die Nützlichkeit seiner New York-Erfahrungen verweisen kann. Sein besonderes kommunikatives Talent und die Fähigkeit, durch seine Kontaktfreude sofort verschiedene Netzwerke zu spinnen – alles in Verbindung mit seinen Fachkenntnissen in der Musiktheaterbranche – sind auch die Eigenschaften, die Peter Sauerbaum besonders an ihm überzeugen. Er würde ihn „jederzeit wieder einstellen“. Ein schöneres Kompliment kann es kaum geben. Den nachfolgenden Absolventen des IKM empfiehlt Ronny Unganz, den Spaß an der Sache zu behalten, die Dinge auf Nachhaltigkeit zu prüfen und sich vor allem „selbst treu zu bleiben“. Alexander rät zu Flexibilität im Denken und Handeln: Offen sein für viele Dinge und vor allem Interesse zeigen, das sind seine Leitmotive. KIRSTEN SCHMIEGELT D A S Der Umzug DAS IKM IST AN DER FU ANGEKOMMEN ür Institute gilt das Gleiche wie für den Menschen: sich regen bringt Segen. Nur wer sich bewegt, kommt voran, Stillstand ist der Tod. Das Institut für Kultur- und Medienmanagement und sein gleichnamiger Studiengang haben sich bewegt. Als erster Kulturmanagement - Studiengang in Deutschland hat sich das IKM zum Wintersemester 2004/2005 an einer traditionellen Universität etabliert: Der Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin stellt das große Dach dar, unter das ein kleines Institut schlüpft. Mit dem Wechsel an die FU verbindet sich zugleich eine Umwidmung des bisherigen Diplomstudienganges in einen gebührenpflichtigen Masterstudiengang „Arts and Media Administration“. Das Institut wird sich als eigenständige wissenschaftliche Einrichtung (WE 9) in Zukunft neben dem anwendungsorientierten Masterstudiengang F Das Ding DIE UMZUGSKISTE I rgendwo zwischen Origami und Robert Morris befindet sich das heimliche Zentrum eines jeden Umzugs: die Umzugskiste. Wer schon einmal zwischen schwarz weissen Bergen aus zerknülltem Zeitungspapier und halb auseinandergeschraubten Möbeln saß, weiß eines ganz genau: mit diesem object of strange attraction steht und fällt die gesamte Unternehmung. Wir sind an einem neuralgischen Punkt intellektueller Verwirrung angelangt. Kleine, schwarze Piktogrammen sollen uns verständlich machen, wie aus dem großen flachen Etwas ein quadratisches Ganzes wird. Wir fragen lieber einen, der die Kunst des Faltens erfunden hat: Umzugsprofi Klaus Zapf. „Als erstes stellt man den Umzugskarton auf den Kopf. Dann schaut man sich den Umzugskarton an und klappt in auf. In der Regel, wenn Sie Rechtshänder sind, geschieht das dann nach rechts. Dann haben Sie hier diese vier Laschen, die abstehen. Insgesamt sechs. Vier kleine und zwei große, sechs Laschen. Dann gehen Sie her und drücken die rechts zwei Laschen in den Karton nach innen und dann werden die großen Laschen noch mal in sich eingeknickt und auch nach stärker als bisher in der Forschung engagieren – und zwar schwerpunktmäßig in den Bereichen Medien, Kulturwirtschaft und Audience Development. Ansonsten wird Kontinuität im Wandel gewahrt: beim Lehrkörper mit den Honorarprofessoren und Lehrbeauftragten, in den bewährten Kooperationen mit zahlreichen Kultureinrichtungen und Medienanstalten, bei der äußerst erfolgreichen Praxisprojektarbeit, und im internationalen Austausch mit den USA. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne: Die Freie Universität offeriert mit ihrer Infrastruktur und ihren internationalen Netzwerken neue Perspektiven für das Fach und das Institut. Und das IKM bringt vierzehn Jahre Erfahrung in praxisnaher Studiumsgestaltung und einen großen Fundus an außeruniversitären Partnern in die neue Beziehung ein – gute Voraussetzungen für eine produktive Entwicklung zu beiderseitigem Nutzen. Denn die klassischen Universitäten befinden sich in ihrer vielleicht nachhaltigsten Umbruchsituation seit 1968: Die Umstellung auf BA- und MA- Studiengänge bedeutet eine besondere Herausforderung an Lehre und Forschung. Der „Elfenbeinturm“ öffnet innen gesteckt und stehen dann, wenn man den Karton umgedreht hat, innen senkrecht hoch. Dann nimmt man diese vier Laschen und knickt die sowohl rechts als auch links an der zuvor eingesteckten, geknickten Großlasche nach unten und legt diese Großlaschen jeweils zur Kartonaußenwand hin um. Nun haben wir einen aufgestellten Karton. Wo wir oben dann nur noch vier Laschen haben. Wir haben jetzt an den Längsseiten zwei größere Laschen und an den Seitenseiten zwei kleinere Laschen: nun kommt der Moment wo wir den Karton schließen. Wir gehen her, nehmen diese zwei Seitenlaschen knicken die ebenso nach innen und nehmen die zwei Großlaschen und schieben die and der aufgeschnittenen Stelle in der Mitte der Ka rtons ineinander ein und haben nunmehr einen geschlossenen Karton, so wir diesen nicht zu voll gepackt haben.“ Alles klar!?! Na dann. Packen wir’s an! SILKE KRUMMEL L E T Z T E seine Tore, und die gesellschaftliche Wirklichkeit kommt herein in Gestalt von berufsvorbereitenden Praxisanteilen und -kooperationen. Da kommt das kleine IKM gerade recht für die große FU und den renommierten Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften. In der neuen Heimat „Silberlaube“/ „Rostlaube“, dem gerade aufwendig renovierten und um die Bibliothek von Norman Foster bereicherten geisteswissenschaftlichen Campus, wird sich das IKM also über seine Institutsgrenzen hinaus einbringen. Verabredet ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Außenamt der FU beim Thema Veranstaltungsmanagement. In der Planung befindet sich darüber hinaus die Unterstützung des Fachbereichs bei den berufsvorbereitenden Anteilen der neuen B.A. - Studiengänge. Und in Arbeit ist ein umfassendes, fachbereichsübergreifendes Konzeptpapier für den Cluster „Medienforschung/Medienpraxis“, an dem das IKM maßgeblich mitwirkt. Also: Das IKM ist angekommen in der schönen neuen FU - Welt, die Aufgaben sind in Angriff genommen, und auf den S e gen können wir gern noch etwas warten. K7H Impressum Hrsg.: Institut für Kultur- und Medienmanagement Freie Universität Berlin WE 9, FB Philosophie und Geisteswissenschaften Habelschwerdter Allee 45 14195 Berlin www.ikm.fu-berlin.de E-Mail: kultur@.ikm.fu-berlin.de Tel./Fax: 030 - 838 525 70/63 v.i.S.d.P.: Prof. Dr. Klaus Siebenhaar Redaktion: Ingolf Kern (Chefredakteur), Claudia Gellrich, Silke Krummel (CvD), Johanna Lehmann (CvD), Sylvia Müller, Kirsten Schmiege l t , Christian Schmidt, Ning Wang, Jana Wuttke Layout: Katrin Bosse Auflage: 1500 Druckerei: enka - druck Berlin Fotos: Claudia Gellrich, Johanna Lehmann, Kirsten Schmiegelt, Christian Schmidt, Jana Wuttke 15