die magie der glocken - glocken in der sage

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die magie der glocken - glocken in der sage
EINTRACHT
OSTERN 2012
DIE MAGIE DER GLOCKEN - GLOCKEN IN DER SAGE
«Vivos voco. Mortuos plango.
Fulgura frango.»
Die Lebenden ruf' ich. Die Toten
beklag' ich. Blitze brech' ich.
Inschrift der Schaffhauser Münsterglocke, ge­
gossen 1486. M o t t o für: «Das Lied von der
Glocke» von Friedrich Schiller ( 1 7 5 9 - 1 8 0 5 )
Die sogenannte Gallusglocke aus Bregenz,
seit 1 7 8 6 in St. Gallen in der Stiftskirche. Das
Bild des Gallus mit dem Bären wurde im Ba­
rock aufgemalt. Foto: Paul Joos, W i l . W e r denberger Jahrbuch 2 0 1 2 .
Das «z'Taglüta» am frühen Morgen
und das «Ave Mareialüta» oder
«Uslüta» am späteren Abend sowie
der jeweilige Stundenschlag der
Kirchturmuhr bringt eine O r d n u n g
in den Tagesablauf. Das Läuten der
dörflichen Kirchenglocken vermit­
telt auch eine Art von Heimatge­
fühl. W i e eine magische Kraft
weckt der Glockenklang oft versun­
kene Erinnerungen an unbeschwer­
te Kindertage, an verflossene ge­
meinsame Freudentage oder es
nehmen auch bittere und traurige
Gedanken ihren Lauf.
Das Totenglöcklein ruft zur letzten
Stunde. Von der Wetterglocke er­
warteten die Leute das Vertreiben
der Unwetter und der bösen Geister
sowie die Verschonung vor Pest
und Seuchen. Die Schutzengel­
glocke sollte uns sicher durch das
Leben begleiten. Doch die mysti­
sche Volksfrömmigkeit verlor sich
oft in abgrundtiefem Aberglauben.
So ist es nicht verwunderlich, dass
sich die Kraft und Magie der Kir­
chenglocken ihren Nachklang in
der Sagenwelt findet.
«Nicht selten stehen sich dabei Gu­
tes u n d Böses gegenüber, w i e es
sich auch i m heiligen Klang der
Glocken u n d i m unheiligen Treiben
dunkler Mächte zeigt.»
(Franz Elsensohn)
Die 33 cm hohe Glocke wurde vermutlich
um 6 1 0 von den beiden Wandermönchen Columban und Gallus an den Bodensee mitge­
bracht. Weil durch diese Glaubensboten die
bösen Geister verbannt worden waren, schrieb
man dem Geläute noch immer dieselbe über­
natürliche Wirkung z u .
Das einladende Läuten zur Mitter­
nachtsmette, das gewaltige Erdröh­
nen aller Glocken im ganzen Lande
zum Neuen Jahre und die jubeln­
den Klänge der Glocken zu Ostern
als feierliche und tröstende Bot­
schaft gehören zum heimatlichen
christlichen Brauchtum. ( O b w o h l
für die einen die Glocken und ihr
Geläute eine Lärmquelle sei, die sie
störe, schrieb Adulf Peter Goop i m
Brauchtumsbuch 1986.)
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Glocke der Friedenskapelle Malbun. Der Klang
der Glocken berührt die Menschen auf eine
besondere
Weise. Ein leises Bimmeln des
Glöckleins einer einsamen Bergkapelle strömt
Sehnsucht nach Ruhe und Frieden aus.
Im Bergerwald
Im Bergerwald o b Mauren trieb ein
Kobold sein Unwesen. Ein Haupt­
vergnügen dieses Geistes war es,
harmlose Wanderer in die Irre z u
führen, so dass sie die ganze Nacht
herumirrten, sie liefen zum Ganten­
stein, stiegen über den Malanser,
kamen bis nach Eschen, und stan­
den w i e aus einem Traume erwacht
beim «z'Taglüta» vor dem Büelkappile.
Büelkappile oberhalb von M a u r e n
Das Teufelsloch
Ein Bauer verpfändete dem Teufel
seine Seele, wenn er in einem Tage
das ganze Schaaner Riet abmähe
und das Heu vor dem «Ave Mareia­
lüta» einbringe. Der Leibhaftige
w a r schon zum Binden des letzten
Fuders gekommen, als unerwartet
das Glöcklein vom Benderer Kirch­
turm ertönte. In seiner W u t o b der
entgangenen Seele schleuderte der
Teufel den Wiesbaum mit solcher
Gewalt von dannen, dass er über
den Rhein flog und in den gegenü­
berliegenden Kreuzbergen ein Loch
durchschlug. Das verschmitzte Bäuerlein hatte in seiner N o t den Mes­
ner gebeten eine Viertelstunde frü­
her die Glocke zu läuten.
Die Geiger auf dem Vaduzer
Galgen
Zwei Brüder sollen Musik machen
bei einem ländlichen Tanzfest. Sie
verirren sich, werden von einem
grossen Herrn mit langem Mantel
und mächtigem Hut (Teufel!) ange­
sprochen, der ihnen Essen und Trin­
ken und einen Sack voll Geld ver­
EINTRACHT
OSTERN 2012
spricht. In einem prächtig erleuch­
teten Paradiesgarten spielen sie auf,
als aber das «z'Taglüta» der Glocke
aus Triesen ertönt, ist der Spuk ver­
schwunden und sie sind beim Gal­
gen unterm Meierhof, der W e i n ­
krug ist ein Totenkopf, der Becher
ein Rosshuf, und im Sack finden sie
bunte Glasscherben.
Das Singen auf St. Mamerten
Ein Triesner hatte ein Stallgut bei St.
Mamerten. Eines Morgens, es war
noch dunkel, glaubte er, es sei
schon Zeit zum Füttern, und er
machte sich auf den Weg, hatte
sich aber in der Zeit geirrt, es war
erst zwei U h r nachts.
Als er heraufkam, war die «SantAmerta-Kapelle» hell erleuchtet, und
ein wundervolles himmlisches Sin­
gen klang aus ihr heraus. Er konnte
nicht mehr weiter gehen, blieb w i e
gebannt stehen, und musste einfach
zuhören. Erst als im Dorfe die
Glocke das «Angelus» läutete, durfte
er sich wieder bewegen.
Kapelle St. Mamertus
St. Theodul mit der Glocke
Nach der Legende bekam Theodul,
der erste Bischof des Wallis, v o m
Papste eine Glocke zum Geschen­
ke. Unvermögend, durch menschli­
che Hilfe sie fortzubringen, zwang
er den Teufel, den er aus einem Be­
sessenen ausgetrieben, das Ge­
schenk über die Alpen in die Bi­
schofstadt Sitten zu tragen.
Es darf nicht verwundern, dass die
Walser ihren Schutzpatron in die
neue Heimat am «Triesnerberg»
mitgenommen haben. So erinnern
auch zwei Darstellungen in der Ka­
pelle auf Masescha an den volks­
tümlichen Heiligen: das ehemalige
Altarbild, nun an der Kapellennordwand, und das Glasfenster im Chor.
Sinnigerweise erhielt das LAK Pfle­
geheim am Dorfplatz den Namen
St. Theodul. A m Rathaus der Wa l ­
sergemeinde zeigt das Mosaik an
der Nordwand den «Teufel mit der
Glocke». Im Triesenberger Wappen
thront stolz die Glocke über dem
Dreiberg im Wappen.
Gold, das darin ist, euch gehören.»
Der Bursche kam wirklich am
nächsten Abend m i t zwei Freunden
in die Kapelle, und sie knieten hin­
tereinander in die Bänke.
Als die Glocke der Pfarrkirche die
Mitternachtsstunde schlug, erschien
wirklich die Kiste mit dem Hund.
Der erste versuchte, das Untier her­
unterzuwerfen, aber es sprang auf,
starrte ihn m i t feurigen Augen an,
kläffte und jaulte und sprang von
einer Seite des Kistendeckels auf
die andere. Der zweite kam zu Hil­
fe, als er auch nichts erreichte, for­
derten sie den dritten auf. Der aber
zitterte so vor Angst. Da hörten sie
einen gellenden Schrei, und H u n d
und Kiste waren verschwunden.
Es w u r d e stockdunkel im Kirchlein,
und die Freunde konnten sich nicht
rühren und mussten drinnen blei­
ben, bis der Mesner kam, den Englisch-Gruss zu läuten.
D e r glockentragende Teufel
Der Wingertgeist
Ein paar Balzner hatten auf A n d
Holz gefällt und kamen von der Ar­
beit heim. Als sie schon weit unten
waren, kam es einem in den Sinn,
dass er seine Schuheisen vergessen
hatte. Er kehrte um und holte sie,
und als er auf dem Rückwege end­
lich bei den «Wingerten» vorbeiging,
konnte er auf einmal keinen Schritt
mehr tun und fiel wie gebannt zu
Boden. Er musste die ganze Nacht
liegenbleiben und fast erfrieren.
Beim ersten Glockenklang des Tag­
läutens hörte er ein Rascheln, als
o b jemand den Wingert hinauf­
springe. Ein unheimliches Lachen
ertönte, da konnte er erst aufstehen
und heimgehen.
Der Schatz von St. Mamerten
Eines Abends ging ein Triesner in
das Kirchlein St. Mamerten, um z u
beten. Plötzlich erschien ihm ein
Geist, der zu ihm sprach: «Wenn
du reich werden willst, so ko mme
mit zwei anderen Burschen u m
Mitternacht hierher. Du wirst eine
Kiste sehen, die ist voll Gold, und
auf ihr w i r d ein Hund sitzen. W e n n
ihr ihn hinunterwerft, so soll alles
D a s G e h e i m n i s v o l l e des G l o c k e n ­
klangs f i n d e n w i r a u c h in d e n Sagen
der weiteren Umgebung:
- «Die Glocken von Plurs» in einem
dramatischen Theaterstück
- das «Heidenglöcklein» der alten
Tisner Kirche
- die «Glocken von St. Anton»
- das «Gretschinser Glöcklein» aus
der Marienkapelle von Triesen
- die grosse Kirchenglocke von Furna
vertrieb die «wilden Lüt» aus dem
Val Davos (A. Büchli)
- die Glocken von Sankt Corneli
verscheuchen das Nachtvolk
- das Dröhnen des Ostergeläutes wäh­
rend der Schlacht um Feldkirch
«... und das ganze Franzosenheer
floh vor Angst landaus vor der
Osterglocken heiligem Klange»
(A. Hensler)
Quellen: Nach Seger, Otto: Sagen aus Liechtenstein
Johann Oehry
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